Systemische Therapie des kolorektalen Karzinoms

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Systemische Therapie
des kolorektalen Karzinoms
S. Stintzing, V. Heinemann
1
Einleitung – Epidemiologie 3
2
2.1
2.2
2.3
Therapie des Kolonkarzinoms 4
Adjuvante Therapie des Kolonkarzinoms 4
Adjuvante Therapie bei älteren Patienten 5
Adjuvante Therapie im Stadium II 6
3 Therapie des Rektumkarzinoms 6
3.1 Neoadjuvante Therapie des Rektumkarzinoms 6
3.2 Adjuvante Therapie des Rektumkarzinoms 7
4 Palliative Therapie der kolorektalen ­Karzinoms 8
4.1 Klinische Einteilung der Patienten 8
4.2 Molekulare Einteilung der Patienten – KRAS-Mutationsstatus 9
4.3 Chemotherapie 9
4.4 Monoklonale Antikörper 10
4.5 Zweitlinientherapie 13
4.6 Vorgehen bei isolierter Lebermetastasierung 15
Literatur 17
1 Einleitung – Epidemiologie
Mit über 70.000 Neuerkrankungen ist das kolorektale Karzinom die
zweithäufigste Krebserkrankung in Deutschland und trägt mit über
25.000 Todesfällen jährlich zu den krebsbedingten Todesursachen bei.
In der überwiegenden Zahl der Fälle entstehen kolorektale Karzinome
aus Vorstufen (Adenome) welche durch Screeningverfahren rechtzeitig
entdeckt werden könnten. Zu den von den gesetzlichen Kostenträgern
erstatteten Vorsorgeuntersuchungen zählen ab dem 50. Lebensjahr die
Hämoccult-Untersuchung (FOBT) sowie, bei fehlenden Risikofaktoren,
die Koloskopie ab dem 55. Lebensjahr. Allerdings ist die Akzeptanz der
Vorsorgekoloskopie gering und wird von weniger als 2% der über 55Jährigen genutzt [25]. Dieselbe Analyse konnte zeigen, dass der Nutzen
der Vorsorgekoloskopie sehr hoch war, da in etwa einem Viertel der
Untersuchungen Läsionen im Sinne der Adenom-Karzinom-Sequenz
und in 1,3% kolorektale Karzinome detektiert wurden. Somit müssen
die Anstrengungen, Patienten zu den Vorsorgekoloskopien zu motivieren, weiter verstärkt werden.
Das mediane Erkrankungsalter liegt bei etwa 70 Jahren, sodass das
kolorektale Karzinom zu der Erkrankung des höheren Lebensalters
zählt. Zum Zeitpunkt der Erstdiagnose sind etwa 20% der kolorektalen
Karzinome metastasiert (synchrone Metastasierung). Weitere 20–25%
der Patienten entwickeln Metastasen in der weiteren Krankheitsgeschichte und müssen einer dann palliativen Chemotherapie zugeführt
werden.
Die fortschreitende Entwicklung interdisziplinärer Therapiekonzepte, insbesondere bei Patienten mit vereinzelten Lebermetastasen, ist
weiter in den Fokus gerückt worden, da hier ein großes Potenzial für
die Verbesserung des Langzeitüberlebens liegt, und in Deutschland im
internationalen Vergleich der prozentuale Anteil der Metastasenresektionen mit kurativer Intention noch niedrig ist.
Durch die zunehmende Zertifizierung von Darmkrebszentren und
durch die flächendeckende Einführung multidisziplinärer Tumorzent­
ren werden hier weitere Verbesserungen erwartet. Ebenso wird, durch
die Anforderung, mindestens 10% aller Patienten der Darmkrebszentren innerhalb von Studien zu behandeln, die Anzahl der Studienpatien­
ten vermutlich steigen.
Diagnostik und Therapie des kolorektalen Karzinoms orientieren
sich an den S3-Leitlinien. Die aktuell gültige S3-Leitlinie „Kolorektales
Karzinom” stammt aus dem Jahr 2008 [41]. In den letzten Jahren sind
allerdings neue Erkenntnisse hinzugekommen, welche im Folgenden
diskutiert werden sollen.
Systemische Therapie des kolorektalen Karzinoms
2 Therapie des Kolonkarzinoms
2.1 Adjuvante Therapie des Kolonkarzinoms
In den UICC-Stadien II und III des kolorektalen Karzinoms wird nach
R0 Resektion innerhalb der ersten 2–3 Jahre die Mehrzahl der Rezidive
erwartet [39]. Nach 5 Jahren ist die Rezidivrate <1,5% und nach 8 Jahren beträgt die jährliche Rezidivrate <0,5%. Insbesondere bei Patienten
in höherem Lebensalter ist dies bei der Indikationsstellung zu einer
adjuvanten Chemotherapie zu berücksichtigen. Geht man von einer
Lebenserwartung von mehr als drei Jahren aus, so ist eine adjuvante
Chemotherapie auch bei älteren Patienten sinnvoll und kann zu einer
klinisch relevanten Minderung des Rezidivrisikos führen.
Im nodal positiven Stadium (UICC III) ist, nach aktueller S3-Leit­
linie, eine adjuvante Chemotherapie für eine Dauer von sechs Monaten
indiziert. Der Nutzen einer adjuvanten Chemotherapie im UICC-Stadium II ist deutlich niedriger und sollte nur bei Vorhandensein folgender Risikofaktoren empfohlen werden:
 T4-Tumor
 Tumorperforation
 Operation unter Notfallbedingungen
 Anzahl der untersuchten Lymphknoten <12
Interessante Ergebnisse bzgl. einer neuen, auf molekulare Marker gestützte, Risikostratifizierung im Stadium II wurden auf dem ASCO
GI Meeting 2011 von einer Münchner Arbeitsgruppe vorgelegt [37].
Durch eine Testbatterie mehrerer molekularer, prognostischer Faktoren
konnten Patienten mit einer geringen Auftrittshäufigkeit eines Rezidivs
(gemessen als 5 Jahre krankheitsfreies Intervall) hochsignifikant von
Patienten mit geringer Wiederauftretenswahrscheinlichkeit getrennt
werden. Solche Tests sind noch nicht in der Routine etabliert, werden
aber unserer Meinung nach in naher Zukunft die therapeutischen Entscheidungen beeinflussen.
Für die adjuvante Chemotherapie wird seit Publikation der Daten
aus der MOSAIC-Studie eine sechsmonatige Behandlung mit FOLFOX4
angestrebt. In der MOSAIC-Studie konnte die Überlegenheit von
FOLFOX4 gegenüber infusionalem 5-FUFA nachgewiesen werden.
So verbesserte sich sowohl das krankheitsfreie Überleben nach 5 Jahren (5-Year DFS) von 67,4% im FUFA-Arm gegenüber 73,3% im
FOLFOX-Arm als auch das 6-Jahres-Überleben (78,5% vs. 76,0%) [2].
Ähnlich gute Daten erbrachte die XELOXA-Studie, in der die adjuvante Therapie mit einem Bolus-5-FU/FA-Regime gegen die Gabe
von Capecitabin und Oxaliplatin getestet wurde. Der Anteil der krankheitsfreien Patienten konnte von 66% (5FU/LV) auf 71% (XELOX) gesteigert werden [48]. Die Zulassung ist allerdings noch nicht um diese
Indikation erweitert worden.
S. Stintzing, V. Heinemann
Während die Mikrosatelliteninstabilität (MSI) in der Auswahl der
adjuvanten Therapie beim Rektumkarzinom eine Rolle spielt, scheint
sie nach vorliegender Datenlage bei der adjuvanten Gabe von 5-FU
und Oxaliplatin keine Rolle zu spielen [24]. Allerdings sollten aufgrund
der nur kleinen Fallzahl weitere Studien abgewartet werden.
Problematisch bei der Gabe von Oxaliplatin ist die kumulative
Toxizität, welche bei einem großen Anteil der Patienten eine Oxaliplatin-Gabe über sechs Monate nicht durchführbar erscheinen lässt. Auch
Daten aus der MOSAIC-Studie zeigen eine Rate von Oxaliplatin-bedingten Parästhesien von 41% nach sechs Monaten therapiefreiem Intervall und von 29,5% ein Jahr nach Beendigung der adjuvanten Therapie [2]. Neben einer Anpassung der Oxaliplatindosis nach Neurotoxizität wird auch die protektive Gabe von Kalzium und Magnesium (1 g
Kalziumglukonat + 1 g Magnesiumslufat über 15 min als Mischinfu­
sion) empfohlen. Als Datengrundlage wird hierzu die CONCEPT-Studie
herangezogen, in der die neuroprotektive Gabe von Kalzium und Mag­
nesium die Ansprechraten des FOLFOX-Regimes nicht beeinflusst hat
[19, 20]. Irinotecan hat nach drei negativen Studien keinen Stellenwert
in der adjuvanten Therapie des kolorektalen Karzinoms.
Die Frage, in welchem Abstand eine adjuvante Chemotherapie
nach einer Operation begonnen werden sollte, wurde in einer gepoolten Analyse von 5 Studien mit über 10.000 Patienten untersucht [4].
Hierbei zeigte sich, dass ein späterer Beginn der adjuvanten Therapie
mit einem signifikant schlechteren 5-Jahres-Überleben korrelierte. So
führte eine Verzögerung der adjuvanten Therapie um 4 Wochen zu
einer Senkung des relativen Überlebens um jeweils 14%. Diese Daten
weisen darauf hin, dass eine adjuvante Therapie bei fehlenden Kontraindikationen, möglichst nach einem postoperativen Intervall von 4 Wochen begonnen werden sollte.
2.2 Adjuvante Therapie bei älteren Patienten
TZM Essential
Entsprechend der aktuell gültigen S3-Leitlinie [41] wird im Sta­dium III des kolorektalen Karzinoms die
Durchführung einer adjuvanten Chemotherapie mittels 5-FU (infusional oder oral) in Kombination mit
Oxa­liplatin auch bei älteren Patienten (>70 Jahre) empfohlen. Bei Kontra­indikationen gegen Oxaliplatin
sollte eine Monotherapie mit Fluoropyrimidinen durchgeführt werden, wobei aufgrund besserer Verträglichkeit orale Flurorpyrimidine den infusionalen Regimen vorgezogen werden sollten. Bolusregime sollten
aufgrund erhöhter Toxizität nicht mehr angewandt werden.
Retrospektiv erhobene, gepoolte Daten zur adjuvanten Therapie des
Kolonkarzinoms bei älteren Patienten (>70 Jahre) zeigten, dass auch
ältere Patienten in Hinblick auf DFS und Gesamtüberleben, von einer
adjuvanten Chemotherapie mit FOLFOX profitieren, wobei die Datenlage zu Patienten, welche älter als 80 Jahre sind, unzureichend ist [17].
Problematisch sind hier die mit zunehmendem Alter häufig anzutrefSystemische Therapie des kolorektalen Karzinoms
fenden Komorbiditäten zu sehen, die die Durchführung einer intensiven Kombinationschemotherapie erschweren. Hier kann in Einzelfällen auf besser verträgliche Therapieoptionen ausgewichen werden. Als
alternative Monotherapie liegen dabei für Capecitabin die besten Daten
vor [48]. So konnte im Vergleich mit einem Bolus 5FU/FA-Regime die
Gabe von Capecitabin ein verbessertes 5-Jahres-Überleben von 71,4%
versus 68,4% erreicht werden. Zusätzlich zeigte die orale Therapie
größere Sicherheit und Verträglichkeit.
2.3 Adjuvante Therapie im Stadium II
Der Nutzen einer adjuvanten Chemotherapie im Stadium II mit 5-FU/
FA in Hinblick auf DFS und 5-Jahres-Überleben wurde in der QUASARStudie untersucht [18]. Dabei zeigte sich ein Zugewinn im 5-JahresÜberleben aufgrund der adjuvanten Chemotherapie um 3,6%. Daher
kann eine Chemotherapie im Stadium II nach Diskussion mit dem Patienten erwogen werden. Den Einfluss von Oxaliplatin in der adjuvanten Therapie des Stadiums II wurde in einer gepoolten Analyse
zweier Studien mit 3.000 Patienten im Stadium II untersucht [52]. Dabei wurde gezeigt, dass Patienten im Stadium II ohne Risikofaktoren
(T4-Tumor, Notfall-OP, Obstruktion/Ileus) nicht von der Gabe von
Oxaliplatin im Hinblick auf das krankheitsfreie Überleben (DFS) und
das Gesamtüberleben (OS) profitierten. Dagegen gibt es Hinweise dafür, dass die zusätzliche Gabe von Oxaliplatin bei Hochrisiko-Patienten
zu einer Verbesserung des Outcomes in Bezug auf DFS und OS führt
[52]. Diese Ergebnisse waren nicht signifikant, sodass hier nur eine
Empfehlung ausgesprochen werden kann und in jedem Fall das Verhältnis von Toxizität und Nutze
TZM Essential
n abgewogen werden muss.
Im Stadium II des kolorektalen Karzinoms kann eine adjuvante Chemotherapie durchgeführt werden. Die
Indikation ist nur bei gleichzeitigem Vorliegen von Risikofaktoren eindeutig und sollte dann, nach Abwägung von Toxizität und Nutzen in Kombination mit Oxaliplatin durchgeführt werden.
3 Therapie des Rektumkarzinoms
3.1 Neoadjuvante Therapie des Rektumkarzinoms
Bei kleinen, sogenannten „low-risk” Rektum-Karzinomen kann eine
kleinvolumige Vollwand-Exzision vertretbar sein. Ein „low-risk” Karzinom ist definiert als T1-Karzinom mit hohem Differenzierungsgrad (G1
und G1) ohne Lymphangiosis carcinomatosa (LO). Sobald ein T1-Karzinom mit schlechtem Differenzierungsgrad oder ein T2-Tumor ohne
Verdacht auf Lymphknotenbefall vorliegen, kann eine primäre, totale
S. Stintzing, V. Heinemann
mesorektale Exzision (TME) unter Mitnahme des lokalen Lymphabstromgebiets erfolgen. Zur Frage des Lymphknotenbefalls und insbesondere
des Befalls der mesorektalen Faszie ist das MRT der CT oder Endosonografie überlegen, sodass zumindest bei unklaren Befunden eine
MRT-Untersuchung des kleinen Beckens diskutiert werden sollte. Bei
T3-Tumoren und nodal positiven Tumoren wird aufgrund der Daten
der Deutschen-Rektumkarzinom-Studiengruppe eine neoadjuvante Radiochemotherapie empfohlen. Hierdurch konnte die lokale Rezidivrate
signifikant (p=0,0006) von 13% auf 6% reduziert werden und der Anteil der kontinenzerhaltenen Operationen erhöht werden. Allerdings
war der Effekt lokal beschränkt, weder das krankheitsfreie Überleben
noch die Rate an Fernmetastasierung wurde durch die neoadjuvante
Radiochemotherapie verbessert [42]. In wieweit die orale 5-FU Gabe
mit Capecitabin der infusionalen Gabe in der neoadjuvanten Therapie
des lokal fortgeschrittenen Rektumkarzinoms vergleichbar ist, wurde in
einer großen deutschen Studie mit 392 auswertbaren Patienten untersucht. Hierbei zeigte sich, dass im Hinblick auf das Gesamtüberleben
und das krankheitsfreie Überleben Capecitabin der infusionalen 5-FU
Gabe mindestens gleichwertig, im Trend sogar überlegen war [21].
In einer großen Studie wird eine Intensivierung der adjuvanten
Chemotherapie durch die Hinzufügung von Oxaliplatin untersucht.
Kleinere Studien zu diesem Thema konnten in der Kombination von
Capecitabin und Oxaliplatin keine signifikanten Unterschiede im Hinblick auf die lokoregionäre Effektivität bei deutlich erhöhter Grad-¾Akuttoxizität nachweisen [15]. Daten aus einer Studie der DeutschenRektumkarzinom-Studiengruppe, welche eine Gesamtzahl von 637 Patienten rekrutierte, ergaben einen signifikanten Vorteil bzgl. der pCRRate (Rate des pathologisch kompletten Ansprechens) bei Patienten,
welche neoadjuvant mit 5-FU, Folinsäure und Oxaliplatin plus Radiatio
behandelt wurden. Insbesondere konnte die pCR-Rate durch Zugabe
von Oxaliplatin signifikant gesteigert werden (17,6% vs. 13,1%;
p=0,035) [36]. Ob dieses Ergebnis Einfluss auf den primären Studien­
endpunkt, das krankheitsfreie Überleben (DFS), haben wird, ist bei aktuell noch zu kurzer Nachbeobachtungszeit unklar.
Die Addition von Oxaliplatin zu einer neoadjuvanten Radiochemotherapie des Rektums sollte daher weiterhin nur in Studien erfolgen.
TZM Essential
Die neoadjuvante 5-FU-basierte Radiochemotherapie ist nach S3-Leitlinie Standard in der Behandlung des
fortgeschrittenen (≥cT3) oder tiefsitzenden Rektumkarzinoms [41]. Dabei zeigt sich die Gabe von Cape­
citabin gegenüber der infusionalen 5-FU Gabe zumindest gleichwertig.
3.2 Adjuvante Therapie des Rektumkarzinoms
Nach R0-Resektion von UICC-Stadium II- oder -III-Tumoren (T3N0,
T1-3N+, T4) wird eine adjuvante Chemotherapie mit 5-FU empfohlen.
Systemische Therapie des kolorektalen Karzinoms
Patienten, deren Tumor eine Mikrosatelliteninstabilität aufweist, profitieren nicht von einer adjuvanten Chemotherapie mit 5-FU [40]. Insbesondere bei jüngeren Patienten (<50 Jahre) ist bei etwa 15–20% der
Rektumkarzinome eine MSI zu erwarten, sodass solchen Patienten im
Rahmen einer personalisierten Therapie die adjuvante Chemotherapie
eingespart werden kann. Nach S3-Leitlinie wird nach R1-Resektion
eine postoperative Radiochemotherapie zur Senkung des lokalen Risikos empfohlen [41], allerdings fehlen hierzu noch randomisierte Stu­
dien. Da Patienten mit schlechten Tumorregressionsgrad nach neoadjuvanter Radiochemotherapie eine deutlich schlechtere Prognose haben, kann insbesondere bei Rektumkarzinomen des oberen Drittels hier
auch eine adjuvante Chemotherapie analog des Kolonkarzinoms mit
FOLFOX4 diskutiert werden.
TZM Essential
Die adjuvante Chemotherapie mit 5-FU ist nach S3-Leitlinie Standard beim Rektumkarzinom im UICCStadium II und III [41]. Nach aktueller Studienlage profitieren Patienten mit MSI-Tumoren nicht von der
adjuvanten Gabe von 5-FU.
4 Palliative Therapie der kolorektalen
­Karzinoms
4.1 Klinische Einteilung der Patienten
Patienten mit metastasiertem kolorektalem Karzinom werden aufgrund
des klinischen Erscheinungsbildes in drei Gruppen eingeteilt, wobei
sowohl das Ausmaß der Metastasierung, die Tumorsymptomatik und
auch Komorbiditäten eine Rolle spielen.
 Gruppe 1 besteht aus Patienten mit primär resektablen Leber und/
oder Lungenmetastasen.
 Gruppe 2 ist gekennzeichnet durch eine potenziell resektable Metastasierung (Gruppe 2a) oder das Vorhandensein von Tumorsymp­
tomen (Gruppe 2b). In beiden Fällen liegt der Fokus der Chemotherapie auf einer hohen Ansprechrate, um potenziell resektable Metas­
tasen sicher resektabel werden zu lassen oder um die Tumorsymp­
tome zu reduzieren. Zu Gruppe 1 und 2 sind etwa 20–40% der
Patienten zu rechnen.
 Zu Gruppe 3 werden Patienten gezählt, welche aufgrund der ausgedehnten Metastasierung nicht resektabel sind oder bei welchen aufgrund von Komorbiditäten eine intensive Chemotherapie nicht
durchführbar erscheint. Bei der Auswahl der Chemotherapie werden
hier die Verträglichkeit und die Lebensqualität bei gleichzeitiger
Krankheitsstabilisierung im Vordergrund stehen. Der Großteil der
Patienten (ca. 60–80%) ist in dieser Gruppe einzuordnen.
S. Stintzing, V. Heinemann
Abb. 1. Klinische Einteilung
des kolorektalen Karzinoms.
4.2 Molekulare Einteilung der Patienten –
KRAS-Mutationsstatus
Neben der klinischen Einteilung der Patienten mit kolorektalem Karzinom ist zur Planung der besten Therapie auch die molekulare Einteilung von Bedeutung. EGFR-gerichtete Therapiekonzepte sind nur bei
Vorhandensein eines KRAS-Wildtyps wirksam [6, 44, 51]. Neben dem
prädiktiven Marker KRAS ist BRAF ein prognostischer Marker. Die
Wirksamkeit von EGFR-Antikörpern wird durch die Existenz einer
BRAF-Mutation nicht eingeschränkt [49]. Daneben können kolorektale
Karzinome aufgrund ihrer genetischen Alterationen mindestens in drei
unterschiedliche Arten eingeteilt werden [35]:
 CIN (Chromosomal instabile Neoplasien)
 MSI (Mikrosatelliten instabile Tumore)
 CIMP (CpG Island Methylator Phenotyp)
In wieweit diese Einteilung für die Effektivität und Wahl eines Therapieregimes wichtig ist, ist zurzeit noch nicht absehbar.
TZM Essential
KRAS ist zurzeit der einzige prädiktive molekulare Marker in der Wahl der Therapie des kolorektalen Karzinoms. Daneben ist die Einteilung der Patienten in drei klinische Gruppen in Abhängigkeit von Komorbiditäten und Metastasierungsart für die Wahl der Therapie bestimmend.
4.3 Chemotherapie
Aktuelle Chemotherapieregime bestehen aus einer Kombination von
einem Fluoropyrimidin (5-FU oder Capecitabin), Oxaliplatin und IrinoSystemische Therapie des kolorektalen Karzinoms
Abb. 2. Molekulare Ein­
teilung des kolorektalen
­Karzinoms.
tecan. Dabei liegt für FOLFOX- und FOLFIRI-Regime die beste Datenlage vor. In Hinblick auf Ansprechen und Überleben sind FOLFOX und
XELOX ohne die Kombination von Antikörpern, gleichwertig zu betrachten [12, 41]. Für FOLFIRI und XELIRI gibt es keine direkt vergleichenden Studien. Bei Patienten mit Kontraindikationen gegen Oxaliplatin und/oder Irinotecan stehen infusionale 5-FUFA-Regime oder eine
Capecitabin-Monotherapie zur Verfügung.
Für Patienten in gutem Allgemeinzustand und einer potenziell
resektablen Metastasierung konnte Falcone und Kollegen zeigen, dass
eine FOLFOXIRI-Kombination die besten sekundären Resektabilitäts­
raten erreichen kann [13].
4.4 Monoklonale Antikörper
Zur Therapie des kolorektalen Karzinoms sind in der Erstlinienbehandlung Bevacizumab und bei KRAS-Wildtyp-Patienten Cetuximab und
Panitumumab (in Kombination mit FOLFOX) zugelassen.
4.4.1 Bevacizumab
Bevacizumab ist ein monoklonaler Antikörper der gegen den vaskulären endothelialen Wachstumsfaktor (VEGF) gerichtet ist. Durch Hinzugabe von Bevacizumab konnte die Effektivität einer 5-FU-Leucovorin
Therapie deutlich gesteigert werden [23]. In der zulassungsrelevanten
Studie von Hurwitz und Kollegen [22] wurde die Kombination mit
einem IFL (Irinotecan, 5-FU Bolus, Leucovorin)-Regime gegen IFL alleine getestet. Die Addition von Bevacizumab zeigte eine signifikante
Verlängerung des progressionsfreien Überlebens (PFS) von 6,2 auf
10,6 Monate sowie eine Verbesserung des Gesamtüberlebens von 15,6
10
S. Stintzing, V. Heinemann
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