Physik für Studierende der Biologie und Chemie Universität Zürich, HS 2009, U. Straumann Version 11. März 2010 Inhaltsverzeichnis 5 Elektrodynamik 5.1 Eine gute physikalische Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2 Elektrostatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.1 Die elektrische Ladung und das Gesetz von Coulomb . . . . . . . 5.2.2 Das elektrische Feld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.3 Der elektrische Dipol . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.4 Das elektrostatische Potential . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.5 Der Gauss’sche Satz der Elektrostatik . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.6 Elektrische Felder und Potentiale spezieller Ladungsverteilungen 5.2.7 Leiter in elektrischen Feldern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.8 Isolatoren in elektrischen Feldern, Polarisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1 5.1 5.2 5.2 5.3 5.3 5.4 5.5 5.7 5.10 5.13 Inhaltsverzeichnis 5 Elektrodynamik 5.1 Eine gute physikalische Theorie Die Elektrodynamik stellt eine äusserst erfolgreiche physikalische Theorie dar, die in vielerlei Hinsicht als Vorbild für alle modernen physikalischen und naturwissenschaftlichen Theorien im allgemeinen gilt. Sie erfüllt alle Anforderungen an eine gute physikalische Theorie: 1. Sie vereinheitlicht die Beobachtungen in den beiden vorerst völlig verschiedenen Bereichen der elektrischen und magnetischen Phänomene unter eine gemeinsame Theorie. 2. Diese Vereinheitlichung führt zur Erklärung von weiteren Phänomenen, zum Beispiel die elektromagnetischen Wellen (Licht usw.), die zwar schon bekannt, aber noch nicht theoretisch beschrieben worden waren. 3. Aus der Elektrodynamik folgen Vorraussagen für vorher vollständig unbekannte Effekte, die Einstein in der speziellen Relativitätstheorie zusammengefasst hat. Sie sind in der Zwischenzeit unzählige Male alle mit hervorragender Genauigkeit bestätigt worden. 4. Die gesamte Theorie basiert auf vier miteinander gekoppelten Gleichungen, den Maxwellgleichungen. Diese Einfachheit der Theorie macht sie besonders einleuchtend. 5.1 Die Theorie ist also gut, weil sie einen besonders grossen Bereich von Phänomenen zusammenfasst, und weil sie nachprüfbare quantitative Vorraussagen über vorher unbekannte Phänomene macht. Sie ist schliesslich schön, weil sie eine einfache formale Struktur hat und auf wenigen Grundaussagen beruht. Die wichtigsten historischen Eckdaten sind: Elektrostatik: Cavendish und Coulomb 1784, die Vereinheitlichung der elektrischen und magnetischen Felder in den Maxwellgleichungen: Faraday und Maxwell 1862, die spezielle Relativitätstheorie: Einstein 1905. 5.2 5.2.1 Elektrostatik Die elektrische Ladung und das Gesetz von Coulomb Die Elektrostatik handelt von zeitlich konstanten, oder nur langsam variierenden elektrischen Feldern. Sie basiert auf dem Kraftgesetz von Coulomb, das äquivalent zu einer der vier Maxwell’schen Gleichungen ist. F~21 j -j F~12 = F~C - ~r12 q1 q2 F~12 = 1 q1 q2 ~r 4π0 r2 r Die in der Gleichung auftretende Natur-Konstante hat den Wert 0 = 8.85 · 10−12 (As)2 Nm2 Dies ist die Kraft, die ein mit elektrischer Ladung q1 geladener Körper 1 auf den mit q2 geladenen Körper 2 ausübt. ~r ist der Abstandsvektor, der von Körper 1 auf Körper 2 zeigt. Falls die q1 und q2 das gleiche Vorzeichen haben, wirkt die Kraft abstossend, wie gezeichnet. Bei verschiedenen Vorzeichen wirkt die Kraft anziehend. Mit dem Coulomb’schen Gesetz beschreiben wir die Auswirkung eines Phänomens, das an der Wurzel der Elektrodynamik steht: Es gibt elektrische Ladung. Wir wissen nicht, warum sie existiert. Wir können nur ihre Eigenschaften und Auswirkungen beschreiben: 1. Die elektrische Ladung ist die Ursache der elektrischen Kräfte (und Felder), analog zu den schweren Massen, die die Gravitationskraft verursachen. 2. Es gibt positive und negative elektrische Ladungen. Dies wird durch Reibungselektrizität demonstriert: Durch Katzenfell und Plexiglasstab erzeugte Ladung zieht durch Leder und Glasstab erzeugte Ladung an. Dagegen stossen sich gleichartige Ladungen ab. 3. Elektrische Ladungen kommen nur in ganzzahligen Vielfachen der Elementarladung e = 1.6021892(46) × 10−19 C vor. Historisch gesehen ist die elektrische Ladung die älteste quantisierte physikalische Grösse. 5.2 4. Einheiten: [q] = 1 C =1 Coulomb = 1 Ampere × Sekunde. 5. Die totale elektrische Ladung (Summe aller Ladungen im System) ist erhalten. Elektrische Ladung kann nicht erzeugt oder vernichtet werden. (Reibungselektrizität entsteht durch Ladungstrennung von Elektronen und Atomkernen.) 5.2.2 Das elektrische Feld Analog wie in der Mechanik beschreiben wir die elektrischen Eigenschaften des Raumes in der ~ Sie ist definiert durch die Umgebung einer elektrischen Ladung Q durch ein elektrisches Feld E. Kraft, die auf eine ruhende Probeladung q wirkt. ~ ~ =F E q ~ Q ist das von der Ladung Q erzeugte elektrische Feld: Q erzeugt E ~ Q, E ~ Q wirkt auf q (AbbilE dung 5.1). Das Feld spielt hier sozusagen den Übermittler der Kraft von Q auf q. Dabei können ~ q erzeugt, welches auf Q wirkt. Hingewir genau so gut behaupten, dass die Ladung q ein Feld E gen übt das von einer Punktladung Q erzeugte Feld auf Q selber keine Kraft aus. Im folgenden werden wir immer die Ladung Q als felderzeugende und q als Probeladung im Feld betrachten. ~ Q (~r) r E A A ~ r ) FC (~ H A H HHA −q H A z H A AHHH +Q H A A A ~ −q r FC (~r) A A ~ Q (~r) E H A H HHA H Az H A H −Q A HH H A A A Abbildung 5.1: Das elektrische Feld einer sphärisch symmetrischen Ladungsverteilung ist ein Zentralfeld. Die Kraftwirkung ist auf das Ladungszentrum hin gerichtet, wenn die Probeladung q das entgegengesetzte Vorzeichen hat wie die felderzeugende Ladung Q bzw. vom Zentrum weg radial nach aussen gerichtet bei zwei Ladungen gleichen Vorzeichens. Diese Ausführungen mögen den Eindruck erwecken, dass es sich beim elektrischen Feld nur eine mathematische Umformulierung der Coulombkraft handelt. In der Elektrodynamik zeigt sich allerdings, dass das elektrische Feld eine eigene physikalische Realität darstellt. Es gibt auch elektrische Felder ohne dass Ladungen vorhanden wären. Elektrische Felder werden auch durch zeitlich variable Magnetfelder erzeugt. 5.2.3 Der elektrische Dipol Bringt man zwei elektrische Ladungen mit umgekehrt gleichem Betrag q1 = −q2 in einen kleinen (aber nicht verschwindenden) Abstand d~ spricht man von einem Dipol. Elektrische Dipole spielen in Chemie und Biologie auch eine wesentliche Rolle. So haben die meisten asymmetrischen Moleküle wie zum Beispiel Wasser unterschiedliche Schwerpunkte für 5.3 Abbildung 5.2: Das elektrische Feld eines Dipols wird erzeugt von zwei entgegengesetzt gleichen Ladungen im Abstand d. Das Feld ist symmetrisch bezüglich einer horzontalen Ebene in der Mitte zwischen den beiden Ladungen. Die Ebene ist auch eine Äquipotentialfläche mit dem Potential null. Ganz dicht bei den einzelnen Ladungen sind die Felder nahezu gleich wie die einer einzelnen Punktladung (siehe Abbildung 5.1). Weit weg von der Ladung nimmt das Feld ab mit der dritten Potenz des Abstands ab, weil der Einfluss der beiden Ladungen sich nahezu aufhebt. Von grosser Distanz aus gesehen sieht man die Gesamtladung null (siehe Abschnitt 5.2.6). + E _ positive und negative Ladungen, und stellen somit elektrische Dipole dar, die entsprechend aufeinander Kräfte ausüben und die von externen elektrischen Feldern beeinflusst werden. Elektrische Dipole werden von einem äusseren, inhomogenen elektrischen Feld immer angezogen. Das kann man sich leicht durch eine Skizze klarmachen (skizziere zum Beispiel die Kräfte auf einen elektrischen Dipol im Feld einer Punktladung Q). 5.2.4 Das elektrostatische Potential ~ die Arbeit der Coulomb-Kraft Man kann leicht zeigen, dass in einem elektrischen Zentralfeld E bei der Verschiebung einer Ladung q unabhängig vom Weg C ist, den man zwischen den Anfangsund Endpunkten (1 bzw. 2) einschlägt (siehe Uebungen). Das elektrostatische Feld ist also konservativ. Demnach macht es Sinn von der potentiellen Energie zu reden. Wir definieren die potentielle Energie U und das Potential V wie folgt: Z 2 1 F~C (~r)d~r = q Z 2 ~ r)d~r = −(U (2) − U (1)) ≡ −q(V (2) − V (1)) E(~ 1 Die Arbeit ist gerade gleich der Differenz der potentiellen Energien U bzw. gleich der Differenz des elektrostatischen Potentials V am Anfangs- und Endpunkt multipliziert mit der Ladung q. Der umgekehrte Prozess der Gradientenbildung erlaubt aus der potentiellen Energie U oder aus dem Potential V das elektrische Feld zu berechnen: ~ = −grad V E grad U = ( F~C = −grad U ∂U ∂U ∂U , , ) ∂x ∂y ∂z 5.4 Die Potentialdifferenz V (2)−V (1) wird auch als Spannung bezeichnet. Die Einheit der Spannung ist das Volt (1 V = 1 Nm/As). Hier wird, den Usanzen folgend der Buchstabe V sowohl für die Einheit der physikalischen Grösse Spannung als auch für die Grösse selber verwendet. Z 2 ~ d~r = −(V (2) − V (1)) = Potentialdifferenz ≡ Spannung ≡ V E 1 Genau wie sich nur Unterschiede in der potentiellen Energie messen lassen, nicht aber der Absolutwert, lassen sich auch nur Differenzen des elektrostatischen Potentials messen, also Spannungen. Man setzt aber gewöhnlich das elektrostatische Potential weit weg von den felderzeugenden Ladungen Null, d. h. mit V (1) = V (∞) ≡ 0 und V (2) = V (r) erhält man die Definition V (r) = − Z r ~ d~r E ∞ Beschreibt die Kurve C, die von 1 nach 2 verläuft, einen geschlossenen Weg, dann fallen die Punkte 1 und 2 zusammen, und wir erhalten keine Potentialdifferenz: I ~ r=0 Ed~ C Dies gilt für jedes zentrale Kraftfeld und auch für jede Superposition von solchen zentralen Kraftfeldern. Solche Felder, bei denen die Potentialdifferenz eines geschlossenen Weges verschwindet, heissen konservativ, man spricht von Quellenfelder. Im Gegensatz dazu heissen Felder mit geschlossenen Feldlinien Wirbelfelder, bei solchen ist dann das geschlossenen Linienintegral nicht mehr null, ein Potential kann deshalb nicht definiert werden. Beispiel eines Wirbelfeldes ist das Magnetfeld eines elektrischen Stromes. 5.2.5 Der Gauss’sche Satz der Elektrostatik ~ durch eine Fläche A (mit dA ~ ≡ n̂dA) Der Fluss eines Vektorfeldes S wird definiert durch: Z Φ= A ~ · dA ~≡ S Z A ~ · n̂)dA = (S Z Z Sn dA = A S cos αdA A ~ Der Einheitsvektor n̂ steht senkrecht auf der Fläche, also parallel zu dA. ~ Sn ist die Normalkomponente des Feldes S. ~ und ~ k dA Falls das Vektorfeld senkrecht auf der Fläche steht, also S α = 0, ist der Fluss maximal. Falls die Vektoren in der Fläche liegen, ~ und α = π/2 wird der Fluss null, “es fliesst nichts durch ~ ⊥ dA also S die Fläche hindurch”. Das Flussintegral ist ein sogenanntes Flächen- oder Gebietsintegral (siehe Storrer, p. 376) dA α ^ n S S cos α = S . dA dA Wählen wir als Fläche, für die wir für das Flussintegral auswerten, eine geschlossene Oberfläche im Raum AV , dann ist der einkommende Fluss gleich dem ausgehenden Fluss, der Gesamtfluss also gleich null. 5.5 Dies gilt nur, falls sich im Innern des Volumens V , das von der Oberfläche AV begrenzt wird, keine Quelle befindet: I Quellenfreies Vektorfeld : Φ = ~ · dA ~= S AV I Sn dA = 0 AV y Als Integrationsfläche AV wählen wir nun der Einfachheit H halber die Oberfläche (AK = K dA = 4πr2 ) einer zur Ladung Q konzentrischen Kugel. Auf der Kugeloberfläche gilt immer ~ k dA ~ E dA r ~ · dA ~ = E dA E ⇒ E E E z Da nichts hineinfliesst, sondern nur etwas herauskommt, wird das Flussintegral sicher nicht verschwinden. Für den einfachen Fall der Punkladung können wir das Integral berechnen: E dA E AK ~ r) = Q ~r , E(~ 4π0 r3 ~ r)| = Q 1 E(r) = |E(~ 4π0 r2 I I I Q 1 Q ~ · dA ~= E dA = dA = E Φ= 2 4π0 r K 0 K K Für das elektrische Feld einer Punktladung finden wir also ~ · dA ~= Q E 0 K Dies ist der Gauss’sche Satz. Eine verallgemeinerte Betrachtung zeigt, dass es nicht darauf ankommt, wo die Ladung Q sitzt, solange sie von der Fläche umschlossen ist. Ebenso spielt die Form der Fläche keine Rolle, solange sie die Ladung Q umschliesst. I Φ= Es gilt also allgemein der Gauss’sche Satz: I ~ · dA ~= E I AV En dA = AV Qinnen 0 Qinnen ist die von der Fläche AV ganz umschlossene Ladung. Der totale Fluss des elektrischen Feldes durch eine geschlossene Oberfläche ist gleich der eingeschlossenen Ladung (× 1/0 ), oder anschaulicher formuliert Ladungen sind die Quellen des elektrostatischen Feldes. Während die Feldlinien bei positiven Ladungen anfangen (entspringen), so enden sie bei negativen Ladungen. Negative Ladungen sind somit negative Quellen, d.h. Senken des Feldes. I ~ gilt also Für ein beliebiges Quellenfeld S ~ · dA ~ 6= 0 , S AV I wenn Quellen im Innern vorhanden sind, und AV wenn das Innere frei von Quellen ist. 5.6 ~ · dA ~=0, S Diese Aussagen des Gauss’schen Satzes der Elektrostatik sind äquivalent zum Kraftgesetz von Coulomb. Der Gauss’sche Satz der Elektrostatik bildet eine der vier Maxwellgleichungen. 5.2.6 Elektrische Felder und Potentiale spezieller Ladungsverteilungen Punktladung: Aus dem bekannten elektrischen Feld einer Punktladung ~ r) = Q ~r E(~ 4π0 r3 erhält durch Integration das dazugehörige elektrostatische Potential −(V (2) − V (1)) = Z 2 ~ · d~r = E Z 2 1 1 Q E(r)dr = 4π0 Z 2 dr 1 Q =− 2 r 4π0 1 1 − r2 r1 ~r bezeichnet wie gewohnt den Vektor von der felderzeugenden Ladung zum Punkt, an dem das Feld gemessen wird. Mit r1 = ∞ und r2 = r ergibt sich V (r) = Q 1 4π0 r Systeme von Punktladungen: Nach dem Superpositionsprinzip ergeben sich die elektrischen Felder und damit auch die elektrostatischen Potentiale von Punktladungsverteilungen aus der Summe der Beiträge der einzelnen Ladungen. ~P = E X ~i = E i X Qi ~ ri 4π0 ri3 i VP = X Vi = i , ~ri = Vektor Qi → P X Qi 1 i 4π0 ri Für kontinuierlich verteilte Ladungen können die Punktladungen durch geladene, differentielle Volumenelemente dV mit der Ladung dQ = ρdV ersetzt werden. ρ bezeichnet die Ladungsdichte. Die Summation wird durch eine entsprechende Integration ersetzt. ~P = E Z ~P = dE 1 4π0 ~r dV , ~r = Vektor dQ → P r3 Z 1 1 VP = ρ(~r) dV 4π0 r Z ρ(~r) Dipol: Zwei gleich grosse Punktladungen mit verschiedenen Vorzeichen im Abstand d bilden einen Dipol. 5.7 P 7 ~ ~r+ r ~r− z θ z +Q d~ Im Punkt P ergibt sich für das Feld ~ =E ~+ + E ~ − = Q ( ~r+ − ~r− ) , E 3 3 4π0 r+ r− und für das Potential V = V+ + V− = Q 1 1 ( − ). 4π0 r+ r− −Q Weit weg vom Dipol (r+ , r− , r >> d) lässt sich mit den Beziehungen 1 ~r± = ~r ∓ d~ , 2 s r± = r 1 ∓ d d d2 cos θ + 2 ≈ r(1 ∓ cos θ) r 4r 2r zeigen, dass gilt V (r) = Q d cos θ . 4π0 r2 Das resultierende Feld wird aus dem Gradienten des Potentials bestimmt und ist symmetrisch bezüglich der Dipolachse (siehe Abbildung 5.2), und proportional zum sogenannten Dipolmo~ wobei die Richtung des Abstands-Vektors d~ von der Minusladung zur Plusment p~ = Qd, ladung definiert ist. Auf der Spiegelebene (in der Mitte zwischen den beiden Ladungen) gilt θ = 90◦ , cos θ = 0 und damit V (~r) = 0, ~ ~ r) = − Q d ≡ − 1 p~ E(~ 4π0 r3 4π0 r3 ~ Dessen Obwohl ein Dipol die Gesamtladung Null trägt, erzeugt er offenkundig ein Feld E. Betrag nimmt allerdings, wie die Berechnungen zeigen, mit der dritten Potenz des Abstandes, also rascher als für eine Punktladung, ab. Eine Ladung und ein Dipol oder auch zwei Dipole üben infolgedessen aufeinander Kräfte aus. Dies führt u. a. zu interatomaren oder intermolekularen Kräften. Homogen geladene Ebene: Wenn sich auf einer als beliebig gross angenommenen Ebene pro Fächeneinheit gleich viel Ladungen befinden, so muss das resultierende Feld überall gleich sein. Die Feldlinien stehen aus Symmetriegründen senkrecht zur Ebene und der Betrag der Feldstärke ist überall der gleiche. 5.8 6 ~ E Das Feld lässt sich aus der Oberflächenladungsdichte σ berechnen, die definiert ist als Ladung dQ σ= = . Fläche dA Hier gilt σ =const. Anwendung des Gauss’schen Satzes auf eine ++++++++++ Pillenschachtel AP mit der Deckelfläche AD , die die Ladung QP = ~ E σAD enthält, ergibt ? I Φ= Z En dA = 2 AP En dA = 2EAD = AD σ σ QP = AD , ⇒ E = . 0 0 20 ~ ⊥ dA, ~ und daher E ~ · dA ~= Nur die Deckelflächen geben einen Beitrag, auf den Randflächen ist E 0. Plattenkondensator: Wenn zwei Ebenen mit festem Abstand d gleich stark, aber mit Ladungen verschiedenen Vorzeichens bedeckt sind, spricht man von einem Plattenkondensator. Das resultierende Feld beschränkt sich auf den Zwischenraum, denn ausserhalb kompensieren sich die Felder der beiden Ebenen. Das Feld ist homogen. Mit den Ergebnissen für die homogen geladene Ebene erhalten wir aussen bzw. innen ~1 6 E ~a = E ~1 + E ~2 = 0 , E ~i = E ~1 + E ~ 2 = 2E ~ 1 = 2E ~2 , E ~ = σ ,E ~ ⊥ Platte . ⇒ |E| 0 ~2 E 1 ? ++++++++++++++ 6 In guter Näherung lässt sich diese Situation realisieren, wenn zwei ebene Metallplatten mit je der Ladung ±Q aufgeladen werden, wobei der Plattenabstand d klein gegen den Plattendurchmesser gewählt wird. Von Randeffekten abgesehen (siehe Abbildung 5.3) ist das Feld innerhalb dieses Kondensators homogen. Die Oberflächenladungsdichte ist dann σ = Q/A, wobei A die Plattenfläche ist. d ~ E ~ E ?1 ~2 E ~ E ? −−−−−−−−−−−−−− ? ? ? 6 ~1 E 2 ~2 E ? Für die Spannung bzw. die Potentialdifferenz erhalten wir, wenn wir einen geradlinigen Integra~ wählen, tionsweg von der oberen Platte (1) zur unteren Platte (2) parallel zu E −(V (2) − V (1)) = Z 2 1 ~ · d~r = E E Z 2 dr = Ed , ⇒ E = 1 V V (1) − V (2) ≡ d d Das elektrische Feld zwischen den Platten eines Plattenkondensators ist konstant, senkrecht zu den Platten und gleich den Quotienten aus Spannung und Abstand. Mit Kapazität C eines Kondensators bezeichnet man die Grösse C≡ As A2 s 4 Q (Einheit : Farad (F) = = 2 ) V V m kg 5.9 Die Kapazität ist eine nur von der Geometrie abhängige Grösse. Für den ebenen Plattenkondensator gilt Q σA 0 EA 0 A C= = = = V Ed Ed d A +q Abbildung 5.3: Das elektrische Feld eines Plattenkondensators endlicher Ausdehnung. -q Die beiden geladenen Platten ziehen sich natürlich wegen der Coulombkraft an. Mit Hilfe der in der Vorlesung demonstrierten Thomsonwaage kann die Kraft gemessen werden. Entgegengesetzte Flächenladungen und damit verbundene Potentialdifferenzen treten, genau wie beim Plattenkondensator, auch an den Membranen lebender Zellen auf. Sie spielen beim Transport von Ionen, d. h. beim Stoffwechsel der Zelle, aber auch für die elektrische Aktivität von Muskel- und Nervenzellen eine zentrale Rolle. 5.2.7 Leiter in elektrischen Feldern Das Verhalten von Materialien in elektrischen Feldern erlaubt es uns, sie grob in zwei Klassen einzuteilen, nämlich Leiter und Isolatoren (Nichtleiter). In einem Leiter sind die Ladungen frei beweglich, wie z. B. die Elektronen in Metallen oder die Ionen in Elektrolyten). In Isolatoren können die Ladungen nur wenig aus ihrer Ruhelage, an die sie elastisch durch innneratomare oder innnermolekulare Kr̈afte gebunden sind, verschoben werden. Leiter: Gute Leiter oder Konduktoren sind z. B. Metalle. In einem elektrischen Feld bewegen sich die freien Ladungen, Es fliesst ein Strom. Eine statische Situation mit ruhenden Ladungen erhalten wir nur, wenn sich die gegenseitigen Kräfte der einzelnen Ladungen untereinander kompensieren. Diese Bedingungen führen dazu, dass die überschüssigen Ladungen sich gleichmässig auf die Oberfläche verteilen, dass das elektrische Feld im Inneren des Leiters verschwindet, und aussen senkrecht auf der Leiteroberfläche steht (siehe Abbildung 5.4). Leiteroberflächen sind Äquipotentialflächen des elektrostatischen Feldes. 5.10 + + ++ ++ + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + Endzustand Anfangszustand + + + ++ ++++ Qi=0 +++ ++ ++ ++++ AV + + + Das elektrische Feld steht senkrecht zur Oberfläche aussen am Leiter, denn Komponenten des elektrischen Feldes parallel zur Oberfläche würden zu Ladungsverschiebungen und Strömen führen, also nicht zu einer statischen Situation. Da sich im Innern keine Ladungen befinden, verschwindet auch das elektrische Feld im Innern, wie es der Gauss’sche Satz lehrt. Ea + + +++ + + ++ Überschüssige, frei bewegliche Ladungen verteilen sich unter dem Einfluss der gegenseitigen abstossenden Kräfte so auf der Leiteroberfläche bis sie in Ruhe sind. + + + + + + Ea Abbildung 5.4: Ladungsverteilung und und resultierendes elektrisches Feld für einen geladenen Leiter. Mit dem Gauss’schen Satz lässt sich das äussere Feld wie im Fall der geladenen Ebene berechnen: Ea ~ a · dA ~ = Ea dA = Qinnen = σdA , ⇒ Ea = σ E 0 0 0 AG I Da die Oberfläche des Leiters eine Äquipotentialfläche ist, ist die Ladungsdichte dort am grössten, wo der Krümmungsradius der Oberfläche am kleinsten ist, also an Spitzen und Ecken. Das lässt sich wie folgt begründen: Denken wir uns zwei näherungsweise kugelförmige Oberflächensegmente mit verschiedenen Radien. Das elektrostatische Potential auf einer Kugeloberfläche lautet: Vr = Q 4πr2 σ σr = = 4π0 r 4π0 r 0 V = konst. ⇒ σ∝ dA + + + + + ++ Ei=0 Q + + + ++ + + r + + + + σ + + Q' + + ++ + + R 1 r Auch bei einer teilweise offenen Oberfläche wie bei einem Topf wandern die überschüssigen Ladungen an die Aussenseite. Will man einen metallischen Hohlraum zunehmend aufladen, so muss die Ladung an der ladungsfreien Innenseite abgestreift werden. Dies geschieht z. B. bei dem im Abschnitt 4.2.2 beschriebenen Van de Graaff Generator. ++ + + + + ++ + + + + + + + + + 5.11 + ~ a, Bringen wir einen Leiter in ein äusseres elektrisches Feld E so bewegen sich vorerst die freien Ladungen im Leiter. Der ~ i = 0 ist dann stationäre Zustand mit einem inneren Feld E erreicht, wenn die Ladungen sich so auf der Oberfläche verteilt ~ σ im Innern das Feld haben, dass das von ihnen erzeugte Feld E ~ a gerade aufhebt, E __ _ _ ___ __ __ _ _ _ _ + E=0 ~a + E ~σ = E ~i = 0 . E ++++ + + ++ + + + + + + Auch im Innern eines metallischen Hohlraums (Faraday-Käfig) ist das Feld Ei = 0 (Abbildung 5.5). Abbildung 5.5: Ein metallischer Hohlraum schirmt äussere elektrische Felder ab. Der einen Blitzeinschlag simulierende Funke springt zum Auto und dann über den isolierenden Reifen weg von der Radnabe zum Boden. Der Fahrer bleibt unverletzt. Ein ursprünglich ungeladener Konduktor kann durch Influenz geladen werden, ohne dass ihm durch Berühren überschüssige Ladungen zugeführt werden. Die dafür notwendigen Schritte sind in Abbildung 5.6 gezeigt. 1 2 + _ __ ++ Q=0 _ _ ++ + E =0 __ + + i + ++ ++ 3 4 + _ __ ++ __ ++ + __ + _ __ ++ _ _ ++ + __ nach 2 nach 3 _ _ _ Ω≠0 _ Q ≠ 0_ _ _ nach 4 Laden durch Influenz Abbildung 5.6: Ein ungeladener Leiter wird durch Influenz geladen. i) Ein geladenes Objekt erzeugt ein elektrisches Feld, das zu einer Ladungsverschiebung im Leiter führt. ii, iii) Durch Erden des ungeladenen Leiters fliesst die Ladung, die das gleiche Vorzeichen wie die des geladenen Objekts hat (hier positiv) ab. iv) Nach Entfernen der influenzierenden Ladung verteilen sich die (hier negativen) Ladungen auf dem Leiter. Er bleibt geladen zurück. 5.12 5.2.8 Isolatoren in elektrischen Feldern, Polarisation Obwohl die Ladungsträger in einem Isolator nicht frei sind, zeigen sich doch markante Einflüsse äusserer elektrischer Felder auf isolierende Materialien. Neben permanenten Dipolen von unsymmetrischen Moelkülen können alle Moleküle auch polarisiert werden. In einem äusseren Feld wirken auf die negativen und die positiven Ladungen entgegengesetzt gerichtete Kräfte. In einzelnen Atomen kann sich die Elektronenhülle gegenüber dem positiven Atomkern verschieben, wie in der Abbildung 5.7 gezeigt wird. In einem Ionenkristallgitter tritt ein ähnlicher Effekt für die negativen und positiven Ionen auf. Enthält der Isolator polare Moleküle wie z. B. Wasser (Abbildung 5.8), d. h. solche, die ein permanentes Dipolmoment besitzen , so richten sich diese, falls sie beweglich sind wie in Flüssigkeiten oder Gasen ebenfalls im Feld aus. In allen Fällen erzeugt das Feld Dipole im Innern des Isolators, man spricht von dielektrischer Polarisation. Im Innern des Isolators heben sich die in Gegenrichtung verschobenen positiven und negativen Ladungen an jeder Stelle auf (Ladungsdichte ρi = 0). An der Isolatorenoberfläche aber treten überschüssige negative oder positive Flächenladungen, die sogenannten Polarisationsladungen ~ pol , welches sie erzeugen, entgegengesetzt zum äusseren Feld σp , auf und zwar so, dass das Feld E ~ a ist (siehe Abbidlung 5.9). E -Q + _ +Q 0. ∆ 5 09 nm _ _ +H 105° O Abbildung 5.7: Verschiebungspolarisation: Ohne äusseres Feld fallen die Schwerpunkte der positiven und negativen Anteile der Ladungsverteilung des neutralen Atoms zusammen, mit äusserem Feld werden sie auseinandergezogen. Das Atom bekommt ein Dipolmoment p = Q∆. Wasser +H Abbildung 5.8: Statisches Dipolmoment: Wasser ist ein polares Molekül, das auch ohne äusseres Feld ein Dipolmoment hat. ~ 0 im Isolator besteht also aus zwei Anteilen, dem von aussen angeDas totale elektrische Feld E ~ a und dem durch die Polarisation zusätzlich erzeugten Feld E ~ pol mit umgekehrter legten Feld E Richtung. Es gilt also ~0 = E ~a + E ~ pol E ~ 0 im Isolator mit Eisolator bezeichnet. In Abbildung 5.9 ist das resultierende Feld E ~ pol die umgekehrte Richtung des äusseren Feldes hat, ist E ~ 0 dem Da das Polarisationsfeld E ~ a . Den Faktor, um den das Feld so reduziert wird, nennt man Betrag nach immer kleiner als E die Dielektrizitätskonstante , sodass ~0 = 1 E ~a E 5.13 E isolator + - + - + - + - + - + - + - + - + - + - + - + - + - + - + - + - + - + - + - + - + - +|σp| Abbildung 5.9: Polarisationsladung an der Oberfläche eines Isolators in einem äusseren Feld. Die Ausrichtung der elementaren Dipole erzeugt an der Oberfläche einen Überschuss an Ladungen, Polarisationsladung σp . −|σp | ist eine Materialkonstante, einige typischen Werte sind in Tabelle 5.1 angegeben. Dabei sei besonders auf den sehr hohen Wert von Wasser hingewiesen. Manchmal wird auch die elektrische Polarisation P~ verwendet, die dem durch die Polarisationsladung erzeugten negativen Feldanteil entspricht: ~ pol E P~ := − 0 Die elektrische Polarisation hat die gleiche Richtung wie das totale elektrische Feld im Isolator, aber wegen dem konstanten Faktor 0 eine andere Einheit. (Die Polarisation ist gerade gleich dem Diplmoment pro Volumeneinheit.) Es gilt immer ≥ 1. Man definiert daher auch die elektrische Suszeptibilität χ := − 1. Durch Einsetzen in die obigen Definitionen erhält man für die Polarisation ~0 P~ = χ 0 E Die Polarisation ist also proportional zum tatsächlichen elektrischen Feld, wie wir das erwarten. Sie wird ja entweder durch Ladungsverschiebung oder durch (teilweises) Ausrichten existierender Dipolmomente (z.B. von Wasser) erzeugt. Material Luft Bakelit Glas Porzellan Wasser Seignettesalz Bariumtitanat Dielektrizitätskonstante 1.0006 4 4 bis 10 6 81 9000 10000 Tabelle 5.1: Dielektrizitätskonstanten für verschiedene Isolatoren. Wir können die Beziehung zwischen Ladungen und Feld auch wieder durch Anwendung des Gauss’schen Satzes finden. Nehmen wir an, dass sich unser Dielektrikum in einem Plattenkon~ a erzeuge. Dann gilt: densator mit Oberflächenladungsdichte σ befindet, die das äussere Feld E ~ 0 dA ~ = |E ~ 0 |A = Qinnen = A(σ + σp ) E 0 0 AG I 5.14 ~ 0| = ⇒ |E ~ a| |E σ + σp σ ≡ = 0 0 In einen Kondensator, der mit einem Dielektrikum gefüllt ist, muss man also eine um einen ~ 0 und damit die Faktor höhere Ladung einfüllen, um das gleiche totale elektrische Feld E gleiche Spannung V zu erzeugen, wie ohne Dielektrikum. Die Kapazität des Kondensators Q/V hat sich also um den Faktor erhöht. Man kann die obige Gleichung auch nach σp auflösen und erhält σp = − −1 σ → −σ f ür >> 1 Für Wasser heben die Polarisationsladungen den Effekt der Ladungen auf den Kondensatorplatten nahezu auf, denn es gilt σ ≈ −σp . Das elektrische Feld mit Isolator verschwindet fast vollständig. Die Tatsache, dass die Polarisation eines Mediums das innere Feld verkleinert, ist ausserordentlich wichtig für die Chemie von Lösungen und daher auch für die Biologie. Betrachten wir zwei entgegengesetzt gleiche Ladungen Q+ und Q− , z. B. Ionen, so ist ihre Anziehungskraft in Lösung (und damit die Wahrscheinlichkeit ihrer Rekombination) ~+ ~ 0+ | = Q− |E | |F~ | = Q− |E um den Faktor kleiner als im Vakuum. Wasser ist aus diesem Grund ein sehr gutes Lösungsmittel. Da bei der Polarisation eines Isolators z. B. eines Kristalls, Ionen im Gitter verschoben werden, kann eine Deformation resultieren. Werden speziell Wechselfelder angelegt, so fängt der Kristall an zu schwingen. Umgekehrt kann er auch polarisiert werden, indem nicht ein elektrisches Feld, sondern Druck angewandt wird. Die daraus resultierende Deformation bedeutet dann ebenfalls eine Verschiebung von Ladungen. Kristalle, welche diesen sogenannten piezoelektrischen Effekt zeigen, sind z. B. Quarz, Turmalin. Da z. B. Quarzplättchen eine scharf definierte mechanische Eigenfrequenz besitzen, dienen sie in Schwingkreisen zur Frequenzstabilisierung (Quarzuhren). 5.15