518 2014 ¥ 5 ∂ Objekt+Produkt Neuwerk 11, Halle (Saale) Fotos: Jason Schmidt, Iwan Baan, Adolf Bereuter Lageplan • Maßstab 1: 1500 freien Verfügung. Das »Neuwerk 11« bietet somit eine Plattform für die Begegnung von und mit Künstlern, Kunstvermittlern, Galeristen, Verlagen, Produzenten und einem interessierten Publikum. Die Anforderung an das Architekturbüro AHM Arnke Häntsch Mattmüller umfasste daher nicht nur eine energetische Sanierung des Bestandgebäudes sowie eine barrierefreie Erschließung, sondern vor allem auch das Finden einer Antwort auf die Frage, wie das neue Nutzungskonzept mit der Struktur und der Raumfolge eines ehemaligen Wohnhauses in Einklang gebracht werden kann. Den Innenraum bestimmt nach wie vor die zentrale historische Treppe, deren räumliche Bedeutung durch die Öffnung der Gebäuderückseite in einen zweigeschossigen Anbau noch verstärkt wird. Sie rückt somit in den Mittelpunkt der flexibel bespielbaren Präsentationsflächen der Galerie und bietet unterschiedliche Blickbeziehungen im Raum. Durch eine Tageslichtdecke wird der Ausstellungsraum hell und großzügig, wie überhaupt die ge- Im Rahmen des Konjunkturpakets II konnte in Halle ein ehemaliges Wohnhaus von 1924 zum Sitz der Kunststiftung des Landes Sachsen-Anhalt umgebaut werden. Für die Architekten Arnke Häntsch Mattmüller ist mit dem Haus aber nicht nur ein Ort entstanden, der der Kunst des 21. Jahrhunderts in ihren vielfältigen Arbeits- und Präsentationsformen einen Raum gibt. Auch das Gebäude selbst spiegelt durch die künstlerisch inspirierte Fassade seine Funktion wider und stellt eine gelungene Verbindung zwischen vorhandener Bausubstanz, neuer Nutzungsidee und zeitgenössischer Architektur dar. Mit dem Umbau und der Sanierung des Gebäudes am Neuwerk 11 in Halle sollte neuer Raum für die Geschäftsstelle der Kunstsstiftung des Landes Sachsen-Anhalt geschaffen werden. Darüber hinaus umfasste das Raumprogramm die öffentliche Kunstgalerie sowie zusätzliche Flächen zur 1 Das Ensemble am Neuwerk vor der Sanierung. 2 Nach dem Umbau fügt sich das Gebäude nach wie vor in seine Umgebung ein, zeigt nach außen aber deutlich die neue Nutzung. 3 Die Fassadenplatten aus Betonwerkstein in Anlehnung an DIN 18516 beruhen auf einer künstlerischen Idee von Judith Runge. 4 Durch das plastische Licht- und Schattenspiel der Elemente entsteht eine differenzierte Nah- und Fernwirkung der Fassade. 1 2 samte Ausgestaltung der Innenräume mit viel Weiß und hellen Eichenholzböden den heutigen Anforderungen Rechnung trägt. Nach außen hin sollte das Gebäude zwar deutlich auf seine aktuelle Bestimmung aufmerksam machen, sich aber auch harmonisch in die Nachbarbebauung einfügen, für die von denkmalpflegerischer Seite aus Ensembleschutz bestand. So bietet die Neuinterpretation der Grundstücksmauer – die mit Nischen für Objekte und Fenstern für Einblicke in den Garten ausgestattet wurde – einen Bezug zum historischen Bestand und eine Vernetzung mit der Umgebung. Zudem leitet sie den Besucher geschickt zu dem etwas zurückgesetzten neuen Eingang der Galerie. In der Farbrigkeit der Fassadengestaltung lehnten sich die Architeken ebenfalls an den Bestand und die Bebauung der Umgebung an, doch der nördliche Teil des Altbaus wurde mit einer vorgehängten hinterlüfteten Fassade aus profilierten Betonplatten bekleidet, die eindeutig die neue Nutzung in den Stadtraum hineintragen. ∂ 2014 ¥ 5 Objekt+Produkt 519 1 2 3 Die Gestaltungsidee für die insgesamt 460 Fassadenplatten basiert auf einem Konzept der ortsansässigen Künstlerin Judith Runge. Die ursprünglich als Keramikarbeit gefertigte Mustervorlage eignete sich aufgrund von Gewicht und Maßhaltigkeit jedoch nicht als direkte Vorlage für den Betonabguss der Fassadentafeln, so dass sie in Kooperation mit dem Kasseler Entwicklungs- und Forschungsdienstleister G.tecz und der Universität Kassel in ein digitales Modell übertragen wurde, welches mithilfe parametricher Mittel hinsichtlich Gewicht (Plattenstärke und Noppenamplitude bzw. Anordnung) optimiert wurde. Dies war wichtig, da die Bestandfassade nur für eine begrenzte Lastenaufnahme statisch geeignet war. Mittels CNC-Technologie konnte das digitale Modell dann aus Holzwerkstoff gefräst und anschließend als Silikonschalung abgeformt werden. Das Bild auf der Fassade entsteht durch nur zwei untersschiedliche Plattentypen und eine exakt auf die Topografie abgestimmten Hängeplan. KR 5 3 6 Schnitt • Maßstab 1:20 7 8 9 4 4 1 Dachziegel, Lattung, Unterspannbahn Bestand Sparren 100/120 mm Dämmung mineralisch 120 mm Lattung 40/60 mm Dämmung mineralisch 40 mm Dampfsperre Lattung 40/60 mm Dämmung mineralisch 40 mm 2 Beplankung Gipskarton 2 ≈ 12,5 mm verschraubt und verspachtelt Anstrich Dispersionsfarbe RAL 9001 3 Holzständerwand 40/60 mm 4 Beplankung OSB 9 mm und Gipskarton 12,5 mm verschraubt und verspachtelt Anstrich Dispersionsfarbe RAL 9001 5 Dämmung über Gesims mineralisch 80 mm 6 Verlegeplatte mit gefasten Kanten pigmentiert Klarlack matt 22 mm Holzdielen Bestand 24 mm Holzbalkendecke Bestand 150/240 mm Deckeneinschub und Schüttung Bestand Unterdecke Bestand (Lattung 18 mm, Schilfmatte, Putz 15 – 20 mm) Unterdecke Brandschutz Lattung 40/60 mm mit Unterfütterung Brandschutzverkleidung Promat 12 mm 7 Fassadenplatte Betonwerkstein Unterkonstruktion Aluminium im Bereich der Plattenfugen schwarz hinterlegt Dämmung EPS 120 mm im Bereich Gesims, Sockel und Leibung verputzt Kratzputz Körnung 2 mm Farbe NCS 2407Y12R durchgefärbt mit Glimmeranteil Mauerwerk Bestand ca. 380 mm Innenputz 15 mm Anstrich Dispersionsfarbe RAL 9001 8 Fensterbank mit Kabelkanal Holzwerkstoffplatte MDF Beschichtung RAL 9001 9 Holzdielen / Parkett 28 mm verklebt Grundierung Estrich nach DIN 18560 CAF Fußbodenheizung 22 mm Wärmedämmung 2 ≈ 30 mm Stahlbeton 200 mm in Auflagertaschen in vorhandenem Maurerwerk Dämmung als verlorene Schalung 50 mm Holzwolle-Mehrschichtplatte 520 Objekt+Produkt Projektbeteiligte Bauherr: Kunststiftung des Landes Sachsen-Anhalt, vertreten durch die Direktorin Manon Bursian, Halle Architekten (LP 1–9): AHM Arnke Häntsch Mattmüller Gesellschaft von Architekten mbH, Berlin Mitarbeit (verantwortlich): David Vogel Bauleitung: Kobzik & Feigl, Halle Tragwerksplanung: Dr.-Ing. Hilpert Ingenieure, Halle HLS-Planung: Ingenieurbüro Peter Schmerwitz, Halle Elektroplanung: U. Tüngler, Halle Künstlerisches Konzept Fassade: Judith Runge, Halle Digitales Modell der Fassadenplatten: Kathrin Wiertelarz, Uni Kassel, FB ASL 1 Lichtplanung: Studio Dinnebier, Berlin 2014 ¥ 5 ∂ 1 2 1 1 2 1 3 5 7 6 9 4 EG 8 3 OG Grundrisse • Maßstab 1:400 Spalt, www.filzfabrik.de; Ausführung Tischlerei – Glaserei Gerhard Diebner & Sohn GmbH, Bennstedt, www.dieglaswerkstatt.de Lichtdecke: Gitterrost Stahl 33/33 Vollrost, pulverbeschichtet Cremeweiß 9001; Ausführung: Bernd Reichelt Stahl- und Konstruktionsbau, Zerbst; Beleuchtung: Trilux Lichtbandsystem »E-Line T5 R 1≈35 W EDD«, Trilux GmbH & Co. KG, Arnsberg, www.trilux.com Parkett: Stabparkett Eiche geölt, Tischlerei H. Leibe, Halle Stahltreppe: halb gewendelte Wangentreppe mit gekanteten Stufen, Vogler & Vogler GmbH, Neuruppin www.vogler-neuruppin.de 6 3 6 4 4 3 1 1 Produkte und Hersteller 4 Fassadenplatten (Entwicklung und Herstellung): G.tecz, Kassel, www.gtecz-engineering.com; Unterkonstruktion: »Veco-A«, GIP GmbH, Braunschweig, www.gip-fassade.com; Ausführung: Kurch Bedachungs GmbH, Köthen, www.kurch-bedachung.de Oberlicht Sheddach Anbau: »FW 50+«, HI (Festverglasung), AWS 57 RO (Fenster); Fenster und Türen: »ADS 70.HI«, RAL 9007, Schüco International KG, Bielefeld, www.schueco.com; Ausführung: Hotec Metallbau UG, Naumburg/Saale, www.hotec-metallbau.de Putz- und Malerarbeiten; Ausführung: Jespo Jentzsch & Spott Bau GmbH, Doberschütz OT Battaune, www.jespobaugmbh.de Einbauten/Möbel: eigene Entwürfe aus Holzwerkstoffplatten, Beschichtung HPL Kronospan Pink U8535 mit Filz-Einlagen Rosa und Bordeaux, M&K Filze GmbH, 5 1 1Galerie 2Eingang 3Büro 4Lager 5 zentrales Treppenhaus 6 Luftraum Galerie 7Besprechung 8WC 9Kopierraum 5 Die historische Freitreppe rückt nach dem Umbau noch stärker in den Mittelpunkt des Gebäudes. Mit einem neuen hellen Anstrich fügt sich harmonisch in die lichtdurchfluteten Galerieräume. 6 Anstelle der ehemaligen Terrasse entstand ein zweigeschossiger Anbau, in dem auch großformatige Kunstwerke Platz finden. Die Tageslichtdecke sorgt für optimale und blendfreie Beleuchtung. 7 Das neugestaltete Gebäudeinnere sorgt für einen abwechslungsreichen Dialog zwischen historischer Bausubstanz und zeitgemäßer Architektur. Die Räume der Galerie sind durch Öffnungen und Blickbeziehungen miteinander verbunden. 7 9 8