Die Eidechse, Jg. 26, H. 1, S. 11-17, Magdeburg / Hamburg, Mai 2015 Die geheimnisvollen blauflankigen Smaragdeidechsen der Peloponnes (Griechenland) Ron Peek & William Leenders Zusammenfassung Smaragdeidechsen der Lacerta-trilineata-Gruppe bilden eine komplexe taxonomische Gruppe aus mehreren Arten und Unterarten. Während herpetologisch ausgerichteter Reisen auf die Peloponnes konnten Smaragdeidechsen-Populationen beobachtet werden, deren Tiere sich durch ihre blauen Flanken und einen vollständig grünen Rücken auffallend von der auf der Peloponnes-Halbinsel verbreiteten Riesensmaragdeidechse (Lacerta trilineata trilineata) unterscheiden. In diesem Bericht möchten wir die Ergebnisse unserer DNA-Untersuchungen und die phylogenetischen Verwandtschaftverhältnisse dieser ungewöhnlich gefärbten Smaragdeidechsen zu anderen Arten der Lacerta-trilineata-Gruppe vorstellen. Summary Green lizards of the Lacerta trilineata cluster form a complex taxonomic group with several species and subspecies. During herpetological oriented journeys to the Peloponnese, populations of green lizards were observed that were strikingly different from the subspecies Lacerta trilineata trilineata of the Balkan green lizard known to be present on the Peloponnese, by having blue sides and all green backs. In this article, we have analysed the phylogenetic relationship by DNA analysis of these unusually colored green lizards to other species within the Lacerta trilineata cluster. Einleitung Die Smaragdeidechsen der Lacerta-trilineata-Gruppe sind über den Balkan, Griechenland, die Türkei sowie den östlichen Mittelmeerraum, den Kaukasus und den Iran verbreitet. Die Gruppe lässt sich geografisch in zwei Gruppen unterteilen: die südöstliche Gruppe setzt sich aus vier anerkannten Unterarten von Lacerta media zusammen, die nordwestliche Gruppe aus Lacerta pamphylica und den ungefähr neun Unterarten von Lacerta trilineata. Von der griechischen Halbinsel Peloponnes ist lediglich die Nominatform Lacerta trilineata trilineata bekannt. Bemerkenswerterweise konnte einer der Autoren über ein Vorkommen einer Population im südwestlichen Teil der Peloponnes berichten, deren Individuen sich durch lavendelblaue Flanken und einen komplett grünen Rücken von der bekannten Form der Riesensmaragdeidechse unterschieden (Peek 2012). In der vorliegenden Arbeit haben wir den Fokus auf die genetische Untersuchung und die phylogenetischen Beziehungen dieser blauflankigen Eidechsen zu anderen relevanten Arten der Smaragdeidechsen gesetzt. 11 Abb. 1. Karte von Griechenland. Die Peloponnes-Halbinsel ist in Rot dargestellt. Die gelben Punkte markieren die Fundorte gewöhnlich gefärbter Riesensmaragdeidechsen (Lacerta trilineata trilineata), die blauen Punkte zeigen dagegen die Fundorte der blauflankigen Smaragdeidechsen. Beobachtungen auf der Peloponnes Während mehrerer Reisen in den südlichen Peloponnes im Frühjahr 2011, 2012 und 2013 wurden Smaragdeidechsen an mehreren Orten im Bereich des Taygetos-Gebirges und der Westküste untersucht (Abb. 1). Interessanterweise konnten wir auffallende Unterschiede hinsichtlich der Körperfärbung zwischen den Riesensmaragdeidechsen des Taygetos-Gebirges und den Eidechsen des westlichen Teils der südlichen Peloponnes feststellen. Tiere aus dem Taygetos-Gebirge zeigten die für die Nominatform Lacerta trilineata trilineata charakteristische Körperfärbung mit grünem bis gelbgrünem Rücken und hellgelben Ventralseiten in beiden Geschlechtern (Abb. 2 u. 3). Im westlichen Teil der Peloponnes-Halbinsel konnten wir jedoch Populationen von Smaragdeidechsen beobachten, bei denen alle Männchen leuchtend lavendelblaue Flanken zeigten, die vom Schwanzansatz bis hin zu den blauen Halsflecken reichten (Abb. 4-6). Auch die Weibchen dieser westlichen Populationen wiesen die blauen Flecken am Hals sowie eine leichte Blaufärbung an den Flanken auf (Abb. 7). Zudem wiesen diese blauflankigen Eidechsen im Gegensatz zu denen aus dem östlichen Teil des Peloponnes alle einen vollständig grün gefärbten Rücken auf. Beide Formen wie12 Abb. 2. Männchen von Lacerta trilineata trilineata aus dem TaygetosGebirge. sen je sechs Ventralialängsreihen auf und zeigten hinsichtlich der Beschuppung keine sichtbaren Unterschiede zueinander auf. Abbildung 8 zeigt je ein Kopfporträt eines Männchens einer normalen L. t. trilineata sowie einer blauflankigen Eidechse. Genetische Untersuchungen Die bemerkenswerten morphologischen Unterschiede in der Körperfärbung zwischen den Smaragdeidechsen der östlichen und westlichen sowie denen der südlichen Peloponnes könnte ein Hinweis auf eine gewisse genetische Diversität oder sogar genetische Spezifikation sein. Um die phylogenetischen Verwandtschaftsverhältnisse der blauflankigen Smaragdeidechsen zu anderen Arten der Smaragdeidechsen der Lacerta-trilineataGruppe festzustellen, entschieden wir uns, Sequenzen des Cytochrom-bGens zu untersuchen. Die Sequenz dieses nur mütterlicherseits vererbten Gens wird häufig verwendet, um phylogenetische Verwandtschaftverhältnisse zwischen Arten beziehungsweise Artengruppen zu ermitteln. Gewebeproben wurden mittels Mundschleimhautabstrichen dreier blauflankiger Eidechsen (zwei Männchen, ein Weibchen) gewonnen. Mundschleimhautabstriche sind als eine schnelle, zuverläs- Abb. 3. Weibchen von Lacerta trilineata trilineata aus dem Taygetos-Gebirge. 13 Abb. 4. Blauflankiges Smaragdeidechsen-Männchen aus dem Südwesten der PeloponnesHalbinsel. Abb. 5. Weiteres Männchen der blauflankigen Smaragdeidechsen aus dem Südwesten der PeloponnesHalbinsel. Abb. 6. Noch ein Männchen aus dem Südosten der Peloponnes-Halbinsel mit blauen Flanken. 14 Abb. 7. Weibchen der blauflankigen Smaragdeidechsen aus dem Südwesten der PeloponnesHalbinsel. Abb. 8. Kopfstudien einer männlichen Lacerta t. trilineata aus dem TaygetosGebirge (links) und eines Männchens der blauflankigen Smaragdeidechse aus dem Südwesten der Peloponnes (rechts). sige und nicht-invasive Methode zur Gewinnung von DNA von Reptilien beschrieben worden (Schulte et al. 2011). Nachdem die Probe von den Eidechsen genommen wurde, wurden die Tiere sofort am Fangort wieder freigelassen. Die Mundschleimhautabstriche wurden dann von der Peloponnes ins Laboratorium in den Niederlanden transportiert, wo sie zur DNA-Gewinnung und anschließenden Sequenzierung dienten. Teile des Cytochrom-b-Gens wurden erfolgreich aus der isolierten DNA nach der von Miraldo et al. (2011) beschriebenen Methode amplifiziert. Die Sequenzanalyse und Anordnung ergaben, dass die Cytochrom-b-Gene der drei blauflankigen Eidechsen identisch waren jedoch noch nicht in der Gen-Bank hinterlegt sind. Interessanterweise glich die Sequenz am meisten der von Lacerta media wolterstorffi (95 % Übereinstimmung), einer Unterart der Östlichen Riesensmaragdeidechse, die in der Türkei, Syrien und dem Libanon beheimatet ist. Um die Beziehungen zwischen den blauflankigen Eidechsen der Peloponnes und den Smaragdeidechsen der L.-trilineata-Gruppe zu ermitteln, wurde ein phylogenetischer Baum mittels des Clustal-Omega-Webtools angefertigt (erhältlich unter: http://www.ebi. ac.uk/Tools/msa/clustalo/). Dieser Baum basiert auf der Cytochrom-b-Sequenz der blauflankigen Eidechsen, die wir während dieser Studie ermittelten, sowie den Sequenzen anderer relevanter Arten beziehungsweise Unterarten von Smaragdeidechsen, die in der GenBank hinterlegt sind. Das Cytochrom-b-Gen einer Perleidechse (Timon lepidus) diente als Außengruppe (Abb. 4). Zwei Hauptzweige konnten festgestellt werden; der eine davon beinhaltet die Unterarten Lacerta media ciliciensis und Lacerta media media (in Abb. 9 durch ein A gekennzeichnet). Der 15 Abb. 9. Phylogenetischer Baum basierend auf den Ergebnissen der Cytochrome-b-DNASequenz, der die Verwandtschaftsverhältnisse der blauflankigen Eidechsen der Peloponnes (rot umrahmt) zu den anderen relevanten Arten des Lacerta-trilineata-Clusters zeigt. Für die meisten (Unter-)Arten waren diverse Cytochrom-b-Gen-Sequenzen in der GenBank hinterlegt (fortlaufend nummeriert). zweite Zweig (gekennzeichnet durch ein B) setzt sich aus der entfernter verwandten Art Lacerta pamphylica und den nahe verwandten Unterarten von Lacerta trilineata sowie unerwarteterweise Lacerta media wolterstorffi zusammen. Die blauflankigen Eidechsen der Peloponnes bildet dabei eine Gruppe mit L. media wolterstorffi. Schlussfolgerungen In diesem Bericht haben wir die phylogenetischen Beziehungen der blauflankigen Smaragdeidechsen der südwestlichen Peloponnes analysiert. Im Hinblick auf die morphologische Ähnlichkeit dieser Eidechsen mit der Unterart Lacerta media ciliciensis aus der Ost-Türkei, die ebenfalls blaue Flanken zeigt, dachten wir zunächst, dass wir eine eingeschleppte Population von L. t. ciliciensis entdeckt hätten. Populationen von Reptilien, die unbeabsichtigt mithilfe des Menschen verschleppt wurden, sind rund um das Mittelmeer relativ häufig. Im Südwesten der Peloponnes existiert beispielsweise eine Population des Afrikanischen Chamäleons (Chamaeleo africanus), von der man annimmt, dass diese bereits in der Antike dorthin verschleppt wurde (Böhme et al. 1998). Eine DNA-Sequenzanalyse zeigte jedoch, dass es sich bei den blauflankigen Eidechsen nicht um L. t. ciliciensis handelt. Tatsächlich kann aus dieser Analyse der Schluss gezogen werden, dass diese abweichende Population von blauflankigen Smaragdeidechsen sich von allen bisher bekannten Arten und Unterarten der Smaragdeidechsen unterscheidet, sodass es unwahrscheinlich scheint, dass diese Tiere durch den Menschen dorthin verschleppt worden sind. Es wurde eine maximale Sequenzidentität von 95 % zur Cytochrom-b-Gen-Sequenz von Lacerta media wolterstorffi ermittelt. Allerdings ist eine Sequenzidentität von 95 % relativ gering und ähnlich der Sequenzidentität zwischen etablierten Arten und Unterarten von Smaragdeidechsen. So zeigen zum Beispiel Lacerta pamphy16 lica und Lacerta trilineata cariensis 94 % Sequenzidentität, Lacerta pamphylica und Lacerta media wolterstorffi ebenfalls 94 % Sequenzidentität, während die Unterarten Lacerta media wolterstorffi und Lacerta media israelica eine Sequenzidentität von 96 % zeigen. Leider war es uns nicht möglich, eine DNA-Probe einer normal gefärbten Lacerta trilineata trilineata aus dem südöstlichen Teil der Peloponnes zu gewinnen, sodass wir nicht in der Lage sind, eine solche Probe mit der DNA der blauflankigen Smaragdeidechsen zu vergleichen. Zusammenfassend zeigen unsere Ergebnisse, dass die Cytochrom-b-DNA-Sequenz der blauflankigen Smaragdeidechsen einzigartig ist und darauf hindeutet, dass es sich um eine neue (Unter-)Art der Smaragdeidechsen handelt, die endemisch für die Peloponnes ist. Literatur Böhme, W., A. Bonetti & G. Chiras (1998): The chameleons of the Greek mainland: taxonomic allocation and conservation needs of a second European species (Squamata: Sauria: Chamaeleonidae). – Herpetozoa, 11: 87–91. Miraldo, A., O.S. Paulo, G.M. Hewitt & B.C. Emerson (2011): Phylogeography and demographic history of Lacerta lepida in the Iberian Peninsula: multiple refugia, range expansions and secondary contact zones. – Central Evolutionary Biology, 11: 170–189. Peek, R. (2009): Een bijzonder populatie smaragdhagedissen van de Peloponnesos (Griekenland). – Lacerta, 67: 255–258. Schulte, U., F. Gebhard, L. Heinz, M. Veith & A. Hochkirch (2011): Buccal swabs as a reliable non-invasive tissue sampling method for DNA analysis in the lacertid lizard Podarcis muralis. – North-western Journal of Zoology, 7: 325–328. Autoren: Ron Peek, de Vroedschap, NL-5345 MP Oss, Niederlande, E-Mail: [email protected]; William Leenders, Meeuwse Acker 1714, NL-6546 DV Nijmegen, Niederlande. 17