16. Überlagerungen und Hochhebungen

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GRUNDLAGEN DER ANALYSIS, TOPOLOGIE UND GEOMETRIE (WWU 2016)
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16. Ü BERLAGERUNGEN UND H OCHHEBUNGSSÄTZE
Überlagerungen sind ein mächtiges Werkzeug zur Berechnung von Fundamentalgruppen. In den folgenden ca. vier Vorlesungen entwickeln wir die Grundzüge ihrer Theorie.
Definition 16.1. Eine stetige Abbildung p : Y → X topologischer Räume heißt Überlagerung, wenn jeder Punkt x ∈ X eine Umgebung U besitzt, welche obige Bedingungen
(1) und (2) erfüllt. Eine solche Umgebung U nennen wir dann trivialisierend, die zu U
homöomorphen offenen disjunkten Teilmengen von p−1 (U) Blätter. Man nennt manchmal auch Y Überlagerung und p Überlagerungsabbildung. Ist |p−1 (x)| = k für alle x ∈ X,
so nennt man p eine k-fache Überlagerung.
Eine Abbildung von Überlagerungen p : Y → X und q : Z → X ist eine stetige Abbildung
f : Y → Z mit q ◦ f = p:
f
Y
p
X

/
Z
q
Ein Isomorphismus von Überlagerungen ist eine solche Abbildung, die ein Inverses hat,
also zusätzlich ein Homöomorphismus ist.
Beispiel 16.2.
(1) Für jeden diskreten Raum F ist die Projektion X × F → X eine
Überlagerung; hier ist X eine trivialisierende Umgebung und die zugehörigen
Blätter sind X × { f } für f ∈ F. Dazu isomorphe Überlagerungen heißen trivial.
(2) Zur Berechnung von π1 (S1 , 1) benutzten wir die Überlagerung p : R → S1 , t 7→
e2πit .
Hier ist für jedes x ∈ S1 die offene Menge U = S1 \ {x} trivialisierend.
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(3) Für jedes n = 1, 2, . . . ist die Abbildung S1 → S1 , z 7→ zn eine n-fache Überlagerung von S1 und S1 \ {x} trivialisierend für jedes x ∈ S1 .
(4) Die komplexe Exponentialabbildung z 7→ exp(z) ist eine Überlagerung C → C \
{0} und für jedes z0 6= 0 ist die geschlitzte Ebene Uz0 := C \ {λz0 : λ ≥ 0} eine
trivialisierende Umgebung. Die stetigen Abbildungen l : Uz0 → C mit exp ◦l =
id heißen die Zweige des komplexen Logarithmus.
(5) Der reellen projektiven Raum RPn ist der Quotient Sn /∼ mit x ∼ y ⇔ x = ±y
und die Quotientenabbildung p : Sn → RPn ist eine zweifache Überlagerung.
(ÜA)
(6) Hier einige Bilder von Überlagerungen der Acht (S1 − 1) ∪ (S1 + 1):
Hochhebungen entlang von Überlagerungen. Wir betrachten nun Hochhebungen von
Wegen und Homotopien entlang von Überlagerungen, ähnlich wie in Satz 15.1. Sei im
folgenden stets
p: Y → X
eine Überlagerung.
Definition 16.3. Eine Hochhebung einer stetigen Abbildung f : Z → X (entlang von p)
ist eine stetige Abbildung f˜ : Z → Y mit p ◦ f˜ = p:
>Y
f˜
Z
p
f
/
X.
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Zunächst zur Eindeutigkeit:
Satz 16.4. Sei Z zusammenhängend, Y Hausdorffsch und f : Z → X stetig. Stimmen
zwei Hochhebungen von f in einem Punkt überein, so sind sie gleich.
Beweis. Seien f˜1 , f˜2 : Z → Y Hochhebungen von f und
A := {z ∈ Z : f˜1 (z) = f˜2 (z)}
nicht leer. Da f˜1 und f˜2 stetig sind, ist A abgeschlossen. Wir zeigen: A ist auch offen;
aus der Annahme folgt dann A = Z.
Sei z ∈ A und U eine trivialisierende Umgebung von f (z). Dann enthält p−1 (U) ein Blatt
V , das durch p homöomorph auf U abgebildet wird und f˜1 (z) = f˜2 (z) enthält. Auf der
offenen Menge W := f˜1−1 (V ) ∩ f˜2−1 (V ) gilt f˜1 |W = p|V−1 ◦ f |W = f˜2 |W , also z ∈ W ⊆ A.
Nun zur Existenz:
Satz 16.5 (Weg-Hebungssatz). Für jeden w ein Weg in X und jedes y0 ∈ p−1 (w(0)) gibt
es eine Hochhebung w̃ von w mit w̃(0) = y0 .
Beweis. Da w stetig ist, können wir [0, 1] durch in [0, 1] offene Intervalle überdecken,
deren Bilder unter w eweils in trivialisierenden offenen Teilmengen von X enthalten
sind. Da [0, 1] kompakt ist, finden wir also eine Zerlegung 0 = t0 < t1 < · · · < tn = 1 und
offene trivialisierende Teilmengen U1 , . . . ,Un ⊆ X mit w([ti−1 ,ti ]) ⊆ Ui für i = 1, . . . , n.
Nun setzen wir w̃(t0 ) := y0 , wählen für i = 1, . . . , n nacheinander das Blatt Vi ⊆ p−1 (Ui )
mit w̃(ti−1 ) ∈ Vi und definieren w̃|[ti−1 ,ti ] := p|V−1
◦ w|[ti−1 ,ti ] .
i
Der nächste Satz verwendet folgenden Begriff:
Definition 16.6. Ein topologischer Raum Z heißt lokal zusammenhängend, wenn es für
jede offene Teilmenge U ⊆ Z und jedes z ∈ U eine zusammenhängende offene Menge
V ⊆ U mit z ∈ V gibt.
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Satz 16.7 (Homotopie-Hebungssatz). Sei Z lokal zusammenhängend, f : Z × [0, 1] → X
stetig und g : Z × {0} → Y stetig mit p ◦ g = f |Z×{0} . Dann existiert eine Hochhebung
f˜ von f , die g fortsetzt:
g
Z × {0}

_
;
∃! f˜
Y
p
Z × [0, 1]
/
X.
/
f
Beweis. Für jedes z ∈ Z finden wir nach Satz 16.5 für den Weg w := f (z, −) und den
Startpunkt g(z, 0) ∈ p−1 (w(0)) genau eine Hochhebung w̃ =: f˜(z, −) mit f˜(z, 0) =
g(z, 0).
Bleibt zu zeigen: das so definierte f˜ ist stetig.
Sei z ∈ Z. Ein Kompaktheitsargument wie in Aufgabe 3, Blatt 4, zeigt: es gibt eine
offene wegzusammenhängende Umgebung W von z und eine Zerlegung 0 = t0 < t1 <
. . . < tn = 1 so, dass f (W × [ti−1 ,ti ]) für jedes i in einer trivialisierenden offenen Menge
Ui ⊆ X enthalten ist.
Auf W × {0} ist f˜ gleich g, also stetig. Sei f˜ auf W × [0,ti−1 ] stetig. Wir zeigen, dass
dann f˜ auch auf W × [ti−1 ,ti ] stetig ist. Nun ist
• W × {ti−1 } zusammenhängend und f˜ auf W × {ti−1 } stetig, also auch f˜(W ×
{ti−1 }) zusammenhängend und ganz in einem Blatt Vi ⊆ p−1 (Ui ) enthalten,
• für jedes z0 ∈ W auch {z0 } × [ti−1 ,ti ] zusammenhängend und f˜ auf {z0 } × [0, 1]
stetig, also auch f˜({z0 } × [ti−1 ,ti ]) zusammenhängend und, da f˜(z0 ,ti−1 ) ∈ Vi ,
ganz in Vi enthalten.
also f˜(W × [ti−1 ,ti ]) ganz in Vi enthalten und somit f˜|W ×[ti−1 ,ti ] = p|V−1
◦ f |W ×[ti−1 ,ti ] stei
˜
tig. Per Induktion über i folgt, dass f auf ganz W × [0, 1] stetig ist.
Da z ∈ Z beliebig war, folgt, dass f stetig ist.
Bald können wir eine reiche Ernte einfahren.
Folgerung 16.8. Sei Y Hausdorffsch und seien w̃1 , w̃2 Wege in Y mit gleichem Anfangspunkt y0 und p ◦ w̃1 ∼ p ◦ w̃2 . Dann folgt w̃1 ∼ w˜2 , insbesondere haben w̃1 und w̃2 den
gleichen Endpunkt.
Beweis. Wähle eine Homotopie H von p ◦ w̃1 nach p ◦ w̃2 . Satz 16.7, angewendet
{0} ×  [0, 1]
_
/
H̃
[0, 1] × [0, 1]
H
{y0 } ⊆ Y
7
/
p
X,
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liefert eine Hochhebung H̃ von H. Nun ist
• H̃(−, 0) eine Hochhebung von p ◦ w̃1 mit Anfangspunkt y0 , also gleich w̃1 ,
• H̃(−, 1) eine Hochhebung von p ◦ w̃2 mit Anfangspunkt y0 , also gleich w̃2 ,
• H̃(1, −) eine Hochhebung des konstanten Weges H(1, −) mit Anfangspunkt
w̃1 (1), also konstant gleich w̃1 (1).
Insbesondere ist w̃2 (1) = w̃1 (1) und H̃ eine Homotopie von w̃1 nach w̃2 .
Folgerung 16.9. Sei Y Hausdorffsch. Dann ist für jedes y ∈ Y ist der Homomorphismus
p∗ : π1 (Y, y) → π1 (X, p(y)) injektiv.
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