14 ZNS neu komplett SS11.vp

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Versuch 14: ZNS
14.1 EEG
Aufgaben
ð EEG
– Registrierung von a-Wellen
– Registrierung von b-Wellen
ð Beeinflussung des a-Wellenrhythmus durch äußere Reize und geistige Aktivität
Lernziele
& a-Wellen erkennen und quantifizieren | b-Wellen erkennen und quantifizieren | die häufigsten Einflüsse d.h. Störsignale (Artefakte) im EEG erkennen und benennen
An der Schädeloberfläche lassen sich Potentialschwankungen in Form eines
EEGs (= Elektroenzephalogramm von griech. encephalon = Gehirn, graphein
= schreiben) ableiten, die vor allem in der elektrischen Aktivität erregender und
hemmender Neuronenpopulationen kortikaler Areale begründet sind. Entsprechend ihrer spezifischen räumlichen Anordnung addieren sich die einzelnen
neuronalen Potentiale, so daß sich über den ganzen Kopf verteilte Potentialänderungen – d.h. die summierte elektrische Aktivität des Gehirns als Spannungsschwankungen an der Kopfoberfläche – messen lassen. Die Bedeutung
der EEG-Aufzeichnung ist in der klinischen Diagnostik zerebraler Funktionsstörungen unumstritten. Das EEG erlaubt Rückschlüsse auf den Schweregrad einer Funktionsstörung, besitzt prognostischen Aussagewert und vermag als einzige Untersuchungsmethode, eine erhöhte zerebrale Erregbarkeit, zum Beispiel
in der Diagnostik der Epilepsie, aufzudecken.
Blutuntersuchung
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Versuch 14: ZNS
14.1 EEG
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Zur klinischen Bewertung wird meistens eine 12-Kanal-Aufzeichnung von verschiedenen Elektrodenkombinationen benötigt. Die örtliche Auflösung eines
üblichen EEGs liegt bei mehreren Zentimetern. Den eher asynchronen, scheinbar zufällig auftretenden niedrigen EEG-Ausschlägen können sich bei synchroner und periodischer Aktivität von größeren Neuronenpopulationen rhythmische
EEG-Signale höherer Amplituden (sog. EEG-Wellen oder -Rhythmen) überlagern. In Abhängigkeit ihrer Frequenz werden vier verschiedene Zustände der
Hirnaktivität unterschieden (Tab. 14-1):
Frequenzbereich
Welle
Zustand
> 30 Hz
g
mentale Aktivität
14 -30 Hz
b
mentale Aktivität
8–13 Hz
a
inaktiver Wachzustand bei geschlossenen Augen
4–7 Hz
q
Einschlafphase
< 4 Hz
d
tiefe Schlafphase oder bei pathologischen Prozessen
Abb.1 12-Kanalaufzeichnung eines EEGs
Tab. 14-1 Frequenzbereiche charakteristischer Wellen im EEG.
10-20 System
Für eine EEG-Untersuchung müssen Elektroden an spezifischen Stellen der
Schädeloberfläche angebracht werden. Die Schädelform und -größe variiert aber
von Mensch zu Mensch, deshalb musste ein relatives System gefunden werden,
das diesen Umstand Rechnung trägt und damit vergleichbare Ergebnisse zuläßt.
Herbert Henri Jasper (1906 - 1999) entwickelte ein solches System, das sog.
10-20 System.
Beim 10-20 System wird die Strecke vom Nasion zum Inion (sowohl seitlich als
auch frontal über den Vertex) gleich 100 % gesetzt. Dabei sind die ersten Elektrodenpunkte ausgehend vom Nasion (Fpz, Fp1, Fp2) oder Inion (Oz, O1, O2)
10 % der Gesamtweglänge entfernt. Die weiteren Punkte liegen im Abstand von
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Versuch 14: ZNS
14.1 EEG
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a-Wellen
Versuchsgang
Allgemeine Hinweise:
Abb.2
Die Registrierung eines EEG ist technisch aufwendig, vor allem weil die Potentialdifferenzen klein sind (typischerweise 50 µV peak-to-peak), da die Elektroden
von der Hirnrindenoberfläche durch Kopfhaut, Schädelknochen und CSF (Cerebrospinal Flüssigkeit) getrennt sind. Daher sind spezielle Verstärker wie der im
PowerLab integrierte "BioAmp" erforderlich.
Die richtige Positionierung der Elektroden ist ein entscheidender Faktor für
die Aufnahme eines aussagekräftigen EEGs. Dennoch können die Aufzeichnungen trotz sorgfältiger Vorbereitung bisweilen durch verschiedene Störsignale
(Artefakte, siehe unten) beeinträchtigt werden.
In diesem Experiment werden Sie mit zwei Elektroden die EEG-Aktivität
registrieren. Dabei wird eine Elektrode frontal an der Stirn und die andere Elektrode okzipital am Hinterkopf angebracht.
20 % der Gesamtlänge, sodaß sich insgesamt wieder 100 % (Gesamtstrecke) ergibt (siehe Abbildung 2).
Überträgt man das System auf den gesamten Schädel, so kommt man zu einem
Gitter mit 19 Gitter- bzw. Elektrodenpunkten (ursprüngliches System). Bei
heutigen EEG-Hauben bringt man bis zu 70 Elektroden in Standardpositionen unter.
Abb. 3 Versuchsanordnung
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Versuch 14: ZNS
Eine dritte Erdungs-Elektrode wird ebenfalls (an der Stirn) angeschlossen, um
elektrische Störungen zu unterdrücken.
– Stecken Sie das Bio Amp Kabel in die Buchse am PowerLab.
– Verbinden Sie die Anschlusskabel von drei EEG/EMG Elektroden mit
“Earth” (Erde), Ch1 negativ und Ch1 positiv am Bio Amp Kabel.
Anlegen der Messelektroden
Frontale Elektroden
Bringen Sie die frontale (negative) Elektrode an.
– Zeichnen Sie mit dem Kugelschreiber unmittelbar unter der Haarlinie und
etwa 5 cm rechts der Mittellinie (oder an der entsprechenden Position, falls
die Versuchsperson kahlköpfig ist) ein kleines Kreuz auf die Stirn.
– Reiben Sie sanft die Haut über dem Kreuz mit etwas Schleifgel. Das ist ein
wichtiger Schritt zur Verminderung des elektrischen Widerstands der äußeren Hautschicht und sorgt für guten elektrischen Kontakt.
– Drücken Sie die Elektrodenpaste auf Ihren Finger und tupfen Sie es auf die
Kreuzmarkierung. Drücken Sie die konkave (hohle) Seite der Elektrode fest
in die Paste.
– Bringen Sie die Elektrode über der Kreuzmarkierung an und befestigen Sie
sie an der umgebenden Haut mit einen 5-8 cm langen Pflaster.
– Um versehentliches Abreißen der Elektrode zu verhindern, befestigen Sie
am besten das Anschlußkabel mit einem weiteren Pflaster an der Stirn.
– Befestigen Sie die Erdungselektrode (grün) ebenso an der Stirn, aber auf der
anderen Seite der Mittellinie.
Okzipitalelektrode
Bringen Sie die Occipitalelektrode (positiv) an.
– Bringen Sie ein elastisches Band am Kopf an. Vorn sollte es zwischen Augenbrauen und Frontalelektrode verlaufen. Hinten sollte es auf der Höhe
des größten Kopfumfangs sein.
– Ziehen Sie das Band am Hinterkopf 1 bis 2 cm nach unten, Scheiteln Sie das
Haar wenige cm von der Mittellinie entfernt auf der gleichen Seite wie die
Frontalelektrode.
14.1 EEG
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– Zeichnen Sie mit dem Kugelschreiber ein kleines Kreuz auf die Kopfhaut an
dieser Scheitellinie.
– Reiben Sie sanft die Haut über dem Kreuz mit Abrasiv-Gel (aufgetragen auf
dem Tupfer).
– Drücken Sie die Elektrodenpaste auf Ihren Finger und tupfen Sie es auf die
Kreuzmarkierung.
– Positionieren Sie die Elektrode über dem Kreuz und halten Sie dabei die
Haare gescheitelt. Drücken Sie die Elektode leicht auf die Kopfhaut, um guten Kontakt herzustellen.
– Ziehen Sie das Band über die Elektrode, während Sie diese festhalten und mit
dem Band sichern.
– Um versehentliches Abreißen der Elektrode zu verhindern, befestigen Sie
das Anschlußkabel mit einem Pflaster an der Bandaußenseite.
– Versichern Sie sich nochmals, daß die Elektrode an der markierte Stelle auf
die Kopfhaut gedrückt wird. Falls nötig, ziehen Sie das Band fester an.
Lagerung der Versuchsperson
Lassen Sie die Versuchsperson bequem auf dem Rücken liegen, den Kopf zur
Seite gedreht, so daß keine Elektrode verschoben oder gedrückt wird. Prüfen
Sie, ob alle Elektroden richtig mit der Versuchsperson und dem Bio Amp verbunden sind bevor Sie weitermachen.
Alpha- und Beta-Wellen
– Stellen Sie sicher, daß die Versuchsperson entspannt ist, ruhig liegt und beide
Augen offen hat.
– Klicken Sie auf Starten
– Schreiben Sie “zu” in das Kommentarfeld. Nach etwa 30 Sekunden bitten Sie
die Versuchsperson, die Augen zu schließen. Klicken Sie dabei auf “Hinzufügen”, um den Kommentar einzutragen und nehmen Sie weiter auf.
– Schreiben Sie “offen” in das Kommentarfeld. Nach etwa 30 Sekunden bitten
Sie die Versuchsperson, die Augen zu öffnen. Klicken Sie dabei auf “Hinzufügen”, um den Kommentar einzutragen.
– Nehmen Sie noch ein paar Sekunden weiter auf und klicken Sie dann Stoppen.
– Wiederholen Sie diese Prozedur noch zwei mal um drei Datensätze zu erhalten. Verwenden Sie Autoskalieren, um die Spur zu spreizen falls nötig.
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Versuch 14: ZNS
14.1 EEG
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– Manche Versuchsperson hat möglicherweise keine nennenswerte Alpha-Aktivität. Nehmen Sie in diesem Fall eine andere Versuchsperson.
– Wenn Sie Alpha- und Betawellen identifiziert haben, quantifizieren Sie deren
Amplituden- und/oder Frequenzänderung.
Vorgehensweise
– Markieren Sie aus Ihrer ersten Aufzeichnung einen relativ artefaktfreien Abschnitt an einer Stelle, an der die Versuchsperson die Augen offen hält.
– Wählen Sie nun aus dem Menü Window den Punkt Spectrum, um die Ansicht
der schnellen Fourier-Transformation (FFT) zu erhalten. Bestimmen Sie die
häufigste Frequenz der EEG-Aktivität.
– Wiederholen Sie diese Schritte für den “Augen zu”-Abschnitt sowie die anderen zwei Aufzeichnungen. Notieren Sie Ihre Messergebnisse.
Auswirkungen geistiger Aktivität
In dieser Übung werden Sie die Auswirkung einer Kopfrechnen-Aufgabe auf
den Alpha- und den Beta-Rhythmus bei geschlossenen Augen untersuchen.
Abb . 4
Vorgehensweise
EEG-Wellen
Analyse
– Betrachten Sie Ihre Aufzeichnung mithilfe der Schaltfläche für horizontale
Komprimierung und des Rollbalkens und suchen Sie Indizien für die Amplitudenänderung der Alphawellen beim Augenschließen.
– Falls Sie keine Indizien für eine Amplitudenänderung beim Schließen der
Augen finden, prüfen Sie, ob Sie evtl. eine Aufzeichnung betrachten, bei der
die Versuchsperson die Augen offen hält. Falls Ihre Aufzeichnung hauptsächlich hochamplitudige Artefakte enthält, müssen Sie evtl. eine oder mehrere Elektroden neu anbringen.
– Stellen Sie sicher, daß die Versuchsperson entspannt ist und mit geschlossenen Augen ruhig liegt.
– Klicken Sie Starten und tragen Sie den Kommentar “zu” ein.
– Nach etwa 30 Sekunden anhaltender Alpha-Aktivität geben Sie der Versuchsperson folgende Anweisung: Auf Ihre Anweisung hin soll die Versuchsperson von einer beliebigen Anfangszahl aus in 7er Schritten rückwärts
zählen z.B.: 100 - 7 = 93, 93 - 7 = 86, 86 - 7 = 79, usw. Weisen Sie die Versuchsperson an, die Zahlen bloß zu denken und sie nicht zu spechen.
– Fügen Sie den Kommentar “Mathe” ein, wenn Sie die Versuchperson auffordern, mit der Rechenaufgabe zu beginnen.
– Nach weiteren 30 Sekunden Kopfrechnen etwa bitten Sie die Versuchsperson, mit dem Rechnen aufzuhören und sich zu entspannen.
– Nehmen Sie noch ein paar Sekunden weiter auf und klicken Sie dann Stoppen.
– Wiederholen Sie diese Prozedur noch zwei mal um drei Datensätze zu erhalten.
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Versuch 14: ZNS
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Variieren Sie die Aufgabe für jede Wiederholung.
Identifizieren Sie die Alpha- und die Betawellen im Zustand mit geschlossenen
Augen ohne Rechenaufgabe (Kontrolle) gegenüber dem Beginn des Kopfrechnens. Nun wiederholen Sie die Analyse wie in Übung 2.
– Markieren Sie aus Ihrer ersten Aufzeichnung einen Abschnitt, wo die Versuchsperson die Augen geschlossen hat, aber keine Rechenaufgabe macht.
– Wählen Sie nun aus dem Menü Window den Punkt Spectrum, um die Ansicht
der schnellen Fourier-Transformation (FFT) zu erhalten. Bestimmen Sie die
häufigste Frequenz der EEG-Aktivität .
– Wiederholen Sie diese Schritte für alle Aufzeichnugen bei geschlossenen Augen mit und ohne Kopfrechnen. Notieren Sie Ihre Messergebnisse.
– Nach 5-10 Sekunden klicken Sie StopKopfbewegungen
– Klicken Sie Starten. Bitten Sie die Versuchsperson, den Kopf wiederholt abwechselnd nach links und rechts zu bewegen.
– Beobachten Sie die Versuchsperson und drücken Sie die Eingabetaste, um
bei jeder Kopfbewegung einen Kommentar zu setzen.
– Nach 5-10 Sekunden klicken Sie Stoppen.
Erkennen von Artefakten
Stellen Sie sicher, daß die Versuchsperson entspannt ist und still liegt, bis Sie andere Anweisungen geben.
Blink Artefakt
– Klicken Sie Starten. Bitten Sie die Versuchsperson, wiederholt zu blinken.
– Beobachten Sie die Versuchsperson und drücken Sie die Eingabetaste, um
bei jedem Blinken einen Kommentar zu setzen.
– Nach 5-10 Sekunden klicken Sie Stoppen
Augenbewegungen
– Klicken Sie Starten. Bitten Sie die Versuchsperson, wiederholt abwechselnd
nach links und rechts zu schauen. Die Versuchspersonsollte währenddessen
den Kopf still halten.
– Beobachten Sie die Versuchsperson und drücken Sie die Eingabetaste, um
bei jeder Augenbewegung einen Kommentar zu setzen.
– Nach 5-10 Sekunden klicken Sie Stoppen
Kopfbewegungen
– Klicken Sie Starten. Bitten Sie die Versuchsperson, den Kopf wiederholt abwechselnd nach links und rechts zu bewegen.
– Beobachten Sie die Versuchsperson und drücken Sie die Eingabetaste, um
bei jeder Kopfbewegung einen Kommentar zu setzen.
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Versuch 14: ZNS
14.2 Evozierte Potentiale
Aufgaben
ð Ableitung somatisch evozierter Potentiale (SEP) bei elektrischer Stimulation des N. medianus.
ð Ableitung visuell evozierter Potentiale (VEP) bei binokulärer optischer Reizung mittels einer "Blitzlichtbrille".
Lernziele
& Aufbau des Kortex | Primärer sensorischer Kortex | Primärer motorischer Kortex | Elektrische Großhirnaktivität | EEG-Entstehung | EEGAbleittechnik | EEG-Analyse | EEG-Diagnostik | Ereigniskorrelierte
Hirnpotentiale | Sensorisch evozierte Potentiale | Motorisch evozierte
Sensorisch evozierte Potentiale
Die durch äußere Stimuli oder motorische Reaktionen ausgelösten zerebralen
Potentiale, die als evozierte Potentiale (EP) beschrieben werden, gehen aufgrund
ihrer vergleichsweise kleinen Amplituden im Hintergrund-EEG unter. Analysiert man die EEG-Signale bei wiederholter Reizung „ereigniskorreliert“, d.h.
reizbezogene EEG-Abschnitte werden bei wiederholter Reizung einer zeitlichen
Mittelung unterworfen, so summieren sich die Reizantworten zu Potentialwellen.
Hingegen mittelt sich das nicht reizsynchrone Hintergrund-EEG heraus.
Die Analyse der evozierten Potentiale erlaubt eine klinische Beurteilung der
Funktion bzw. Dysfunktion sensorischer Systeme und involvierter Hirngebiete.
Mit langer Latenz folgen den sensorisch evozierten frühen Potentialen späte,
ereigniskorrelierte EEG-Potentiale, die nicht als primäre Reizantwort zu werten
sind, sondern den assoziativen Verrechnungs- und Bewertungsvorgängen zugeordnet werden müssen.
14.2 Evozierte Potentiale
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Die klinische Bedeutung der EP-Diagnostik ist:
– Messungen evozierter Potentiale stellen eine objektive und in gewissem Grade
quantitative Funktionsprüfung des sensiblen Systems dar. Besonders wichtig
ist sie bei Patienten, die keine oder nur wenig verlässliche Angaben bei Sensibilitätsprüfungen machen können, z. B. Kleinkinder, Bewusstseinsgestörte, Debile,
Simulanten.
– Bei Ableitung an verschiedenen Abschnitten sensibler Bahnen können fokale
Krankheitsprozesse eventuell lokalisiert werden.
– Latenzverzögerung und Amplitudenabnahme lassen ev. Rückschlüsse auf
zugrundeliegende Demyelinisierungsprozesse zu (z.B. bei Multipler Sklerose).
– Berechnungen der peripheren und zentralen Erregungsleitungsgeschwindigkeit geben Aufschluß über Ort und Ausmaß von Entmarkungsherden.
Wegen der üblicherweise niedrigen Amplitude sensibler Reizantworten sind
EEG-Verstärker mit geringem Grundrauschen und hoher Gleichtaktunterdrückung erforderlich.
Durch zeitliche Mittelung („Time Averaging“) einer größeren Zahl von Reizantworten lässt sich eine Verbesserung des Amplitudenverhältnisses zwischen
reizinduziertem Signal und EEG-Hintergrundaktivität erzielen, zum Beispiel bei
1024 Einzelreizungen um einen Faktor von 32 (= Ö1024). Das optimale Signal/
Rauschverhältnis Q läßt sich mit folgender, der Meßtechnik entlehnter Überschlagsrechnung abschätzen:
S
[1]
Q= n
R
wobei S die Amplitude des Meßsignals, R die Amplitude des Rauschens und n die
Zahl der Meßwiederholungen verkörpern. Eine automatische Filterfunktion
vermag auch EMG-, EKG- und Bewegungsartefakte zu unterdrücken.
Grundsätzlich soll bei jeglicher EEG-Registrierung die Versuchsperson in
reizarmer Umgebung motorisch völlig entspannt liegen!
Im Rahmen neurologischer Routineuntersuchungen werden im wesentlichen
folgende drei Funktionsprüfungen durchgeführt:
1. SEP (Somatisch evozierte Potentiale)
Somatosensible evozierte Potentiale werden bei elektrischer Reizung sensibler
Nervenfasern über der Wirbelsäule und Kopfhaut abgegriffen (Abb. 5).
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Versuch 14: ZNS
2. AEP (Akustisch evozierte Potentiale)
Akustisch evozierte Potentiale lassen sich durch monaurale akustische Stimulation
auslösen und zwischen einer Ableitelektrode am ipsilateralen Mastoid und einer
Referenzelektrode am Vertex registrieren (Abb. 6).
3. VEP (Visuell evozierte Potentiale)
Visuell evozierte Potentiale treten auf, wenn der Versuchsperson ein beidseitig
rhythmisch aufblitzendes Diodenlicht ("Blitzlichtbrille") angeboten wird. Die
Ableitung der VEP erfolgt mit einer Ableitelektrode über dem visuellen Cortex
und einer frontalen Referenzelektrode (Abb. 7).
Versuchsgang
Allgemeine Hinweise
Bei allen EP-Untersuchungen sollten die Probanden in möglichst angenehm temperierter Umgebung bequem und körperlich entspannt liegen. Während der gesamten SEP-Aufzeichnung müssen beide Augen geschlossen sein.
Anlegen der Messelektroden
Zunächst wird der Versuchsperson die elastische EEG-Haube mit 20 integierten
Ag/AgCl-Elektroden aufgesetzt, wobei auf korrekten und strammen Sitz zu
achten ist! Die für die EP-Programme ausgewählten Ableitelektroden werden an
ihren elastischen Aufhängungen vorsichtig angehoben. Das jeweils darunterliegende Kopfhautareal muß mit dem „Peeling-Gel“ gründlich bearbeitet werden, um
den elektrischen Übergangswiderstand möglichst zu reduzieren. Anschließend
wird eine geringe Menge eines Elektroden-Gels auf der Elektrodenoberfläche
verteilt, und die Elektrode in ihre Ausgangsposition zurückgesetzt. Dabei ist
streng darauf zu achten, dass so gut wie keine Haare unter die Elektroden geklemmt werden. Aufgrund des elastischen Netzes liegen die Elektroden der
Kopfhaut genügend fest an. Nun sind die Stecker der entsprechenden Ableitelektroden mit den Bioverstärkereingängen von PowerLab zu verbinden, und das
Messprogramm SCOPE zu starten.
14.2 Evozierte Potentiale
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Fragen
1. Warum muß die Versuchsperson während der EP-Messungen in reizarmer
Umgebung körperlich völlig entspannt sein?
2. Wie lässt sich das Signal/Rauschverhältnis evozierter Potentiale verbessern?
3. Können evozierte Potentiale auch an Bewusstlosen abgeleitet werden?
4. Lassen sich Medianus-SEP auch über dem ipsilateralen Cortex ableiten?
5. Warum muß zur Beurteilung der Latenzzeiten von SEPs die Körpergröße
der Probanden bekannt sein?
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Versuch 14: ZNS
14.2 Evozierte Potentiale
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Medianus-SEP
Untersuchungsbedingungen
² Versuchsperson in bequemer Rückenlage auf Liege
² Rechter Arm, an dem die Reizung erfolgt, entspannt aufgelegt
² Augen geschlossen
Stimulation
Reizelektroden
Erdungsband
Reizart
Reizbreite
Reizfrequenz
Stromstärke
über N. medianus knapp proximal des Karpaltunnels,
wobei Kathode rumpfnäher
um Unterarmmitte
zyklisch, 50 Zyklen pro Sequenz
200 µs
5 Hz
max. 20 mA
Elektrodenposition (Abb. 5)
Kanal 1
Kanal 2
Klebeelektrode auf rechtem Erb-Punkt
(cranial Schlüsselbein über Plexus brachialis),
Referenzelektrode auf rechtem Mastoid aufgeklebt
Ableitelektrode kontralateral über Gyrus postcentralis (C3)
Referenzelektrode Fz
Programmablauf
Vorlauf
Variation der Reizstromstärke und des Reizorts,
bis deutlich sichtbares Zucken des Daumens
Messung
Zweikanalige Aufzeichnung der beiden Ableitsignale
"Averaging" über 50 Einzelregistrieungen
Abb. 5
Medianus-SEP.
Links: Topographie der Meß- und Reizelektroden. Standardableitpunkte sind
Erb-Punkt und C3, frontale Referenzelektrode Fz.
Rechts: Normales Medianus-SEP, an den Positionen ERB-Punkt und C3 abgeleitet (je 2 Meßsequenzen pro Ableitort).
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Versuch 14: ZNS
14.2 Evozierte Potentiale
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VEP
Untersuchungsbedingungen
² Versuchsperson in bequemer und entspannter Sitzposition
² Äußere Reizeinflüsse vermeiden:
Abgedunkelter Raum,
ruhige Umgebung!
Stimulation
Standardstimulation:
Abb. 6 Originalaufzeichnung eines normalen FAEP (= frühes akustisch evoziertes Potential vom Hirnstamm). Die Wellen
I–VII lassen sich bestimmten wichtigen
Umschaltstellen (= AEP-Generatorkerne)
der Hörbahn zuordnen.
Diodenblitzlicht mit einer Frequenz von 1 Hz
Elektrodenposition (siehe Abb. 7)
Ableitelektrode:
Referenzelektrode:
Erdungsband:
O1 bzw. O2 in Sagittalebene
Fz
um Unterarm gelegt
Programmablauf
Meßwerterfassung durch Mittelung über 200 Wiederholungen (average = 200)
bei einer Diodenstromstärke von 10 mA.
Abb. 7 Ableitung von VEPs zwischen der Ableitelektrode O1 bzw. O2 und der frontalen
Referenzelektrode FZ.
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Versuch 14: ZNS
14.3 Gedächtnis
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14.3 Gedächtnis
Aufgaben
ð Durchführung verschiedener Tests zur Überprüfung des sensorischen
Gedächtnisses: Ganz- und Teilberichtmethoden.
ð Untersuchungen zum Speichern und Vergessen von Informationen im
Kurzzeitgedächtnis.
Lernziele
& Kortikale Gedächtnisstrukturen | Gedächtnismodelle | Sensorisches,
Kurzzeit-, Arbeits-, Langzeitgedächtnis | Deklaratives und prozedurales Gedächtnis | Zelluläre und molekulare Mechanismen des Gedächtnisses | Lernprozesse | Lernstrategien | Langzeitpotenzierung | Implizites und explizites Lernen | Amnesiesyndrome
Abb. 8
Monitorbild einer VEP-Originalaufzeichnung. P100 steht laut neurologischer
Nomenklatur für „positive“ Welle mit der Normallatenz von 100 ms, N140 für
„negative“ Welle bei 140 ms.
Gemäß der Informationsverarbeitung als Metapher des Lernens werden zur Beschreibung der Arbeitsweise des Gedächtnisses drei separate, miteinander interagierende Gedächtnisebenen in Analogie zu Rechnerarchitekturen unterschieden (Abb. 10):
– sensorisches Gedächtnis bzw. Register, auch gelegentlich als Ultrakurzzeitgedächtnis bezeichnet
– Kurzzeitgedächtnis
– Langzeitgedächtnis.
Sensorisches Gedächtnis
Das sensorische Gedächtnis setzt sämtliche eintreffende Informationen in nur
äußerst kurzfristig verfügbare neurale Erregungsmuster um, die sogleich wieder
zerfallen, sofern keine weitere Verarbeitung erfolgt. Experimentelle Hinweise
sprechen für ein Ultrakurzzeitgedächtnis visueller (ikonischer), akustischer
(echoischer), taktiler, olfaktorischer Art, etc. Die Wahrnehmung der verschiedenen äußeren Stimuli wird demnach nur für Bruchteile einer Sekunde darin gespeichert, wobei das Verblassen der Information bereits zeitgleich mit ihrer EinAbb. 9
Position und Bezeichnung sämtlicher Elektroden der EEG-Haube, entsprechend der internationalen „20-Elektrodenkonvention“ (F = frontal, Z = zentral,
T = temporal, P = parietal, O = okzipital, A = aureal). Nur die dick eingekreisten Elektroden werden für die SEP-, AEP- und VEP-Aufzeichnungen benötigt.
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Versuch 14: ZNS
speicherung einsetzt. Durch Überschreiben mit neuen Eindrücken oder durch
aktives Auslöschen wird das „Vergessen“ beschleunigt .
Das Phänomen des ikonischen sensorischen Gedächtnisses wurde 1960
durch ein inzwischen klassisches psychologisches Experiment von SPERLING
belegt. Die Untersuchungen wurden mit Hilfe eines Tachistoskops, das visuelle
Reize mit frei wählbaren, kurzen Expositionszeiten anzubieten vermochte, gemacht. Einige solcher Tests zur Überprüfung kurzfristiger Gedächtnisleistungen
sind im Praktikum mit den modernen Hilfsmitteln der elektronischen Medien
durchzuführen.
Kurzzeitgedächtnis
Im Stadium der sensorischen Speicherung durchlaufen alle Informationen
grundlegende Identifikationsprozesse, ehe sie gefiltert in das Kurzzeitgedächtnis
transferiert werden. Innerhalb der Gedächtnishierarchie übt das Kurzzeitgedächtnis die eigentliche Kontrolle aus. Es entscheidet, welche Informationen unsere Aufmerksamkeit erwecken, wie Informationen verarbeitet und eingeprägt
werden, und ob nach bereits existierenden Erinnerungen oder Erfahrungen gesucht werden soll.
14.3 Gedächtnis
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Die Kapazität des Kurzzeitgedächtnisses ist sehr begrenzt: seine Gedächtniszeitspanne erstreckt sich bis zu einer Dauer von ca. 50 s, wobei in Einzelfällen bis zu
4 min. erreicht werden können. Seine begrenzte raum-zeitliche Kapazität wird
mit 7 ± 2 Items angegeben, die im Sinne von Blöcken gleicher Informationen
(Chunks) zu verstehen sind, wie z. B. mehrziffrige Zahlen, Bildsymbole, Worte
oder ganze Sätze. Das Vergessen, d.h. der Verlust der gespeicherten Informationen, erfolgt auch auf dieser Gedächtnisebene durch „Überschreiben“ mit neu
eintreffenden Informationen.
Langzeitgedächtnis
Die zentrale Aufgabe des Kurzzeitgedächtnisses besteht darin, Informationen
passager zwischenzuspeichern, um daraus Gedächtnisinhalte von größerer Dauerhaftigkeit und Stabilität zu erzeugen. Es transferiert Informationen von bleibendem Wert in das Langzeitgedächtnis. Die hier eingeprägte Gedächtnisspur bildet die Grundlage für die Möglichkeit, jederzeit Informationen ins Bewusstsein
zurückzuholen. Im Unterschied zum Kurzzeitgedächtnis wird das Langzeitgedächtnis als theoretisch unbegrenzter, permanenter Speicher betrachtet, der den
gesamten Wissensschatz eines Individuums enthält. Aus Erfahrung unterscheidet man zwischen einem semantischen Gedächtnis als Speicher für das „Allgemeinwissen“ und einem episodischen (autobiographischen) Gedächtnis für Erlebnisse
und Episoden der Lebensgeschichte einer Person. Seit den 80er Jahren neigt
man in den Kognitionswissenschaften dazu, viel grundsätzlicher zwei Instanzen
des Langzeitgedächtnisses zu definieren:
– das deklarative Gedächtnis als Instanz zur Speicherung des verfügbaren Faktenwissens, d.h. es umfasst semantisches und episodisches Gedächtnis
– das prozedurale Gedächtnis als Instanz zur Speicherung des Wissens über kognitive Operationen und Bewegungsstrategien.
Diese Zweiteilung ist auch aus Sicht der Klinik angezeigt, da bei Patienten mit
amnestischen Syndromen Sprache, Wahrnehmung sowie Motorik unauffällig
bzw. unverändert sein können, während retrogrades Erinnern (an vergangene Erlebnisse oder Ereignisse) oder anterogrades Erinnern (Vergesslichkeit von neu Gelerntem oder Erfahrenem) völlig ausgeschaltet sind.
Zur expliziten Wiedergabe von Langzeitgedächtnisinhalten bedarf es eines
Abrufs in das Kurzzeitgedächtnis. Hierbei ist die Fähigkeit des Kurzzeitgedächt-
Abb. 10
Mehrspeichermodell zur Beschreibung des menschlichen Gedächtnisses
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Versuch 14: ZNS
nisses zur bewussten Verarbeitung und Bewertung von Informationen gefordert, die auf Erinnerungen setzt, um daraus explizite Schlussfolgerungen ziehen
und eine mentale Leistung vollbringen zu können. Für diese besondere Fähigkeit
des Kurzzeitgedächtnisses hat man die Instanz des Arbeitsgedächtnisses eingeführt.
Zwischen Kurz- und Langzeitgedächtnis bestehen im Prinzip vier wesentliche Unterscheidungsmerkmale:
1. Die Kapazität des Langzeitgedächtnisses ist nahezu unbegrenzt, während im
Kurzzeitgedächtnis nur etwa 7 ± 2 Items vorübergehend gespeichert werden
können.
2. Informationen im Kurzzeitgedächtnis werden durch neu aufgenommene Informationen gelöscht, wohingegen im Langzeitgedächtnis nichts gelöscht,
sondern manche Information nicht mehr verfügbar wird.
3. Um Informationen länger im Kurzzeitgedächtnis zu bewahren, müssen sie
ständig wiederholt werden, etwa in Form eines »mentalen Aufsagens«. Geschieht dies nicht, verblasst die Information innerhalb kurzer Zeit und geht
dann verloren.
4. Die Kodierung der Information im Kurzzeitgedächtnis ist reizähnlich, meist
akustisch, während die Kodierung im Langzeitgedächtnis im wesentlichen
semantisch ist.
Versuchsgang
Sämtliche Gedächtnistests werden mit Hilfe von exakt steuerbaren Zeichenfolgen oder -matrices auf einem Rechnermonitor durchgeführt. Genaue Erläuterungen zu den einzelnen Untersuchungen werden über die übliche PowerPoint-Präsentation auf dem zweiten Monitor eingespielt.
Die Versuche sind für alle Praktikumsteilnehmer obligatorisch und von jedem Probanden mehrfach zu absolvieren. Für diese Untersuchungen sind auch
abschließende statistische Betrachtungen erforderlich.
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