Das STANDARDMODELL - Akademisches Gymnasium Wien I

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Thomas A.
Terényi
Das STANDARDMODELL
in der Elementarteilchenphysik
Spezialgebiet zur
mündlichen Reifeprüfung aus Physik
zum Haupttermin 2000/2001
Akademisches Gymnasium Wien I
Inhaltsverzeichnis
1. HISTORISCHE ENTWICKLUNG............................ 3
2. DAS STANDARDMODELL ..................................... 5
3. DIE VIER WECHSELWIRKUNGEN ........................ 7
4. MATERIE UND ANTIMATERIE ............................. 14
5. QUANTENZAHLEN UND ERHALTUNGSSÄTZE ... 17
6. FUNDAMENTALTEILCHEN .................................. 23
7. HADRONEN .......................................................... 32
8. AUSBLICK ............................................................ 38
ANHANG
A. ÜBERSICHT ÜBER TEILCHEN UND BEGRIFFE... 40
1. HISTORISCHE ENTWICKLUNG
1. Historische
Entwicklung
Die Elementarteilchenphysik entwickelte sich aus der schon tausende
Jahre andauernden Suche nach den Antworten auf die Fragen „Woraus ist die Materie gemacht?“ und „Was hält sie zusammen?“. Die historische Entwicklung, welche die Physik dabei durchgemacht hat,
lässt sich in vier große Etappen gliedern, wobei in jeder erkannt wurde, dass die bisher als elementar angenommenen Teilchen eine weitere
innere Struktur besitzen.
Die erste Etappe begann mit den griechischen Naturphilosophen. Um
etwa 400 v. Chr. entwickelte Demokrit die Theorie, dass das Universum aus leerem Raum und einer fast unendlichen Zahl unteilbarer
Teilchen besteht, die sich voneinander in Form, Position und Anordnung unterscheiden. Alle Materie besteht aus diesen unteilbaren Teilchen, den Atomen.
Die zweite Etappe wurde eingeleitet, als Ernest Rutherford im Jahre
1911 das nach ihm benannte Atommodell entwickelte. Er postulierte,
dass die Atome keineswegs die letzten Bausteine der Materie wären,
sondern selbst einen komplizierten inneren Aufbau besäßen. Er erkannte, dass Atome aus einer aus negativ geladenen Elektronen bestehende Hülle und einem positiv geladenen Kern zusammengesetzt
sind. In weiterer Folge (1932) wurde festgestellt, dass der Atomkern
selbst aus positiv geladenen Protonen und neutralen Neutronen besteht. Elektronen, Protonen und Neutronen galten als die Grundbausteine der Materie und wurden als Elementarteilchen bezeichnet. Die
Entdeckung von Mechanismen wie Kernbindung und Kernzerfall markierte den Beginn der Kernphysik.
In der dritten Etappe wurden die Eigenschaften der Elementarteilchen
weiter erforscht (vor allem in der Höhenstrahlung). Dabei (ab 1937)
stellte sich jedoch heraus, dass es außer den bereits bekannten Elektron, Proton und Neutron noch eine weitere Anzahl verschiedenster
Teilchen gibt. Heute sind mehr als 200 Arten Elementarteilchen bekannt. Ferner zeigte sich, dass sich Elementarteilchen ineinander umwandeln können und nach Einsteins Gesetz über die Äquivalenz von
Energie und Masse auch aus Energie neu entstehen können bzw.
3
1. HISTORISCHE ENTWICKLUNG
durch Umwandlung in Energie vollständig verschwinden können. Die
sich mit den Elementarteilchen auseinander setzende Physik nennt
man Elementarteilchenphysik.
Erst in der vierten Etappe gelang es, in die Vielzahl der Elementarteilchen Ordnung zu bringen, indem erkannt wurde, dass diese aus noch
kleineren Teilchen zusammengesetzt sind. Murray Gell-Mann und
George Zweig postulierten 1964 die so genannten Quarks als elementare Bausteine (sie sind so genannte Fundamentalteilchen). Deren
Theorie wurde in den letzten 30 Jahren immer wieder erweitert und
wird heute als Standardmodell der Teilchen und Wechselwirkungen bezeichnet, das durch experimentelle Bestätigungen in Teilchenbeschleunigern sehr große Akzeptanz fand und immer noch genießt.
Doch auch das Standardmodell zeigt in gewissen Bereichen noch Unzulänglichkeiten, deshalb konzentrieren sich die heutigen Forschungen auf Erweiterungen des Standardmodells und auf Theorien wie
zum Beispiel die String- und Superstringtheorie (vgl. Abschnitt 8.
Ausblick). Ziel ist das Finden einer „Theorie für alles“, in der alle
Wechselwirkungen theoretisch vereint und alle Vorgänge in unserem
Universum erklärt werden könnten.
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2. DAS STANDARDMODELL
2. Das Standardmodell
Das so genannte Standardmodell beschreibt die heutige Ansicht über
Materie und deren Aufbau. Dieses Modell entstand vor etwa 30 Jahren
und hat sich seit dem immer weiter entwickelt und fand große experimentelle Bestätigung.
Der Satz „The standard model is working too well [als dass es falsch
sein könnte]“ von Richard P. Feynman steht symbolisch für die Stärke
des Standardmodells. Die vielen experimentell bestätigten Vorhersagen, die damit gemacht wurden und noch gemacht werden, lassen
kaum Zweifel an ihm aufkommen. Die meisten Teilchenphysiker halten das Standardmodell für so überzeugend, dass sie glauben, es könnte vielleicht einmal ergänzt oder verbessert, jedoch sicherlich nie völlig verworfen werden, wie es mit so vielen anderen – vor allem
Atommodellen – vorher schon geschehen ist.
Die Vorgänge der Teilchenphysik und des Standardmodells finden
ausschließlich im Mikrokosmos statt. Zur Beschreibung von Materie,
Teilchen und deren Dynamik im Mikrokosmos können die Gesetze
und Vorstellungen des Makrokosmos nicht mehr angewendet werden.
Die Beschreibung der Vorgänge und Zustände des Mikrokosmos leistet die Quantenmechanik. Die Mechanik, wie sie z.B. in der Schule
behandelt wird, bezeichnet man als klassische Mechanik. Die Quantenmechanik stellt keine Erweiterung der klassischen Mechanik dar,
sondern ist eine eigene, völlig neue Theorie, die dynamische Prozesse
im mikroskopischen Bereich beschreibt. Dabei gilt das Prinzip, dass
die Quantenmechanik die klassische Mechanik als Grenzfall für hohe
Energien bzw. für den makroskopischen Bereich mit einschließt. Genauso wird im Standardmodell anstatt der klassischen Elektrodynamik
die Quantenelektrodynamik (QED) etc. verwendet. Ein neu durch das
Standardmodell entstandener Teilbereich der Physik ist die so genannte Quantenchromodynamik (QCD).
Im Standardmodell gibt es vier fundamentale Wechselwirkungen, die
über Feldquanten übertragen werden; alle Materie besteht aus den
Fundamentalteilchen Leptonen und Quarks, von denen es jeweils
sechs verschiedene Arten gibt.
5
2. DAS STANDARDMODELL
Das Standardmodell ist jedoch nur ein theoretisches Gebilde, das, wie
jedes Modell, versucht, die Realität so gut wie möglich darzustellen.
Dennoch können die enthaltenen Theorien nur eine Annäherung an
die Wirklichkeit bieten, in der auch eine Reihe bekannter und noch
unbekannter Lücken sind. Ein Modell ist gibt einen Sachverhalt nicht
vollständig wieder und hat nur begrenzte Gültigkeit; trotzdem ist es
oft für viele Überlegungen gut brauchbar. Darüber hinaus ist das Standardmodell ein dynamisches Konstrukt, das ständig verbessert und
erweitert wird.
6
3. DIE VIER WECHSELWIRKUNGEN
3. Die vier Wechselwirkungen
Unter einer Wechselwirkung versteht man im Allgemeinen die wechselseitige Beeinflussung zweier oder mehrerer Elementarteilchen, umgangssprachlich ebenso die von zusammengesetzten Teilchen, Atomen, Molekülen oder Körpern. Wichtig ist hierbei, dass sich jede
Wechselwirkung des makro- und mikroskopischen Bereichs auf eine
Wechselwirkung der beteiligten Elementarteilchen zurückführen lässt.
Überschaubar und theoretisch behandelbar sind aber nur Systeme mit
wenigen Teilchen, sodass es z.B. keinen Sinn macht, die elektromagnetische Anziehung zweier elektrisch geladener Metallkugeln auf
Elementarteilchenebene zu betrachten. Die makroskopische Wechselwirkung zweier geladener Metallkugeln wird durch die klassische
Mechanik, die Elektrodynamik oder ein anderes Teilgebiet der Physik
der makroskopischen Welt beschrieben.
In der alltäglichen, makroskopischen Sichtweise (klassische Mechanik) üben zwei Körper aufeinander Kräfte aus und treten damit in
Wechselwirkung zueinander: Jemand zieht z.B. an einem Türgriff
(Zugkraft), die Luft in einem Ballon drückt gegen die Ballonhaut
(Druckkraft) etc. Es gibt viele weitere Kräfte, die man je nach ihrem
Auftreten entsprechend bezeichnet (Schubkraft, Reibungskraft, Zentripetalkraft, Gewichtskraft etc.). Die Kräfte werden durch ihre makroskopischen Ursachen (Druck, Reibung, Gewicht etc.) charakterisiert.
Die nächste Stufe der Beschreibung von Wechselwirkungen erfolgt
mit Feldern. Auf Körper, die sich in einem Feld befinden, werden
Kräfte ausgeübt, wenn sie eine entsprechende Eigenschaft besitzen
(z.B. elektrische Ladung für ein elektrisches Feld, Masse für ein Gravitationsfeld etc.). Diese Sichtweise wird in Feldtheorien wie z.B. der
Elektrodynamik beschrieben.
Die Beschreibungen von Wechselwirkungen zwischen Elementarteilchen durch Quantentheorien kommen ohne Felder aus. Die Wechselwirkungen zwischen Elementarteilchen werden durch so genannte
Austauschteilchen (Feldquanten) zwischen den einzelnen Teilchen,
welche jeweils die zur entsprechenden Wechselwirkung passende La-
7
3. DIE VIER WECHSELWIRKUNGEN
dung tragen (z.B. elektromagnetische Ladung für die elektromagnetische Wechselwirkung, Farbladung für die starke Wechselwirkung
etc.), vermittelt. Die elektromagnetische Wechselwirkung wird z.B.
durch den Austausch (Emission und Absorption) von Photonen vermittelt. Man beachte, dass auch scheinbar statische Zustände (z.B.
Anziehung zweier elektrischer Ladungen) durch ständige Absorption
und Emission von Photonen erklärt und damit auch als Vorgänge betrachtet werden.
Im Standardmodell gibt es vier fundamentale Wechselwirkungen:
Die elektromagnetische, die starke, die schwache Wechselwirkung
und die Gravitation, die alle über Austauschteilchen bzw. Feldquanten
übertragen werden. Sowohl Wechselwirkungen, bei denen sich Teilchen anziehen, als auch solche, bei denen sie sich abstoßen, werden
durch Austauschteilchen vermittelt.
Die einzelnen Wechselwirkungen haben alle sehr unterschiedliche
Stärken. Die Kraftwirkung der Gravitation, die wir am eigenen Körper
spüren, empfinden wir als „sehr stark“; die Stärke einer Wechselwirkung anzugeben, ist aber nur im Vergleich mit den anderen Wechselwirkungen sinnvoll. Vergleicht man die Stärken für gleiche Abstände,
Massen und Ladungen, wie sie in der Teilchenphysik vorkommen, so
erkennt man, dass die Verhältnisse dort ganz anders aussehen. Die
Gravitation ist nämlich die mit Abstand schwächste Wechselwirkung.
Erst dadurch, dass sie sich für sehr viele Teilchen summiert, scheint
sie nach unserer subjektiven Empfindung sehr stark zu wirken. Im
Gegensatz zur elektromagnetischen Wechselwirkung, die wesentlich
stärker ist und bei der sich die Wirkungen von positiven und negativen
Ladungen aufheben können, wird die Gravitation nicht durch irgendeine Form von „Gravitations-Abstoßung“ kompensiert, sodass jeder
noch so geringe Anteil zur Anziehung beiträgt.
Gewisse Eigenschaften (siehe Abschnitt 5. Quantenzahlen und Erhaltungssätze) sind für alle Feldquanten gleich:
Alle Austauschteilchen besitzen einen ganzzahligen Spin und sind
daher Bosonen (Austauschbosonen). Es gilt dabei allgemein, dass
Austauschbosonen mit geradem Spin (s = 0, 2, 4 etc.) nur anziehende
Wirkung vermitteln, während solche mit ungeradem Spin (s = 1, 3, 5
etc.) sowohl eine anziehende als auch abstoßende Wirkung vermitteln.
Die Gravitation wirkt nur anziehend, das (noch hypothetische) Gravi-
8
3. DIE VIER WECHSELWIRKUNGEN
ton besitzt den Spin 2. Alle anderen Wechselwirkungen können abstoßend und anziehend wirken, ihre Austauschbosonen haben alle den
Spin 1.
Die Reichweite einer Wechselwirkung hängt von der Masse ihres
Vermittlers ab. Je massereicher ein Austauschboson ist, desto kurzreichweitiger ist die vermittelte Wechselwirkung. Das Austauschboson einer Wechselwirkung mit unendlicher Reichweite (z.B. elektromagnetisch) muss die Ruhemasse 0 (z.B. Photon) besitzen.
Nur wenn das Austauschteilchen selbst Träger der Ladung ist, an die
es koppelt, kann es auch mit seinesgleichen wechselwirken. Da das
Photon elektrisch ungeladen ist, kann es nicht mit anderen Photonen
elektromagnetisch wechselwirken, obwohl es selbst der Vermittler der
elektromagnetischen Wechselwirkung ist. Hingegen tragen Gluonen
(Träger der starken Wechselwirkung) selbst Farbladung und können
somit auch untereinander stark wechselwirken.
Die Gravitation
In den Größenordnungen unseres täglichen Lebens ist die Gravitation
neben der elektromagnetischen Wechselwirkung die wichtigste Kraft,
da sie alle unsere Bewegungen beeinflusst. Sie wirkt nur anziehend,
d.h. Effekte wie eine „Gravitationsabstoßung“ oder „Antigravitation“
wurden bisher nicht beobachtet und werden es wohl auch nicht.
Das (theoretisch postulierte aber noch nie experimentell beobachtete)
Feldquant der Gravitation, das Graviton Γ, ist (wahrscheinlich) masselos, die Reichweite der Gravitation ist daher unendlich. Es koppelt
an alle Teilchen an, die eine Masse haben, die Masse ist sozusagen die
Ladung der Gravitation. Die Stärke der Gravitation ist proportional zu
den Massen der Wechselwirkungspartner. Sie wurde als erste Kraft
quantitativ durch das Newton'sche Gravitationsgesetz beschrieben.
Die Newton’sche Gravitationstheorie kam zu Beginn des 20. Jahrhunderts in ernsthafte Schwierigkeiten, da sie im Widerspruch zu Einsteins Spezieller Relativitätstheorie steht. Nach Newton tritt die Gravitationswirkung zwischen Körpern augenblicklich ein, nach Einstein
breitet sie sich aber mit Lichtgeschwindigkeit aus. Einstein stellte daraufhin die Allgemeine Relativitätstheorie auf, die die Newton’sche
Theorie ersetzte. Nach Einstein müsste es so genannte Gravitationswellen geben, die bei Änderungen von „Massenquellen“ (z.B. bei
Sternexplosionen) auftreten, allerdings konnten sie bis heute, wohl auf
9
3. DIE VIER WECHSELWIRKUNGEN
Grund fehlender feinerer Messmethoden, noch nicht direkt nachgewiesen werden.
So bedeutend die Rolle der Gravitation im Makrokosmos ist, so belanglos ist die Rolle, die sie im Mikrokosmos unserer Teilchen einnimmt. Dies ist leicht einzusehen, wenn man beteiligte Massen vergleicht. Das Produkt der Massen zweier 1-kg-Gewichte ist 1 kg². Das
Produkt zweier Protonenmassen liegt in der Größenordnung 10-54 kg2.
Damit beträgt das Verhältnis der wirkenden Gravitationskräfte, bei
gleichem Abstand, 1 : 1054. Es ist experimentell relativ schwierig, die
Gravitationskraft, die zwei 1-kg-Massestücke aufeinander ausüben, zu
messen. Es erscheint daher unmöglich, Kräfte, die um 54 Größenordnungen kleiner sind, messen zu können. Aus diesem Grund wird die
Wirkung der Gravitation in der Teilchenphysik vernachlässigt. Die
Gravitation (die schwächste der Wechselwirkungen) ist 1038 mal
schwächer als die starke Wechselwirkung (die stärkste der
Wechselwirkungen).
Für die elektromagnetische und starke Wechselwirkung gibt es eine
quantentheoretische Formulierung, die QED und die QCD. Physiker
arbeiten daran, auch eine Quantentheorie – die so genannte Quantengravitationstheorie – für die Gravitation aufzustellen. Dies ist allerdings noch nicht gelungen.
Die elektromagnetische Wechselwirkung
Nach der Entdeckung der magnetischen Wirkung des elektrischen
Stroms von Oerstedt stellte Maxwell im 19. Jahrhundert Gleichungen
zum elektrischen und magnetischen Feld auf, welche die Grundlage
der elektromagnetischen Theorie darstellen. Damit wurden zum ersten
Mal zwei Kräfte (elektrische und magnetische) in einer Wechselwirkungstheorie zusammengefasst.
Da die Maxwellschen Gleichungen auch innerhalb der Speziellen Relativitätstheorie Einsteins gültig waren, stellen sie in der klassischen
Physik die grundlegende Beschreibung der elektromagnetischen
Wechselwirkung dar. Die quantentheoretische Beschreibung der elektromagnetischen Wechselwirkung wird durch die Quantenelektrodynamik (QED) geleistet. Die endgültige Formulierung stammt von Richard P. Feynman, J. Schwinger und S. Tomanaga aus dem Jahr 1948.
In der QED wird die elektromagnetische Wechselwirkung durch den
Austausch virtueller Photonen beschrieben. Die QED ist bis heute die
10
3. DIE VIER WECHSELWIRKUNGEN
am besten verstandene und am genauesten überprüfte Quantenfeldtheorie.
Das Austauschteilchen der elektromagnetischen Wechselwirkung ist
das Photon γ und koppelt an elektrische Ladungen an. Es ist selbst
elektrisch ungeladen, hat keine Ruhemasse und bewegt sich mit Lichtgeschwindigkeit. Da es die Ruhemasse 0 hat, besitzt die elektromagnetische Wechselwirkung eine unendliche Reichweite. Das heißt, dass
eine elektrische Ladung auf eine andere Ladung auch dann noch eine
Kraft ausübt, wenn diese beliebig weit entfernt ist. Mit steigendem
Abstand wird diese Kraft allerdings sehr schnell sehr klein. Die Kraft
kann, je nach Ladung, anziehend oder abstoßend wirken. Die elektrische Wechselwirkung ist ca. 100 mal schwächer als die starke Wechselwirkung. Photonen können nicht direkt miteinander wechselwirken,
da sie selbst keine elektrische Ladung tragen. Je nach Wellenlänge
bzw. Energie eines Photons (E=h·f), nennt man es auch Lichtquant,
Röntgenquant oder γ-Quant.
Die schwache Wechselwirkung
Die Entdeckung der schwachen Wechselwirkung ist eng mit ihrem
bekanntesten Prozess, dem β--Zerfall verbunden. Die schwache Wechselwirkung ist vor allem bei Teilchenzerfällen involviert.
Da die schwache Wechselwirkung viele Erhaltungssätze und Symmetrien, die bei den anderen Wechselwirkungen gelten, verletzt, hat sie
der japanische Physiker Yoishiro Nambu als „Fehler Gottes“ bezeichnet. Ein anderes Problem der Untersuchung von Prozessen der schwachen Wechselwirkung ist die Überdeckung der schwachen Effekte
durch die wesentlich stärkeren der elektromagnetischen und starken
Wechselwirkung.
Die schwache Wechselwirkung besitzt drei Austauschteilchen, die
gemeinsam als Weakonen bezeichnet werden. Die W+-, W-- und Z0Bosonen haben eine sehr große Masse (ca. 80-fache Protonenmasse),
sodass die schwache Wechselwirkung nur sehr kurzreichweitig ist (ca.
10-18 m). Die schwache Wechselwirkung ist ca. 105 mal schwächer als
die starke Wechselwirkung. Die Feldquanten der schwachen Wechselwirkung wechselwirken selbst sowohl schwach als auch elektromagnetisch, wobei das W+ einfach positiv, das W- einfach negativ und
das Z0 elektrisch neutral geladen ist. Die schwache Wechselwirkung
koppelt an alle Teilchen, die die so genannte schwache Ladung g tra-
11
3. DIE VIER WECHSELWIRKUNGEN
gen. Sowohl Quarks als auch Leptonen (siehe Abschnitt 6. Fundamentalteilchen) tragen diese Ladung.
Der wohl bekannteste Prozess der schwachen Wechselwirkung ist,
wie erwähnt, der β--Zerfall, bei dem ein Neutron in ein Proton, ein
Elektron und ein Elektron-Antineutrino (Antineutrino auf Grund der
Erhaltung der Leptonenzahl; vgl. Abschnitt 5. Quantenzahlen und Erhaltungssätze) zerfällt:
n → p + e− +ν e
Das dazugehörige Feynman-Diagramm sieht folgendermaßen aus (ein
Feynman-Diagramm stellt eine Art Zeit-Ort-Diagramm einer Wechselwirkung dar, wobei die Zeitachse von links nach rechts und die
Ortsachse von unten nach oben läuft):
Die starke Wechselwirkung
Die starke Wechselwirkung ist für Kernkräfte verantwortlich, sie hält
Quarks (siehe Abschnitt 6. Fundamentalteilchen) zusammen und wird
durch Gluonen G vermittelt. Gluonen sind elektrisch ungeladen und
haben (wahrscheinlich) keine Ruhemasse. Die starke Wechselwirkung
koppelt an Teilchen, die Farbladung (kurz Farbe) tragen. Das Gluon
selbst trägt eine Farbe und eine Antifarbe. Aus diesem Grund können
die Gluonen auch untereinander stark wechselwirken. Sie können sich
zu gebundenen Systemen zusammenhängen, die man als Gluonium
oder Glueballs bezeichnet. Die starke Wechselwirkung wird durch
acht Gluonen (nicht neun) vermittelt. Die Reichweite der starken
Wechselwirkung entspricht praktisch in etwa dem Protonendurchmesser (ca. 10-15 m), obwohl sie theoretisch unendlich sein müsste (Ruhemasse Null). Dies ist bedingt durch das so genannte QuarkConfinement (siehe Abschnitt 6. Fundamentalteilchen). Die starke
Wechselwirkung ist die stärkste aller Wechselwirkungen.
12
3. DIE VIER WECHSELWIRKUNGEN
Gluonen koppeln nur an andere, auch Farbladung tragende Teilchen.
Die Quarks in Protonen und Neutronen bilden farbneutrale, weiße
Kombinationen. Sie kompensieren so nach außen ihre Farbladungen
und scheinen wie Teilchen ohne Farbladung zu wirken. Die starke
Wechselwirkung wirkt daher auf sie zunächst nicht. Erst wenn sich
die Nukleonen sehr nahe kommen, „stellen sie fest“, dass ihr Gegenüber zwar nach außen farbneutral ist, aber im Inneren sehr wohl einzelne Farbladungen enthält. Sie können daher erst bei sehr kleinen
Abständen (Größenordnung 10-15 m) miteinander stark wechselwirken
bzw. die Kernkräfte aufeinander ausüben. Zu dieser anschaulichen Erklärung gibt es ein Analogon der QED. Auch Atome, die nach außen
elektrisch ungeladen sind, üben bei sehr geringen Abständen zueinander elektrische Kräfte aus.
Das Prinzip der Farbladungen wird ausführlicher in Abschnitt 6. Fundamentalteilchen erläutert.
Folgende Tabelle gibt eine zusammenfassende Darstellung der Wechselwirkungen und ihrer Feldquanten:
WechselMasse elektrische
Reichweite
koppelt anSpin
2
wirkung
(GeV/c ) Ladung (e)
elektrische
elektroPhoton
0
0
1
∞
Ladung
magnetisch
Farb-15
Gluon
0
0
stark
1
∞ (10 m)
ladung
+
0
±
W,W ,Z
80,3 (W )
schwache
-18
-1, +1, 0
schwach
10 m
1
0
Bosonen
91,2 (Z )
Ladung
Graviton Gravitation
0
0
Masse
2
∞
Feldquant
13
4. MATERIE UND ANTIMATERIE
4. Materie und
Antimaterie
Grundsätzlich gilt, dass es zu jedem elementaren Teilchen (Quarks,
Leptonen und Austauschteilchen; siehe Abschnitt 6. Fundamentalteilchen) ein Antiteilchen gibt. Das Antiteilchen hat die gleiche Masse
wie sein korrespondierendes Teilchen, aber bei allen anderen Ladungen (z.B. der elektrischen Ladung) besitzt es das entgegengesetzte
Vorzeichen.
Das bekannteste Antiteilchen ist das Positron, das Antiteilchen des
Elektrons. Es hat die gleiche Masse, wie das Elektron, trägt aber eine
positive Elementarladung. Abgekürzt schreibt man für das Positron e+.
Meistens hat man den Antiteilchen aber keine neuen Namen gegeben,
sondern setzt nur die Vorsilbe „Anti-“ davor, wie bei Antiquark, Antiproton, Antineutrino etc. Für ein Antiteilchen verwendet man den
gleichen Buchstaben wie für sein korrespondierendes Teilchen, es
wird lediglich ein Querstrich darübergesetzt.
Bei gewissen Teilchen, wie zum Beispiel dem Photon, sind Teilchen
und Antiteilchen ident. Ein Antiphoton unterscheidet sich also durch
nichts von einem Photon. Ein Photon ist zugleich sein Antiteilchen.
Wegen dieser Ununterscheidbarkeit ist im Allgemeinen der Begriff
„Antiphoton“ nicht gebräuchlich. Ähnlich spricht man nicht von einem Anti-W+-Boson, da das Antiteilchen des W+- das W--Teilchen ist
und vice versa. Grundsätzlich gilt aber, dass es zu jedem Fundamentalteilchen (und in weiterer Folge zu den daraus zusammengesetzten
Teilchen) ein Antiteilchen aus Antimaterie gibt (aber auch bei Mesonen wird nicht zwischen Teilchen und Antiteilchen unterschieden, da
jedes Meson aus einem Quark und einem Antiquark besteht, wobei jede Kombination einen eigenen Namen trägt).
Die Theorie von der Antimaterie wurde 1930 von Dirac aufgestellt. Er
ging dabei von der relativistischen Formel für die Gesamtenergie eines bewegten Teilchens aus. Aus der speziellen Relativitätstheorie ergibt sich, dass die Masse mv eines bewegten Körpers (mit der Geschwindigkeit v) größer ist, als dessen Ruhemasse (m0). Es gilt:
14
4. MATERIE UND ANTIMATERIE
mo
mv =
1−
v2
c2
Durch quadrieren und umformen dieser Formel erhält man:
mv
v2
1 − 2 = mo
c
 v2 
m 1 − 2  = m02
 c 
m 2v 2
mv2 − v 2 = m02
c
2 2
mv c − mv2 v 2 = m02 c 2
2
v
mv2 c 4 − mv2 v 2 c 2 = m02 c 4
(m c ) − (m v ) c = (m c )
2 2
2
v
2 2
2
v
0
Ferner gilt für den Impuls p dieses Körpers:
p = mv v
p 2 = (mv v )
2
Für die Ruheenergie W0 und die Gesamtenergie Wges gilt nach dem
Gesetz über die Äquivalenz von Masse und Energie:
W0 = m 0 c 2
(
W02 = m0 c 2
)
2
und
W ges = mv c 2
(
2
= mv c 2
W ges
)
2
Unter Verwendung der oben angegebenen Zusammenhänge ergibt
sich weiter:
2
W ges
− p 2 c 2 = ( mo c 2 ) 2
Daraus lässt sich die Formel für die Gesamtenergie eines bewegten
Teilchens ableiten:
15
4. MATERIE UND ANTIMATERIE
2
W ges
= ( mo c 2 ) 2 + p 2 c 2
W ges = ± ( mo c 2 ) 2 + p 2 c 2
Der Wurzelausdruck kann dabei formal sowohl ein positives als auch
ein negatives Vorzeichen haben. In der klassischen Physik würde man
das negative Vorzeichen weglassen, mit der Begründung, dass ihm
keine physikalische Bedeutung zukomme. Dirac ging von der Voraussetzung aus, dass beide Vorzeichen beachtet werden müssten, wobei
aber zunächst völlig unklar war, was ein Teilchen mit negativer Energie bedeuten solle. Als Fortsetzung dieser Gedanken entstand die
Theorie der Antimaterie.
Genauso wie sich die Elementarteilchen zu Atomen und damit zu Materie zusammensetzen, können auch Antiteilchen Antiatome und Antimaterie bilden. Technisch ist dies aber nur sehr schwer zu realisieren, obwohl man heute sehr gut Positronen und Antiprotonen erzeugen
kann. Das Problem ist aber, das sich Antiatome und „normale“ Atome
bei ihrer Begegnung sofort vollständig unter Abstrahlung von Energie
(nach dem Einstein-Gesetz über die Äquivalenz von Masse und Energie) vernichten (annihilieren).
Für uns scheint es so, als gäbe es in der realen Welt keine Antimaterie.
Diese Unsymmetrie zwischen diesen beiden Teilchenklassen ist ein
Rätsel, das noch nicht sicher gelöst ist. Nach unseren Konventionen ist
auch eine Welt aus Antimaterie denkbar. Vermutungen gehen dahin,
dass nach dem Urknall, bei dem Materie und Antimaterie vermutlich
in gleicher Menge vorhanden waren, nur etwa der Bruchteil 10-8 der
Annihilation entgangen sind. Eine mögliche Begründung dafür ist ein
kürzlich nachgewiesenes Phänomen, die CP-Verletzung. Wie oben
ausgeführt, spiegelt jedes Teilchen sein Antiteilchen exakt im Raum
(P) und in der elektrischer Ladung (C); dies ist die so genannte CPSymmetrie. Es wird jedoch angenommen, dass einige Teilchen (in der
Größenordnung von ein bis zwei Promille) diese CP-Symmetrie verletzen und sich deshalb nicht mit Antiteilchen annihiliert haben.
16
5. QUANTENZAHLEN UND ERHALTUNGSSÄTZE
5. Quantenzahlen und
Erhaltungssätze
Jedes Elementarteilchen wird durch eine Anzahl von Eigenschaften
und Quantenzahlen charakterisiert.
Einer der wichtigsten Unterschiede zwischen physikalischen Betrachtungen im makroskopischen Bereich der klassischen Physik und denen
im mikroskopischen Bereich der Teilchenphysik ist, dass bestimmte
Eigenschaften, die Teilchen besitzen, nur noch quantisiert, das heißt
„in Portionen“ angenommen werden können. Zum Beispiel kann ein
(eigenständig existierendes) Teilchen nur eine elektrische Ladung besitzen, die ein ganzzahliges Vielfaches der kleinsten Einheit, der Elementarladung e, ist. Es genügt folglich, für die Ladung die Zahl anzugeben, mit der die kleinste „Portion“ multipliziert wird. Solche Zahlen
nennt man Quantenzahlen. Neben den Quantenzahlen, die mit bekannten Größen verbunden sind, wie eben z.B. die elektrische Ladung
oder auch der Spin, gibt man zur Unterscheidung von Teilchen und ihrer Zustände noch eine Reihe weiterer Quantenzahlen an. Darüber
hinaus gilt, dass die Quantenzahl eines zusammengesetzten Teilchens
die Summe der Quantenzahlen seiner Bausteine ist.
Jedes Elementarteilchen, außer gewisse Feldquanten, hat eine bestimmte Masse. Im Allgemeinen spricht man von der Ruhemasse m0
eines Teilchens, da die Masse eines bewegten Teilchens nach der Speziellen Relativitätstheorie größer als die Ruhemasse ist. Genauso kann
man, nach dem Gesetz über die Äquivalenz von Masse und Energie,
die Ruhemasse jedes Teilchens auch in Form seiner Ruheenergie W0
angeben. Es gilt:
W0 = m0 c 2
Die Energie wird im Allgemeinen nicht in Joule (J), sondern in Elektronenvolt (eV) angegeben, das ist jene Energie, um die die ein Energie eines Elektrons zunimmt, wenn es eine Potentialdifferenz von einem Volt durchläuft.
Eine wichtige Quantenzahl ist die elektrische Ladung Q. Elementarteilchen können positiv, negativ oder nicht (neutral) geladen sein. Ihre
17
5. QUANTENZAHLEN UND ERHALTUNGSSÄTZE
Ladung ist immer ein ganzzahliges Vielfaches der Elementarladung e.
Nur die Fundamentalteilchen Quarks haben Ladungen von einem bzw.
zwei Drittel der Elementarladung. Die aus ihnen zusammengesetzten
Teilchen haben jedoch wieder eine ganzzahlige Ladung. Ein Proton
hat z.B. die Ladung Q = 1, ein Elektron Q = –1.
Eine weitere wichtige Eigenschaft ist der so genannte Spin s. Hierbei
handelt es sich um eine unanschauliche Größe, die nur durch ein Modell näher gebracht werden kann. In diesem Modell stellt man sich die
Elementarteilchen als kleine Kugeln vor, die sich um eine durch den
Kugelmittelpunkt gehende feste Achse drehen. Dabei haben sie einen
konstanten Drehimpuls, den man Spin nennt. Dies ist jedoch nur ein
Modell, um die Vorstellung zu erleichtern; es spiegelt insofern die
Wirklichkeit nicht wieder, da Elementarteilchen eben keine sich drehenden Kügelchen sind. Als Einheit für den Spin dient die Größe
!=
h
2π
wobei h für das Planck'sche Wirkungsquantum (h = 6,6·10-34 Js) steht.
Der Spin der Elementarteilchen ist ein ganzzahliges oder halbzahliges
Vielfaches dieser Grundeinheit. Es gilt also:
s=0
oder
s=
1
⋅!
2
oder
s = 1⋅ !
etc.
Der Spin legt jedoch nicht fest, in welche Richtung sich ein Teilchen
dreht (um bei dem oben angeführten Modell zu bleiben), dazu wird
zusätzlich die z-Komponente des Spins Sz festgelegt. Ein Elektron
kann z.B. je nach dem Drehsinn den Spin s = +1/2 oder s = –1/2 haben. Man spricht auch von Spin Up (↑) und Spin Down (↓). Die Drehsinnberücksichtigung hat zur Folge, dass sich bei zusammengesetzten
Teilchen die einzelnen Spins nicht nur zu einem größeren Spin addieren, sondern auch gegenseitig aufheben können.
Elementarteilchen besitzen neben dem Spin (Eigendrehimpuls) auch
einen Drehimpuls bezüglich der Rotation um einen Punkt außerhalb
einer Achse durch ihren Schwerpunkt (Bewegung auf einer „Bahn“
mit der Bahngeschwindigkeit v). Diesen Drehimpuls nennt man
Bahndrehimpuls. Auch der Bahndrehimpuls ist quantisiert. Er kann
für Teilchen des mikroskopischen Bereichs nur ein ganzzahliges Viel-
18
5. QUANTENZAHLEN UND ERHALTUNGSSÄTZE
faches von ! betragen. Wie andere quantisierte Größen wird der
Bahndrehimpuls auch durch eine Quantenzahl, die Bahndrehimpulsquantenzahl l (für ein einzelnes Teilchen) oder L (für mehrere Teilchen) angegeben. Teilchen können l = 0, 1, 2, 3, ... besitzen. Historisch bedingt benutzen die Physiker dafür aber noch eine andere
Schreibweise. Sie bezeichnen den Zustand eines Teilchens mit l = 0
mit S, l = 1 mit P, l = 2 mit D etc. Die Bahndrehimpulsquantenzahl
gibt z.B. an, auf welchem Orbital sich ein Elektron in einem Atom befindet.
Neben dem Spin s (Eigendrehimpuls) eines Teilchens bzw. dem zusammengesetzten Spin S eines Teilchensystems (z.B. Baryon), besitzt
ein Teilchen also noch einen Bahndrehimpuls l. Spin und Bahndrehimpuls werden nach bestimmten Regeln zu einem Gesamtdrehimpuls
bzw. Gesamtspin J addiert. Wenn klar ist, dass die Regeln beachtet
werden müssen, schreibt man oft einfach J = L + S oder für einzelne
Teilchen j = l + s, wobei es sich streng genommen um eine Vektoraddition handelt.
Eine weitere anschaulich nicht erfassbare Größe ist das magnetische
Moment eines Elementarteilchens. Es ist gesichert, dass Elementarteilchen ein magnetisches Moment haben; wie dieses zu Stande
kommt, ist noch unklar.
Die Leptonenzahl L kann nicht nachgewiesen oder gemessen werden,
sie ist eine mathematische Rechengröße, die eingeführt wurde, weil es
einen Erhaltungssatz gibt, der besagt, dass bei allen Wechselwirkungsprozessen zwischen Elementarteilchen unter Berücksichtigung
der Vorzeichen die Summe aller Leptonenzahlen erhalten bleibt. Daher wird jedem Elementarteilchen eine Leptonenzahl zugewiesen. Ein
Lepton (siehe Abschnitt 6. Fundamentalteilchen) erhält L = +1, ein
Antilepton L = –1 und alle anderen Elementarteilchen L = 0. Bei den
Leptonen unterscheidet man noch einmal zwischen den verschiedenen
Generationen (vgl. Abschnitt 6. Fundamentalteilchen). So ordnet man
den entsprechenden Generationen eine Leptonenzahl Le, Lμ und Lτ zu,
die einzeln erhalten bleiben. Aus diesem Gesetz geht zum Beispiel
hervor, dass Teilchen nur zerfallen können, wenn es kleinere Bruchstücke gibt, die die Leptonenzahlen übernehmen können.
Analog zur Leptonenzahl verhält sich die Baryonenzahl B eines Teilchens, die ebenso eine Rechengröße ist. Ein Baryon (siehe Abschnitt
19
5. QUANTENZAHLEN UND ERHALTUNGSSÄTZE
6. Fundamentalteilchen) erhält die Baryonenzahl B = 1, ein Antibaryon B = –1. Da ein Baryon aus drei Quarks besteht, erhält ein Quark
B = 1/3 und ein Antiquark B = –1/3. Alle anderen Elementarteilchen
haben B = 0. Es gilt der Erhaltungssatz, der besagt, dass bei allen
Wechselwirkungsprozessen zwischen Elementarteilchen unter Berücksichtigung der Vorzeichen die Summe aller Baryonenzahlen erhalten bleibt. Dieser Satz erklärt z.B. die Stabilität der Protonen, denn
alle Teilchen, deren Masse kleiner als die Protonenmasse ist, haben
die Baryonenzahl Null, sodass die Protonen beim Zerfallen in leichtere Teilchen ihre Baryonenladung nicht an die Zerfallsprodukte übergeben könnten.
Da die starke Kraft, die die Nukleonen zusammenhält, unabhängig von
ihrer elektrischen Ladung ist, wurde schon vor der Entdeckung der
Quarks vermutet, dass Proton und Neutron sehr eng verwandte Teilchen sein müssen. Sie wurden daher als zwei verschieden Zustände –
der eine elektrisch geladen, der andere neutral – ein und desselben
Teilchens, des Nukleons, betrachtet. Neben diesem Beispiel findet
man noch eine Reihe weiterer Teilchen, für die die starke Kraft ähnlich ist und daher nur als „verschiedene Zustände eines Teilchens“ betrachtet werden, so z.B. das π+, π0 und π- Meson. Zu ihrer Unterscheidung führt man einen abstrakten „Spin“, den Isospin I ein, der außer
dem Namen aber nichts mit dem „richtigen“ Spin zu tun hat und für
den es auch kein anschauliches (wenn auch nicht ganz den Tatsachen
entsprechendes) Modell wie den Eigendrehimpuls gibt. Man ordnet
einem Teilchen, das in verschiedenen Zuständen vorkommt, einen
Isospin I zu, der angibt, wie viele verschiedene Zustände des einen
Teilchens vorkommen. Die eigentliche Unterscheidung erfolgt wie
beim Spin durch die z-Komponente. Der Isospin I gibt den Maximalwert vor und die Komponente in z-Richtung liefert die eigentliche Unterscheidung der Teilchen durch unterschiedliche Vorzeichen bzw.
Werte. Die Gruppe aus den Teilchen, die nur verschiedene Zustände
eines Teilchens darstellen, nennt man allgemein Multiplett. Zwei Teilchen wie zum Beispiel Proton und Neutron bilden ein Dublett (n = 2),
drei Teilchen wie etwa beim π+, π0 und π- Meson ein Triplett (n = 3)
etc. Der Maximalwert des Isospins berechnet sich nach der Formel I =
n/2 – 1/2. Der Isospin betrifft nur die starke Wechselwirkung und somit auch nur die Quarks bzw. Hadronen. Wenn es denn nötig ist, so
könnte man Leptonen den Isospin Null zuordnen.
20
5. QUANTENZAHLEN UND ERHALTUNGSSÄTZE
Die z-Komponente des Isospins I3 unterscheidet die Teilchen eines
Isospin-Multipletts (z.B. die des Nukleonen-Dubletts) durch verschiedene Werte. In Anlehnung an den Spin erfolgt auch hier die gleiche
Unterscheidung: Für I = 1/2 gibt es die z-Komponenten I3 = +1/2 und
I3 = –1/2. Für I = 1 gibt es die z-Komponenten I3 = –1, I3 = 0, und I3
= +1. Für I = 3/2 gibt es I3 = –3/2, –1/2, 1/2 und 3/2 etc.
Die Quantenzahl Hyperladung Y verbindet die elektrische Ladung
und den Isospin. Sie berechnet sich einfach aus Q und I3:
Y = 2 ⋅ (Q − I 3 )
Das Proton hat z.B. die Hyperladung Y = 2·(1 – 1/2) = 1 und das Neutron Y = 2·[0 – (–1/2)] = 1. Beide besitzen also die gleiche Hyperladung.
Die Charm-Quantenzahl c gibt an, ob ein Elementarteilchen ein
charm-Quark, charm-Antiquark oder keines von beiden ist. Dabei erhält ein charm-Quark die Quantenzahl c = +1, ein charm-Antiquark
den Wert c = –1 und alle anderen Elementarteilchen c = 0. Zusammengesetzte Teilchen haben als Charm-Quantenzahl wieder die
Summe der Charm-Quantenzahlen ihrer Bausteine.
Ursprünglich wurden mit der Strangeness-Quantenzahl S Teilchen
gekennzeichnet, die sich seltsam verhielten, was ihre Erzeugungszeit
und Lebensdauer betraf. Heute weiß man, dass S einfach der Unterscheidung von strange-Quark und strange-Antiquark dient. Ein strange-Quark hat S = –1 und ein strange-Antiquark S = +1. Alle anderen
Elementarteilchen haben S = 0.
Elementarteilchen sind teilweise stabil und instabil. Die instabilen
Teilchen erhalten daher als charakteristische Eigenschaft eine bestimmte Halbwertszeit T½ bzw. eine mittlere Lebensdauer τ.
Neben den hier genannten Eigenschaften gibt es noch Attribute, wie
Parität, Topness, Bottomness etc. oder die bereits erwähnten Ladungen für die starke und schwache Wechselwirkung (Farbladung bzw.
schwache Ladung g). Mehr dazu in Abschnitt 6. Fundamentalteilchen.
21
5. QUANTENZAHLEN UND ERHALTUNGSSÄTZE
Die Eigenschaften eines Elementarteilchens bestimmen also nicht nur,
an welchen Wechselwirkungen es teilnehmen kann, sondern die mit
den Eigenschaften verbundenen Erhaltungssätze geben auch an, welche Wechselwirkungen möglich sind und welche nicht. Die wichtigsten Erhaltungsgrößen sind Energie E, Impuls p, Drehimpuls L, elektrische Ladung Q, Farbe, Baryonenzahl B und Leptonenzahl L. Diese
Größen bleiben bei allen Wechselwirkungen erhalten. Andere Größen,
wie Ladungskonjugationszahl C, Parität P, Isospin I, Strangeness S,
Charm-Zahl C, Quark-Zahl, Mesonen-Zahl und Quark-Flavour bleiben bei einigen Wechselwirkungen nicht erhalten.
Des Weiteren gilt im Allgemeinen (für Fermionen) die Aussage, dass
sich zwei Teilchen (innerhalb eines Phasenraums) immer in mindestens einer der oben genannten Eigenschaften unterscheiden müssen
(Pauli-Verbot).
22
6. FUNDAMENTALTEILCHEN
6. Fundamentalteilchen
Bereits Generationen von Physikern haben sich bemüht, die Frage
„Woraus besteht Materie?“ zu klären. Dabei ist die Antwort „aus
Atomen“ zunächst sehr einfach. Aber woraus sind Atome aufgebaut?
Aus einer Elektronenhülle und einem Kern aus Protonen und Neutronen. Aber woraus sind die Protonen und Neutronen? Aus Quarks.
Doch woraus sind Quarks? Nach dem heutigen Stand der Wissenschaft müssen wir das Frage-Antwort-Spiel an dieser Stelle abbrechen. In anderen Worten, Quarks sind so genannte Fundamentalteilchen, die sich nicht weiter zerlegen lassen und keine innere Struktur
besitzen, sie sind also einer der „Grundbausteine“ der Materie.
Nach dem Standardmodell besteht alle Materie nur aus zwölf „Sorten“
elementarer Bausteine: sechs Quarks und sechs Leptonen. Dazu
kommen noch die Austauschteilchen der vier fundamentalen Wechselwirkungen (Photon, Graviton, Weakonen, Gluonen) sowie natürlich die Antiteilchen zu all den hier genannten Bausteinen (Antifeldquanten, Antiquarks, Antileptonen), die hier aber nicht eigenständig
aufgelistet werden.
Man teilt die sechs Quarks und sechs Leptonen in drei Generationen
ein. Zu jeder Generation gehören zwei Leptonen (je ein Neutrino mit
seinem dazugehörigen schweren Partner) und zwei Quarks. Die Einordnung der Elementarteilchen in Generationen erfolgt grob nach ihrer
Masse (I. leicht, II. mittelschwer, III. schwer). Die Einordnung in zwei
Gruppen – Quarks und Leptonen – beruht darauf, dass Quarks stark
wechselwirken, Leptonen nicht. Eine Folge davon ist, dass Quarks im
Gegensatz zu Leptonen nie alleine, sondern nur zusammengesetzt mit
anderen Quarks, also gebunden, beobachtet werden. Teilchen, die aus
Quarks zusammengesetzt sind und damit auch an der starken Wechselwirkung teilnehmen, nennt man Hadronen. Man spricht daher auch
von der hadronischen an Stelle der starken Wechselwirkung. Die folgende Tabelle zeigt eine Übersicht über Quarks und Leptonen.
Generationen
I (leicht)
II (mittelschwer)
III (schwer)
up-Quark (u)
charm-Quark (c)
top-Quark (t)
Quarks:
down-Quark (d)
strange-Quark (s) bottom-Quark (b)
Elektron-Neutrino (νe)Müon-Neutrino (νµ)Tauon-Neutrino (ντ)
Leptonen:
Elektron (e )
Tauon (τ )
Müon (µ )
23
6. FUNDAMENTALTEILCHEN
Man kann die Fundamentalteilchen aber nicht nur danach unterscheiden, ob sie stark wechselwirken (Quarks bzw. Hadronen) oder nicht
(Leptonen), sondern man kann sie auch nach ihrem Spin einteilen.
Teilchen mit halbzahligem Spin nennt man Fermionen, Teilchen mit
ganzzahligem Spin Bosonen.
Man kann nun die Fundamentalteilchen und zusammengesetzte Teilchen danach unterscheiden, ob sie Fermionen oder Bosonen sind.
Grundsätzlich gilt: Quarks und Leptonen sind Fermionen, da sie alle
den Spin 1/2 besitzen. Austauschteilchen sind Bosonen, da sie ganzzahlige Spins besitzen.
Fermionen
Leptonen:
Quarks:
u, d, s, c, b, t e, νe, µ, νµ, τ, ντ
Bosonen
Austauschteilchen:
+
0
Photon, W , W , Z , Gluonen, Graviton
Interessant wird es vor allem bei den aus Quarks aufgebauten Teilchen, denn bei ihnen werden die Spins ihrer „Bausteine“ zu einem Gesamtspin zusammengefasst. So zählen etwa Mesonen zu den Bosonen,
da diese aus je zwei Quarks bestehen, deren Spins sich zu einen ganzzahligen Gesamtspin addieren.
Eine besondere Eigenschaft der Fermionen ist, dass für sie das so genannte Pauli-Verbot gilt. Es besagt, dass nie zwei oder mehrere von
ihnen „am gleichen Ort“ (z.B. Elektronen in der Hülle eines Atoms) in
allen Quantenzahlen (Spin, Ladung, etc.) übereinstimmen dürfen. Für
Bosonen gilt das Pauli-Verbot nicht.
Leptonen
Es gibt insgesamt sechs verschiedene Leptonen: das Elektron e-, das
Müon μ-, das Tauon τ- sowie die dazugehörigen Neutrinos ElektronNeutrino νe, Müon-Neutrino νμ und Tauon-Neutrino ντ. Von diesen
sind nur das Elektron sowie die drei Neutrinos stabil, die anderen zerfallen nach einer gewissen Zeit unter der Mitwirkung der schwachen
Wechselwirkung. Zu jedem Lepton gibt es natürlich auch ein Antiteilchen.
24
6. FUNDAMENTALTEILCHEN
Im Gegensatz zu den Quarks nehmen Leptonen nicht an der starken
Wechselwirkung teil, daher kann man sie einzeln und ungebunden finden und nachweisen. Diese „Forscher-freundliche“ Eigenschaft hat
dazu geführt, dass das bekannteste Lepton, das Elektron, bereits 1897
von Thomson entdeckt wurde.
Ein anderes Lepton, das Elektron-Neutrino, wurde wie viele andere
Teilchen auch als „Lückenfüller“ gebraucht und eingeführt, aber erst
Jahre später tatsächlich gefunden. Man stieß 1930 bei der Untersuchung des β--Zerfalls, bei dem ein Elektron emittiert wird, auf ein
Problem: Auf Grund der Energieerhaltung müsste das emittierte Elektron eine feste Energie besitzen. Man stellte für das Elektron aber eine
kontinuierliche Energieverteilung fest. Zur Rettung der Energieerhaltung führte Pauli ein elektrisch ungeladenes Teilchen ein, das die Rolle des Trägers der fehlenden Energie hatte und somit die offensichtliche „Energielücke“ schloss. Heute wissen wir, dass es sich beim β-Zerfall um das Elektron-Antineutrino handelt, da sowohl die Baryonen- als auch die Leptonenzahl erhalten bleiben muss: Das Neutron
hat B = 1, das Proton ebenfalls, Elektron und Neutrino haben B = 0,
somit ist die Baryonenzahl auf beiden Seiten 1. Das Neutron hat L =
0, das enstehende Elektron aber L = 1. Damit auf beiden Seiten der
Zerfallsgleichung die Leptonenzahl Null ist, muss das Neutrino ein
Antineutrino mit L = –1 sein, denn nur dann ist L = 1 – 1 = 0.
In den späten 50er und frühen 60er Jahren führte die scheinbare Verletzung der Erhaltung der Leptonenzahl bei einer Teilchenreaktion zur
25
6. FUNDAMENTALTEILCHEN
Aufteilung der Neutrinos in zwei Arten, das Elektron-Neutrino und
das Müon-Neutrino. Das schwerste Lepton, das Tauon und sein
Tauon-Neutrino, wurden erst Ende der 70er Jahre entdeckt.
Man kann die Leptonen entweder, wie bereits gezeigt, in drei Generationen einordnen oder danach unterscheiden ob sie geladene Leptonen
(Elektron, Müon und Tauon) oder ungeladene Leptonen (die drei Neutrinos) sind. Sowohl Elektron als auch Müon und Tauon tragen eine
negative Elementarladung (e-, μ-, τ-). Die drei Neutrinos sind ungeladen.
Die Massenunterschiede zwischen den einzelnen Leptonen sind
enorm. Das Tauon ist etwa 3500 mal schwerer als das Elektron. Ob
Neutrinos überhaupt eine Masse besitzen ist eine der wichtigsten Fragen, die Teilchenphysiker zu klären versuchen. Mit Sicherheit kann
man im Augenblick nur sagen, dass, wenn sie eine Masse besitzen,
diese sehr klein ist. Die Neutrinos im Standardmodell werden als masselos, also mit Ruhemasse Null angenommen. (Sollten Neutrinos eine
Masse haben, hätte dies große Auswirkungen. Manche Astrophysiker
vermuten, dass die Masse der Neutrinos die so genannte dunkle oder
fehlende Materie des Universums ausmacht, deren Menge darüber
entscheidet, ob die Expansion des Weltalls ewig weitergehen oder es
irgendwann zum Stillstand und wieder zu einem Zusammenziehen
kommen wird.)
Elektronen, Müonen und Tauonen nehmen an der elektromagnetischen und schwachen Wechselwirkung sowie der Gravitation teil.
Sie können nicht stark wechselwirken. Die ungeladenen Neutrinos
können dagegen nur schwach wechselwirken. Das hat leider zur Folge, dass Neutrinos nur höchst selten mit „irgendetwas“ wechselwirken, sodass z.B. von der Sonne emittierte Neutrinos problemlos millionenfach die Erde durchqueren können, ohne irgendwo „anzuekken“.
In folgender Tabelle sind die wichtigsten Leptonen-Eigenschaften zusammengefasst:
26
6. FUNDAMENTALTEILCHEN
Name
ElektronNeutrino
Generation Symbol
I
Elektron
MüonNeutrino
II
Müon
TauonNeutrino
Tauon
III
Ruhemasse elektrische
Lebensdauer
(MeV/c2) Ladung (e)
νe
< 15 10 0
∞
e−
0,511
-1
∞
νµ
< 0,17
0
∞
µ−
105,7
-1
2,197 10 s
ντ
< 24
0
∞
τ−
1777
-1
3,05 10 s
.
-6
.
.
-6
-13
Es gibt auch gebundene Zustände aus Leptonen, die jedoch nur von
sehr kurzer Lebensdauer sind, wie zum Beispiel das Positronium aus
einem Elektron (e-) und seinem Antiteilchen dem Positron (e+) oder
das Müonium aus z.B. einem Antimüon (μ+) und einem Elektron (e-).
Quarks
Alle anderen Teilchen neben den Leptonen bestehen aus so genannten
Quarks. Der Name Quark ist einem Zitat aus dem Buch Finnegans
Wake von James Joyce entnommen. Es gibt sechs verschiedene Arten
von Quarks. Die jeweilige Art wird je als ein Flavour bezeichnet. Die
Quark-Flavours sind up u, down d, strange s, charm c, bottom (oder
beauty) b und top (oder truth) t. Zu jedem Quark gibt es natürlich
auch ein Antiteilchen. Die Namen der Quarks sind rein willkürlich
gewählt und haben nichts mit wirklichen räumlichen Dimensionen
oder Orientierungen zu tun.
Quarks und Antiquarks treten nie alleine, sondern immer zu zweit
oder zu dritt als zwei verschiedene Arten gebundener Quark-Systeme
(genannt Hadronen) auf. Die Mesonen sind die gebundenen Systeme
aus einem Quark und einem Antiquark, Baryonen sind gebundene Systeme aus drei Quarks. Antibaryonen bestehen aus drei Antiquarks.
Quarks sind elektrisch geladen, tragen aber keine ganzen, sondern
„Drittelladungen“, entweder +2/3 e oder –1/3 e. Antiquarks tragen
dementsprechend entweder die Ladung –2/3 e oder +1/3 e. In den gebundenen Systemen der Quarks ergänzen sich deren Ladungen aber
immer auf entweder +1 e oder –1 e. Die Quarks nehmen an allen
Wechselwirkungen teil.
27
6. FUNDAMENTALTEILCHEN
Auch Quarks werden nach der Größe ihrer Masse in drei Generationen
eingeordnet. Da die Quarks aber nicht als freie Teilchen auftreten, ist
der Begriff ihrer Masse problematisch, vor allem auch, da ein gebundenes Quark viel schwerer ist, als es ein freies wäre. Die Massen der
einzelnen Flavours sind sehr unterschiedlich. Die des schwersten
Quarks, des top-Quarks, ist sehr viel größer, als die des leichtesten
Quarks, des up-Quarks.
In folgender Tabelle sind die wichtigsten Quark-Eigenschaften zusammengefasst.
FlavourGeneration Symbol Masse (MeV/c2)
up
u
1,5 bis 5
I
down
d
17 bis 25
strange
s
60 bis 170
II
charm
c
1100 bis 1400
bottom
b
4100 bis 4400
III
top
t
173800 ± 5200
elektrische Ladung (e)
+2/3
–1/3
–1/3
+2/3
–1/3
+2/3
Eine fundamentale Eigenschaft der Quarks ist der so genannte QuarkEinschluss oder Quark-Confinement: Man hat bis heute noch kein
einzelnes, freies Quark beobachtet und wird – sofern die Theorie
stimmt – es auch nie tun. Der Grund für den „Einschluss“ der Quarks
in Mesonen oder Baryonen liegt an einer besonderen Eigenschaft der
starken Wechselwirkung, die die Quarks in Mesonen und Baryonen
zusammenhält.
Solange sich die Quarks nahe (innerhalb von 1 fm, dem Protonendurchmesser) aneinander befinden, können sie sich fast frei bewegen
(asymptotische Freiheit). Wenn man allerdings versucht, die Quarks
zu trennen, stellt man fest, dass die Kraft, die sie zusammenhält, mit
steigendem Abstand sehr groß wird und einem festen Wert zustrebt.
Sie sind also zuerst durch die starke Kraft nur schwach gebunden, erst
beim Versuch sie zu trennen, steigt die Wirkung der starken Kraft anfangs mit steigendem Abstand an und strebt dann einem konstanten
Wert entgegen. Dies begründet auch die praktische Reichweite der
starken Wechselwirkung. Es ist zwar theoretisch richtig, der starken
Wechselwirkung eine unendliche Reichweite zuzuschreiben, praktisch
aber sinnlos, da sie für Abstände deutlich größer als der Protonendurchmesser keine Wirkung mehr zeigt. Aus diesem Grund gilt die
starke Wechselwirkung als kurzreichweitig. Ihre Reichweite wird üblicherweise mit 1 fm angegeben. Folgende Grafik zeigt den ungefäh-
28
6. FUNDAMENTALTEILCHEN
ren Verlauf des Kernpotentials und des Potentials der starken Wechselwirkung bei 1-Gluon-Austausch:
Bei kleinen Abständen (< 1 fm) führt der 1-Gluon-Austausch zwischen den Quarks zu einem Potentialverlauf, wie bei der elektromagnetischen Wechselwirkung (~ –1/r; durchgezogene Linie). Je näher
der Abstand der Größenordnung 1 fm kommt, desto mehr weicht der
Verlauf vom –1/r-Potential ab und geht in einen linearen Verlauf (gestrichelt) über. Dies hat zur Folge, dass man extrem viel Energie aufwenden müsste, um sie auch nur „ein wenig“ voneinander zu trennen.
Um ein völlig freies Quark zu erzeugen, bräuchte man theoretisch sogar unendlich viel Energie. Aber so weit kommt es gar nicht, denn
steckt man sehr viel Energie in z.B. ein Charmonium (Meson aus
charm und Anti-charm), so reicht die Energie irgendwann aus, um
z.B. ein Quark-Antiquark-Paar gleichen Flavours zu erzeugen, sodass
das Quark, das abgetrennt werden sollte, mit dem entstandenen Antiquark ein Meson bildet, also sofort wieder gebunden wird. Das entstandene Quark bildet mit dem Antiquark des ursprünglichen Mesons
auch ein Meson. Wenn man versucht Quarks zu trennen, entstehen
neue gebundene Mesonen oder Baryonen. Diese Eigenschaft bezeichnet man als Quark-Einschluss oder Confinement.
29
6. FUNDAMENTALTEILCHEN
Im Jahre 1964 wurde ein Baryon (Ω-) mit der Quarkzusammensetzung
sss gefunden. Das Problem war, dass die drei strange-Quarks als Fermionen dem Pauli-Prinzip unterliegen. Leider stimmten sie aber in allen Quantenzahlen überein, sodass sie diese Regel zu verletzen schienen. Die Teilchenphysiker führten, um dies zu umgehen, einfach eine
zusätzliche Quantenzahl für Quarks, die so genannte Farbladung ein.
Die Farbladung ist die „Ladung“ der starken Wechselwirkung. Man
unterscheidet drei Farbladungen – meist einfach Farben genannt – rot
r, grün g, blau b und drei Antifarben, antirot (cyan), antigrün (magenta) und antiblau (gelb). Jedes Quark trägt eine Farbe, jedes Antiquark hat eine Antifarbe.
Die Bezeichnung „Farbe“ für diese Eigenschaft ist rein willkürlich
und hat nichts mit einem wirklichen Aussehen zu tun. Der Begriff
„Farbe“ ist dennoch geschickt gewählt, wie man beim Zusammensetzen der Quarks zu Baryonen und Mesonen erkennt. Mischt man in
der Realität eine Farbe mit ihrer Komplementärfarbe (hier Antifarbe
genannt), so erhält man weiß. Genauso ist die Kombination der drei
verschiedenen Farben und der drei verschiedenen Antifarben auch
weiß. In Experimenten hat man die fundamentale Eigenschaft von
Quarkzusammensetzungen gefunden, dass alle möglichen Quarkkombinationen (die Hadronen) weiß sind.
Diese Eigenschaft erklärt auch, warum es nur die QuarkKombinationen Meson und Baryon und nicht etwa eine Kombination
aus zwei Quarks und einem Antiquark gibt. Soll nämlich die QuarkKombination nach außen hin weiß sein, so gibt es nur die Möglichkeiten Farbe und Antifarbe, drei Farben oder drei Antifarben
zusammenzufügen. Weiters haben z.B. Baryonen aus drei
unterschiedlichen Quarks zwar immer die selbe Quarkkonfiguration,
können aber in sechs verschiedenen Farbladungszuständen
vorkommen (nach außen sind sie aber immer farbneutral bzw. weiß).
Des Weiteren haben Messungen gezeigt, dass das Quark-AntiquarkPaar eines Mesons ständig die Farben wechselt. In einem messbaren
Zeitraum ist ein Quark gleich oft rot, grün oder blau. Dabei kann aber
ein Quark nicht einfach seine Farbe wechseln, sondern es muss sie abgeben und die neue Farbe aufnehmen. Die Aufgabe des „FarbladungsTransports“ übernehmen die Austauschteilchen der starken Wechselwirkung, die Gluonen. Die Gluonen tragen selbst Farbladungen. Sie
tragen eine Farbe und eine beliebige Antifarbe. Dadurch, dass sie
30
6. FUNDAMENTALTEILCHEN
selbst Farbe tragen, nehmen sie auch selbst an der starken Wechselwirkung teil. Da Gluonen untereinander stark wechselwirken können,
erwartet man auch bei ihnen den Effekt des „Einschlusses“, der bei
Quarks auftritt. Es ist daher offensichtlich nicht möglich, ungebundene einzelne Gluonen zu finden.
Da Gluonen eine Farbe und eine Antifarbe tragen und da es drei Farben und drei Antifarben gibt, würde man erwarten, dass es neun
Gluonen gibt. Die starke Wechselwirkung wird aber nur durch acht
vermittelt. Der Grund dafür ist, dass die Zustände der Gluonen bezüglich ihrer Farbe teilweise „gemischt“ sind. Die neun möglichen Gluonen bilden ein Oktett und ein Singulett. Das Singulett ist ein Mischzustand aus allen Farben und Antifarben. Anschaulich begründet, könnte
man sagen, dass dieser Gluon-Zustand auf Grund seiner Symmetrie
keinen Farbaustausch zwischen Quarks bewirken kann bzw. nicht
farbspezifisch wirkt.
31
7. HADRONEN
7. Hadronen
Wie bereits erwähnt, können zwar Leptonen, nicht aber Quarks frei
vorkommen (Confinement). Die gebundenen Systeme von Quarks
nennt man Hadronen. Weiters gilt, dass ein Hadron nach außen farbneutral bzw. weiß sein muss, somit nicht Quarks und Antiquarks beliebig kombiniert werden können. Es gibt zwei Arten von Hadronen:
Mesonen, bestehend aus jeweils einem Quark und einem Antiquark
(Farbe mit Antifarbe ergibt weiß), und Baryonen, bestehend aus je
drei Quarks (rot, grün und blau ergeben zusammen weiß). Antibaryonen sind die Antiteilchen der Baryonen und bestehen folglich aus je
drei Antiquarks (antirot, antigrün und antiblau ergeben zusammen
weiß). Jede andere Kombination aus Quarks und Antiquarks ist unmöglich.
Mesonen
Es gibt eine Vielzahl verschiedener Mesonen, die bekanntesten sind
u.a. die Pionen und die Kaonen. Insgesamt gibt es 72 Mesonen (es
gibt 36 Möglichkeiten 6 Quarks und 6 Antiquarks zu kombinieren,
diese Zahl wird verdoppelt, wenn man zwischen Spin 1 und 0 unterscheidet), jedoch nicht alle dieser Mesonen wurden schon experimentell nachgewiesen (es fehlen z.B. Mesonen mit top-Quarks noch völlig). Alle Mesonen sind instabil und zerfallen oder zerstrahlen nach
einer gewissen Zeit. Folgende Tabelle ist ein Auszug aus der Liste der
bekannten Mesonen:
Meson
π
+
π
0
Quarkinhalt
ud uu − dd
2
Q Spin Meson
1
0
ρ
0
0
ρ
+
0
Quarkinhalt
ud uu − dd
2
Q Spin
1
1
0
1
–1
1
0
1
π
-
du –1
0
ρ
+
us 1
0
ω
ds 0
0
φ
ss 0
1
–1
0
+
K* us 1
1
0
0
K* 0
ds 0
1
K
0
K
-
K
η
su uu + dd − 2 ss
6
32
-
du uu + dd
2
7. HADRONEN
η'
uu + dd + ss
3
+
D
cd 0
D
cu -
D
F
su –1
1
+
cd 1
1
0
cu 0
1
-
dc –1
1
+
cs 1
1
-
sc –1
1
0
K* 1
0
D* –1
cs -
0
0
dc +
1
0
0
0
D* D* F* -
F
sc –1
0
F* ηc
cc 0
0
J/Ψ
Ψ
cc (Charmonium) 0
1
+
ub 1
0
ϒ
bb (Bottomium) 0
1
0
db 0
0
-
bu –1
0
B
B
B
...
Manche dieser Mesonen sind so genannte Mischzustände. Man stellt
fest, dass manche Teilchen Zustände besitzen, die sich als Kombinationen aus zwei, drei oder mehr Wellenfunktionen anderer Zustände
beschreiben lassen (bzw. „gemischt“ werden können), z.B. beim EtaTeilchen η’ existieren die Quarkoniumzustände (ein Quarkonium ist
ein Meson aus Quark und Antiquark des gleichen Flavours) der leichten Quarks u, d und s nicht in „Reinform“, sondern es gibt nur Mischzustände, deren Wellenfunktionen Kombinationen der drei reinen Zustände sind.
Ψη ' =
Ψuu + Ψdd + Ψss
3
bzw. kurz
η' =
uu + dd + ss
3
Baryonen
Baryonen bestehen aus je drei Quarks. Aus insgesamt sechs verschiedenen Quarks lassen sich theoretisch 56 verschiedene Baryonen zusammensetzen. Die Unterscheidung zwischen Spin 1/2 und Spin 3/2
führt zur doppelten Anzahl möglicher Baryonen, also 112. Zu jedem
Baryon gibt es ein Antibaryon aus je drei entsprechenden Antiquarks.
Formel für die Gesamtzahl der Baryonen (ungeordnete Stichprobe mit
Zurücklegen):
 n + k − 1  6 + 3 − 1  8  8 ⋅ 7 ⋅ 6

 = 
 =   =
= 56
 k
  3   3 3 ⋅ 2 ⋅1
33
7. HADRONEN
Die Baryonen Proton p und Neutron n nennt man zusammen Nukleonen. Alle Baryonen, die mindestens ein s-Quark enthalten, bezeichnet
man als Hyperonen.
Von allen Baryonen ist nur das Proton stabil, alle anderen zerfallen
nach einer gewissen Zeit. Das (freie) Neutron hat eine mittlere Lebensdauer von etwa 16,5 Minuten. Dies erklärt auch, warum für unser
tägliches Leben von der Vielzahl an Elementarteilchen nur das Elektron, Proton und Neutron von Bedeutung sind. Nur diese Teilchen sind
stabil bzw. haben eine Lebensdauer, die lange genug ist, um für uns
von Relevanz zu sein. Alle anderen Teilchen zerfallen zu schnell, als
dass sich daraus größere Mengen Materie aufbauen könnten.
Die folgende Zusammenstellung bietet eine Übersicht über leichte Baryonen. Die aufgeführten Baryonen sind bei weitem nicht alle, denn es
fehlen zum Beispiel diejenigen mit bottom- und top-Quarks noch völlig. Experimente in denen versucht wird, noch nicht nachgewiesene
Baryonen künstlich zu erzeugen und nachzuweisen, sind Teil der aktuellen Forschung.
Baryon
Quarkinhalt
Q
∆
0
∆
+
∆
++
∆ Σ
0
Σ
+
Σ
Ξ −
Ξ0
Ω− n
p
Λ
Σ
0
Σ
+
Σ
+
Λc −
Ξ
Ξ0
ddd
udd
uud
uuu
dds
uds
uus
dss
uss
sss
udd
uud
uds
dds
uds
uus
udc
dss
uss
–1
0
1
2
–1
0
1
–1
0
–1
0
1
0
–1
0
1
1
–1
0
-
34
Masse
(MeV/c2)
1232
1232
1232
1232
1385
1385
1385
1533
1533
1672
939,565
938,272
1115,6
1197,4
1192,6
1189,4
2284,9
1321,3
1314,9
Spin
3/2
3/2
3/2
3/2
3/2
3/2
3/2
3/2
3/2
3/2
1/2
1/2
1/2
1/2
1/2
1/2
1/2
1/2
1/2
7. HADRONEN
Wenn man von Baryonen als eine Kombination aus drei Quarks
spricht, so ist dies nur zum Teil richtig. Die drei Quarks, beim Proton
zum Beispiel zwei u- und ein d-Quark, bestimmen mit ihrer Masse,
Ladung und anderen Quantenzahlen die statische Struktur, die spektroskopischen Eigenschaften (Energieniveaus angeregter Zustände)
und die Quantenzahlen des Baryons. Da sie damit die wichtigsten Eigenschaften der Baryonen festlegen, nennt man sie die Valenzquarks
(in Anlehnung an die Valenzelektronen, die die wesentlichen Eigenschaften von Atomen bestimmen).
Baryonen enthalten aber zusätzlich virtuelle Quark-Antiquark-Paare,
die aus Gluonen der starken Wechselwirkung zwischen den drei Valenzquarks erzeugt werden und sich, ähnlich wie bei der e+-e-Annihilation, wieder vernichten. Man stellt sich etwa das Proton als
„See“ aus virtuellen Quark-Antiquarks vor, in dem sich die drei Valenzquarks als feste Objekte befinden. Aus dieser Vorstellung heraus
bezeichnet man die virtuellen Quarks und Antiquarks als Seequarks.
Ihre Quantenzahlen geben in der Summe Null, sodass sie auf die „äußeren“ Eigenschaften des zusammengesetzten Baryons keinen Einfluss haben. Ihre Anwesenheit hingegen führt bei tief unelastischer
Elektron-Proton-Streuung zu messbaren Effekten.
Resonanzen
Über „einfache“ Mesonen und Baryonen hinaus, gibt es noch so genannte angeregte Zustände von diesen, ähnlich wie es angeregte Zustände des Elektrons in der Atomhülle (je nachdem auf welchem Orbital es sich befindet) gibt.
35
7. HADRONEN
Wenn man z.B. hochenergetische (d.h. sehr schnell fliegende) Elektronen auf Protonen schießt, gibt es eine Impuls- und Energieübertrag
vom Elektron an das Proton. Der Energieübertrag führt zu einem
„Massenzuwachs“ des Protons. Das führt dazu, dass z.B. die Nukleonen einen angeregten Zustand mit den Massen 1232 MeV/c2 und 1520
MeV/c2 besitzen, die so genannte Delta-Resonanz Δ(1232) und die
D13(1520)-Resonanz.
Angeregte Zustände von Protonen und Neutronen nennt man auf
Grund des „Resonanz-Berges“, durch den sie sich in einer entsprechenden Messauswertung verraten, Nukleonenresonanzen. Analog dazu spricht man, wenn man angeregte Zustände von Baryonen und Mesonen meint, von Baryonen- und Mesonenresonanzen oder ganz allgemein nur von Resonanzen.
Resonanzen sind angeregte Zustände, die im Allgemeinen nur eine extrem kurze Lebensdauer in der Größenordnung von 10-23 s haben. Oft
bewegen sie sich mit einer Geschwindigkeit nahe der Lichtgeschwindigkeit. Während ihrer Lebensdauer kommen sie daher nur einige
Femtometer voran (Größenordnung ihres Durchmessers). Sie hinterlassen deshalb natürlich auch keine Spuren in Blasenkammern oder
ähnlichem, sondern können nur über die Energien und Impulse ihrer
Zerfallsprodukte identifiziert werden. So beobachtet man etwa, dass
die Nukleonen bei der Rückkehr in den Grundzustand Pionen (π+) abstrahlen.
In der Bezeichnung der Protonenresonanz D13+(1520) sind bereits Informationen über Spin, Isospin, Bahndrehimpuls, Ladung und Masse
enthalten. Der Index „13“ ist dabei als „eins-drei“ zu lesen, denn die
erste Ziffer „1“ gibt den Isospin I der Resonanz an (I = 1·1/2 = 1/2 da
n = 2). An der zweiten Ziffer „3“ kann man den Spin s ablesen (s =
3·1/2 = 3/2). Das „D“ bezeichnet den Bahndrehimpuls l (l = 2). Das
„+“ gibt die Ladung an (+e) und „1520“ steht für die Masse der Resonanz (1520 MeV/c²).
Natürlich hat die Resonanz D13(1520) den selben Quarkinhalt wie ihr
Grundzustand, das Proton (uud). Trotz gleichen Quarkinhalts hat die
Resonanz aber eine wesentlich höhere Masse (bzw. Energie). Man
muss man sich von der Vorstellung trennen, dass die Masse der Hadronen und deren Resonanzen einfach die Summe der einzelnen
36
7. HADRONEN
Quarkmassen wäre, die Quarkmasse liefert nur einen kleinen Beitrag
zur Gesamtmasse. Die fehlende Masse bzw. Energie „steckt“ z.B. zum
Teil in der Orientierung der Quarkspins. Beim Proton ist ein Spin entgegengesetzt zu den andern beiden gerichtet (↑↑↓ = 1/2 + 1/2 – 1/2 =
1/2). Bei der D13+(1520)-Resonanz sind die drei Quarkspins gleich
ausgerichtet (↑↑↑ = 1/2 + 1/2 + 1/2 = 3/2). Hadronenzustände mit
gleichgerichteten Quarkspins besitzen eine höhere Masse bzw. Energie als diejenigen mit gleichem Quarkinhalt und entgegengesetzt gerichteten Spins. Ein weiterer Teil der zusätzlichen Energie „steckt“ im
höheren Bahndrehimpuls der D13+(1520)-Resonanz. Das Proton hat
den Bahndrehimpuls l = 0 und die Resonanz D13+(1520) besitzt l = 2.
37
8. AUSBLICK
8. Ausblick
Wenn wir heute ganz selbstverständlich von der elektromagnetischen
Wechselwirkung sprechen, denkt niemand mehr daran, dass Elektrizität und Magnetismus einmal als zwei unterschiedliche Phänomene mit
jeweils eigener Kraftwirkung betrachtet wurden. Die erste Brücke
zwischen den beiden Phänomenen schlug Oerstedt im Jahre 1820
durch seine Entdeckung, dass stromdurchflossene Leiter eine magnetische Wirkung besitzen. Es war Maxwell, der 1861-64 mit seinen berühmten Gleichungen eine gemeinsame Formulierung aufstellte und
so beide Phänomene vereinigte.
Wir kennen heute vier fundamentale Wechselwirkungen, die starke,
die elektromagnetische, die schwache und die Gravitation. Unter der
„Vereinigung von Wechselwirkungen“ versteht man das Aufstellen
einer Theorie, die zwei oder mehr der fundamentalen Wechselwirkungen in einem Erklärungsmodell zusammenfasst. Die Vereinigung von
Wechselwirkungen ist eines der großen Ziele der Teilchenphysiker.
Gelungen ist es bisher nur für die schwache und elektromagnetische
Wechselwirkung, die in der so genannten elektroschwachen Theorie
eine gemeinsame Formulierung fanden. Die Theorie der elektroschwachen Wechselwirkung ist heute als Glashow-Weinberg-SalamModell (GWS-Modell) bekannt.
Bei der Entwicklung einer elektroschwachen Theorie versuchte man,
das masselose Photon und die drei schweren Austauschbosonen der
schwachen Wechselwirkung (Z0, W+ und W-) zu einer Familie zusammenzufassen. Die „Vereinigung“ von elektromagnetischer und
schwacher Wechselwirkung ist im Prinzip die Darstellung des Photons und des Z0 als Mischzustände der neu postulierten Teilchen B0
und W0.
Die Weakonen haben jedoch eine große Masse, wohingegen das Photon masselos ist, daher stellt sich die Frage „Wie erhalten Teilchen eine Masse?“. Diese wird durch den so genannten „HiggsMechanismus“ beantwortet. In diesem Modell beschreibt Peter Higgs
den Vorgang mittels der spontanen Symmetriebrechung.
Die Weakonen und das Photon haben eine „Grenztemperatur“ bzw.
„Grenzenergie“, oberhalb dieser Energie sind sie alle masselos. Unter
38
8. AUSBLICK
der Energie des Phasenübergangs erhalten die Weakonen eine Masse,
das Photon bleibt masselos. Um diesen Vorgang erklären zu können,
führte man in der elektroschwachen Theorie für jedes der vier Teilchen ein eigenes Higgs-Feld mit je einem Higgs-Boson (Higgson) H+,
H- und H0 ein. Beim Phasenübergang von „heiß nach kalt“ absorbieren die Weakonen ihre Higgs-Bosonen und erhalten dadurch ihre
Masse. Das Higgs-Boson des Photons bleibt frei. Dadurch bleibt das
Photon masselos und es sollte ein freies Higgs-Boson (Ruhemasse etwa 1 TeV/c²) zu finden sein. Das Higgs-Boson wurde kürzlich experimentell bestätigt.
Nach dem großen Erfolg der elektroschwachen Theorie, wurden Versuche unternommen, diese auch noch mit der starken Wechselwirkung
in der so genannten Grand Unified Theory (GUT) zu vereinigen.
Vorhersagen dieser Theorie sind unter anderem, dass es magnetische
Einzelpole gibt und das Proton mit einer mittleren Lebensdauer von
etwa 1031 Jahren instabil ist. Beides ist experimentell noch nicht gesichert. Es ist z.B. äußerst schwierig einen Protonenzerfall nachzuweisen, denn dessen Lebensdauer (1031 a) ist um 21 Größenordnungen
größer, als das Alter des Kosmos (1010 a). Sollte das Proton tatsächlich in Leptonen und Pionen zerfallen, müsste es noch eine Wechselwirkung, die Hyperfarbkraft mit dem Ixon X als Feldquant, geben.
Die GUT schließt aber die Gravitation noch nicht ein, daher ist sie
noch keine allumfassende Theorie. Viele Theoretiker sind bemüht dies
durch die so genannte String- und Superstring-Theorie zu erreichen.
In der String-Theorie treten an die Stelle punktartiger Teilchen so genannte Strings (Saiten), deren Schwingungszustände Teilchen repräsentieren. In der Superstring-Theorie sind die einzelnen Strings geschlossen und bilden Schleifen. In dieser Theorie gibt es insgesamt
zehn Dimensionen (neun räumliche, davon sechs „versteckt“ und eine
zeitliche). Die Superstring-Theorie ist die erste echte „Theory for everything“.
39
ANHANG
A. Übersicht über
Teilchen und Begriffe
Übersicht über die Fundamentalteilchen
Klasse
Name
Photon
Graviton
Weakonen
Gluon
Elektron
Müon
Tauon
Elektron-Neutrino
Müon-Neutrino
Tauon-Neutrino
up
down
strange
charm
top (truth)
bottom (beauty)
Feldquanten
Leptonen
Quarks
Symbol
γ
Γ
+
0
W ,W,Z
G
e
μ
τνe
νμ
ντ
u
d
s
c
t
b
Übersicht über die Hadronen
Klasse
Teilchen
Pionen
Kaonen
Eta-Teilchen
Mesonen
Symbol
π+, π-, π0
+
0
K , K , K , ...
η, η’
...
Nukleonen
Baryonen
Hyperonen
40
Proton
Neutron
Lambda-Teilchen
Sigma-Teilchen
Xi-Teilchen
Omega-Teilchen
...
Delta-Teilchen
...
p
n
Λ0
Σ+, Σ-, Σ0
Ξ-, Ξ0
ΩΔ+, Δ-, Δ0
ANHANG
Übersicht über die Bosonen und Fermionen
Klasse
Teilchen
Feldquanten
Bosonen
Mesonen
Leptonen
Fermionen
Quarks
Baryonen
Übersicht über die wichtigsten Begriffe
BARYON
Aus drei Quarks zusammengesetztes Teilchen (Hadron).
BOSON
Teilchen mit ganzzahligem Spin.
ELEKTRON
Ein Lepton.
FERMION
Teilchen mit halbzahligem Spin.
41
γ
Γ
+
0
W ,W,Z
G
+
K
π0
…
e
μτνe
νμ
ντ
u
d
s
c
t
b
n
p
Σ+
Δ0
...
ANHANG
GLUON
Austauschteilchen der starken Wechselwirkung.
GLUONIUM
Gebundener Zustand aus Gluonen.
GRAVITON
Austauschteilchen der Schwerkraft.
HADRON
Aus Quarks zusammengesetztes Teilchen.
HIGGSON
Teilchen, das für die Masse der Elementarteilchen verantwortlich ist.
HYPERON
Baryon bestehend aus mindestens einem strange-Quark.
ION
Elektrisch geladenes Teilchen.
IXON
Austauschteilchen der Hyperfarbkraft.
LEPTON
Fundamentalteilchen der Materie (e-, μ-, τ-, νe, νμ, ντ).
MESON
Aus einem Quark und einem Antiquark zusammengesetztes Teilchen.
NEUTRON
Ein Hadron bzw. Baryon mit der Quarkkonfiguration udd. Ein Kernteilchen (Nukleon).
NUKLEON
Kernteilchen Neutron oder Proton (beides Hadronen bzw. Baryonen).
PHOTON
Austauschteilchen der elektromagnetischen Wechselwirkung.
42
ANHANG
POSITRON
Antiteilchen des Elektrons (e+).
PROTON
Ein Hadron bzw. Baryon mit der Quarkkonfiguration uud. Ein Kernteilchen (Nukleon).
QUARK
Fundamentalteilchen der Materie (u, d, s, c, t, b).
QUARKONIUM
Meson aus einem Quark-Antiquark-Paar gleichen Flavours (z.B.
Charmonium, Bottonium etc.).
TACHYON
Ein hypothetisches Teilchen in bestimmten Theorien (nicht dem Standardmodell), das sich schneller als das Licht bewegt.
VIRTUELLES TEILCHEN
Ein Teilchen, das nur einen extrem kurzen Augenblick lang während
eines Wechselwirkungsprozesses existiert. Die Heisenberg’sche Unschärferelation erlaubt die Verletzung des Energieerhaltungssatzes um
ΔE für sehr kurze Zeit Δt, wobei der Zusammenhang ΔE·Δt ≥ ! erfüllt
sein muss. Die Ausgangs- und Endprodukte eines Zerfalls müssen die
Energieerhaltung zwar erfüllen, aber während des Prozesses selbst
können virtuelle (nicht mess- oder beobachtbare) Teilchen vorkommen.
WEAKON
Austauschteilchen der schwachen Wechselwirkung (W+, W- und Z0).
WEON
W+- oder W--Weakon.
ZETON
Z0-Weakon.
43
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