Einführung in das Standardmodell 28.11.2006 Markus Lichtnecker Übersicht • • • • • Entwicklung des Standardmodells Materieteilchen Austauschteilchen Vereinheitlichung der Theorien Grenzen des Standardmodells Entwicklung des Standardmodells • Atome bis zum Ende des 19. Jh. für elementar gehalten • Entdeckung des Elektrons • Streuexperimente (Rutherford) im Jahre 1911 • Atome besitzen kleine, positiv geladene Kerne • Kern-Hülle-Modell (N. Bohr) Entwicklung des Standardmodells • Chadwick entdeckt 1932 das Neutron • Problem bei Beta-minus-Zerfall: – Energie- und Drehimpulserhaltungssätze verletzt – Lösung durch W. Pauli: Postulat eines weiteren neutralen Teilchens [erhielt 1933 von E. Fermi den Namen Neutrino („kleines neutrales Teilchen“)] Teilchenzoo • Entdeckung zahlloser neuer Teilchen bis 60er Jahren des 19. Jh. • undurchsichtiger „Teilchenzoo“ mit komplexer Zusammensetzung • Aufgabe: Entwicklung eines Systems (analog zum Periodensystem in Chemie), das Ordnung in die Vielfalt der Elementarteilchen bringt Achtfacher Weg • Murray Gell-Mann (1961): Unterscheidung der Teilchen aufgrund bestimmter Quantenzahlen (elektr. Ladung Q, Leptonenzahl L, Strangeness S) und Einordnung in regelmäßige geometrische Figuren • Name „Achtfacher Weg“ gewählt in Anlehnung an den eightfold path von Buddha • allgemein nennt man diese Anordnungen Multipletts [z.B. Oktett (8) und Dekuplett (10)] Achtfacher Weg • Beispiel: Baryon (Σ+) mit den Eigenschaften S = -1 und Q = +1 wird an Koordinate S = -1 und Q = +1 eingetragen • Vorhersage von Teilchen aufgrund der Anordnung [z.B. 1964: Ω- (Omega-minus mit S = -3)] Standardmodell • entwickelt aus 8fachem Weg und Quarkmodell • Teilchenphysik wird durch Standardmodell der Elementarteilchen und fundamentalen Wechselwirkungen sehr genau beschrieben • Elementarteilchen: Punktförmige Bausteine der Materie ohne Unterstruktur (Radius < 10-18m - 10-19m) • Standardmodell besteht hochpräzise Tests bis Niveau < 0,1% The standard-model is working too well. [Richard P. Feynman] Standardmodell • Standardmodell erklärt den Aufbau aller Materie aus nur wenigen elementaren Teilchen • Grundbausteine der Materie: – Fermionen (Materieteilchen) – Bosonen (Austauschteilchen) Bausteine der Materie Materieteilchen: Fermionen • Eigenschaften: - besitzen halbzahligen Spin - unterliegen Pauli-Prinzip (dürfen nicht in allen Quantenzahlen übereinstimmen) - es gilt Fermi-Dirac-Statistik • Teilchen: - Quarks - Leptonen - (jeweilige Antiteilchen) Fermionen Zu jedem Teilchen gibt es ein Antiteilchen mit entgegengesetzter Ladung. Quarks • nehmen an starker Wechselwirkung teil • jedes Quark tritt in 3 verschiedenen Farben auf [Quantenzahl Farbe notwendig, z.B. für Ω--Teilchen (besteht aus drei s-Quarks; Pauli-Prinzip!)] • treten nicht als freie Teichen auf, sondern als Hadronen: - Mesonen (Quark-Antiquark-Paare) - Baryonen (3 Quarks) Quarks • da u und d Bausteine des Protons (uud) und des Neutrons (udd): erste Generation schließt alle Elementarbestandteile gewöhnlicher Materie ein • Generationen 2 und 3 treten bei Experimenten mit hohen Energien oder in kosmischer Strahlung auf • dennoch wichtig, da bei Wechselwirkungen zwischen Elementen der ersten Generation virtuelle Teilchen der anderen Generationen beteiligt sind • Summe der el. Ladung aller Quarks in jeder Gesamtladung Generation +1 in jeder • Summe der el. Ladung der Leptonen in jeder Generation 0 Generation –1 Leptonen • nehmen nicht an starker Wechselwirkung teil • bisher bekannt: Elektron, Myon, Tau, die jeweils dazugehörigen Neutrinos und die sechs Antiteilchen • Neutrinos nehmen ausschließlich an schwacher Wechselwirkung teil • geladene Leptonen können sowohl schwach, als auch elektromagnetisch wechselwirken • Leptonenzahl bei allen Wechselwirkungen erhalten • Antiteilchen: Teilchen mit entgegengesetzter Ladung, Leptonenzahl und Helizität Ladungskonjugation C • Operation der Ladungskonjugation C angewandt auf Wellenfunktion ψ ändert alle deren Ladungen, lässt aber Größen wie Impuls und Spin unberührt • Ladungskonjugation bedeutet Umwandlung in entsprechendes Antiteilchen • wird von schwacher Wechselwirkung nicht erhalten Helizität • Projektion des Spins auf die Impulsrichtung [Impuls parallel zum Spin: +1(rechtshändig), antiparallel: -1(linkshändig)] • Helizitätsoperator für massive Teilchen nicht relativistisch invariant • Erhaltungsgröße für masselose Neutrinos (nur linkshändige Neutrinos) • es besteht aufgrund schwacher WW eine fundamentale Asymmetrie zwischen Rechts und Links in der Natur Austauschteilchen: Bosonen • Eigenschaften: – übertragen fundamentale Kräfte oder Wechselwirkungen zwischen den Materieteilchen – ganzzahliger Spin – unterliegen nicht Pauli-Prinzip – es gilt Bose-Einstein-Statisik – bei Wechselwirkung treten Austauschteilchen nicht direkt in Erscheinung (virtuell) • Teilchen: – – – – Gluon Photon W+-, W-- und Z0-Boson (Graviton) Bosonen Photon (oder γ−Quant) • Austauschteilchen der elektromagnetischen Wechselwirkung • elektrisch ungeladen • Bewegung mit Lichtgeschwindigkeit • Ruhemasse 0, daher hat elektromagnetische Wechselwirkung (nach Heisenberg) unendliche Reichweite • keine direkte Wechselwirkung der Photonen miteinander, da selbst ungeladen Elektromagnetische WW • Kopplungskonstante • 1/r-Potential => unendliche Reichweite • Kraft wird mit steigendem Abstand sehr schnell sehr klein • Kraft je nach Ladung anziehend oder abstoßend • genaue Beschreibung durch QED • älteste Quantenfeldtheorie • Eigenschaften der QED: – Eichinvarianz (Phase des Fermionenfeldes frei wählbar) – Renormalisierbarkeit (Aufhebung divergenter Terme aufgrund von Selbst-Energie-Anteilen) Eichtheorie • Eichtransformation in E-Dynamik: – Potential Φ Φ + δχ(r,t)/δt – Vektorfeld A A - χ(r,t) • kein Einfluss auf Lösung der MaxwellGleichungen • Eichprinzip: wenn man Phase der Wellenfunktion eines Teilchens lokal (ortsabhängig) beliebig abändert, muss notgedrungen die Existenz eines äußeren Feldes gefordert werden, damit Teilchen weiterhin SchrödingerGleichung erfüllt • Forderung lokaler Phaseninvarianz => elmag. Feld Eichprinzip Gluon • Name von engl. glue (kleben) • Austauschteilchen der starken Wechselwirkung • elektrisch ungeladen • (wahrscheinlich) keine Ruhemasse • starke Wechselwirkung koppelt an Farbladung (kurz Farbe) • Gluon besitzt Farbe und Antifarbe • untereinander starke Wechselwirkung • können sich zu gebundenen Systemen zusammenhängen, die man als „Gluonium“ oder „Glueballs“ bezeichnet Gluon • 1979: Beweis für die Existenz des Gluons am PETRA-Speicherring bei DESY in Hamburg • Abbildung: e--e+-Paarvernichtung, bei der Quark-Antiquark-Paar und ein Gluon entstehen, welche sofort in eine Reihe von Hadronen zerfallen, die die dargestellten Jets bilden Starke Wechselwirkung • Kopplungsstärke von Größenordnung 1 • Reichweite der starken Wechselwirkung entspricht in etwa Protonendurchmesser (ca. 10-15 m = 1 fm) (nicht unendlich, da Gluonen Farbladung tragen [Confinement]) • „Ausläufer“: Kernkraft • beschrieben durch QCD (basiert auf den 3 Farben der Quarks und den Gluonen, welche starke WW zwischen Quarks vermittelt) • SU(3) Spezielle Unitäre Gruppe hat n²-1 Elemente, d.h. 8 Austauschteilchen + W -, W- und 0 Z -Boson • Austauschteilchen der schwachen Wechselwirkung • sehr große Masse (ca. 80-fache Protonenmasse) • W+- und W--Boson „schwach“ geladen, daher Wechselwirkung untereinander und mit anderen „schwach“ geladenen Teilchen • Entdeckung (wegen hoher Masse) erst 1983 Schwache Wechselwirkung • bei niedrigen Energien durch Fermi-Konstante GF ~ 10-5 /mP² charakterisiert • sehr kurzreichweitig (nur ca. 10-18 m) • verantwortlich u.a. für β-Zerfall • erhält Parität als einzige Wechselwirkung nicht • Parität: Punktspiegelung eines physikalischen Zustandes am Koodinatenursprung: – Pψ(x,t)=ψ(-x,t) – P²ψ=ψ – EW entweder π=+1 (gerade Parität) oder π=-1 (ungerade Parität) Graviton • außerhalb des Standardmodells (Fehlen einer erfolgreichen Quantenfeldtheorie der Gravitation) • Austauschteilchen der Gravitation • noch nicht experimentell bestätigt, nur theoretische Vorhersagen: – Ruhemasse 0 – Bewegung mit Lichtgeschwindigkeit – keine elektrische Ladung und Spin 2 Gravitation • charakterisiert durch Newtonsche Gravitationskonstante G • 1/r-Potential => unendliche Reichweite • Kraft im Vergleich zu anderen Wechselwirkungen extrem klein • Stärke der Gravitation abhängig von Masse der beteiligten Teilchen bzw. Körper (daher im mikrokopischen Bereich vernachlässigbar) Quantenfeldtheorie • jede Wechselwirkung durch Austauschteilchen vermittelt • unterschiedliche Reichweiten der Kräfte lassen sich im Rahmen der feldtheoretischen Beschreibung aufgrund unterschiedlicher Massen der Austauschteilchen verstehen • gemäß Heisenbergschen Unschärferelation können massivere Teilchen nur für kürzere Zeit erzeugt werden => legen geringere Strecke zurück Quantenfeldtheorie • Lokale Eichsymmetrie – Feldtheorie, in der Feldgleichungen invariant unter Ausführung bestimmter Operatoren im Raum – Gleichungen auch dann invariant, wenn Operationen unabhängig voneinander an jedem Punkt im Raum und Zeit ausgeführt werden • Spontane Symmetriebrechung – Begriff stammt aus Physik der kondensierten Materie – elektroschwache Theorie basiert auf Symmetrie zwischen Trägern der elektromagnetischen und der schwachen WW – Symmetrie nicht sichtbar, da W und Z Massen, Photonen masselos – Erklärung: bei Urknall (hohe Energien) schwache und elmag. WW identisch und von vier masselosen Trägerteilchen vermittelt; bei Abkühlung des Universums wurde Symmetrie gebrochen Entwicklung des Universums Elektroschwache Theorie • Kopplungsstärke der elektromagnetischen und schwachen WW fast gleich • einheitliche WW der Energien oberhalb etwa 200 GeV • bei niedrigeren Energien elektromagnetische und schwache Wechselwirkung zwei verschiedene WW, die jedoch durch einheitliche Theorie behandelt werden können • Eichtheorie für schwache WW SU(2)-Symmetrie => Einführung W+-, W-- und W0-Boson • statt elektromagnetischen WW führt man weitere WW ein, die mit U(1)-Symmetrie und Feldteilchen B0 assoziiert ist Elektroschwache Theorie • Photonfeld quantenmechanische Mischung aus Feldern W0 und B0 • dazu Z0-Feld, das orthogonal zum Photonfeld • Mischungswinkel dieser Felder: Weinbergwinkel • Austausch eines Z0-Bosons: neutraler Strom • Austausch eines W±-Bosons: geladener Strom • in ursprünglicher Formulierung: Eichbosonen und Fermionen masselos • => Umformulierung, dass 3 der 4 Teilchen Masse besitzen, ohne Theorie zu ändern Higgs-Kibble-Mechanismus • Mechanismus hinter Brechung der elektroschwachen Symmetrie nicht sicher • Lösung: Einführung eines neuen Feldes – existiert überall – bricht Symmetrie – vorhergesagtes Teilchen: Higgs-Boson (neutrales, massebehaftetes Teilchen mit Spin 0, das an W und Z koppelt und sie mit Masse ausstattet, nicht aber das Photon) Vereinheitlichung Grenzen des Standardmodells • keine Quantentheorie der Gravitation (warum Kraft so viel schwächer?) • Higgs Boson konnte noch nicht verifiziert werden • relativ große Zahl freier Parameter • ungelöste Fragen: Anzahl der Fermionfamilien und Wechselwirkungen • Alternativen: GUT und Supersymmetrie, Stringtheorie Anhang Grenzen des Standardmodells Grenzen des Standardmodells Standardmodell • aus theoretischer Sicht: Quantenfeldtheorie, die auf Eichsymmetrie basiert • enthält Symmetrie der starken WW und Symmetrie der elektroschwachen • Symmetrie der elektromagnetischen WW ist Untergruppe von • Symmetrie liegt vor, wenn System invariant unter Transformation