Künstliches Zahnfleisch Bei der Behandlung von Gingivarezessionen lassen sich mit Kompositrestaurationen ästhetische Ergebnisse erzielen. Selbst im Frontzahnbereich liefert die minimalinvasive Methode optimale Resultate. Dr. Marlúcio de Oliveira Schönheit liegt sicherlich im Auge des Betrachters. Allerdings gibt es unabhängig vom subjektiven Schönheitsempfinden auch ein allgemeines, auf objektive Parameter gründendes Schönheitsideal für die Ausprägung des menschlichen Gesichts. Dessen gefälliger Gesamteindruck ergibt sich aus einer stimmigen Proportionalität und Symmetrie (Stichwort „Goldener Schnitt“) sowie einem harmonischen Zusammenspiel von Gesichtsknochen, Augen, Nase und Mund. Hierbei sind gerade auch Lippen, Zahnfleisch und Zähne eminent für die Selbst- und Fremdwahrnehmung. Die Wirkung eines schönen Lächelns dürfte hinlänglich bekannt sein. Ein ansprechendes Lächeln ist gekennzeichnet durch ein proportionalsymmetrisches Gleichgewicht zwischen den Zähnen selbst sowie zwischen Zähnen und Zahnfleisch bzw. Lippen und Gesicht. Das Zahnfleisch sollte in parabelförmigem Verlauf den Hals der Zahnkrone umgeben, wobei der Zenit, also der höchste Punkt des Zahnfleisches, im distalen Bereich dieser Zir108 DEUTSCHER ÄRZTE-VERLAG | DENTAL MAGAZIN | 2013;31(2) kumferenz liegt. Die Interdentalpapillen befinden sich im Optimalfall auf Höhe des zervikalen Drittels der Zähne. Ästhetische Beeinträchtigungen im Frontzahnbereich, wie zum Beispiel das Fehlen von Zähnen bzw. Zahnfleisch oder die nachteilige Veränderung dessen Verlaufs, können zu einem verminderten Selbstwertgefühl und damit zu Unsicherheit und Hemmungen führen. Dies kann das ohnehin schon strapazierte Gefühls- und Seelenleben gerade jugendlicher Menschen zusätzlich belasten. Die Zahnmedizin vermag heutzutage die Gestalt, Farbe und Textur von Zähnen zu verändern bzw. wiederherzustellen. Aus der Wissenschaft selbst heraus und auf Druck eines im sozialen und kulturellen Umfeld immer ausgeprägteren Schönheitsideals waren die letzten Jahre gekennzeichnet durch die Abb. 1: Kieferorthopädische Behandlung mittels Bracketts zur Korrektur der Platzverteilung Abb. 2: Das Lächeln der Patientin mit ausgeprägter Zahnfusion der Oberkieferschneidezähne Abb. 3: Frontalansicht nach kieferorthopädischer Behandlung Abb. 4: Nacharbeiten in der Rille mit der Diamantscheibe Abb. 5: Kontrolle der Proportionen nach dem goldenen Schnitt mittels Messzirkel Abb. 6: Frontalansicht der aus dem Composite Amaris direkt gefertigten Facetten 109 DEUTSCHER ÄRZTE-VERLAG | DENTAL MAGAZIN | 2013;31(2) Abb. 7: Auftragen des Composite Amaris Gingiva zum künstlichen Aufbau der Interdentalpapille Abb. 8: Anpassung und Modellierung des Composite Amaris Gingiva und dunkler Pigmente mit dem Spatel (Typ “MdeO”) Abb. 9: Feinmodellierung mit dem Marderhaarpinsel Abb. 10: Linke laterale Ansicht des Lächelns Abb. 11: Rechte laterale Ansicht des Lächelns Abb. 12: Das Lächeln der Patientin mit harmonischen Proportionen zwischen Zähnen, Lippen und Zahnfleisch 110 DEUTSCHER ÄRZTE-VERLAG | DENTAL MAGAZIN | 2013;31(2) Einfaches Farbmanagement Dentin und Schmelz definieren gemeinsam das optische Erscheinungsbild eines Zahnes. Das Farbsystem von Amaris folgt diesem natürlichen Prinzip. Verschiedenste Formen, Farben und Oberflächen lassen sich im Zweischichtverfahren mit jeweils nur einer opaken Grundfarbe (Opaque) und einer transluzenten Schmelzfarbe (Translucent) zügig modellieren. Im Gegensatz zu anderen Systemen mit über 20 oder sogar 30 Farben umfasst das Amaris-Farbsystem lediglich elf Farben: sechs Grundfarben (O1, O2, O3, O4, O5, O Bleach), drei Schmelzfarben (Neutral, TN; Light, TL; Dark, TD) und zwei Individualfarben (Amaris Flow High Translucent, HT; Amaris Flow High Opaque, HO). Grund- und Schmelzfarben können vielfältig miteinander kombiniert werden und erlauben damit eine hohe Flexibilität bei der Farbzusammenstellung. In der Anwendung wird zunächst der Kern aus einer opaken Grundfarbe aufgebaut. Anschließend wird eine abdeckende Schicht transluzente Schmelzfarbe appliziert. Die definitive Zahnfarbe lässt sich während des Schichtens entwickeln, wobei Optimierungen auch während der Restauration möglich sind. Zuvor applizierte Schichten müssen hierfür nicht entfernt werden. Durch die vielfältigen Kombinationsmöglichkeiten der im Vergleich zu anderen Systemen überschaubaren Anzahl von Grund- und Schmelzfarben wird das gesamte zahnmedizinisch relevante Farbspektrum abgedeckt. Folglich lässt sich jede Restauration selbst in kleinsten Nuancen zum gewünschten Ergebnis bringen Abb. 13: Stärkere Exposition von Zahnfleisch bei breitem Lächeln stetige Verbesserung der Techniken und Materialien für die ästhetische Zahnmedizin, wobei gerade auch die „Rot-Weiße Ästhetik“ eine wichtige Rolle spielt. Die Behandlung von Gingivarezessionen stellt den Zahnarzt vor eine besondere Herausforderung, speziell wenn es um „black holes“ und die ästhetische Korrektur von Interdentalpapillen im Frontzahnbereich geht. Früher waren es Acrylate, die zur künstlichen Nachahmung des Zahnfleisches herangezogen wurden. Später standen dann auch Keramiken für den prothetischen Ersatz des Gingivagewebes zur Auswahl. Allerdings war bei diesen Materialien, bedingt durch das Herstellungsverfahren, eine individuelle Farbanpassung nur schwer zu erzielen. Außerdem handelte es sich dabei um Materialien für festsitzenden oder herausnehmbaren Zahnersatz, sodass sie für Restaurationen an Einzelzähnen nicht geeignet waren. Das Augenmerk der Forschung und Hersteller richtete sich in der Folgezeit auf die Entwicklung von gingivafarbenen Materialien, welche sich in der Mundhöhle verarbeiten lassen, in der Farbgebung individuell angepasst werden können und an der Zahnhartsubstanz adhäsiv zu befestigen sind. So besteht heute die Möglichkeit, freiliegende Zahnhälse mit lichthärtenden Komposits zu restaurieren, welche die Farbe und Textur des Zahnfleisches jeweils individuell nachahmen und mithin zur Erlangung ausgeglichener Zahnproportionen beitragen. Es zeigte sich, dass mit minimalinvasiven Methoden auch größere ästhetische Defekte im sensiblen Frontzahnbereich zu beheben sind und einer jungen Patientin ein perfektes Lächeln gegeben werden konnte. Fazit Mit Amaris lassen sich auch sehr dünne Schichten applizieren und ausarbeiten, was etwa die Gestaltung feinster Inzisalkanten ermöglicht. Das Material ist bei einer Umgebungs- und OP-Lichtbeständigkeit von bis zu fünf Minuten ausreichend lange zu verarbeiten, die Aushärtungszeiten betragen indes, je nach Farbe und Schichtstärke, nur zwischen zehn und vierzig Sekunden. Amaris erlaubt mit seiner ausgeklügelten Materialzusammensetzung eine einfache Politur und verleiht der Restauration einen hohen, beständigen Glanz. Das Material ist universell verwendbar mit allen Dentinadhäsiven. Der konkrete Fall Dr. Marlúcio de Oliveira Im vorliegenden klinischen Fall einer seltenen Zahnfusion (Synodontie) der Oberkieferschneidezähne 11 und 12 sowie 21 und 22 einschließlich eines Diastemas einer 15-jährigen Patientin wurde das hochästhetische Füllungsmaterial Amaris (VOCO) verwendet. Für die Simulation des Zahnfleischanteils kam das hochästhetische gingivafarbene Füllungsmaterial Amaris Gingiva (VOCO) zum Einsatz. ist Professor für Zahnheilkunde an der Universität Itaúna, Minas Gerais, Brasilien, und für Zahnmedizin und ästhetische Zahnheilkunde an der Universität São Leopoldo Mandic in Belo Horizonte (Minas Gerais, Brasilien). Postgraduierten-Studium der kosmetischen Odontologie am New York University College of Dentistry. Kontakt: [email protected] 111 DEUTSCHER ÄRZTE-VERLAG | DENTAL MAGAZIN | 2013;31(2)