UTB UTB 8459 XXXX Eine Arbeitsgemeinschaft der Verlage Böhlau Verlag · Köln · Weimar · Wien Verlag Barbara Budrich · Opladen · Farmington Hills facultas.wuv · Wien Wilhelm Fink · München A. Francke Verlag · Tübingen und Basel Haupt Verlag · Bern · Stuttgart · Wien Julius Klinkhardt Verlagsbuchhandlung · Bad Heilbrunn Lucius & Lucius Verlagsgesellschaft · Stuttgart Mohr Siebeck · Tübingen Nomos Verlagsgesellschaft · Baden-Baden Orell Füssli Verlag · Zürich Ernst Reinhardt Verlag · München · Basel Ferdinand Schöningh · Paderborn · München · Wien · Zürich Eugen Ulmer Verlag · Stuttgart UVK Verlagsgesellschaft · Konstanz Vandenhoeck & Ruprecht · Göttingen · Oakville vdf Hochschulverlag AG an der ETH Zürich Helmut Siller Normatives Controlling Wien 2011 Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. Copyright © 2011 Facultas Verlags- und Buchhandels AG WUV, Berggasse 5, A-1090 Wien Das Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Satz und Druck: Facultas Verlags- und Buchhandels AG Einbandgestaltung: Atelier Reichert, Stuttgart Printed in Austria ISBN : 978-3-8252-8459-6 „Intelligente Unternehmensführung beginnt mit ethischen Grundsätzen.“ (ARGE proETHIK) Vorwort Problemstellung Normatives Management und normatives Controlling beschäftigen sich mit Unternehmenspolitik. Seit über zwanzig Jahren ist normatives bzw. „integriertes“ Management ein Fixpunkt in der theoretischen Diskussion und eine etablierte Komponente in erfolgreichen Unternehmen. Dennoch erlebt die Diskussion über Unternehmensethik seit einigen Jahren eine Hochkonjunktur, die Finanzkrise der letzten Jahre hat diesem Phänomen einen weiteren Schub gegeben. Die Gründe dafür liegen in • zahlreichen Fällen von Missmanagement und der zunehmend kritischen Haltung dazu seitens der sog. „öffentlichen Meinung“; • den mittlerweile zahlreichen, teilweise spektakulären Unternehmenszusammenbrüchen aufgrund von Untreue, Bilanzfälschung und ähnlichen geschäftsschädigenden Handlungen des Top Managements; • negativen Auswüchsen des Shareholder-Value-Konzepts wie Kurzfristdenken oder als zu hoch empfundene Managerbezüge; • der zunehmenden Verbreitung von Corporate (Social) ResponsibilityKonzepten in der Praxis; • zunehmendem moralischen Druck der Gesellschaft zur Verwirklichung von qualitativ hochwertiger Corporate Governance; • der moralischen Verantwortung, die die Gesellschaft von Unternehmen verlangt; • steigenden Anforderungen an die Integrität der Person der Verantwortlichen für den Finanzbereich eines Unternehmens; • der Suche nach noch nachhaltigeren Wettbewerbsvorteilen, als dies die bekannten strategischen Erfolgspotenziale sind; und in • der Suche nach dem Sinn des globalen Wirtschaftens. Bei einem Großteil der Publikationen zur Unternehmensethik fällt eine inhaltliche Praxisferne auf. Zwar werden Grundsätze der Ethik und Regeln gesellschaftlich verantwortlichen Wirtschaftens genannt, aber es gelingt nicht, ihre Inhalte zu operationalisieren. Die Gründe dafür liegen vor allem im folgenden: • Betriebswirtschaft und (Unternehmens-)Ethik wurden in der Praxis (zu) lange als getrennte Welten betrachtet. 5 Vorwort • Ethik wird oft als Behinderung betriebswirtschaftlicher Entscheidungen gesehen. • Unternehmensethik selbst ist bei weitem kein einheitliches Aussagengebäude, zu unterschiedlich sind die Strömungen innerhalb der Ethik als Teildisziplin der Philosophie. • Die Objekte der Ethik wie Werte, Normen oder Tugenden sind Intangibles und daher schwer manage- und beurteilbar, geschweige denn messbar. Controlling hat auf den ersten Blick mit Ethik nichts zu tun. Es gibt zwar Ansätze eines ethikorientierten Controllings, aber noch keine umfassende Beschäftigung mit normativen Themen durch Controlling. In der Unternehmenspraxis dominiert operatives Controlling. Strategisches Controlling spielt i.d.R. eine zwar wachsende, aber insgesamt noch immer eine Nebenrolle. Und jetzt auch noch normatives Controlling? Ziel des Buchs Hier soll der Versuch unternommen werden, Unternehmensethik vom Standpunkt des Controllings zu analysieren und managebar zu machen. Dabei werden die Themenbereiche • Normatives Management • Unternehmensethik und • Controlling aus Sicht des Controllings analysiert und zu einem praxistauglichen und umsetzungsorientierten Konzept des normativen Controllings integriert. Wir gehen dabei von einem Weltbild aus, nach dem der Mensch sich in seinem Verhalten nicht nur an materiellen Anreizen, sondern auch an Werten und Normen, die er für verbindlich und richtig hält, orientieren sollte. Die wirtschaftswissenschaftliche Ausbildung leistet einer Entfremdung von Mensch und Manager(-nachwuchs) dann Vorschub, wenn sie die Betriebswirtschaft als eine nach eigener Logik funktionierende Teilwelt präsentiert, in der es quasi zur Tugend wird, nur auf seinen eigenen Vorteil bedacht zu sein. Angesichts der zahlreichen Umweltskandale, Falschbilanzierungs- und Missmanagement-Fälle der Gegenwart ist die Gewährleistung eines moralisch korrekten Verhaltens erste Aufgabe der obersten Führungsebene, andernfalls müsste gelten: „The fish rots from the head“. 6 Vorwort Im vorliegenden Buch wird gezeigt, wie Controlling das Management bei Sinn-, Werte- und Normenfindung und ihrer Transformation von Wertschätzung in Wertschöpfung unterstützen kann. Dabei wird versucht, auf drei Säulen aufzubauen: • Prävention (Vorsorge) i. S. der Schaffung, Erhaltung und Pflege von Systemen, um Defizite und Risiken im normativen Bereich hintanzuhalten bzw. Chancen und Risiken rechtzeitig zu erkennen • Unterstützung des Managements bei unternehmensethischen Themen, um sie transparent zu machen, um Organisationspathologien zu erkennen und ganzheitlich, nämlich systemumfassend zu heilen • Operationalisierung der Objekte des normativen Managements, um sie durch Management und Controlling steuer- bzw. regelbar zu machen. Gerade weil Controlling ursprünglich aus dem operativen Bereich kommt, sind Know-how und Instrumente vorhanden, um sog. weiche Faktoren wie Unternehmensethik und -kultur handhab- und managebar zu machen. Modernes Controlling in Unternehmen ist – in Abkehr von einer rein ökonomischen Betrachtungsweise – nur in einem multidimensionalen, interdisziplinären, sozialwissenschaftlichen Kontext zu verstehen und sinnvoll zu analysieren. Dazu gehören auch ethische, psychologische, soziologische, juristische und forensische, ja selbst neurologische Aspekte. „Unternehmen“ wird dabei als Sammelbegriff für gewinn- und nicht-gewinnorientierte Institutionen, d. s. NPOs und öffentliche Einrichtungen, und aus der Sicht einer managementorientierten Betriebswirtschaftslehre als System verstanden. Nicht-Ziele des Buchs Da dieses Buch nicht aus Sicht der Ethik geschrieben ist, soll und kann es auch nicht ethische und philosophische Grundsätze im Detail analysieren. Dies ist auch keine Anleitung für Controller, wie sie zu Ethikern oder zu „Moralaposteln“ werden sollen. Das wäre mit dem eigentlichen Gehalt des Controlling-Begriffs nicht vereinbar. Hier soll auch keine Funktion beschrieben werden, die die Aufgabenbereiche von HR oder Corporate Compliance beschneidet, wohl aber eine, die die Beratung des Managements nicht nur nach ökonomischen, sondern auch nach ethischen Maßstäben anlegt. Da normatives Controlling ein relativ neues Thema in der Betriebswirtschaft ist, können noch keine Beispiele von Unternehmen genannt wer7 Vorwort den, in denen eine solche Funktion explizit zu finden ist; dies soll weiteren Forschungsarbeiten vorbehalten bleiben. Zielgruppen Dieses Fach- und Arbeitsbuch ist gedacht für • Unternehmer, Gesellschafter bzw. Mitglieder der Geschäftsführung, die sich Fragen der Unternehmensethik von der Seite der Betriebswirtschaft stellen, • Aufsichtsräte, die ihre Aufsichts- und Kontrollfunktion verstärken möchten, • Controller, die bereits strategisch und operativ tätig sind, sowie Interne Revisoren und Abschlußprüfer, die sich mit Aspekten einer nachhaltigen Corporate Governance und einer präventiven Unternehmensüberwachung beschäftigen, • Unternehmensethiker, die den Versuch in diesem Buch, die weichen Themen der Ethik einem betriebswirtschaftlichen Kalkül zu unterziehen, beurteilen bzw. sich diesem Ansatz nähern möchten, und • den Unterricht im Bachelor- und Masterstudium an Universitäten und (Fach-) Hochschulen sowie für Lehrgänge und Seminare über Controlling für Fortgeschrittene. Voraussetzungen für das Arbeiten mit diesem Buch sind Vorkenntnisse in strategischem und operativem Controlling. Dieses Buch baut auf der Controlling-Konzeption, wie sie im Buch „Controlling professionell“ von Rolf Eschenbach und Helmut Siller, Stuttgart 2009, Verlag Schäffer-Poeschel, beschrieben wurde, auf. Der Autor dankt den Herren o. Univ.-Prof. Rolf Eschenbach und sowie Ing. Mag. (FH) Erwin Graf für die zahlreichen wertvollen Gedankenanstöße. Die Zusammenarbeit mit den Verantwortlichen im facultas-Verlag war sehr harmonisch; auch dafür dankt der Autor. Hinweis Um die Lesbarkeit dieses Werks zu erleichtern, kommt eine geschlechtsneutrale Anrede zum Einsatz. Wir haben uns bemüht, in Text und Beispielen sowohl weibliche als auch männliche Personen vorkommen zu lassen. 8 Vorwort Wie Sie mit diesem Buch arbeiten Wichtige Begriffe im Text Wichtige Begriffe im Text sind fett gedruckt, diese Wörter sind auch im Glossar (Kap. 10) und im Stichwortverzeichnis zu finden. Lernziele Am Anfang jedes Kapitels stehen Kästen mit den Zielen, deren Aufgabe es ist, Ihnen zu zeigen, was Sie nach dem Durcharbeiten der einzelnen Kapitel an Erkenntnissen erworben haben sollten. Zusammenfassung Jedes Kapitel enthält eine Zusammenfassung, die die wichtigsten Erkenntnisse des Kapitels übersichtlich und kurz zusammengefasst. Learning by Doing Für ein Lehrbuch instruktiv und wichtig ist die Vertiefung und Anwendung des Gelesenen in Form von Übungsfragen und -beispielen inklusive sinnvoller Lösungsansätze. Nicht ausreichend wäre es, nur die theoretische und konzeptionelle Seite zu beleuchten. Am Ende jeden Kapitels folgt daher ein Abschnitt mit Angaben zu Übungsbeispielen. Oft gibt es nicht eine einzige richtige Lösung. Die Lösungsvorschläge, die Sie erarbeiten, können dann als Grundlage für Diskussionen mit Kollegen bzw. anderen Studierenden und Vortragenden dienen. Die Lösungen bzw. Lösungsvorschläge zu den Übungsbeispielen finden Sie in Kapitel 9. Glossar Kapitel 10 enthält ein Glossar der wesentlichen Begriffe (Substantiva), die in diesem Fach- und Arbeitsbuch verwendet werden, und die im Text fett gedruckt sind. Bei jedem Begriff findet sich außerdem der passendste angelsächsische Ausdruck. Literaturverzeichnis Das Buch enthält ein zentrales, alphabetisch, nach Autoren und Autorinnen geordnetes Literaturverzeichnis, um Ihnen die Suche nach den verwendeten Quellen zu erleichtern. Stichwortverzeichnis Das Stichwortverzeichnis umfasst die im Text fett gedruckten Hauptwörter und Akronyme. Das Verzeichnis findet sich am Buchende, damit Sie das gesuchte Wort rasch finden. 9 Vorwort Der Autor wünscht Ihnen viele Erkenntnisse beim Lesen des Buchs und beim Arbeiten mit diesem Buch und dankt Ihnen bereits im Voraus für Kommentare und Verbesserungsvorschläge an: [email protected]. Wien, im Jänner 2011 10 Helmut Siller Inhaltsverzeichnis Vorwort .................................................................................................... 5 Abkürzungsverzeichnis ....................................................................... 15 Abbildungsverzeichnis ........................................................................ 19 Einführung ............................................................................................ 21 1 Grundbegriffe des Normativen .................................................... 25 Ziele des Kapitels ................................................................................ 25 1.1 Normen ....................................................................................... 25 1.1.1 Begriffsabgrenzung .......................................................... 25 1.1.2 Verwandte Begriffe .......................................................... 27 1.1.2.1 Regel .................................................................. 27 1.1.2.2 Maxime .............................................................. 28 1.1.2.3 Grundsatz (Prinzip) ............................................ 29 1.1.3 Inhalt und Funktion von Normen ................................... 30 1.1.4 Quellen von Normen ....................................................... 31 1.1.4.1 Moral .................................................................. 31 1.1.4.2 Ethos .................................................................. 32 1.1.4.3 Recht .................................................................. 33 1.1.4.4 Ethik.................................................................... 35 1.2 Vision .......................................................................................... 37 1.3 Mission ....................................................................................... 38 1.4 Werte .......................................................................................... 39 1.5 Unternehmenskultur .................................................................. 45 1.6 Leitbild ........................................................................................ 47 1.7 Lessons learned ........................................................................... 48 1.8 Learning by doing ....................................................................... 51 2 Normative Führung und Unternehmensethik .......................... 52 Ziele des Kapitels ................................................................................ 52 2.1 Führung ...................................................................................... 52 2.1.1 Führung (Management) .................................................. 52 2.1.2 Entrepreneur und Leadership .......................................... 56 2.1.3 Missmanagement ............................................................. 58 2.1.4 Normative Führung ......................................................... 64 2.2 Rationalität versus Legitimität .................................................... 70 2.2.1 Rationalität ...................................................................... 70 2.2.2 Legitimität ........................................................................ 72 11 Inhaltsverzeichnis 2.3 Unternehmensethik .................................................................... 72 2.3.1 Überblick ......................................................................... 72 2.3.2 Ethische Dilemmata ........................................................ 76 2.3.3 Theorien der Unternehmensethik zur Dilemmalösung ............................................................... 79 2.3.3.1 Vorrang der Ökonomie vor der Moral ............... 79 2.3.3.2 Integration von Ökonomie und Moral ............... 83 2.3.3.3 Vorrang der Moral vor betriebswirtschaftlichen Interessen ................................................ 86 2.4 Lessons learned .......................................................................... 88 2.5 Learning by doing ...................................................................... 89 3 Wesentliche Spannungsfelder zwischen Ethik und Betriebswirtschaft .......................................................................... 91 Ziele des Kapitels ................................................................................ 91 3.1 Überblick .................................................................................... 91 3.2 Shareholder Value-Konzept versus Stakeholder-Konzept ......... 92 3.3 Corporate Responsibility ............................................................ 96 3.3.1 Corporate Governance .................................................... 97 3.3.2 Corporate Social Responsibility ..................................... 101 3.4 Unternehmenskriminalität ....................................................... 103 3.5 Corporate Compliance versus Integrität .................................. 109 3.6 Warum sich integre, nachhaltige Unternehmensführung auch wirtschaftlich lohnt ......................................................... 113 3.7 Lessons learned ........................................................................ 115 3.8 Learning by doing .................................................................... 117 4 Normatives intellektuelles Kapital ............................................ 119 Ziele des Kapitels .............................................................................. 119 4.1 Bedeutung immaterieller Werte .............................................. 119 4.2 Abgrenzung materieller von immateriellen Werten ................ 120 4.3 Verwandte Begriffe für immaterielle Werte ............................. 122 4.4 Systematisierung immaterieller Werte ..................................... 124 4.5 Besonderheiten des normativen intellektuellen Kapitals (NIK) aus Controlling-Sicht ....................................... 127 4.6 Operationalisierung der Elemente des NIK ............................. 132 4.7 Bewertung und Bilanzierung der Elemente des NIK ............... 134 4.7.1 Bewertung ..................................................................... 134 4.7.2 Bilanzierung .................................................................. 137 4.8 Lessons learned ........................................................................ 138 4.9 Learning by doing .................................................................... 140 12 Inhaltsverzeichnis 5 Konzept und Aufgaben des normativen Controllings ............ 141 Ziele des Kapitels ............................................................................... 141 5.1 Controlling ................................................................................ 141 5.2 Normatives Controlling ............................................................ 143 5.3 Konzepte ethikorientierten Controllings .................................. 147 5.3.1 Überblick ........................................................................ 147 5.3.2 Nachhaltigkeitsorientiertes Controlling ......................... 147 5.3.3 Organisationscontrolling ............................................... 149 5.3.4 Korruptions-Controlling ................................................ 150 5.3.5 Controlling als Metaführung ......................................... 151 5.3.6 Controlling als Rationalitätssicherung ........................... 152 5.3.7 Reflexionsorientiertes Controlling ................................. 153 5.3.8 Integriertes normatives Controlling .............................. 155 5.4 Ziele und Grundsätze des normativen Controllings ................. 157 5.5 Aufgaben des normativen Controllings .................................... 159 5.5.1 Überblick ........................................................................ 159 5.5.2 Analyse, Reflexion und Sparring ................................... 160 5.5.3 Innovation ..................................................................... 162 5.5.4 Information ................................................................... 163 5.5.5 Planung ......................................................................... 165 5.5.6 Überwachung ................................................................ 166 5.5.7 Koordination ................................................................. 169 5.6 Die Person des normativen Controllers/der normativen Controllerin .............................................................................. 170 5.7 Lessons learned ........................................................................ 171 5.8 Learning by doing .................................................................... 173 6 Instrumente im normativen Controlling .................................. 175 Ziele des Kapitels ............................................................................... 175 6.1 Überblick .................................................................................. 175 6.2 Normen-Check ......................................................................... 178 6.3 Moral-Check ............................................................................. 179 6.4 Werte- und Tugend-Check ....................................................... 181 6.5 Kulturprofil-Check ................................................................... 184 6.6 Stakeholder-Analyse ................................................................ 187 6.7 Normative Bilanz ...................................................................... 190 6.8 Leitbild-Check .......................................................................... 192 6.9 Normativer Plan ....................................................................... 193 6.10 Normative Kennzahlen ............................................................ 194 6.11 Reporting über normative Sachverhalte .................................. 197 13 Inhaltsverzeichnis 6.12 Lessons learned ....................................................................... 200 6.13 Learning by doing ................................................................... 201 17 Umsetzung des normativen Managements und des normativen Controllings ............................................................. 202 Ziele des Kapitels ............................................................................. 202 7.1 Überblick ................................................................................. 202 7.2 Einführung des normativen Controllings ............................... 205 7.3 Werte- und Kulturmanagement ............................................. 208 7.4 Code of Ethics (Ethikkodex) .................................................... 210 7.5 Ethikorientiertes strategisches Management .......................... 213 7.6 Personalpolitik ........................................................................ 216 7.6.1 Führungsethik .............................................................. 216 7.6.2 Mitarbeiterethik ........................................................... 218 7.6.3 Personalauswahl ........................................................... 219 7.6.4 Entgeltsysteme ............................................................. 221 7.6.5 Personalentwicklung .................................................... 222 7.7 Organisationsstruktur ............................................................. 224 7.8 Zusammenarbeit zwischen dem normativen Controlling und anderen Stellen bzw. Funktionsträgern ........................... 225 7.9 Lessons learned ....................................................................... 231 7.10 Learning by doing ................................................................... 232 18 Zusammenfassung und Ausblick .............................................. 234 19 Lösungen zu: Learning by doing ................................................ 239 10 Glossar ............................................................................................ 244 Literaturverzeichnis ........................................................................... 270 Stichwortverzeichnis ......................................................................... 282 14 Abkürzungsverzeichnis A Abb. Abs. ACFE AICPA AG AngG Anm. d. Verf. Art. ATX Aufl. Accountability Abbildung Absatz Association of Certified Fraud Examiners American Institute of Certified Public Accountants Aktiengesellschaft Angestelltengesetz Anmerkung des Verfassers Artikel Austrian Traded Index Auflage BörseG BSC BWG bzw. Börsegesetz Balanced Scorecard Bankwesengesetz beziehungsweise C CEO CFO CG CO2 COO CR CRM CSP CSR Corruption Chief Executive Officer Chief Financial Officer Corporate Governance Kohlendioxid Chief Operating Officer Corporate Responsibility Chancen- und Risikomanagement Corporate Social Performance Corporate Social Responsibility D D&O DAX DCF d.h. dHGB d.i. DIN Diss. DRS d.s. DSR dt. DVFA Discretion Directors and Officers Deutscher Aktienindex Discounted Cashflow das heißt deutsches Handelsgesetzbuch das ist Deutsche Industrienorm Dissertation Deutscher Rechnungslegungs-Standard das sind Deutscher Standardisierungs-Rat deutsch Deutsche Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management 15 Abkürzungsverzeichnis EBIT EFFAS EG EGT engl. ESG et al. etc. EU EVA Earnings before interests and taxes European Society of Financial Analysts Societies Europäische Gemeinschaften Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit englisch Environmental, social and governance-Faktoren et alii (und andere) et cetera (und so weiter) Europäische Union Economic Value Added f. FASB FAZ frz. folgende Financial Accounting Standards Board Frankfurter Allgemeine Zeitung französisch ggf. GRI gegebenenfalls Global Reporting Initiative HR Hrsg. Human Relations (besser als: Human Ressources) Herausgeber IAS IASB IC i.d.R. IFAC IFRS IGC IKS insb. io i.S. ISO ital. i.w.S. International Accounting Standards International Accounting Standards Board Intellectual Capital in der Regel International Federation of Accountants International Financial Accounting Standards International Group of Controlling Internes Kontrollsystem insbesondere Industrielle Organisation im Sinne International Standardization Organisation italienisch im weiteren Sinne Jg. Jahrgang Kap. KPI KSV Kapitel Key performance indicators Kreditschutzverband von 1870 lat. lateinisch M Machtmonopol 16 Abkürzungsverzeichnis NGO NIK No. Nr. Non-Governmental Organisation Normatives intellektuelles Kapital Number Nummer ÖCGK ÖNORM OECD OG OGM o.S. o.V. Österreichischer Corporate Governance Kodex Österreichische Norm Organisation for Economic Cooperation and Development Offene Gesellschaft Österreichische Gesellschaft für Marketing ohne Seitenangabe ohne Verfasser PDCA Pkt. Plan-Do-Check-Act Punkt ROI Return on Investment S. SFAS SG sog. Sp. Seite Statement of Financial Accounting Standards Schmalenbach-Gesellschaft sogenannte, -er, -es Spalte TBL TI Triple Bottom Line Transparency International u.a. uE UGB US-GAAP USB USD und andere, unter anderem unseres Erachtens Unternehmensgesetzbuch United States-Generally Accepted Accounting Principles Universal Serial Bus US-Dollar v. vgl. VOEST Vol. von vergleiche Vereinigte Österreichische Stahlfabrik Volume www. world wide web z.B. ZfB ZfCM zfwu z.T. zum Beispiel Zeitschrift für Betriebswirtschaft Zeitschrift für Controlling & Management Zeitschrift zur Wirtschafts- und Unternehmensethik zum Teil 17 Abbildungsverzeichnis Abb. 1 ....................................................................................................... 22 Abb. 2 ........................................................................................................ 36 Abb. 3 ........................................................................................................ 41 Abb. 4 ........................................................................................................ 45 Abb. 5 ........................................................................................................ 46 Abb. 6 ........................................................................................................ 50 Abb. 7 ........................................................................................................ 54 Abb. 8 ........................................................................................................ 58 Abb. 9 ........................................................................................................ 59 Abb. 10 ...................................................................................................... 60 Abb. 11 ...................................................................................................... 67 Abb. 12 ...................................................................................................... 68 Abb. 13 ...................................................................................................... 69 Abb. 14 ...................................................................................................... 74 Abb. 15 ...................................................................................................... 77 Abb. 16 ...................................................................................................... 95 Abb. 17 ...................................................................................................... 97 Abb. 18 ................................................................................................... 100 Abb. 19 .................................................................................................... 106 Abb. 20 .................................................................................................... 112 Abb. 21 .................................................................................................... 121 Abb. 22 .................................................................................................... 124 Abb. 23 .................................................................................................... 127 Abb. 24 .................................................................................................... 142 Abb. 25 .................................................................................................... 144 Abb. 26 .................................................................................................... 145 Abb. 27 .................................................................................................... 146 Abb. 28 .................................................................................................... 156 Abb. 29 .................................................................................................... 160 Abb. 30 .................................................................................................... 170 Abb. 31 .................................................................................................... 176 Abb. 32 .................................................................................................... 179 Abb. 33 .................................................................................................... 180 Abb. 34 .................................................................................................... 181 Abb. 35 .................................................................................................... 184 Abb. 36 .................................................................................................... 186 Abb. 37 .................................................................................................... 187 Abb. 38 .................................................................................................... 191 Abb. 39 .................................................................................................... 194 19 Abbildungsverzeichnis Abb. 40 .................................................................................................... 196 Abb. 41 .................................................................................................... 199 Abb. 42 .................................................................................................... 204 Abb. 43 .................................................................................................... 206 Abb. 44 .................................................................................................... 226 Abb. 45 .................................................................................................... 226 20 Einführung Auf Werte (values) und Moral gerichtetes Handeln hat eine grundlegend andere Bedeutung als dies im Konzept der wertorientierten Unternehmensführung (value-based management, Shareholder Value-Ansatz) der Fall ist. Management muss Gewinn und Cash erzielen, daran soll und wird nicht gerüttelt werden. Aber die Art der Generierung dieser Geldwerte muss auf einem ethisch und moralisch einwandfreien Fundament stehen. Es geht um die Rückbesinnung auf verantwortungsvolles Handeln und Ehrlichkeit im Geschäftsleben. Begriffe, die in der vor allem dem Prinzip der Gewinnerzielung huldigenden betriebswirtschaftlichen Praxis keinen besonders hohen Stellenwert zu haben scheinen. So wie Glück und richtiges Timing auch bisher schon das Geschick des Managements mitbestimmt haben, sind es persönliche Werte wie Verantwortung, Glaubwürdigkeit und Vertrauen, die immer mehr an Bedeutung gewinnen. Nachhaltig lebensfähige Organisationen brauchen heute ein tragfähiges Normengerüst als Basis. Nur dann kann sich eine legitime, wertschöpfende Produktivität im Unternehmen entsprechend der folgenden Ursache-Wirkungsbeziehung entwickeln: Persönliche Werte (values) → Wertschöpfung (value added) → (Geld-) Werte (value). Controlling ist Management-Service und damit eine Führungsfunktion. Controller sollen nicht nur Ansprechpartner für alle Management-Ebenen bei kaufmännischen und strategischen Fragestellungen sein, sondern – ggf. neben dem Compliance Manager – auch kompetenter Ansprechpartner in unternehmensethischen Fragen werden. Aufgrund der hohen Anforderungen in der Praxis geht es heute um ein qualitativ hochstehendes Controlling, wo Controller nicht mehr nur als „Zahlenfüchse“ und strategische Denker agieren, sondern sich mit den dahinter liegenden Erfolgspotenzialen wie • ethisch vertretbaren Werten und Tugenden, die Führungskräfte vertreten (sollten) • Unternehmenskultur, und • integrer, nachhaltiger Corporate Governance auseinander setzen. Normatives Controlling soll mehr sein als Compliance. Es geht um die Unterstützung des Managements in seiner Aufgabe der Vorsorge, Gestaltung und Umsetzung einer integren Unternehmenspolitik und der entsprechenden internen Normen. 21 Einführung Normatives Management muss Normen und Elemente der Unternehmenspolitik wie Vision, Unternehmensverfassung, Wertecharta, Governance und Unternehmenskultur gestalten. Normatives Controlling soll dabei als Wegweiser bzw. Sparringpartner für das normative Management fungieren. Zur möglichst effektiven Erreichung des Ziels des Buchs, die Schwerpunkte • Normatives Management • Unternehmensethik und • Controlling zu verbinden, dient das nachstehende Gestaltungskonzept (vgl. Abbildung 1). $ $ P$+$3$7$*$($,$$$U$$"$7$)$$V$$$$$$$$Q$$$$$$$$$$$$$P$+$3$7$*$($,$$$%$$"$7$)$$W • + Abb. 1 !"#$%&'() *%+%,($(+- .'()*+,*-./)1"4(0*(& $$$+5$67)71.8$97))71.8 $$$$$$$$:(7*"7,;$-.;$<(7*(=( $$$$$$$$>1=?(. $$$"5$97))?+.+/(?(.*8 $$$$$$$@.*(=.(A?(.)B $$$$$$$0=7?7.+,7*C* 61="(-/-./ /-012.3+4.*"#%5 G7,(??+*+& 61==+./$;(=$H*A70 1;(=$;(=$ID:J :K)-./$;(= L3+..-./)M(,;(= @.*(=)*F*2-./ D(=*(8$$@.*(=B .(A?(.)0-,*-=8 @.*(=.(A?(.)B (*A708 E(/(,.$2-= 'F*(=+"<C/-./ N3(=+O1.+,7)7(=-./ !"#$%&'().6"+-#"551+, P1.2(3*8$!-M/+"(.8$Q.)*=-?(.*( 7$)(-83+,$R1.$.1=?+OR(?$9+.+/(?(.*$$-.;$S1.*=1,,7./$-.; L1,,BQ)*B6(=/,(7TA Quelle: Eigene Darstellung Das Buch ist in zwei große Teile gegliedert: • in den Kapiteln 1 bis 4 werden die wesentlichen Züge und Entscheidungsfelder eines unternehmensethikorientierten, normativen Managements erarbeitet, das der Ansprechpartner für das normative Controlling ist, und 22 Einführung • in den Kapiteln 5 bis 7 werden Konzept, Aufgaben und Instrumente des normativen Controllings erarbeitet und die Umsetzung des normativen Controllings in die Praxis diskutiert bzw. vorbereitet. Demgemäß ist auch die Kapitelfolge des Buchs gewählt: Zunächst werden die Objekte der Gestaltung im normativen Management ermittelt und definiert (Kapitel 1). Diese sind: Normen, Vision, Mission, Werte, Unternehmenskultur und Leitbild; diese Elemente werden unter dem Begriff Unternehmensidentität subsumiert. Damit soll ein möglichst klares Begriffsverständnis geschaffen werden. Kapitel 2 und 3 sind erforderlich, um das „Spielfeld“ des normativen Managements und des normativen Controllings abzustecken. Dazu werden in Kapitel 2 zunächst Führung im allgemeinen und normative Führung im besonderen diskutiert sowie Gründe für Missmanagement analysiert. Danach wird Unternehmensethik thematisiert; auf dieser Basis werden die Dilemmata (Hat die Betriebswirtschaft oder die Moral bei Entscheidungen Vorrang?) skizziert und die theoretischen Ansätze zur möglichen Problemlösung diskutiert. Aufgrund dieser Vorarbeiten werden in Kapitel 3 die wichtigsten Spannungsfelder zwischen Management bzw. Betriebswirtschaft einerseits und Ethik andererseits diskutiert. Shareholder Value – versus Stakeholder-Ansatz, Corporate Governance, Corporate Social Responsibility, Compliance und integre Unternehmensführung sind die entscheidenden Handlungsfelder. Hier ist auch die Analyse von Unternehmenskriminalität wichtig, da durch geschäftsschädigende Handlungen durch das Management jede moralische Legitimation des Managements verloren geht und in vielen Fällen die Täter aus dem Top Management stammen. Kapitel 4 widmet sich der Operationalisierung (Beurteilbarmachung) von Ethik und der Elemente des sog. normativen intellektuellen Kapitals (kurz NIK, d. s. die Gestaltungsobjekte des normativen Managements), um es Analysen, Planung, Steuerung und Kontrolle durch das normative Management und das normative Controlling zugänglich zu machen. In Kapitel 5 werden in einem ersten Teil die bisherigen Ansätze für ethikorientiertes Controlling in der Literatur analysiert und das eigene Konzept eines integrierten, normativen Controllings erarbeitet. Der zweite Teil dieses Kapitels ist den Aufgaben des normativen Controllings, d. s. Analyse, Reflexion, Sparring, Innovation, Information, Planung, Überwachung und Koordination, und der Person des normativen Controllers gewidmet. In Kapitel 6 werden Instrumente des normativen Controllings für Analyse, Planung, Steuerung und Kontrolle normativer Sachverhalte vorge23 Einführung stellt, darunter der Werte- und Tugend-Check, Stakeholder-Analyse oder Normative Bilanz. Kapitel 7 skizziert die Voraussetzungen zur Einführung des normativen Controllings sowie wesentliche Systeme und Maßnahmen, die die Realisierung eines unternehmensethisch fundierten normativen Managements und des normativen Controllings in der Praxis ermöglichen sollen. Allen voran bedarf es eines Umsetzungskonzepts, eines ethikorientierten strategischen Managements und eines Bündels personalpolitischer Maßnahmen. In Kapitel 8 werden die wesentlichen Erkenntnisse zusammengefasst; ein Ausblick auf künftig erforderliche Forschungsschwerpunkte beschließt die Arbeit. 24 Wer nur um des Geldes willen Gutes tut, wartet nur darauf, besser bezahlt zu werden, um Schlechtes zu tun. (J.-J. Rousseau) 1 Grundbegriffe des Normativen Ziele des Kapitels Nach der Lektüre dieses Kapitels wissen Sie, • wozu unternehmensinterne Normen dienen, • welche wesentlichen internen Normen es gibt, • wie die Begriffe Norm, Grundsatz und Standard zu verstehen sind, • wodurch sich Moral, Ethos und Ethik unterscheiden, • wie sich Moral zu Recht verhält, • wie Vision, Mission und Leitbild zusammenhängen, • welche Werte und Tugenden von zentraler Bedeutung für die Führung sind, und • wie Unternehmenskultur beschrieben werden kann. 1.1 Normen 1.1.1 Begriffsabgrenzung Norm lässt sich etymologisch auf das Lateinische norma = Winkelmaß, Richtschnur, Regel, Maßstab, sittliches Ge- oder Verbot, zurückführen. Normieren (lat. und ital.: normare, frz.: normer) steht für: „nach dem Winkelmaß abmessen“, einrichten (vgl. Duden 2007a, S. 563). Dazu passt das Adjektiv normativ in seinen Bedeutungen: bindend, maßgebend, richtungsweisend, verbindlich, verpflichtend, wegweisend (vgl. Duden 2007b, S. 646). Normieren bedeutet Normen schaffen, normativ bezieht sich auf ihre Anwendung und Wirkung. Norm kann in drei Bedeutungen auftreten: 1. Gesetz, Prinzip, Direktive. Norm steht hier für einen allgemein anerkannten Standard, eine (Rechts-)Vorschrift, eine Ordnung in einer Gesellschaft oder einem Unternehmen (soziale Norm). 2. Durchschnitt, mittleres Maß (z. B. der Messbereich in der Sozialforschung, in den z. B. 95 % aller erfolgreichen Unternehmen fallen [„Referenzwert“], durchschnittlicher oder Normalwert einer Kennzahl im 25 Grundbegriffe des Normativen Controlling, „Normalkosten“ in der Kosten- und Leistungsrechnung, „Normalarbeitszeit“ oder einer durchschnittlichen Leistung) 3. Arbeits-, Leistungsnorm, Soll i. S. einer zu leistenden Arbeit (vgl. Duden 2007b, S. 645 f.). Im vorliegenden Kontext wird die erstgenannte Bedeutung thematisiert werden. Den Begriff Norm verwendet man, wenn „… etwas sein oder geschehen soll, insbesondere, dass sich ein Mensch in bestimmter Weise verhalten soll.“ (Kelsen 1960, S. 86) Verhalten umfasst hier drei Dimensionen: Handeln, Dulden (Stillhalten, Zulassen) und Unterlassen als Nicht-Handeln (vgl. Weber 1964, S. 3). In einer weitergehenden Differenzierung kann man drei Ebenen von Verhalten unterscheiden: • Unbewusste, physiologische Reaktionen des Organismus • Gelernte, routinierte, aber nicht bewusst oder nur unterbewusst gesteuerte Verhaltensweisen • Bewusstes, gesteuertes Handeln (vgl. Reimer 2005, S. 28). Handeln in Unternehmen ist vorwiegend soziales Handeln, d. i. Handeln, dessen Zweck auf das Verhalten anderer bezogen ist. Weber unterscheidet vier Typen sozialen Handelns: • Zweckrationales Handeln: Dem Handeln liegt ein bewusstes ZweckMittel-Kalkül zugrunde. • Wertrationales Handeln: Es ist bestimmt durch den bewussten Glauben an den ethischen, ästhetischen oder religiösen Eigenwert eines Verhaltens, unabhängig vom Erfolg. • Affekthandeln: Dazu gehört insbesondere emotionales Verhalten, das durch situative Affekte bestimmt ist. • Traditionelles Handeln: Es richtet sich stark nach Gewohnheiten (vgl. Weber 1964, S. 3 und 17). Normen sind Forderungen an das Verhalten von Menschen, in denen Werturteile zum Ausdruck kommen, “… are standards of behavior that exist within a group or category of people” (Hofstede/Hofstede 2005, S. 21). Sie sind als generelle Imperative („Du sollst …“) oder Wertungen formuliert. Sie enthalten den Anspruch, dass sich Menschen in ihrem Verhalten an ihnen orientieren sollen (vgl. Küpper 2006, S. 52). Aus Sicht der Unternehmensführung bedeutet Norm, was und wie etwas im Unternehmen sein soll; es geht um Unternehmenspolitik (vgl. Ulrich 2001a, S. 136) und um soziale Normen. Abgesehen von Rechtsnormen gibt es im Unternehmen interne, formale Regelungen in vielerlei Gestalt, so z. B. Unternehmensverfassung, Satzung, 26 Grundbegriffe des Normativen Betriebsvereinbarung, Code of Conduct, Code of Ethics, Wertecharta, Authority Limits, Unterschrifts- oder Stellvertretungsregelung, Organisations-, Führungs- und Unternehmensgrundsätze, Stellenbeschreibung, Verfahrens- oder Arbeitsanweisung. In nicht formalisierter Weise zeigen sich Normen als Arbeitsmoral, Führungsstil oder als (gelebte) Unternehmenskultur. Überbetrieblich sind Branchenmoral bzw. die Zahlungsmoral einer Branche zu nennen. Der Bezug zur Ethik wird noch deutlicher bei Prinzipien der Besteuerung, die nach allgemeinem Empfinden („Steuermoral“) auf Steuergerechtigkeit als Wert zielen sollen. Eine andere Klasse sozialer Regeln sind sog. „selbstdurchsetzende“ Normen. Ein Interesse an ihrer Geltung bewirkt zugleich ein Interesse an ihrer Befolgung. Zu ihnen gehören insbesondere reine Koordinationsregeln, etwa die Rechtsfahrregel im Straßenverkehr. Die Befolgung dieser Regel ist für alle Verkehrsteilnehmer vorteilhaft. Weiter zählen dazu technische Normen: Für eine Vielzahl von Produkten werden auf nationaler Ebene (z. B. ÖNORM, DIN) und internationaler Ebene (z. B. ISO, Incoterms) Normen für deren Gestaltung vereinbart. Durch Vereinheitlichung und Reduktion von Produkt- und Leistungstypen werden Effizienzeffekte erzielt (vgl. Küpper 2006, S. 70). Ideal wäre es, die sozialen Normen im Unternehmensalltag, durch Motivation der Normadressaten zu selbstdurchsetzenden Normen werden zu lassen. 1.1.2 Verwandte Begriffe Verwandte Begriffe zu „Norm“ sind • Regel • Maxime • Grundsatz (Prinzip) • Standard, die in weiterer Folge zwecks Begriffsklärung kurz analysiert werden sollen. 1.1.2.1 Regel Eine Regel hat im wesentlichen zwei Bedeutungen: • Empfehlung: Eine Regel hat im herkömmlichen Sprachgebrauch einen niedrigeren Anspruch als eine Norm. Ein Beispiel in der Betriebswirt27 Grundbegriffe des Normativen schaft ist die Goldene Bilanzregel („banker’s rule“). In der Planungspraxis findet sich u. a. die sog. „Faustregel“ („rule of thumb“). • „Regelmäßiges“ bzw. gewohnheitsmäßiges Tun, hier gehört zum Begriffsinhalt einer Regel auch das Moment der Wiederholung. Zur Lösung von Aufgaben in der Managementpraxis wurden zahlreiche Regeln entwickelt, wie z. B. Entscheidungsregeln bei Risiko und bei Unsicherheit, hinter denen subjektive Einstellungen zu Risiko bzw. (Un-)Sicherheit stehen. Menschen orientieren sich häufig an Regeln, mit denen sie sich in der Wirklichkeit leichter zurechtfinden. Die Techniken im Außenhandel, im Börsenhandel, einer Einkäuferin, eines Controllers oder eines Handwerkers (Handwerkszeug, „toolkit“) äußern sich z. B. in einer Vielzahl von Regeln, die bei Ausübung einer Tätigkeit angewendet werden. In Regeln schlagen sich auch empirische Erfahrungen nieder. Sie haben sich meist aus der praktischen Auseinandersetzung mit Aufgaben und Lösungen, oft in vielen Einzelversuchen („trial and error“), entwickelt. Auch die Fachsprache einer Disziplin, wie z. B. Ethik, Marketing, Buchhaltung oder Psychologie, kann als (anerkanntes) Regelwerk gelten und hat verhaltensdeterminierende Wirkungen. 1.1.2.2 Maxime Eine Maxime (frz.: maxime „Leitspruch“, vom lat. Maxima, zu ergänzen durch: propositio, „die größte/oberste (Aussage)“) bezeichnet die oberste persönliche Lebensregel bzw. einen persönlichen Grundsatz des Verhaltens. Kant nennt alle subjektiven Grundsätze, die nicht von der Beschaffenheit des Objekts, sondern vom Interesse der Vernunft abgeleitet sind, „Maximen der Vernunft“. In der kantischen Ethik kommt der Maxime als subjektivem Gesetz große Bedeutung zu. Ein praktischer Grundsatz wird zur Maxime des individuellen Handelns, wenn er zugleich eine individuelle Handlungsanleitung, eine subjektive Norm, wird. Von herausragender ethischer und auch praktischer Bedeutung ist Kants kategorischer Imperativ, eine Maxime: „Handle so, daß die Maxime Deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könne“ (Kant 1978, S. 53). In diesem Sinn wären die Zehn Gebote als religiöse Norm gleichermaßen als persönliche wie als allgemeine Normen „guten“ Verhaltens zu verstehen. 28 Grundbegriffe des Normativen 1.1.2.3 Grundsatz (Prinzip) Individuen bzw. Organisationsmitglieder befolgen – bewusst, unter- oder unbewusst – bestimmte Verhaltensgrundsätze („Das tue ich grundsätzlich so“ oder „wir geben Kunden darüber grundsätzlich keine Auskunft“). Grundsätze sind „Grund-Sätze“, Basis-Sätze, Verhaltensstandards; sie sollen über eine längere Zeit und für eine Vielzahl von konkreten Aktionsentscheidungen bzw. Sachverhalte gelten. Ein Grundsatz (Prinzip) hat normativen Charakter, er ist eine Richtschnur für konkretes Handeln. Grundsätze gelten unabhängig von konkreten Entscheidungssituationen. Grundsätze haben als Verhaltensmuster die Funktion von Maßstäben, nach denen Verhalten ausrichtet wird und an denen Handlungen subjektiv beurteilt werden können. Richtig konzipierte Grundsätze sollen (und können) nicht jeden Schritt und jedes Verhalten vorschreiben, sondern sollen – wie ein Kompass – den Adressaten die Richtung für moralisch richtiges Verhalten weisen. Es gibt in der Wirtschaftswissenschaft für viele Bereiche Grundsätze, wie z. B.: • Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (vgl. § 274 (2) UGB, vgl. Wagenhofer 2005, S. 77–89) • Planungsgrundsätze (vgl. Thommen/Achleitner 2006, S. 875 f.) • Grundsätze des Controllings (vgl. Eschenbach/Siller 2009, S. 42–48, vgl. Siller 1985, S. 99–110) • Grundsätze ordnungsmäßiger Unternehmensbewertung (vgl. Haeseler et al. 2007, S. 35) • Grundsätze für das Management von Veränderungen (vgl. Doppler/Lauterburg 2005, S. 149–168) • Grundsätze der Kontrolle (vgl. Thommen/Achleitner 2006, S. 895) • Grundsätze wirksamer Führung (vgl. Malik 2001, S. 65–167) • Grundsätze ordnungsmäßiger Aufsichtsratstätigkeit (vgl. www.boeckler. de 2003) Besondere Bedeutung im normativen Management haben Unternehmensgrundsätze. Diese können z. B. sich auf Führungsgrundsätze (vgl. Thommen/Achleitner 2006, S. 860) beschränken, oder – umfassender – als Grundsätze der Unternehmenspolitik (vgl. Gälweiler 2005, S. 98–102) verstanden werden. Statt Unternehmensgrundsätze wird manchmal auch der Begriff Unternehmensverfassung verwendet (vgl. z. B. Hungenberg/Wulf 2006, S. 29 f.). Wir verstehen im vorliegenden Kontext Unternehmensgrundsätze als dokumentierte Unternehmenspolitik bzw. -verfassung. 29 Grundbegriffe des Normativen 1.1.3 Inhalt und Funktion von Normen Soziale Normen sind Verhaltensanordnungen (Vorschriften). Normen haben die Aufgabe, die Freiheitsräume aller zu erhalten, indem sie diese ab- und begrenzen und gewisse Verhaltensweisen untersagen oder verlangen. Wird einer Norm nicht Folge geleistet, wird ein Sanktionsmechanismus wirksam. Zu einer Norm gehören folgende Bestandteile: • Urheber der Norm, d. i. im vorliegenden Buch das normatives Management; • Tatbestand, d. h. in welchen Situationen bzw. für welche Fälle bzw. Anwendungsbereiche und -bedingungen eine Norm gilt; • Norminhalt; dieser kann sein: – ein Gebot, d. h. es statuiert eine Handlungspflicht, z. B.: „Es ist für solche Geschäftsfälle eine Zweitunterschrift einzuholen.“ – ein Verbot, d. h. es statuiert eine Unterlassungspflicht, z. B.: „Säumige Kunden sind nicht weiter auf offene Rechnung zu beliefern.“ – eine Erlaubnis, d. h. sie statuiert ein Handlungsrecht, z. B.: „Einladungen von Geschäftspartnern im Gegenwert von bis zu € 100 kann ohne Rücksprache mit der Vorgesetzten Folge geleistet werden.“ – eine Freistellung, d. h. sie statuiert Handlungsspielraum, z. B.: „Die Dokumentation des Sachverhalts kann durch Aktenvermerk oder Bericht erfolgen.“ • Adressat(en) der Norm, d. h. an wen sich die Norm richtet, im Unternehmen i.d.R. an definierte Organisationsmitglieder. Ein Normadressat prüft i.d.R. vor Anwendung bzw. Internalisierung einer Norm aber auch deren ethischen Gehalt, d. h. ob er/sie die Befolgung mit seinem/ihrem Gewissen vereinbaren kann. • Sanktion, d. h. was im Fall der Nichtbefolgung der Norm geschehen kann bzw. zu geschehen hat. Normen sollten sanktionsbewehrt sein, andernfalls entfalten sie keine (nachhaltigen) Verhaltenswirkungen. Die Einhaltung von betrieblichen Normen unterliegt auch der sozialen Kontrolle (z. B. in Form einer „schwarzen Liste“ oder eine Person „schneiden“) als Sanktionsmechanismus. Interne Normen haben in Unternehmen folgende wesentliche Funktionen: • Grundlage für geordnete Interaktion und Kommunikation • Orientierung für das eigene Verhalten • Vorhersehbar Machen des voraussichtlich regelkonformen Verhaltens Anderer • Entlastung durch Reduktion von Komplexität mithilfe von Verhaltensgrundsätzen. 30 Grundbegriffe des Normativen 1.1.4 Quellen von Normen Interne Normen können durch Vorgabe einer Seite (i.d.R. Management) oder durch Vereinbarung zwischen Management und Mitarbeiter(n) zustande kommen. Quellen für interne Normen können sein: • Moral • Ethos • Recht und untergesetzliche Regelungen (als externe Quelle) • Ethik. 1.1.4.1 Moral Moral (lat.: mos, Mehrzahl: mores (Moral, Moralität, Sittlichkeit, Anständigkeit) ist ein Sammelbegriff für alles, was zu einer bestimmten Zeit in einer bestimmten Gesellschaft oder in Teilen davon (z. B. Wirtschaft, Branche, einzelne Unternehmen) als Zustand oder Verhalten für gut bzw. böse gehalten wird, ein Set von Wertmaßstäben und Verhaltensregeln, von gelebten Sitten und Konventionen (vgl. Maak/Ulrich 2007, S. 25; vgl. Waibl 2005, S. 12). Erkennbar wird Moral vor allem an der Qualität von Normen (Regeln, Vorschriften, Grundsätzen), in Wertmaßstäben und in Vorbildern (vgl. Göbel 2010, S. 8; vgl. Küpper 2006, S. 13). Moral ist das Wissen über bzw. das Ahnen von Gut und Böse, die Leitlinie für unser Gewissen. Das Gute bezeichnet vereinfacht das, was im Sinne des kategorischen Imperativs von Kant grundsätzlich als erstrebenswert (wert-voll) erscheint, das Böse als Gegenstück des Guten, das, wovon Abstand zu nehmen ist, und das sich z. B. ausdrückt im Appell: „Das tut man nicht!“ Umgangssprachliche Redewendungen sind z. B. Aussprüche wie: „… und die Moral dieser Geschichte ist …“ oder „Ich werde Dich Mores (Sitten, Anstand) lehren!“. Bekannte Begriffe sind auch Steuer-, Zahlungsoder Arbeitsmoral. Moral spielt vor allem im rechtsfreien Raum eine alles entscheidende Rolle. Im sozialen Miteinander im Unternehmen zählen Werte und das menschliche Vermögen, richtig und sozial verträglich zwischen Gut und Böse zu unterscheiden sowie die Grenzen der Fairness zu beachten, z. B. in Verhandlungen oder in Konflikten. Moralfähig und moralpflichtig sind nicht nur Individuen, sondern auch Organisationen. Aber: „Das Diabolische ist, wie wenig sorgfältig Unternehmen agieren“ (Risak 2010a). Auch wenn weitgehend Übereinstimmung darüber bestehen dürfte, dass Lügen moralisch bedenklich ist, bleibt immer die Frage nach dem 31 Grundbegriffe des Normativen Motiv und der Form der Lüge und der Abgrenzung zur List. Das gilt speziell in der strategischen Unternehmensführung, z. B. wenn man den Wettbewerb informiert bzw. nicht dementiert, man hätte kein Interesse an einem Markteintritt oder an einem Ausscheiden aus einem bestimmten Markt, obwohl das Gegenteil wahr ist. Hier seien auch zwei bekannte, praktisch häufige Phänomene genannt: • Scheinmoral, d. i. eine nach außen getragene Moral, die quasi nur so lange hält, bis es wirklich „darauf ankommt“, und • Doppelmoral, d. h. ein Verhalten, das „mit zweierlei Maß“ misst: einerseits das Pochen auf die Einhaltung von Normen und Werten bei anderen, es anderseits bei sich selbst aber nicht so genau nehmen. Es gilt, beide Haltungen als das zu erkennen, was sie sind und sie offen zu hinterfragen. 1.1.4.2 Ethos Moral ist nicht nur der – subjektiv gesehen – „äußere“ Ordnungsrahmen (Gesetze, geltende Wertmaßstäbe und Normen), sondern umfasst auch persönliche Haltungen, Überzeugungen und Tugenden einer Person. Diese innere Moral ist das Ethos (Moralität), die moralische Gesinnung, die innere Verpflichtung zum Guten (vgl. Göbel 2010, S. 12). Ethos (griech.) bedeutet einerseits Gewohnheit und Sitte, andererseits Charakter und Tugend. Diese Ambiguität erschwert den Umgang mit dem Begriff (vgl. Küpper 2006, S. 13). Durch sein Ethos fühlt sich eine Person an bestimmte Handlungsweisen gebunden, die es als gut und erstrebenswert hält, wie z. B. Gesetzestreue, Ehrlichkeit oder Fairness, bzw. als schlecht und nicht erstrebenswert ansieht, wie z. B. Illegalität, Unehrlichkeit oder Respektlosigkeit. Ethos als Charakter und Tugend bezieht sich auf die Qualität von Verhalten („Gutes wollen bzw. tun“, vgl. Pieper 2003, S. 26). Unter Charakter ist die Gesamtheit der geistig-seelischen Eigenschaften, das individuelle Gepräge eines Menschen zu verstehen. Synonyma sind: (Eigen-)Art, Natur, Wesen (vgl. Duden 2002, S. 243). Was als Eigenschaft oder als Handlung „gut“ oder „böse“ ist, sollte für alle Menschen aufgrund Ihrer Vernunft als einheitliche Normen des Sittlichen erkennbar sein (vgl. Küpper 2006, S. 13). Diese Vernunft ermöglicht ihnen sowohl eine kritische Distanz gegenüber geltenden (Rechts-)Normen (so kann z. B. ein nicht gesetzeskonformes Verhalten als moralisch gerechtfertigt empfunden werden), als auch die Neuentwicklung von Normen; 32 Grundbegriffe des Normativen also Fähigkeiten, die ein effektives Management aufweisen sollte. Ethos ist somit mehr als die Reflexion einer Person über die geltende Moral. Moral braucht symbiotisch den Menschen mit seinem Ethos, das die geltende Moral bewertet und durch konkretes Verhalten entweder unterstützt, ändert oder sich ihr entgegenstellt. Ordnungsrahmen (äußere Moral) und Ethos (innere Moral) stehen in wechselseitiger Beziehung zueinander (vgl. Göbel 2010, S. 13). Weber/Schäffer bescheinigen dem Controller aufgrund der von ihm angestrebten Neutralität, Unabhängigkeit und Unbestechlichkeit ein „Schiedsrichterethos“ (Weber/Schäffer 2008, S. 38). 1.1.4.3 Recht Recht kann als Summe aller Normen oder Vorschriften in bestimmten Bereichen (z. B. Unternehmens-, Gesellschafts-, Steuer-, Marken-, Strafrecht) verstanden werden. Recht ist eine Zwangsordnung, die das menschliche Gemeinwesen in verbindlicher Weise regelt. Recht kommt in mehreren Formen (von Normen) vor, die nach dem Stufenbau der Rechtsquellen in Österreich grob wie folgt geordnet werden können: • EU-Recht • Bundesverfassungsrecht • Zwingende Bundesgesetze • Verordnungen • Nachgiebiges (dispositives) Bundesrecht (vgl. Eichinger et al. 2009, S. 24). Moral und Recht sind gesellschaftliche Ordnungssysteme, die Begriffe Recht und Moral decken sich aber nicht. Vielmehr handelt es sich um zwei Sphären, die sich teilweise überschneiden: • Gesetze haben sittlichen Inhalt (z. B. der Verweis auf die „guten Sitten“, oder „nach Treu und Glauben“ oder „sittenwidrig“ handeln). Einige Gesetze haben keinen sittlichen Inhalt, wenn es nur um die Unterscheidung legal/illegal geht, wie z. B. bei der Einhaltung der Buchführungspflicht. • Sittliche Normen ohne Rechtsanspruch (z. B. Toleranz, Dankbarkeit, Hilfsbereitschaft). Der Begriff Ethos (als innere Verpflichtung zum Guten) macht einen weiteren Unterschied deutlich: Während sich die von Moral und Recht ausgehenden Pflichten decken können (wie z. B. Verträge einzuhalten, sie nach Treu und Glauben zu befolgen), ist die Art der Verpflichtung eine andere. 33 Grundbegriffe des Normativen Eine Person kann dem Gesetz rein äußerlich, aber ohne innere Überzeugung Folge leisten, einfach aus Angst vor Strafe; zum moralischen Handeln gehört aber die innere Triebfeder, gut handeln zu wollen und zwar vor allem dann, wenn man nicht dazu gezwungen ist. Zur Selbstverpflichtung kommt die Selbstkontrolle durch das Gewissen, als Sanktion wirkt das „schlechte Gewissen“, das (Schuld-)Gefühl, etwas Schlechtes getan zu haben (vgl. Göbel 2010, S. 12). Moralisches Verhalten ist nur erzwingbar, soweit es auch von Rechtsvorschriften gefordert wird. Recht setzt zwar äußere Grenzen für individuelles bzw. unternehmerisches Handeln, lässt aber Handlungsspielraum für moralisch bedenkliches bzw. unbedenkliches Handeln. Recht ist auch nicht gleich Gerechtigkeit. Moral und Recht sind Ordnungssysteme, Gerechtigkeit (als Wert) ist eine mögliche und wünschenswerte, aber nicht notwendige Eigenschaft solcher Ordnungssysteme. Vor allem die Rechtsprechung ist oft dem Vorwurf der Ungerechtigkeit (z. B. aufgrund der Art der Beweiswürdigung) ausgesetzt. In vielen Fällen liegen Moral und Recht auseinander, wie z. B. in folgenden: • Hohe Managergehälter sollen ein Ausdruck für entsprechend hohe tatsächliche Leistung und Verantwortung sein. Auffallende Missverhältnisse zwischen Entgelt und Leistung hingegen erscheinen moralisch nicht gerechtfertigt. • BP hatte zwar eine Genehmigung für Ölbohrungen im Golf von Mexiko, missachtete aber Sicherheitsgrundsätze und verursachte 2010 eine Ölpest historischen Ausmaßes. Gesetze lassen i.d.R. noch viele Interpretations- und Handlungsspielräume offen und nehmen selbst wieder auf moralische Kategorien Bezug. So kann z. B. die oben zitierte, vertraglich vereinbarte Gehaltshöhe „sittenwidrig“ sein, wenn Leistung und Gegenleistung in einem auffallenden Missverhältnis stehen. Auch demokratische Rechtsordnungen und „möglichst gerechte“ Gesetze können nicht verhindern, dass bestimmte Interessensgruppen Rechtsvorschriften zu ihrem wirtschaftlichen Vorteil auslegen oder beeinflussen, z. B. durch Lobbying oder das Anbieten geldwerter Vorteile als „Kavaliersdelikt“. Recht ist auch unvollkommen in der Hinsicht, als Rechtsvorschriften oft erst erlassen werden, nachdem und nicht bevor Unternehmen Probleme verursacht haben (Problem eines strukturellen time lag), oder es liegen Gesetzeslücken vor. Beispiele im Unternehmenskontext finden sich in großer Zahl, z. B. auf dem Gebiet der Geldwäsche oder der Finanzmarktregulierung. 34 Grundbegriffe des Normativen Recht wird in manchen Fällen auch einer (ambivalenten) Moral untergeordnet, man denke z. B. nur an die Anpassung der Bilanzierungs- und Bewertungsregeln an die Wünsche der Vertreter der Kreditwirtschaft infolge der Finanzkrise 2008–2009. Schlupflöcher bestehen in Zeiten globalen Wirtschaftens zudem aufgrund unterschiedlicher nationaler Rechtsordnungen. So werden in einigen Ländern Gläubiger, Arbeitnehmer, Frauen, Konsumenten, Steuerschuldner oder Investoren stärker bzw. schwächer bzw. anders geschützt als in anderen. Hier entsteht dann ein doppeltes Verantwortungsvakuum: hinsichtlich des Fehlens rechtlicher Vorschriften einerseits und hinsichtlich moralischer Schranken andererseits. Unternehmen trachten dann oft nach einem Arbitrage-Verhalten, d. h. suchen – ungeachtet moralischer „Bedenken“ – jene Rechtsordnung in Anspruch zu nehmen, die ihnen den größten Vorteil verspricht. In großen Organisationen kommt es oft zum Problem der „organisierten Unverantwortlichkeit“. Mitarbeiter wie Führungskräfte in nachgeordneten Ebenen vertrauen – und zwar ungeachtet der außerdem meist komplexen Materien – oft übergeordneten Instanzen und auf deren rechtskonformes und moralisch gerechtfertigtes Handeln. Darunter leidet die Steuerungswirkung der Rechtsvorschriften und der Moral (vgl. Gerum 1989, S. 138). Das bloße Einhalten von Rechtsvorschriften kann als moralisches Minimum bezeichnet werden (vgl. Göbel 2010, S. 257). 1.1.4.4 Ethik Während das Rechtssystem Handlungen unter dem Gesichtspunkt der Legalität untersucht, tut die Ethik dies unter dem Aspekt der Moralität (d. h. die Bereitschaft, aus Verantwortungsbewusstsein moralisch korrekt zu handeln, ohne von Rechtsnormen dazu gezwungen zu werden; vgl. Waibl 2005, S. 26). Eine zentrale Aufgabe der Ethik liegt im Finden, in der Analyse und der Begründung von Normen und Werturteilen (vgl. Küpper 2006, S. 13). Ethik als „die Lehre von Moral und Ethos“ (Göbel 2010, S. 329) bzw. als Reflexionstheorie der Moral (vgl. Waibl 2005, S. 12) beurteilt menschliches Handeln nach den Maßstäben von gut bzw. sittlich richtig einerseits und böse bzw. sittlich falsch andererseits (vgl. Pieper 2003, S. 24). In der Praxis sind Sachverhalte aber selten so eindeutig zu beurteilen, dass sie in das Schwarz-Weiß-Schema von Gut und Böse passen. 35 Grundbegriffe des Normativen “Ethics are standards that govern human conduct. Ethical concerns go directly to the existence of organizations and what constitutes proper behavior within them.” (Robbins/DeCenzo 2008, S. 17) Die Grundfragen der Ethik lauten (vgl. Göbel 2010, S. 8): • Was soll sein (Güter bzw. Werte)? • Wie soll ich handeln (Pflichten, Normen)? • Wie soll ich sein (Gesinnung, Tugenden)? Unter Ethik versteht man die Bemühungen um das Finden oberster Prinzipien und diese Prinzipien selbst, d. h. der Begriff ethisch bezieht sich auf die Reflexion. „Ethisch“ bezieht sich auf die Ethik als Wissenschaft vom moralischen Handeln des Einzelnen; wo es hingegen um konkrete Handlungsnormen geht, spricht man von Moral. „Moralisch“ bezeichnet dann die Qualität eines konkreten Verhaltens (vgl. $ $ $ Thommen/Achleitner $ $ $ 2006, S. 1044). Abbildung 2 stellt die Begriffe Ethik, Ethos, Moral und Recht zueinander in Zusammenhang: + /-012.9.:(;(<1"+.4(#.*"#%5=.>1?(+5(0#( ) A1 H* Y-Z(=($91=+, 9 1= +,7 *C * 97.7?-?$+.$91=+, E(TA*).1=?(.$?7*$?1=+,7)TA(?$Q.A+,* Abb. 2 :(@0-)+"#$(+."0+( $"#%51)@0(+.A+0%5- Quelle: in Anlehnung an Göbel 2010, S. 13 Es ist in der langen Tradition der Ethik bislang nicht gelungen, bestimmte Normen der Sittlichkeit so zu begründen oder gar zu beweisen, dass sie heute so akzeptiert wären wie z. B. Sätze der Logik oder empirische Gesetzmäßigkeiten und Befunde. So wird auch das Wort von Popper, der von der „absoluten Unfruchtbarkeit“ (Popper 2003, S. 321) der philosophischen Ethik spricht, verständlich. Unter Tugend versteht man eine Geisteshaltung, das Gute aus innerer Neigung und Bereitschaft zu tun, einen moralischen Kompass (vgl. Maak/ 36 Grundbegriffe des Normativen Ulrich 2007, S. 387). Tugend ist eine positive (Charakter-)Eigenschaft. Der lateinische Begriff virtus leitet sich von vir (Mann) ab. Der Mann, genauer: der Krieger, galt als Träger der Tugenden. Die Tugendlehre (engl.: virtue ethics) ist neben der Güter- und der Pflichtenlehre der dritte Zweig der Ethik. Als die vier klassischen Grundtugenden (Kardinaltugenden) gelten Klugheit (Weisheit), Gerechtigkeit, Tapferkeit und Mäßigung. Kant lässt nur eine Primärtugend gelten: den „guten Willen“. Als sog. Sekundärtugenden gelten Charaktereigenschaften, die zum Gelingen eines Vorhabens beitragen. Zu den Sekundärtugenden gehören z. B. Bescheidenheit, Disziplin und Fleiß, alle aus dem Tugendkatalog der sog. preußischen bzw. mitteleuropäisch-bürgerlichen Tugenden. 1.2 Vision Ausgangspunkt der Unternehmenspolitik sollte die Vision (lat. visio = Erscheinung, Vorstellung, Idee) sein, d. h. das Bild, das Gründer/innen, Unternehmer/innen und Leader darüber haben, wie ihr Unternehmen in Zukunft positioniert sein soll bzw. wird (Future Corporate Identity). “The strategic vision provides a view of the firm over the long term and what it should achieve for the future“ (Hitt et al. 2009, S. 138), oder: “To begin with, it is necessary for the firm to know where it is going” (Sullivan 1999, S. 135). Eine Vision (als „tragende Leitidee“, Gaubinger 2000, S. 69) wird zunächst nur als Gefühl bzw. als – vielleicht nebuloser – Gedanke existieren, sie sollte in weiterer Folge jedenfalls schriftlich formuliert werden. Die Grenze zwischen (positiver) Vision und (negativer) Utopie kann dabei nicht immer genau gezogen werden. Gegenstand des Denkprozesses über die Vision ist das Unternehmen in der Zukunft und im künftigen Umfeld (vgl. Bleicher 1994, S. 35). Visionen entstehen aufgrund von Vorstellungskraft, Originalität und Gestaltungswillen; sie sind herausfordernde Wunschvorstellungen. Hinterhuber (1996, S. 43) spricht in Bezug auf bestehende Unternehmen vom „Bewußtwerden eines Wunschtraumes einer Änderung“. Der Zeithorizont einer Vision ist grundsätzlich unbegrenzt. Leader sind in dieser Aufgabe i.d.R. nur durch ihre Werte und durch ihre Vorstellungen „beschränkt“; für Führungskräfte z. B. von Konzerngesellschaften oder für Franchisenehmer ergeben sich zusätzliche Einschränkungen aufgrund ihrer Einordnung in den Konzern bzw. durch den Willen des Franchisegebers. In der Vision kann auch schon die Schnittstelle zur Unternehmensstrategie formuliert werden. Dies entspricht dem Konzept von Hamel/Prahalad 37 Grundbegriffe des Normativen (1995, S. 204 f.), die von Vision als „Strategic Intent“ sprechen: die Vision legt die Zielrichtung bzw. die (unternehmerische) Absicht fest, in die sich ein Unternehmen entwickeln soll. Eine Vision muss, um erfolgreich umsetzbar zu sein: • einzigartig sein, • unverwechselbar sein, • für ein Unternehmen typisch sein, d. h. zu ihrem Entwicklungspfad passen, • die gesellschaftliche und moralische Verantwortung des Unternehmens klar erkennen lassen, • eine inhaltliche Mindestqualität und Prägnanz aufweisen, und • für die Stakeholder und das übrige Umfeld glaubwürdig sein. Die wichtigsten Funktionen einer Vision sind: • Orientierung und Ordnung (Der künftige Weg des Unternehmens wird skizziert) • Commitment der Führungskräfte und Mitarbeiter schaffen • Motivation und Integration der Mitarbeiter schaffen • Herausfordernde Impulse geben. 1.3 Mission Während eine Vision die grundsätzliche Zielsetzung des Unternehmens formuliert, umschreibt die Mission (auch: „Unternehmensphilosophie“) den Geschäftszweck und die Grenzen der Geschäftstätigkeit, die Daseinsberechtigung des Unternehmens, die mit den Wertvorstellungen und Erwartungen der wichtigsten Stakeholder übereinstimmen sollte (vgl. Lombriser/Abplanalp 2005, S. 49). Eine Vision wird mit Hilfe der Mission weiter detailliert, indem der Weg bzw. die grundsätzlichen Aufgaben des Unternehmens beschrieben werden, wie und mithilfe welcher Werte, Einstellungen, Normen und Richtlinien aus der Vision Realität werden kann. Sie drückt das Selbstverständnis („unité de doctrine“) eines Unternehmens nach außen aus. Inhalt der Mission sind vor allem Aussagen über • Grundsätze der Managementethik bzw. Code of Ethics (Code of Conduct) • Einstellung zur Nachhaltigkeit • wesentliche interne Normen und ihre Bedeutung • Soll-Werte, -Einstellungen und -Organisationskultur • Führungsgrundsätze, Führungsstil und Corporate Governance. 38 Grundbegriffe des Normativen Zahllose Unternehmen formulieren heute auf ihren Homepages Vision, Mission und Werte bzw. ihre Unternehmensgrundsätze. Über deren (Qualität der) Umsetzung ist damit natürlich noch nichts gesagt. Vision, Mission und Werte werden intern und gegenüber Externen mithilfe des Leitbilds (vgl. Pkt. 1.6) kommuniziert. 1.4 Werte Hinter dem Verhalten jeder/s Einzelnen stehen Werte, die es – für den einzelnen bewusst oder unbewusst – bestimmen. „Werte sind ,Leuchttürme‘ menschlichen Handelns“ (Haeseler/Hörmann 2008, S. 11), emotionale Maßstäbe bzw. Gefühle, an denen Menschen ihr Verhalten orientieren. Werte sind Vorstellungen über Eigenschaften, die Einzelne, Gruppen, Unternehmen oder die Gesellschaft bestimmten Einstellungen, Ideen, Prozessen, Ergebnissen und Beziehungen) beimessen, und die für den/die Wertenden emotional wichtig sind (vgl. Thommen/Achleitner 2006, S. 931). Während Tugend die Fähigkeit und den Willen, Gutes zu tun, beschreibt, dient ein Wert dem Einzelnen als Maßstab für sein Handeln. Von den Wirkungen her gesehen, decken sich die Begriffe Tugend und (positiver) Wert weitgehend. “A beliefs system is the explicit set of organizational definitions that senior managers communicate and reinforce systematically to provide basic values, purpose and direction for the organization” (Simons 1995, S. 34). Normative Festlegungen bezwecken die Übertragung von Infos über „core values“: • wie die Organisation Wert schafft • die angestrebten Leistungsniveaus • wie Menschen in Beziehungen im Unternehmen und mit dem Umfeld umgehen („Respect for the Individual”) (Simons 1995, S. 36). Empirische Erhebungen unter US-amerikanischen Managern zeigen bedeutende Unterschiede in den persönlichen Werthaltungen, Einstellungen und „beliefs“ (vgl. z. B. Moskal 1994, S. 24; Contreras 2001, S. 41). Der pekuniäre Erfolg ist nur eine der Dimensionen, in denen Menschen das messen, was ihnen etwas wert ist. Wer ausschließlich den geldwerten Vorteil sucht, erliegt einer gründlichen Täuschung: Die für ein gelungenes Leben entscheidenden Dinge wie Vertrauen, Treue und Freundschaft lassen sich nicht bezahlen (vgl. Höffe 2009, S. 3). Dabei geht es darum, was einem persönlich und im Unternehmen wichtig und für sich selbst und das Unternehmen wert-voll ist, d. h. um Werte i. S. von values und nicht um den materiellen, ökonomischen Wert (value). 39 Grundbegriffe des Normativen “Values are broad tendencies to prefer certain states of affairs over others. Values are feelings with an arrow to it: a plus and a minus side.” (Hofstede/Hofstede 2005, S. 8) Werte drücken aus, welche Normen das Individuum für sich höher und welche es niedriger gewichtet. Daraus entstehen höchstpersönliche Werthaltungen, eine Werteskala und Wertschätzungen anderen gegenüber. Normen und Werte werden auf mehreren Wegen im Menschen verankert. Wie verhaltensphysiologische und neurobiologische Erkenntnisse zeigen, spielen dabei unbewusste Vorgänge eine maßgebliche Rolle. Sie verbinden sich mit Vorgängen des persönlichen Abwägens, die zu einer bewussten (Nicht-)Akzeptanz von Normen führen können. Beide Komponenten wirken häufig eng zusammen und lassen sich oft nur schwer trennen. Wenn sie in Konflikt geraten, kann das Verhalten des Einzelnen mehrdeutig bzw. unberechenbar werden (vgl. Küpper 2006, S. 72). Werte sind das zentrale Element, um eine Unternehmensidentität zu schaffen und eine bestehende Unternehmenskultur zu gestalten. Eine gemeinsame Wertebasis erhöht die Reputation und ermöglicht gemeinsame Arbeit. Durch die Verankerung von Werten, die für das Führungsverhalten und die Entscheidungsfindung im Unternehmen akzeptiert werden, können unternehmensethische Prinzipien zu einem sehr wirksamen Führungsinstrument werden. Entscheidungsträger in den verschiedenen Organen sowie Führungsebenen von Unternehmen bringen ihre Normen und Werte in die betrieblichen Entscheidungsprozesse ein. Damit kommt auch ihren persönlichen Präferenzen maßgebliche Bedeutung bei der Zielbildung und Entscheidungsfindung zu. Welche Werte haben im Unternehmen nun zentrale und grundlegende Bedeutung? Schlager hat für den Einsatz in der Persönlichkeits- bzw. Personalentwicklung einen Katalog mit 80 individuellen, positiven Werten entwickelt (vgl. Schlager 2007, S. 191); ähnlich bringen Maak/Ulrich einen Tugendkatalog (vgl. Maak/Ulrich 2007, S. 388 f.). Abbildung 3 zeigt die für normatives Management und Controlling aus unserer Sicht wichtigsten Werte als „Positive Werte-Portfolio“. Aus der Vielzahl positiver Werte sollen die nachstehenden aufgrund ihrer praktischen Bedeutung hervorgehoben werden: 䉴 Vertrauen d. i. die Fähigkeit, auch unter ungewissen Bedingungen an etwas oder jemanden zu glauben bzw. einer Möglichkeit Raum und Zeit zu geben, sich 40 $ $ • + Abb. 3 $ Grundbegriffe des Normativen B+)-%+4=.B3),(,51@0(+0(1-= B3-0(+&81-C-=.D(0%##51@02(1-=.D()@0(14(+0(1-= D()"++(+0(1-=..D()-C+41,2(1-=.E%+2F%#2(1-=./0#51@02(1-= /1+GH053+,)'(#$I,(+=./1+)%-8F(#(1-)@0%J=./1+)1@0-= /+-)@05"))(+0(1-=..K5(<1F151-C-=..K#(34(=.L(4354= L(5%))(+0(1-=..L(+%31,2(1-=.L(#(@0&,2(1-= L(M1))(+0%J1,2(1-=..L5%3FMH#41,2(1-=.L#"N8H,1,2(1-= O%#$"+1()-#(F(+=..O15G)F(#(1-)@0%J=.O"P+3+,=.O3$"#= A4(%51)$3)=.A+-(,#1-C-=..A+-31&"+=.Q53,0(1-= Q"+)(+)"#1(+&(#3+,=.Q#(%&'1-C-=..R1(F(+)MH#41,2(1-= R"S%51-C-=..*1-,(GH05=..*3-=.TP(+0(1-=..TU&$1)$3)= V;1@0-,(GH05=.:(%51-C-))1++=..:()U(2-= :1)12"F(M3))-)(1+=.>(5F)-41)81U51+=.>"514%#1-C-= >U%#)%$2(1-=..W"5(#%+8=.X(#%+-M"#-3+,)F(M3))-)(1+= X(#)-C+4+1)=..X(#-#%3(+=.X"#)1@0-=..Y(1-)1@0-=.YH#4(= Z3'(#)1@0- Quelle: in Anlehnung an Schlager 2007, S. 191 zu entfalten und Wirklichkeit zu werden. Jemandem zu vertrauen bedeutet, sein Verhalten als vorhersagbar einzuschätzen. Vertrauen ist der Glaube an die Integrität des Anderen (vgl. Schlager 2007, S. 91; vgl. Horak/Pelzmann 1996, S. 593; vgl. Neubauer/Rankl 2010, S. 52). „Vertrauen ist die vielleicht wichtigste Ressource für das langfristige Überleben eines Unternehmens (Maak/Ulrich 2007, S. 180). Fehlt es an Vertrauen zwischen Mitarbeitern bzw. Management, leidet die Motivation aller Beteiligten. Mit Adam Smith könnte man sagen, dass eine Führungskraft für das Vertrauen, das man in sie setzen kann, bezahlt wird, und nicht nur für ihre Fähigkeiten und Leistungen (vgl. Eschenbach 2003, S. 65). Für Hemel hat Vertrauen den Stellenwert eines der vier „Grundelemente ethischer Mindeststandards“ eines Unternehmens; die weiteren Elemente sind eine transparente Kommunikation, eine glaubhafte Strategie und eine „optimale“ Wertschöpfung (vgl. Hemel 2007, S. 306–315). An dieser Stelle sei auf einen verbreiteten Irrtum aufmerksam gemacht, der in der Aussage „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“ (vom russischen Sprichwort: „Vertraue, aber prüfe nach!“) wurzelt. Vertrauen beruht auf der Erfahrung, inwieweit ein (Gesprächs-)Partner zuverlässig, ehrlich, be41 Grundbegriffe des Normativen rechenbar ist bzw. agiert. Nicht richtig ist aber, Kontrolle sei wichtiger oder „besser“ als Vertrauen. Vielmehr ist Kontrolle bzw. die Tatsache, dass die Einhaltung von Normen kontrolliert wird bzw. werden kann, die unverzichtbare Voraussetzung, um Vertrauen zu schaffen bzw. zu erwerben. Ganz in diesem Sinn sieht z. B. die IAS-Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 bezüglich internationaler Rechnungslegungsstandards in Art. 16 strenge Kontrollen vor, um das Vertrauen der Anleger in die Finanzmärkte zu stärken. 䉴 Integrität d. i. die Fähigkeit, vertrauenswürdig zu handeln und unbestechlich zu bleiben. Je mehr Integrität gelebt wird, desto sicherer kann man sich sein, dass eine Person auch wirklich zu dem steht, was sie sagt, und desto klarer wird echte Charakterstärke erkennbar (vgl. Schlager 2007, S. 60). Integer sind Führungskräfte nur, wenn sie ihr ökonomisches Führungsdenken nicht von ihrem Selbstverständnis als „anständige“ Bürger abkoppeln. Und aus Integrität folgt Glaubwürdigkeit (vgl. Höffe 2009, S. 2). Persönliche Integrität ist die Übereinstimmung zwischen Werten, Worten und Verhalten (vgl. Neubauer/Rankl 2010, S. 173 f.). Ein integrer Mensch lebt im Bewusstsein, dass seine persönlichen Überzeugungen, Maßstäbe und Wertvorstellungen in seinem Verhalten zum Ausdruck kommen sollen. Persönliche Integrität kann demnach auch als Treue zu sich selbst umschrieben werden: „Sage das, was Du tust und tue das, was Du sagst!“ (Hemel 2007, S. 290) Das Gegenteil von Integrität ist Bestechlichkeit (Korrumpierbarkeit), also sich in seinem Verhalten nicht von inneren Werten und Prinzipien, sondern von äußeren Versprechen bzw. Verlockungen (ver-)leiten zu lassen. 䉴 Gerechtigkeit (Fairness) d. i. die Fähigkeit, unvoreingenommen und unparteiisch abzuwägen, angemessen zu handeln und niemanden absichtlich zu benachteiligen. Je mehr Fairness gelebt wird, desto mehr menschliche Größe wird bewiesen. Fairness erzeugt im Anderen Respekt (vgl. Schlager 2007, S. 36 und S. 46). Auch für Reimer sind Gerechtigkeit und Verantwortung wesentliche ethische Grundwerte (vgl. Reimer 2005, S. 56). Gerechtigkeit ist auch in der Kosten- und Leistungsrechnung ein Thema, und zwar in Gestalt der Verursachungsgerechtigkeit. 䉴 Aufrichtigkeit i. S. von Ehrlichkeit und Rechtschaffenheit ist die Voraussetzung für Vertrauen. Als Wert steht Aufrichtigkeit im Mittelpunkt der angewandten Wirt42 Grundbegriffe des Normativen schaftsethik von Waibl. Aufrichtigkeit wird gegenüber jemandem Anderen ausgeübt. Zuvor bedarf es der Aufrichtigkeit gegenüber sich selbst, d. h.: • sich nicht in Selbstüberschätzung größer machen bzw. andere herabsetzen, • zu seinen Fehlern stehen und den Grund für seinen Misserfolg nicht bei Anderen suchen, und • jene(n) anerkennen, denen Erfolg zu verdanken ist. Aufrichtige Bilanzlegung meint das Vermitteln eines ehrlichen, vollständigen Bilds nicht nur der Vermögens, Ertrags- und Finanzlage, sondern auch das Legen von Sozial-, Öko-, Wissensbilanzen und Nachhaltigkeitsberichten. Unaufrichtige Selbstdarstellung gleicht dem Errichten von sog. Potemkinsche Fassaden, sich bzw. anderen etwas vormachen; sie können evtl. kurzfristig beeindrucken bzw. irreführen, unterstreichen aber oft eine Vogel-Strauß-Politik („Wir haben kein Problem!“) und untergraben langfristig die Glaubwürdigkeit (vgl. Waibl 2005, S. 65–68). 䉴 Glaubwürdigkeit d. i. die Fähigkeit, ehrlich, verlässlich und verantwortungsbewusst zu handeln. Je mehr Glaubwürdigkeit gelebt wird, umso vertrauenswürdiger wird man (vgl. Schlager 2007, S. 50). Unternehmen sind Teil der Gesellschaft und sollen den Anspruchsgruppen (Stakeholdern) auf gesellschaftlich akzeptierte Weise Nutzen stiften. Die Akzeptanz eines Unternehmens in der Gesellschaft bringt Vertrauen durch die Gesellschaft, es wird vertrauens- und glaubwürdig. 䉴 Verantwortlichkeit Ist die Fähigkeit, sich für bestehende Pflichten voll einzusetzen und dabei nach bestem Wissen und Gewissen so gut wie möglich und zum Wohle aller Beteiligten zu handeln (vgl. Schlager 2007, S. 89). Etwas verantworten heißt: erstens, es auf sich nehmen, für die evtl. aus etwas sich ergebenden Folgen einstehen, und zweitens, sein Verhalten oder seine Absicht rechtfertigen (vgl. Duden 2002, S. 967; vgl. Malik 2008, S. 267). Thommen/Achleitner (2006, S. 1049–1055) nennen die Glaubwürdigkeit des Unternehmens als Leitwert unternehmerischen Handelns und meinen damit • verantwortliches • kommunikatives, d. h. aktiv die Kommunikation mit Stakeholdern suchend, und • innovatives Handeln i. S. von für neuartige Probleme „gute“ Lösungen zu finden. 43 Grundbegriffe des Normativen Verantwortung wird dabei unter drei Aspekten gesehen (vgl. Thommen/ Achleitner 2006, S. 1052 f.): • Rollenverantwortung, d. h. ein Stelleninhaber bzw. ein Unternehmen ist für sein Verhalten rechenschaftspflichtig. • Kausale Verantwortung, d. h. für sein Verhalten und dessen Folgen hat der Einzelne bzw. ein Unternehmen einzustehen. • Fähigkeitsverantwortung, d. h. der Einzelne bzw. ein Unternehmen ist verantwortlich, eine Problemlösung anzubieten, wenn er bzw. es dazu von seinen Ressourcen her fähig ist. Bei einer Führungskraft lassen sich drei Arten von Verantwortung nicht abschieben: die unternehmerische, die juristische und die gesellschaftliche Verantwortung (vgl. Höffe 2009, S. 5). In der heutigen globalen Stakeholder-Gesellschaft gibt es drei Arten von Verantwortung, die zugleich auch die Orte der Moral, d. h. wo es auf ethisch richtiges Verhalten und Entscheiden ankommt, beschreiben (vgl. Maak/Ulrich 2007, S. 6): • Verantwortung gegenüber der Gesellschaft • Verantwortung („Governance“) für das Unternehmen • Verantwortung des Einzelnen und gegenüber Einzelnen. Zur Verantwortung gehört vorrangig das Verantwortungsbewusstsein einer Person. Dieses bemisst sich vor allem nach der: • Denk- und Erkenntnisfähigkeit, insb. hinsichtlich der Folgen des Verhaltens und von Entscheidungen, und der • moralischen Urteilsfähigkeit, d. h. in wie weit Handeln dem Eigennutz und/oder dem Gemeinwohl dient. Ethisches Handeln ist nicht nur eine Frage des „guten Willens“. Die Verantwortung einer Person für das eigene Handeln wird umso größer sein, je höher das Niveau bei beiden Parametern ist. Und gute Führungskräfte müssen in beiden Fällen ein hohes Niveau mitbringen (vgl. Reimer 2005, S. 59). Auf Basis einer Befragung von 130.000 Personen kommt Covey zu Schluss, dass Unternehmen, die ihre Ziele erreichen, klare Systeme der Verantwortung und Rechenschaftslegung haben. Solche Systeme sind aber nicht stark verbreitet: Nur 53 % berichten regelmäßig über ihre Fortschritte der Zielerreichung, und nur 38 % besprechen mindestens einmal im Monat mit der Führungskraft die Fortschritte bei der Zielerreichung (vgl. Covey 2008, S. 44). Abbildung 4 soll anhand einer „Wertemedaille“ zusammenfassend die herausragende Bedeutung der positiven Werte Vertrauen, Integrität, Ver44 Grundbegriffe des Normativen antwortung und Glaubwürdigkeit im Unternehmen verdeutlichen und ihnen die $entsprechenden Werte Bestechlichkeit, $ $ negativen $ $ (Misstrauen, $ Verantwortungslosigkeit und Unglaubwürdigkeit) gegenüberstellen. $$$$$$$$$$$$61=;(=)(7*($$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$P(A=)(7*( 6$($=$*$=$+$-$($. Q.*(B /=7*C* 6(=+.*B <1=*-./ ',+-"<F=;7/0(7* 9$7$)$)$*$=$+$-$($. I()*(TAB ,7TA0(7* 6(=+.*B <1=*-./)B ,1)7/0(7* @./,+-"<F=;7/0(7* Quelle: Eigene Darstellung Abb. 4 Die im Unternehmen gelebten positiven und negativen Werte beeinflussen unablässig auch die Unternehmenskultur und vice versa. 1.5 Unternehmenskultur Kultur (lat. cultura: Bearbeitung, Pflege) bezeichnet alles, was Menschen gestaltend hervorbringen, im Gegensatz zu Natur. Der Begriff Unternehmenskultur ist in der Literatur nicht eindeutig definiert. Bleicher versteht darunter ein „System von Wertvorstellungen, Verhaltensnormen, Denk- und Handlungsweisen …“ (Bleicher 1991, S. 732). Deal/Kennedy definieren sie als Sammlung von Werten, Symbolen, Helden, Ritualen und Geschichten (vgl. Deal/Kennedy 1987, S. 75). Hofstede/Hofstede nennen Denk- und Verhaltensmuster „mental programs“ und „software of the mind“: „A customary term for such mental software is culture“ (Hofstede/Hofstede 2005, S. 3). Kultur ist ein kollektives Phänomen und je nach sozialer Umgebung verschieden und verschieden stark ausgeprägt. „Culture consists of the unwritten rules of the social game” (Hofstede/Hofstede 2005, S. 4). Drei Ebenen der Einzigartigkeit der mentalen Programmierung können unterschieden werden: 45 Grundbegriffe des Normativen • An der Basis die menschliche Natur, die jedes Individuum durch Vererbung erwirbt; • darauf aufbauend Kultur, die je soziale Gruppe unterschiedlich ist, die erlernt bzw. erfahren wird; und • wiederum darauf aufbauend Persönlichkeit, d. h. der individuelle Charakter als „unique personal set of mental programs“ (Hofstede/Hofstede 2005, S. 5), die durch Vererbung und durch Lernen erworben wird. Für Edgar Schein ist Unternehmenskultur die Gesamtheit aller Grundannahmen, Werte, Normen und Symbole, die in einem Unternehmen tatsächlich gelebt werden bzw. werden sollen (vgl. Schein 1985, S. 263). Unternehmenskultur ist das soziale Produkt der Interaktionen der Unternehmensmitglieder, die sie zwar einerseits laufend mit gestalten, die sie aber andererseits als etwas Äußeres, Unternehmenstypisches, Handlungsanleitendes und besondere Art von Verbindlichkeit empfinden. Sie ist durch informale Werte und Normen gekennzeichnet. Nach dem Drei-Ebenen-Konzept von Schein (1985, S. 14; vgl. Abbildung 5: „Unternehmenskultur als Pyramide“) stehen • an der Basis Grundannahmen (unsichtbar, den Einzelnen meist unbewusst), • darauf aufbauend $ $ Normen und Regeln (teilweise $ $ sichtbar, teils unbewusst), und + L`?"1,($aL3=+TA(8 E7*-+,(8$P,(7;-./8 @?/+./)M1=?(.8 !*?1)3AC=(8 S1=31=+*($Q;(.O*`8 '("C-;(5 >1=?(.$-.;$E(/(,.$a6(=A+,*(.)B$-.; bFA=-./)/=-.;)C*2(8$9+c7?(.8$M1=?+,($-.; 7.M1=?+,($E(/(,.5 I+)7)+..+A?(.$-.;$61=)*(,,-./(.$F"(=$D(=*(8$L7..$;() :("(.)8$D+A=A(7*8$D()(.$;()$H7.2(,.(.8$)127+,($I(27(A-./(. Abb. 5 46 Quelle: Schein 1985, S. 14 Grundbegriffe des Normativen • an der Spitze dieser Hierarchie die Symbole (sichtbar, aber interpretationsbedürftig). Die Unternehmenskultur spielt für Performance und Erfolg des Unternehmens eine zentrale Rolle. Sie beeinflusst die Strategieentwicklung, indem sie z. B. strategische Alternativen ablehnt oder nicht berücksichtigt und ist eine Hauptdeterminante für den Erfolg oder Misserfolg der Strategieumsetzung (vgl. Lombriser/Abplanalp 2004, S. 161). In der Performance ist stets auch eine moralische Performance (vgl. Maak/Ulrich 2007, S. 340). Aussagen über eine Unternehmenskultur lassen sich vor allem anhand folgender Merkmale treffen (vgl. Schreyögg 2008, S. 367–372): • Art des Führungsstils und der Entscheidungsfindung • Sprache untereinander und gegenüber Kunden, Lieferanten und anderen Stakeholdern • Altersstruktur des Managements und der Mitarbeiter • Komponenten des Anreizsystems • Motivation und Identifikation mit dem Unternehmen • Qualitäten bzw. Werte wie Respekt, Vertrauen, Offenheit • Einstellung und Neigung zum Risiko • Zielgruppenorientierter Umgang • Unternehmensstruktur • Image einer Organisation bzw. Auftreten nach außen (z. B. Homepage, Werbung). 1.6 Leitbild Besser als durch das folgende Zitat kann der Zweck des Leitbilds eines Unternehmens nicht formuliert werden: „Wenn Du ein Schiff bauen willst, so trommle nicht Menschen zusammen, die Holz beschaffen, Werkzeuge vorbereiten, Aufgaben vergeben und Arbeit einteilen, sondern lehre die Menschen die Sehnsucht nach der großen, weiten Welt“ (Antoine de Saint-Exupéry). Das Leitbild stellt das Instrument der Führung zum Zweck der Gestaltung der Unternehmenskultur in Richtung der Unternehmensphilosophie und der Vision dar, und zwar in Unternehmen jeder Größe oder Ausrichtung. Es skizziert im Detail das Zukunftsbild des Unternehmens sowie die Werte und die Unternehmenskultur, denen sich Führung und Mitarbeiter gemeinsam annähern möchten bzw. sollen. Es hat normative Wirkung, weil es ein „realistisches Idealbild“ (Ulrich 1990, S. 91), einen Soll-Zustand beschreibt. Es dient als Mittel zur Kommunikation der Vision und der Mission an die Stakeholder. 47 Grundbegriffe des Normativen Ein professionell gestaltetes Leitbild weist folgende Charakteristika auf: • Die wichtigsten Organisationsgrundsätze werden leicht verständlich kommuniziert. • Es klärt den Zweck (raison d’ tre) und das Selbstverständnis einer Organisation, d. h. wofür sie steht und wofür nicht. • Es schafft einen Orientierungs- und Handlungsrahmen für Mitarbeiter und Koalitionäre. • Durch das (Nicht-)Befolgen des Leitbilds wird die Unternehmenskultur gestaltet. • Es soll die Bemühungen aller in der und für die Organisation Handelnden im Hinblick auf die gemeinsame Vision bündeln. • Die beabsichtigte Gültigkeitsdauer ist – wie bei der Vision – unbegrenzt. Das heißt aber nicht, dass der Zeithorizont für die Umsetzung unbegrenzt ist. Im Gegenteil: es bedarf eines Zeitplans, bis wann bestimmte Teile der Organisationskultur in die gewünschte Richtung verändert werden. Dies dauert Monate bis fallweise Jahre. • Leitbilder sollten daher zeitliche Checkpoints enthalten, zu denen sie regelmäßig auf ihren Realitätsgehalt in einem sich ändernden Umfeld zu prüfen sind. Ein professionelles Leitbild einer Organisation sollte die folgenden Themen ansprechen: • Vision, Mission, Selbstverständnis, Werte und Soll-Image der Organisation • Werte und Werthaltungen (Code of Conduct) • Unternehmenskultur • Nachhaltigkeit (sustainability, Corporate Social Responsibility) • Geschäftsbereiche, Märkte, No-go-zones (z. B. Gentechnik, Tabak, Atomkraft, Korruption) • Leistungsprogramm, Problemlösungen, Standorte • Führungsgrundsätze und -konzept (Kommunikationsregeln) • Beziehungen zu Stakeholdern • Langfristige Zielrichtungen und strategische Orientierung. 1.7 Lessons learned Eine Norm ist ein Verhaltens-Soll; sie formuliert, was sein oder geschehen soll, insb. dass sich Menschen in bestimmter Weise verhalten sollen. Aus Sicht der Unternehmensführung bedeutet Norm, was und wie etwas im Unternehmen sein soll; es geht um Unternehmenspolitik. Hier interessieren nicht externe Normen, sondern interne Regelungen; diese sind entweder formale, wie z. B. Unternehmensverfassung, Satzung 48 Grundbegriffe des Normativen oder Code of Ethics, oder informelle Normen wie Arbeitsmoral, Führungsstil oder Unternehmenskultur. Mit dem Begriff Norm verwandte Begriffe sind • Regel (d. i. eine Empfehlung oder regelmäßiges bzw. gewohnheitsmäßiges Verhalten) • Maxime (d. i. ein persönlicher Grundsatz des Verhaltens) • Grundsatz (Prinzip; d. i. eine Richtgröße für konkretes Handeln, die unabhängig von konkreten Entscheidungssituationen gilt). Quellen von Normen sind • Moral (d. i. ein Verhalten, das in einem bestimmten Raum-Zeit-Bezug als gut bzw. als böse angesehen wird) • Ethos (d. i. die moralische Gesinnung, die Einstellung zu Gut bzw. Böse) • Recht (externe Normen) • Ethik (d. i. die Lehre von Moral und Ethos). Kein Verhalten, auch nicht im Kontext von Management und Controlling ist ohne Rekurs auf ethische bzw. moralische Grundsätze durchgängig verständlich bzw. interpretierbar. Nicht nur Individuen, auch Unternehmen sind moralfähig. Als Normen gelten im vorliegenden Kontext nur interne Normen, und zwar: • Vision (d. i. das Bild, das Unternehmer bzw. Geschäftsführer darüber haben, wie ihr Unternehmen in Zukunft positioniert sein soll bzw. wird), • Mission (d. i. die Konkretisierung einer Vision; umschreibt den Geschäftszweck, die Grenzen der Geschäftstätigkeit und die Daseinsberechtigung des Unternehmens) • Werte (d. s. emotional fundierte Grundsätze des Verhaltens) und Tugenden, • Unternehmenskultur (d. i. die Gesamtheit aller Grundannahmen, Werte, Normen und Symbole, die in einem Unternehmen verhaltensanleitend wirken), • Leitbild (d. i. Mittel zur Kommunikation des Zukunftsbilds des Unternehmens sowie der Werte und der Unternehmenskultur, denen sich Führung und Mitarbeiter annähern sollen), und • weitere interne unternehmenspolitische Regelungen wie z. B. ein Compliance Code. Nicht als interne, unternehmenspolitisch relevante Normen gelten nach diesem Verständnis: 49 Grundbegriffe des Normativen • Rechtsnormen, weil sie einem Unternehmen von außen auferlegt werden • Qualitätsnormen bzw. -standards als sog. „selbstdurchsetzende“ Normen • Normen niedrigerer Ordnung, die Vorhaben bzw. Verhaltensforderungen an bestimmte Personen bzw. konkrete Anwendungsfälle darstellen, wie z. B. Verfahrens- und Arbeitsanweisungen. Die Gesamtheit aus Vision, Mission, Werten, Unternehmenskultur und weiteren Normen macht die Unternehmensidentität (Selbstverständnis des Unternehmens) aus. Dieses Verständnis kann wie folgt grafisch dargestellt werden $ $(vgl. Abbildung 6). $ $ + X1)1"+ 7+-(#+(0$(+)[ 14(+&-C- Y(#-( Y(1-(#( !"#$(+ Q35-3# *1))1"+ 7+-(#+(0$(+)5(1-F154 Abb. 6 Quelle: vgl. Eschenbach/Siller 2009, S. 121 Durch Einsatz dieser Komponenten und zusammen mit Maßnahmen der Kommunikation nach innen wie nach außen, des Corporate Designs und grundsätzlich einheitlicher Werte (Corporate Behavior) soll das Unternehmen als einheitliches Ganzes gestaltet werden, um es – aus Sicht der Stakeholder – unverwechselbar und – aus Sicht des Managements – in seinen Strukturen und Prozessen steuerbar zu machen. 50 Grundbegriffe des Normativen 1.8 Learning by doing A 1.1 Franz Berger hat ein gut gehendes Restaurant. Anna Wagner ist seine alte Bekannte und Mitarbeiterin im Betrieb. Eines Tages beschließt sie, sich selbständig zu machen und im Nachbarort ein Restaurant zu eröffnen. Sie hat jedoch nicht die erforderliche Gewerbeberechtigung. Das weiß Franz Berger und erstattet anonym Anzeige gegen sie. Die zuständige Behörde lässt das Lokal schließen. Wie ist die Situation juristisch und moralisch zu beurteilen? A 1.2 Wie kommt ein Student zum Wunschthema seiner Bachelor-Arbeit? Kurz vor Nennung seines Wunschthemas meldet er sich – neben mehreren anderen – für ein anderes Thema, das er dann offensichtlich selbstlos und scheinbar schweren Herzens an einen Mitstudenten abtritt. Dann kann ihm die Zusage für das ihn eigentlich faszinierende Thema „Die Bedeutung der Managementethik im Controlling“ kaum noch versagt werden. Ist das Vorgehen moralisch bedenklich? A 1.3 In The Devil’s Dictionary definiert Bierce Verantwortung als Belastung, die sich leicht anderen aufladen lässt (vgl. www.thedevilsdictionary.com/?R; Geben Sie dazu bitte „Responsibility“ in das sich öffnende Fenster ein). Diskutieren Sie bitte diese Einstellung! A 1.4 Nennen Sie zu zehn positiven Werten Ihrer Wahl aus dem Werte-Portfolio die entsprechenden zehn negativen Pendants und nennen Sie Situationen im Unternehmen, in denen sie eine Rolle spielen! A 1.5 Nennen Sie bitte Beispiele für Situationen, in denen Moral und Recht auseinander liegen! 51 „Das, was ,nach Enron‘ über das Thema Ethik und Management gesagt wurde, waren Selbstverständlichkeiten. Wenn man wichtige, aber selbstverständliche Dinge („Du sollst nicht lügen“) zum Gegenstand fundamentaler Betrachtung macht, dann stimmt in der Gesellschaft offensichtlich etwas nicht mehr.“ (Hemel 2007, S. IX) 2 Normative Führung und Unternehmensethik Ziele des Kapitels Nach der Lektüre dieses Kapitels wissen Sie, • warum Führungskräfte auch Entrepreneure sein und Leadership-Qualitäten haben sollten, • warum Missmanagement der Vorbildrolle von Führungskräften schadet, • wie Rationalität und Legitimität zusammenhängen, • was Unternehmensethik bezweckt, • was ethische Dilemma-Situationen sind, • welche unternehmensethischen Ansätze es im Verhältnis zur Betriebswirtschaft gibt, und • warum letztlich die Moral Vorrang vor betriebswirtschaftlichen Interessen haben sollte. 2.1 Führung 2.1.1 Führung (Management) Das englische Verb „to manage“ hat zahlreiche Facetten wie u. a.: handhaben, fahren, führen, leiten, verwalten, dirigieren, bearbeiten, beeinflussen, in die Wege leiten, zustande bringen, einrichten, regeln, „hinkriegen“, fertigbringen, wirtschaften. In der Literatur finden sich dem entsprechend verschiedene Auffassungen von Management. Etymologisch lässt sich der Begriff auf das Lateinische manus agere, „an der Hand führen“, oder auf mansionem agere, „das Haus in Ordnung halten“ zurückführen (vgl. Staehle 1999, S. 39). Der im Deutschen heute noch mancherorts für Management zu findende Ausdruck „Gestionierung“ findet sich heute in romanischen Sprachen als Ausdruck für Führung: im Italienischen: gestione, im Französischen: gestion, im Spanischen: gestión, und im Portugiesischen: gestão). 52 Normative Führung und Unternehmensethik Unternehmensführung (engl.: management) ist die zielorientierte Gestaltung, Steuerung und Entwicklung eines soziotechnischen Systems (vgl. Hopfenbeck 2002, S. 493) bzw. das Gestalten, Lenken und Entwickeln des komplexen sozialen Systems Unternehmen (vgl. Ulrich 1988, S. 19). Ihre Aufgabe ist es, den Prozess der betrieblichen Leistungserstellung und -verwertung so zu gestalten, dass die Unternehmensziele auf höchstmöglichem Niveau erreicht werden können (vgl. Wöhe/Döring 2008, S. 52). Manager haben selbst Aufgaben und tragen Verantwortung; sie lenken und disponieren zudem die Aktivitäten und Aufgaben der Ausführenden. „The term management refers to the process of getting things done, effectively and efficiently, through and with other people” (Robbins/DeCenzo 2008, S. 6). Ins Detail gehen Hitt et al. (2009, S. 25 f.), wenn sie schreiben: „More specifically, management is the process of assembling and using sets of resources in a goal-directed manner to accomplish tasks in an organizational setting.” Im deutschen Sprachraum wird Unternehmensführung treffend in Willensbildung und Willensdurchsetzung unterteilt (vgl. z. B. Eisl et al. 2008, S. 26; vgl. Thommen/Achleitner 2006, S. 864 f.). Hinzu kommen sollte als dritte Phase die (nachhaltige) Willenssicherung (vgl. Klinger/Klinger 1998, S. 11). Führung sollte sowohl als Unternehmens- als auch als Mitarbeiterführung verstanden werden, und zwar deshalb, „… weil eine gute oder schlechte Führung sich früher oder später entscheidend im Unternehmenserfolg niederschlägt“ (Thommen/Achleitner 2006, S. 859). Malik (2001, S. 34–38) nennt folgende Missverständnisse über Management: • „Die Meinung, nur wer Mitarbeiter hat, sei ein Manager.“ Richtig ist vielmehr, dass viele Spezialisten Manager sind, aber keine Mitarbeiter haben. Aber sie tragen Verantwortung. Und auch Selbstmanagement ist eine wichtige Form von Management. • „Die Meinung, nur Mitarbeiter seien zu führen.“ Richtig ist vielmehr, dass auch Konsequenz in der Problemlösung, Kommunikation, Kooperation, Überzeugungsfähigkeit und Durchsetzungsvermögen gegenüber gleichgestellten Managern wesentlich sind. • „Die Meinung, Management sei eine Sache der Wirtschaft.“ Richtig ist vielmehr, dass auch eine nicht gewinnorientierte Organisation (z. B. eine Gemeinde, die Caritas oder ein Forschungsinstitut) zu führen ist. Management bzw. Unternehmensführung kann unter verschiedenen Aspekten analysiert werden: • Führung im funktionalen Sinn, d. h. Management als Bündel von Tätig53 Normative Führung und Unternehmensethik keiten. Abbildung 7 zeigt im Überblick Funktionen, die unterschiedliche $ $ zuschreiben. $ $ Autoren dem Management B3-"#(+ K3+2&"+(+.'"+.*%+%,($(+-.\KH0#3+,] DKA($e$GK=7./$aXffg8$L# U[5 h7(,"7,;-./8$\,+.-./8$H.*)TA(7;-./8$!-)MFA=-./8$P1.*=1,,(8$Q.M1=?+O1.8 P11=;7.+O1. 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E1""7.)$e$G(S(.21 aXffg8$L#$V$M#5 \,+..7./8$N=/+.727./8$:(+;7./$aG7=(TO./58$S1.*=1,,7./$a91.7*1=7./5 l7m$(*$+,#$aXffi8$L#$[X$k [W5 \,+..7./8$N=/+.727./8$G7=(TO./8$S1.*=1,,7./$aE(/-,+O./5 Abb. 7 Quelle: Eigene Darstellung • Führung im prozessualen Sinn, d. h. in den einzelnen Phasen der Willensbildung und -durchsetzung. • Führung im juristischen Sinn (als Institution), d. h. als Zusammenspiel von gesetzlich vorgesehenen oder vertraglich definierten Organen einer Organisation: – Aufsichtsorgan – Unternehmer bzw. Gesellschafter – Vorstand bzw. Geschäftsführung – Haupt- bzw. General- bzw. Gesellschafterversammlung – Sonstige Führungsgremien wie z. B. ein „Management Team“, bestehend aus (Haupt-)Abteilungsleitern. • Führung im personellen Sinn, sie umfasst – Top Management, z. B. Vorstand, Geschäftsführung, Aufsichtsrat – Mittleres Management, z. B. Direktor, Geschäftsbereichs-, (Haupt-) Abteilungsleiter – Unteres Management, z. B. Gruppen-, Werkstatt-, Kostenstellenleiter (vgl. z. B. Hopfenbeck 2002, S. 497; vgl. Robbins/De Cenzo 2008, S. 5). Manager (Führungskräfte) haben es mit drei Ebenen betrieblicher Wirklichkeit zu tun. Ihr Handeln richtet sich auf 54 Normative Führung und Unternehmensethik • physische Objekte wie Rohstoffe, Gebäude und Anlagen, Transportmittel u. a. • symbolische und formale Objekte wie Ziele, Geld, Kosten, Preise, Deckungsbeiträge, Portfolios u. a. • Personen (Mitarbeiter, Kunden, Lieferanten, u. a.) und ihre Charaktere und Eigenschaften (vgl. Reimer 2005, S. 19 f.). Manager mit verhaltens- oder sozialwissenschaftlichem Hintergrund sind in der heutigen Führungspraxis vergleichsweise selten. Die meisten Manager haben betriebswirtschaftliche, technische oder juristische Ausbildung. Die schwerer lösbaren Probleme bestehen i.d.R. aber darin, das menschliche Verhalten in seiner Komplexität zu verstehen und zu beeinflussen (vgl. Reimer 2005, S. 5). Im deutschen Sprachraum werden die Begriffe Management und Unternehmensführung zwar meist synonym verwendet (vgl. z. B. Staehle 1999, S. 71; vgl. IGC 2005, S. 437), es gibt aber auch Ausnahmen, die im vorliegenden Kontext beachtenswert scheinen: So unterscheidet Quality Austria zwischen: • Management, verstanden als Institution und als Funktion mit den wesentlichen Ausprägungen der Planungs- und Steuerungsqualität sowie der Struktur- und Systemqualität, und • Führung als aktives Einwirken und Einflussnahme auf die Willensbildung von Individuen oder Gruppen entsprechend der Führungsverantwortung, insb. glaubwürdige und vertrauensbildende Kommunikation und Information (vgl. www.qualityaustria.com 2010) Auch Kirsch et al. (2009, S. 13) unterscheiden zwischen Führung als „Controlling Overlayer“ und dem Management, das als Unterstützung der Führung dient. Reimer versteht Führung als Personalführung, d. h. als zielgerichtete Konditionierung von Mitarbeitern durch Vorgesetzte im Rahmen der Arbeitsorganisation und unter Management die Gesamtheit der Steuerungsprozesse von Organisationen (vgl. Reimer 2005, S. 206 f.). Wir verwenden – im Gleichklang mit der großen Mehrzahl der Autoren – die Begriffe Führung und Management synonym: Führung ist der laufende, geplante und kontrollierbare Versuch, die Prozesse der Leistungserstellung und -verwertung und damit die Entwicklung eines Unternehmens so zu gestalten, dass seine Ziele proaktiv und innovativ den Umfeldanforderungen angepasst und bestmöglich erreicht werden (vgl. Eschenbach/Siller 2009, S. 10). 55 Normative Führung und Unternehmensethik 2.1.2 Entrepreneur und Leadership Im (aus dem Französischen stammenden) Begriff Entrepreneur wird eine Funktion der Führung besonders hervorgehoben: die Innovationsbereitschaft und das proaktive, unternehmerische Moment. „Entrepreneurship involves identifiying new opportunities and exploit-ing them“ (Hitt et al. 2009, S. 30). Dieses unternehmerische Verhalten (Unternehmergeist, „entrepreneurial mind-set and spirit”, Hopfenbeck 2002, S. 143) bzw. das „Gespür” („to sense opportunities“) machen den Entrepreneur im Manager aus. Entepreneure • zeichnet die leidenschaftliche Suche nach Opportunitäten aus • verfolgen Chancen mit enormer Disziplin und Konsequenz • konzentrieren sich auf einige wenige Projekte und deren Umsetzung • sind Umsetzer und flexibel in der Wahl des Wegs • nutzen die Energie vieler interner und externer Personen (vgl. Risak 2010, S. 62). Entrepreneurship kann als aktiver, chancenorientierter und innovativer Prozess der Wertschaffung beschrieben werden (vgl. Kraus/Fink 2008, S. 4; vgl. Russo et al. 2008, S. 5 f. und 13). „Der unternehmerische Mensch, der Manager, bildet in jedem Unternehmen das dynamische, vorwärtsdrängende Element“ (Drucker 1998, S. 11). Und weiter: Unternehmensführung ist vor allem eine schöpferische Aufgabe und weniger bloße Anpassung an die Gegebenheiten (vgl. Drucker 1998, S. 65). Inhaltlich mit Entrepreneur verwandt ist der Begriff Leadership. Im angloamerikanischen Führungsverständnis wird Leading als Teilfunktion von Management gesehen. Im deutschen Sprachgebrauch hat man hingegen oft den Eindruck, unter Leadership würde das verstanden, was gut, wichtig, weitsichtig, innovativ, visionär ist, und unter Management eher „niedrige“ Tätigkeiten wie das operative Tagesgeschäft, verwalten oder bedienen technischer Systeme und Geräte. Dazu drei Beispiele aus der Literatur: Leadership besteht aus folgenden Elementen: • Richtung geben, d. h. eine Vision entwickeln und die Strategien zur Erreichung dieser Vision erläutern • Die beteiligten Personen auf das gemeinsame Ziel einschwören und hinführen, indem man sich die Kooperation jener Gruppen sichert, die die Vision verstehen und sie aktiv erreichen wollen • Motivieren und begeistern, d. h. die Mitarbeiter trotz oft vielfältiger Barrieren in die richtige Richtung leiten, indem man an grundlegende Werte und Emotionen anknüpft (vgl. Lombriser/Abplanalp 2004, S. 353). 56 Normative Führung und Unternehmensethik Nach Krauthammer/Hinterhuber (2001, S. 14–19) fußt effektive Leadership auf visionärem Denken, Vorbild sein, Engagement, Energie und Talente fördern, sowie darauf, den Unternehmenswert zu steigern. Ebenso bei Hopfenbeck (2002, S. 498): „Führungskräfte müssen sich weiterentwickeln und über die Rolle des Managers hinauswachsen, sie sollten nicht verwalten und bewahren, sondern visionäre Ziele setzen, schöpferisch agieren und kommunizieren, Mitarbeitern ein Vorbild sein und sie inspirieren, eigenverantwortlich neue Wege zu gehen.“ Leadership umfasst zehn nicht-delegierbare Aufgaben, die vom Unternehmer bzw. von der obersten Führungsebene wahrzunehmen sind: Festlegung von Kernauftrag, Kernkompetenzen, Kernprodukten und Wettbewerbsvorteilen, Formulieren des „Well-being“ (Was bringt den Führungskräften Wohlbefinden?) sowie das Festlegen der Unternehmenskultur, des Leitbilds, der Organisation, der Strategien und des Corporate Image. Während sich Leadership vorrangig mit dem Entdecken neuer Möglichkeiten und dem Schaffen neuer Paradigmen beschäftigen soll, bewegt sich Management innerhalb bestehender Strukturen und beschäftigt sich primär mit Umsetzungsaufgaben (vgl. Krauthammer/Hinterhuber 2001, S. 15). Bei Leadership sind mehrere Erscheinungsformen (Aspekte) denkbar (vgl. Kirsch et al. 2009, S. 34 f): • Leadership als Menschenführung („Directing“) • Leadership i. S. eines Vorbilds im Management mit laufend neuen Ideen und Konzepten, aber innerhalb bestehender Strukturen • Leadership als Ausdruck von innovativem Unternehmertum i. S. von Schumpeter, d. h. außerhalb bestehender Strukturen • Leadership als temporäres Initiative Ergreifen, z. B. von Mitgliedern des Aufsichtsrats, der dem Vorstand z. B. eine komplexe Analyseaufgabe stellt. Eine im vorliegenden Kontext dem metaphysischen Ethikverständnis von Kant nahekommende Überlegung kommt von Drucker, der einen Leader versteht als einen „… ‘superior’ man by avoiding any act which would make one the kind of person one does not want to be, does not respect, does not accept as superior” (Drucker 1981, S. 27). Der Manager von morgen muss sein Verhalten und seine Entscheidungen auf festen Grundsätzen bauen; er soll nicht nur durch Wissen, Fähigkeiten und Können, sondern auch mit Phantasie, Mut, Verantwortung und Charakter führen. „Entscheidend wird jedoch stets der Charakter sein“ (Drucker 1998, S. 451). Wichtig ist uns hier die Entwicklung von mehr „moral leadership“ (Waibl 2005, S. 29) bzw. „responsible leadership“ (Maak/Ulrich 2007, S. 384) in der Unternehmenspraxis. 57 Normative Führung und Unternehmensethik Mintzberg bringt in diesem Sinn die unterschiedlichen Aspekte von Führung (Management) und die Rollen der Führungskraft am besten zum Ausdruck (vgl. 8). $ $ Abbildung $ $ $ $ $ A+-(#U(#)"+%5 #"5()^ •$b7/-=(A(+; •$:(+;(= •$:7+7)1. E(@1)1"+%5.#"5()^ A+G"#$%&"+%5 #"5()^ •$91.7*1= •$G7))(?7.+*1= •$L310()3(=)1. Abb. 8 *%+%,(#1%5 #"5() •.H.*=(3=(.(-= •$G7)*-="+.T( A+.;,(= •$E()1-=T( +,,1T+*1= •$>(/1O+*1= Quelle: Hitt et al., S. 35, in Anlehnung an Mintzberg (1975), S. 49–61 Im vorliegenden Buch verstehen wir Führung (Management) i. S. dieser Rollenvielfalt. Die Vorbild-Rolle der Führung spielt für unsere Überlegungen eine wesentliche Rolle: Führen heißt vorangehen und die Nachfolgenden zum Folgen zu motivieren. Dabei übernimmt die Führungskraft eine zweifache Aufgabe. Sie soll ein Unternehmen zum Erfolg führen. Zudem sind die leitenden Personen solche, auf die man schaut. Dieser Vorbildrolle können sich Führungskräfte gar nicht entziehen (vgl. Höffe 2009, S. 2). Diese Rolle gerät aber in Misskredit, wenn in den oberen Führungsetagen Missmanagement passiert. 2.1.3 Missmanagement Führungskräfte als Schönwetterkapitäne sind eigentlich überflüssig. Die Fähigkeiten der Führungskräfte zeigen sich erst in wirtschaftlich schwierigen Zeiten; dann kommt es darauf an, das Segelschiff Unternehmen erfolgreich durch Untiefen und gegen den Wind der Konkurrenz zu steuern, und 58 Normative Führung und Unternehmensethik das mit legalen und moralisch einwandfreien (legitimen) Methoden, mit Hirn und mit Herz. In der angelsächsischen Literatur zu Business Ethics wird Missmanagement in zwei Bereiche geteilt (vgl. Madsen/Shafritz 1990), S. 2–5): • Managerial mischief (engl.: mischief = Schaden, Nachteil, Gefahr), d. i. illegales, unmoralisches oder fragwürdiges Verhalten von Managern oder Organisationen • Moral maze (engl.: maze = Ratlosigkeit, Verlegenheit), d. s. ethische Alltagsprobleme wie z. B. Interessenskonflikte, falsche Verwendung von Ressourcen, Missmanagement von Verträgen und Vereinbarungen etc. Es gibt nur entweder gut oder schlecht geführte Unternehmen (vgl. Malik 2005, S. 44). Dazu bedarf es einer Unterscheidung zwischen Effektivität und Effizienz. Effektivität (effectiveness, Zielorientierung) ist das Verhältnis zwischen den angestrebten und den tatsächlich erreichten Leistungswirkungen (outcome), es misst den Zielerreichungsgrad. Effizienz hingegen ist das Verhältnis von bewertetem Output zu bewertetem Input (Efficiency) bzw. von – bei gegebener Qualität – Ist- und Soll-Kosten (economy) und stellt ein Maß für die Wirtschaftlichkeit dar (vgl. Robbins/De Cenzo 2008, S. 6; vgl. Weber/Schäffer 2008, S. 41). Effektivität und Effizienz lassen sich mit „gutem“ bzw. „schlechtem“ $ $ vgl. dazu Abbildung $ $ 9). Management verbinden: !"#$%&'()*'+%,"-.- /012#$'()*'+%,"-.- 450-+,) '12-)32 6-78+9)0$:;3;9)<)3.$=>8?. 2@$'()*+,-./.$@3A$'12-)32 B;C078)0$:;3;9)<)3.$*;33 9@.$").?-)")3$D)?A)3E$<;3 .@.$2D;?$A;0$B;C078)F$A;=>? ;")?$G)?=)*.#$H-)0$-0.$A)?$I)9 -30$:-00<;3;9)<)3.# J)9;+,) '12-)32 6-78+9)0$:;3;9)<)3.$*;33 078C)78.$").?-)")3$D)?A)3E$A;0 9)8.$2@$K;0.)3$A)?$'12-)32F$-0. ;")?$3578$")00)?$;C0$*530)L@)3. =;C078)0$:;3;9)<)3.$2@ ").?)-")3# M5CC$;@09)G?/9.)0$:-00N <;3;9)<)3. Abb. 9 Quelle: in Anlehnung an Malik 2005, S. 31 59 Normative Führung und Unternehmensethik Die drei Verhaltensweisen außer jener im linken, oberen Quadranten sind Formen von Missmanagement, d. h. schlechtes bzw. fahrlässiges, aber nicht vorsätzlich geschäftsschädigendes Verhalten von Führungskräften bzw. das Fehlen von Effektivität oder Effizienz oder beidem. Wie kommt es zu Missmanagement? Der Kreditschutzverband von 1870 (KSV) analysiert jährlich die Gründe für Unternehmensinsolvenzen und kommt zu folgenden Ergebnissen (vgl. Abbildung 10). $ $ $ $ Insolvenzursachen in % der Insolvenzfälle der Jahre: $ $ $ 2007 2008 2009 1. Innerbetriebliche Fehler: davon: Fehlen des Weitblicks, Planungsfehler, Absatzprobleme Kalkulationsfehler, mangelnde Umfeldbeobachtung, u.a. 39 32 7 40 35 5 42 34 8 2. Kapitalmangel (vor allem: zu geringes Eigenkapital) 16 16 14 3. Externe Auslöser bzw. Verlustquellen davon: geänderte Konkurrenzsituation, Kostenerhöhungen Insolvenz von Abnehmern, Ausfall von Lieferanten 10 9 1 16 13 3 18 15 3 4. Fahrlässigkeit davon: Ungenügende Wirtschafts- und Branchenkenntnis Falsche Beurteilungen, Unerfahrenheit, Gründungsfehler 21 7 14 15 5 10 15 5 10 5. Persönliches Verschulden davon: Betrügerische Handlungen Überhöhte Privatentnahmen, unzureichende Führung 11 7 4 10 7 3 9 6 3 3 3 2 100 100 100 6. Sonstige Ursachen Summe (%) Abb. 10 Quelle: Kantner 2010, o. S. Managementfehler machen in den letzten Jahren den größten Faktor als Ursache von Insolvenzen österreichischer Unternehmen aus. Ähnlich auch das Bild für Deutschland: Eine repräsentative Befragung von Insolvenzverwaltern im Auftrag der Euler Hermes Kreditversicherungs-AG in Zusammenarbeit mit dem Zentrum für Insolvenz und Sanierung an der Universität Mannheim 2006 zeigte Managementfehler als häufigste Ursachen für Insolvenzen; im Detail handelt es sich um folgende (in der Reihenfolge ihrer Wichtigkeit): • fehlendes Controlling (i. S. von: keine Kostenrechnung, kein Controlling, fehlende Unternehmensplanung), • Finanzierungslücken, • unzureichendes Debitorenmanagement, 60 Normative Führung und Unternehmensethik • • • • autoritäre, rigide Führung, ungenügende Transparenz und Kommunikation, Fehler bei Investitionen, falsche Produktionsplanung (vgl. www.schmitz.com 2006) Waren es in Zeiten vor der Finanzkrise 2007–2009 eher betriebswirtschaftliche Faktoren, sind es – aufgrund einer Folgeuntersuchung 2009 – in Krisenzeiten eher strategische Aspekte, fehlende Reserven für unerwartete Ereignisse und das Festhalten an alten, nicht mehr tauglichen Konzepten (vgl. www.eulerhermes.ch 2009). Welche Ursachen haben nun Missmanagement bzw. Managementfehler? Obwohl in der empirischen Untersuchung von Schmidt die Ursachen für Missmanagement nicht abgefragt wurden (vgl. Schmidt 2009, S. 307), wurde ermittelt, dass erfolgreiche Führungskräfte avers sind gegen: • Menschen, die sich nicht beherrschen können • Bereichsegoismen • persönlichen Egoismus • Menschen, die Fehler vertuschen • ignorante Menschen • Illoyalität • Menschen mit mangelnder Kritikfähigkeit • launische und wechselhafte Menschen • pessimistische Mitarbeiter • politisches Taktieren im Unternehmen • Menschen, die respektlos und unhöflich mit ihrem Umfeld umgehen • Schmeichler • Menschen, die sich selbst überschätzen • Unehrlichkeit • Menschen, die sich nicht zu einer Entscheidung bekennen • Unfairness • Unzuverlässigkeit • mangelndes Verantwortungsbewusstsein (vgl. Schmidt 2009, S. 299 f.). Hauptursache für Unternehmensschieflagen sind nicht vorrangig Konjunktur- und Konsumflaute, sondern eher spekulatives, zuweilen sogar kriminelles Verhalten leitender Personen darstellt. Aber auch bei legalem Verhalten können z. B. folgende negative Charakterzüge zum Vorschein kommen: • Selbstüberschätzung 61 Normative Führung und Unternehmensethik • • • • • • Mangelnde Selbstdisziplin Dilettantismus Fehlende Risikoeinschätzung Mangelnder Realitätssinn Mangel an Kontrollen Gewinngier. Czipin Consulting beauftragte 2007 das Meinungsforschungsinstitut OGM mit der Befragung von 100 österreichischen Führungskräften (CEOs, CFOs, COOs) von Unternehmen ab 250 Mitarbeitern aus Industrie, Gewerbe, Handel und Dienstleistungen zu den Ursachen für Produktivitätsverluste. Genannt wurden (in der Reihenfolge Ihrer Bedeutung): • Mangelnde Planung und Steuerung • Mangelnde Kommunikation • Mangelnde Führung und Aufsicht • Fehlende Arbeitsmoral • Geringe Qualifikation der Mitarbeiter. Geschäftsführer und Aufsichtsorgane geraten heute immer mehr unter Rechtfertigungsdruck. Grundsätzlich sind Fehler oder falsche Entscheidungen gesetzlich erlaubt – wenn sie mit ausreichend Sorgfalt passierten. Die Organe einer AG z. B. haften nicht für schlechtes Management, sondern für mangelnde Sorgfalt. Wahrt der Vorstand einer AG die Interessen des Unternehmens, der Aktionäre, der Arbeitnehmer und der Öffentlichkeit in nachvollziehbarer Weise, wird keine Haftung schlagend, auch wenn sich eine Entscheidung im Nachhinein als ungünstig herausstellt. Dasselbe gilt für den Aufsichtsrat, wenn er seinen Kontrollpflichten mit entsprechender Sorgfalt nachkommt. Empirische Erkenntnisse der Soziologie und Organisationspsychologie weisen u. a. auf folgende Faktoren für eine unzureichende Überwachung von Aufsichtsräten hin (vgl. Doralt 2010, S. 59–63): • Mangelnde kritische Einstellung bzw. Objektivität gegenüber der Geschäftsführung („Wessen Brot ich ess’, dessen Lied ich sing’“) • Angst vor Fragen an Vorstand bzw. Geschäftsführung, die den Fragenden bloßstellen bzw. sein Nicht-Wissen offenbaren könnten • Mit der Mehrheit entscheiden („Herdentrieb“) bzw. überzogenes Harmoniestreben aus Angst vor Konflikten • Glaube bzw. Hoffnung, dass ungesteuerte Prozesse „gut ausgehen“. („Augen zu und durch!“) 62 Normative Führung und Unternehmensethik Aufsichtsratsmandate sollten nur angenommen werden, wenn sich potenzielle Aufsichtsräte ihnen sowohl in zeitlicher als auch fachlicher Hinsicht gewachsen fühlen. Dieser Appell an die Individualmoral gilt umso mehr, als in Österreich trotz gegenteiliger Beteuerungen weiterhin ein starker parteipolitischer Einfluss auf die Bestellung von Aufsichtsräten herrscht; Fachleute erhalten selten solche Mandate (vgl. Doralt 2010, S. 54), auch weil die Ämterpatronage ist in Österreich „… sehr weit fortgeschritten“ (Mayer 2010, o. S.) ist. Und das führt in weiterer Folge zu Inkompetenz bzw. mangelhafter Geschäftsgebarung in privaten und öffentlichen Unternehmen. Österreichs Aufsichtsräte sind im internationalen Vergleich schlecht bezahlt; solange sie – was in vielen Fällen den Tatsachen entspricht – eine unterdurchschnittliche Performance aufweisen, geschieht das auch zu Recht. Oft werden Aufsichtsräte aus Freundeskreisen („Old-Boys-Network“) statt aus den Bestqualifizierten rekrutiert, auch eine Form von Korruption. Druck auf verstärkte Professionalisierung könnte durchaus auch von einer Verschärfung der Aufsichtsratshaftung kommen (vgl. o. V. 2010, S. K 3). Malik nennt – für gutes Management von zentraler Bedeutung – Verantwortung als „regulatives, ethisches Postulat“ (Malik 2005, S. 55) der „Alltagsethik“ (Malik 2008, S. 267). Um Verantwortung im Verhalten von Führungskräften auch richtig zu verankern, fordert er, Führungskräfte haftbar zu machen; nicht nur im juristischen Sinn oder für Verletzungen der unternehmerischen Sorgfalt (§ 347 UGB, § 1299 ABGB), sondern für moralisch zu verantwortenden unternehmerischen Misserfolg. Diese Forderung kann hier nur bekräftigt werden. Konkret geht es um die Verantwortung und Haftung von Mitgliedern der Geschäftsführung und der Aufsichtsorgane eines Unternehmens (vgl. insb. § 84 AktG und § 25 GmbHG). Für Führungskräfte muss gelten: Kompetenzbereich = Aufgabenbereich = Verantwortungsbereich = Haftung. Haftung meint das Einstehen für Verhalten und Entscheidungen im Verantwortungsbereich und das Ziehen von persönlichen Konsequenzen aufgrund des (Arbeits-)Ethos einer Führungskraft. Dies und genaue Regelungen für Schadenersatz- bzw. Entgeltrückzahlungsansprüche, z. B. im Falle einer Insolvenz des Unternehmens, die aufgrund von Missmanagement, aber bei Einhaltung der unternehmerischen Sorgfalt eintrat, sollten Bestandteil des Arbeitsvertrags jeder Führungskraft werden. Dies ist auch in den Unternehmensgrundsätzen zu verankern und zu publizieren. 63 Normative Führung und Unternehmensethik Zwar hat schon (fast) jeder Unternehmer bzw. Geschäftsführer von börsennotierten Unternehmen eine D&O-(Directors & Officers-)Versicherung (d. i. eine Haftpflichtversicherung, die greift, wenn sich eine Führungskraft nachlässig oder fahrlässig verhält oder Fehlentscheidungen trifft, die dem Unternehmen schaden) abgeschlossen. Eine solche Versicherung deckt aber nur die Kosten der Verteidigung, nicht hingegen die Strafe und schon gar nicht die Folgen des (oft zwangsläufigen) Verlusts der Position. Es geht bei Führungskräften um Vor- und Weitsicht statt später Einsicht und darum, eine gewissenhafte, verantwortungsvolle Aufgabenerfüllung und eine hohe Qualität der Entscheidungen zu erreichen. Als entscheidende Frage an den bzw. die Verantwortlichen wäre denkbar: Würden Sie die Entscheidung/-en auch so treffen, wenn es nicht um das Geld des Unternehmens, sondern um Ihr eigenes ginge? Diese und ähnliche Fragen dürfen heute kein Tabu mehr sein; das normative Controlling sollte u. a. darauf zielen, dass Fragen wie diese gestellt werden dürfen und ehrlich beantwortet werden. 2.1.4 Normative Führung Inhalt des normativen Managements sind Prinzipien, Normen und „Spielregeln“, die darauf gerichtet sind, die Lebens- und Entwicklungsfähigkeit des Unternehmens langfristig sicher zu stellen (vgl. Bleicher 1994, S. 16). Unternehmenspolitik wird durch die Unternehmensverfassung und durch die Unternehmenskultur getragen (vgl. Hungenberg/Wulf 2006, S. 29 f.). Maßstab im normativen Management ist die Legitimität des Verhaltens. Unternehmenspolitik bedeutet, bereichsübergreifende Ziele für das Unternehmen und seine Mitarbeiter zu vereinbaren und zu verfolgen, die Machtverteilung und die Kompetenzen im Unternehmen zu regeln und die Grundstruktur der Aufgabenverteilung und der Abläufe festzulegen. Normatives Management ist Unternehmenspolitik (vgl. Ulrich 2001a, S. 375), die auch die moralische Verantwortung des Unternehmens gegenüber der Gesellschaft inkludiert. Unternehmenspolitik soll als verbindende Klammer über alle Unternehmensbereiche verstanden werden (vgl. Gaubinger 2000, S. 68). Sie hat zwei Aspekte: • Einerseits ist sie das Ergebnis politischen Handelns als Plan, als Verfassung bzw. als Ordnungsprinzipien, die Geltung beanspruchen und von allen akzeptiert werden sollen („policy“). • Andererseits geht es um den politischen Prozess und um die Methoden politischer Einflussnahme („politics“). Das normative Management ist in der Gestaltung der Unternehmenspolitik nicht unabhängig. Es muss ver64 Normative Führung und Unternehmensethik schiedenen Anspruchs- (Interessen-)gruppen (Stakeholdern) mit unterschiedlichen Vorstellungen Rechnung tragen (vgl. Reimer 2005, S. 168 f.). Auf normativer Ebene ist es erste Aufgabe des Managements, eine Vision zu formulieren, die Mitarbeiter dafür zu gewinnen, grundlegende Ziele und Leitsätze zu definieren (Sinngebung) und dafür zu sorgen, dass Vision und Leitsätze auch gelebt werden (Sinnverwirklichung; vgl. Eschenbach et al. 2007, S. 35). Normative Ziele sind: • Aktives Betreiben von Unternehmenspolitik i. S. von policy und politics • Sinngebung und Sichern der Sinnverwirklichung durch Entwicklung einer Unternehmenskultur und einer moralisch korrekten Wertordnung • Sicherung der Legitimität der Führung auf Basis einer professionellen, moralisch einwandfreien und der Nachhaltigkeit verpflichteten Corporate Governance • Festlegen von Maßstäben für ethisch tadelloses Handeln aller im Unternehmen Tätigen • Sicherung des Normen-Strategie-Fit, d. h. die (einwandfreie) Passung zwischen dem Output der normativen Führung und den Aufgaben der strategischen Führung • Sicherung der moralischen Fortschrittsfähigkeit durch innengeleiteten Wandel und der Fähigkeit zu Fundamentalkritik. Normative Ziele sind von der Geschäftsführung zu konzipieren, mit dem Aufsichtsorgan abzustimmen, gemeinsam mit den Mitarbeitern im Unternehmensalltag mit Leben zu erfüllen und regelmäßig auf ihre Einhaltung zu überprüfen. Vision, Normen, Werte und Kultur sind daher Vorsteuergrößen für die strategische und – indirekt, in weiterer Folge – für die operative Unternehmensführung. „Integriertes Management“ bedeutet die Vernetzung der drei Managementebenen • Normative Führung, • Strategische Führung und • Operative Führung (vgl. Bleicher 1994, S. 42 f.). Führungskräfte sollten sich vorrangig mit Unternehmenskultur, Unternehmensidentität und Personalentwicklung beschäftigen. Bleicher verlangt Rahmenbedingungen, die die Zufriedenheit der Mitarbeiter erhöhen, denn davon hänge indirekt die Leistung des Unternehmens ab. Durch ein Ändern der Strukturen im Unternehmen müsse ein intergeneratives und vor allem soziales Lernen ermöglicht werden. Mitarbeiter sollten lernen, Zusammenhänge und Funktionalitäten zu hinterfragen (vgl. Bleicher 2008, S. 43–55). 65 Normative Führung und Unternehmensethik Auch im ganzheitlich angelegten St. Gallener Management-Konzept wird eine Integration der Managementebenen angestrebt. Von Integration kann gesprochen werden, wenn sich das Management bewusst ist, dass alle drei Ebenen miteinander unentwirrbar verwoben sind. Auf der normativen Ebene ist es Aufgabe der Führung, über die Unternehmensidentität, ihren Sinn und Zweck nachzudenken, Visionen für das Unternehmen zu entwickeln, sie in einem Leitbild zu formulieren und die Mitarbeiter zu motivieren, diese Ideen, Kultur, Normen und Werte im Unternehmensalltag bewusst zu leben (vgl. Ulrich 2001a, S. 374; vgl. Reimer 2005, S. 170). Die konkrete Umsetzung und Anwendung der Normen erfolgt im Rahmen der strategischen und operativen Führung. Dabei soll nicht nur nachhaltiger Erfolg auf moralisch unanfechtbarer Basis („Gewinnqualität“) erzielt werden (Gewinnentstehung), sondern der Erfolg auch allen beteiligten Stakeholdern auf möglichst gerechte Art und Weise zuteil werden (Gewinnverwendung). Normative Führung ist Aufgabe des Top Managements. Dazu zählt folgender Personenkreis: • Unternehmer, Gesellschafter • Vorstand, Geschäftsführung • Aufsichtsorgan (insb. Aufsichtsrat) • Haupt-, General-, Gesellschafterversammlung • Gremien, Projektgruppen, Kommissionen, Ausschüsse, u. ä., die mit normativen Aufgaben betraut sind. Die überwiegende Zahl an Autoren im Bereich des strategischen Managements betrachtet Unternehmenspolitik als (zwar vorrangigen) Bestandteil des strategischen Managements, aber nicht als eigenständige Aufgabe auf einer (inhaltlich) eigenen Ebene, dem normativen Management. Sie behandeln normative Aspekte der Führung, insbesondere Vision, Mission, Leitbild und Unternehmenskultur als Teil der strategischen Führung. Dabei bleibt aber unberücksichtigt, dass normative Aspekte • grundlegender Natur und daher der Strategiefindung und -umsetzung vor- bzw. übergeordnet sein und • auch Ethos, Moral und Werte und Tugenden umfassen müssen. In der Literatur wird das Gebiet der Unternehmenspolitik ganz unterschiedlich gegliedert; die Begriffe Unternehmensgrundsätze, Vision, Mission, Werte, Leitbild, Unternehmensphilosophie werden auch unterschiedlich verwendet; vgl. dazu Abbildung 11. 66 $ $ $ $ Normative Führung und Unternehmensethik B3-"#._[(+.\`%0#] /5($(+-(.3+4.4(#(+.:(10(+G"5,( l7.*(=A-"(=$a%igf8$L#$d[5 @.*(=.(A?(.)3A7,1)13A7(8$:(7*"7,; 9F,,(=$e$L*+A,$a%iid8$L#$%gi$k$%i[5 67)71.8$:(7*"7,; I(+$e$l++)$a%iiV8$L#$dW$M#5 67)71.$a@.*(=.(A?(.)3A7,1)13A7(58$:(7*"7,; a6(=A+,*(.)=7TA*,7.7(5 '+-"7./(=$aXfff8$L#$VW5 67)71.8$@.*(=.(A?(.)31,7O08$:(7*"7,; P+3,+.$e$>1=*1.$aXff%8$L#$dV5 97))71.8$'=-.;<(=*(8$67)71. :1?"=7)(=$e$!"3,+.+,3$aXffW8$L#$df5 67)71.8$97))71.8$:(7*"7,; 'C,<(7,(=$aXffU8$L#$id$M#8$L#$%%%5 '()TACs)31,7O)TA($6(=A+,*(.)/=-.;)C*2( jA1??(.$e$!TA,(7*.(=$aXffd8$L8$i%g$M#5 D(=*R1=)*(,,-./(.8$:(7*"7,; L*K/(=$aXffV8$L#$[V$k$W[5 :(7*3,+.0(.8$:(7*"7,; l7m$(*$+,#$aXffi8$L#$%[g5 L*=+*(/7T$R7)71.8$97))71.$)*+*(?(.* Abb. 11 Quelle: Eigene Darstellung Simons bringt einen weiteren Begriff in die Diskussion ein: Er fasst Mission statement, Vision, Credos und „Statements of purpose“ unter dem Begriff „Belief Systems“ (= Glaubenssätze; Simons 1995, S. 34) zusammen. Den Grundstein für die Entwicklung hin zum normativen Management legte Gälweiler in den 1970er Jahren mit der folgenden Unterscheidung: • Strategisches Management: Auf strategischer Ebene geht es darum, auf der normativen Basis – mithilfe geeigneter Strategien – Erfolgspotenziale zu schaffen bzw. zu erhalten. Erfolgspotenziale sind Voraussetzungen für künftigen Erfolg und spätere Liquidität. Strategie beinhaltet alle Maßnahmen, die dazu dienen, Erfolgspotenziale zu schaffen bzw. zu erhalten. Erfolgspotenziale sind z. B.: guter Standort, ausgeprägtes Markenimage, erfolgsträchtige Produkte, kreative Mitarbeiter, innovative Technologien, überlegene Qualität, modernes Know-how (und Knowwho), durchsetzungsfähiges Management, verständnisvolle Kapitalgeber und verlässliche Lieferanten. • Operatives Management: Operative Führung zielt auf das nutzbringende und zielkonforme Anwenden bzw. Nutzen der Erfolgspotenziale, um damit Erfolg und in weiterer Folge Liquidität zu generieren. Beispiele dafür sind: den Standort ausbauen, das Image pflegen, die Produkte gezielt vermarkten, die Kreativität für konkrete Problemlösungen nutzen, das Vertriebsnetz verdichten, usw. 67 Normative Führung und Unternehmensethik Von Malik stammt die Einschätzung: „Gälweilers Konzept der Strategischen Führung ist ein hocheffizientes Navigationssystem“ (Malik 2005, S. 17), der wir uns nur voll anschließen können. Auf der Ebene des strategischen Managements erfolgt die Vorsteuerung, d. h. die Schaffung der Voraussetzungen für die Umsetzung im operativen Management. Und auf der operativen Ebene (Erfolgssteuerung) erfolgt die Vorsteuerung für das (zeitlich nachgelagerte) Management der Liquidität. Umgekehrt formuliert: Was auf strategischer Ebene versäumt wird, kann auch durch noch so große Anstrengungen auf operativer Ebene und in der Liquiditätsdisposition nicht mehr aufgeholt werden. Auf Basis des Konzepts des integrierten Managements und des Konzepts $ $ $ $ von Gälweiler lassen sich die drei Ebenen der Führungsaufgaben und Vorsteuergrößen im Navigationssystem präzisieren (vgl. Abbildung 12). .........B3G,%F(+(F(+(+..................>-(3(#3+,)[_...............T#1(+&(#3+,)[..........................:(@0(+)S)-($(= .......................................................:(,(53+,),#IN(+.....,#3+45%,(+=.W#(1F(#................M()(+-51@0(.A+)-#3$(+-( !"#$%&'( KH0#3+, >-#%-a KH0#3+, TU(#%&'( KH0#3+, Abb. 12 >1=?(.8$D(=*(8$$$$$@.*(=.(A?(.)(*A708$$$$$$$$$$D(=*(3=1t,8$:(7*"7,;8$>1=?(.BSA(T08 j-/(.;(.$-#+#$$$$$$$$$$S1=31=+*($'1R(=.+.T($$$$$7??+*(=7(,,($H=,K)($-.;$!-M<C.;( H=M1,/)31*(.27+,($$$$$$$L*C=0(.8$LTA<CTA(.8$$$$$$$$$$$$$$$$\1*(.27+,+.+,`)(8 $$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$!"AC./7/0(7*(.8$SA+.T(.8$$$$$$$$$$$L*=+*(/7)TA($I7,+.28 $$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$E7)70(.8$9+=0*31)7O1.$$$$$$$$$$@?M(,;B8$\1=]1,71+.+,`)( H=M1,/$$$$$$$$$$$$$$$$H=*=C/(B!-M<(.;-./(.8$$$$$$$$$$'-68$I7,+.2p$P1)*(.B$-.;$ $$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$:(7)*-./(.BP1)*(.$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$:(7)*-./)=(TA.-./ :7q-7;7*C*$$$$$$H7.2+A,-./(.B!-)2+A,-./(.8$$$$$Q.R()OO1.)=(TA.-./8 $$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$H7..+A?(.B!-)/+"(.$$$$$$$$$$$$$$$$$$'(,;u-))=(TA.-./ Quelle: Eschenbach/Siller 2009, S. 24; in Anlehnung an Gälweiler 2005, S. 34; ähnlich Malik 2005, S. 164 So wie es einen positiven Vorsteuerungszusammenhang zwischen strategischem und operativem Management und zwischen Erfolgs- und Liquiditätsmanagement gibt, nehmen wir ihn auch an zwischen normativem, strategischem und operativem Management. Die entsprechende Hypothese dazu lautet: Je mehr es der normativen Führung gelingt, Werte, eine positive Grundhaltung und Kultur und eine vorbildhafte Moral aller Führungskräfte und Mitarbeiter zu schaffen und zu fördern, umso eher stellen sich stra68 Normative Führung und Unternehmensethik tegischer Erfolg (d. h. die zielentsprechende Umsetzung der Strategien), operativer Erfolg (definiert z. B. als EGT, EBIT, ROI) und finanzieller Erfolg (gemessen z. B. am Cash flow) ein. Das Synergiepotenzial kann auf rund 20 % oder rund 100 Minuten pro Arbeitstag geschätzt werden; so hoch sind die Folgen destruktiven Verhaltens, gemessen in Zeit aufgrund der Ablenkung eines Mitarbeiters von den eigentlichen Aufgaben infolge von Demotivation, innerer Kündigung oder Konflikten (vgl. Schlager 2007, S. 14). Malik entwirft ein Standardmodell für „richtiges Management“ und für „managerielle Effektivität“ (Malik 2005, S. 54), das sich aus seiner Sicht seit Jahrzehnten bewährt hat. Dieses Modell besteht grafisch aus fünf konzentrischen Kreisen: 1. Verantwortung (= innerster Kreis) von Führungskräften als regulatives, ethisches Postulat 2. Sechs Grundsätze wirksamer Führung (vgl. Malik 2005, S. 64–73), d. s.: Ausrichtung auf Resultate, Beitrag zum Ganzen, Konzentration auf Weniges, Stärken nutzen, Vertrauen und konstruktives Denken 3. Kommunikation 4. Bekanntes 5. Neues. $ $ Wir haben dieses $Management-Modell etwas abgeändert (vgl. Abbildung 13): V5%+(+ + Z1(5( '(#(1+F%#(+ /+-[ )@0(1[ 4(+ Q"$$3+12%&"+ Q "$$3+12%&"+ T#,%+1[ T#,%+1[ ) )1(#(+ Q"+-#"551(#(+ '=-.;)C*2( ' =-.;)C*2( KH#.Y(#-( )"#,(+ Abb. 13 *(+)@0(+ GI#4(#+.3+4 ( (+-M1@2(5+ Y I(0 +.. *() $$$$$ $$$$$ $>( -() ) .*( 0+. $I( $$$$$ $ $ $ ) -( >( ! "# $ % !"#$% [[&'( & '( KH0[ ##3+, 3+, D$v D $v D(=*("F.;(, D (=*(" F . ; (, >-# %-( [ >-#%-([ ,,1)@0( 1) @ 0 ( KH0[ #3+, TU([ T U([ # %& ' ( #%&'( KH0[ KH H0[ #3+, #3 3+, Quelle: in Anlehnung an Malik 2005, S. 56 69 Normative Führung und Unternehmensethik Zu 1) Es erscheint uns ein Wertebündel („W“) bestehend aus Verantwortung und Integrität sinnvoller als Verantwortung alleine. Zu 4 und 5) Die Bereiche 4 und 5 sind jeweils zweigeteilt: In den oberen zwei Dritteln des Kreises sind die Managementaufgaben angeführt. Im unteren Drittel sind die drei Ebenen des Managements genannt. Bei Malik hingegen nehmen sieben Werkzeuge der Führung das untere Drittel ein. Die bestehenden zahllosen Verbindungen zwischen den einzelnen Feldern sind in Abbildung 13 aus Gründen der Übersichtlichkeit weggelassen. 2.2 Rationalität versus Legitimität 2.2.1 Rationalität Der Begriff Rationalität (von lat. rationalitas = Denkvermögen, von ratio = Vernunft) hat mehrere Bedeutungen: • In der Ökonomie wird damit eine bestimmte Beziehung zwischen angestrebtem Zweck und den zu seiner Erreichung angewandten Mitteln angesprochen, hierbei bedeutet Rationalität also die Fähigkeit zur Abschätzung einer Ursache-Wirkungs-Beziehung, zur Beantwortung der Frage: „Welches Mittel wirkt, um den angestrebten Zweck zu erreichen?“ (Mittel-Zweck-Rationalität; vgl. Weber/Schäffer 2008, S. 44). • In der Ethik wird Rationalität als Vernunft verstanden. Es geht um die Bewertung eines Verhaltens als vernünftig. • Drittens wird „rational“ als – oft nachträgliche – Erklärung für ein Verhalten verwendet, um für andere verständlich und nachvollziehbar zu machen (Rationalisierung). Nach dem ökonomischen Rationalitätsprinzip versucht ein Individuum (homo oeconomicus), die optimale, nutzenmaximale Entscheidung zwischen Alternativen zu treffen (vgl. Kirsch et al. 2009, S. 172; vgl. Kreuzer 2005, S. 44). Moralische Überlegungen spielen dabei keine Rolle. Ein homo oeconomicus denkt vollkommen rational und scheut z. B. auch vor Halbwahrheiten oder Halbinformationen zurück, wenn es ihm einen persönlichen Vorteil bringt. Zahllose Entscheidungen in Unternehmen werden heute nicht zweckrational getroffen, weil Psyche, tradierte Normen, soziale Werte und Beziehungen, Erfahrungen, Prestigedenken, Mobbing u. ä. praktisch eine bedeutende Rolle in der Entscheidungsfindung und Willensdurchsetzung spielen. 70 Normative Führung und Unternehmensethik Entscheidungsträger verhalten sich daher nicht nur als „homo oeconomicus“, („Nutzenmaximierer“), sondern u. a. auch als „homo ludens“ (spielender Mensch), als „homo sociologicus“, der mehrere Rollen verkörpert, und als „homo sustinens“, der auf Nachhaltigkeit seines Verhaltens Bedacht nimmt. Es können – weil aus unternehmensethischer und Controlling-Sicht relevant – verschiedene Arten von Rationalität unterschieden werden: • Wenn es einen Widerspruch gibt zwischen dem, was für die Allgemeinheit (für das Kollektiv) und dem, was für das Individuum vernünftig ist, wenn also ein Widerspruch zwischen Kollektiv- und Individualrationalitätvorliegt, droht ein sog. Moral Hazard. Dieser liegt vor, wenn eine höhere Instanz, z. B. ein Vorgesetzter, oder eine kollektive Instanz, z. B. das Unternehmen, eine Kollektivrationalität, z. B. eine Norm, durchsetzen will, diese aber von Individuen zugunsten ihrer eigenen Interessen opportunistisch genutzt und womöglich unterlaufen wird (vgl. Picot et al. 2008, S. 75). Wer weiß, dass andere im Ernstfall „die Zeche zahlen müssen“, geht ohne Zögern unverantwortlich große Risiken ein. Dieser Einstellung muss vom normativen Management mit Unterstützung des normativen Controllings eine klare Absage erteilt werden. • Reimer spricht von „kommunikativer Rationalität“ (Reimer 2005, S. 55), Maak/Ulrich (2007, S. 449) von „Entscheidungsrationalität“ und im Konzept der sozialökonomischen Rationalität sollen nach Peter Ulrich Ethik und Ökonomie vereint sein (vgl. Ulrich 2001b, S. 117). • Weber/Schäffer (2008, S. 46) unterscheiden die Ebenen der Inputrationalität, der Prozessrationalität und der Ergebnisrationalität, die in der Praxis untrennbar miteinander verbunden sind. • Das Konzept der beschränkten Rationalität („bounded rationality“) geht davon aus, dass die Fähigkeit des menschlichen Verstands zur Formulierung und Lösung komplexer Probleme sehr klein ist im Verhältnis zum Umfang der zu lösenden Probleme und den Konsequenzen der Problemlösungen (vgl. Simon 1957, S. 198). Rein ökonomische Rationalität ist nur ein Teil der menschlichen Vernunft des Wirtschaftens, aus ethischer Sicht gilt der Primat (Vorrang) der Legitimität von Ansprüchen vor der Effektivität bzw. Effizienz des Wirtschaftens (vgl. Maak/Ulrich 2007, S. 452). 71 Normative Führung und Unternehmensethik 2.2.2 Legitimität Maßstab der normativen Führung ist die Legitimität des Verhaltens, nicht nur Effektivität und Effizienz. Legitimität ist die Berechtigung eines Anliegens (vgl. Maak/Ulrich 2007, S. 17); legitim heißt im normativen Sinn gültig bzw. berechtigt. Legitimes Interesse heißt ethisch akzeptabel, illegitim bedeutet ethisch nicht akzeptabel. Legitimität kann in zwei Varianten interpretiert werden: • Juristisch: die Legitimität beruht auf Rechtsgrundlagen. Instanz i. S. eines normativen Bezugspunkts ist die Rechtsprechung. Legitime Ansprüche an ein Unternehmen kann jeder anmelden, der sich auf ein Gesetz als legale Grundlage berufen kann. • Philosophisch-ethisch: alle Anliegen sind legitim, für deren Anerkennung „gute Gründe“ geltend gemacht werden können. Als (moralische) Instanzen gelten z. B. Vernunft, Gewissen und auch die öffentliche Meinung (vgl. Göbel 2010, S. 144 f.). Legitimität und Legalität sind aber nicht deckungsgleich. Diese Begriffe stehen im selben Verhältnis zueinander wie die Begriffe Moral und Recht (siehe Punkt 1.1.4). Von der Legalität eines Anspruchs auch auf die moralische Berechtigung, diesen Anspruch zu erheben, zu schließen, ist i.d.R. nur möglich, wenn die Gesetze nach demokratischen, rechtsstaatlichen Prinzipien zustande gekommen sind. Aber auch in einem Rechtsstaat sind bei weitem nicht alle legitimen Ansprüche gesetzlich garantiert. Gesetzlich verankert ist z. B., dass für eine Lieferung oder Leistung die vereinbarte Gegenleistung zu vergüten ist. Moralisch kann aber darüber hinaus gefordert werden, dass der vereinbarte Preis oder Lohn auch „gerecht“ sein soll. Oder: Gesetzlich einfordern kann niemand das Recht auf Arbeit. Dieser Anspruch erscheint aber legitim, weil Arbeit eine wichtige Basis für Selbstwertgefühl und gesellschaftliche Anerkennung für den Einzelnen darstellt. 2.3 Unternehmensethik 2.3.1 Überblick Der Begriff Ethik wurde schon in Pkt. 1.1.4.4 analysiert. Hier soll nun auf Unternehmensethik als spezielle Ethik eingegangen werden. Zwischen Wirtschaft und Ethik bestehen seit langem Verbindungen. Als angewandte Philosophie beschäftigte sich die Ethik schon in der Antike mit 72 Normative Führung und Unternehmensethik Ökonomik. Bei Aristoteles bildeten Politik, Ökonomik und Ethik Teile der sog. Praktischen Philosophie, unter denen die Ethik den Primat innehatte. Adam Smith war auch Ethiker (vgl. Eschenbach 2003, S. 62–66). Ethik und Ökonomie sind heute ein „heißes“ Begriffspaar, Zugänge und Bedingungen aus verschiedenen Welten treffen auf einander. Es gilt daher, in Unternehmen, Unternehmern, Managern und Mitarbeitern ethisches Bewusstsein aufzubauen. Nicklisch gab 1912 die erste „Allgemeine Betriebswirtschaftslehre“ heraus; er war der bedeutendste Vertreter einer normativ-wertenden Richtung der Betriebswirtschaftslehre. Für Nicklisch war der Betrieb ein Teil der gesellschaftlichen Ordnung. Daher sollten Unternehmer keine eigennützigen erwerbswirtschaftlichen Ziele verfolgen. Vielmehr sollten sie so handeln, wie es gesellschaftlichen Vorgaben, allgemeingültigen Grundnormen („ewigen Werten“) entsprach. Nicklisch wählte das Motto „Gemeinnutz vor Eigennutz“ zum Auswahlprinzip betriebswirtschaftlicher Forschung (vgl. Wöhe/Döring 2008, S. 22). Da bei vielen, in betriebswirtschaftlichen Zusammenhängen stehenden Normen ein direkter oder indirekter Bezug zu Menschen besteht, sind Normen mehr oder weniger ethisch relevant, auch soweit es sich nicht unmittelbar um ethische Normen handelt. Es erscheint daher in der Betriebswirtschaft nicht möglich, eine klare Grenzlinie zwischen normativen Aussagen mit und ohne Bezug auf Ethik zu ziehen. Darin liegt ein Grund dafür, dass viele Teile der Betriebswirtschaft in die Unternehmensethik hineinreichen, ohne dass dies klar ersichtlich oder ausgesprochen wird. Ethik als Wissenschaft ist – vergleichbar mit Volks- oder Betriebswirtschaft – kein geschlossenes Gedanken- oder Theoriegebäude (vgl. Abbildung 14, Felder der Ethik). In der Wirtschaftsethik werden nach dem Objekt eine Makro-, Mesound Mikroebene unterschieden (vgl. Lehmann 2006, S. 54). Makro- oder Ordnungsethik (vgl. Noll 2002, S. 35 f.) beurteilt z. B. die Vertretbarkeit einer Wirtschaftsordnung unter diktatorischen vs. demokratischen Bedingungen. Auf der Ebene der Mesoethik wird das moralisch gerechtfertigte Verhalten in und von Organisationen (Unternehmensethik) thematisiert. Hier ist z. B. die Frage, ob Mobbing ein geeignetes Führungsinstrument ist, oder ob sich ein Nahrungsmittelproduzent auf Gentechnik einlassen soll, angesiedelt. Auf der Mikro- oder Individualebene geht es um das „richtige“ individuelle Verhalten, z. B. in Konflikten, im Führungsprozess oder in der kollegialen Kommunikation. Im vorliegenden Buch geht es vorrangig um die Meso- und die Mikroebene. Nach dem Anspruch lassen sich eine deskriptive und eine normative Unternehmensethik unterscheiden. Die deskriptive Managementethik hat 73 $ $ Normative Führung und Unternehmensethik $ $ 7+-(#)@0(143+,)2#1-(#13$ W(15,(F1(-(.4(#./-012 >+TA$;(.$I(=(7TA(. G()0=73OR($H*A70&$D+)$7)*$7.$"()O??*(.$L7*-+O1.(.$+,)$/-*$/(,*(.;($91=+,J >1=?+OR($H*A70&$D+)$7)*$;+)$)7m,7TA$=7TAO/($L1,,B6(=A+,*(.J >+TA$;(= I(<(=*-./)/=-.;,+/( '()7..-./)(*A70&$91=+,7)TA$+02(3*+"(,$7)*8$;+)$'-*($2-$<1,,(.$-.;$)(7.(?$'(<7))(. 2-$M1,/(.# @O,7*+=7)?-)&$^l+.;,($)18$;+))$;+)$/=KZ*?K/,7TA($9+Z$+.$',FT0$a>-*2(.5$(.*)*(A*w_ \u7TA*(.(*A70&$91=+,7)TA$7)*8$;+)$2-$*-.8$<12-$)7TA$4(?+.;$R(=3u7TA*(*$MFA,*# b1,/(.(*A70&$91=+,7)TA$7)*8$+,)$b1,/($;()$6(=A+,*(.)$;+)$'-*($2-$(==(7TA(.# j-/(.;(*A70&$j-/(.;A+s$,("(.$?+TA*$(7.$/-*()$"2<#$/,FT0,7TA()$:("(.$+-)# >+TA$;(?$N=*$;(=$91=+, Q.;7R7;-+,(*A70&$N=*$;(=$91=+,$7)*$;7($\(=)1.$?7*$7A=(=$'()7..-./$-.;$j-/(.;(. 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H.*)TA(7;-./(.$2-$01??(. 91.1,1/7)TA($H*A70&$G(=$H7.2(,.($?-))$MF=$)7TA$(=?7m(,.8$<(,TA()$6(=A+,*(. ?1=+,7)TA$+02(3*+"(,$7)*# G7)0-=)(*A70&$>-=$4(.($>1=?(.$;F=M(.$'(,*-./$(=,+./(.8$;7($;7($h-)O??-./$R1. +,,(.$+?$G7)0-=)$j(7,.(A?(.;(.$t.;(.$0K..(.# >+TA$L-")`)*(?(.$;(= '()(,,)TA+s D7=*)TA+s)(*A708$H*A70$;(=$\1,7O08$H*A70$;(=$j(TA.708$-#+# >+TA$;(=$H"(.($;(= D7=*)TA+s)(*A70 970=1("(.(&$7?$97m(,3-.0*$)*(A*$;+)$(7.2(,.($D7=*)TA+s))-"4(0*$a\=1;-2(.*(.(*A708 P1.)-?(.*(.(*A708$Q.R()*1=(.(*A705# 9()1("(.(&$7?$97m(,3-.0*$)*(A*$;+)$@.*(=.(A?(.$a@.*(=.(A?(.)(*A705# 9+0=1("(.(&$7?$97m(,3-.0*$)*(A*$;7($<7=*)TA+s,7TA($E+A?(.1=;.-./# Abb. 14 Quelle: Eigene Darstellung zum Ziel, die bestehende und empirisch erfassbare Moral und Werthaltung zu beschreiben (vgl. Waibl 2005, S. 35 f.). Das ist z. B. bei Untersuchungen über kriminelle Energien bzw. Missbrauchsanfälligkeit im Management der Fall. Normative Wirtschaftsethik versteht das Ethische als Appell bzw. als Handlungsempfehlung, d. h. wie sich ein Unternehmen oder ein Mitarbeiter oder Manager verhalten soll. Das kann sich z. B. auf der Mesoebene in einem Vorschlag eines konkreten Code of Conduct äußern. Die Auseinandersetzung mit Ethik wird auch dadurch erschwert, dass sie eine Vielzahl von Konzepten umfasst. Sie offenbaren vielfältige Überlegungen, die zur Gewinnung von Orientierungsmaßstäben des Handelns entwickelt wurden, aber auch Ansatzpunkte, wo Kriterien für eine ethische Beurteilung menschlichen bzw. unternehmerischen Handelns gefunden werden können. Obwohl sie nicht zu Normen führen, die aufgrund eines Wahrheitskriteriums bestätigt und daher Allgemeingültigkeit beanspruchen können, bieten sie dennoch Hinweise für die Ableitung von Handlungsmaßstäben für Unternehmen und das Verhalten in Unternehmen. In jeder ethischen Konzeption werden bestimmte Normen und Werte, z. B. Pflichtbewusstsein, absolut gesetzt und erwartet, dass sie Menschen überzeugt. Da moralisches Handeln aber Entscheidungsfreiheit und Ver74 Normative Führung und Unternehmensethik antwortung voraussetzt, hat die Ethik im Gegensatz zu formal-logischen und zu empirischen Wissenschaften kein Kriterium, aufgrund dessen die Allgemeingültigkeit dieser Normen beweisen oder überprüft werden kann (Küpper 2006, S. 9). Mit Küpper (2006, S. 17–23) sollen hier fünf Konzeptionen stark gekürzt analysiert und ihre prononciertesten Vertreter genannt werden, da auf sie in späteren Kapiteln Bezug zu nehmen sein wird: 1. Die Lebenswelt als Ort der Ethik ist eng verbunden mit Aristoteles, dem Begründer der Ethik als eigenständiger Disziplin. Ziel des Menschen sei das Glücklichsein. In seiner Seins-Ethik sucht Aristoteles Kriterien eines „guten“ Lebens. In der konzeptionell damit verbundenen Verantwortungsethik steht im Vordergrund, zu welchen Konsequenzen Verhalten führt. Darauf aufbauend geht es der utilitaristischen (engl. utility: Nutzen) Ethik nicht um das Glück des Einzelnen, sondern um das Glück für möglichst viele Menschen (John Stuart Mill). 2. Diametral entgegengesetzt argumentieren die metaphysisch begründeten Konzepte, die davon ausgehen, „dass die Menschen in ihrem Verhalten erschreckende Merkmale von Negativität zeigen“ (Schulz 1993, S. 39). Aus einer höheren, metaphysischen Welt sollen sich ethische Kriterien ergeben, deren Beachtung zu einer besseren Welt führen. Kant sucht nach der Regel, mit der der ethische Geltungsanspruch von Verhalten beurteilt werden kann. Es geht ihm darum, solche Maximen zur allgemeinen Regel zu machen, die einem guten Willen entsprechen. Die Gesinnungsethik steht in engem Bezug zur metaphysischen Konzeption: Der gute Wille sei nicht durch das, was er bewirkt, sondern durch das Wollen an sich „gut“. Die zehn Gebote und die Regeln des Evangeliums werden zum Maßstab ethischen Handelns. 3. Sophistik (Sokrates): Der Mensch sucht Sicheres und „das Ewige“, stellt aber fest, dass dies nicht möglich ist; vielmehr findet er Unsicherheit und Irrtum. Das Individuum bei Sokrates weiß von seinem Nichtwissen. Die Gegenströmung findet sich bei Nietzsche, Schopenhauer und Freud, die der Auffassung sind, nicht der Geist, sondern die Triebe seien verhaltensbestimmend. 4. Die Diskursethik (Habermas) wendet sich von der auf Subjektivität basierenden Konzeption ab. Demnach ist Wahrheit und (friedliche) Koexistenz nicht durch Gegenstandserkennung und Empirie zu erkennen, sondern durch den Konsens „vernünftiger Teilnehmer“ (Schulz 1993, S. 244). Rationalität – als Vernunft verstanden – spielt im Verhalten eine maßgebliche Rolle. 5. In der vertragstheoretischen Konzeption i. S. von J.-J. Rousseau geht es um Fairness, Chancengleichheit und um das Glück des einzelnen, das in 75 Normative Führung und Unternehmensethik der utilitaristischen Ethik nicht als sicher erreichbar erscheint. Den Regeln eines „virtuellen“ Vertrags, die diesen Zielen entsprechen, müsste jeder vernünftige Mensch mit gutem Willen zustimmen. Gegenstand der Unternehmensethik als Teilbereich der Wirtschaftsethik ist die Untersuchung normativer Fragestellungen, d. h. bezogen auf Normen, Werte und Kultur von und in Unternehmen (vgl. Maak/Ulrich 2007, S. 25; vgl. Küpper 2006, S. 29). Die Beschäftigung mit Wirtschaftsethik soll, entgegen der Einstellung, Wirtschaft und Ethik seien unvereinbare Gegensätze, das Verständnis für ihren geschichtlichen und systematischen Zusammenhang fördern (vgl. Korff 1999, S. 21). Unternehmensethik beschäftigt sich mit dem Verhältnis zwischen Moral und Gewinn in der Unternehmensführung und mit der Frage, wie Unternehmen Moral, Normen und Ideale in der modernen Wirtschaft zur Geltung bringen können (vgl. Homann/BlomeDrees 1992, S. 117). Warum bedarf es einer Unternehmensethik, wo doch die Individualethik und somit das moralische Handeln jedes Einzelnen direkt angesprochen werden können? Ein Unternehmen kann als Bündel von Verträgen und Vertragspartnern gesehen werden, das als Organisation bestimmte Ziele verfolgt. Um eine einheitliche moralische Linie des Unternehmens mit geltenden Werten und Normen zu gewährleisten, ist die Unternehmensethik als Ordnungsethik unumgänglich. Wieland prägte diesbezüglich den Begriff der Organisationsmoral (vgl. Wieland 1994, S. 20). Aufgrund der Erosionserscheinungen in vielen moralischen Integrationsinstanzen wie Familie, Kirche oder Staat kommt einem Unternehmen in der heute stark individualisierten Welt die Aufgabe zu, in die Ressource Moral zu investieren und sie organisatorisch zu sichern und zu entwickeln (vgl. Wieland 2004, S. 37). 2.3.2 Ethische Dilemmata Ein „ethisches Dilemma“ ist eine Situation, in der den Beteiligten unklar ist, wie wirtschaftliches Verhalten unter Anlegung moralischer Wertmaßstäbe aussehen soll (vgl. Kreikebaum 2006, S. 2). Wenn Unternehmen ihren Entscheidungsspielraum in Bezug auf ökonomische, soziale, ökologische, politische u. a. Ziele nutzen, kann es zu Konflikten zwischen rein wirtschaftlich ausgerichtetem Handeln und der Verantwortung für die Erfüllung nicht-ökonomischer Kriterien bzw. moralischer Ansprüche kommen. Viele Führungsentscheidungen sind sowohl mit ökonomischen als auch mit ethischen Prinzipien vereinbar, viele kön76 Normative Führung und Unternehmensethik nen durch die Gestaltung der Entscheidungsverfahren entschärft werden, und viele ethisch bedenkliche Folgen können durch Maßnahmen aufgefangen werden. Das Dilemma zwischen Ethik und Erfolg lässt sich jedenfalls nicht lösen, indem man es ignoriert (vgl. Reimer 2005, S. 52). Anhand des Vier-Quadranten-Schemas von Homann lassen sich grundsätzlich vier Fälle unterscheiden (Abbildung 15). Hohe moralische Akzeptanz Quadrant 4 Geringe Rentabilität bzw. Verluste Quadrant 1 Ökonomischer Positive Konflikt Kompatibilität Hohe Rentabilität Negative Moralischer Kompatibilität Konflikt Quadrant 3 Quadrant 2 Geringe moralische Akzeptanz Abb. 15 Quelle: vgl. Homann 1994, S. 116 Dabei bedeuten (im Uhrzeigersinn): • Quadrant 1: Moralische und ökonomische Ziele können parallel verfolgt werden; die Moral fördert den Gewinn bzw. beeinträchtigt ihn zumindest nicht; anders ausgedrückt: das Gewinnstreben stößt nicht auf moralische Bedenken. Das ist der Fall z. B. beim Vertrieb von Fairtrade-Produkten oder bei der Entwicklung neuer Umwelttechnologien. • Quadrant 2 (= der moralische Konflikt): Die Verfolgung des Gewinnziels erfüllt nur einen Teil der moralischen Anforderungen. Das ist der Fall z. B. bei Einsatz von Bestechungsgeldern zur Kundenakquise, bei Ölbohrungen off-shore unter Inkaufnahme des Risikos der Umweltverschmutzung, oder wenn trotz hoher Gewinne Arbeitsplätze abgebaut werden, im Falle einer Bilanzverschleierung, bei unlauterer Werbung oder bei Vernachlässigung von Sicherheitsstandards für Arbeiter und Angestellte. • Quadrant 3: Dieser Fall hat kaum praktische Bedeutung, sondern legt 77 Normative Führung und Unternehmensethik dem betroffenen Unternehmen eher den Marktaustritt als strategische Handlungsoption bzw. ein Unterlassen der betreffenden Maßnahme nahe. • Quadrant 4 (= der ökonomische Konflikt): Die Realisierung moralischer Anforderungen kann nur zulasten der Rentabilität erfolgen, z. B. – als Pendant jeweils zu den bei Quadrant 2 erwähnten Fällen – wenn im Verkauf strikt integer gehandelt wird; wenn Ölbohrungen off-shore wenig rentabel werden, weil jedes Risiko der Umweltverschmutzung durch weitreichendes Risikomanagement vermieden wird; weiters wenn dank hoher Gewinne keine Arbeitsplätze abgebaut werden (müssen) oder die sog. „soziale Ader“ statt eines rigorosen Sparkurses beim Personal zum Tragen kommt, wenn Bilanzen ungeschönt ein faires Bild der Vermögens-, Ertrags- und Finanzlage eines Unternehmens zeigen, wenn unlautere Werbung nicht eingesetzt wird, oder wenn aufgrund hoher Sicherheitsauflagen für Arbeiter und Angestellte niedrigere Gewinnspannen als ohne Auflagen erzielt werden. Unproblematisch sind Fälle in den Quadranten 1 und 3, weil hier jeweils ökonomische und moralische Kriterien gleichgerichtet sind. Wenn die Steigerung des Gewinns unter Einhaltung moralischer Grundsätze verbunden ist, oder wenn umgekehrt eine Verletzung moralischer Kriterien zu einer Gewinnminderung führen würde, ergibt sich kein Konflikt. Abgesehen von nur theoretischen Fällen in Quadrant 3 erweist sich nur bei Fällen in Quadrant 1 das von Adam Smith vertretene Konzept als gültig, das im folgenden Gedanken klar wird: „Nicht vom Wohlwollen des Metzgers, Bauers und Bäckers erwarten wir das, was wir zum Essen brauchen, sondern davon, daß sie ihre eigenen Interessen wahrnehmen. Wir wenden uns nicht an ihre Menschen-, sondern an ihre Eigenliebe, und wir erwähnen nicht die eigenen Bedürfnisse, sondern sprechen von ihrem Vorteil“ (Smith 1993, S. 17). Der Markt wird hier als geeignetes Mittel zur Überführung von Eigen- in Gemeinnutz angesehen. Er verbindet die Maximierung des Eigennutzes mit dem Wohl der Allgemeinheit unter der Annahme einer ausreichenden Güterversorgung. In Fällen in Quadrant 2 und 4 (d. h. Moralität und ökonomischer Erfolg korrelieren negativ) besteht das Problem, inwieweit moralische Anforderungen durch entsprechende ordnungspolitische Rahmenbedingungen gesichert sind, oder wie weit die Anteilseigner von Unternehmen aus eigener Überzeugung bereit sind, Gewinneinbußen hinzunehmen, um auf längere Sicht moralische Standards einzuhalten. Dabei begeben sie sich aber in die Gefahr eines Ausscheidens aus dem Markt. Daher kommt der Unternehmensführung die Aufgabe zu, sich in diesen Konfliktfällen dem Ziel- und 78 Normative Führung und Unternehmensethik Wertekonflikt zu stellen und eine für alle Beteiligten verantwortbare Lösung zu finden (vgl. Küpper 2006, S. 195). Zur Lösung dieser beiden ethischen Dilemmata gibt es mehrere Lösungsansätze, die im folgenden Punkt erarbeitet werden: 2.3.3 Theorien der Unternehmensethik zur Dilemmalösung Es ist nicht nur legal, wenn unternehmerisches Handeln darauf abzielt, Gewinne zu erwirtschaften, es ist auch legitim, d. h. moralisch akzeptabel. Die Marktwirtschaft baut auf der Prämisse gewinnorientierter Unternehmen auf. Aber man muss die Frage nach der Gewinnqualität stellen dürfen. Private wie öffentliche Unternehmen haben Beiträge zu leisten, um ihre gesellschaftliche „license to operate“ aufrecht zu erhalten, indem sie dazu beitragen, Konflikte von Gewinn und Moral zu vermeiden bzw. verantwortungsvoll zu lösen. Hier hat die Unternehmensethik Hilfestellung zu bieten (vgl. Suchanek 2005, S. 65). Sie bietet dazu drei grundlegende Lösungsansätze: • Primat (Vorrang) der Ökonomie vor der Moral (Ansatz 1, Pkt. 2.3.3.1) • Integration von Ethik und Ökonomie (Ansatz 2, Pkt. 2.3.3.2) • Primat der Moral vor der Ökonomie (Ansatz 3, „Anwendungsmodell“, Pkt. 2.3.3.3). 2.3.3.1 Vorrang der Ökonomie vor der Moral Im ökonomischen Liberalismus von Milton Friedman wird der Grundkonflikt Gewinn oder Moral gewinnorientiert wie folgt gesehen: „The social responsibility of business is to increase its profits“ (Friedman 1970, S. 1). Es geht um eine ökonomische Theorie der Moral, der sog. „Moralökonomie“, d. h. dort, wo die Moral den wirtschaftlichen Interessen dient, kann bzw. soll sie angewandt werden, aber auch umgekehrt: Ein moralisches Verhalten nur dann zu erwägen, wenn es dem Wirtschaftsakteur Vorteile verspricht. Moralische Bedenken sind unwirksam, wenn sie etwas kosten (vgl. Göbel 2010, S. 71). Für den Manager sind Lösungen sozialer und ökologischer Probleme nur insoweit von Interesse, als er dadurch entweder die Gewinne steigern oder Kosten senken oder beides erreichen kann; alles andere ist Aufgabe des Staates. Der Manager hat den Shareholder Value zu steigern (vgl. Suchanek 2005, S. 68). Unter das Konzept der Moralökonomie sind die Ansätze von Karl Homann und Horst Steinmann zu subsumieren. Beide werden im Folgenden in 79 Normative Führung und Unternehmensethik dem Ausmaß kritisch analysiert, wie es für unsere weiteren Überlegungen Controlling-relevant ist. Institutionentheoretische Ethik von Karl Homann Ausgangsgedanke der institutionentheoretischen Ethik ist, dass aufgrund der hochgradigen Spezialisierung und Differenzierung der modernen Gesellschaft die Marktwirtschaft sehr leistungsfähig sei. Daher könne Moral nicht gegen die Ökonomie, sondern nur in ihr und durch sie zur Geltung kommen (vgl. Homann/Blome-Drees 1992, S. 19). In Anlehnung an Smith sieht Homann in den Regeln des Wettbewerbs gegenüber moralischen Normen den besseren Mechanismus zur gesellschaftlichen Koordination. Das führt ihn zur These, Wettbewerb sei solidarischer als Teilen. Für die Marktteilnehmer bestünde daher die moralische Pflicht zum Gewinnstreben. Der Markt brauche (wirtschaftliche, rechtliche und politische) Rahmenordnungen, d. h. eine Ordnung, um Moral in der Marktwirtschaft zu verankern. Innerhalb dieses Rahmens kann sich ein Unternehmen eine individuelle Ordnung (Unternehmensverfassung) geben, die dann für das Verhalten auf Unternehmensebene gilt (zweistufige Konzeption; vgl. Lehmann 2006, S. 61). Obwohl das systematische Hauptaugenmerk klar auf der institutionentheoretischen Ebene liegt (die Rahmenbedingungen, vor allem die Gesetze, sind der Ort der Moral), betont Homann die Wichtigkeit eines moralisch einwandfreien Verhaltens des Individuums (vgl. Homann/Blome-Drees 1992, S. 40 f.). Wirtschaftsethik könne nur als Ordnungs- und Institutionenethik konzipiert werden, daher wird auch von „Anreizethik“ (vgl. Homann 1999, S. 330) gesprochen. Für Erfolg bzw. Misserfolg in der Marktwirtschaft seien die Wettbewerbsbedingungen und nicht die Einstellungen der Akteure verantwortlich. Eine solche Moral fordert nicht, anderen zuliebe auf den eigenen Vorteil zu verzichten („Opferethik“), sondern wechselseitig Besserstellungen zu erzielen, die auch im eigenen Interesse liegen (vgl. Lehmann 2006, S. 62). Das Gemeinwohl sei anzustreben. Gemeinwohl wird dabei vor allem mit einer guten Versorgung der Konsumenten mit Gütern identifiziert. Der erwünschte Zustand könne – i. S. des Gedankens von Smith – ganz ohne moralische Gesinnung der Akteure verwirklicht werden, quasi als ungewollter Nebeneffekt und ganz ohne moralische Gesinnung der Handelnden. Die Marktwirtschaft habe daher moralische Qualität, während die Akteure in der Marktwirtschaft moralfrei agieren dürften (vgl. Homann/Blome-Drees 1992, S. 24). Das Verfolgen des Eigeninteresses sei fundamentale Aufgabe des Unternehmens. Das Gewinnmaximierungsprinzip sei systemkonform und legitim. 80 Normative Führung und Unternehmensethik Der Gewinnbegriff wird dabei breit gefasst, so sind z. B. auch Reputationsgewinne enthalten. Ein Unternehmen könne darauf vertrauen, dass sein an rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten orientiertes Handeln gleichzeitig auch moralischen Ansprüchen genüge. Könne man aus moralischen Gründen die Wettbewerbsergebnisse nicht akzeptieren, müssten die Regeln der Rahmenordnung verändert werden. Obwohl die Marktwirtschaft hohe moralische Qualität hätte, könne es die vollkommene Rahmenordnung nicht geben; das läge vor allem an der ständigen Gefahr unzureichender bzw. zu spät kommender Spielregeln. Dann müsse die Unternehmensethik die Defizite in der Rahmenordnung ausgleichen (vgl. Homann/Blome-Drees 1992, S. 114 f.). Im Konfliktfall zwischen ökonomischer Effizienz und moralischer Rechtfertigung besteht der Primat der Ökonomie. Habe ein Unternehmen durch moralische Bedenken wirtschaftliche Nachteile (= ökonomischer Konfliktfall), dann dürfe es legitim auf moralisches Handeln verzichten und den Gewinn maximieren. Weil der Wettbewerb zu unmoralischem Verhalten zwinge, seien nicht die Individuen verantwortlich zu machen, sondern die Institutionen (vgl. Homann/Blome-Drees 1992, S. 46). Normative Unternehmensführung stehe vor der Aufgabe, „möglichst weit in den Bereich mit hoher moralischer Akzeptanz vorzustoßen“ (Homann/Blome-Drees 1992, S. 141), aber ohne dabei die wirtschaftlichen Ziele zu vernachlässigen. Das unternehmensethische Konzept von Horst Steinmann Wie Homann geht Steinmann von der Legitimität des ökonomischen Paradigmas des Gewinnprinzips aus. Gewinn zu erwirtschaften, sei grundsätzlich gerechtfertigt. Unternehmensethik sei ein situatives Korrektiv des Gewinnprinzips, wenn es zu moralischen Konflikten kommt, aber nicht generell in Frage zu stellen (vgl. Steinmann/Löhr 1994, S. 123–132). Es gelte, immer auch das öffentliche Interesse zu berücksichtigen. Steinmann unterscheidet zwischen Strukturkonflikten (z. B. Umweltfragen), die durch die Rahmenordnung zu lösen seien, und ad-hoc-Konflikten, zu deren Lösung das Unternehmen unter Wahrnehmung seiner Eigenverantwortung aufgerufen sei. Institutionen- und Individualethik griffen ineinander (vgl. Steinmann/Löhr 1994, S. 108 f). In welchem Maße sie zum Tragen kämen, hänge vom Charakter des Konflikts ab. Eine solche dialogische Unternehmensethik bedürfe kommunikationsfähiger und -bereiter Individuen („Kommunikative Rationalität“). Ein Dialog habe zu achten auf Unvoreingenommenheit, Zwanglosigkeit, Sachverstand und auf den Versuch, zu überzeugen, statt zu überreden. Es gehe um das Finden von Normen, die gegenüber jedermann zu Recht Gül81 Normative Führung und Unternehmensethik tigkeit beanspruchen könnten. Das Erzielen von Konsens (nicht von Kompromissen!) stelle ein ethisches Leitbild dar (vgl. Steinmann/Löhr 1994, S. 78). Unternehmen sollten Ethik über die Entwicklung und Umsetzung konsensfähiger Strategien betreiben. Ansatzpunkte einer solchen konsensorientierten, prozessualen Ethik seien: • Offene Kommunikation • Kommunikationsprozesse unter Informationssymmetrie • Kooperative Entscheidungsfindung • Stabile Wertschätzung seitens Autoritäten und Kollegen. Im strategischen Management komme dem Controlling eine wichtige Bedeutung zu. Es seien kontinuierlich Reflexionspotenziale zu aktivieren. Das sei mehr als bloße Feedback-Kontrolle, sondern fordere einen unternehmensweit multipersonalen, partizipativen und offenen Prozess (vgl. Lehmann 2006, S. 112). Kritisch anzumerken ist zu beiden Konzepten folgendes: • Für den Moralökonomen scheint keine Pflicht zur Einhaltung ethischer Normen zu bestehen, sobald dies mit wirtschaftlichen Nachteilen für den Handelnden verbunden ist. Weil der Markt den Anbieter zur Unmoral zwingt, würde die Pflicht, sich moralisch zu verhalten, nicht mehr gelten, solange andere dieses Verhalten für ihre wirtschaftlichen Interessen ausnützen können. • Aus rein ethischer Sicht ist die moralökonomische Position, die Verbindlichkeit einer moralischen Norm gälte nur bei Vereinbarkeit mit dem Gewinninteresse, nicht haltbar. Es handelt sich um eine Scheinmoral. Es kann keine triftige Entschuldigung für falsches Verhalten sein, dass andere Marktteilnehmer genauso handeln. Schlechte Beispiele verderben die Sitten („Branchenmoral“); und der Eindruck, der Ehrliche sei der Dumme, beeinträchtigt die Moralität. • Nur wer als Unternehmen bzw. Unternehmer zu seiner sozialen und Umweltverantwortung steht, wird nachhaltig mit Vertrauen und Erfolg belohnt. Unternehmerisches Handeln ohne moralische Verantwortung ist nicht denkbar. • Der „Ort der Moral“ kann nicht nur in den Regeln des Ordnungsrahmens liegen. Erstens sind an seiner Gestaltung Akteure beteiligt, die wirtschaftliche Interessen haben. Ordnungspolitik ist als Basis für legitimes Gewinnstreben zweitens nur geeignet, wenn in ihr konzeptionell alle Ansprüche von Stakeholdern berücksichtigt sind. 82 Normative Führung und Unternehmensethik • Auch wenn Ordnungspolitik auf hohem Qualitätsniveau betrieben würde, bleibt offen, ob den Interessen von Stakeholdern auch im erforderlichen Umfang und der erforderlichen Intensität Rechnung getragen würde. • Der Markt weist zahlreiche Schwachstellen bzw. Lücken auf, z. B. macht es die Logik des Markts für Anbieter und Nachfrager attraktiv, Monopole anzustreben und die daraus erwachsende Macht zur Ausbeutung des Käufers bzw. Verkäufers zu nutzen; auf dem Arbeitsmarkt ist – trotz Wirkens von Gewerkschaften und Betriebsräten – vielfach eine Machtassymetrie zwischen Arbeitgeber und -nehmern (Principal-Agent-Problem) festzustellen (vgl. Göbel 2010, S. 73 f.). 2.3.3.2 Integration von Ökonomie und Moral Das integrative Konzept „sozialökonomischer Rationalität“ wird von Peter Ulrich vertreten. Es steht unter der Perspektive einer sog. „lebensdienlichen Ökonomie“ (Ulrich 2001b, S. 11), ist philosophisch-reflexiv und beschäftigt sich weniger mit Implementierung. Sein Ziel ist es, eine Unternehmensethik als humanistische Vernunftethik zu entwerfen. Er steht in der Tradition der Aufklärung insbesondere Kants und des Liberalismus (vgl. Ulrich 2001b, S. 41). Ulrich will Ethik und Ökonomik auf grundsätzliche Art und Weise miteinander versöhnen. Er möchte die zwei Welten-Konzeption reiner ökonomischer Rationalität einerseits und außerökonomischer Moralität andererseits überwinden. Ethik und Ökonomik sollen in einem Konzept der sozialökonomischen Rationalität miteinander verbunden werden (vgl. Ulrich 2001, S. 117). Die ursprüngliche Lebensdienlichkeit der Ökonomie im Sinne einer Versorgung der Menschen mit lebensnotwendigen Gütern solle wieder in den Vordergrund treten. Die Wirtschaft solle sich auf ihre eigentliche Aufgabe zurückbesinnen, nämlich „Werte“ und nicht nur Wert zu schaffen. Wirtschaft sei nicht Selbstzweck, ihr Erfolg solle nach ihrer gesellschaftlichen Funktionsrationalität bemessen werden (vgl. Ulrich 1980, S. 34). Die Kritik an der Ökonomie, d. h. an der ökonomischen Sachrationalität, sei erste Aufgabe der Wirtschaftsethik. Ökonomische Denkzwänge verstellen den Blick auf die ethischen Herausforderungen der Marktwirtschaft (vgl. Ulrich 2001b, S. 130). Ulrichs Konzeption trägt auch individualethische Züge. Der Mensch wolle sein Leben prinzipiell nach moralischen Grundsätzen gestalten. Der öffentliche Diskurs und der Bürger selbst seien der Ort der Moral in der 83 Normative Führung und Unternehmensethik modernen Gesellschaft. Es gehe um ordnungspolitisches Engagement zur Schaffung institutioneller Rahmenbedingungen von hoher ethischer Qualität. So seien Institutionen- und Individualethik ineinander verwoben (vgl. Ulrich 2001b, S. 26 f. und 91). Ulrich lehnt die rein ökonomisch-technische, auf das Gewinnprinzip beschränkte Rationalität ab. Es gehe um die Transformation des normativen Fundaments der ökonomischen Rationalität hin zu einer kommunikativen Ethik. Wirtschaftliches Handeln bewege sich immer zwischen Verantwortbarkeit und Zumutbarkeit: • Ist es zumutbar, Marktchancen auszulassen, nur um moralisch korrekt zu handeln? • Können die Akteure moralische Verantwortung für die Folgen ihres Tuns übernehmen? Zwei Wege stehen zur Lösung offen (vgl. Ulrich 2001b, S. 160–163): • Änderung der Präferenzen (Selbstbeschränkung durch weniger striktes Streben nach Eigennutz) • Politische Veränderung der Wettbewerbsbedingungen a) durch ökonomische Anreize b) durch Wettbewerbsbegrenzung. Die Gemeinwohlfiktion des Markts nach Smith wird abgelehnt. Es könne nicht nur um ökonomische Rationalität gehen, sondern es müsse um die Anerkennung der moralischen Rechte jedes Menschen gehen. Integrative Unternehmensethik bestehe in der kritischen Reflexion der ethischen Voraussetzungen des Gewinnstrebens. Ein Unternehmenszweck sei nur legitim, wenn er im Licht der moralischen Rechte aller Betroffener legitim sei. Es gehe darum, das unternehmerische Erfolgs- und Gewinnstreben kategorisch dem Kriterium der Legitimität unterzuordnen. Ein integratives Ethikprogramm als permanenter Prozess umfasse folgende Bausteine (vgl. Ulrich 2001b, S. 460 f.): • Sinngebendes unternehmerisches Mission statement • Bindende Geschäftsgrundsätze (Code of Ethics) • Gewährleistete Stakeholderrechte • Unternehmensinfrastruktur, die die offene Diskussion über Ethik fördert • Ethische Kompetenzbildung • Ethisch konsistente Führungssysteme (Anreiz-, Leistungsbeurteilungsund Auditsysteme). 84 Normative Führung und Unternehmensethik Die Kritik der sozialökonomischen Rationalität ist wie folgt zu beurteilen: • Peter Ulrich löst den Grundkonflikt (Ungezügelter Wettbewerb → ungezügeltes Gewinnstreben → gesellschaftliche Probleme) moralorientiert (vgl. Suchanek 2005, S. 69). • Der Primat der Moral findet sich auf der Ebene der Institutionen, wo es darum geht, den Wettbewerb durch Rechts- und moralische Normen so zu begrenzen, dass er „lebensdienlich“ wird, und auf der Ebene der individuellen Handlungen, wo der Moral der unbedingte Vorrang vor dem Gewinnstreben einzuräumen ist. • Ulrich appelliert an die Einsicht bzw. richtige Gesinnung der handelnden Personen, machtfrei und legitimierte Dialoge mit den Stakeholdern zu führen und unternehmensethisch begründete Rechte und Normen zu entwickeln und zu leben, die letztlich einer lebensdienlichen und verantwortlichen Führung(-skraft) entsprechen (vgl. Suchanek 2005, S. 70). • Mit „Integration“ kann nicht gemeint sein, dass Unternehmen zwar im Zuge der Gewinnerzielung unmoralisch handeln, z. B. trotz beträchtlich hoher Betriebsergebnisse im Unternehmen weiter Stellen abbauen, aber anschließend Publicity-wirksam moralisch korrekte Gewinnverwendung betreiben, z.B. eine Arbeitnehmerstiftung höher zu dotieren (vgl. Ulrich 2001b, S. 423). • Zuzustimmen ist uE jedenfalls der Forderung, unternehmerisches Handeln nicht nur als individuelle Nutzenmaximierung zu verstehen, sondern es einer Legitimitätsprüfung zu unterziehen. Eine Reduktion des unternehmerischen Handelns auf Shareholder Value oder rein ökonomische Aspekte ist ungenügend. • Die moderne Wirtschaft hat sich als Subsystem weitgehend verselbständigt und diktiert de facto viele Bereiche von Politik, Rechtssetzung u. a. Die Forderung nach einer rigorosen Prüfung, ob jedes unternehmerisches Handeln moralisch gerechtfertigt sei, erscheint überzogen (vgl. Göbel 2010, S. 81). • Praktikabler erscheint uns hier eher der Anspruch, die faktische Differenzierung von Ethik und Wirtschaft zu akzeptieren, statt sie (um jeden Preis) integrieren zu wollen. Ein Schritt in die richtige Richtung wäre jedenfalls, Konflikte zwischen moralisch vertretbaren und ökonomisch zumutbaren Standpunkten transparent auszutragen und die Pro- und Contra-Argumente offen zu legen. 85 Normative Führung und Unternehmensethik 2.3.3.3 Vorrang der Moral vor betriebswirtschaftlichen Interessen Dieses Konzept wird im deutschen Sprachraum von einer großen Zahl an Autoren unter verschiedenen Titeln vertreten, z. B. unter „Anwendungsmodell“ bei Göbel 2010, S. 82–84, als „Ökonomische Unternehmensethik“ bei Suchanek 2005, S. 72 f., oder als „analytische Ethik“ bei Küpper 2006, S. 140 f. Im angloamerikanischen Sprachraum ist in diesem Sinne das Thema Business Ethics sehr präsent und erfolgreich. Die Gründe dafür sind ihr Praxisbezug (im Gegensatz zur stark methodisch orientierten Diskussion im deutschen Sprachraum) und die calvinistisch geprägte Einstellung, die Umstände des Erlangens von Reichtum und der Gewinnqualität zu rechtfertigen (vgl. Brink 2006, S. 342; vgl. Reese-Schäfer 2006, S. 355; vgl. Crane/ Matten 2007, S. XXII). Die Grundgedanken entspringen der Kritik an den Konzepten der Moralökonomie und des integrativen Ansatzes: Ausgangspunkt ist die Idee einer nachhaltig erfolgreichen gesellschaftlichen Zusammenarbeit zum Vorteil aller Mitglieder einer Gesellschaft. Diese Zusammenarbeit verlangt grundsätzlich von allen Mitgliedern verschiedene Beiträge und Leistungen, sodass der folgende Appell formuliert werden kann: Investiere in den gesellschaftlichen Zusammenhalt zum gegenseitigen Vorteil! Solche Investitionen oder Aufwendungen in integres Verhalten sind aber oft nicht anreizkompatikel, d. h. der Investor läuft Gefahr, systematisch benachteiligt zu werden („Der Ehrliche ist immer der Dumme“). Hier gewinnen die Institutionen – wie bei Homann – eine zentrale, regulative Bedeutung, um Investitionen hinreichend aussichts- und ertragreich zu machen (vgl. Suchanek 2005, S. 72 f.) Aus moralischer Sicht kann es nicht gleichgültig sein, wie Gewinn zustande kommt, und was (z. B. Umwelt) oder wer (welche Stakeholder) darunter möglicherweise leidet. Das Gewinnstreben soll daher unter einem sog. „Legitimitätsvorbehalt“ (Ulrich 2001b, S. 415) stehen, denn möglicherweise werden durch das Gewinnstreben vorrangige, moralische Güter und Werte verletzt (vgl. Göbel 2010, S. 161). Gewinnerzielung kann und soll nicht zum obersten moralischen Handlungsprinzip erhoben werden, sondern ist nur – wie auch Arbeitsplatzerhaltung oder Umweltschutz u. a. – ein legitimes Interesse unter gleichberechtigten anderen und damit Gegenstand der Güter- und Werteabwägung. Gewinnstreben ist – streng genommen – nur unbedenklich, wenn sämtlichen legitimen Ansprüchen von Stakeholdern Rechnung getragen wird. Die moralisch gerechtfertigte Möglichkeit der Gewinnoptimierung beschränkt sich auf einen klar eingegrenzten Raum von rechtlich und zu86 Normative Führung und Unternehmensethik gleich auch moralisch zulässigen Handlungsmöglichkeiten, d. h. auf Fälle in Quadrant 1 in Abb. 15. Es soll nur jenes Unternehmen nachhaltig und systematisch finanzielle Vorteile erzielen, das die legitimen Interessen seiner Stakeholder und zum allgemeinen Vorteil berücksichtigt, wobei zu den Vorteilen nicht nur Wohlstand, sondern z. B. auch Gesundheit, intakte Umwelt, Biodiversität und Solidarität gehört. Unter Umständen ist nach sorgfältiger Abwägung der Folgen eine Gewinneinbuße als das kleinere Übel hinzunehmen. Gewinn als Zweck darf nicht jedes Mittel heiligen (z. B. durch Bestechung neue Aufträge zu erlangen). In Einzelfällen kann moralisches Handeln sogar ruinös sein. Das ist vor allem dann zu erwarten, wenn moralisch weniger integere Konkurrenten das ethisch richtige, ökonomisch aber nachteilige Verhalten der integeren Unternehmen ausnützen und es ihnen so gelingt, an die Aufträge zu kommen. Bei Vorrang der Moral vor betriebswirtschaftlichen Interessen geht es nicht nur um Zusatzmaßnahmen neben der „normalen“ Unternehmensführung (z. B. um gelegentliche Spenden für karitative Zwecke), sondern um eine von Grund auf moralisch-verantwortliche Gestaltung der Unternehmensführung. Alle Entscheidungen im Unternehmen, insbesondere die weit reichenden, also die normativen und die strategischen, sind unter Legitimitätsvorbehalt zu treffen. Ethik muss sich kanalisierend, korrigierend, begrenzend und wegweisend mit den möglicherweise unerwünschten Folgen ökonomischer Rationalität auseinandersetzen, und zwar als angewandte Ethik (vgl. Göbel 2010, S. 84). Nach Kantianischer Pflichtenethik geht die sittliche Verpflichtung vor. Man müßte z. B. auch dann ehrlich sein, wenn man sich damit selbst schadet. Die Möglichkeit einer Gewinneinbuße hätte Nachrang gegenüber der moralischen Pflicht. Vergleichbar ist dieser Ansatz mit der Liquidität (i. S. der Fähigkeit, jederzeit den finanziellen Verpflichtungen nachzukommen) als Nebenbedingung für erfolgreiches Wirtschaften. Ebenso wie fehlende Liquidität ein Insolvenztatbestand ist, sollte fehlende Moral („moralische Insolvenz“) zu hohen Kosten im Sanierungsverfahren (zwecks Schadenswiedergutmachung bzw. Reorganisation des Unternehmens) bzw. im Extremfall zum Untergang des Unternehmens führen. 87 Normative Führung und Unternehmensethik 2.4 Lessons learned Die Begriffe Management und Unternehmensführung werden meist synonym verwendet. Unter Führung verstehen wir den laufenden, geplanten und kontrollierbaren Versuch, die Prozesse der Leistungserstellung und -verwertung und damit die Entwicklung eines Unternehmens so zu gestalten, dass seine Ziele proaktiv und innovativ den Umfelderfordernissen angepasst und bestmöglich erreicht werden. Eine Führungskraft muss heute eine Aufgabenvielfalt bewältigen. Dazu zählen auch Aufgaben eines Leaders und eines Entrepreneurs. Entscheidend wird jedoch stets der Charakter und die Entwicklung und das Umsetzen von „moral leadership“ sein. Missmanagement ist ebenfalls ein Thema angewandter Moral. Gemeint ist schlechtes bzw. fahrlässiges, aber nicht vorsätzlich geschäftsschädigendes Verhalten von Führungskräften bzw. das Fehlen von Effektivität oder Effizienz oder beidem. Jeder Fall von Missmanagement wirft ein schlechtes Licht auf die Funktion einer Führungskraft und stellt u. a. ihre Vorbildfunktion infrage. Für Führungskräfte muss gelten: Kompetenzbereich = Aufgabenbereich = Verantwortungsbereich = Haftung. Haftung meint das Einstehen für Verhalten und Entscheidungen im Verantwortungsbereich und das Ziehen von persönlichen Konsequenzen aufgrund des (Arbeits-)Ethos einer Führungskraft. Integriertes Management bedeutet die Vernetzung der drei Managementebenen • Normative Führung (hier geht es um Unternehmenspolitik, Sinngebung und Sinnverwirklichung) • Strategische Führung (d. h. die Schaffung bzw. Erhaltung von Erfolgspotenzialen) und • Operative Führung (d. h. die Nutzung der Erfolgspotenzialen zur Erzielung von Gewinn und Liquidität). Der Rationalität als grundlegendem Prinzip in der Ökonomie steht die ethische Rationalität als moralische Vernunft gegenüber. Sie decken sich i.d.R. nicht. Aus ethischer Sicht entscheidend ist die Legitimität. Legitim ist das Interesse einer Person bzw. einer Anspruchsgruppe, wenn es ethisch akzeptabel ist; das Gegenteil ist illegitim, d. h. ethisch nicht akzeptabel. 88 Normative Führung und Unternehmensethik Unternehmensethik beschäftigt sich mit dem Verhältnis zwischen Moral und Gewinn in der Unternehmensführung. Unternehmen sind ebenso moralfähig wie Individuen. Den Unternehmen kommt in der heute stark individualisierten Welt die Aufgabe zu, in die Ressource Moral zu investieren und sie organisatorisch entsprechend zu sichern. Zwischen Ökonomie und Ethik entstehen Spannungen und Widersprüche dann, wenn das Rentabilitäts- und Rationalitätsstreben dem Anspruch auf Einhaltung moralischer Grundsätze zuwider läuft. Vor allem die Fälle des • moralischen Konflikts (d. i. eine Situation, in der eine hohe Rentabilität angestrebt wird, die aber nur auf relativ geringe moralische Akzeptanz stößt), und des • ökonomischen Konflikts (d. i. eine Situation, in der eine hohe moralische Akzeptanz angestrebt wird, die aber nur relativ geringe Rentabilität bringt) bereiten in der Praxis Zielkonflikte und Entscheidungsdilemmata. Dann ist die Frage zu lösen, ob letztlich • ein Vorrang der Ökonomie vor der Moral („Moralökonomie“), oder • eine Balance zwischen Moral und Ökonomie („Integrationskonzept“) oder • ein Vorrang der Moral vor der Ökonomie („Anwendungsmodell“) gilt bzw. zu suchen ist. Nach einer gründlichen Analyse und Reflexion sollte eine auf Nachhaltigkeit zielende normative Führung den Vorrang der Moral vor der Ökonomie als richtige Auffassung von gesellschaftlicher Verantwortung des Unternehmens akzeptieren. Weder Gewinn noch das Überleben eines Unternehmens sind höchste Werte. Im Extremfall geht das Unternehmen unter, das gehört zum marktwirtschaftlichen Ausleseprozess. Das ist gerechter, als wenn sich ein Unternehmen nur mit unlauteren (unmoralischen) Mitteln am Markt behaupten kann. Daher sollte gelten: Moralische Verantwortung soll sich lohnen. Aber nicht alles, was sich lohnt, ist moralisch verantwortbar (vgl. Göbel 2010, S. 166). 2.5 Learning by doing A 2.1 Der Markt weist zahlreiche Schwachstellen bzw. Lücken und Auswüchse auf. Welche sind hier beispielhaft (zusätzlich zu den in Pkt. 2.3.3.1 genannten) zu nennen? 89 Normative Führung und Unternehmensethik A 2.2 Das Märchen „Des Kaisers neue Kleider“ ist ein bekanntes Märchen des dänischen Schriftstellers Hans Christian Andersen. Es handelt von einem Kaiser, der sich von zwei Betrügern für einen hohen Geldbetrag neue Gewänder weben lässt. Sie reden ihm ein, die Kleider seien aus einem ungewöhnlichen Stoff und könnten nur von Personen gesehen werden, die ihres Amts würdig und nicht dumm seien. Tatsächlich geben die Betrüger nur vor zu weben und dem Kaiser die Kleider zu überreichen. Er gibt aber nicht zu, dass er die Kleider selbst auch nicht sehen kann und auch die Menschen, denen er seine neuen Gewänder präsentiert, geben Begeisterung über die scheinbar schönen Stoffe vor. Der Schwindel fliegt erst auf, als ein Kind ruft, der Kaiser habe ja gar nichts an. Ist diese Begebenheit nur ein Märchen? A 2.3 Recherchieren Sie bitte im Internet die folgenden Missmanagement-Fälle: a) General Motors b) Swissair c) BAWAG d) A-TEC e) Skylink (Flughafen Wien) Welche Lehren können aus den einzelnen Fällen gezogen werden? 90 “Avarice, or the desire of gain, is an universal passion, which operates at all times, in all places, and upon all persons.” (Hume 1994, S. 59; vgl. Perry/Dell 2011, S. 46; Avarice = Habgier, Geiz; d. Verf.) 3 Wesentliche Spannungsfelder zwischen Ethik und Betriebswirtschaft Ziele des Kapitels Nach der Lektüre dieses Kapitels wissen Sie, • auf welchen wichtigen Spannungsfeldern in der Praxis Konflikte zwischen Ethik und Betriebswirtschaft auftreten • welche ethischen Komponenten eine nachhaltige Corporate Governance aufweisen sollte • welche ethischen Probleme der Shareholder Value-Ansatz mit sich bringt • welchen Stellenwert Corporate Compliance im Unternehmen hat • weshalb integre Unternehmensführung die wichtigste Voraussetzung zur Verhinderung bzw. Minimierung des Risikos von geschäftsschädigenden Handlungen ist. 3.1 Überblick In zahllosen Bereichen offenbaren sich die in Pkt. 2.3.2 bzw. Abbildung 15 gezeigten ethischen Dilemma-Situationen; hier seien nur einige beispielhaft genannt, wohlgemerkt alle im Rahmen geltender Gesetze: • Weitergabe aktienkursrelevanter Informationen mit zeitlichem Abstand bzw. nicht an alle Informationsberechtigte • Kursmanipulationen bzw. Kündigungswellen trotz hervorragender Ertragslage im falsch verstandenen Sinn der Steigerung des Shareholder Values • Geschönte Berichterstattung der Geschäftsführung an die Öffentlichkeit • Elektronische Überwachung des Arbeitsplatzes • Wem gehört eine Diensterfindung? • Whistle blowing („Hinweisgebersystem“) • Umfangreiche bilanzpolitische Maßnahmen • Hohe Bezüge für die Mitglieder der Geschäftsführung • Beeinflusste Gutachter • Mobbing 91 Wesentliche Spannungsfelder zwischen Ethik und Betriebswirtschaft • „Greenwashing“ („Sich ein grünes Mäntelchen umhängen“; kritische Bezeichnung für PR-Methoden, die darauf zielen, einem Unternehmen ein umweltfreundliches Image zu geben) • Eingehen eines unkalkulierten Risikos u. a. Im folgenden werden aus konzeptionellen Gründen aber nicht einzelne Fragen in ihrer betriebswirtschaftlichen und ethischen Dimension, sondern die aus Management- und Controlling-Sicht wichtigsten Spannungsfelder beleuchtet, die auch in der Literatur genannt werden (vgl. Küpper 2006, S. IX f.; vgl. Maak/Ulrich 2007, S. VII; vgl. Göbel 2010, S. XV–XIX; vgl. Schneider 2009, S. 501). Diese Spannungsfelder werden anhand der ihnen zugrunde liegenden Konzepte analysiert und dabei ethisch orientierte Gestaltungsoptionen gezeigt. Die nachfolgend behandelten Spannungsfelder wurden aus folgenden Gründen ausgewählt: • Shareholder Value-Konzept versus Stakeholder-Konzept, weil die Führung damit grundsätzlich über die Bedeutung der am Unternehmensbestand interessierten Anspruchsgruppen entscheidet • Corporate Responsibility, weil verantwortungsvolle Unternehmensführung ökonomische wie ethische Aspekte umfassen muss – Corporate Governance, weil damit der Wille zur Transparenz der Unternehmensführung und die Zusammenarbeit der Organe des Unternehmens grundsätzlich festgelegt werden – Corporate Social Responsibility, weil damit Nachhaltigkeit angesprochen wird, die • Corporate Compliance versus Integrität, weil damit entschieden wird, ob nur auf die Einhaltung von Vorschriften (Compliance) oder darüber hinaus auf moralische Bewusstseinsbildung und Integrität gesetzt wird • Unternehmenskriminalität, weil bei ihrem Auftreten das moralische Minimum, d. h. die Einhaltung von Rechtsnormen, unterschritten wird, weil die Unternehmensführung dann nicht mehr als integer wahrgenommen wird, und weil zur Kriminalprävention Werte-basiert gearbeitet werden muss. 3.2 Shareholder Value-Konzept versus Stakeholder-Konzept Dieser Gegensatz steht im Mittelpunkt der Diskussion zwischen Betriebswirtschaft und Ethik. 92 Wesentliche Spannungsfelder zwischen Ethik und Betriebswirtschaft Entwickelt wurde der Shareholder Value-Ansatz, um eine nachhaltige Unternehmensführung zu propagieren, den Wert des Unternehmens zu steigern und die wichtigsten Wertgeneratoren („value drivers“) zu erfassen und zu managen (vgl. Haeseler et al. 2007, S. 7). Das Konzept des Shareholder Value verfolgt als Primärziel, die Rendite der Eigenkapitalgeber (Aktionäre) zu maximieren. Ziel des Shareholder Value-Konzepts („value“ bzw. „Value-based management“) ist eher rasches Wachstum des Unternehmens-(Markt-)Werts, sein Schwerpunkt lautet: Rentabilität für Eigentümer bzw. Gesellschafter hat Vorrang vor Berücksichtigung anderer Stakeholder. Als Berechnungsmethoden werden in der Praxis vor allem verwendet (vgl. Wöhe/Döring 2008, S. 198): • Discounted Cash-flow (DCF) als Mehrperiodenmodell: Der Unternehmenswert ergibt sich aus der Abzinsung der künftig zu erwartenden Zahlungen an den bzw. die Eigentümer. • Economic Value Added (EVA) als Einperiodenmodell: Zusätzlicher Unternehmenswert („Übergewinn“) in einer Periode entsteht erst, wenn die Kosten des gebundenen Kapitals, der Finanzierung und des Risikos gedeckt sind. Das dem entgegen gesetzte Paradigma ist der Stakeholder-Ansatz; ein Stakeholder ist – in der weitesten Interpretation des Begriffs – „… any group or individual who can affect, or is affected by, the achievement of the organization’s objectives” (Freeman 1984, S. 46). Das Stakeholder-Konzept erkennt harmonische Umfeldbeziehungen und values als Grundlage langfristiger Erfolge. Das Konzept geht weg vom einseitig legitimierten hin zu einem pluralistisch legitimierten Unternehmen (vgl. Maak/Ulrich 2007, S. 177). Vertrauen zu anderen Anspruchsgruppen und von ihnen wiederum in das Unternehmen wird darin wesentlich stärker berücksichtigt als im Shareholder Value-Konzept. Ziel des Stakeholder-Konzepts ist langsames, nachhaltiges Wachstum, sein Motto lautet: Rentabilität UND Verantwortung, Stakeholder-Management ist das Ziel im Stakeholder-Konzept. Hingegen ist Stakeholder-Management aus der Sichtweise des Shareholder-Value-Ansatzes nur Mittel zum Zweck und erfolgsrational motiviert. Stakeholder sind (vgl. Göbel 2010, S. 130 f.; vgl. Maak/Ulrich 2007, S. 186 f.): • externe Stakeholder wie Eigen- und Fremdkapitalgeber, aktuelle und potenzielle Mitarbeiter, Kunden, Lieferanten, Vertriebs- und Kooperationspartner. 93 Wesentliche Spannungsfelder zwischen Ethik und Betriebswirtschaft Die genannten Gruppen nehmen ihre Interessen tw. nicht selbst wahr, ihre Ansprüche werden dann stellvertretend z. B. von Banken, Fondsmanagern, von Betriebsräten und Gewerkschaften (für die Mitarbeiter) oder Verbraucherverbänden (für die Kunden) gestellt. Hinzu kommen Wettbewerber, die öffentlichen Hände, Standortgemeinden und ihre Vertreter sowie Anrainer. • interne Stakeholder wie Manager, Mitarbeiter sowie die Eigentümerunternehmer (stehen der Institution Unternehmen gegenüber). Einen besonderen Stellenwert nimmt die Öffentlichkeit bzw. ihre Vertreter als Stakeholder ein: Als öffentliche (im Gegensatz zu privaten) Interessen gelten verallgemeinerungsfähige Anliegen, die prinzipiell jedermann vertritt bzw. vertreten kann, weil sie dem Wohl der Allgemeinheit dienen. Öffentliche Interessen sind z. B. innere und äußere Sicherheit, soziale Gerechtigkeit, Wohlstand, Bildung, Umweltschutz oder Bekämpfung der Korruption. Konkret an das Unternehmen herangetragen werden solche Ansprüche der Gesellschaft oft von staatlichen oder privaten Organisationen, wie z. B. der OECD oder NGOs wie z. B. Greenpeace oder TI. „Ökonomische“ Stakeholder wie Kunden, Investoren und Mitarbeitern vertreten neben ihren privaten auch öffentliche Anliegen, da sie selbst auch Teil der Öffentlichkeit sind. Konsumenten geht es z. B. nicht nur um Preis und Qualität von Gütern, sondern auch um eine gerechte Bezahlung von Arbeitskräften in Ländern, wo die Produkte hergestellt werden. Investoren erwarten wohl bestimmte Renditen, aber nicht alle möchten sie mit Waffenexporten in Krisenregionen verdienen. Mitarbeiter streben zwar nach fairen Gehältern, wollen aber nicht als Schädiger der Umwelt in Verruf geraten, wenn ihre Arbeitgeber so agieren. Die sog. „kritische Öffentlichkeit“ stellt eigentlich keinen Koalitionär (Stakeholder) dar, sondern ist eher ein „Ort der unternehmensethischen Legitimation“ (Ulrich 2001b, S. 449), an dem öffentliche Interessen diskutiert werden, die dann an das Unternehmen herangetragen werden. Die kritische Öffentlichkeit ist zugleich Adressat und Instanz der Unternehmensverantwortung. Akzentuiert wird ihre faktische Macht noch durch die sog. Sozialen Medien, wie z. B. Facebook, die die globalen Möglichkeiten der digitalen Technologien zu einer i.d.R. starken Breitenwirkung nutzen. Nachhaltige Unternehmenswertschöpfung bedarf heute des Stakeholder-Managements („Shareholder Value-Konzept 2.0“, Speckbacher 2010, o. S.) und bedeutet, Wertschöpfung durch und für alle Kern-Stakeholder (d. s. nicht-austauschbare Stakeholder wie Mitarbeiter, Management, Kunden, Kapitalgeber) zu schaffen. Es geht zunehmend darum, wertorientierte 94 Wesentliche Spannungsfelder zwischen Ethik und Betriebswirtschaft Unternehmensführung und den systematischen Stakeholderdialog als Teil der Unternehmenskultur zu verankern. Während das Shareholder Value-Konzept der Führung Rechenverfahren an die Hand gibt, ist das im Stakeholder-Konzept nicht der Fall. Es enthält folgenden Fragenkatalog für den Stakeholderdialog: • Welche sozialen Gruppen gehören zu den strategischen Anspruchsgruppen? • Welche Nutzenvorstellungen haben diese Gruppen? • Wie wollen sie ihre Ziele mit Hilfe des Unternehmens umsetzen? • Inwieweit sind die Ziele der Stakeholder auch Ziele des Unternehmens? • Welche Nutzenpotenziale benötigt ein Unternehmen zum Zweck der Nutzenstiftung für die Stakeholder bzw. welche Nutzenpotenziale schöpft sie aus? • Welche Indikatoren informieren die Führung und die Stakeholder über den Grad der Erreichung der Ziele der Stakeholder? Abbildung 16 stellt die Stärken und Schwächen der beiden Ansätze einander gegenüber. $ Q./?*)3 Q78D/78)3 $ $ $ 3$04'$516'4(7018'9:;20-< 3-0+'$516'49:;20-< Q/<.C-78)$'3.078)-A@39)3$@3A$:;S3;8<)3$0-3A$;@=$A-) Q.)-9)?@39$A)0$TL@;3+.;+,)3U$V3.)?3)8<)30D)?.0 ;@09)?-78.). 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Zweck des Unternehmens muss es heute sein, auf seinem Gebiet wettbewerbsfähig zu sein statt vorrangig auf den Unternehmenswert zu achten. Trotz der wachsenden Bedeutung des Kapitalmarkts auch in Europa und der dzt. Dominanz des Shareholder-Values in der heutigen Managementpraxis großer Unternehmen wird immer klarer, dass eine Fokussierung auf den Shareholder im modernen Wettbewerb zu kurz greift. Gewinne bzw. Verluste werden im Rechnungswesen seit Jahrhunderten als Residualgröße, und nicht als dominante, vorab den Eigentümern zuzusichernde Größe behandelt. Viele Unternehmen kümmern sich nicht um den Shareholder Value (z. B. Ein-Personen- oder Familienbetriebe), in vielen Organisationen ist er gar nicht messbar (wie z. B. beim Militär, in Vereinen, in der öffentlichen Hand oder in Bildungsinstitutionen). Die Frage, ob der Shareholder Value ausreichend die Interessen der anderen Stakeholder mit einbezieht, ist empirisch noch nicht zweifelsfrei beantwortet. Heute geht man eher von der Annahme aus, dass dies nicht der Fall sei (vgl. Lingnau/Schäffer 2009, S. 285; vgl. Göbel 2010, S. 77 und S. 242). Shareholder Value- und Stakeholder-Ansatz sind in der heutigen modernen Wirtschaft im Verbund zu sehen, sie bedingen einander. Einerseits brauchen Unternehmen und ihre Stakeholder Gewinn und Cash-flow („value“ im monetären Sinn); andererseits reicht in einer komplexen Wirtschaft und in einer zunehmend Transparenz fordernden Öffentlichkeit rein ökonomisches Denken schon lange nicht mehr aus: es bedarf der values (vgl. Friesl 2008, S. 64 f.). Auch Porter/Kramer stellen eine hohe gegenseitige Abhängigkeit der beiden Konzepte fest: Entscheidungen in Unternehmen und Gesellschaft sollten auf den gemeinsamen Mehrwert („shared value“) gerichtet sein (vgl. Porter/Kramer 2007, S. 22–24). 3.3 Corporate Responsibility Corporate Responsibility (CR) meint die Forderung im Rahmen der Unternehmensethik, dass Unternehmen bzw. Führungskräfte und Mitarbeiter auch gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen haben. Dieser Imperativ hat in den letzten Jahren – vor allem unter dem Druck des sich intensivierenden, globalen Wettbewerbs, der Umwelt- und Energiepolitik und zunehmend kritischer Stakeholder – noch an Nachdrücklichkeit gewonnen. Abbildung 17 zeigt die drei Teilbereiche des CR-Konzepts. 96 Wesentliche Spannungsfelder zwischen Ethik und Betriebswirtschaft $$%V&$G7($P1?31.(.*(.$;(=$S1=31=+*($ 6"#U"#%-(.:()U"+)1F151-S • + 6"#U"#%-( L"'(#+%+@( j=+.)3+=(.2$R1. :(7*-./$-.; P1.*=1,,(p P1.*+0*)*(,,($2L*+0(A1,;(=. 6"#U"#%-(.>"@1%5 :()U"+)1F151-S 6"#U"#%-( 61&8(+)01U @?<(,*B$-.; )127+,( 6(=+.*<1=*-./$;() @.*(=.(A?(.)$7? E+A?(.$$;(= D(=*)TAK3M-./ '(?(7..F*27/() H./+/(?(.*$(7.() @.*(=.(A?(.) +-Z(=A+,"$;(= (7/(.(. D(=*)TAK3M-./ Quelle: Schlange 2009, S. 305 Abb. 17 Mit Corporate Citizenship ist das unmittelbare Engagement des Unternehmens in seiner geografischen Nachbarschaft gemeint, z. B. die Übernahme ehrenamtlich ausgeübter Funktionen in NPOs. Der Begriff tritt aber in seiner Bedeutung zugunsten des CSR-Begriffes relativ stark in den Hintergrund (vgl. Dietzfelbinger 2008, S. 251). Daher wird im Rahmen dieser Arbeit nicht näher darauf eingegangen. Zu den zwei übrigen Komponenten, Corporate Governance und Corporate Social Responsibility, nachfolgend im Detail: 3.3.1 Corporate Governance Unter Corporate Governance (CG) versteht man alle Grundsätze und Regeln, mit deren Hilfe das Verhalten der obersten Führungskräfte und die Strukturen seiner Organe überwacht und gestaltet werden können. Sie sollen unter Wahrung der Entscheidungsfähigkeit und Effizienz auf der obersten Unternehmensebene Transparenz und ein ausgewogenes Verhältnis von Leitung und Kontrolle sichern (vgl. Thommen/Achleitner 2006, S. 950; vgl. Malik 2008, S. 120–125). Gute CG bezeichnet eine Unternehmensführung, die nach transparenten Regeln und auf Basis einer effektiven und effizienten Aufgabenverteilung zwischen Aufsichtsorgan(en), Management, Eigentümern und der 97 Wesentliche Spannungsfelder zwischen Ethik und Betriebswirtschaft übrigen Stakeholder mit dem Ziel erfolgt, den Unternehmensfortbestand nachhaltig und auf Basis moralischer und betriebswirtschaftlicher Verantwortung zu sichern (vgl. Maak/Ulrich 2007, S. 214). Es geht um eine verantwortungsvolle, auf nachhaltige Wertschöpfung ausgerichtete Unternehmensführung und -kontrolle, die sämtliche Rechte und Pflichten aller Anspruchsgruppen (Stakeholder) sowie deren Verhältnis untereinander regelt. Das Verhalten von Unternehmen wird maßgeblich durch ihre langfristig gültigen Regelungen über die Rechte und Pflichten der Unternehmensmitglieder sowie die Grundstruktur ihrer Organe und Ziele bestimmt. Diese Komponenten bilden die Unternehmensverfassung. CG meint den (extern-) rechtlichen und (intern-)normativen Ordnungs- und Regelungsrahmen für Führung und Überwachung eines Unternehmens (vgl. von Werder 2005, Sp. 160). Dieser Rahmen muss allen und nicht nur einer oder mehreren Interessengruppen dienen. Wenn CG das Unternehmensverhalten wirklich bestimmen soll, ist es unumgänglich, die CG-Grundsätze in die Führungs- und in die Geschäftsprozesse zu integrieren sowie eine compliancekompatible Unternehmenskultur zu entwickeln (vgl. Grüninger 2010, S. 47–49). Es geht um folgende wesentliche Zwecke: • Transparenz über Führungs- und Entscheidungsregeln und deren Einhaltung • Sicherung der Qualität der Unternehmensführung und ihrer Entscheidungen • Unterbindung von Missmanagement und dolosen Handlungen. Zum Aufbau eines übergreifenden einheitlichen Bewusstseins und Handelns setzen viele Unternehmen bereits folgende Systeme bzw. Maßnahmen ein: • Erstellung und Verabschiedung eines unternehmensweiten CG-Leitfadens für Führungskräfte und Mitarbeiter • Klare Trennung der Aufgaben zwischen Geschäftsführung, Aufsichtsorganen und Prüfungsinstanzen • Transparente Weitergabe von Informationen an Externe (vgl. Brauer et al. 2009, S. 16). Am deutlichsten sichtbar wird CG in Kodizes bzw. Grundsätzen der Unternehmensführung und in der Organisationsstruktur. Die Organisationsstruktur kann entweder nach dem • Ein-Organ-Modell (z. B. in der OG die Gesellschafterversammlung) • Zwei-Organ-Modell (Vereinigungsmodell, „one-tier-system“): hier sind 98 Wesentliche Spannungsfelder zwischen Ethik und Betriebswirtschaft Geschäftsführung und Überwachung im Board of Directors (Führungsgremium) vereint; das zweite Organ ist die Gesellschafter- (Haupt-, General-)versammlung. Dieses Modell herrscht international vor. • Drei-Organ-Modell („two-tier-system“) bestehend in der AG aus Hauptversammlung, Aufsichtsrat und Vorstand. Es ist das gängige Modell in deutschen und österreichischen Kapitalgesellschaften (vgl. Küpper 2006, S. 160). Eine konzeptionelle Überlegenheit einer dieser Organisationsstrukturen kann nicht abgeleitet werden (vgl. Hofmann 2008, S. 75). Auf Basis der „Principles of Corporate Governance“ der OECD und Initiativen der EU wurden in zahlreichen Industrie- und Entwicklungsländern Governance-Kodizes verabschiedet, so auch der Österreichische Corporate Governance Kodex (ÖCGK) in der Fassung 2010. Er richtet sich in erster Linie an börsennotierte Aktiengesellschaften und wird erst mit der freiwilligen Selbstbindung verpflichtend, wobei eine zu rechtfertigende Nichtbindung oft von Konsumenten und/oder Kapitalgebern als Manko empfunden wird und Reputationsverluste nach sich ziehen kann. Der ÖCGK hat indirekt auch Auswirkungen auf andere als kapitalmarktorientierte Unternehmen. Das Interesse der Wirtschaft und die Akzeptanzbereitschaft für solche Prinzipien ist in den letzten Jahren stark gestiegen (vgl. Küpper 2006, S. 162). Zur Einrichtung eines Systems einer nachhaltig-ethische Corporate Governance sollte der folgende Grundsatz gelten: Sämtliche (Führungs-)Entscheidungen und Ziele sollten sowohl auf ihre betriebswirtschaftliche Zweckmäßigkeit als auch auf ihre moralische Legitimation überprüft werden. Das moralische Minimum, nämlich das Einhalten von Rechtsnormen, ist dabei Voraussetzung und Nebenbedingung. Es geht daher um die Einrichtung einer nachhaltig-ethischen Corporate Governance i. S. eines in sich stimmigen Systems von Checks and Balances (vgl. Abbildung 18). Dieses symbolische Gebäude für die moralisch korrekte Erfolgserzielung hat vier Subsysteme als Säulen: • Compliance- und Integritäts-Management (siehe Pkt. 3.5) • Performance Management (als Systeme der strategischen und operativen Ergebnisorientierung von Management und Controlling) • Chancen- und Risikomanagement (als Früherkennungssystem, insbesondere in Bezug auf Personen als Träger von Werten und Tugenden und in Bezug auf Prävention vor Missmanagement und Unternehmenskriminalität) • Internes Kontrollsystem (IKS). 99 Wesentliche Spannungsfelder zwischen Ethik und Betriebswirtschaft $ $ $ $ >+TAA+,O/($S1=31=+*( '1R(=.+.T( • + bFA=-./)1=/+.($;()$@.*(=.(A?(.) S1.*=1,,7./$+,)$\=CR(.O1.))`)*(? S1?3,7+.T(B -.; Q.*(/=7*C*)B 9+.+/(?(.* \(=M1=B 9+.T( 9+.+/(B ?(.* SA+.T(.B -.;$E7)701B 9+.+/(B ?(.* Q.*(=.() P1.*=1,,B )`)*(? !-M)7TA*)=+*8$Q.*(=.($E(R7)71.$-.;$+.;(=($\=FM-./)7.)*+.2(. Abb. 18 Quelle: Eigene Darstellung Das Fundament des Hauses bilden Kontrollfunktionen und -instanzen. Andere als die genannten Prüfinstanzen sind z. B. Qualitätsmanagement, Compliance Management und Abschlussprüfung. Von besonderer Bedeutung ist das IKS. Im IKS geht es um Ordnungsmäßigkeit, Funktionssicherheit und Wirtschaftlichkeit der betrieblichen Aufzeichnungen, Abläufe und Auswertungen anhand von integrierten, prozessbegleitenden oder nachgelagerten Kontrollen (vgl. Schneider 2000, S. 68). Das IKS umfasst alle Maßnahmen, die dazu dienen, das Vermögen einer Organisation zu sichern, die Genauigkeit und Zuverlässigkeit der Abrechnungsdaten zu gewährleisten und die Einhaltung der Geschäftspolitik zu unterstützen (vgl. Hoffmann 2000, S. 171). Wichtige Komponenten eines IKS sind vor allem: • Zielorientiertes Arbeiten • Ziel- und Aufgabenvereinbarung nach dem Grundsatz: Aufgaben = Kompetenz = Verantwortung = Haftung • Transparente Organisationsgrundsätze und Abläufe • Klare Verfahrens- und Dienstanweisungen • Systemimmanente Kontrollen • Kontinuierliches Regelkreisdenken (Plan-Do-Check-Act) • Trennung von anweisenden, durchführenden und aufzeichnenden Stellen (Funktionstrennung) 100 Wesentliche Spannungsfelder zwischen Ethik und Betriebswirtschaft • Vier-Augen- (besser: Sechs-Augen-)Prinzip • Regelmäßige Audits, ob das IKS auch tatsächlich eingehalten wird. Aufgabe der Internen Revision als integraler Bestandteil des IKS und i. S. ihrer Prozessunabhängigkeit ist es, die Effektivität und richtige Funktionsweise des IKS zu prüfen, zu überwachen und seine Qualität zu bewerten. 3.3.2 Corporate Social Responsibility Corporate Social Responsibility (CSR) beschreibt ein Konzept, das verantwortungsbewusstes Verhalten der Unternehmen in ihrem Umgang mit ihren Stakeholdern sowie beim Einsatz knapper Ressourcen fordert (vgl. Lenzen 2007, S.17). CSR ist ein freiwilliges, über die Vorgaben einer Rechtsordnung hinausgehendes, unternehmerisches Engagement, das eine nachhaltige (sustainable) Unternehmensführung fordert. Mit dem CSR-Konzept wird der Stakeholder-Ansatz konkretisiert und zum sog. Triple-Bottom-Line-Ansatz (triple steht für: ökologisch, ökonomisch und sozial, weiter kurz: TBL) weiterentwickelt. Dies führt zu drei Säulen der Verantwortung, die im Idealfall vom normativen Management kontinuierlich und gleich stark berücksichtigt werden sollten, um ein nachhaltiges Wirtschaften zu ermöglichen (vgl. Lenzen 2007, S. 22; vgl. Bleicher 1991, S. 59). Der Verantwortungsbereich für Soziales inkludiert sowohl die unternehmensinterne (z. B. Ergonomie, Arbeitssicherheit) als auch die -externe Dimension (z. B. Work-Life-Balance, familiengerechte Arbeitszeitgestaltung; Kunst-, Kultur- und Sportsponsoring). Zusätzlich werden Umwelt-, Tierund Artenschutz als gleichrangige Verantwortungsbereiche erkannt. Dies äußert sich z. B. in der Verwendung biologischer Nahrungsmittel, biologisch abbaubarer Reinigungsmittel, dem Energie-Recycling, der Verwendung erneuerbarer Energieträger oder der Übernahme von Patenschaften für Tiere. CR-Management ist die systematische Integration von Umfeldtrends und Stakeholder-Anforderungen in die normative und strategische Unternehmensführung (vgl. Horst/Albrecht 2009, S. 297). Klar muss dabei aber sein, dass rein kosmetische Aktionen wie z. B. Greenwashing, nicht geeignet sind, das Bild eines sich wirklich der TBL verpflichtet fühlenden Unternehmens zu zeichnen (vgl. Ostermann 2010, S. K 21). Im Zusammenhang mit TBL wird vom sog. „magischen Dreieck” gesprochen, wobei “magisch” nur auf die zwangsläufig entstehenden Zielkonflikte zwischen dem Engagement für Soziales, Umwelt- und Tierschutz einer101 Wesentliche Spannungsfelder zwischen Ethik und Betriebswirtschaft seits und andererseits dem betriebswirtschaftlichen Kalkül, insb. die Fragen der sog. Umwegrentabilität und Finanzierbarkeit des nicht-ökonomischen Engagements hindeutet (vgl. Kuhlen 2005, S. 25). Aus Controllingsicht geht es darum, im CSR-Konzept Methoden zu entwickeln, die es dem Unternehmen ermöglichen, den Grad der Erreichung der TBL-Ziele messbar und vergleichbar zu machen. Im Gegensatz zu rein monetären Finanzzielen erschweren die meist „weichen“ Faktoren der beiden anderen Dimensionen aber diese Aufgabe (vgl. Kuhlen 2005, S. 28 f.). In weiterer Folge gilt es, einheitliche Kriterien und Vorgangsweisen zur CSR-Bewertung und CSR-Berichterstattung zu entwickeln, um eine Vergleichbarkeit der veröffentlichten Nachhaltigkeits- bzw. CSR-Berichte von Unternehmen zu ermöglichen (vgl. Kuhlen 2005, S. 59). Aktuell veröffentlichen die meisten ATX- und DAX-Unternehmen eigenständige CR-Berichte und orientieren sich dabei an den Vorgaben der Global Reporting Initiative (GRI; vgl. GRI 2006). Die Leitlinien der GRI haben sich als weltweit akzeptierter Berichtsstandard – vergleichbar den IAS – für die Erstellung von Jahresabschlüssen etabliert. Ziel der GRI ist es, das CSR-Profil eines Unternehmens innerhalb einer Branche darzustellen und mit Konkurrenten vergleichbar zu machen. Die GRI hat dazu sog. Sector Supplements entwickelt (vgl. Schlange 2009, S. 305 f.). In den letzten Jahren wurde intensiv an der Entwicklung aussagekräftiger Leistungsindikatoren, insb. Schlüsselkennzahlen (Key performance indicators, KPI) für die Finanzanalyse gearbeitet, besonders seitens der DVFA, wo KPI für die Bereiche „ESG“ (= Environmental, Social, Governance; also Daten über Umwelt-, soziale und qualitative Unternehmensführungsaspekte) entwickelt wurden (vgl. EFFAS 2008). ESG 8 bezieht sich z. B. auf Korruption. Aufgabe eines (CR-)Controllings sollte es sein, das Management bei der Integration von CR-Themen in die Unternehmensstrategie zu beraten und zu unterstützen sowie eine zielgerichtete Planung, Überwachung der Umsetzung und Erfolgskontrolle von CR-Maßnahmen zu konzipieren und zu koordinieren. Controllingrelevante Informationen zu CR sind nicht nur wichtig für das interne Berichtswesen, sondern auch für die externe Berichterstattung und Kommunikation (vgl. Horst/Albrecht 2009, S. 297 f.). Die Ergebnisse des CR-Managements und -Controllings können sich z. B. konkret äußern in • Wertschöpfungsrechnungen • Wissensbilanzen • Nachhaltigkeitsberichten • Sozialbilanzen • Umweltbilanzen (vgl. Küpper 2006, S. 276–280). 102 Wesentliche Spannungsfelder zwischen Ethik und Betriebswirtschaft Diese Rechenwerke bieten die Chance, ökologische und soziale Errungenschaften bei der Befolgung des TBL-Konzepts – vor allem in Textform – darzustellen. Aus solchen Bilanzen können auch Umweltkennzahlen, z. B. CO2-Emissionswerte, zur Beurteilung der meist weichen Erfolgsgrößen abgeleitet werden. Die Verwendung solcher Kennzahlen soll zeigen, dass richtig angewandte Ethik kein Nachteil oder Hemmnis für ein Unternehmen darstellt, sondern im Gegenteil nachhaltig den Unternehmenserfolg sichert. 3.4 Unternehmenskriminalität Ein wesentliches Augenmerk von normativem Management und Controlling muss der aktuell „grassierenden Wirtschaftskriminalität“ (Schellhorn 2010, S.17) und entsprechender vorbeugender Maßnahmen gelten. Daher geht es vorrangig darum, ein hinreichendes Problembewusstsein zu schaffen. Pikant an diesem Thema im Kontext der normativen Führung ist die Erfahrungstatsache, dass die Täter oft aus dem mittleren und oberen Management kommen. Unternehmenskriminalität ist ein Teil der Wirtschaftskriminalität (engl.: fraud; von lat. fraus, fraudis: Betrug, Schwindel, Täuschung, Unterschlagung). Was unter Wirtschaftskriminalität zu verstehen ist, ist in der Literatur nicht geklärt. Ein zielführender Ansatz ist die täterorientierte Betrachtungsweise („Weiße-Kragen-Kriminalität“, „White-collar-fraud“); es handelt sich um Taten, die unter dem Mantel einer Einzelfirma oder einer Gesellschaft begangen werden und zumeist sehr hohe Schadensfolgen aufweisen (vgl. Schneider et al. 2006, S. 29). Für eine angemessene definitorische Fassung von Unternehmenskriminalität erscheint es sinnvoll, ihre Wesensmerkmale zu nennen; diese sind vor allem (vgl. Hilf 2008, S. 15–17): • die Begehung im Zusammenhang mit wirtschaftlicher Tätigkeit durch selbständig oder unselbständig Wirtschaftstreibende • die Komplexität (und damit schwere Durchschau- und Nachweisbarkeit) einzelner Taten • in weiten Bereichen der Missbrauch von Vertrauen • Auswirkungen über die Schädigung von wirtschaftlichen Einzelinteressen hinaus („überindividuelle Dimension“) • eine reduzierte Opfereigenschaft (Opfer, die weiße Kragen tragen, erscheinen weniger schützenswert) • i.d.R. hohe Schadenssummen • Internationalität der Straftaten. 103 Wesentliche Spannungsfelder zwischen Ethik und Betriebswirtschaft Unternehmenskriminalität umfasst als Sammelbegriff ein sehr breites Deliktspektrum. Dabei geht es um Straftaten, die sich vor allem durch das Ausnutzen von speziellem Know-how zu illegalen Zwecken auszeichnen. Dazu zählen u. a.: Anlagebetrug, Computerkriminalität, illegale Arbeitnehmerüberlassung, Diebstahl geistigen Eigentums, Insiderdelikte, Bilanzfälschung, Insolvenzdelikte, Korruption (Bestechung), Kredit-, Wechsel-, Scheck- und Kreditkartenbetrug, Lebensmittelverfälschung, Umweltkriminalität, Untreue, Geldwäsche, Produktfälschung, Spesenbetrug, z. B. durch den Außendienst, Schwarzarbeit, Subventionsbetrug, Versicherungsbetrug, Wettbewerbsverstöße, Zolldelikte, Steuerhinterziehung (vgl. Kirchler et al. 2008, S. 3; vgl. Wells/Kopetzky 2006, S. 1; vgl. Schneider et al. 2006, S. 29). Hinzu kommt Mitarbeiterkriminalität wie Sabotage, missbräuchliche Verwendung von Daten oder Diebstahl von Geld oder Sachwerten. Doloses Verhalten (lat. dolosus, -a, -um: trügerisch, arglistig) bezeichnet ein vorsätzliches Handeln, Dulden bzw. Unterlassen, das geeignet ist, zum Zweck der persönlichen Bereicherung den Unternehmenserfolg zu beeinträchtigen oder Dritten Schaden zuzufügen. (vgl. ACFE 1996, S. 9). Von kriminell spricht man, wenn das Verhalten strafrechtlich relevant ist. Über den Umfang vieler Delikte, wie z.B. Bilanzfälschung, gibt es keine verlässlichen Schätzungen; einig ist sich die einschlägige Literatur lediglich hinsichtlich einer relativ hohen Dunkelziffer, d. h. die Zahl der begangenen Straftaten liegt weit über jener der Verurteilungen. Mit Unternehmenskriminalität ist eine besondere Form eines ethischen Dilemmas verbunden: Es liegt im vitalen Interesse des Unternehmens, Kriminalität zu unterbinden, da sie es ab einem gewissen Punkt moralisch und ökonomisch in die Insolvenz führt. Aber integre Unternehmen sind am Markt durch jene Akteure angreifbar, die durch dolose Handlungen, z. B. Bestechung in großem Ausmaß, lukrative Aufträge akquirieren. Das Dilemma ist erst dann nicht mehr gegeben, wenn Bestechung als Wettbewerbsmittel in einem Markt effektiv unterbunden wird, oder wenn alle Marktteilnehmer bestechen. Nur im ersten Fall sind integre Unternehmen nicht mehr angreifbar. Das Risiko besteht darin, dass ein einzelnes Unternehmen in der Situation, in der alle anderen nicht korrumpieren, die höchsten Gewinne aus Korruption einfahren kann. Jedes einzelne Unternehmen hat also einen hohen Anreiz, zu Korruption als (illegalem) Mittel im Wettbewerb zu greifen. Interessant ist im Zusammenhang mit der Novellierung des Antikorruptionsstrafrechts 2009 eine Äußerung von Mazal, der anmerkt: „… wie stark die Ökonomisierung aller Gedanken fortgeschritten ist: Nicht irgendwelche ethischen Aspekte der Korruption, sondern ausschließlich die durch Kor104 Wesentliche Spannungsfelder zwischen Ethik und Betriebswirtschaft ruption möglichen wirtschaftlichen Nachteile werden als Beweggrund für die Regelung genannt“ (Mazal 2009, S. 739). In der Öffentlichkeit werden manche Formen der Unternehmenskriminalität immer noch als Kavaliersdelikte gesehen; das gilt insbesondere für Insider-Missbrauch, Korruption zwischen Unternehmen („B2B-corruption“) und Schwarzarbeit: • Im Fall des Insider-Missbrauchsvorwurfs (damals § 48a BörseG alt) von Generaldirektor Strucl (VOEST) wurde eine relativ geringe Geldbuße verhängt. Die Medien akzeptierten diese Sanktion wohlwollend, weil der Beschuldigte seinen unredlichen Gewinn (umgerechnet rund € 18.000) karitativen Einrichtungen spendete (vgl. Schick 2008, S. 47). • Korruption (von lat. corrumpere: verderben, bestechen; engl.: bribery) ist der Missbrauch einer übertragenen Macht- oder Entscheidungsbefugnis zum eigenen materiellen oder immateriellen Vorteil oder Nutzen, auf den kein Rechtsanspruch besteht. Es wird versucht, auf Kosten anderer mit unlauteren Mitteln einen wirtschaftlichen Vorteil zu erlangen. Korruption bezeichnet Bestechung und Bestechlichkeit, sprich Vorteilsgewährung und Vorteilsannahme (vgl. Köck 2007, S. 66). Korruption wurde und wird in vielen Ländern schweigend toleriert. Bis vor kurzem war in vielen Ländern Bestechung im Ausland – oft unter dem Titel „Geschäftsanbahnung“ – sogar steuerlich absetzbar. Klitgaard et al. bringen eine Formel, um die Kernelemente des Problems zu zeigen: C = M + D – A. Dabei bedeutet: C = Korruption, M = Machtmonopol, D = Ermessen (-sfreiheit, discretion) und A = Rechenschaftspflicht (accountability, transparency). D. h.: Wenn jemand das uneingeschränkte Recht zur Vergabe eines Guts oder einer Dienstleistung und die Ermessensfreiheit hat, zu entscheiden, wer in welchem Umfang dieses Gut bzw. diese Dienstleistung erhält, und es zudem keine Rechenschaftspflicht gibt, aufgrund der transparent wird, wie die Vergabeentscheidung zustande kam, dann besteht die Tendenz zu Korruption (vgl. Klitgaard et al. 2000, S. 27 und 32). Der volkswirtschaftliche Schaden in Österreich durch Korruption ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen und wird 2010 voraussichtlich 26 Mrd. Euro, d. s. fast 10 % des Bruttoinlandsprodukts, ausmachen (vgl. Schneider 2009, S. 502). • Wachsen wird 2010 voraussichtlich auch das Ausmaß der Schattenwirtschaft, also des klassischen „Pfuschs“. Dieser dürfte heuer bei rund 21 Mrd. Euro liegen (vgl. Schneider 2009, S. 504). In den letzten Jahren hat in Österreich, Europa und weltweit die Unternehmenskriminalität stark zugenommen. Das zeigen jüngste empirische Untersuchungen übereinstimmend: 105 Wesentliche Spannungsfelder zwischen Ethik und Betriebswirtschaft Unternehmensstraftäter gehören i.d.R. mittleren und oberen Sozialschichten an, verfügen über fundierte Ausbildung und sind nicht vorbestraft. Je höher die hierarchische Position, desto höher meist auch der Schaden. Andererseits lassen empirische Studien den Schluss zu, dass mit Tätern aus der Leitungsebene deutlich nachsichtiger umgegangen wird als mit nachgeordneten Mitarbeitern (vgl. Hofmann 2008, S. 58 f.). Von Cressey stammt das heute in der Kriminologie verwendete sog. „dolose Dreieck“ (fraud triangle), wonach eine Straftat i.d.R. drei Aspekte aufweist: • ein subjektiv empfundenes, nicht mit anderen kommunizierbares finanzielles Bedürfnis (Motivation) • eine subjektiv empfundene „gute“ Gelegenheit, und $ $(Rationalisierung) $ $ • eine persönliche $Rechtfertigung gegenwärtigen und zukünftigen Handelns (vgl. Cressey 1973, S. 33 f.; vgl. Abbildung 19). • + B+#(18._.E#3@2 H)$?-))$(7.(.$!.=(72$1;(=$G=-T0$MF= 9+.+/(?(.*$1;(=$97*+="(7*(=$/("(.8$(7.(. 6(=)*1Z$2-$"(/(A(.# X(#)-"N L(5(,(+0(1- G7($@?)*C.;($?F))(. '(,(/(.A(7*$/("(.8$(7.(. 6(=)*1Z$2-$"(/(A(.# Abb. 19 A++(#51@0( :(@0b(#&,3+, G+)$9+.+/(?(.* 1;(=$;7($97*+="(7*(= ?F))(.$()$?7*$7A=(? SA+=+0*(=$-.;$7A=(. D(=*R1=)*(,,-./(. R(=(7."+=(.$0K..(.# Quelle: in Anlehnung an Wells/Kopetzky 2006, S. 6 Im vorliegenden Kontext gilt das Hauptaugenmerk vor allem der innerlichen Rechtfertigung, d. h. den negativen Werten als Motiv, wie z. B. Gier oder Rache. Aufgrund empirischer Befunde zu den Gründen für illegales und unmoralisches Handeln sind vier Faktoren der Unternehmenskultur zu nennen, die ethisches Verhalten be- bzw. verhindern (vgl. Göbel 2010, S. 224): • eine allgemeine Billigung oder Duldung unmoralischer Praktiken, wobei vor allem das (schlechte) Beispiel von Führungskräften Schule macht 106 Wesentliche Spannungsfelder zwischen Ethik und Betriebswirtschaft • eine Cliquenbildung im Unternehmen, die das Aufdecken unmoralischer Praktiken verhindert • eine starke Orientierung an materiellen Werten • die Hemmung, über moralische Aspekte des Verhaltens zu sprechen. Dazu kommen noch organisatorische Gründe wie vor allem • mangelnde Koordination und Systemverständnis in der stark arbeitsteiligen Wirtschaft, • Missverständnisse und unklare Kontrollkompetenzen; • Ein Abschieben von Verantwortung, wenn der Einzelne jeweils nur einen Teilschritt im gesamten Arbeitsprozess übernimmt; die starke Arbeitsteilung fördert selektives Erkennen. • ein Abschotten gegenüber Kritik; besonders problematisch ist das im Verhältnis zwischen Stab und Linie, wo sich Experten mangels Verantwortung für die von ihnen mitgetragene Entscheidung oft moralisch unbelastet fühlen. • eine Filterwirkung der Hierarchie: Mitarbeiter hüten sich, negative Informationen und Kritik nach oben zu kommunizieren; Vorgesetzte ignorieren oder beschönigen negative Informationen gegenüber Externen. Dann werden auch Hinweise auf unmoralische Praktiken von beiden Seiten – wissentlich oder unwissentlich – übersehen. Als Erklärung für die Bilanzfälschungs- und Korruptions- und Betrugsskandale bei Enron und WorldCom wird neben dem Versagen von Kontrollmechanismen eine Kultur verantwortlich gemacht, die schnelles Geld als obersten Wert und z. B. aggressive Werbung und Konkurrenz als probate Mittel propagiert (vgl. Windolf 2003, S. 194 f.). Fast 90 Prozent der Diebstähle, Veruntreuungen, Geldwäsche- und Bilanzdeliktsfälle gehen auf das Konto von Mitarbeitern aus dem eigenen Unternehmen. Wirtschaftskriminelle Handlungen wie Zweckentfremdung von Firmeneigentum oder Veruntreuungen dürften in Unternehmen viel häufiger vorkommen als angenommen, der Unterschied liegt nur im Ausmaß. Der typische Wirtschaftskriminelle ist 35 bis 45 Jahre alt, männlich und Einzeltäter; nur 20 % kooperieren mit externen Komplizen (vgl. www.kpmg.at 2010). Eine wichtige Rolle bei der Aufdeckung von Delikten im Unternehmen sollte die interne Revision spielen. Aber nur 17 % der Fälle von Unternehmenskriminalität werden weltweit durch die Interne Revision aufgedeckt (S. 9); der Trend ist aber rückläufig (2007: 19 %, 2005: noch 26 %; vgl. www.pwc.com 2009). 107 Wesentliche Spannungsfelder zwischen Ethik und Betriebswirtschaft Für die USA liegt die Quote gemäß National Fraud Survey bei 24 % (vgl. Wells/Kopetzky 2006, S. 48). In Österreich wurden laut Crime Survey 2007 58 % der genannten Fälle durch Zufall aufgedeckt, aber nur 4 % durch die interne Revision (vgl. www.pwc.com 2007). 37 % der Unternehmen in Deutschland waren in den letzten drei Jahren Opfer von Wirtschaftskriminalität. Mehr als zwei Drittel der Befragten (67 %) gehen davon aus, dass das Ausmaß wirtschaftskrimineller Handlungen weiter zunehmen wird. Inhaber- oder familiengeführte Unternehmen setzen bei ihren Mitarbeitern auf das Vertrauensprinzip. Die Erfahrung zeigt aber, dass Maßnahmen des IKS wie die Funktionstrennung oder das VierAugen-Prinzip oft einfach nicht befolgt werden. Laut Umfrage der KPMG ist für 69 % der mittelständischen Unternehmen die Gelegenheit zum Vertrauensmissbrauch die wichtigste Ursache für wirtschaftskriminelle Taten. Es ist zu bedenken, dass heute selbst Konstruktionspläne auf einen USBStick und damit in jede Hosentasche passen. Der Verlust von sensiblen Entwürfen oder Formeln kann für ein innovationsgetriebenes mittelständisches Unternehmen aber existenzbedrohend sein (vgl. www.kpmg.de 2010b). An indirekten Schäden durch Wirtschaftskriminalität sind zu nennen (in der Reihenfolge ihrer Bedeutung): • Beeinträchtigung von Geschäftsbeziehungen • Reputationsverlust für Unternehmen und handelnde Personen • Rückgang der Arbeitsmoral. Neben der HR-, der Compliance-Stelle und der Internen Revision ist vor allem das normative Controlling aufgerufen, in seiner Präventionsfunktion dem Top Management Systeme und Maßnahmen zur Vorbeugung von Unternehmenskriminalität vorzuschlagen, wie vor allem: • ein gezieltes Risikocontrolling • regelmäßige Normen- und Werte-Checks • einen durch angewandte Unternehmensethik fundierten Code of Conduct • ein sog. „Red Flagging Management“ als Frühaufklärungssystem zur Entdeckung von fraud, das insbesondere die Erkennung auch "schwacher Signale" und eine Typisierung von Warnsignalen leisten muss, die "red flags" sollten mindestens nach den drei Komponenten des "fraud triangles" differenziert sein. • ein sog. Incident Management mit dem sog. „Whistleblowing“ als zentralem Instrument: Hiermit ist das Aufdecken von fraud und die entsprechende Informationsweitergabe durch Organisationsangehörige an 108 Wesentliche Spannungsfelder zwischen Ethik und Betriebswirtschaft neutrale Ahndungsinstanzen gemeint; als problematisch stellt sich der in der Praxis typische Umstand heraus, wenn der „Whistleblower” hierarchisch unter dem „Bezichtigten“ angesiedelt ist (vgl. Hofmann 2008, S. 388–390). 3.5 Corporate Compliance versus Integrität Unter einer verantwortungsvollen Unternehmensführung versteht man die Einhaltung von Gesetzen, Richtlinien sowie internen Vorschriften. Hierzu hat sich der Fachbegriff Compliance (engl.: to comply: Folge leisten, erfüllen, geltende Vorschriften einhalten) im deutschen Sprachraum etabliert. Verantwortungspflicht und unternehmerisches Handeln erfordern von der Unternehmensführung Maßnahmen, Rechtsvorschriften ausnahmslos einzuhalten. Compliance ist – besonders in Großunternehmen – sehr umfangreich. Daher ist es folgerichtig, Verantwortungen und Aufgaben in der Unternehmensführung von Compliance-Erfordernissen zu trennen und unterschiedliche Instanzen im Unternehmen mit diversen ComplianceAufgaben zu betrauen (vgl. Brauer et al. 2009, S. 4 f.). Es gilt – über gesetzliche Regeln und Bestimmungen hinaus – das Bewusstsein für Ethik und ethisch-korrektes Verhalten des Managements und der Mitarbeiter zu entwickeln bzw. zu stärken. Die gesetzlichen Bestimmungen berücksichtigen nur einen Teil der Ethik, die Gesellschaft verlangt jedoch ein darüber hinausgehendes Maß an Moral (vgl. Wecker/Galler 2009, S. 50 f.). Compliance gilt heute als wichtiges Element guter Corporate Governance (vgl. Gleich et al. 2008, S. 338). In den USA sehen die von der United States Sentencing Commission 1991 aufgestellten und 2004 verschärften „Federal Sentencing Guidelines for Organizations“ vor, dass Unternehmen im Falle unethischen Verhaltens einzelner Personen als gesetzliche Einheit bestraft werden können. Falls die Organisation den Nachweis eines effektiven Ethikprogramms erbringt, kann das Gericht das Strafausmaß reduzieren (vgl. Kreikebaum 2006, S. 10). In Österreich gilt das Verbandsverantwortlichkeitsgesetz; demnach ist neben der handelnden natürlichen Person auch ein Unternehmen zu bestrafen, wenn die Tat entweder durch einen Entscheidungsträger oder durch einen Mitarbeiter begangen wird und die Tat durch ein Organisationsverschulden ermöglicht oder erleichtert wurde (vgl. Zehetner 2009, S. 269). 109 Wesentliche Spannungsfelder zwischen Ethik und Betriebswirtschaft Eine Umfrage von PwC und „The Economist Intelligence Unit“ unter 160 Führungskräften in nordamerikanischen, asiatischen und europäischen Unternehmen 2003 ergab, dass unter Compliance neben der Befolgung von externen Gesetzen und Richtlinien auch die Prüfung interner Vorgaben und ethischer Grundsätzen von Bedeutung ist. Mehr als die Hälfte der befragten Führungskräfte sehen Reputationsrisiken als die größte Gefahr für das Unternehmen, gefolgt von Bonitätsrisiken. Die Bedeutung von Compliance nimmt nach Meinung der Befragten weiter zu (vgl. www.pwc.com 2003). Aus diesem Grund gehen zahlreiche in der Literatur zu findende Definitionen bereits auf den Begriff der Compliance auch im Zusammenhang mit Ethik und Moral ein (vgl. Hauschka 2007, S. 3). Besonders fruchtbringend erscheint dabei die Unterscheidung in • Compliance als Einhalten von externen Normen und Regelungen, und • Observance als Einhalten der intern festgelegten Normen (vgl. von Werder/Grundei 2006, S. 19 f.). Als Überbegriff wird der Terminus Conformance, d. h. Prüfung, ob bzw. inwieweit zu beachtende Regeln eingehalten werden, verwendet. Wichtigste Ziele jeder Conformance-Strategie sind Aufdeckung und Prävention von ungesetzlichem und unethischem Handeln (vgl. Paine 1994, S. 109). Die Führung soll dadurch vor gesetzlichen Konsequenzen und vor persönlichen Angriffen, z. B. seitens der Öffentlichkeit, geschützt werden. Dazu bedarf es z. B. eines konkreten Ethikprogramms, das Verhaltensleitlinien enthält und deren Überwachung garantiert. Es verbindet sich mit einer Kultur des Misstrauens und der Angst vor Aufdeckung ungesetzlichen Verhaltens. Das Ethikprogramm umfasst neben gezielten Ausbildungs- und Trainingsmaßnahmen auch Sanktionen und disziplinäre Mittel, um ein legales Verhalten der Belegschaft zu erreichen. Dazu gehören auch Verfahren, um Mitarbeiter vor Repressalien schützen („Whistle Blower Protection“) sowie Audits zur Kontrolle der Umsetzung eines solchen Programms (vgl. Hunsdiek/Tams 2006, S. 47). Positiv am Compliance-Ansatz ist zu werten • die Reduktion von Komplexität aufgrund zahlreicher gesetzlicher Vorschriften, vor allem in einzelnen Materiengesetzen; und • die Schaffung von Erwartungssicherheit im Unternehmen, indem Verhaltensnormen und Disziplinarmaßnahmen standardisiert werden (vgl. Hunsdiek/Tams 2006, S. 48 f.). 110 Wesentliche Spannungsfelder zwischen Ethik und Betriebswirtschaft Kritisch zu bemerken ist aber: • Ethische Normen werden typischerweise nicht in einem transparenten Prozess der Abstimmung zwischen Beteiligten und Betroffenen entwickelt, sondern vorgegeben. Die fehlende Beteiligung der Unternehmensangehörigen an der Entwicklung der Leitlinien verhindert aber oft die erwünschte intrinsische Motivation, eine kritische Reflexion und die Selbstverpflichtung (Ethos) der Mitarbeiter (vgl. Kreikebaum 2006, S. 10); • Ein „Overjustification-Effekt“ kann auftreten: Gibt man Personen Anreize, sich in bestimmter Weise zu verhalten, obwohl sie sich bereits aus eigenem Antrieb (Ethos) in der gewünschten Weise verhalten, kann durch zusätzliche externe Anreize der Eigenantrieb reduziert werden (vgl. Hunsdiek/Tams 2006, S. 52); • Fremdkontrolle und Sanktionsmaßnahmen werden als Ausdruck einer Misstrauenskultur gewertet. Werte werden „von oben“ vorgegeben statt auf die Verantwortungsfähigkeit der Mitarbeiter zu setzen (vgl. Ulrich 2001b, S. 420); • Compliance-Programme verfolgen häufig nur das moralische Minimum, nämlich kriminelles Verhalten zu verhindern. Typisch ist auch die Besetzung entsprechender Stellen mit Juristen. Es fehlt oft an Reflexion darüber, ob alles, was legal ist, auch moralisch genannt werden kann; • Bei den Implementierungsmaßnahmen setzt man stark auf detaillierte (externe) Vorschriften als Richtschnur und auf Angst vor Strafe als „Motivationsfaktor“. Leitmotiv ist: ”Keep us out of trouble!” (Göbel 2010, S. 248). Diese Kritik nimmt der Integritäts-Ansatz auf. Die Mitarbeiter sollen zu eigenverantwortlichem und moralischem Handeln befähigt und ermutigt werden. Dazu gehört vor allem die formelle Konkretisierung ethischer Erwartungen z.B. in Wertechartas, im Leitbild oder in Verhaltensgrundsätzen. An die Stelle einer „ethischen Außensteuerung“ im Compliance-Konzept tritt im Integritäts-Ansatz ein wertorientiertes, selbstbestimmtes Engagement. Der Integritäts-Ansatz enthält zwar auch die Forderung nach Erfüllung gesetzlicher Vorgaben als notwendigen ersten Schritt, geht aber einen entscheidenden Schritt weiter, indem verlangt wird, die Führung möge situativ auf die legitimen Ansprüche von Stakeholdern eingehen. Die Einhaltung von Normen kann auf Dauer nicht erzwungen werden, sie sind in einem Dialog zu erarbeiten. Dazu muss ein sensitiver Umgang mit Konflikten geprobt werden. Der Integritäts-Ansatz ist tiefgehender, umfassender und anspruchsvoller als die bloße Anpassung eines „Ethik111 Wesentliche Spannungsfelder zwischen Ethik und Betriebswirtschaft managements“ an Gesetzesvorgaben. Aber erfahrungsgemäß überfordern sich Unternehmen oft mit Idealvorstellungen von Integrität (vgl. Kreikebaum 2006, S. 11). In Abbildung 20 werden die wesentlichen Merkmale von Complianceund Integritätsansatz einander gegenüber gestellt. Kriterium Compliance-Ansatz Integritäts-Ansatz Ziel Einhaltung externer (Rechts-) Normen, d.h. der Legalität Moralische Selbststeuerung von Führung und Mitarbeitern erreichen (Legitimität) Philosophie „Verhinderungslogik“: Begrenzung von Handlungsspielräumen, um kriminelle Energie einzudämmen; „rule-based“, daher relativ einfach Individuelle moralische Verantwortung fördern; „behavior-based“, daher relativ komplex und anspruchsvoll Menschenbild Person ist von materiellem Eigennutz geleitet ; Androhung von Sanktionen wirkt verhaltenssteuernd Person ist vom Eigennutz, aber auch von Idealen, Werten und Vorbildern geleitet Wirkungen und Maßnahmen Einrichtung eigener ComplianceStellen, verstärkte Dokumentation, Tendenz zu „black lists“; Schulungen, Schulungen, Vorbild der Führungskräfte, Freiraum für persönliche Verantwortung, Kontrolle und Sanktionen Abb. 20 Quelle: in Anlehnung an Göbel 2010, S. 246 Compliance zeugt eher von einem defensiven Verständnis. Der Integritätsansatz kommt hingegen einem proaktiven Management näher, da er auf einen „innengeleiteten Wandel“ im Unternehmen, auf Bewusstseinsbildung und auf die Integrität jedes Einzelnen setzt. Gefragt ist in der Praxis wohl der gesunde Mittelweg: die – eigentlich selbst verständliche – Einhaltung von Rechtsnormen als Basis, darüber hinaus wird aber der moralischen Selbstverantwortung von Führungskräften und Mitarbeitern ausreichend Raum zu geben sein. 112 Wesentliche Spannungsfelder zwischen Ethik und Betriebswirtschaft 3.6 Warum sich integre, nachhaltige Unternehmensführung auch wirtschaftlich lohnt Die Antwort von Unternehmen auf die geforderte höhere Umwelt-, Sozialund Governance-Verantwortung wird als Corporate Social Performance (CSP) bezeichnet. Es gibt zahlreiche Studien, die den Zusammenhang zwischen CSP und der Unternehmensperformance untersuchen. Dabei sind folgende Besonderheiten zu beachten: • CSR bzw. CR sind nicht eindeutig definiert bzw. definierbar. • Dies gilt besonders, wenn in Nachhaltigkeitsberichten Kennzahlen zu CSR bzw. CR gebildet werden. • Informationen über Nachhaltigkeit und Corporate Governance werden von Unternehmen meist in Textform veröffentlicht und sind damit nur mittels Textanalyse beurteilbar. • Aufgrund dieser Faktoren sind Vergleiche zwischen Unternehmen meist wenig aussagekräftig. • Die Kausalität ist nicht eindeutig: Wirkt CSP auf die Unternehmensperformance? Oder gibt es auch Rückwirkungen in dem Sinne, dass Unternehmen mit guten Ergebnissen eher zu CR-Aktivitäten bereit sind? (vgl. Bassen/Senkl 2010, S. 257). Bassen/Hölz/Schlange (2006) analysieren CR anhand eines CSR-Ratings, das verschiedene Nachhaltigkeitsbereiche umfasst. Es zeigt, dass eine gute CSP des Unternehmens • das Risiko des Eigenkapitals und damit die von Investoren geforderte Risikoprämie verringert, und • die Risikoeinschätzung der Fremdkapitalgeber verbessert, was sich in niedrigeren Kreditzinsen niederschlägt (vgl. www.dsw.de 2006). Die European Alliance for Corporate Social Responsibility untersucht im sog. Laboratory on Market Valuation of Financial and Non-Financial Performance, welche Bereiche einer Nachhaltigkeitsberichterstattung für Investoren von Interesse sind. Die bisher bestätigte Hypothese dafür lautet: “There is a strong correlation between the key non-financial drivers and CSR represented by environmental, social and governance (ESG) factors” (vgl. www.investorvalue.org 2006). Orlitzky et al. führen eine Meta-Analyse von 52 empirischen Studien durch und kommen zum Ergebnis, dass zwischen CSP und Corporate Financial Performance ein positiver Zusammenhang besteht. “The meta-analytic findings suggest that corporate virtue in the form of social responsibility and, to 113 Wesentliche Spannungsfelder zwischen Ethik und Betriebswirtschaft a lesser extent, environmental responsibility is likely to pay off …” (vgl. www.sagepub.com 2003). Man darf daher annehmen, dass sich aus dem Aufbau bzw. der Entwicklung • von Normen, positiven Werten und Moral als Objekten des normativen Managements, • eines Stakeholder-Ansatzes nach betriebswirtschaftlich-strategischen und nach ethischen Kriterien, • einer Corporate Responsibility, insbesondere einer nachhaltig-ethischen Corporate Governance, und des • Integritätsansatzes letztlich handfeste finanzielle Vorteile für Unternehmen ergeben (vgl. Maak/Ulrich 2007, S. 357–361; vgl. Göbel 2010, S. 178 und S. 260), wie vor allem: • Höhere(s) Motivation, Engagement und Loyalität der Mitarbeiter, die z. B. in freiwillige Leistungen und Anstrengungen für das Unternehmen oder in Erreichbarkeit „rund um die Uhr“ münden • Höheres Ansehen bei Stakeholdern • Gute Reputation, die Kunden zum (Wieder-)Kauf veranlasst, das Akquisitionspotenzial für neue Mitarbeiter erhöht und Rekrutierungskosten reduzieren kann • Vertrauen in die Integrität des Unternehmens und der handelnden Personen, die die Kooperationen mit Stakeholdern erleichtert, das Risiko senkt, die Vertragsqualität verbessert und die Kapitalkosten senkt. • Gutes Image verhilft zu Standort- oder Netzwerkvorteilen. • Unternehmen mit Charakter sind langfristig erfolgreich, Charakter zahlt sich aus („Return on Character“). • Geschäftspartner haben Klarheit darüber, welche ethischen Standards das Unternehmen vertritt. • Umweltschutzmaßnahmen z. B. können direkt Kosten sparen oder kostenneutral sein. Erzeugen sie höhere Kosten, können diese auf die Kunden überwälzt werden, wenn diese bereit sind, für umweltgerechte (z. B. Fair-Trade-)Produkte höhere Preise zu zahlen. Ökologische Produktion kann sogar zum USP werden, wie z. B. der Boom bei Bio-Supermärkten beweist. • Der ökologisch umsichtige Umgang von Führungskräften und Mitarbeitern mit Ressourcen führt direkt zu Kostenersparnissen • Geringeres Risiko von Skandalen und Gerichtsverfahren, damit wiederum geringeres Risiko für Reputations- und Imageverluste • Kein Risiko von Schadenersatzzahlungen. Die Kosten für SIEMENS für den 2008 aufgedeckten Schmiergeldskandal lagen bei rund 2 Mrd. USD, 114 Wesentliche Spannungsfelder zwischen Ethik und Betriebswirtschaft davon entfielen rund 1,6 Mrd. USD auf Bußgeld (vgl. Sölle 2010, o. S.). Solche Beträge einsparen zu können, zeigt, wie ökonomisch moralisch korrektes Verhalten sein kann. Im Gegensatz zu den Nachteilen bzw. Schäden fehlender Moral lassen sich die ökonomischen Vorteile der Moral erfahrungsgemäß i.d.R. bestenfalls grob schätzen. Die in Punkt 2.1.4 formulierte Hypothese eines positiven Vorsteuerungszusammenhangs zwischen normativem, strategischem und operativem Management scheint damit vorläufig verifiziert zu sein. 3.7 Lessons learned In Kapitel 3 wurden die wichtigsten ethisch-ökonomischen Konfliktfelder analysiert. a) Shareholder Value- versus Stakeholder-Ansatz Nachhaltige Unternehmenswertschöpfung bedarf heute des StakeholderManagements. Ziel des Stakeholder-Konzepts („values“) ist langsames, nachhaltiges Wachstum i. S. von Profitabilität UND Verantwortung. StakeholderManagement aus der Sichtweise des Shareholder-Value-Ansatzes ist hingegen nur Mittel zum Zweck und erfolgsrational motiviert. Man kann heute eher von der Annahme ausgehen, dass der Shareholder Value die Interessen anderer Stakeholder nicht in ausreichendem Maß berücksichtigt. Shareholder Value- und Stakeholder-Ansatz sind in der heutigen modernen Wirtschaft im Verbund zu sehen. Einerseits brauchen Unternehmen und ihre Stakeholder Gewinn („value“ im monetären Sinn); andererseits reicht rein ökonomisches Denken schon lange nicht mehr aus: es bedarf der values. Entscheidungen in Unternehmen und Gesellschaft sollten auf den gemeinsamen Mehrwert („shared value“) gerichtet sein. b) Corporate Responsibility Dieses Handlungsfeld kann in Corporate Governance und Corporate Social Responsibility geteilt warden. Corporate Governance (CG): Es geht um eine verantwortungsvolle, auf nachhaltige Wertschöpfung ausgerichtete Unternehmensführung und -kontrolle, die sämtliche Rechte und Pflichten aller Anspruchsgruppen 115 Wesentliche Spannungsfelder zwischen Ethik und Betriebswirtschaft (Stakeholder) sowie deren Verhältnis untereinander regelt. Das anzustrebende System einer nachhaltig-ethischen CG hat vier Säulen: • Compliance- und Integritäts-Management, • Performance Management (als Systeme der strategischen und operativen Ergebnisorientierung von Management und Controlling), • Chancen- und Risikomanagement (als Früherkennungs- und Überwachungssystem, insbesondere in Bezug auf Prävention vor normativen Misfits und vor Unternehmenskriminalität), und ein • funktionierendes Internes Kontrollsystem (IKS). Corporate Social Responsibility (CSR): Es steht für ein Konzept, das verantwortungsbewusstes Handeln der Unternehmen in Zielen und Entscheidungen, in ihrem Umgang mit Stakeholdern sowie beim Einsatz knapper Ressourcen fordert. Aufgabe des Controllings sollte es hier vor allem sein, das Management bei der Integration von CSR-Themen in die Unternehmensstrategie zu beraten und zu unterstützen. In den letzten Jahren wurden aussagekräftige Schlüsselindikatoren (Key performance indicators, KPI) für die Finanzanalyse entwickelt, besonders für die Bereiche „ESG“ (Environmental, Social, Governance); also Daten über Umwelt-, soziale und qualitative Unternehmensführungsaspekte. c) Unternehmenskriminalität Dies ist ein Thema, weil bei ihrem Auftreten das moralische Minimum, d. h. die Einhaltung von Rechtsnormen, unterschritten wird, weil Wirtschaftsdelikte oft unter Missbrauch von Vertrauen geschehen, weil die Unternehmensführung dann nicht mehr als integer wahrgenommen wird, weil viele Täter aus dem mittleren und Top Management stammen und weil zur Kriminalprävention Werte-basiert gearbeitet werden muss. Das normative Controlling ist aufgerufen, in seiner Präventionsfunktion dem Top Management Systeme und Maßnahmen zur Vorbeugung von Unternehmenskriminalität vorzuschlagen, wie z.B.: • Ein funktionierendes IKS • Einen durch angewandte Unternehmensethik fundierten Code of Conduct • Ein sog. „Red Flagging Management” als Frühaufklärungssystem • Ein sog. Incident Management mit dem sog. „Whistleblowing” (Hinweisgebersystem) als zentralem Instrument zum Aufdecken von fraud. 116 Wesentliche Spannungsfelder zwischen Ethik und Betriebswirtschaft d) Corporate Compliance versus Integrität Eine verantwortungsvolle Unternehmensführung verlangt die Einhaltung von Gesetzen, Richtlinien sowie internen Vorschriften (engl.: to comply: Folge leisten, erfüllen, geltende Vorschriften einhalten). Während Compliance regelbasiert und mit Sanktionen bei Regelverstößen als Push-Strategie konzipiert ist, geht der Integritätsansatz als Pull-Strategie von der Internalisierung von Prinzipien durch die Führungskräfte und Mitarbeiter aus. Compliance zeugt eher von einem defensiven Verständnis. Der Integritätsansatz kommt hingegen einem proaktiven Management näher, da er auf einen „innengeleiteten Wandel“ im Unternehmen, auf Bewusstseinsbildung und auf die Integrität jedes Einzelnen setzt. Lohnt sich eigentlich integre, nachhaltige Unternehmensführung wirtschaftlich? Diese Frage kann bejaht werden, Folgen einer solchen Unternehmenspolitik sind u. a.: • Höheres Ansehen bei Stakeholdern • Kein Risiko von Gerichtsverfahren bzw. Schadenersatzzahlungen • Vertrauen in die Integrität des Unternehmens und der handelnden Personen • Gutes Image und dadurch Standort- oder Netzwerkvorteile • Charakter zahlt sich auf lange Sicht aus („Return on Character“). 3.8 Learning by doing A 3.1 Recherchieren Sie im Internet bitte den oben erwähnten Schmiergeldskandal bei SIEMENS! Welche Lehren sind daraus zu ziehen? A 3.2 Recherchieren Sie bitte die aktuelle Akzeptanzrate des Österreichischen Corporate Governance Kodex und seiner Reglungen durch die Normadressaten! A 3.3 Ist es legitim, wenn ein Management 25 % Eigenkapitalrentabilität anstrebt, zwecks Erreichung dieses Ziels aber 1.000 Arbeitsplätze streicht? Diskutieren Sie bitte, ob bzw. unter welchen Umständen die Erfüllung dieses Ziels die Kündigung von Mitarbeitern rechtfertigt? 117 Wesentliche Spannungsfelder zwischen Ethik und Betriebswirtschaft A 3.4 Transparency International, eine NGO mit Sitz in Berlin, kämpft gegen Korruption. Recherchieren Sie bitte im Internet die Business Principles (http://www.transparency.org/) und den „Integritätspakt“, die TI entwickelt hat und diskutieren Sie bitte die vorgeschlagenen (Präventions-) Maßnahmen! 118 „Strategisches Management und Corporate Governance fangen aber dort erst an, wo das Rechnungswesen … zwangsläufig enden muss, weil wir die wirklich entscheidenden Fragen der Unternehmensführung nicht in Geldgrößen quantifizieren können.“ (Malik 2008, S. 49) 4 Normatives intellektuelles Kapital Ziele des Kapitels Nach der Lektüre dieses Kapitels wissen Sie, • welche Bedeutung immaterielle Werte haben, • wie immaterielle von materiellen Gütern abgegrenzt werden können, • wie immaterielle Werte kategorisiert werden können, • welche Elemente das normative intellektuelle Kapital (NIK) umfasst, • wie immaterielle Werte operationalisiert werden können, • welche Besonderheiten die Elemente des normativen intellektuellen Kapitals (NIK) aus Controlling-Sicht haben • wie immaterielle Werte bewertet werden können. 4.1 Bedeutung immaterieller Werte Moral, Werte, Unternehmenskultur und weitere interne Normen sind immaterielle (Vermögens-)Werte (Intangibles). Aufgrund der weiter wachsenden Bedeutung des Dienstleistungssektors in der modernen Wirtschaft und damit des Know-hows von Führungskräften und Mitarbeitern kommt den immateriellen Werten als Werttreibern große und voraussichtlich ebenfalls weiter wachsende Bedeutung zu. Immaterielle Werte sind im „Resource based view“ (als Teilbereich der Theorie des strategischen Managements, vgl. Pralahad/Hamel 1990, S. 80) wichtige Determinanten von Erfolgspotenzialen (vgl. Velte 2008, S. 1; vgl. Linder/Wolf 2008, S. 160 f.). Empirische Untersuchungen zeigen, dass immaterielles Human-, Struktur- und Beziehungskapital an Bedeutung gewinnt, um die Erfolgspotenziale von Unternehmen vollständig zu beurteilen (vgl. Fischer/Zirkler 2007, S. 593). Das Ausmaß der Bedeutung immaterieller Werte lässt sich u. a. an der Höhe des bei Unternehmensübernahmen entstehenden Goodwills erkennen. Untersuchungen auf dem Kapitalmarkt belegen, dass der Wert vieler Unternehmen zu 50–90 % auf Intangibles und den Goodwill entfällt (vgl. 119 Normatives intellektuelles Kapital IFAC 1998, S. 1). So ergab sich z. B. bei der Übernahme von Mannesmann durch Vodafone im Jahr 2000 ein Goodwill von ca. 150 Mrd € (vgl. Arbeitskreis SG 2005, S. 224). Dem entspricht der wachsende Bedarf nach einer Weiterentwicklung des externen Reportings um nicht-finanzielle Größen. Seit Mitte der 1990er Jahre sind Bemühungen auf internationaler Ebene (AICPA, FASB, IASB) im Gange, um das herkömmliche „Financial Reporting“ durch ein „Business Reporting“ zu ergänzen. Besonders relevant sind die sog. ESGFaktoren. Das Bilanzrechtsreformgesetz 2004 in Deutschland zwingt große Kapitalgesellschaften dazu, nicht-finanzielle Leistungsgrößen und Indikatoren über Umwelt- und Arbeitnehmerbelange, soweit sie für den Geschäftsverlauf und die Lage des Unternehmens von Bedeutung sind, zu veröffentlichen (vgl. § 289 Abs. 1und 3 sowie § 315 Abs 1 dHGB). In Frankreich, Großbritannien, Dänemark und Schweden sind börsennotierte Unternehmen ebenfalls verpflichtet, über ihre CR-Leistungen Rechenschaft abzulegen (vgl. Schlange 2009, S. 304; vgl. Stoi 2003, S. 8). Für Österreich verlangt das UGB, dass der Konzernlagebericht eine ausgewogene und umfassende Analyse des Geschäftsverlaufs und der Lage des Konzerns enthält. Abhängig von seiner Größe und der Komplexität seines Geschäftsbetriebs ist in der Analyse auf die „… wichtigsten finanziellen und nicht-finanziellen Leistungsindikatoren, einschließlich Informationen über Umwelt- und Arbeitnehmerbelange, einzugehen …“ (§ 267 UGB Abs. 2). Die Vermittlung von Informationen über die künftige, nachhaltige Entwicklung von immateriellen Wertsteigerungspotenzialen stellt einen Schwerpunkt des sog. Strategic Advantage Reportings (vgl. Fischer/Zirkler 2007, S. 593) dar. 4.2 Abgrenzung materieller von immateriellen Werten Unter Gütern werden im ökonomischen Sinn Mittel bzw. Werte zur Bedürfnisbefriedigung verstanden werden. Nach der physischen, stofflichen Substanz von Gütern (Werten) können unterschieden werden (vgl. Buchtela et al. 2010, S. 9): • materielle Güter, d. s. räumlich abgrenzbare Güter mit stofflicher Substanz, und • immaterielle Güter, d. s. substanzlose Güter, die „nur“ als Gedanke oder Wirkung von etwas real Existierendem auftreten 120 Normatives intellektuelles Kapital Dabei ist besonders die Unterscheidung zwischen „Verbundgütern“ und „materialisierten immateriellen Gütern“ problematisch, da beide Kombinationen von materiellen und immateriellen Gütern sind. Ein Gut ist als immateriell einzustufen, wenn bzw. solange dem materiellen Anteil nur eine Träger- bzw. Transportfunktion der geistigen Leistung, z. B. auf einen anderen Besitzer, zukommt. Hat hingegen die materielle Komponente eines Guts eine eigenständige Bedeutung, ohne die Bedeutung der immateriellen Komponente zu schmälern, liegt ein „Verbundgut“ vor (vgl. Lutz-Ingold 2005, S. 9; vgl. Abbildung 21). 'F*(= • + 9+*(=7(,,($'F*(= Q??+*(=7(,,($'F*(= E(7.$?+*(=7(,,( 'F*(= 6(="-.;B /F*(= 9+*(=7+,7)7(=*( 7??+*(=7(,,($ 'F*(= 'F*(=8$;7($ +-))TA,7(Z,7TA +-)$9+*(=7( "()*(A(.8$ <7($2#I#$ ;(? E1A)*1n l1,2 'F*(=8$;7( -.*(= P1?"7.+O1. R1.$9+*(=7+,$ -.;$P.1<B A1<BH7.B )+*2$(.*)*(B A(.8$<7($2#I# (7.$L*-A, Q??+*(=7(,,( 'F*(=8$;7( M()*$?7*$(7.(? ?+*(=7(,,(. j=C/(=?(;7-? R(="-.;(.$ )7.;8$<7($2#I# L1s<+=($+-M$ (7.(=$G6G Abb. 21 E(7.$7??+*(B =7(,,($'F*(= 'F*(=$1A.($ ?+*(=7(,,( I()*+.;*(7,(8 <7($2#I# Q;((.8$ E(2(3*(8 \,C.( >1?7.+,B 'F*(= Q??+*(=7B (,,($'F*(= ;(=$b7.+.2B <7=*)TA+s8 <7($2#I#$ ,7q-7;( 97m(,8 '(,;M1=;(B =-./(. Quelle: in Anlehnung an Lutz-Ingold 2005, S. 7–9 Werte, die sich sowohl aus immateriellen als auch aus materiellen Komponenten zusammensetzen, sind dann als immateriell zu klassifizieren, wenn die materielle Komponente nur untergeordnete Bedeutung hat und vornehmlich Transport-, Dokumentations-, Speicherungs- oder Lagerungszwecken dient, wie das z. B. bei auf einem Datenträger gespeicherter Software der Fall ist. Finanzielle Werte, wie z. B. liquide Mittel, Forderungen, Verbindlichkeiten, Wertpapiere und Beteiligungen zeichnen sich zwar – ähnlich wie immaterielle Werte – durch die fehlende körperliche Substanz aus; sie lassen sich aber von den echten immateriellen Werten durch das Kriterium „monetär“ unterscheiden. 121 Normatives intellektuelles Kapital Immaterielle Werte (Güter) sind – negativ abgegrenzt – nicht-monetäre Werte ohne körperliche Substanz. Moral, Werte, Unternehmenskultur und Normen sind Güter ohne materielle Bestandteile, mit anderen Worten die Gesamtheit jener Handlungsoptionen, die eine gesellschaftliche Zusammenarbeit zum Vorteil der Allgemeinheit fördern bzw. moralische Konflikte auflösen bzw. vermeiden können. Ein immaterieller Vermögensgegenstand ist ein nicht-physischer Vermögenswert im Eigentum eines Unternehmens (vgl. Ewert/Wagenhofer, 2005, S. 562). Der Deutsche-Standardisierungs-Rat (DSR) regelt im DRS 12 die Bilanzierung immaterieller Vermögenswerte des Anlagevermögens für den Konzernabschluss. Vermögenswert wird in DRS 12 definiert als „identifizierbare, in der Verfügungsmacht des Unternehmens stehende, nicht monetäre Vermögenswerte ohne physische Substanz, welche für die Herstellung von Produkten oder das Erbringen von Dienstleistungen, die entgeltliche Überlassung an Dritte oder für die eigene Nutzung verwendet werden können“ (www.standardsetter.de 2011). Gemäß IFRS ist ein bilanzierungspflichtiger immaterieller Vermögenswert dadurch gekennzeichnet, dass er eindeutig identifizierbar, ohne physische Substanz und nicht-monetär ist (vgl. IAS 38.8; vgl. Hayn/Waldersee 2006, S. 118). Auch die US-GAAP definieren einen bilanzierungsfähigen, immateriellen Vermögenswert als eindeutig identifizierbaren, nicht-monetären Wert ohne physische Substanz. 4.3 Verwandte Begriffe für immaterielle Werte Häufig werden auch folgende Begriffe für immaterielle Werte verwendet (vgl. Arbeitskreis SG 2005, S. 225): • Immaterielle Güter • Immaterielle Vermögensgegenstände (Wirtschaftsgüter) • Intangible assets (Intangibles) • Knowledge assets • Intellectual property • Intellectual capital • Goodwill. Dazu im einzelnen: • Immaterielle Güter: dieser Begriff deckt sich sowohl im Inhalt als auch im Umfang mit dem Begriff des immateriellen Werts. • Das Handelsrecht spricht von „Vermögensgegenstand“, das Steuerrecht 122 Normatives intellektuelles Kapital • • • • • spricht von „Wirtschaftsgut“. Immaterielle Vermögensgegenstände bzw. Wirtschaftsgüter stellen abstrakt aktivierungsfähige Werte dar und sind enger gefasst als der Begriff „immaterieller Wert“ (vgl. Arbeitskreis SG 2005, S. 225). Intangible asset kann als angelsächsisches Äquivalent für den Begriff immaterieller Wert verstanden werden (vgl. Lev 2001: „… intangible (intellectual, knowledge) assets …: vgl. www.papers.ssrn 2001). Der Begriff intangible asset wird vor allem in der Rechnungslegung verwendet. Knowledge assets sind wissensbezogene Vermögensgegenstände bzw. Kompetenzen wie z. B. Problemerkennung, Abstraktion, learning by doing. Wissen kann als Gesamtheit der Kenntnisse, Fertigkeiten und Fähigkeiten, die Personen zur Lösung von Problemen anwenden, verstanden werden. Dies umfasst sowohl theoretische als auch praktische Erkenntnisse und Regeln (vgl. Probst et al. 2006, S. 22), und damit auch das bewusste oder unbewusste Wissen über Werte, Moral, Tugenden und Normen. Unter dem Begriff des geistigen Eigentums (auch intellektuelles Eigentum, engl.: intellectual property) werden absolute Rechte an immateriellen Gütern verstanden. Inhaber eines solchen Rechts ist z. B. der Inhaber eines Patents oder der Schöpfer eines urheberrechtlich geschützten Werks oder eines Gebrauchsmusters. Dieser Begriff ist enger als der Begriff „Intellectual Capital“. „Intellectual Capital“ umfasst auch rechtlich nicht geschützte und in der Handels- bzw. Steuerbilanz nicht aktivierbare immaterielle Werte wie z. B. Beziehungen zu Kunden oder Lieferanten. „Capital“ geht dabei über den Begriff des Kapitals in der Bilanz hinaus; er bezieht sich im weiteren Sinn auf Vermögen – verstanden als Ressource, Potenzial oder Quelle künftiger Erfolge, Produkte oder Dienstleistungen (vgl. Arbeitskreis SG 2003, S. 1234; vgl. Mertins et al. 2005, S. 3). „Intellectual Capital“ steht vor allem bei der Wissensbilanzierung im Vordergrund: So wird der Begriff Wissensbilanz als Synonym für Intellectual Capital Statement verwendet (vgl. Fischer/Zirkler 2007, S. 594). Der Goodwill (Geschäfts-, Firmenwert) entspricht dem Betrag, den der Käufer eines Unternehmens als Ganzes unter Berücksichtigung zukünftiger Ertragserwartungen über den Wert aller materiellen und bilanzierten immateriellen Vermögensgegenstände hinaus und nach Abzug der Schulden zu zahlen bereit ist. Ein selbstgeschaffener (originärer) Goodwill setzt sich aus nicht bzw. schwer objektivierbaren Werten wie z. B. Know-how von Mitarbeitern bzw. Management, Kundenstamm, Forschungsprojekten, Marketingaktionen, Image, Managementqualität oder Organisation zusammen (vgl. Schmidt 2007, S. 49). 123 Normatives intellektuelles Kapital Der Goodwill enthält neben den nicht separat aktivierbaren immateriellen Werten auch Komponenten, die zwar in den Goodwill einfließen, die aber nicht zu den immateriellen Werten zählen, wie z. B. das Verhandlungsgeschick des Verkäufers bei der Festlegung des Verkaufspreises (vgl. Arbeitskreis 2005, S. 227). Die immateriellen Werte wiederum umfassen neben den nicht einzeln aktivierbaren immateriellen Werten – die auch GoodwillBestandteil sind – die nicht dem Goodwill zuzuordnenden separat aktivierbaren immateriellen Werte wie Konzessionen, gewerbliche Schutzrechte $ $ $ $ $ u. a. (vgl. § 224 (2) UGB). Siehe dazu Abbildung 22: $$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$Q??+*(=7(,,($D(=*( '11; <7,, Abb. 22 >7TA*$)(3+=+* +0OR7(="+=( 7??+*(=7(,,($D(=*( L(3+=+*$+0OR7(="+=( 7??+*(=7(,,($D(=*(& (7.2(,.$R(=<(=*"+=$-.; 2-R(=,C))7/$)(,")*C.;7/ "(<(=*"+= L1.)O/($P1?31.(.*(. ;()$'11;<7,,) Quelle: vgl. Arbeitskreis SG 2005, S. 227 Zu den separat aktivierbaren immateriellen Werten zählen i.d.R. gewerbliche Schutzrechte (z. B. Patente, Marken, Gebrauchsmuster), Urheberschutzrechte, Konzessionen, Nutzungsrechte und Lizenzen sowie wirtschaftliche Werte (sog. Immaterialgüter) wie z. B. rechtlich nicht geschützte Verfahren, Erfindungen, Prototypen oder Rezepte (vgl. Schmidt 2007, S. 48). Die sechs Elemente Normen, Moral, Ethos, Werten, Tugenden und Unternehmenskultur wollen wir hier als normatives, intellektuelles Kapitel (weiter kurz: „NIK“) bezeichnen. Es ist Teil der nicht separat aktivierbaren immateriellen Werte und somit auch Teil des Goodwills. 4.4 Systematisierung immaterieller Werte § 224 (2) UGB nennt als immaterielle Vermögensgegenstände: • Konzessionen, gewerbliche Schutzrechte, ähnliche Rechte und Vorteile sowie daraus abgeleitete Lizenzen • Geschäfts- (Firmen-)wert • Geleistete Anzahlungen. 124 Normatives intellektuelles Kapital Die geleisteten Anzahlungen sind nach obigem Begriffsverständnis keine rein immateriellen Werte. Diese Aufzählung hilft im vorliegenden Kontext nicht weiter. Anders ist das mit den Ansätzen zu Wissensmanagement und Wissensbilanzierung. Nach dem Träger des Wissens lässt sich kollektives und individuelles Wissen unterscheiden. Kollektives Wissen beruht auf den individuellen Fähigkeiten Einzelner. Es ist für lernende Unternehmen von besonderer Bedeutung. Unter individuellem Wissen wird das bewusste und das implizite Wissen zusammengefasst. Letzteres basiert auf den Idealen, Werten und Gefühlen des/r Einzelnen. Implizites Wissen beeinflusst Erfahrungen und das Verhalten eines Menschen, sei es ihm bewusst, unbewusst oder nur im Unterbewusstsein vorhanden (vgl. Probst et al. 2006, S. 20 f.). Die Elemente des NIK sind daher Teil des impliziten Wissens. Die Entwicklung von Wissen und Unternehmenskultur hängen unentwirrbar zusammen: Nach einer europaweit durchgeführten Studie ist die Unternehmenskultur mit 47 % der wichtigste Faktor für ein erfolgreiches Wissensmanagement. Mit 28 % folgen die Motivation und die Qualifikation der Mitarbeiter (vgl. Heisig/Vorbeck 2001, S. 106). Das intellektuelle Kapital aus Sicht des Wissensmanagements ist in folgende Kapitalarten gegliedert: • Humankapital, d. i. individuelle Fähigkeiten, Fertigkeiten, Wissen, Erfahrung, Motivation und Innovationsfähigkeit, Führungskompetenz und soziale Kompetenz. • Strukturkapital, d. i. Wissen, das in Strukturen, Prozessen, Aspekten der Unternehmenskultur gespeichert ist. Dazu gehören u. a. geistiges Eigentum, Lizenzen, Patente, Rechte, selbst erstellte Software, Geschäftsgeheimnisse, Kommunikation, Innovationen und spezifisches Organisationswissen. • Beziehungskapital, d. s. Beziehungen einer Organisation zu Stakeholdern (vgl. www.wissensbilanz.net 2008). Eine Wissensbilanz ist die strukturierte Darstellung des Stands und der Entwicklung des intellektuellen Kapitals einer Organisation. Sie zeigt und beschreibt die Zusammenhänge zwischen den Zielen, den Prozessen, dem intellektuellen Kapital („Ressource Wissen“) und dem Erfolg einer Organisation. Eine Wissensbilanz ergänzt die Handelsbilanz um weiche Faktoren und ermöglicht so eine umfassendere Sicht auf die Treiber des Unternehmenserfolgs. Wissen deckt sich mit den dem Einzelnen tw. unbewussten Einstellungen, Ethos, Tugenden und Charakter aber nur zum Teil. Dieser Aspekt wird 125 Normatives intellektuelles Kapital von Suchanek berücksichtigt. Er unterscheidet folgende Kategorien immaterieller Vermögenswerte (2005, S. 77): • Humankapital: individuelle Einstellungen und Dispositionen, z. B. Leistungsbereitschaft, Loyalität, Vertrauenswürdigkeit • Organisatorisches Kapital: Unternehmenskultur, Vertrauensatmosphäre (Innenperspektive des Unternehmens), Unternehmensintegrität, Reputation des Unternehmens als verlässlicher Partner (Außenperspektive) • Institutionelles Kapital: stabile formale (rechtliche) und informelle (soziale, kulturelle) Normen und Institutionen, die gesellschaftlich erwünschte Handlungen fördern. Am detailliertesten ist das Konzept des Arbeitskreises „Immaterielle Werte im Rechnungswesen“, das sieben Kategorien immaterieller Werte unterscheidet. Die im Original (Arbeitskreis SG 2005, S. 226 f.) verwendeten englischsprachigen Bezeichnungen sind hier übersetzt: • Innovationskapital: Produkt-, Dienstleistungs-, Verfahrensinnovationen, wie z. B. Patente, Rechte, Lizenzen, Software, Marken, Copyrights, Rezepturen, Projekte in Entwicklung • Humankapital, wie z. B. Know-how, Führungsqualität, Kreativität, Durchsetzungskraft, Führungsstil, Mitarbeiterbeziehungen, Mitarbeiterpotenzial • Kundenkapital, wie z. B. Marktanteile, Kundenbasis, Kundenzufriedenheit, Kundenloyalität, (langfristige) Abnahmeverträge, Kundenpotenzial • Partnerkapital, wie z. B. Partner- und Lieferantenbasis, (langfristige) Bezugsverträge, Partnerbeziehungen, Partnerloyalität, Partnerschaftspotenzial • Imagekapital, wie z. B. Imagebasis, Rating, gesellschaftliche Reputation, Image, Bekanntheits- bzw. Beliebtheitsgrad des Unternehmens am Markt, Imagepotenzial • Organisationskapital, wie z. B. Qualität der Aufbaustruktur, der Prozessstruktur, der Ablauforganisation, Vertriebsnetz, Kommunikationsstruktur und -potenzial, Unternehmenskultur • Standortkapital, wie z. B. Standortattraktivität, Kundenfrequenz, Infrastruktur- und Steuervorteile, Standortpotenzial. In dieser uE sehr praxisnahen Kategorisierung kommt es zu zahlreichen Überschneidungen, z. B. ist Know-how auch die Basis für Innovationskapital; andererseits hat Unternehmenskultur viel mit Humankapital zu tun. Die Elemente des NIK (Normen, Moral, Ethos, Werte, Tugenden und Unternehmenskultur) gehören nach dieser Gliederung zum 126 Normatives intellektuelles Kapital • Innovations-, • Human- und zum • Organisationskapital. Sie sind Teil der nicht separat aktivierbaren immateriellen Werte und gleichzeitig Teil des Goodwills. Stoi (2003, S. 2) unterscheidet das intellektuelle Kapital weiter in externe (nicht im Eigentum des Unternehmens befindliche) und interne (im Eigentum des Unternehmens Komponenten. Zum externen, intel$ stehende) $ $ lektuellen Kapital zählt er Human-, Kunden- und Partnerkapital, zum internen Teil zählt er Image- und Organisationskapital (vgl. Abbildung 23): • + *%#2-M(#- D15%+81(55() :(1+'(#$I,(+ P-.B ;(.B 31*(.B 27+, \+=*B .(=B 31*(.B 27+, Q.*(,,(0*-(,,()$P+37*+, L*+.;B 1=*31B *(.27+, (c*(=. Abb. 23 l-B ?+.B 31B *(.27B +, Q..1B R+OB 1.)31B *(.27+, '11;<7,, Q?+/(B 31*(.B 27+, N=/+B .7)+B O1.)B 31*(.B 27+, 7.*(=. Quelle: In Anlehnung an Stoi 2003, S. 2; vgl. Arbeitskreis SG 2005, S. 226 f. Die Elemente des NIK zerfallen in eine externe Komponente (nämlich Humankapital) und in interne Komponenten (nämlich Innovations- und Organisationskapital). 4.5 Besonderheiten des normativen intellektuellen Kapitals (NIK) aus Controlling-Sicht Die Unternehmenskultur, vor allem die Art und Weise, wie Mitarbeiter und Führungskräfte miteinander kommunizieren, Informationsverhalten gegenüber Internen und Externen, Verhalten in Besprechungen und Kon127 Normatives intellektuelles Kapital flikten, Umgang miteinander und mit Ressourcen, wie man mit Fehlern (Fehlerkultur), anderen Meinungen und Mitarbeitervorschlägen umgeht, und der Stellenwert, den der Kunde tatsächlich hat, zählt zu den Ressourcen (Gütern) eines Unternehmens, die nur langsam und mit viel Sozialenergie entwickelt werden können. Unternehmenskultur ist von Wettbewerbern auch kaum kopierbar. So gesehen ist Unternehmenskultur das größte Erfolgspotenzial, das ein Unternehmen haben kann (vgl. von Eiff/Stachel 2007, S. 18). Die Fähigkeit einer Kultur der Selbsterneuerung, zu Innovationen und deren mutiger Realisierung impliziert das Vermögen möglichst vieler Mitarbeiter, kreativ zu sein und Problemlösungsfähigkeiten im Tagesgeschäft zur kontinuierlichen Verbesserung zu nutzen. Moral als immaterieller Wert kann aus Management- und Controllingsicht wie folgt charakterisiert werden (vgl. Waibl 2005, S. 21): • Moral stellt einen Wettbewerbsvorteil dar, wenn sie im Unternehmen ernster genommen wird als Konkurrenten das tun. • Moral ist ein Erfolgspotenzial höherer Ordnung, weil aus moralisch korrekten Grundhaltungen, „Reputational Capital“ (Maak/Ulrich 2007, S. 305), Normen und Werten gut fundierte Strategien entwickelt werden können, die wiederum zu Gewinnen höherer weil auch moralischer Qualität führen. • Moral ist Vorsorge: Wenn Wettbewerber unlautere Praktiken (z. B. Abwerbung, Dumping, Korruption, Produktfälschung) anwenden, müssen sie – früher oder später – mit Vergeltungsmaßnahmen rechnen. Um dem zuvorzukommen, sollte ein Unternehmen i. S. einer präventiven Vermeidungsstrategie moralisch einwandfrei, d. h. integer agieren. • Moral ist Investition in die Stakeholder, wenn klug austariertes, d. h. die Interessen aller Stakeholder bestmöglich befriedigendes Management i. S. eines Stakeholder-Dialogs verantwortungsvoll umgesetzt wird. • Moral als Managementaufgabe heißt sich klar werden, wie wichtig Worte und Argumentationen sind. Bestimmte Formulierungen gegenüber Mitarbeitern können erheblich motivierende bzw. demotivierende Wirkung haben. Wenn etwa Vorgesetzte Mitarbeiter unter Druck setzen, „ohne Rücksicht auf Verluste (anderer)“ Umsatz zu machen oder Kosten zu senken, werden vermutlich im Tagesgeschäft auch keine Rücksichten mehr genommen – und das auch zum Schaden des Unternehmens (vgl. Suchanek 2005, S. 78). Das Bestehen auf Integrität muss z. B. dazu führen, konsequent keine Provisionen für Aufträge zu zahlen, die unter Einsatz von Korruption akquiriert wurden. 128 Normatives intellektuelles Kapital So wie sich vor rund zwanzig Jahren erst einige „Enlightened Leaders“ mit CSR auseinander gesetzt haben, sollte sich modernes, professionelles Management immaterieller Werte mit Unterstützung des Controllings proaktiv mit den Potenzialen des NIK auseinandersetzen, um früher als Konkurrenten Wettbewerbsvorteile im Human-, Innovations- und Organisationskapital zu schaffen, kontinuierlich zu entwickeln und konsequent zu nutzen. Investition bezeichnet i. S. der Rechnungslegung den Erwerb von Anlagevermögen. Im vorliegenden breiteren Zusammenhang ist aber „Investieren in die Zukunft“ gemeint, d. h. der Einsatz finanzieller Mittel für ein immaterielles Gut bzw. einen Wert, das bzw. der erst später (unsicheren und nicht verlässlich schätzbaren) Nutzen abwirft. Analyse, Entwicklung und Pflege des NIK (Normen, Moral, Ethos, Werte, Tugenden und Unternehmenskultur) sollte als Ziel einer Investition gesehen werden, die zwar zunächst zu (nur tw. in Geld messbarem) Aufwand führt, bei konsequent richtiger Anwendung und ausreichend „langem Atem“ aber langfristig Zahlungsüberschüsse bringt und Geld spart. Die mangelnde materielle Greifbarkeit erzeugt Unsicherheit beim Nutzer bzw. Adressaten der Gegenstands bzw. der Leistung. Es bedarf daher materieller Ausdrucksformen für eine immaterielle Leistung, wie z. B. • die Person des bzw. der Ehrlichen bzw. Integren, • ein moralisch beurteilbares sichtbares Verhalten, oder • ein Symbols, z. B. eines Patents, einer Argumentationskette oder eines normativen Konzepts (vgl. Kotler/Bliemel 2006, S. 775 f.). Normatives Management und Controlling des NIK haben sich auf folgende Besonderheiten einzustellen: • Bei vielen moralisch motivierten Maßnahmen, wie z. B. Umweltschutz, über die gesetzlichen Anforderungen hinaus fallen Kosten sofort an, positive Wirkungen stellen sich aber erst später ein. Die Bereinigung des Sortiments um umweltschädliche Produkte (z. B. Tropenhölzer) oder Produkte unter Umgehung des Artenschutzes (z. B. Elfenbein) bedeutet zunächst Umsatz- und Gewinneinbußen, aber erst später und auch dann nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit einen Nutzen (die „ökonomischen Vorteile der Moralität“, Göbel 2010, S. 176) als Differenzierungs- bzw. Qualitätsvorteil im Wettbewerb. • Da es sich bei der Entwicklung von NIK vor allem um Zeitaufwand für Reflexion, Bewusstseinsbildung, Analyse, Diskussion („Diskurs“), Trainings, Workshops, u. ä. handelt, ist dieser Mitteleinsatz nicht einmal in der GuV erkennbar. 129 Normatives intellektuelles Kapital • Demgegenüber verursacht die Nutzung normativer, immaterieller Werte, wie z. B. der Einsatz von Werten und Tugenden in Entscheidungsoder Konfliktsituationen keine (erkenn- bzw. messbaren) Kosten. • Die gleichzeitige oder vielfache Verwendbarkeit des moralischen, Werteund kulturellen Gedankenguts zieht keine Wertminderung (weder über Abschreibungen noch über Abwertungen) nach sich; ganz im Gegenteil: durch häufigen Einsatz gewonnener Einsichten, Tugenden und Werte steigt ihr Nutzwert und die Erfahrung im Umgang mit solchen Werten, wodurch neue, gestärkte Werte, stärker ausgeprägte Tugenden, Empathie gegenüber Gesprächspartnern usw. entstehen. • Der Nutzen von Maßnahmen in NIK zeigt sich i.d.R. wiederum nur in einem Mehr an immateriellen Werten wie Image, Legitimation, Reputation, Motivation der Mitarbeiter, Loyalität, Vertrauen und im Wegfall bestimmter Risiken. Diese Werte bzw. Sachverhalte sind i.d.R. auch nicht mit Geld „aufzuwiegen“ bzw. nicht zu kaufen, wie z. B. Freundschaft. • Da ein quantitativer Zusammenhang zwischen NIK und dem Unternehmens- bzw. Marktwert weder bestimmt noch für künftige Perioden seriös geschätzt werden kann, können sie auch keiner investitionsrechnerischen Beurteilung unterzogen werden. • Das Risiko von Investitionen in Elemente des NIK unterscheidet sich von Investitionen in materielle Vermögenswerte. Es liegt vor allem – im Abgang von Mitarbeitern als Trägern des Humankapitals, – in einem z. B. trotz laufender Schulungen weiterhin nicht integren Verhalten von Mitarbeitern, – in einem wesentlich höheren Zeitaufwand, bis sich Verhaltensänderungen einstellen, oder – im Ausbleiben immaterieller Erlöse. • In Krisenzeiten besteht oft die Versuchung, Schulungs-, Entwicklungszeit und -aufwand einzusparen; dies bringt kurzfristig zwar geringeren Aufwand, strategisch und erst recht normativ ist dies aber kontraproduktiv, weil die Kontinuität der Investition fehlt. • Elemente des NIK sind nicht selbständig ermittel- bzw. veräußerbar. • Nicht rechenbare Investitionen in immaterielle Werte werden tendenziell durch rechenbare Investitionen in aktivierbare Sachanlagen substituiert (vgl. Ewert/Wagenhofer 2005, S. 563). • Unternehmen erzielen laufend immaterielle Erlöse, d. h. nicht eindeutig identifizierbare Erlöse, wie z. B. Reputations- und Imagegewinne aufgrund verantwortungsvoller Entscheidungen, integrer Mitarbeiter bzw. integrer Geschäftspolitik oder aufgrund vorbildlicher Corporate Governance. 130 Normatives intellektuelles Kapital • Ebenso werden laufend immaterielle Aufwendungen realisiert, d. h. nicht eindeutig identifizierbare Aufwendungen wie Reputationsverluste, z. B. durch sog. „schiefe Optik“ im Verhalten von Führungskräften oder Mitarbeitern, z. B. im Fall von Interessenkonflikten, im Fall außergewöhnlich hoher Bezüge oder Gratifikationen von Führungskräften, oder im Falle der Inanspruchnahme von Mitarbeitern eines Unternehmens bei der Renovierung des Privathauses des Unternehmers. Die grundlegende Alternative: „Gewinn jetzt oder Gewinn später?“ kann auch wie folgt formuliert werden: • Nicht in Elemente des NIK (Normen, Moral, Ethos, Werte, Tugenden und Unternehmenskultur) investieren, weil die künftigen Erträge, mögliche Wettbewerbsvorteile unsicher und nicht bezifferbar sind, oder • in NIK bzw. in Ethik investieren und mit späteren, aber nachhaltig wirksamen immateriellen Erlösen und der Umwegrentabilität rechnen. Wesentliche Aufgaben des Controllings der Elemente des NIK sind: • die Beschreibung der Bedeutungsinhalte der NIK als immaterielle Erträge im konkreten Unternehmen • die Klärung der Frage, ob bzw. wann immaterielle Erträge voraussichtlich anfallen; • wenn Moral nicht quantitativ gemessen werden kann, sollte zumindest eine qualitative Beurteilung angestrebt werden; • die Zuordnung immaterieller Erlöse und Aufwendungen auf bestimmte Maßnahmen, Kostenstellen, Investitionen und Kostenträger (direkt); • zu beachten, dass die Absage an eine Korruptionsmentalität in einer Branche dem Unternehmen die Existenz kosten kann. Eine mögliche Lösung sind kollektive Anstrengungen der betroffenen Unternehmen oder Appelle an die Politik, die Regeln i. S. der Institutionenethik zu ändern, um zu vermeiden, dass die moralisch korrekt Agierenden Wettbewerbsnachteile hinnehmen müssen; • es zu vermeiden, überzogene Erwartungen bei Stakeholdern zu wecken: Unternehmen, die moralischen Ansprüchen im Umgang mit Stakeholdern genügen wollen, werden auch daran (und an den Fortschritten im Zeitablauf) gemessen; • jede Scheinmoral zu unterlassen: Investitionen in Moral können relativ leicht behauptet werden, z. B. durch die verbale Darstellung eines solchen Verhaltens im externen Reporting. Insofern ist insbesondere der Beweis durch konsequent moralisches Verhalten und damit die Glaubwürdigkeit eine der größten Herausforderungen für das normative Management und das normative Controlling. 131 Normatives intellektuelles Kapital Immaterielle Erlöse bzw. Aufwendungen werden in herkömmlichen Rechnungen – weder qualitativ noch quantitativ – erfasst, ändern aber Stand, Wert und Potenzial der immateriellen Werte im allgemeinen und des NIK im besonderen. Controlling muss in seiner Transparenzverantwortung diese Elemente in Umfang und Bedeutung für das betreffende Unternehmen offen zu legen versuchen, sie in weiterer Folge zu analysieren und zu bewerten, um sie für das normative Management plan-, steuerbar und operativ nutzbar zu machen. 4.6 Operationalisierung der Elemente des NIK Operationalisierung bedeutet Messbar- bzw. Beurteilbarmachung. Von Beurteilung wird gesprochen, wenn Sachverhalte nur qualitativ erfassbar sind, ohne dass den Merkmalsausprägungen numerische Werte zugeordnet werden (können). Unter Messung versteht man die Zuordnung einer Menge von Zahlen oder Symbolen zu den Ausprägungen eines Merkmals in einer systematischen Weise, so dass die Relationen unter den Zahlenwerten den Relationen unter den Objekten entsprechen (vgl. Friedrichs 1990, S. 97). Können Eigenschaften oder Sachverhalte nicht direkt gemessen werden, wie z. B. Moral, Einstellungen, Werte oder Tugenden, so benötigt man Indikatoren (= beobachtbare Sachverhalte), in denen sich die nicht direkt sichtbaren Eigenschaften manifestieren. Antworten (= Indikatoren) auf bestimmte Fragen nach der Einstellung geben dann Aufschluss über die Einstellung. Indikatoren („Anzeiger“) gehören zu den Kennzahlen. Die Größe, die durch einen Indikator angezeigt wird bzw. werden soll, nennt man Indikandum (d. i. die eigentlich interessierende Zielvariable; vgl. Krystek/MüllerStewens 1993, S. 76). Durch die Auswahl einer Stellvertretergröße (Maßstab, Parameter), die in kausaler Beziehung zur Zielvariablen steht, sollen Informationen über die Zielvariable, gewonnen werden (vgl. Baum et al. 2007, S. 332; vgl. Schermann/Volcic 2009, S. 334 f.). Indikatoren müssen folgenden fünf Kriterien genügen (vgl. Krystek/Müller-Stewens 1993, S. 103 f.): • Indikatoren müssen genau beschrieben werden. • Eindeutigkeit: Die Zielvariable soll eindeutig, sicher, nachvollziehbar und zuverlässig erkennbar sein. • Indikatoren müssen akzeptanz- und konsensfähig sein, damit sie der intersubjektiven Bewertung komplexer Sachverhalte dienlich sein können. 132 Normatives intellektuelles Kapital • Vollständigkeit: Der Indikator soll den gesamten Beobachtungsbereich abdecken. • Wirtschaftlichkeit: Die Verwendung von Indikatoren muss zu den erzielbaren Erkenntnissen in einem vertretbaren Kosten-/Nutzen-Verhältnis stehen. Operationalisieren heißt auch, die Erhebungsmethode und das Erhebungsinstrument festzulegen und ein Meßobjekt in eine Skala übertragen. Ihr Zweck ist es, ein theoretisches Konstrukt wie z. B. die Intensität von Moral oder Tugenden zu beurteilen. Operationalisierung umfasst zudem eine genaue Anleitung zur Messung bzw. Beurteilung, also das/die Messinstrument/e sowie das verwendete Mess- bzw. Skalenniveau (vgl. Ebster/Stalzer 2003, S. 169). Folgende Skalenniveaus sind denkbar: • Nominalskala, d. h. es kann nur festgestellt werden, ob etwas zutrifft oder nicht (Ja/Nein bzw. 0/1-Zustände), im konkreten Kontext z. B. der (positive) Wert Rücksicht wird nicht gelebt; • Ordinalskala, d. h. es kann ein Vergleich zwischen zwei Merkmalsauprägungen gemacht werden (besser/schlechter, intensiver/weniger intensiv, u. a.), im konkreten Kontext z. B. bestimmte Personen nehmen in bestimmten Situationen mehr Rücksicht als vor einem Monat; • Kardinalskala, d. h. hier liegt ein objektiv feststellbarer Nullpunkt vor (in der Betriebswirtschaft i.d.R. Mengen- oder Wertgrößen); im normativen Kontext, hier bei Werten, ist diese Art der Skala kaum einsetzbar. Eine Ausnahme wäre z. B. die Pünktlichkeit, wo sich Verspätung bzw. Verzug in Zeiteinheiten messen lässt. Messgrößen für materielles Vermögen zu finden, bereitet in der Regel weder in Theorie noch in der Praxis allzu große Probleme. Ganz anders ist die Situation in bezug auf immaterielles Vermögen bzw. konkret im vorliegenden Fall bei den Elementen des NIK (d. s. Normen, Moral, Ethos, Werten, Tugenden und Unternehmenskultur). Diese sind • dem Träger des Vermögens, einer Person, oft gar nicht bewusst, wie z. B. seine eigene Werteordnung; • als Phänomen in der Praxis kaum abgrenzbar, wie z. B. Unternehmenskultur; • in seiner Wirkung auf finanzielle Messgrößen für die Unternehmensperformance, wie z. B. Umsatz oder Deckungsbeitrag, nicht seriös schätzbar; • durch Überschneidungen innerhalb der Elemente des immateriellen Vermögens geprägt, z. B. wird die Unternehmenskultur von den Werten 133 Normatives intellektuelles Kapital und der Moral jedes Einzelnen im Unternehmen und der Stakeholder beeinflusst; • nicht direkt mess- und bewertbar, vor allem Moral und Unternehmenskultur. Daher bedarf es dazu einzelner Indikatoren; • meist (nur) mittels Ordinalskala operationalisierbar. Im Controlling erfahrungsgemäß gut geeignet sind hier die Bewertung nach Schulnoten und die Vergabe von Punkten (scores), um einen Vergleich anstellen zu können; zu warnen ist hier vor einer Scheingenauigkeit, denn Punktesummen oder Noten sind zwar Zahlen, die aber nicht die gleiche Qualität wie Mengen oder (Geld-)Werte haben. 4.7 Bewertung und Bilanzierung der Elemente des NIK 4.7.1 Bewertung Ziel der Bewertung eines immateriellen Werts ist es, ihm einen qualitativen oder monetären Wert zuzuordnen, der den Vermögenswert möglichst realistisch repräsentiert. Der Bewertungsprozess ist komplex, da es der Zusammenführung psychologischer, ethischer, rechtlicher, forensischer und ökonomischer Aspekte bedarf. In der Theorie werden zwecks Messung immaterieller Werte quantitative Methoden ebenso diskutiert wie qualitative Ansätze (vgl. den Überblick bei Andriessen 2004, S. 12–14; vgl. Bischoff 2006, S. 3–11; vgl. Arbeitskreis SG 2003, S. 1234). Grundsätzlich sind drei Ansätze einer quantitativen Bewertung denkbar: • Marktorientierte Bewertung (Market Approach) • Kostenorientierte Bewertung (Cost Approach) • Ertragsorientierte Bewertung (Income Approach). Jeder Ansatz hat in bezug auf immaterielle Werte bedeutende Schwächen (vgl. Bodrow/Bergmann 2003, S. 77 und 92–95; vgl. Stoi 2003, S. 9–11). Generell ist zu sagen, dass es wenig sinnvoll erscheint, einen monetären Wert für immaterielle Werte im allgemeinen und für die Elemente des normativen intellektuellen Kapitals im besonderen ermitteln zu wollen, weil ein solcher erst bei (Teil-)Veräußerung des Unternehmens oder von immateriellen Werten von Interesse wäre (vgl. Stoi 2003, S. 11; vgl. Andriessen 2004, S. 4). Elemente des NIK sind zudem nicht selbständig veräußerbar. Die Überlegung: „What you measure is what you get“ (Kaplan/Norton 1992, S. 71) ist für immaterielle Werte eben nur eingeschränkt gültig. 134 Normatives intellektuelles Kapital Die Elemente des NIK sind keine separat erfassbaren immateriellen Güter, sie sind nicht wie Rechte oder wirtschaftliche Vorteile bewertbar, sondern nur aufgrund der Wirkung erfassbar. Weit wichtiger als eine quantitative Bewertung ist es für das normative Management und das normative Controlling, immaterielle Werte im allgemeinen und die Elemente des NIK im besonderen möglichst detailliert zu beschreiben, vollständig zu erfassen und systematisch zu entwickeln. Dazu bedarf es einer qualitativen Bewertung. Die meisten Ansätze zur Bewertung immaterieller Werte in Theorie und Praxis sind qualitative Indikatormodelle, die die eigentlich interessierenden Größen anhand verschiedener Indikatoren zu messen suchen. Prominente Beispiele sind • der Skandia Navigator • der Intangible Assets Monitor • der Intellectual Capital Navigator • die Wissensbilanz • das Intellectual Capital Statement. Scorecard-Konzepte nach dem Muster der Balanced Scorecard von Kaplan/Norton eignen sich grundsätzlich zur qualitativen Bewertung nicht separat aktivierbarer immaterieller Werte: Komponenten werden identifiziert, klassifiziert und anschließend mittels Kennzahlen oder Indikatoren beurteilt. Nach diesem Muster sind konzipiert: • Skandia Navigator (vgl. Edvinsson/Brünig 2000, S. 58): Kunden-, Prozess-, Mitarbeiter- und Entwicklungsfokus zeigen das intellektuelle Kapital. Für diese und den Finanzfokus werden Kennzahlen gebildet und laufend ermittelt. • Der Intangible Asset Monitor (vgl. Sveiby 2001: vgl. Bodrow/Bergmann 2003, S. 83–91) misst drei Komponenten des intellektuellen Kapitals: externe Struktur (Beziehungen zu Stakeholdern, Marke, Image), interne Struktur (Konzepte, Modelle, Unternehmenskultur) und die Kompetenz der Mitarbeiter. Die drei Komponenten werden mittels Kennzahlen auf ihren Beitrag zu Wachstum, Effektivität, Effizienz und Stabilität des Unternehmens beurteilt. Scorecards eignen sich zwar nicht zur Ermittlung eines konkreten monetären Werts des intellektuellen Kapitals, sind aber sehr praxistauglich und können an die konkrete Situation des Unternehmens angepasst werden (vgl. Stoi 2003, S. 11). Als weiteres qualitatives Verfahren steht grundsätzlich die Scoring(Nutzwert-)analyse zur Verfügung. Dabei werden Kriterien, die einen 135 Normatives intellektuelles Kapital Sachverhalt möglichst vollständig und genau beschreiben sollen, bewertet; die Kriterien können dabei – je nach (aktueller) Bedeutung – auch noch unterschiedlich stark gewichtet werden; das Ergebnis („Gesamtscore“) stellt keinen kardinalen, sondern nur einen ordinalen Wert zum Zweck von Vergleichen bzw. für Benchmarking dar. Die Wissensbilanz wird z. B. auf Grundlage des folgenden Modells erarbeitet. Es werden zunächst die für die Organisation entscheidenden Einflussfaktoren des intellektuellen Kapitals ermittelt und definiert. Diese sind: • für Humankapital: Fachkompetenz, Mitarbeitermotivation, Soziale Kompetenz und Führungskompetenz; • für Strukturkapital: Kooperation und Wissenstransfer, IT und dokumentiertes Wissen, Prozess-, Produkt- und Verfahrensinnovationen, Unternehmenskultur; • für Beziehungskapital: Kunden- und Lieferantenbeziehungen, Öffentlichkeitsarbeit, Beziehungen zu Kooperationspartnern, Beziehungen zu Kapitalgebern. Diese gilt es im nächsten Schritt nach den Kriterien Quantität (Ist die Menge des Einflussfaktors ausreichend, um die strategischen Ziele zu erreichen?), Qualität (Ist die Qualität des Einflussfaktors ausreichend, um die strategischen Ziele zu erreichen?) und Systematik („Wird der Einflussfaktor systematisch genug gepflegt und entwickelt?) auf einer Ordinalskala zu bewerten. Die DFVA hat einzelne, messbare Leistungsindikatoren entwickelt, anhand derer ein Unternehmen berichten kann, welche Leistungen es im ESG-Bereich erbracht hat (vgl. www.dvfa.de 2010). Die European Alliance for Corporate Social Responsibility untersucht im sog. Laboratory on Market Valuation of Financial and Non-Financial Performance, welche Bereiche einer Nachhaltigkeitsberichterstattung für Investoren von Interesse sind. Untersucht wird, was den Marktwert eines Unternehmens beeinflusst: es sind dies finanzielle und nicht-finanzielle Werttreiber. Diese sind: Humankapital, Kundenbeziehungen, Partnerschaften, Umwelt, Innovation und Corporate Governance. Im nächsten Schritt werden diese Werttreiber messbar gemacht: “Our focus has been on identifying a small number of key non-financial performance factors that most directly and demonstrably link to financial performance across sectors and markets and then explore how ESG factors relate to these” (vgl. www.investorvalue.org 2006). Folgende Schlüsselfaktoren („key metrics“) werden genannt: 136 Normatives intellektuelles Kapital • für Humankapital: Engagement der Mitarbeiter • für Kundenbeziehungen: Kundenzufriedenheit • für Partnerschaften: Öffentliche Wahrnehmung solcher Partnerschaften, Supply Chain Management • für Umwelt: CO2-Emissionen, Abfallmanagement, Produktlebenszyklus • für Innovation: Produktentwicklung • für Corporate Governance: Ethische Integrität, Zusammensetzung der Geschäftsführung Der letzte Schritt betrifft die Festlegung von (quantitativen oder qualitativen) Kennzahlen bzw. Indikatoren („ESG factors“) wie z. B. der Abwesenheitsrate bei Mitarbeitern, Wert der Patente oder Reputation. 4.7.2 Bilanzierung Typisches Merkmal für selbst geschaffenes immaterielles Vermögen ist, dass es grundsätzlich nicht bilanzierungsfähig ist. Dies liegt vor allem daran, dass die Kosten seiner Erstellung bzw. Entwicklung nicht zuverlässig bzw. nicht seriös abschätzbar sind, es meist keine selbständige Verwertbarkeit hat oder dass das Unternehmen nicht Eigentümer dieser Werte (z. B. des Humankapitals) ist bzw. nur in eingeschränktem Maß darüber verfügen kann. Grundsätzlich erscheinen immaterielle Werte in der Handels- bzw. Steuerbilanz nur, wenn sie entgeltlich erworben wurden oder als Entwicklungsaufwand aktiviert werden können. Um dem Grunde nach bilanzierungsfähig zu sein, muss ein immaterielles Vermögensgut i.d.R. der Veräußer- oder -verwertbarkeit genügen. Zudem wird meist eine selbständige Bewertbarkeit i. S. des Vorliegens abgrenzbarer Aufwendungen verlangt (vgl. Schmidt 2007, S. 48). Beides ist bei der Generierung bzw. Weiterentwicklung von Elementen des NIK nicht der Fall. Weitaus wichtiger als eine monetäre Bewertung der Elemente des NIK und ihre Erfassung in der Handels- oder Steuerbilanz Bilanz ist ihre zielgerichtete Erfassung in einer eigenen, der normativen Bilanz zum Zweck der (Weiter-)Entwicklung einer lernenden Organisation und zur Transformation von Intangibles in monetäre Resultate höherer moralischer Qualität. Der Schwerpunkt des normativen Controllings sollte daher auf einer qualitativen Bewertung des intellektuellen Kapitals und einer Beurteilung der Chancen und Risiken aufgrund der Entwicklung bzw. -verwertung der Elemente des NIK bzw. deren Qualität liegen. Die Erfassung immaterieller Erlöse bzw. Aufwendungen stellt eine Form der Früherkennung durch das normative Controlling dar, da damit das 137 Normatives intellektuelles Kapital normative Erlös- bzw. Aufwandspotenzial erkennbar wäre, bevor strategische Erfolgspotenziale und (lange) bevor Erlöse bzw. Aufwendungen in monetärer Form eintreten. Die Ergebnisse dieser Früherkennung sollen dem normativen Management eine Vorsteuerung (i. S. des Navigationssystems der Führung) ermöglichen. 4.8 Lessons learned Immaterielle Werte (Intangibles) sind – negativ abgegrenzt – nicht-monetäre Werte ohne körperliche Substanz. Aufgrund der weiter wachsenden Bedeutung des Dienstleistungssektors in der modernen Wirtschaft und des Know-hows von Führungskräften und Mitarbeitern kommt den immateriellen, nicht-finanziellen Werten als Werttreibern große und voraussichtlich weiter wachsende Bedeutung zu. Dementsprechend wächst der Bedarf nach einer Weiterentwicklung des externen Reportings. Besonders relevant sind die sog. ESG- (Environmental, Social and Governance)-Faktoren, d. h. Informationen über Umwelt-, soziale und qualitative Unternehmensführungsaspekte sowie über die künftige, nachhaltige Entwicklung von immateriellen Wertsteigerungspotenzialen. Diese sind Gegenstand des sog. Strategic Advantage Reportings. „Intellectual Capital“ umfasst rechtlich nicht geschützte und in der Handels- bzw. Steuerbilanz nicht aktivierbare immaterielle Werte wie z.B. Beziehungen zu Kunden oder Lieferanten. Die sechs Elemente Normen, Moral, Ethos, Werten, Tugenden und Unternehmenskultur werden im vorliegenden Buch als normatives intellektuelles Kapital (weiter kurz: NIK) bezeichnet. Es ist Teil der nicht separat aktivierbaren immateriellen Werte und somit auch Teil des Goodwills. Eines der Elemente des NIK, die Unternehmenskultur, zählt zu den Werten eines Unternehmens, die nur langsam und mit viel Sozialenergie entwickelt werden können. Sie ist von Wettbewerbern auch kaum kopierbar. So gesehen ist Unternehmenskultur das größte Erfolgspotenzial, das ein Unternehmen haben kann. Normatives Management und Controlling haben sich auf folgende Charakteristika des NIK einzustellen: • Bei vielen moralisch motivierten Maßnahmen, wie z.B. Umweltschutz fallen Kosten sofort an, positive Wirkungen stellen sich aber erst später ein, und das nur mit einer schwer zu bestimmenden Wahrscheinlichkeit. • Da es sich bei der Entwicklung von NIK vor allem um Zeitaufwand für Reflexion, Bewusstseinsbildung, Analyse, Diskussion („Diskurs“), Trai138 Normatives intellektuelles Kapital • • • • • • • nings, Workshops, u.ä. handelt, ist dieser Mitteleinsatz nicht einmal in der GuV erkennbar. Demgegenüber verursacht die Nutzung normativer, immaterieller Werte, wie z. B. der Einsatz von Werten und Tugenden in Entscheidungs- oder Konfliktsituationen keine (erkenn- bzw. messbaren) Kosten. Der Nutzen von Maßnahmen in NIK zeigt sich i.d.R. wiederum nur in einem Mehr an immateriellen Werten wie Image oder Motivation der Mitarbeiter. Das Risiko von Investitionen in Elemente des NIK unterscheidet sich von Investitionen in materielle Vermögenswerte. Es liegt vor allem im Abgang von Mitarbeitern als Trägern des Humankapitals und im Ausbleiben immaterieller Erlöse. In Krisenzeiten besteht oft die Versuchung, Schulungs-, Entwicklungszeit und -aufwand einzusparen; dies bringt kurzfristig zwar geringeren Aufwand, strategisch und erst recht normativ ist dies aber kontraproduktiv, weil die Kontinuität der Investition fehlt. Elemente des NIK sind nicht selbständig ermittel- bzw. veräußerbar. Unternehmen erzielen laufend immaterielle Erlöse, d. h. nicht eindeutig identifizierbare Erlöse, wie z. B. Reputations- und Imagegewinne aufgrund verantwortungsvoller Entscheidungen. Ebenso werden laufend immaterielle Aufwendungen, d. h. nicht eindeutig identifizierbare Aufwendungen wie Reputationsverluste realisiert, z. B. durch sog. „schiefe Optik“ im Verhalten von Führungskräften oder Mitarbeitern. Analyse, Entwicklung und Pflege des NIK sollte als Ziel einer Investition gesehen werden, die zwar zunächst zu (nur tw. in Geld messbarem) Aufwand führt, bei konsequent richtiger Anwendung und Geduld aber langfristig Zahlungsüberschüsse bringt und Geld spart. Management des NIK heißt, nicht nur die im wirtschaftlichen Eigentum des Unternehmens stehende Elemente zu gestalten und zu entwickeln, sondern auch das Humanpotenzial in Richtung der Erreichung des Unternehmenszwecks und der Unternehmensziele effektiv und effizient zum Einsatz zu bringen, dies aber nur im Rahmen legaler Geschäftsmethoden und legitimer Ansprüche an die Stakeholder. Der Schwerpunkt des normativen Controllings sollte auf einer Operationalisierung i. S. einer qualitativen Bewertung des intellektuellen Kapitals und einer Beurteilung der Chancen und Risiken aufgrund der Entwicklung bzw. -verwertung der Elemente des NIK liegen. 139 Normatives intellektuelles Kapital 4.9 Learning by Doing A 4.1 Recherchieren Sie bitte im Internet a) börsennotierte Unternehmen b) nicht börsennotierte Unternehmen, die nicht-finanzielle Kennzahlen publizieren! Beschreiben und diskutieren Sie bitte diese Kennzahlen! A 4.2 Recherchieren Sie bitte im Internet a) börsennotierte Unternehmen b) nicht börsennotierte Unternehmen, die Wissensbilanzen publizieren! Beschreiben und diskutieren Sie bitte deren Inhalte! A 4.3 Recherchieren Sie bitte, wie der Skandia Navigator aufgebaut ist! 140 Controlling hat mit Ethik zu tun (vgl. Lingnau/Schäffer 2009, S. 284; vgl. Suchanek 2009, S. 282). 5 Konzept und Aufgaben des normativen Controllings Ziele des Kapitels Nach der Lektüre dieses Kapitels wissen Sie, • was wir unter modernem Controlling verstehen • worin das Wesen des normativen Controllings liegt • welche Konzepte ethikorientierten Controllings es gibt • wie das Konzept eines integrierten, normativen Controllings aufgebaut ist • welche Ziele und Aufgaben das normative Controlling im integrierten Konzept hat, und • wie die Rolle des normativen Controllers zu sehen ist. 5.1 Controlling Controlling ist – ähnlich wie Marketing – einer der schillerndsten Begriffe in der Betriebswirtschaft geblieben. Das liegt schon am Wort Controlling selbst. Es leitet sich einerseits vom englischen Verb to control ab, das zahlreiche Bedeutungen hat wie vor allem: (1) lenken, steuern, leiten, führen, (2) regulieren, regeln, bedienen, (3) kontrollieren, prüfen, (4) beherrschen, beaufsichtigen, in Schranken halten, (5) planen. Der im Deutschen alternativ für Management verwendete Ausdruck „Gestionierung“ wird in den wichtigsten romanischen Sprachen statt dem Anglizismus „Controlling“ verwendet: so im Italienischen: controllo di gestione, im Französischen: contrôle de gestion, im Spanischen: control de gestión, und im Portugiesischen: controle de gestão. Bis dato gibt es andererseits keine einheitliche wissenschaftliche Definition und Konzeption für Controlling. Es nimmt in der Praxis die unterschiedlichsten Ausformungen an, angefangen bei einer Beschränkung auf eine einfache Kostenrechnung bis hin zur umfassenden und einflussreichen Beratungsfunktion für die Geschäftsführung. 141 Konzept und Aufgaben des normativen Controllings Im betriebswirtschaftlichen Bereich dominiert heute die systemtheoretisch orientierte Definition des Begriffs als Lenkung und Regelung von Systemen und Prozessen. Control im kybernetischen Sinn ist daher grundsätzlich die Eigenschaft eines Systems, sich selbst zu regeln, d. h. sich unter Kontrolle zu halten. Grundlegendes Modell im Controlling ist der kybernetische Regelkreis, d. h. der PDCA-Zyklus („Plan – Do – Check – Act“) i. S. einer lückenlosen Abfolge dieser Schritte auf allen Managementebenen, wobei nach jedem neuerlichen Durchlauf$die Qualität $ $ der Handlungen und Entscheidungen kontinuierlich steigen sollte (vgl. Abbildung 24). • + !T* \,+. SA(T0 G1 x-+,7*C*).7R(+- Abb. 24 Quelle: Kerzner 2003, S. 678 Controlling sollte verstanden werden als eine die Unternehmensführung • ergänzende Funktion i. S. des Ausgleichs von Defiziten bei Führungskräften im methodischen wie im betriebswirtschaftlichen Wissen und Denken. Das Management hat die Ergebnisverantwortung, das Controlling hat die Transparenzverantwortung; • entlastende Funktion i. S. der Übernahme von Aufgaben, die zwar dem Management obliegen, die dieses aber aus Kapazitätsgründen temporär (z. B. Vorbereitung bestimmter Entscheidungen) oder dauerhaft (z. B. interne Beratung) an das Controlling delegiert; • präventive Funktion i. S. einer Verhinderung nicht legitimer Ziele und Entscheidungen, zur Abwehr nicht legitimer Ansprüche von Stakeholdern, zur Verhinderung eines zu hohen Risikoappetits der Führung, 142 Konzept und Aufgaben des normativen Controllings einem „Schönfärben“ von Resultaten und Sachverhalten sowie der Vorsorge vor Missmanagement und Unternehmenskriminalität. Controlling verstehen wir als betriebswirtschaftlich fundierte normen-, strategie-, finanz-, markt-, prozess-, informations- und verhaltensorientierte Regelung in Unternehmen. Zweck des Controllings ist Führungsunterstützung, um durch transparentes Monitoring gemeinsam vereinbarte Unternehmensziele zu erreichen (vgl. Eschenbach/Siller 2009, S. 40). Controlling ist eine umfassend angelegte Führungskonzeption, die auf allen Ebenen des Navigationssystems der Führung ansetzt. Monitoring bedeutet die laufende, systematische Beobachtung und Überwachung von führungsrelevanten Zielen, Plänen, Prozessen, Situationen und Ergebnissen. Das hat transparent zu erfolgen, d. h. alle Akteure sind in ihrem Entscheidungsfeld über die normative, strategische und operative Position des Unternehmens zu informieren (vgl. Eschenbach/Siller 2009, S. 40; ähnlich IGC 2005, S. VII und S. 56; vgl. Weber/Schäffer 2008, S. 19). Ebenso wie erfolgreiche Unternehmen Vision und Leitbild benötigen, sollte auch Controlling selbst eine Vision und Leitbild haben. Diese könnten wie folgt lauten: • Vision des Controllings: Professionell und objektiv zur nachhaltig erfolgreichen und möglichst überraschungsfreien Unternehmensentwicklung beitragen • Controlling-Leitbild: 1. Controlling ist Teil der Führung. Es ergänzt und entlastet das Management und versucht Risiken sowie unethischem und illegalem Verhalten vorzubeugen. 2. Controlling dient dem professionellen Finden und Erreichen von Zielen der normativen, strategischen und operativen Führung. 3. Controlling verantwortet Transparenz von Entscheidungen, Handlungen und Ergebnissen gegenüber internen und externen Stakeholdern. Zu weiteren Überlegungen zum Controlling darf hier auf die nahezu unüberschaubare Literatur zum Controlling und insb. auf Eschenbach/Siller 2009, S. 36–70, verweisen werden. 5.2 Normatives Controlling Ziel des normativen Controllings ist die Unterstützung des Managements bei der Sicherung der nachhaltigen Fortschrittsfähigkeit durch innengeleitetem Wandel, der Analyse und Entwicklung der Elemente des 143 Konzept und Aufgaben des normativen Controllings NIK (d. s. Normen, Moral, Ethos, Werten, Tugenden und Unternehmenskultur) und der Erhaltung und Entwicklung der Unternehmensidentität. Regelgrößen und Objekte des normativen Controllings sind ident mit den Objekten des normativen Managements und der Unternehmenspolitik, d. h.: • Vision • Mission • Werte und Tugenden • Unternehmenskultur • Leitbild und • weitere interne Normen sowie die Handlungsfelder • Stakeholder-Management und -dialog • Corporate Governance • Corporate Social Responsibility • Compliance • Sicherung der Integrität der Unternehmensführung, und • Prävention vor Missmanagement und geschäftsschädigenden Handlungen. Das normative Controlling ist das „missing link“ im Navigationssystem der $ $ $ $ Führung$ (vgl.$ Abbildung 25). (:8=&0>';'>';';((((((((((((((((((3-'8'48;&29?(((((((((((((((@4"';%'48;&29((((((((((((((((((((!'#$';2A2-'B'C((((((((((((D;-'42-E-<8;& 6'4(/E$48;&((((((((((((((((((((((!'&'18;&2&4FG';(((((((((&48;610&';C(H4'">'4((((((I'2';-1"#$'(J;2-48B';-'((((((((((((684#$ M54B0%,' /E$48;& 3-40-L /E$48;& @K'40%,' /E$48;& Abb. 25 144 J5?<)3F$I)?.)F$$$$$V3.)?3)8<)30).8-*F$$$$$$I)?.)G?5`CF$K)-."-CAF$$$$$$$$$$$M54B0%,'2 j@9)3A)3$@#;#$$$$$$$$$$Z5?G5?;.)$_5,)?3;37)$$$$J5?<)3NZ8)7*F$$-<<;N$$$$$(N5;-4511";& $$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$.)?-)CC)$'?C\0)$k$!@=D/3A) '?=5C90G5.)32-;C)$$$$$$$Q./?*)3F$Q78D/78)3F$$$$$$$$$$$$$$$45.)32-;C;3;CX0)F$$$$$$$3-40-'&"2#$'2 $$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$!"8/39-9*)-.)3F$Z8;37)3F$$$$$$$$$$Q.?;.)9-078)$a-C;32C(((((((N5;-4511";& $$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$6-0-*)3F$:;?*.G50-+53$$$$$$$$$V<=)CANF$45?l5C-5;3;CX0) '?=5C9$$$$$$$$$$$$$$$$'?.?/9)N!@=D)3A@39)3F$$$$$$$$_@MF$a-C;32E$R50.)3N$@3A$ $$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$K)-0.@39)3NR50.)3$$$$$$$$$$$$$K)-0.@390?)783@39 @K'40%,'2 N5;-4511";& K-L@-A-./.$$$$$$'-32;8C@39)3N!@02;8C@39)3F$$$$$W3,)0++530?)783@39F $$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$'-33;8<)3N!@09;")3$$$$$$$$$$_)CA[@S?)783@39 Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Gälweiler 2005, S. 34; vgl. Eschenbach/Siller 2009, S. 24 Konzept und Aufgaben des normativen Controllings Das normative Controlling (Controlling der normative Ziele) ergänzt das Controlling der strategischen Ziele (strategisches Controlling) und das Controlling der operativen Ziele (operatives Controlling) durch eine weitere Ebene an Vorsteuerungsgrößen. Der Begriff des normativen Controllings findet sich erstmals bei Gaubinger, der darunter das Controlling von Unternehmenspolitik und Unternehmenskultur versteht (vgl. Gaubinger 2000, S. 228). Inhaltlich geht es um einen Check des Leitbilderstellungsprozesses und dem Abgleich zwischen Soll- und Ist-Unternehmenskultur (vgl. Gaubinger 2000, S. 232–235). Weitere Überlegungen, insb. in Richtung Ethik oder Werte stellt Gaubinger aufgrund des Marketing-Fokus seiner Arbeit aber nicht an. In einem systematischen Kontext wurde der Begriff erstmals von Eschenbach geprägt (vgl. Eschenbach et al. 2007, S. 34 f.). In der Literatur finden sich verwandte Begriffe wie: „Ethisches Controlling“ (Göbel 2010, S. 278 f.) sowie „Reflexionsorientiertes Controlling“ (Pietsch/Scherm 2004, S. 529). Bei Göbel findet sich aber kein geschlossenes Controlling-Konzept, auf das „Reflexionsorientierte Controlling“ werden wir näher eingehen. Bevor die einzelnen Ansätze zum normativen Controlling analysiert werden, ist die Frage zu klären, welche Argumente eigentlich für (Abb. 26) und welche gegen (Abb. 27) normatives Controlling als Unterstützung des normativen Managements sprechen; vgl. dazu Abbildung 26 und 27. • Know-how des Controllings dient zur Operationalisierung der Elemente des normativen intellektuellen Kapitals als immaterielle Vermögenswerte • Bewusstseinsbildung für die ethische Dimension in Entscheidungen • Entlastung, Begrenzung, Ergänzung bzw. Überhöhung des operativen und des strategischen Managements und Controllings • Prävention vor unternehmenskriminellen Handlungen • Bedarf an Unterstützung bei der Findung normativer Ziele und Entscheidungen im normativen Management • Förderung der Entwicklung von Controlling-Instrumenten, z. B. der normativen Bilanz, der Stakeholder-Analyse, Erfassung der Kosten des „falschen“ Führungsstils, Erfassung der Kosten korrupten bzw. destruktiven Verhaltens und seiner Wirkungen • Möglichkeit bzw. Erfordernis zur Entwicklung eines Regelkreissystems auf normativer, strategischer und operativer Ebene • Ethik als Disziplin gewinnt stark an Bedeutung • Controller sehen Ergebnisorientierung für sich allein genommen überwiegend nicht als ethisch akzeptable Zielfunktion • Das normative Controlling sollte durch Personalpolitik, Compliance u.a. unterstützt werden • Es gibt bereits Ansätze zu ethikorientiertem Controlling. Abb. 26 Quelle: Eigene Darstellung 145 Konzept und Aufgaben des normativen Controllings • Controlling hat traditionell mit Zahlen zu tun, und das soll auch so bleiben („Schuster, bleib’ bei Deinem Leisten!“) • Controller spielen sich zum „Moralapostel“ und Lehrer für unmoralisch agierende Manager und Aufsichtsorgane auf • Controlling hat mit Ethik von Führungskräften und Mitarbeitern nichts zu tun, das ist deren und HR-Aufgabe • Controller sind keine Ethik-Experten • Immaterielle Werte lassen sich nicht seriös operationalisieren bzw. bewerten • Normatives Controlling ist durch strategisches Controlling schon abgedeckt • Was ein normativer Controller tun kann, wird durch die HR-Stelle und den Compliance Manager schon abgedeckt. Abb. 27 Quelle: Eigene Darstellung Gerade aufgrund der Kernkompetenzen des Controllings (wie u. a. als interner Berater, in der Erstellung qualitativer und quantitativer Analysen, in der Konzeption von Frühaufklärungssystemen oder bei Soll-Ist- bzw. Soll-Wird-Vergleichen) hat Controlling sehr gute Voraussetzungen, sich im Unternehmen Gehör auch in Bezug auf Unternehmensethik zu verschaffen. Mit einer möglichst glaubwürdigen Operationalisierung von soft facts wie den Elementen des NIK lässt sich am besten Zweifeln, Ethik- oder Compliance-Leitlinien, Engagement im Umweltschutz oder CSR hätten nichts mit Controlling zu tun, entgegen treten. Dem in Abbildung 27 letztgenannten Contra-Argument kann wie folgt begegnet werden: • Gegenüber Controlling ist Compliance i.d.R. stärker mit juristischen als mit betriebswirtschaftlichen Fragen befasst. • Gegenüber Controlling deckt Compliance nur einen Teil der Führungsberatung ab. • Controlling verfügt gegenüber Compliance über die Orientierungsgrundlagen und Rechensysteme zur Vorsteuerung und Regelung von Strategie, Erfolg und Liquidität. Wir gehen daher in weiterer Folge von einem klaren Überwiegen der Argumente pro normatives Controlling aus. 146 Konzept und Aufgaben des normativen Controllings 5.3 Konzepte ethikorientierten Controllings 5.3.1 Überblick An Konzepten eines ethikorientierten Controllings in der Literatur können u. a. die folgenden sechs genannt werden: • Nachhaltigkeitsorientiertes Controlling (vgl. Pkt. 5.3.2) • Organisationscontrolling (vgl. Pkt. 5.3.3) • Korruptionscontrolling (vgl. Pkt. 5.3.4) • Controlling als Metaführung (vgl. Pkt. 5.3.5) • Controlling als Rationalitätssicherung (vgl. Pkt. 5.3.6) • Reflexionsorientiertes Controlling (vgl. Pkt. 5.3.7). Während die ersten drei Konzepte jeweils nur Teilaspekte der normativen Führung bzw. des normativen Managements beleuchten, stellen die letzten drei Konzepte ganzheitliche, u. E. aber ergänzungsbedürftige Ansätze eines normativen Controllings dar. Das zu entwickelnde Konzept eines integrierten, normativen Controllings soll für sich in Anspruch nehmen können, alle relevanten Teilaspekte unter einem ethischen, nachhaltigen und Governance-orientierten Blickwinkel zu vereinen. 5.3.2 Nachhaltigkeitsorientiertes Controlling Mit der Thematisierung der Corporate Responsibility (CR), und hierbei insb von CSR und Nachhaltigkeit (sustainability) kamen auch Konzepte eines Nachhaltigkeits-, eines Öko- und eines Sozial-Controllings auf. Auf Grund der immer strenger werdenden Umweltschutzbestimmungen und der Forderung der Gesellschaft nach verantwortungsbewussten Unternehmen, wurde in vielen Unternehmen ein Öko- bzw. Umweltcontrolling eingeführt. Voraussetzung ist es, Ziele der Triple-Bottom-Line (TBL), vor allem des Umweltschutzes, der Energieeffizienz, der Arbeitssicherheit, der Gesundheit der Mitarbeiter und des Gender und Diversity Managements in das Zielsystem aufzunehmen. In der Literatur ist einerseits vom neuen Berufsbild des CSR-Managers die Rede (vgl. Lenzen 2007, S. 22). Andererseits ergibt sich aber auch für den traditionellen Controller direkt die Möglichkeit (bzw. Anforderung) einer Erweiterung seiner Aufgaben und Verantwortung in Richtung Nachhaltigkeit. In diesem Zusammenhang verwenden Fischer et al. (vgl. 2010, S. 226) den Begriff des nachhaltigkeitsorientierten Controllings. 147 Konzept und Aufgaben des normativen Controllings Dieses umfasst grundsätzlich die gleichen Tätigkeitsfelder wie das „traditionelle“ Controlling. Der Unterschied liegt in der Erweiterung des Aufgabenfelds um die soziale und die ökologische Dimension in der Zielfindung und -verfolgung. Dies hat Auswirkungen auf Controllingobjekte, -prozesse und -instrumente. Nachhaltigkeitsziele müssen operationalisiert werden, um sie messbar und vergleichbar zu machen. Des weiteren müssen nachhaltigkeitsorientierte Anreiz-Systeme für Mitarbeiter geschaffen, Planungsinstrumente sowie spätere Abweichungsanalysen auf die neuen Anforderungen ausgerichtet werden. Zu der rein ökonomischen Ausrichtung kommen auch eine ökologische und soziale Dimension, jeweils mit eigenen finanziellen und nicht-finanziellen Indikatoren. Zudem entsteht Bedarf an einem speziellen internen und externen Berichtswesen (vgl. Fischer et al. 2010, S. 226). Hauptaufgabe eines Nachhaltigkeitscontrollings ist es in erster Linie, das unternehmensspezifische TBL-Konzept auf seinen Beitrag zum Unternehmenserfolg zu analysieren, Maßnahmen einer ökologisch-sozial-ökonomischen Unternehmensführung vorzuschlagen, ihre Durchsetzung zu überwachen sowie Schwachstellen aufzuzeigen und Potenziale zur stetigen Verbesserung und Optimierung des bestehenden Systems zu schaffen. Es gilt, innovative Instrumente zu entwickeln, die den erweiterten Ansprüchen eines nachhaltigkeitsorientierten Controllings gerecht werden. Die Global Reporting Initiative (GRI) hat in diesem Zusammenhang eine Reihe an branchenspezifischen Leistungsindikatoren für den ökonomischen, ökologischen sowie sozialen Bereich entwickelt (vgl. GRI 2006, S. 25–36). Eine zusätzliche Möglichkeit ist, CR-Kennzahlen, Ziele und Indikatoren in eine Balanced Scorecard (BSC) zu integrieren. Die daraus resultierende Sustainability-BSC wird in der Literatur als ein mögliches Tool für den CSR-Controller vorgeschlagen. Konkrete detaillierte Konzepte sind jedoch noch kaum zu finden (vgl. Fischer et al. 2010, S. 228; Lingnau/Schäffer 2009, S. 286). Es gibt eine Reihe von Werkzeugen, die eingesetzt werden können, um die Ziele und Aufgaben eines Sustainability-Controlling zu erfüllen, wie z. B.: • Frühaufklärung für Fragen der TBL • SWOT-Analyse unter TBL-Aspekten • Technologiefolgenprüfung • Personalentwicklungssysteme • Öko-Bilanz und Öko-Kosten- und Leistungsrechnung • Sozial-Bilanz und Sozial-Kosten- und Leistungsrechnung • Scoring-Modelle bzw. Nutzwertanalysen • Nachhaltigkeitsberichte. 148 Konzept und Aufgaben des normativen Controllings Kritisch anzumerken ist zu diesem Konzept • die Beschränkung auf Aspekte der Nachhaltigkeit; • dass es erst beim strategischen Controlling ansetzt und keine normativen Aspekte enthält. Das Konzept von Fischer setzt einen bewussten ethisch-normativen Prozess der Unternehmensführung bereits voraus; • dass detaillierte Konzepte vermutlich nur branchenspezifisch gestaltet werden können. Positiv ist zu vermerken, dass ein nachhaltigkeitsorientiertes Controlling heute ein unverzichtbarer Bestandteil einer legitimen Unternehmensführung und eines normativen Controllings sein muss. 5.3.3 Organisationscontrolling Von Werder/Grundei unterscheiden in ihrem Ansatz des OrganisationsControllings zwischen Performance-Controlling, das die ökonomische Zweckmäßigkeit von organisatorischen Maßnahmen sicherstellen soll, und Conformance-Controlling. Dieses soll gewährleisten, dass die ausgewählten Organisationssysteme rechtlichen Vorgaben entsprechen (vgl. v. Werder/ Grundei 2006, S. 19–21; vgl. Becker/Grundei 2009, S. 117). Conformance-Controlling hat zwei Komponenten: • Compliance-Controlling als Einhalten von externen, gesetzlichen Regelungen, und • Observance-Controlling als Einhalten der von Unternehmen selbst festgelegten Richtlinien und Normen. Unter Organisations-Controlling verstehen v. Werder/Grundei (2006, S. 1) – unter Anwendung der traditionellen Controlling-Aufgaben – Methoden und Techniken zur Planung, Steuerung, Überwachung und Kontrolle der Unternehmensorganisation. Organisations-Controlling umfasst mehrere Teilschritte. Zunächst muss der Controlling-Gegenstand festgelegt werden, meist ein Ausschnitt der Aufbau- oder Prozessorganisation oder auch der Reorganisationsprozess selbst. Weiters müssen passende Bewertungsmaßstäbe gefunden werden, um das Analyseobjekt hinsichtlich Performance und Conformance bewerten zu können. Die Festlegung der Soll-Maßstäbe stellt die größte Herausforderung im Organisations-Controlling dar (vgl. v. Werder/Grundei 2006, S. 6). Hierzu bieten Becker/Grundei (vgl. 2009, S. 120) einen Kriterienkatalog an, aus dem die jeweils passenden Kriterien gewählt werden können. Ein Beispiel wäre die Überprüfung, inwiefern eine Unternehmensstruktur zur Strategie des 149 Konzept und Aufgaben des normativen Controllings Unternehmens passt. Im Falle mangelnder Passung wären z. B. Reorganisationsmaßnahmen einzuleiten (vgl. v. Werder/Grundei 2006, S. 5 f.). Positiv ist an diesem Ansatz vor allem die Unterscheidung zwischen Performance und Conformance als Tätigkeitsbereiche des normativen Controllings zu nennen. Kritisch anzumerken ist zu diesem Konzept aber: • Der Fokus liegt auf Aspekten der Organisationsgestaltung; • Aspekte der Nachhaltigkeit fehlen; • es setzt einen bewussten ethisch-normativen Prozess der Unternehmensführung voraus, bei dem eine moralisch tragfähige Unternehmensvision formuliert wurde; Das Konzept eignet sich aber gut als Ergänzung eines umfassenderen Controlling-Konzepts. 5.3.4 Korruptions-Controlling Die Literatur kennt im Zusammenhang mit Compliance noch weitere Konzepte, bei denen zwar von Controlling die Rede ist, wo aber keine Aufgabe des traditionellen Controllings angesprochen wird. Das gilt z. B. für das sog. Korruptions-Controlling von Stierle. Er versteht darunter die planmäßige, systematische Minimierung korruptionsbezogener Risiken durch die Führung mittels Implementierung eines Frühwarnsystems und durch Maßnahmen betreffend Organisation und Unternehmenskultur, Steuerung der Mitarbeiter und der Geschäftspartner (vgl. Stierle 2008, S. 20). Als Korruptionscontroller bzw. Compliance-Beauftragter wird hier eine Führungskraft aus den Bereichen Personal, Organisation, Recht oder Revision vorgeschlagen. Das traditionelle Controlling spielt eine wichtige Rolle, nämlich als Informationslieferant, z. B. in Form von Indikatoren oder Kennzahlen (vgl. Stierle 2008, S. 112–118). Während die Kosten für die Implementierung eines solchen Konzeptes im Unternehmen relativ einfach ermittelbar sind, ist der unmittelbare Nutzen nicht so leicht erkennbar bzw. mit Fakten belegbar. Bei einem gut ausbalancierten Compliance-Konzept, das auch Komponenten eines IntegrityAnsatzes berücksichtigt, könnte die Verbesserung der Unternehmenskultur sowie eine Image-Verbesserung zu den positiven Ergebnissen zählen. Vor allem die durch ein Kriminalitätspräventionskonzept eingesparten Kosten für verhinderte materielle und Imageschäden sind als direkter Nutzen zu berücksichtigen. 150 Konzept und Aufgaben des normativen Controllings Das Konzept des Korruptions-Controllings trägt aufgrund der vielfältigen Aufgaben des Korruptions-Controllers (vgl. Stierle 2008, S. 150–165) eher Züge eines Management- und Internes Kontroll- als eines reinen Controlling-Konzepts. Positiv anzumerken ist, dass • mit diesem Ansatz dolose Handlungen im allgemeinen und Korruption im besonderen sowie Controlling als eines der mögliche Mittel zu ihrer Bekämpfung systematisch thematisiert werden; • zahlreiche organisatorische und personalpolitische Maßnahmen diskutiert werden; • dabei Aspekte der Ethik und der Integrität erörtert werden; • das Konzept als Ergänzung zu anderen Controlling-Konzepten gut geeignet ist. Kritisch anzumerken ist zu diesem Konzept aber • der Controlling-Fokus auf dolose Handlungen, und dabei beschränkt auf Korruption, • und dass Aspekte der Nachhaltigkeit fehlen. 5.3.5 Controlling als Metaführung Metaführung bezeichnet eine der Führung übergeordnete Funktion, vergleichbar einem Aufsichtsorgan. Dem Controlling könnte die Aufgabe zukommen, Führungshandlungen bzw. die Unternehmenspolitik nach Inhalt und Qualität kritisch zu reflektieren und auf eine verantwortungsbewusste Unternehmensführung hinzuarbeiten (vgl. Weibler/Lucht 2004, S. 881 f.) Dabei ginge es zunächst darum, das ökonomische Rationalitätsverständnis zu hinterfragen (Fundamentalkritik). Der Controller sollte z. B. die Kommunikation über ethische Fragen fördern, er könnte als „kritischer Counterpart“ (Weibler/Lucht 2004, S. 886) der Führungskräfte agieren und/ oder eine Art Personalentwicklungsfunktion übernehmen. Kritisch ist dazu folgendes anzumerken: • Controlling mit der Aufgabe der Metaführung wäre mit mehr Kompetenz und Verantwortung als die Führung selbst ausgestattet. Das würde Controlling eine hohe formelle, aber vor allem auch informelle Machtfülle geben. Controlling wäre damit eine Art „Ethikkontrollstelle“, der Controller der „Moralapostel“ im Unternehmen. Das verliehe ihm einen Omnipotenzanspruch, der schon vom Konzept her und erst recht als in der Praxis nicht umsetzbar erscheint. 151 Konzept und Aufgaben des normativen Controllings • Damit wäre auch die Aufgabe des Aufsichtsorgans im Unternehmen unterminiert. • Die Idee der Metaführung würde zudem bedeuten, dem Management, d. h. Geschäftsführung und Aufsichtsgremien, a priori die Fähigkeit zur moralischen Verantwortung abzusprechen. • Aspekte eines ethikorientierten Controllings können auch realisiert werden, ohne Controlling als Metaführung bzw. als Ethik-Reflexionsstelle zu konzipieren. Positiv ist aber die Rolle des Controllers als „kritischen Counterpart“ für das Management und die wichtige Rolle der Moral in diesem Konzept zu werten. 5.3.6 Controlling als Rationalitätssicherung Ab der 7. Auflage seines Lehrbuchs nennt Weber die Sicherstellung der Rationalität der Führung und die Vermeidung von Rationalitätsdefiziten als Kernaufgabe des Controllings (vgl. Weber/Schäffer 2008, S. 24 und 33–53). Angelpunkt dieser Konzeption ist die bekannte Tatsache, dass sich Menschen in Organisationen nur zum Teil rational verhalten (vgl. das Konzept der „bounded rationality“), Entscheidungen oft emotional getroffen werden, neben formellen auch informelle Wege der Informationsbeschaffung begangen werden und Führungskräfte sich oft opportunistisch und i. S. des eigenen Vorteils verhalten. Rationalität wird dabei als Zweck-Mittel-Rationalität verstanden: als effiziente Mittelverwendung bei gegebenen Zwecken (vgl. Weber/Schäffer 2008, S. 44). Aus der Emotion, bestimmten Werthaltungen oder aus traditionellen oder historischen Motiven getroffene Entscheidungen werden dabei explizit ausgeklammert. Weber/Schäffer orientieren sich an Max Weber: Dieser beschrieb zweckrationales Handeln als Handeln, bei dem man sowohl die Mittel gegen die Zwecke wie die Zwecke gegen die Nebenfolgen und die verschiedenen Zwecke untereinander rational abwägt (vgl. Weber 1964, S. 17). Die Rationalitätssicherung soll auf den miteinander verbundenen Ebenen der Input-, Prozess- und Ergebnisrationalität erfolgen. Controller sollen die Problemlösungen des Managements i. S. einer „second opinion“ kritisch überprüfen (dies entspricht einer Sparring-Funktion). Kritisch ist folgendes anzumerken (vgl. Küpper 2005, S. 19; vgl. Zenz 1999, S. 31, vgl. Pietsch/Scherm 2004, S. 550; vgl. Reimer 2005, S. 152): 152 Konzept und Aufgaben des normativen Controllings • Der Ansatz von Weber/Schäffer weist ein hohes Abstraktionsniveau auf, da sich daraus kaum konkrete Aufgaben – außer sich „kaufmännisch richtig zu verhalten“ – formulieren lassen. • Situationen, deren Grundmuster durch einfache Zweckrationalität gekennzeichnet ist, sind meist unproblematisch. Schwieriger wird es, wenn verschiedene Handlungsoptionen gegeben sind, deren Konsequenzen nur geschätzt werden können. • Weber/Schäffer beschränken sich auf zweckrationales Handeln. Wertrationales Handeln i. S. von Max Weber, d. h. Handeln, das durch den bewussten Glauben an den ethischen, ästhetischen oder religiösen Eigenwert eines Verhaltens, und zwar unabhängig vom Erfolg bestimmt ist, wird nicht beachtet. Es wäre aber im normativen Bereich der Führung essentiell. • Unhaltbar ist die induktive Herleitung der Konzeption: „Bezugspunkt für das Vorliegen von Rationalität ist die „herrschende Meinung von Fachleuten“ (Weber/Schäffer, 2008, S. 51). Aber: Wie kann man die herrschende Meinung bzw. deren Änderung empirisch erfassen? Welcher Stellenwert kommt der Theorie zu? Können Fachleute nicht auch irren? Und sind Fachleute immer einer Meinung? Positiv am Ansatz ist aber zu werten, dass • die Rationalität im modernen Unternehmen sicher gestärkt werden muss, zumal Wirtschaft heute generell stark mit Risiken und Unsicherheit, information overload und (sehr viel) mit Psychologie zu tun hat. • Controller als „Hüter der ökonomischen Moral“ (Weber/Schäffer 2008, S. 40) und als ökonomisches Gewissen gesehen werden. Obwohl beide Begriffe nicht definiert werden, schafft dies Raum, dem Controller die Aufgabe zuzuweisen, bei jeder Zweck-Mittel-Beziehung auch den Zweck zu hinterfragen und die moralisch entscheidende Frage zu stellen: „Heiligt der ökonomische Zweck jedes Mittel?“ • die Nichtbeachtung des wertorientierten Handelns durch Erweiterung der Konzeption um diese Komponente beseitigt werden kann. Dies wird im integralen Ansatz gezeigt und in Form der Rationalitätsreflexion statt einer Rationalitätssicherung berücksichtigt. 5.3.7 Reflexionsorientiertes Controlling Unternehmen sind heute gekennzeichnet durch die Notwendigkeit der Bewältigung seiner eigenen sowie der Komplexität und Dynamik seines Umfelds, aber auch durch eine beschränkte Informationsaufnahme- und -verarbeitungskapazität der handelnden Personen. 153 Konzept und Aufgaben des normativen Controllings Zwei grundlegende Möglichkeiten zur Komplexitätsbewältigung sind gegeben: • Selektion; selektiert werden Ziele und Handlungsmöglichkeiten; eine Entscheidung ist der „… Kulminationspunkt einer Vielzahl von – häufig unbewussten – Selektionen …“ (Pietsch/Scherm 2004, S. 534). Der Idealfall, nämlich eine rationale Selektion, lässt sich in der Praxis nur ausnahmsweise realisieren. Die Gefahr unvollständiger, und daher im Ergebnis möglicherweise falscher Selektion lässt sich durch Reflexion verringern. • Reflexion bedeutet distanzierend-kritische Gedankenarbeit. Reflexion ist die Voraussetzung für Flexibilität und Lernen sowie für die Sicherung der Anpassungsfähigkeit von Unternehmen. Es wird zwischen abweichungsorientierter (= Kontrolle) und perspektivenorientierter Reflexion (= Entdecken innovativer Gestaltungsperspektiven) unterschieden. Perspektiven legen quasi die „Brille“ fest, mit der Entscheidungen vorbereitet werden (vgl. Pietsch/Scherm 2004, S. 538). Reflexion wird als eigenständige Führungsfunktion und Auftrag zur Fundamentalkritik verstanden und dem Controlling zugewiesen. „Die Führungsfunktion des Controllings ergibt sich somit als Reflexion der Entscheidungen, die im Rahmen der anderen Führungsfunktionen (Planung, Organisation, Personaleinsatz und -führung, Anm. d. Verf.) getroffen wurden“ (Pietsch/Scherm 2004, S. 536). Der Controller kann somit vorrangig als Innovator tätig sein, er kann auf Perspektivenänderungen oder -wechsel drängen, wie auch in der (Radar-)Funktion, Frühaufklärung zu betreiben. Das Gestaltungsfeld erweitert sich daher um mentale Prozesse innerhalb gegebener kognitiver Strukturen (d. s. mentale Prozesse erster Ordnung) und zweiter Ordnung; solche Prozesse führen zu einer kognitiven Neuorientierung bzw. zu einem Perspektivenwechsel (vgl. Pietsch/Scherm 2004, S. 539). Kritisch ist zu diesem Konzept zu sagen: • Reflexion als Aufgabe dominiert das Aufgabenfeld des Controllers, andere Funktionen scheinen zu kurz zu kommen; • eine instrumentelle Entwicklung dieses Ansatzes liegt noch nicht vor. Positiv zu werten ist: • Der Fokus liegt auf Fundamentalkritik und Nachdenken im Top-Management; • Aspekte der normativen Führung, Nachhaltigkeit, der Organisationsentwicklung und der Unternehmenskriminalität sind im Blickfeld; • Ethik wird als Gegenstand der Diskussion explizit genannt; • der Controller wird als Sparring-Partner gesehen. 154 Konzept und Aufgaben des normativen Controllings Ähnlich versteht Hemel unter Ethik-Controlling die Überprüfung der Wertesteuerung. Dabei geht es zum einen um die Dokumentation der Wertelandschaft im Unternehmen und andererseits um deren Veränderung im Rahmen von Personalentwicklungsprogrammen (vgl. Hemel 2007, S. 289). 5.3.8 Integriertes normatives Controlling Das integrierte Konzept des normativen Controllings weist die folgenden Charakteristika auf (vgl. Eschenbach/Siller 2009, S. 54–56): • Integriert heißt Service für alle Management-Ebenen und Unterstützung der Corporate Governance auf normativer, strategischer und operativer Ebene. Damit wird im Controlling das nachgeholt, was in der Balanced Scorecard schon seit über 15 Jahren state-of-the-art ist: das Herstellen und Nutzen der kausalen Verbindung zwischen Vision, Strategie und Erreichung operativer Zielwerte und Kennzahlen. • Normatives Controlling unterstützt nicht nur eine der Conformance, der Nachhaltigkeit und dem Stakeholder-Dialog verpflichtete Unternehmensführung, sondern versteht sich als „moralisches Gewissen“ im Unternehmen und als Prophylaxe vor dolosen Handlungen und Missmanagement. • Controlling unterstützt die Führung in seiner Innovations- und Gestaltungsleistung im Bereich der Normen- und Wert-(weiter-)entwicklung. • Controlling leistet Entwicklungshilfe in Unternehmen, indem es normatives intellektuelles Kapital identifiziert und systematisch laufend auf erforderliche Entwicklungs- und Gestaltungsmaßnahmen analysiert. • Der professionelle, moderne Controller hat die Rollen eines Navigators (in Richtung Zielerreichung), Innovators (in Richtung nachhaltiger Problemlösung) und Moderators im Kommunikations- und normativen Problemlösungsprozess mit Management und Mitarbeitern. • Streben nach Transparenz in Analysen, Überlegungen und Sachverhalten und der ganzheitliche betriebswirtschaftlich-unternehmensethische Blick auf Probleme, Sachverhalte und Ideen. Herkömmliches, operatives Controlling, bei dem vor allem quantitative Werte und hard facts im Vordergrund stehen, Risiken oft ebenso ausgeblendet werden wie Langfristbetrachtungen oder schwer messbare Folgen, ist für eine Umsetzung unternehmensethischer Ziele immer dann schädlich, wenn die verantwortungsvolleren, moralisch richtigen Handlungsmöglichkeiten nach den Maßstäben der Gewinnerzielung schlecht 155 Konzept und Aufgaben des normativen Controllings abschneiden. Das gilt z. B. für die Abschätzung von Folgen fehlerhaft ausgelieferter Pkw auf die Reputation des Unternehmens oder für grob fahrlässig entstandene Umweltschäden. Warum sollte ein operativer Controller eine Alternative vorschlagen, die kurzfristig weniger Gewinn verspricht gegenüber einer erst auf Dauer und nur möglicherweise, aber nicht sicher eintretenden besseren Reputation? Um diese Barriere abzubauen, muss sich das Controlling von der einseitigen Orientierung an monetären Erfolgsgrößen lösen und zu einer langfristigeren, qualitative und indirekte Folgen einbeziehenden Bewertung von Handlungsoptionen bekennen, wie es im Grunde auch schon seit Jahren für das strategische Controlling gefordert wird. Abbildung 28 zeigt die wesentlichen Charakteristika des Konzepts des integrierten, $ $ normativen Controllings. $ $ $ Nr. Kriterium Normatives Controlling 1 Controlling-Support für ...: Management der normativen Ziele 2 Ziele Sicherung der nachhaltigen Fortschrittsfähigkeit; Unterstützung der Umsetzung der Unternehmenspolitik 3 Steuerungs- und Regelungsgrößen Elemente des NIK, Verhaltensgrundsätze, Corporate Responsibility, Prävention gegen dolose Handlungen und Missmanagement 4 Zeitbezug langfristig und grundsätzlich 5 Orientierungsgrundlagen CSR, Führungsethik, Werthaltung, Risiko- und Chancenorientierung, Normen, Corporate Governance 6 Fragestellung Verhalten wir uns ethisch korrekt? Sind unsere Ansprüche legitim? 7 Aufgabenart Innovativ, grundsätzlich 8 Informationsart Qualitativ 9 Rolle bzw. Profil des Controllers Moderator, Berater, Coach, Treiber bzw. Bremser 10 Typisches Arbeitsmittel Reflexion 11 Typische Ergebnisse der Controller-Arbeit Stakeholder-Analyse, Entwurf einer Wertecharta, Entwurf eines Leitbilds, Werte-Check, Normen-Check, Normative Bilanz Abb. 28 Quelle: in Anlehnung an Eschenbach/Siller 2009, S. 136 Der normativen Controller/die normative Controllerin 1. sorgt für Problembewusstsein bei den Führungskräften auf normativer Ebene 2. bringt einen unternehmensinternen Diskussions- und Sparringprozess über Fragen der normativen Unternehmensführung in Gang 156 Konzept und Aufgaben des normativen Controllings 3. analysiert kritisch Status und Potenzial der Umsetzung der Elemente des NIK sowie der Chancen und Risiken für die künftige Entwicklung des Unternehmens 4. sorgt innerhalb der Führung für einen Konsens, dass ein Problemlösungsprozess über Vision, Mission, weitere interne Normen, Werte, Unternehmenskultur und Leitbild zu organisieren und zu einem bestimmten Zeitpunkt abzuschließen ist 5. initiiert, moderiert und koordiniert den Kommunikations- und Diskussionsprozess über Konsens- und Konfliktpotenziale, unterschiedliche Standpunkte, Werte, Meinungen, Interessen, Vorbehalte, Widerstände usw. zur Wertefindung und zur Normenbildung 6. institutionalisiert normative Soll-Ist-Vergleiche und bereitet bei Abweichungen Steuerungs- und Regelungsmaßnahmen vor 7. installiert und pflegt ein Früherkennungs- und Berichtssystem über den Grad der Akzeptanz der Elemente des NIK und leitet bei Bedarf die Überprüfung bzw. Maßnahmen zur Anpassung bzw. Entwicklung der Elemente des NIK an geänderte Bedingungen in Unternehmen und Umfeld ein 8. sorgt für die Koordination zwischen normativem, strategischem und operativem Management und Controlling. 5.4 Ziele und Grundsätze des normativen Controllings Ziel des normativen Controllings ist die Unterstützung des normativen Managements bei der Entwicklung und Aufrechterhaltung der nachhaltigen moralischen Fortschrittsfähigkeit. Diese wird auf lange Sicht nur gegeben sein, wenn die Unternehmensleistung • gesellschaftlich, insb. von der Mehrzahl der Stakeholder, akzeptiert wird • nicht nur effizient und effektiv, sondern – gleich wichtig – auch legitim zustande kam • aufgrund einer vorbildhaften weil moralisch einwandfreien Leistung von Führungskräften und Mitarbeitern zustande kam. Normatives Controlling sollte den Grundsätzen des Controllings verpflichtet sein. Als Grundsätze des Controllings wurden bisher folgende fünf entwickelt (vgl. Eschenbach/Siller 2009, S. 44–48; vgl. Siller 1985, S. 111– 169): • Grundsatz des Treibens und Bremsens • Grundsatz der Rechtzeitigkeit • Grundsatz der Objektivität 157 Konzept und Aufgaben des normativen Controllings • Grundsatz der Balance zwischen normativem, strategischem und operativem Controlling • Grundsatz der Dokumentation. Hier soll detailliert nur auf den Grundsatz der Balance zwischen normativem, strategischem und operativem Controlling eingegangen werden: Der Grundsatz fordert, • Aspekte des normativen Controllings gleich stark wie strategische und operative Agenden zu berücksichtigen und damit der Werte- und Strategieentwicklung und -umsetzung annähernd gleich viel Aufmerksamkeit zu schenken wie für die operative Zielvereinbarung und -umsetzung; und • periodisch (z. B. im Reporting) die Wirkungen operativer Entscheidungen auf die normative und die strategische Position des Unternehmens zu prüfen und bei Bedarf zu diskutieren. Für die konkrete Anwendung dieses Grundsatzes heißt das folgendes: • Der Wettbewerbsdruck lässt Führungskräften wenig Zeit für grundsätzliche, normative und strategische Überlegungen. Controlling sollte in seiner Entlastungsfunktion den Führungskräften solche Aufgaben abnehmen. • Gewinnstreben kann strategischen und normativen Entwicklungen schaden. Investitionen in Normen, Moral, Werte und Unternehmenskultur sollten heute getätigt werden, obwohl der Nutzen an sich und der Zeitpunkt eventueller positiver Rückflüsse unsicher ist. • Normative und strategische Entscheidungen brauchen im Vergleich zu Routineentscheidungen (wesentlich) mehr Vorbereitungszeit und oft die Genehmigung der Organe des Unternehmens. • Das im Vergleich zu operativen Entscheidungen wesentlich höhere Risiko und die Dominanz eher qualitativer, weicher Daten bei normativen und strategischen Aufgaben führen tendenziell zu einer längeren Entscheidungsfindung. • Die Diskussion über Normen, Werte, Unternehmenskriminalität oder Unternehmenskultur erscheint vielen Praktikern in Führungspositionen als Fremdkörper, Neuland bzw. als Tabu; hier hat das normative Controlling professionelle Aufklärungsarbeit zu leisten. Die analytische Unterscheidung zwischen den drei Aufgabenbereichen (normative, strategische und operative Führung) des Managements darf nicht darüber hinweg täuschen, dass zwischen ihnen laufende inhaltliche Abstimmungen zu erfolgen haben – d. i. die Koordinationsaufgabe des 158 Konzept und Aufgaben des normativen Controllings Controllings –, da zwischen ihnen eben sachlogische und zeitliche Zusammenhänge bestehen. 5.5 Aufgaben des Controllings im Konzept des integrierten, normativen Controllings 5.5.1 Überblick Das von Jürgen Weber als langfristig angelegte, empirische Untersuchung konzipierte WHU-Controllerpanel bezweckt einen repräsentativen Einblick in die Controllership im deutschen Sprachraum zu vermitteln (vgl. Weber 2008, S. 9 f.). Die Ergebnisse der Befragung von Führungskräften von 382 Unternehmen 2008 zeichnen folgendes Bild des Aufgabenspektrums von Controllern und ihrer damit verbundenen zeitlichen Inanspruchnahme: • Berichtswesen (rund 22 %) • Operative Planung und Kontrolle (rd. 18 %) • Kostenrechnung (rd. 15 %) • Sonstige Beratung des Managements (rd. 11 %) • Spezifische Projekte (rd. 11 %) • Sonstiges (rd. 8 %) • Strategische Planung und Kontrolle (rd. 8 %) • Investitionscontrolling (rd. 7 %). Nach Einschätzung der befragten Controller werden Beratungs- bzw. beratungsnahe Aufgaben eindeutig an Gewicht gewinnen, allen voran Aufgaben der strategischen Planung und Kontrolle, gefolgt von der Beratung des Managements und der Übernahme von bzw. Mitarbeit des Controllings in spezifischen Projekten (vgl. Weber 2008, S. 16). Hier scheint genügend Platz für normatives Controlling zu sein. Ein Tätigkeitsfeld beschreibt den Bereich einer bestimmten Art von Aktivitäten. Im Konzept eines professionellen Controllings sind die folgenden Funktionen Aufgaben des Controllings: Planung, Kontrolle, Information, Innovation, Sparring und Koordination (vgl. Eschenbach/Siller 2009, S. 79). Dieser Katalog an Tätigkeitsfeldern ist für Zwecke des normativen Controllings anzupassen. Die Beschäftigung mit qualitativen, oft nicht sichtbaren, wie z. B. in der Unternehmenskultur, oder den Akteuren oft nicht einmal bewussten Handlungsfeldern des normativen Managements und Controllings erfordert eine Änderung der Bedeutung (Gewichte) der einzelnen Aufgaben. 159 Konzept und Aufgaben des normativen Controllings Die Tätigkeitsfelder sind die$ folgenden (vgl. $ $ $ des normativen Controllings $ $ Abbildung 29): !.+,`)(8$E(u(c71.$ -.;$L3+==7./ P11=;7.+O1. Q..1R+O1. y"(=<+TA-./ Q.M1=?+O1. \,+.-./ Quelle: Eigene Darstellung Abb. 29 Dazu im einzelnen: 5.5.2 Analyse, Reflexion und Sparring Vorrangige Aufgabe des Controllings ist die Erfassung der (aus Sicht des Unternehmens) externen und der internen Komponenten des normativen intellektuellen Kapitals (NIK). Externe Komponenten sind Moral, Ethos, Tugenden und Werte, die internen Komponenten sind Normen (z.B. Vision, Mission und Leitbild) und Unternehmenskultur. Grundgedanke ist die Vornahme einer Bestandsaufnahme bzw. mit anderen Worten, einer „Inventur der Annahmen“ (Risak 2010b, S. 270) der Unternehmenspolitik. Auf die Erfassung folgt die Analyse und die Reflexion, beide Prozesse stellen Denkarbeit dar. Analysieren (altgriechisch: analysein: „auflösen“) bedeutet das systematische Untersuchen durch Zerlegen eines Objekts bzw. Zustands in seine einzelnen Bestandteile (Elemente und Zusammenhänge zwischen ihnen), um sie anschließend zu ordnen, zu untersuchen und zu kommentieren. Voraussetzung für eine Analyse ist die (Primär- oder Sekundär-)Erhebung von Daten über das Objekt bzw. den Zustand. Ziel einer Analyse ist die Beschreibung und nachfolgende Erklärung eines Istzustands (des „Ist“, z. B. eines Sachverhalts, einer Abweichung 160 Konzept und Aufgaben des normativen Controllings oder eines Fehlers) bzw. die Erforschung der Ursachen dieses Zustands. Die Qualität einer Analyse wird durch die Tiefe wie durch die Breite der Recherche bestimmt. Unbestreitbar entscheidet andererseits die Qualität der Analyse über die Qualität der auf die Analyse folgenden Schritte. Es geht darum, das Ist in alle Bestandteile bzw. Aspekte zu zerlegen, Beziehungen (lineare und netzartige) zwischen den einzelnen Bestandteilen zu ermitteln, die wesentlichen Einfluss- bzw. Bestimmungsfaktoren zu erkennen, und daraus die möglichen Ansatzpunkte für Lösungen zu erkennen. Dabei geht es auch um Abstraktion vom spezifischen, vorliegenden Fall, um Strukturen des Ist zu erkennen und diese Muster auf andere Fälle umzulegen, also zu verallgemeinern. Gründliches analytisches Denken stellt die Basis für Reflexion und das nachfolgende kreative Denken dar. Reflexion steht für prüfendes, kritisches Hinterfragen und vergleichendes Nachdenken über etwas, das „in sich gehen” und etwas „Revue passieren lassen”. Dabei wird über Erlebtes oder Erfahrenes nachgedacht („Fundamentalkritik“, Bea/Haas 1997, S. 22), um weitere Erkenntnisse zu erlangen. Alle unternehmensethischen Konzepte (vgl. Pkt. 2.3.3) betonen die Bedeutung der Reflexion. Reflexion ist distanzierend-kritische, perspektivensuchende Gedankenarbeit, durch die sich neue Perspektiven zur Selbsterneuerung, Hinterfragung eigener Positionen, Motive, Werte, Erwartungen und kultureller Muster sowie zu Gestaltbarkeit und dem Willen zur Gestaltung auftun (vgl. Schadler 2010, S. 5). Reflexion umfasst Rückkopplungs- und Lernprozesse. Dabei werden sowohl Feedback- als auch feed-forward-Informationen systematisch durchdacht und in weiterer Folge zu neuen bzw. neuartigen Lösungen verarbeitet. Während in der individuellen Reflexion vor allem die Überprüfung des eigenen Gedankenguts in Denkprozessen im Vordergrund steht, kommt in der Gruppenreflexion der Kommunikation in der Gruppe und der dadurch auslösbaren gegenseitigen gedanklichen Befruchtung wesentliche Bedeutung zu. Bei moralischen Problemen ist es aufgrund der Komplexität der Sachverhalte und der persönlichen Wertkonstellationen mit Analyse und Reflexion allein nicht getan, Konsequenzen für das Handeln sind oft nur schwer richtig zu bewerten. Daher ist der Versuch einer Lösung zusammen mit den Führungskräften in Geschäftsführung und Aufsichtsrat („Sparring“) eine sinnvolle Alternative zur einsamen Gewissensentscheidung. Sparring kommt aus dem Boxsport und bedeutet die Vorbereitung auf einen Wettkampf mit einem etwa gleich starken Athleten bzw. Partner, der dem einen Boxer Paroli bieten soll. Auf Controlling übertragen ist dieses 161 Konzept und Aufgaben des normativen Controllings Aufgabenfeld eine Form der internen Unternehmensberatung und die Renaissance der Counterpart-Funktion des Controllers. Der moderne Controller sollte – über seine Beratungsfunktion hinaus – als Sparring- bzw. Gesprächspartner zum Zweck eines offenen Meinungsund Informationsaustausches agieren. Als Sparringpartner für Manager kommen nur annähernd gleich kompetente und unternehmerisch denkende Personen mit Profil in Betracht. Wenn es dem Controlling gelingt, seine Informations- und Beratungskompetenz entsprechend zu entwickeln, wird es als Gesprächspartner vom Management akzeptiert werden (vgl. Eschenbach et al. 2007, S. 25), wo er seine qualifizierte fachliche Meinung („Second opinion“) vorbringen kann. Werden Controller als Berater und Sparringpartner von der Riege der Führungskräfte ernst genommen, können sie im Kommunikationsprozess ihre Rolle als Fachpromotor bzw. -opponent am besten ausspielen. Controlling wirkt dann nicht nur als Mitgestalter, sondern kann auch ex-ante Kontrolle (= Aufsicht) in dem Sinn ausüben, dass es geschäftsschädigende Handlungen frühzeitig erkennen und die Einhaltung der Vorgaben des normativen Managements überwachen kann. Beim Sparring über normative Inhalte geht es um Bewusstseinsschaffung für die Bedeutung immaterieller Werte und ihre Sichtbarmachung, um Dialog, die Transparenz von Tabus und um eine Klärung der Standpunkte und Perspektiven. 5.5.3 Innovation Innovation als Wandel bzw. Neuerung liegt nicht nur bei Eintreten von objektiv Neuem, sondern schon dann vor, wenn eine Neuerung erstmals in einer Organisation erfolgt und dort etwas Neues darstellt (vgl. Witte 1973, S. 3). Innovation ist das Ergebnis kreativen Denkens und Handelns und abhängig von der Fähigkeit zum schöpferischen Denken und Handeln. Die reine Hervorbringung einer Idee genügt aus wirtschaftlicher Sicht aber nicht – erst Nutzung bzw. Vermarktung unterscheidet eine Innovation von der Erfindung (Invention). Innovationen können nach dem Objekt Geschäftsmodell-, Produkt-, Verfahrens- (Prozess-) innovationen, die erstmalige Bearbeitung bestimmter Märkte, organisatorische Neuerungen und/oder Sozialinnovationen sein. Soziale Innovationen sind neue Wege im Verhalten von Führungskräften und Mitarbeitern, um Ziele zu erreichen, z. B. neue Diskussions- Zielfindungs-, Entscheidungs- oder Organisationsformen, neue Regelungen, 162 Konzept und Aufgaben des normativen Controllings die die Richtung des sozialen Wandels in Unternehmen verändern, Probleme qualitativ besser lösen helfen als bisher, und die es daher wert sind, nachgeahmt und institutionalisiert zu werden (vgl. Zapf 1989, S. 177). Es ist vor allem eine Herausforderung für die Entrepreneure und Leader unter den Führungskräften, im normativen Bereich laufend kreativ nach neuen Geschäfts- oder Produktideen, Strukturen, Geschäftsmodellen oder Lösungen für Kundenprobleme zu suchen; Aufgabe des Controllings ist, sie dabei aktiv zu unterstützen. Innovation bedeutet dabei – vom Umfang her – nicht nur einen Geniestreich, sondern auch Verbesserungen in kleinen Schritten im Sinne eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses bzw. des japanischen Kaizen-Prinzips (d.h. auch kleine Änderungen sind positiv). Innovation erfordert ein entsprechendes Klima und eine Wertehaltung im Unternehmen, die Neuerungen fördern. Da es sich bei Innovationsprozessen um schlecht strukturierte Probleme handelt, bedarf es einer besonderen Sorgfalt, gestalterischer Kraft und Mut aller Beteiligten, um Gewohnheit, Tradition, Übung, Routine ebenso zu überwinden wie Vorbehalte, Angst vor Risiko und Ungewissheit vor dem Neuen. Ergebnis einer Sozialinnovation kann z. B. eine neuartige, ethisch fundierte Form der Ziel- und Entscheidungsfindung sein. Innovativ sind oft auch Inhalt und Wege der Datenerfassung, z. B. über ein Unternehmenskulturprofil oder die CO2-Emissionen. Und die Einrichtung einer normativen Controllingebene selbst ist eine Innovation. 5.5.4 Information Information ist zweck- und aktionsorientiertes Wissen. Es lassen sich (für den Einzelnen nicht zweckorientierte) Nachrichten und Daten von (zweckdienlichen) Informationen abgrenzen. Diese Unterscheidung erhält in Zeiten des zunehmenden Information overload immer größere Bedeutung. Information ist der Rohstoff des Controllings. Sie ist gleichermaßen Input wie Output, abhängig von der zu lösenden Herausforderung bzw. vom betreffenden Prozess. Informationen sind Mittel zum Zweck, nicht Selbstzweck. Zweck von Information ist ihre Verwendung für Aktionen, vor allem von Entscheidungen. Durch die immer größer werdende Nachfrage nach Ethik verändert sich die Struktur von Entscheidungen und somit auch die benötigten Informationen (vgl. Feldbauer-Durstmüller 2009, S. 235). Im Anschluss an die Analyse, Reflexion und Sparring übernimmt das Controlling die Versorgung des Managements mit Informationen über das 163 Konzept und Aufgaben des normativen Controllings Ist (Entwicklungsstand) und Entwicklungsziele als Ausgangspunkt für konkrete Maßnahmen der Nutzung und Gestaltung. Im Kontext des normativen Controllings geht es vor allem um die Bewertung der Elemente des NIK. Wird das Zielsystem eines Unternehmens um ethische Ziele ergänzt, bedarf es auch Anpassungen beim Controlling, da so neue, weitere Informationserfordernisse entstehen. Ein Informationsbedarf, der mit den bislang üblichen Kennzahlen nicht befriedigt werden kann, entsteht in den Fällen, wenn sich ein Unternehmen z. B.: • zu einer nachhaltigen Unternehmensführung mit ganzheitlicher Verantwortung bekennt • für die Bezahlung der Führungskräfte nach ihren nachhaltigen bzw. sozialen Erfolgen entscheidet • zur Einhaltung bestimmter Ethik- bzw. Sozialstandards und deren Überprüfung auch bei Geschäftspartnern („Business Partner Due Diligence“) verpflichtet • der Herstellung bzw. Vermarktung ökologisch unbedenklicher Produkte verschreibt, z. B. Bio-, „Demeter-“ oder „Fair trade“-Produkte • entschließt, vor Entwicklung neuer Verfahren Technologiefolgenprüfungen durchzuführen • für die Erstellung und Veröffentlichung von Sozial-, Umwelt-, Nachhaltigkeits- oder Wissensbilanzen entscheidet. Zwischen der Ermittlung des endgültigen Bedarfs an Informationen und der tatsächlich beschafften Information steht das Controlling vor vier Herausforderungen: • Beschränkte Informationsrechte des Controllings (Zugangsproblem) • Vielzahl (Fülle) an einzelnen Informationen (Mengenproblem) • Tauglichkeit der Informationen bzw. der Quelle/n (Qualitätsproblem) • Aktualität der Information (Zeitproblem). Bei genauer Betrachtung der Herausforderungen, die eine transparente und aussagekräftige CR-Berichterstattung an ein Unternehmen stellt, wird erkennbar, dass hierbei jene Kernkompetenzen gefragt sind, die der Controller bereits durch die Beschäftigung mit dem traditionellen Berichtswesen gesammelt hat. Um nachhaltigkeitsorientierten Bericht-Leitlinien folgen und einen aussagekräftigen externen CR-Bericht nach dem TBL-Ansatz erstellen zu können, bedarf es eigener CR-Daten, -Informationen und -Wissen. Diese gilt es im Unternehmen zu erheben, zu konsolidieren, zu aggregieren und zu bewerten. Außerdem sollte eine Vergleichbarkeit mit Benchmarkingpartnern 164 Konzept und Aufgaben des normativen Controllings (insb. innerhalb der angestammten Branche) und zwischen mehreren IstZeitpunkten gewährleistet sein. Daraus folgt, dass ein effizientes Datenmanagement mit einer umfassenden und verlässlichen Datenbasis zu nachhaltigen Zielen, Maßnahmen und Kennzahlen notwendig wird (vgl. Schlange 2009, S. 307; vgl. Fischer et al. 2010, S. 228). Ergebnis wäre ein nachhaltigkeits- und ethikorientiertes internes wie externes Berichtswesen des Controllings. 5.5.5 Planung Planung bedeutet in der Theorie das gedankliche Vorwegnehmen künftigen Verhaltens; in der Praxis das erfahrungsgestützte Schätzen („guesstimate“) künftig möglicher Sachverhalte. Wesentlich ist jedenfalls das sich aktiv Beschäftigen mit möglichen Zukünften. Planung gerät bei sich rasch wandelnden Verhältnissen immer mehr zu einem Ersetzen des Zufalls (falls gar nicht geplant würde) durch Irrtum. Das Planungssystem eines Unternehmens ist die Gesamtheit der im Unternehmen erstellten bzw. zu erstellenden Pläne sowie der konzeptionellen, funktionalen und institutionellen Beziehungen zwischen ihnen. Controller haben im normativen Bereich für das Vorhandensein der geeigneten Pläne, Planungsmethoden, -objekte, -träger, -empfänger, -prämissen, -ressourcen, -prozesse und -terminpläne sowie Kosten-/Nutzen Überlegungen und für eine stimmige, d. h. in sich konsistente und mit allen betroffenen Bereichen koordinierte Gesamtplanung zu sorgen. Als wesentliche Qualitätskriterien für Pläne können genannt werden: • Grad der Realisierbarkeit • Vollständigkeit • Widerspruchsfreiheit (Konsistenz) • Stimmigkeit mit anderen relevanten Plänen • Operationalität (d. h. beurteilbare Umsetzbarkeit von Plänen in Aktionen). Besonders das letzte genannte Kriterium ist im normativen Controlling die eigentliche Herausforderung. Objekte der normativen Planung sind: • Vision und Leitbild • Normen, Moral, Ethos, Tugenden, Werte, Unternehmenskultur (= Elemente des NIK) • Verhaltensgrundsätze (Code of Ethics) • Ziele bzw. Zielsysteme auf verschiedenen Ebenen 165 Konzept und Aufgaben des normativen Controllings • • • • System zur Früherkennung geschäftsschädigender Handlungen Maßnahmen zur Umsetzung normativer Maßnahmen Ansatzpunkte für die Überwachung normativer Sachverhalte Ressourcen bzw. das „normative Budget“: die beabsichtigte Realisierung normativer Pläne bedarf immaterieller, materieller, personeller, informatorischer und vor allem zeitlicher Ressourcen. Die Planung von Maßnahmen bzw. eines (Überwachungs-)Systems im Zusammenhang mit dolosen Handlungen muss umfassen: • Risikomanagement • Prophylaxe (Issue Management Planning) • Schadensfallbehandlung (Incident Management) und • Schadensnachbehandlung (Business Recovery Planning). 5.5.6 Überwachung Der Überwachungsbegriff beschreibt den Aufgabenteil der Geschäftsführung, der sich mit • Aufsicht • Kontrolle • Prüfung • Audits, • Revision und • Checks im Unternehmen befasst. Die Überwachung kann sowohl intern als auch extern sein, d. h. sie kann von unternehmensinternen Stellen/Personen oder Unternehmensexternen durchgeführt werden (vgl. Schneider 2000, S. 67). Aufsicht ist Überwachung ex ante; darunter fallen sämtliche Methoden, die im Vorfeld von Aktivitäten vorgenommen werden, um Fehler zu verhindern. Fehler wird hier i. S. von Verhalten, das nicht den Anforderungen entspricht, verstanden. Überwachung durch Aufsicht wird in der System- bzw. Prozessplanung konkretisiert. Aufsicht als Form der Überwachung ist im normativen Controlling von herausragender Bedeutung, geht es doch um Prävention vor • Missmanagement, • dolosen Handlungen sowie der daraus möglichweise entstehenden • Risiken infolge der Verletzung von Normen. 166 Konzept und Aufgaben des normativen Controllings Kontrolle wird i.d.R. als Kontrolle eines Plans, Vorhabens oder Projekts verstanden; es ist die Durchführung eines Vergleichs zwischen Soll- und Ist-Größen sowie die Analyse der Abweichungsursachen. Kontrolle kann auch als begleitende Überwachung gesehen werden. Durch sie sollen Fehler und Abweichungen sofort festgestellt und zeitnah beseitigt werden. Laufende Soll-Ist-Vergleiche sollen dies ermöglichen. Prüfung ist einerseits Analyse bzw. Aufarbeitung von Fakten ex-post (Nachprüfung) bzw. andererseits die gründliche Analyse eines Sachverhalts oder Prozesses ex-ante; Gegenstand einer Prüfung sind Ereignisse bzw. Prozesse bzw. die Erkenntnis, ob sie ordnungs- oder plankonform bzw. richtig zustande kommen können bzw. kamen bzw. abliefen. Es sollen mögliche bzw. tatsächlich geschehene Fehler bzw. Abweichungen festgestellt und die (potenziellen) Ursachen ermittelt werden. Ein Audit ist die Prüfung von Prozessen, Aktivitäten, Ergebnissen oder des IKS hinsichtlich des Grads ihrer Erfüllung von definierten Anforderungen, Normen oder Standards, z. B. dienen sog. „Ethik-“ oder „Sozialaudits“ der Prüfung der Einhaltung bestimmter Ethik- bzw. Sozialstandards. Revision (lat.: re = „wieder, zurück“, videre = „ansehen) bedeutet nochmalige, prüfende Durchsicht. Durch die Revision sollen Geschäftsfälle auf ihre Richtigkeit, Ordnungs-, Gesetz- und Zweckmäßigkeit hin überprüft werden. Die Revision kann von unternehmensinternen Mitarbeitern (interne Revision) oder von Unternehmensexternen, wie z. B. im Falle der Abschlussprüfung, durchgeführt werden. Check: To check bedeutet im Englischen: prüfen, kontrollieren, nachrechnen, testen, überwachen. Als Substantiv bedeutet es Prüfung, Nachprüfung, Kontrolle. Der Begriff bezieht sich sowohl auf ex-ante- als auch auf ex-post-Überwachungshandlungen, ist im angelsächsischen Sprachraum weit verbreitet und seit langem auch im Deutschen in Verwendung. Im Unternehmen kommt i.d.R. ein bestimmter Mix an Überwachungsformen zum Einsatz. Neben der Geschäftsführung und den Aufsichtsorganen sind Controlling und – in größeren Unternehmen – die Interne Revision die hauptsächlichen Träger der unternehmensinternen Überwachung. Während Controlling in seiner Präventivfunktion sich eher auf Prüfung ex-ante, der begleitenden Kontrolle sowie auf Checks und Aufsicht konzentriert, liegt der Schwerpunkt der Internen Revision i.d.R. auf der (prozessunabhängigen) Prüfung ex-post, der Revision sowie Kontrollen und Audits des IKS. Es können die folgenden Überwachungstypen unterschieden werden nach: • dem Objekt: ergebnis- und/oder prozessorientiert 167 Konzept und Aufgaben des normativen Controllings • dem Zeitpunkt: antizipativ, begleitend und/oder nachfolgend • der Form: automatisch oder manuell bzw. persönlich. Aus Controlling-Sicht ist die Unterscheidung nach dem Zeitpunkt wesentlich: 1. Feed-forward (Vorkopplung; ex-ante): zum Zweck der Abwehr von oder der Warnung vor Störgrößen auf die Umsetzung eines Plans, z. B. durch Frühaufklärung und Prämissenprüfung 2. Begleitende (mitlaufende) Überwachung (zwecks Steuerung und Regelung) der Umsetzung 3. Feed-back (Rückkopplung; ex post): zum Zweck der Beseitigung der Folgen von störenden Einflüssen, z. B. durch Korrekturmaßnahmen (vgl. Staehle 1999, S. 546). In der Praxis werden sich diese Schritte kombiniert finden, doch gilt als Grundsatz: je mehr Schritte vom Typ 1 und 2 und je weniger Schritte vom Typ 3 erforderlich sind, umso näher ist das Controlling am Geschehen. Damit Korrekturmaßnahmen eingeleitet werden, bedarf es eines Meldesystems, das die Entscheidungsträger über voraussichtliche bzw. bereits eingetretene Abweichungen und deren Ursachen möglichst zeitnah informiert. Ein Überwachungssystem ist inhaltlich analog dem Planungssystem zu gestalten (= Erfordernis der Isomorphie zwischen Plan- und Ist-Betrachtung). Das Controlling hat im normativen Bereich – analog zum Planungssystem – für die geeigneten Überwachungsformen, -methoden, -felder (-objekte), -träger, -empfänger, -prämissen, -ressourcen, -prozesse und termine sowie Kosten-/Nutzen-Überlegungen und für eine abgestimmte Gesamtüberwachung zu sorgen. Vom Ablauf her gesehen ist Überwachung ein Prozess der Informationsverarbeitung, dessen Qualität sich danach richtet, wie zeitnah und vollständig die Ergebnisse des Kontrollvorgangs sind. Es ist ein sechsstufiger Prozess: 1. Festlegen der Bedingungen zur Ermittlung der Istwerte 2. Vergleich von Ziel- und Ist-Mengen und Werten 3. Analyse der Abweichungen auf ihre Ursachen 4. Abweichungsdurchsprache mit den Verantwortlichen 5. Erstellen eines Maßnahmenkatalogs 6. Erstellen einer Vorschaurechnung (Forecast), wie trotz eingetretener Abweichungen das Ziel dennoch erreicht werden kann. 168 Konzept und Aufgaben des normativen Controllings 5.5.7 Koordination Die Umsetzung ethischer Grundsätze im Controlling und in Folge dessen auch in der Unternehmensführung ist, wie bereits erwähnt, sehr eng mit dem Denken des Einzelnen verbunden. Jeder Mitarbeiter bringt seine eigenen Werte und Normen mit und beeinflusst so die Entscheidungen und Prozesse innerhalb eines Unternehmens. Eine wichtige Bedeutung für das Controlling stellt daher die Koordination und Abgleichung dieser Wertesysteme dar. Oft kann die Abstimmung der Wertvorstellungen zu einer großen Herausforderung werden, da sich die verschiedenen Einstellungen stark voneinander unterscheiden und vielleicht nur schwer miteinander vereinbar sind. Die Notwendigkeit einer solchen Koordination lässt sich nicht abstreiten, da Normen und Werte die Grundlage einer jeden Unternehmensführung bilden. Denn driften die Vorstellungen der Einzelnen innerhalb eines Unternehmens zu weit voneinander ab, wird das Vorankommen und der flüssige Ablauf innerbetrieblicher Prozesse erheblich verlangsamt. Koordination ist neben Informationsversorgung eine der wichtigsten Aufgaben auf allen Controllingebenen. Koordination bedeutet Abstimmung, „Fit“ bzw. Harmonisierung ebenso wie Zusammenführen von Kontaktstellen (Interfaces; statt „Schnittstellen“). Folgende sechs Dimensionen der Koordination sind im normativen Controlling wesentlich: • Sachliche Koordination: Normative, strategische und operative Führungs-, Planungs- und Kontrollregelkreise sind nach dem Grundsatz der Balance zwischen normativer, strategischer und operativer Führung so auf einander abzustimmen, dass operative Entscheidungen nicht Erfolgspotenziale oder die Entwicklung der Elemente des NIK beeinträchtigen. • Die zeitliche Koordination meint die Abstimmung von Normen, Werten, Zielen, Plänen und Entscheidungen mit unterschiedlichem Zeithorizont, insbesondere zwischen grundsätzlichen (normativen), eher lang- und mittelfristig wirksamen (strategischen) und eher kurzfristigen (operativen) Plänen, wie vor allem dem Budget. • Die horizontale Koordination zielt auf eine Abstimmung der Normen, Strategien, Pläne, Entscheidungen und Prozesse zwischen Funktionsbereichen auf gleicher Ebene, z. B. Produktion, Absatz, Finanzierung und Personal. • Vertikale Koordination bedeutet die Abstimmung von Werten, Kultur, Zielen, Plänen, Prozessen, Entscheidungen und Informationen auf verschiedenen Ebenen innerhalb eines Funktionsbereichs bzw. zwischen den Ebenen des Top-, Mittel- und unteren Managements im Unternehmen. 169 Konzept und Aufgaben des normativen Controllings • Koordination zwischen Planung und der Erfassung der Daten im Ist, d. h. es muss Strukturidentität zwischen Planungs- und Ist-Rechnung bestehen. Das betrifft im normativen Bereich Terminologie, Analyseschemata und Bewertungsansätze, die für Planungs- und für Überwachungszwecke gleichermaßen herangezogen werden. • Koordination zwischen Personen bzw. Abteilungen, die das normative Management und das normative Controlling bei der Erfüllung von Aufgaben im normativen Bereich unterstützen sollten, d. s. insb. Überwachungsorgane, Compliance-, HR- und Rechtsabteilung. 5.6 Die Person des normativen Controllers/der normativen Controllerin Unbeschadet des in Eschenbach/Siller (2009, S. 58–62) skizzierten Anforderungsprofils$ (vgl. in Abbildung 30) für Aufga$ die $Zusammenfassung $ $ $ gelten $ benträger im normativen Controlling die nachstehenden Spezifika: • + V(#)I+51@0(. /1,(+)@0%J(+^ {$H*A70 {$!.+,`O)TA()$G(.0(. {$P=7O)TA($H7.)*(,,-./ {$:C)O/0(7*)<(=* {$H7/(.7.7O+OR( {$'(.+-7/0(7* {$P=(+OR7*C* {$:(=."(=(7*)TA+s {$'+.2A(7*,7TA($L7TA* {$b=(-;($+?$H=M1,/ Abb. 30 /1,(+)@0%J(+.3+4.KC01,2(1-(+ >"81%5(.3+4. 2"$$3+12%&'( Q"$U(-(+8(+^ *(-0"4(+2"$U(-(+8(+ {$P1??-.70+B O1.)MCA7/0(7* {$j(+?MCA7/0(7* {$G-=TA)(*B 2-./))*C=0( {$6(=*=+-(. R(=;7(.(.$ D(-#1(F)M1#-)@0%J51@0( K%@02(++-+1))( L()@0CJ)2(++-+1))( Quelle: Eschenbach/Siller 2009, S. 61 Der normative Controller ist in seiner Beratungsfunktion für das TopManagement einerseits und in seiner Position als Führungskraft andererseits im hohen Maße eigenverantwortlich für sein Handeln. Dies setzt die Fähigkeit zu Selbstkritik sowie soziale und moralische Kompetenzen voraus, die durch laufende Lernprozesse in der (beruflichen) Alltagspraxis aber auch durch spezifische Trainingsmaßnahmen erhöht werden können (vgl. Noll 2002, S. 157). 170 Konzept und Aufgaben des normativen Controllings Durch die aktive Auseinandersetzung mit den Themen Unternehmensund Individualethik kann sich der Controller seiner moralischen Verantwortung besser bewusst werden. Dadurch kann er in ethischen Konfliktsituationen die möglichen Reaktionsmöglichkeiten der Konfliktparteien und deren Konsequenzen besser einschätzen sowie als Sparringpartner den Führungskräften beratend bzw. Dilemma-lösend (vgl. dazu Pkt. 2.3.2) zur Seite stehen. Der Controller in seiner Beratungs-, Sparring- und Informationsfunktion kann sich – wie Führungskräfte auch – nicht ethisch neutral verhalten und hat daher auch die Verantwortung, sich mit Unternehmens- und Individualethik aktiv auseinander zu setzen und sich das erforderliche Wissen anzueignen. Dieses Wissen um die moralischen Implikationen von Entscheidungen und Verhalten ist dann in seiner täglichen Arbeit an normativen, strategischen und operativen Aufgaben anzuwenden. Es geht um persönliche Einstellungen und Werthaltungen, damit auch um Emotionen, Gefühle und Empathie. Controlling kann – falls im Unternehmen Handlungsbedarf bzw. Defizite auf normativer Ebene bestehen – helfen, Werte und Einstellungen bewusst zu machen, zu enttabuisieren und (Wert-) Konflikte anzusprechen. Der normative Controller eckt an, polarisiert (oft bewusst), um Führungskräfte wach zu rütteln, er forciert Diskussionen über bisher nicht – zumindest nicht offen – Diskutiertes, wie z. B. persönliche Werte und Maximen. Er braucht daher ein gerütteltes Maß an Einfühlungsvermögen, an Fähigkeiten zur konstruktiven Handhabung von Konflikten und zum Vorhalten des Spiegels an Führungskräfte, um kontinuierlich ihre moralische Vorbildverantwortung einzufordern. Die Funktion eines normativen Controllers werden im Unternehmen daher i.d.R. nur Senior Controller einnehmen (können), d. h. erfahrene, integre Persönlichkeiten, die mit Führungskräften „auf gleicher Augenhöhe“ kommunizieren können und wollen, und die als Controller selbst Vorbildfunktion ausüben. 5.7 Lessons learned Controlling verstehen wir als betriebswirtschaftlich fundierte normen-, strategie-, finanz-, markt-, prozess-, informations- und verhaltensorientierte Regelung in Unternehmen. Zweck des Controllings ist Führungsunterstützung, um gemeinsam vereinbarte Unternehmensziele zu erreichen (transparentes Monitoring). 171 Konzept und Aufgaben des normativen Controllings Ziel des normativen Controllings ist die Unterstützung des Managements bei der Sicherung der nachhaltigen Fortschrittsfähigkeit durch innengeleitetem Wandel, der Analyse und Entwicklung der Elemente des NIK (d. s. Normen, Moral, Ethos, Werten, Tugenden und Unternehmenskultur) und der Erhaltung und Entwicklung der Unternehmensidentität. Normatives Controlling soll das strategische und das operative Controlling ergänzen. Gerade aufgrund der Kompetenzen des Controllings (wie z. B. in der Erstellung qualitativer und quantitativer Analysen oder von Soll-Ist-Vergleichen) hat Controlling sehr gute Voraussetzungen, sich im Unternehmen Gehör auch in Bezug auf Unternehmensethik zu verschaffen. Mit einer möglichst glaubwürdigen Operationalisierung von soft facts wie den Elementen des NIK lässt sich am besten Zweifeln, Ethik- oder ComplianceLeitlinien, Engagement im Umweltschutz oder CSR hätten nichts mit Controlling zu tun, entgegen treten. An Konzepten eines ethikorientierten Controllings in der Literatur wurden die folgenden sechs analysiert: • Nachhaltigkeitsorientiertes Controlling • Organisationscontrolling • Korruptionscontrolling • Controlling als Metaführung • Controlling als Rationalitätssicherung • Reflexionsorientiertes Controlling. Während die ersten drei Konzepte jeweils nur Teilaspekte der normativen Führung bzw. des normativen Managements beleuchten, stellen die letzten drei Konzepte ganzheitliche, uE aber ergänzungsbedürftige Ansätze eines normativen Controllings dar. Das Konzept eines integrierten, normativen Controllings nimmt für sich in Anspruch, alle relevanten Teilaspekte unter einem ethischen, nachhaltigen und Governance-orientierten Blickwinkel zu vereinen. Es weist die folgenden wesentlichen Charakteristika auf: • Integriert heißt Service für alle Management-Ebenen und Unterstützung der Corporate Governance auf normativer, strategischer und operativer Ebene. • Normatives Controlling unterstützt nicht nur eine der Nachhaltigkeit verpflichtete Unternehmensführung, sondern versteht sich als „moralisches Gewissen“ im Unternehmen und als Prophylaxe vor dolosen Handlungen und Missmanagement. • Controlling unterstützt die Führung in seiner Innovations- und Gestaltungsleistung im Bereich der Normen- und Wert-(weiter-)entwicklung. 172 Konzept und Aufgaben des normativen Controllings • Controlling leistet Entwicklungshilfe in Unternehmen, indem es normatives, intellektuelles Kapital identifiziert und systematisch laufend auf erforderliche Entwicklungs- und Gestaltungsmaßnahmen analysiert. Der Grundsatz der Balance zwischen normativem, strategischem und operativem Controlling fordert, dass Aspekten der moralischen bzw. der Werteentwicklung und -umsetzung annähernd gleich viel Aufmerksamkeit geschenkt wird wie der operativen Zielvereinbarung und -umsetzung, und dass periodisch die Wirkungen operativer Entscheidungen auf die normative und die strategische Position des Unternehmens geprüft und bei Bedarf diskutiert werden. Nur wenn den drei Bereichen annähernd gleich große Bedeutung beigemessen und Ungleichgewichte behoben werden können, wird ein Unternehmen eine gute nachhaltig-ethische Corporate Governance auch leben können. Gelingt das, kann man von der Wirksamkeit der „faktischen Kraft des Normativen“ sprechen. Die Aufgaben des normativen Controllings umfassen: • Analyse, Reflexion und Sparring • Innovation • Information • Planung • Überwachung und • Koordination. Der normative Controller ist in seiner Beratungsfunktion für das TopManagement einerseits und in seiner Position als Führungskraft andererseits in hohem Maße eigenverantwortlich für sein Handeln. Dies setzt die Fähigkeit zu Selbstkritik sowie soziale und moralische Kompetenzen voraus. Der normative Controller in seiner Beratungs-, Sparring- und Informationsfunktion kann sich – wie Führungskräfte auch – nicht ethisch neutral verhalten und hat daher die Verantwortung, sich mit Unternehmensund Individualethik aktiv auseinander zu setzen. 5.8 Learning by doing A 5.1 Recherchieren Sie bitte im Internet nach drei Unternehmen, die Öko- bzw. Sozialbilanzen veröffentlichen! Diskutieren Sie ihre Inhalte auf Aussagekraft, Plausibilität und Glaubwürdigkeit! 173 Konzept und Aufgaben des normativen Controllings A 5.2 Recherchieren Sie bitte im Internet nach drei Unternehmen, die Nachhaltigkeitsberichte veröffentlichen! Diskutieren Sie ihre Inhalte auf Aussagekraft, Plausibilität und Glaubwürdigkeit! A 5.3 Welche praktisch wichtigen Mittel der Koordination zwischen den einzelnen Funktionsbereichen hat das Controlling nach dem integrativen Konzept? A 5.4 Diskutieren Sie bitte die Potenziale bzw. Hindernisse, die sich einem normativen Controller beim Ausfüllen seiner Rolle in Ihrem Unternehmen bieten bzw. entgegenstellen! 174 “Not everything that can be counted counts, and not everything that counts can be counted.” (Albert Einstein 1879–1955) 6 Instrumente im normativen Controlling Ziele des Kapitels Nach der Lektüre dieses Kapitels wissen Sie, • welchen Kriterien Instrumente des normativen Controllings genügen müssen • zwischen welchen allgemeinen Problemlösungsansätzen und spezifischen Methoden des normativen Controllings unterschieden werden kann • welche Schritte ein Check umfasst • welche spezifischen Methoden des normativen Controllings zur Verfügung stehen • wie ein Report über normative Sachverhalte aussehen kann. 6.1 Überblick Die in diesem Buch als Instrumente des normativen Controllings behandelten Methoden müssen folgenden drei Kriterien genügen (vgl. Eschenbach/Siller 2009, S. 94): 1. Sie sollen den im Controlling Tätigen direkt oder indirekt (d. h. im Zusammenspiel mit anderen Methoden) zur Bewältigung der ControllingAufgabe dienen. 2. Sie sollen nicht zu komplex und differenziert in Aufbau und Einsatzbedingungen sein. Zu komplexe Methoden werden in der Praxis erfahrungsgemäß nicht angenommen bzw. eingesetzt, weil der Erkenntnis- bzw. Nutzenzuwachs in der Regel durch relativ hohe Kosten oder hohen Erklärungs- und Zeitaufwand überkompensiert wird (vgl. Eschenbach 1990, S. 171). Hinzu kommt, dass der Controller, falls er zu komplex erscheinende und/oder schwer erklärbare Instrumente anwendet, relativ rasch das Image des praxisfernen Wissenschaftlers bekommt und damit beim Management an Vertrauen einbüßt. 3. Die Methoden sollen in Unternehmen jeder Größe, also auch in Einzel-, Kleinst- und Kleinunternehmen, und damit auch im Selbst-Controlling, sinnvoll einsetz- und anwendbar sein. 175 Instrumente im normativen Controlling Im normativen Controlling bedarf es einer spezifisch geeigneten Toolbox, um die Aufgaben im Controlling nachvollziehbar und professionell zu erfüllen. Dazu soll zwischen allgemeinen Methoden zur Problemlösung und den eigentlichen Methoden des normativen Controllings unterschieden $ $$ $ $ $ werden (vgl. Abbildung 31). B55,($(1+( V#"F5($5I)3+,)%+)C-8( *(-0"4(+.4().+"#$%&'(+ 6"+-#"551+,) I=+7.)*1=?7./ I=+7.<=7O./ 91;(=+O1.)?(*A1;( >-*2<(=*+.+,`)( >1=?(.BSA(T0 91=+,BSA(T0 D(=*(B$-.;$j-/(.;BSA(T0 P-,*-=3=1t,BSA(T0 L*+0(A1,;(=B!.+,`)( >1=?+OR($I7,+.2 :(7*"7,;BSA(T0 >1=?+OR(=$\,+. >1=?+OR($P(..2+A,(. E(31=O./$F"(=$.1=?+OR( L+TAR(=A+,*( Abb. 31 Quelle: Eigene Darstellung Unter den allgemeinen Problemlösungsansätzen soll hier die Nutzwertanalyse hervorgehoben werden, da sie das Grundschema für die Methoden des normativen Controllings zeigt. Dieses Verfahren eignet sich zur Bewertung, zum Vergleich von Alternativen, Plänen oder Maßnahmen im Hinblick auf ihre Zielwirksamkeit und Erfüllung von Voraussetzungen (Kriterien bzw. deren Gewichte) und zur Entscheidungsvorbereitung. Auf Basis subjektiver Zielgewichtungen wird ein score (Punktesumme) als Maß der Vorziehenswürdigkeit einer Variante oder Alternative ermittelt. Normative, d. s. i.d.R. nicht-monetär ausdrückbare bzw. subjektive Komponenten wie Werte (z. B. Prestige, Unabhängigkeit, Transparenz, Motivationssteigerung) werden so in vergleichbare Größen umgewandelt. Die Methoden des normativen Controllings sind zum Großteil als qualitative Checks konzipiert. In diesem Kontext stellt „Check“ inhaltlich einen Soll-Ist-Vergleich bzw. eine Prüfung mit den folgenden Schritten dar: • Das Feststellen des Soll • Das Erfassen des Ist 176 Instrumente im normativen Controlling • Das Vergleichen des Ist mit dem Soll • Die Analyse einer etwaigen Abweichung auf ihre Ursachen • Durchsprache der Gründe der Nicht-Einhaltung mit den Betreffenden und möglicher Verbesserungsmaßnahmen mit den normsetzenden Führungskräften • Maßnahmen planen (Festlegen und Visualisieren eines Maßnahmenkatalogs), um die Norm und das individuelle Verhalten mit dem Sinn der Norm in Übereinstimmung zu bringen. • Berücksichtigung im Berichtswesen • Follow up-Untersuchung zwecks Überprüfung der Umsetzung der Beschlüsse und Maßnahmen des Managements. Es wird angestrebt, qualitative Sachverhalte auf einer Ordinalskala miteinander zu vergleichen bzw. durch die Vergabe von Punkten zu bewerten. Eine praktikable, weil einfache Bewertung des jeweiligen Ist (als Ergebnis eines Vergleichs bzw. Checks) kann nach folgendem Vierer-Schlüssel erfolgen: 0 = nein bzw. nicht vorhanden 1 = kaum bzw. selten bzw. in eingeschränktem Maße 2 = öfters bzw. überwiegend vorhanden 3 = (uneingeschränkt) ja bzw. zutreffend. Ein Vorteil dieser Bewertungsskala ist der fehlende – weil oft wenig aussagefähige – Mittelwert. Die Analyse kann weiter verfeinert werden, indem einzelne Kriterien – je nach aktueller oder unternehmensspezifischer Bedeutung – unterschiedlich gewichtet werden. Im Sinne einer controllinggerechten Analyse sollten die einzelnen Analyseblätter (Checklisten) jeweils neben der Ist-Spalte weitere Spalten aufweisen, wie vor allem Plan-Spalte, Abweichung, Kommentar, Trendund Erwartungswert-Spalte. Je Analyse ist schließlich ist der Gesamtpunktewert zu ermitteln. Dieser (Ist-)Wert dient als Ausgangswert für die nächste Periode und als Vergleichswert für den nächsten Check. Ein follow up-Check im normativen Management und Controlling wäre im Abstand jeweils eines Jahres, bei Bedarf auch in kürzeren Zeiträumen, denkbar. Als Erhebungsmethoden kommen Dokumentenanalyse, Befragung und (teilnehmende bzw. nicht-teilnehmende) Beobachtung in Betracht; ein taugliches Erhebungsinstrument wird i.d.R. ein (IT-gestützter) Frage- oder Erhebungsbogen bzw. eine Checklist sein. Ein Check interner Normen ist Ausdruck des in Pkt. 5.3.3. genannten Observance-Controllings. Controlling lebt von der regelmäßigen Wieder177 Instrumente im normativen Controlling holung der Checks, wodurch sich die Qualität der Handlungen des normativen Managements (und auch des normativen Controllings) kontinuierlich steigern sollte. Die im folgenden vorgestellten Instrumente sind – mit Ausnahme des Kulturprofil-Checks und des Werteprofils – neu und als Vorschläge für die Diskussion um das normative Controlling in Theorie und Praxis gedacht. Sie sind daher in der betrieblichen Praxis noch nicht getestet. Methodisch stellen sie jedenfalls keine besonderen Anforderungen an den Anwender. 6.2 Normen-Check Als Norm werden alle internen, verhaltensnormierenden Richtlinien verstanden, vor allem • Vision • Mission • Unternehmenspolitische Grundsätze • Verhaltenskodex und • Leitbild. Das Soll ist hier der Text der Norm, das Ist die konkrete Auslegung bzw. Anwendung. Voraussetzung für die Prüfung ist eine eindeutige Formulierung und ein weitgehend einheitliches Verständnis der Norm bei den Adressaten. Gegenstand des Normen-Checks sollte auch der Weg der Formulierung der Norm sein. Im ersten Fall geht es um eine Ergebnisprüfung, im zweiten Fall um eine Prozessprüfung. Die Prüfung sollte sich zuerst auf die Frage konzentrieren, ob die gegenständliche Norm überhaupt und – falls ja, in welchem Umfang – benötigt wird, ob sie in der gegenwärtigen Fassung Sinn macht, oder ob sie geändert bzw. aktualisiert werden sollte, weil sie z. B. nicht mehr den Gegebenheiten oder Erfordernissen entspricht. Folgende Fragen sind im Normen-Check zu stellen (vgl. Abbildung 32): 178 $ $ $ $Instrumente im normativen Controlling ...............................................................................................................................D(M(#-3+,(+.c.d.e • Q)*$"2<#$7.$<(,TA(?$!-)?+Z$7)*$;7($>1=?$?1=+,7)TA$R(=*=(*"+=J • D-=;($;7($>1=?$-.*(=$H7.A+,*-./$;(=$'=-.;)C*2($;(= $$$$$$$S1=31=+*($'1R(=.+.T($M1=?-,7(=*J • Q)*$"2<#$7.$<(,TA(?$!-)?+Z$7)*$;7($>1=?$+,)$L1,,$0,+=$;(t.7(=*J • D-=;($;7($>1=?$0,+=$01??-.727(=*J • D-=;($;7($>1=?$7.$(7.(=$b1=?$01??-.727(=*8$;7($(7.$(7.B $$$$$$$A(7*,7TA()$6(=)*C.;.7)$)(7*(.)$;(=$!;=())+*(.$,(7TA*$(=?K/,7TA*J • Q)*$;(=$Q.A+,*$;(=$>1=?$+,,/(?(7.$R(=)*C.;,7TAJ • D(?$"2<#$+-)$<(,TA(?$'=-.;$7)*$;7($>1=?$.7TA*$1;(=$.-=$2#j# $$$$$$$1;(=$R(=)*C.;,7TAJ • I(7$@.*(=.(A?(.8$;7($7A=($67)71.$-.;$97))71.$7?$Q.*(=.(*$3-",70 $$$$$$$?+TA(.&$D(,TA($E(+0O1.(.$t.;(.$)7TA$7?$Q.*(=.(*J$D7($)7.;$)7( $$$$$$$2-$"(<(=*(.J • Q)*$;7($97))71.$(7.($7.A+,*,7TA($\=C27)7(=-./$-.;$D(7*(=MFA=-./ $$$$$$$;(=$67)71.J • D(=;(.$"(7;($>1=?(.$(7./(A+,*(.$"2<#$<+=-?$<(=;(.$)7( $$$$$$$.7TA*$(7./(A+,*(.J $$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$L()%$-)@"#(^ Quelle: Eigene Darstellung Abb. 32 6.3 Moral-Check Zweck des Moral-Checks ist die Analyse der ethischen Position. Küpper spricht sich in diesem Zusammenhang für ein „EthikAudit“ (Küpper 2006, S. 201 f.) aus. Zunächst ist Moral zu operationalisieren, d. h. zu beschreiben und danach in seinen Komponenten zu bewerten. Moral lässt sich – ausgehend von sozialer Kompetenz – wie folgt beschreiben: Soziale Kompetenz umfasst alle persönlichen Fähigkeiten und Eigenschaften, die dazu beitragen, das eigene Verhalten weg von ausschließlich individuellen auch auf gemeinschaftliche Einstellungen und Werte auszurichten. Aufgrund sozialer Kompetenzen kann der Mensch mit seinen Mitmenschen entsprechend umgehen und kommunizieren (vgl. Olfert 2010, S. 378). Ein Teilbereich der sozialen Kompetenz ist die moralische Kompetenz. Diese meint vier Teilkompetenzen (vgl. Göbel 2010, S. 256): • Moralische Sensibilität ist die Kompetenz zur adäquaten Wahrnehmung moralischer Probleme. Dies hat eine kognitive und eine affektive Komponente. Die kognitive Komponente betrifft das Wissen um die nicht nur ökonomischen Folgen des eigenen Handelns für andere und die Kenntnis von Werten und Normen. Die affektive Komponente betrifft 179 Instrumente im normativen Controlling die innere Bereitschaft, die Rechte und Interessen anderer als grundsätzlich gleichwertig anzuerkennen, in der Fähigkeit, sich in andere einzufühlen (Empathie) und auf sie Rücksicht zu nehmen. • Moralische Urteilskraft, d. i. die Kompetenz, sich in einer konkreten Situation ein Urteil darüber zu bilden, was das sittlich Richtige (das „Gute“) ist. • Moralische Motivation, d. s. die Gründe für die Bereitschaft zum sittlichen Handeln in der Praxis. Moralische Motivation entwickelt sich, wenn eine Verlagerung der Gründe für moralisches Handeln weg von den externen Anreizen (Bestrafung, Belohnung) hin zu einer stärkeren inneren Bindung an die Moral bzw. eine moralische Gesinnung erfolgt. • Verständigungskompetenz, d. i. die Voraussetzung dafür, dass moralische Konflikte im multipersonalen Kontext diskursiv, d. h. im Weg der offenen Diskussion und der Konsenssuche, gelöst werden können. Bei der moralischen Verständnisfähigkeit kommt es nicht darauf an, den anderen zu überreden, zu manipulieren, sich durchzusetzen oder „zu tricksen“. Vielmehr kommt es auf einen ehrlichen Konsenswillen, auf Offenheit und auf den Willen zur wechselseitigen Anerkennung der Standpunkte an (vgl. Göbel 2010, S. 261). Abbildung 33 fasst$ die vier $ Komponenten von Moral $ zusammen: $ Q"$U"+(+-(+ E(-%1551(#3+, A+412%-"#(+ B91=+,7)TA($L(.)7"7,7*C* +5$P1/.7OR($P1?31.(.*(& BD7))(.$-?$b1,/(. B$P(..*.7)$R1.$D(=*(.$-.;$>1=?(. D(7*)7TA*8$61=+-))7TA*8 >7R(+-$;(=$!02(3*+.2$Q Q.A+,*$;()$:(7*"7,;) "5$!n(0OR($P1?31.(.*(& I(=(7*)TA+s8$Q.*(=())(.$!.;(=(=$2+02(3O(=(. H7.MFA,-./)R(=?K/(.8 EFT0)7TA*8$!=*$;(=$:K)-./ R1.$G7,(??+BL7*-+O1.(. B91=+,7)TA($@=*(7,)0=+s H=0(..*.7)$;()$)7m,7TA$'-*(. B91=+,7)TA($91OR+O1. '=F.;($MF=$?1=+,7)TA()$l+.;(,. b=(?;R1=/+"($R1. >1=?(.$1;(=$(7/(.() @=*(7, Hc*(=.($!.=(72($1;(= 7..(=($I7.;-./ a'()7..-./5J B$91=+,7)TA( 6(=)*C.;7/-./)01?3(*(.2 Abb. 33 180 G7)0-))71.)"(=(7*)TA+s8 P1.)(.)1=7(.O(=-./ P1??-.70+O1.)MCA7/0(7*8 P113(=+O1.)MCA7/0(7*8 P1.u70]CA7/0(7* Quelle: Eigene Darstellung Instrumente im normativen Controlling Der Moral-Check selbst kann auf Basis des folgenden Beurteilungsbogens $ 34): $ $ $ erfolgen (vgl. Abbildung K#%,( Y(#-(.'"+.c.[.e %#$D7($)*+=0$7)*$;7($bCA7/0(7*$(.*<7T0(,*8$?1=+,7)TABK01.1?7)TA( P1.u70*)7*-+O1.(.$=(TA*2(7O/$-.;$0,+=$2-$(=M+))(.J X#$D7($)*+=0$7)*$;+)$D7))(.$-?$;7($.7TA*$.-=$K01.1?7)TA(.$b1,/(.$;()$(7/(.(. l+.;(,.)$MF=$+.;(=($+-)/(3=C/*J [#$D7($A1TA$7)*$;7($I(=(7*)TA+s8$;7($E(TA*($-.;$Q.*(=())(.$+.;(=(=$+,) /=-.;)C*2,7TA$/,(7TA<(=O/$+.2-(=0(..(.$-.;$2-$"(=FT0)7TAO/(.J W#$D7($/=1Z$"2<#$+-)/(3=C/*$7)*$;7($P1?3(*(.28$)7TA$7.$(7.(=$01.0=(*(.$L7*-+O1. (7.$@=*(7,$;+=F"(=$2-$"7,;(.8$<+)$)7m,7TA$=7TAO/$7)*J U#$D7($01.)(q-(.*$(=M1,/*$(7.($6(=,+/(=-./$;(=$'=F.;($MF=$?1=+,7)TA()$l+.;(,. <(/$R1.$;(.$(c*(=.(.$!.=(72(.$A7.$2-$(7.(=$7..(=(.$I7.;-./$+.$;7($91=+, a?1=+,7)TA($'()7..-./5J d#$Q.<7(<(7*$"()*(A(.$(7.$<7=0,7TA(=$P1.)(.)<7,,(8$HA=,7TA0(7*8$Nn(.A(7*$-.; <(TA)(,)(7O/($!.(=0(..-./$;(=$L*+.;3-.0*($-.;$Q.*(=())(.J V#$Q)*$0,+=8$;+))$;(=$<7=*)TA+s,7TA($61=*(7,$(7.$31)7OR(=$>("(.(n(0*$;() ?1=+,7)TA(.$l+.;(,.)$-.;$.7TA*$)(7.$h7(,$7)*J$l+.;(,*$?+.$.7TA*$.-=$$?1=+,7)TA8 <(..$-.;$)1,+./$()$)7TA$+-)2+A,*J L-??($aI(<(=*-./)(=/(".7)5 Quelle: Eigene Darstellung Abb. 34 6.4 Werte- und Tugend-Check Damit normatives Controlling dem Management Unterstützung bei der Personalführung und der Lenkung des Verhaltens der Mitarbeiter in eine bestimmte (strategische) Richtung leisten kann, muss es die grundlegenden Wertvorstellungen erkennen, die der künftigen unternehmenspolitischen Ausrichtung zugrunde liegen. Es geht zunächst vor allem um eine Bewusstmachung bisher vielleicht nur implizit wirksamer Werte und Werthierarchien. Zweck ist zunächst die Selbstaufklärung des Einzelnen über die eigenen normativen Grundlagen und die Kritik und Auseinandersetzung mit moralischen und Wertvorstellungen Anderer. Ausgangspunkt der folgenden Überlegungen kann Abbildung 3 (das Positive Werte-Portfolio) in Pkt. 1.4 sein. Anlass für einen Werte-Check kann z. B. sein: • Prüfung, ob ein zu verabschiedender Wertekatalog zur bestehenden bzw. zu einer zu entwickelnden Vision, Mission oder Unternehmenskultur passt (Prüfung ex-ante) • Prüfung der Übereinstimmung von Vision, Mission oder Unternehmens181 Instrumente im normativen Controlling kultur mit dem verabschiedeten Wertekatalog (Prüfung ex-post); Anlass für die Prüfung kann ein Konflikt oder das Verletzen des Wertekatalogs sein, z. B. Mobbing oder innere Kündigung. Das Soll kann sein: • gewollte Soll-Wertordnung bzw. (grafisch) ein Soll-Profil an Werten • bestimmte Mindestausprägungen einzelner positiver Werte • das Nicht-Auftreten bestimmter negativer Werte wie Rücksichtslosigkeit, Intoleranz, Illoyalität. Der Werte-Check sollte in folgenden Stufen bzw. mit den folgenden Fragen ablaufen (in Anlehnung an Schlager 2007, S. 171–178): • Wie kam bzw. kommt der Wertekatalog (Wertecharta) zustande? • Welche Werte definiert der Wertekatalog (= Soll) eines Unternehmens? • Wie definiert das Unternehmen einen bestimmten Wert bzw. wie versteht ihn die Führungskraft in einer konkreten (Entscheidungs-)Situation? • Welchen Stellenwert hat ein bestimmter Wert im persönlichen Wertesystem für das berufliche Umfeld? Für jeden Wert ist ein Stellenwert auf einer Skala von 0 (geringste Ausprägung) bis 3 (stärkste Ausprägung). • Ist dieser Wert Bestandteil der Wertecharta des Unternehmens? Falls nein, besteht hier das grundsätzliche Problem der fehlenden Übereinstimmung („Misfit“) der Unternehmens- mit der individuellen Werteordnung. Falls ja, wird der Werte-Check fortgesetzt: • Welche Werte möchte – die Führungskraft – eine andere Führungskraft – ein Mitarbeiter vorrangig gelebt sehen und fühlen? • Welche Werte zu leben fällt – der Führungskraft – der anderen Führungskraft – dem Mitarbeiter am leichtesten? • Welche Werte zu leben fällt – der Führungskraft – der anderen Führungskraft – dem Mitarbeiter am schwersten? • Welche gelebten Werte wünscht sich eine Führungskraft von jeder einzelnen anderen bzw. von einem Mitarbeiter im jeweiligen Team am meisten? • Welche Werte werden dabei am häufigsten genannt? 182 Instrumente im normativen Controlling • Auf dieser Basis kann ein Werteprofil erstellt werden. • Was kann in einer konkreten Situation im Detail getan werden, um diese Werte in der professionellen Zusammenarbeit stärker zu leben? Durch Diskussion und Harmonisierung werden die individuellen Wertprofile zu einem gemeinsamen Profil, das keine offensichtlichen oder eklatanten Widersprüche mehr aufweist (wie z. B. hinsichtlich Risikoscheu), verdichtet. Die Diskussion über die Wertvorstellungen deckt oft bisher nicht bewusst wahrgenommene Wertedefizite bzw. Gemeinsamkeiten bzw. Widersprüche auf. Letztere würden die Entwicklung von Vision, Mission und Leitbild ver- bzw. behindern, die in weiterer Folge aufgrund von Wertedefiziten bzw. -diskrepanzen („Misfits“) nur halbherzig verwirklicht oder gar z. T. abgelehnt würden. Der Werte-Check ist nicht auf die Anwendung durch das Controlling beschränkt, er kann im Prinzip auch in anderen Bereichen (vor allem im HRBereich) bzw. von den Führungskräften selbst angewendet werden. Zusätzlich zu den Werten sollten auch die wichtigsten Tugenden auf den Grad ihres Vorhandenseins untersucht werden. In einer tugendethischen Sichtweise ist bzw. sind der Maßstab für richtiges Handeln das Ideal bzw. die Handlungen eines tugendhaften Menschen. Was konkret tugendhaft ist, ergibt sich insbesondere aus den konkreten Rahmenbedingungen in Unternehmen und in der Branche. Die vier klassischen Kardinaltugenden Klugheit, Gerechtigkeit, Tapferkeit und Mäßigung lassen sich aufgrund ihrer Abstraktheit nicht für Zwecke des Managens konkretisieren. Anders sieht es aber mit den sog. Sekundärtugenden aus. Zu den Sekundärtugenden gehören in Mitteleuropa z.B. Aufrichtigkeit, Disziplin, Fleiß, Mut, Ordnungssinn, Treue und Sparsamkeit. Beim konkreten, unternehmensspezifischen Werte- und Tugend-Check ist darauf zu achten, dass • erstens die für das Unternehmen bzw. für einzelne Abteilungen konkret wichtigen Tugenden als Soll ermittelt werden, • zweitens keine Überschneidungen zwischen Tugenden und Werten erfolgen, und erst • drittens der Soll-Ist-Vergleich durchgeführt wird. Abbildung 35 stellt wesentliche Sekundärtugenden in Form eines Erhebungsbogens dar. 183 $ $ $ $ $ $ Instrumente im normativen Controlling W3,(+4(+.\f] Y(#-.c.[.e W3,(+4(+.\g] Y(#-.c.[.e %# !-M=7TAO/0(7* !"#$%$&'()*+,-./#0#$'#"0,-1 X# I()TA(7;(.A(7* %f# \u7TA*"(<-))*)(7. [# G7)273,7. %%# \F.0*,7TA0(7* W# b,(7Z %X#$E(;,7TA0(7* U# '(A1=)+? %[#$L+-"(=0(7* d# '(=+;,7.7/0(7* %W#$L3+=)+?0(7* V# lKu7TA0(7* %U#$j=(-( g# 9-* %d#$@."()*(TA,7TA0(7* i# N=;.-./))7.. %V#$h-R(=,C))7/0(7* !"#$%$&'()*+,-./#0#$'#"0,-1 2344#()506#$'#"0,-1 Quelle: Eigene Darstellung Abb. 35 Hofstede/Hofstede (2005, S. 21) weisen auf ein Bewertungsproblem hin: Es gibt einen Unterschied zwischen dem Wünschenswerten (desirable), d. h. wie Menschen denken, was moralisch richtig oder falsch sein sollte, und dem (für sich selbst) Gewünschten (desired). Grundsätzlich und abstrakt gefragt ist jeder Befragte für Tugenden und gegen negative Werte, das muss aber in einer konkreten Situation nicht (mehr) gelten. Zudem muss das aktuelle Verhalten mit dem eigentlich wünschenswerten bzw. vom Einzelnen selbst gewünschten Verhalten nicht übereinstimmen. 6.5 Kulturprofil-Check Von Mitarbeitern kann ein Unternehmen unter zwei Voraussetzungen Einsatz und Ergebnisse bekommen: Hohe Motivation und hohe Identifikation mit dem Unternehmen. Motivation entsteht durch interessante Arbeit, anspruchsvolle Aufgaben und angemessene Handlungsspielräume. Identifikation setzt eine starke, auf Offenheit und Vertrauen beruhende Unternehmenskultur voraus, also etwas, das man nicht von heute auf morgen, sondern nur durch sorgfältige Entwicklung aufbauen kann (vgl. Doppler/ Lauterburg 2008, S. 67). Als Instrumente zur Analyse der Unternehmenskultur dienen Fragebögen, Interviewleitfäden, Beobachtungsraster, Dokumentenanalysen und Checklisten. Ferner liefern Einzelgespräche mit ausgewählten Mitarbeitern verschiedener Hierarchiestufen vertiefte Einsichten, die mittels Fragebogen 184 Instrumente im normativen Controlling kaum zu gewinnen sind. Beim Einsatz solcher Instrumente stehen Analytiker und Controller aber bald vor einem Überfluss an – teilweise widersprüchlichen – und vor allem „weichen“ Informationen. Diese sind überdies oft nur schwer interpretierbar. Daher ist am ehesten mit einer einfachen und überschaubaren Vorgehensweise ein praktisch nutzbares Ergebnis zu erzielen (vgl. Lombriser/Abplanalp 2004, S. 163). Bevor die Ist-Unternehmenskultur beurteilt (Kulturprofil-Check) und gestaltet werden kann, muss sie beschrieben werden. Dazu sind die geeigneten Fragen zu stellen, wie z. B. die folgenden (vgl. Lombriser/Abplanalp 2004, S. 161): • Welche Elemente der Unternehmenskultur erklären den bisherigen Erfolg oder Misserfolg des Unternehmens? • Besteht eine Übereinstimmung zwischen Unternehmenspolitik und der bestehenden Kultur? • Welche Strategie wird am ehesten durch die Unternehmenskultur unterstützt? • Welche Elemente der Unternehmenskultur müssen in Zukunft gefördert oder verändert werden? • Welche Strategie erfordert eine Änderung der bestehenden Kultur oder ein umfassendes Management des Wandels? • Soll die Unternehmenskultur an die Strategie angepasst oder eine kulturkonforme Strategie gewählt werden? Risak entwirft ein sog. „Kulturhaus“ und nennt als Ansatzpunkte zum Erkennen und Gestalten Faktoren wie: Abschaffen, Konsequenz, Führungsarbeit, Arbeiten mit dem Regelkreis, Fehler, Vorbild, Vertrauen, Verantwortung, Zeit, u. a. (vgl. Risak 2003, S. 22). Die Ebene der Symbole und Zeichen ist unmittelbar sicht- bzw. spürbar, kann aber unterschiedlich interpretiert werden. Normen und Regeln sind nur teilweise sichtbar, und ein Teil ist auf den ersten Blick nicht sichtbar. Basisannahmen sind unsichtbar und meist auch unbewusst. Will man Besonderes der Unternehmenskultur herausarbeiten, muss man fragen: • Was ist auf der jeweiligen Ebene im Konzept von Edgar Schein (vgl. Pkt. 1.5) spezifisch? • Was ist besonders auffällig? • Was ist besonders wichtig? Abbildung 36 zeigt zwecks Kulturprofil-Checks die folgende Checklist: 185 Instrumente im normativen Controlling $ $ $ $ Q#1-(#13$ D(1)U1(5(.GH#.E(-%15G#%,(+ 67)71.)B$-.;$97))71.)Bb7* \+))*$;7($@.*(=.(A?(.)0-,*-=$2-$67)71.$-.;$97))71.J H*A701=7(.O(=-./ D(,TA(=$L*(,,(.<(=*$A+*$;(=$'(<7..$7?$E+A?(.$;(=$@.*(=.(A?(.)27(,(J b(A,(=1=7(.O(=-./ D(,TA(.$L*(,,(.<(=*$A+"(.$b(A,(=8$;7($.7TA*$+-M$$/=1"($b+A=,C))7/0(7* 1;(=$6(=)TA-,;(.$2-=FT02-MFA=(.$)7.;J P-.;(.1=7(.O(=-./ D(,TA($D(=*)TAC*2-./$<7=;$;(.$P-.;(.$(.*/(/(./("=+TA*J 97*+="(7*(=1=7(.O(=-./ D(,TA(.$L*(,,(.<(=*$A+*$;7($L127+,q-+,7*C*$7?$@.*(=.(A?(.J :(7)*-./)B$-.; E()-,*+*)1=7(.O(=-./ D(,TA(=$L*(,,(.<(=*$<7=;$E()-,*+*(.$$-.;$;(=$:(7)*-./)A1.1=7(=-./ (7./(=C-?*J P1)*(.1=7(.O(=-./ D(,TA(=$L*(,,(.<(=*$<7=;$L3+=(.$-.;$;(?$P1)*(."(<-))*)(7. (7./(=C-?*J E7)7011=7(.O(=-./ D7($)*+=0$7)*$;7($E7)701/(.(7/*A(7*$$"2<#$;(=$E7)701+33(O*J Q..1R+O1.)1=7(.O(=-./ D(,TA($I(;(-*-./$A+"(.$Q..1R+O1.(.$MF=$;+)$@.*(=.(A?(.J j(TA.1,1/7(1=7(.O(=-./ D(,TA(.$L*(,,(.<(=*$A+*$;7($j(TA.1,1/7($MF=$;(.$@.*(=.(A?(.)(=M1,/ -.;$;7($7.*(=.($!-))*+m-./J D7))(.)1=7(.O(=-./ D(,TA(.$L*(,,(.<(=*$A+*$;(=$D7,,($$2-=$!-)B$-.;$D(7*(="7,;-./J h(7*1=7(.O(=-./ I,(7"*$h(7*$MF=$+"*(7,-./)F"(=/=(7M(.;($\=1",(?,K)-./)/()3=CTA(J P1??-.70+O1.)B 1=7(.O(=-./ D(,TA(.$L*(,,(.<(=*$A+"(.$(7.($1n(.(8$*=+.)3+=(.*($P1??-.70+O1. -.;$/(/(.)(7O/($Q.M1=?+O1.J Abb. 36 D(M(#-3+, c[e Quelle: in Anlehnung an Lombriser/Abplanalp (2004), S. 162 Abbildung 36 geht auf wesentliche unternehmenskulturelle Orientierungen ein und dient als Ergänzung zum Werte-, Normen- und Moral-Check. Die einzelnen Scores je Kriterium können in weiterer Folge grafisch zu einem Ist-Profil verbunden werden, wie in Abbildung 37 beispielhaft gezeigt wird. Die Soll-Kultur lässt sich aus der angestrebten Vision, Mission, Leitbild und der Wertecharta sowie aus der geplanten Strategie ableiten. Die tatsächlich gelebte Unternehmenskultur kann ebenso wie die informellen Werte und Normen von der offiziell propagierten Kultur und den formalen Werten und Normen abweichen. Oft gehen die offiziell erwünschten Verhaltensweisen und die offizielle Kultur weit auseinander. Die Mitarbeiter beobachten z. B., was den Führungskräften wichtig oder unwichtig ist, wer aufgrund welcher Kriterien Karriere macht, was belohnt oder bestraft wird, nach welchen Kriterien Ressourcen zugeteilt werden, welche Umgangsformen üblich sind, wie Pünktlichkeit gelebt wird, u. a. Sie ziehen nicht nur ihre Schlüsse daraus, sondern passen ihr Verhalten dort an, wo es ihren Normen und Werten am besten entgegenkommt (vgl. Göbel 2010, S. 223). 186 $ $ $ $ $ Instrumente im normativen Controlling Einzelkämpfer Teamorientierung Partizipativer Führungsstil Harte Arbeit ist keine Tugend Autokratischer Führungsstil IST Toleranz für abweichende Meinungen Wenig explizite Normen Generalisten und Common Sense Motiviert und leistungsorientiert Emotionale Beziehung zum Unternehmen Modern/innovativ Konsensbedürfnis + Viele explizite Normen Spezialisten und Expertenwissen Demotiviert und Dienst nach Vorschrift Rein rationale Beziehung zum Unternehmen antiquiert Quelle: Eschenbach/Siller 2009, S. 347 Abb. 37 6.6 Harte Arbeit ist eine Tugend Stakeholder-Analyse Die Stakeholder-Analyse wird in der Theorie i.d.R. als Instrument der strategischen Umfeldanalyse thematisiert. Die Praxis ist gekennzeichnet von einer oft mangelnden Außenorientierung vieler Unternehmen, die sich zu selten die Frage stellen, was sie für ihre Anspruchsgruppen tun sollten, um weiterhin erfolgreich zu sein. Andere Unternehmen setzen sich nicht intensiv genug mit den Erwartungen der Anspruchsgruppen auseinander und büßen dafür positive Außenwirkung und damit an Attraktivität bei den wesentlichen Anspruchsgruppen ein (vgl. Risak 2010b, S. 289). Im vorliegenden Kontext geht es um Stakeholder, ihre Hauptanliegen, Werthaltungen und ihre Einflussmöglichkeiten sowie um Stakeholder als Adressaten einer ganzheitlichen Unternehmensverantwortung (vgl. Lombriser/Abplanalp 2004, S. 223). Ziel der Stakeholder-Analyse ist es, in einer sog. vorgesetzlichen Phase, also freiwillig, ohne durch rechtliche Normen dazu gezwungen zu werden, Themen und Anforderungen der Gesellschaft bzw. der Allgemeinheit zu erkennen, zu diskutieren und daraus (möglicherweise) entstehende Chancen und Risiken aus Unternehmenssicht zu analysieren. Die Stakeholder-Analyse kann in zwei Arten vorgenommen werden: • Strategische Stakeholder-Analyse: Die Beschäftigung mit den Interessen187 Instrumente im normativen Controlling gruppen wird zum Instrument der normativen und strategischen Führung und ist ein Gebot der ökonomischen Klugheit. Als Stakeholder anerkannt werden nur Personen, die dem Unternehmen knappe und für die Leistungserstellung erforderliche Ressourcen liefern, wobei zu den Ressourcen i.w.S. auch der gute Ruf gehört. Die Frage lautet: Welche Stakeholder können auf das Unternehmen positiv oder negativ einwirken? • Ethische Stakeholder-Analyse & Dialog: Die Anerkennung als Stakeholder verdient derjenige, der gegenüber dem Unternehmen Ansprüche hat bzw. vertritt, die sich (möglicherweise) als legitim erweisen, ganz unabhängig davon, ob er/sie dem Unternehmen schaden oder nützen kann. Die Fragestellung ist: Auf wen oder worauf hat das Unternehmen positiven oder negativen Einfluss? Wie weit reicht die Verantwortung des Unternehmens bzw. der Führungskräfte für die Handlungsfolgen? (vgl. Maak/Ulrich 2007, S. 185 f.) Die Stakeholder-Analyse sollte in drei Phasen ablaufen, die vom Controlling vorbereitet, begleitet und nachbereitet werden (vgl. Göbel 2010, S. 129): 1. Identifikation möglicher Stakeholder (Scanning) 2. Gezielt und strukturiert möglichst viele Informationen über die relevant erscheinenden Stakeholder und ihre Anliegen sammeln und analysieren (Monitoring) und prognostizieren (Forecasting) 3. Stakeholder-Ansprüche bewerten (Assessment). Zu 1) Welche Relationen zwischen Unternehmen und Stakeholder relevant sind, variiert nicht nur von Unternehmen zu Unternehmen, sondern auch von Projekt zu Projekt. Für Stakeholder-Management in ethischer Hinsicht ist nicht entscheidend, von wem das Unternehmen abhängt, sondern wer sich durch das unternehmerische Handeln selbst oder stellvertretend für andere betroffen fühlt oder betroffen fühlen könnte. Der größte Vorteil einer Umweltwahrnehmung „von außen nach innen“, nämlich die Fülle an Informationen, ist zugleich das größte Problem. Selbst für einzelne Projekte können oft hunderte von Stakeholdern identifiziert werden. Um die Komplexität bewältigen zu können, ist daher schon in der ersten Phase eine (grobe) Bewertung der Anliegen nötig, um eine Vorauswahl besonders relevanter Stakeholder zu treffen, die anschließend einer eingehenden Analyse unterzogen werden. Dabei sollte man sich der unvermeidlichen subjektiven Selektivität solcher Abgrenzungen bewusst bleiben und für neue Anliegen und Gruppen offen bleiben. 188 Instrumente im normativen Controlling Zu 2) Die Analyse kann von folgenden Fragen geleitet sein (vgl. Göbel 2010, S. 140 f.; vgl. Lombriser/Abplanalp 2004, S. 223): • Welche Anliegen vertreten Stakeholder? Welche Risiken/Schäden befürchten sie? • Welche kurzfristigen und langfristigen Ziele haben sie? • Welche Motive haben sie? • Welche Mittel setzen sie ein? • Wie verhalten sich Stakeholdergruppen zueinander? Welche Interessenkonflikte sind zu orten? Welche Interessens-(dis-)harmonien? Sind sie sich dessen bewusst? • Worauf basiert ein möglicher Einfluss auf das Unternehmen? Welche Rechte bzw. Art des Einflusses bestehen? • Wie fundiert sind Vorwürfe bzw. Befürchtungen? • Wie gravierend sind negative Folgen des Unternehmenshandelns? Wer ist wie stark davon betroffen? Bei der Prognose der Stakeholderanliegen sollte versucht werden, Richtung, Intensität, Dialog- und Konsens- bzw. Kompromissbereitschaft der Stakeholder zu ermitteln (vgl. Schermann/Volcic 2009, S. 256). Eine rasche Weiterentwicklung eines Stakeholder-Anliegens erscheint umso wahrscheinlicher, je • gravierendere negative Folgen die Betroffenen für sich oder andere befürchten • größer die Macht der Stakeholder ist • konkreter und berechtigter die Anliegen sind • weniger die Anliegen mit denen anderer Gruppen konkurrieren • schwächer die Legitimation des Unternehmens erscheint, und • deutlicher zentrale gesellschaftliche Werte verletzt werden. Als Datenquellen für Analyse und Prognose bieten sich an: die Auswertung der Massenmedien, gezielte Umfragen, Experteninterviews und der direkte Stakeholder-Dialog, worin die Diskursethik am stärksten zum Ausdruck kommt. Mit allen Betroffenen direkt ins Gespräch zu kommen und bis zum allseitigen Konsens zu diskutieren, ist aber im Unternehmensalltag unmöglich; daher kann der Stakeholder-Dialog nur als regulative Leitidee aufgefasst werden (vgl. Maak/Ulrich 2007, S. 184). 189 Instrumente im normativen Controlling Zu 3) In dieser Phase sollte sich die ethische Ausrichtung der Analyse zeigen. Im herkömmlichen, „strategischen“ Anspruchsgruppenmanagement ist das ökonomische Kalkül ausschlaggebend. Kann es dem Unternehmen nutzen, auf die Interessen der Stakeholder einzugehen bzw. was kann es das Unternehmen kosten, die Anliegen zu ignorieren? Wenn z. B. von Wert für Stakeholder gesprochen wird, steht i.d.R. die Frage im Vordergrund, welchen Wert ein Stakeholder für das Unternehmen hat (vgl. Göbel 2010, S. 143 f.). Modernes Stakeholdermanagement strebt einen gerechten Ausgleich verschiedener, legitimer, möglicherweise aber konkurrierender Forderungen an. Es geht mehr um Akzeptanz-Management als um strategische List. Dazu ist eine zweifache ethische Bewertung notwendig: Erstens ist die Legitimität der Ansprüche zu beurteilen, zweitens ist bei konfligierenden legitimen Ansprüchen zu entscheiden, wessen Anspruch Vorrang haben soll bzw. wie ein Kompromiss oder Konsens aussehen könnte. Es ist daher zu klären, wessen Ansprüche als legitim, d. h. im normativen Sinn als gültig anzusehen sind. Handelt es sich um legitime Ansprüche, dann liegt ein normativ relevanter Stakeholder vor (vgl. Göbel 2010, S. 144 f.). Vor allem wenn moralisches Handeln zu Gewinneinbußen führen würde (im ökonomischen Konfliktfall; vgl. Pkt. 2.3.2, Quadrant 4), kommt es zu Interessenkollisionen zwischen den Stakeholdern. Dann geht es um die Abwägung konfligierender Ansprüche, z. B. anhand der Vorzugsregeln in Pkt. 7.8. 6.7 Normative Bilanz Auf der operativen Ebene erfasst die Bilanz nach handels- bzw. steuerrechtlichen Vorschriften die Geschäftsfälle im Unternehmen sowie zwischen Unternehmen und Geschäftspartnern. Da in der Handels- und Steuerbilanz normative, immaterielle Werte nicht aktiviert werden können bzw. dürfen, andererseits der Unternehmenswert aber erheblich durch sie beeinflusst wird, bedarf es einer eigenen Rechnung, um die normativen, immateriellen Werte zu dokumentieren. Auf der strategischen Ebene kennt Literatur und Praxis die sog. strategische Bilanz (vgl. Mann 1988, S. 54 f.). Sie ist eine Gegenüberstellung der Aktiva und Passiva eines Unternehmens i. S. der Abhängigkeiten des Umfelds von den Leistungen des Unternehmens dar (aktive Abhängigkeiten) und – umgekehrt – der Abhängigkeiten des Unternehmens vom Umfeld (passive Abhängigkeiten). Aktive Abhängigkeiten sind Vorsteuergrößen für Erträge (das Umfeld nimmt höhere Preise in Kauf), während 190 Instrumente im normativen Controlling passive Abhängigkeiten Vorsteuergrößen für Kosten sind (das Unternehmen nimmt höhere Kosten in Kauf). Zweck der Erstellung einer strategischen Bilanz ist die Ermittlung des strategischen Engpasses, d. h. jenes Tätigkeitsfelds, das ein Unternehmen als Ganzes am stärksten in seiner strategischen (Weiter-)Entwicklung behindert. Auf der normativen Ebene macht – in Entsprechung des Navigationssystems und der drei Ebenen der Führung sowie in Ergänzung der Handelsund der strategischen Bilanz – die Erstellung einer normativen Bilanz Sinn. Der Inhalt deckt sich mit den Elementen des NIK und berücksichtigt zusätzlich • die Ergebnisse der Stakeholder-Analyse und des Stakeholder-Dialogs • Vorzüge bzw. Defizite der nachhaltigen Corporate Governance • die Ergebnisse der Conformance-Bemühungen • Systeme bzw. Maßnahmen zur Überwachung und Vorbeugung vor Missmanagement und von dolosen Handlungen • die Wirkungen des normativen Controllings. Die Aktiva und Passiva der normativen Bilanz haben z. B. den folgenden $ $ Inhalt (vgl. Abbildung 38):$ B2&'% V%))1'% %#$'(,("*($j(7,($R1.$67)71.$-.;$97))71. %#$>7TA*$/(,("*($j(7,($;(=$67)71.$-.;$97))71. X#$'(,("*($D(=*( X#$>7TA*$/(,("*($D(=*( [#$@?/()(*2*($?1=+,7)TA($\=7.2737(. [#$>7TA*$-?/()(*2*($?1=+,7)TA($\=7.2737(. W#$@?/()(*2*($j-/(.;(. W#$>7TA*$-?/()(*2*($j-/(.;(. U#$$I(=FT0)7TAO/*($Q.*(=())(.$;(=$L*+0(A1,;(= U#$@."(=FT0)7TAO/*($Q.*(=())(.$;(=$L*+0(A1,;(= d#$H7./(A+,*(.($>1=?(. d#$>7TA*$(7./(A+,*(.($>1=?(. V#$H7./(A+,*(.($j(7,($;(=$@.*(=.(A?(.)0-,*-= V#$>7TA*$(7./(A+,*(.($j(7,($;(= @.*(=.(A?(.)0-,*-= g#$'(,("*($j(7,($;()$:(7*"7,;) g#$>7TA*$/(,("*($j(7,($;()$:(7*"7,;) i#$$L*C=0(.$$;()$7.*(=.(. y"(=<+TA-./))`)*(?) i#$$LTA<CTA(.$$;()$7.*(=.(. y"(=<+TA-./))`)*(?) %f#$61=2F/($;(=$L`)*(?($;(=$.+TAA+,O/(. S1=31=+*($'1R(=.+.T( %f#$G(t27*($;(=$L`)*(?($;(=$.+TAA+,O/(. S1=31=+*($'1R(=.+.T( %%#$L*C=0(.$;()$.1=?+OR(.$S1.*=1,,7./) %%#$LTA<CTA(.$;()$.1=?+OR(.$S1.*=1,,7./) %X#$$>1=?+OR($I(=(7TA($?7*$31)7OR(.$j=(.;) ;(=$'()+?*)T1=()$;(=$(7.2(,.(.$SA(T0) %X#$$>1=?+OR($I(=(7TA($?7*$.(/+OR(.$j=(.;)$;(= '()+?*)T1=()$;(=$(7.2(,.(.$SA(T0) Abb. 38 Quelle: Eigene Darstellung 191 Instrumente im normativen Controlling Im Gegensatz zur Handelsbilanz, aber analog zur strategischen Bilanz sind die Einträge in der normativen Bilanz vor allem qualitativ-verbaler Natur. Hinzu kommen Gesamtscores aus den betreffenden Einzelanaly-sen. Ziel der normativen Bilanz ist die Ermittlung des normativen Engpasses, d. h. jenes Bereichs, der ein Unternehmen am stärksten bei der angestrebten Entwicklung der Unternehmensidentität hindert. Die normative (Ist-)Bilanz als Stichtagsbild dient als Basis für ein entsprechende Abweichungsanalyse („normative Bilanzanalyse“) und als Ausgangspunkt für das Controlling, um mit Perspektive nächster „Bilanzstichtag“ eine normative Planbilanz zu erstellen, die dann wieder mit dem Ist am nächsten Bilanzstichtag vergleichen werden kann. 6.8 Leitbild-Check Anlass für einen Leitbild-Check kann sein: • Prüfung, ob ein zu verabschiedendes Leitbild zur bestehenden bzw. zu der zu entwickelnden Unternehmenskultur, zur Vision, zur Mission bzw. zum Gefüge interner Normen passt (Prüfung ex-ante) • Prüfung der Übereinstimmung der Unternehmensidentität mit einem bestehenden Leitbild (Prüfung ex-post); Anlass für die Prüfung kann ein Konflikt oder können eine oder mehrere Bestimmungen im Text des Leitbilds sein. Der Leitbild-Check ist ein vom Controlling zu institutionalisierender Prozess des Vergleichs des Soll-Leitbilds mit dem von der Führung (Top-, Mittel- und Lower-Management, Aufsichtsorgan) und von den Mitarbeitern gelebten Ist-Leitbild. Der Leitbild-Check sollte in folgenden Stufen ablaufen und z. B. die folgenden Fragen umfassen: • Detaillieren der Inhalte des Leitbilds als Soll (= Maßstab); das Soll ist der Text des Leitbilds und der Sinn seiner Festlegung. • Analyse der einzelnen Passagen bzw. Aussagen auf ihre ev. unterschiedlichen Interpretationsmöglichkeiten, am besten anhand konkreter Situationen bzw. Verhaltensmöglichkeiten • Ist der Inhalt des Leitbilds realistisch in Anbetracht der Bedingungen im Umfeld? • Wurde das Leitbild gemeinsam mit Vision, Mission, Normen und Wertecharter ausreichend in Breite und Tiefe kommuniziert? • Wird bei jeder passenden Gelegenheit auf das Leitbild Bezug genommen, und werden seine Inhalte anhand fiktiver oder konkreter Situationen konkretisiert? 192 Instrumente im normativen Controlling • Werden Situationen erfasst und thematisiert, in denen nicht leitbildkonformes Verhalten festzustellen war? • Wird vorbildliches und leitbildgerechtes Verhalten gelebt? • Gehen Führungskräfte als Vorbild für leitbildgerechtes Verhalten voran? • Wie hat sich die Unternehmensidentität seit dem letzten Check verändert? • Dient das Leitbild als Basis für die Entwicklung und Umsetzung der Strategie? Die Häufigkeit des Leitbild-Checks richtet sich nach dem Bedarf, d. h. nach der Häufigkeit des Auftretens von Abweichungen von dem im Leitbild skizzierten Verhaltens. 6.9 Normativer Plan Der normative Plan hat die normative Bilanz zum Ausgangspunkt. In ihm als Maßnahmenplan werden Entwicklungsschritte festgelegt, dabei vor allem: • welche Normen zu konzipieren sind und wie der Prozess der Normenfindung aussehen soll, • welche Werte und Tugenden anzustreben sind, und wie der Prozess dazu aussieht, • welche Unternehmenskultur anzustreben ist und wie der Prozess dazu aussieht, • welche Teile der moralischen Kompetenz forciert werden sollen und wie der Prozess aussieht, • welche Planergebnisse (Gesamtscores) von – Normencheck – Moral-Check – Kulturprofil-Check – Werte- und Tugendcheck – Stakeholder-Analyse – Leitbild-Check in der Planperiode anzustreben sind; • welche Bemühungen um eine nachhaltige Corporate Governance zu setzen sind, • wie die Integrität im Unternehmen gestärkt werden kann, • welche Maßnahmen zur Stärkung des Risikomanagements in bezug auf die Vorbeugung vor Missmanagement ergriffen werden sollen, • wie das IKS gestärkt werden kann, 193 Instrumente im normativen Controlling • was zur Kriminalitätsprävention unternommen werden soll, • welchen Umfang und welche Struktur das „normative Budget“ hat, und • wie die jeweiligen Terminleisten aussehen. Der normative Plan ist i.d.R. ein qualitativer Plan, Zahlen finden sich in Form normativer Kennzahlen. In Abbildung 39 ist der Inhalt des norma$ $ $ tiven Plans an einem Beispiel skizziert: W(<- *%N+%0$(+[ V5%+ *%N+%0$(+[ A)- BFM(1@03+, Q"##(2-3#[ $%N+%0$(+ H7.MFA=-./ (7.()$S1;()$1M H*A7T) \=14(0m(+?&$| 6(=+.*<1=*B ,7TA&$| L*+=m(=?7.& H.;*(=?7.& !-M<+.;)B "-;/(*& H=<+=*"+=(= >-*2(.& \=14(0m(+?&$| 6(=+.*<1=*B ,7TA&$| L*+=m(=?7.&$| H.;*(=?7.&$| j+*)CTA,7TA(= !-M<+.;&$| h-$(=<+=*(.;(= *+*)CTA,7TA(= >-*2(.&$| >-*2(.+"<(7B TA-./&$| | P1)*(.+"<(7B TA-./&$| h(7*+"<(7B TA-./& Quelle: Eigene Darstellung Abb. 39 Der Erfüllungsgrad des normativen Plans ist durch Controlling regelmäßig – mindestens einmal p.a. durch einen Soll-Ist-Vergleich zu überprüfen; Abweichungen sind – wie gehabt – auf ihre Ursachen zu analysieren, und Korrekturmaßnahmen sind zu planen bzw. vorzuschlagen. 6.10 Normative Kennzahlen Unter Kennzahlen versteht man im weiteren Sinne alle Zahlen, die über betriebswirtschaftliche Sachverhalte und Entwicklungen in konzentrierter Form Auskunft geben. Schlüsselkennzahlen sind für ein bestimmtes Unternehmen oder bestimmte Bereiche besonders bedeutende Leistungsindikatoren. Normatives intellektuelles Kapital ist im allgemeinen aufgrund seiner Eigenschaften nicht über finanzielle Kennzahlen erfass- bzw. abbildbar. Für Management und Controlling solcher Werte bieten sich daher nicht-finanzielle Kennzahlen an (vgl. Ewert/Wagenhofer 2005, S. 563). 194 Instrumente im normativen Controlling Für das normative Management, z.B. für die Vor- und Nachbereitung eines CR-Programms, für die Umsetzung des normativen Plans, als Instrument im normativen Controlling und für das Reporting sind normative Kennzahlen unverzichtbar. Zudem können so gezielt Schwachstellen und Optimierungspotenziale identifiziert und Verbesserungsmaßnahmen geplant, gesteuert, bewertet und kontrolliert werden. Eine Steigerung der Qualität im Umgang mit Kennzahlen erreicht Controlling, wenn es gelingt, aus einzelnen Kennzahlen ein System an Kennzahlen zusammenzustellen, das aus wenigen, aber aussagekräftigen Kennzahlen besteht, die in einer definierten Beziehung zueinander stehen. Diese Kennzahlen können ein eigenständiges Kennzahlensystem bilden oder z. B. in eine Balanced Scorecard integriert werden. Kennzahlen und Indikatoren sollten in drei Kategorien (in aufsteigender Reihenfolge ihrer Aussagekraft) gegliedert werden: • Inputkennzahlen, z. B. Anzahl der Ideen für die Konzeption eines Leitbilds • Prozesskennzahlen, z. B. Dauer der Arbeiten zur Formulierung eines Codes of Ethics • Outputkennzahlen, z. B. Normdichte im Unternehmen bzw. in einem Geschäftsbereich Kennzahlen im normativen Controlling haben folgende Funktionen: • Frühaufklärung: Kennzahlen in Form von Indikatoren haben zeitlich eine Vorlauffunktion • Analyse: Kennzahlen können einen zu analysierenden Sachverhalt präzisieren • Vereinbarung von Zielen: Ziele können in Form von Kennzahlen formuliert sein • Prozesssteuerung und -regelung • Kontrolle: Kennzahlen können zur laufenden oder nachträglichen Kontrolle des Zielerreichungsgrads eingesetzt werden • Vergleiche: Kennzahlen erlauben eine Vielzahl möglicher Vergleiche • Kommunikation: Kennzahlen dienen der raschen Kommunikation • Verschlüsselung: Für zwischenbetriebliche Vergleiche haben Kennzahlen den Vorteil, dass sie in bestimmtem Ausmaß eine Verschlüsselungsfunktion haben. Normative Kennzahlen können vor allem die folgenden sein (vgl. Abbildung 40): 195 $ $ Instrumente im normativen Controlling $ $ V")1&"+.4().!AQ Q(++8%05 E1$(+)1"+ K"#$(5 B3))%,( >1=?(.$a'()+?*-.*(=B >(A?(.$1;(=$@.*(=.(AB ?(.)"(=(7TA5 >1=?(.q-+,7*C* \-.0*(2+A, a'()+?*)T1=(5 j(c*$;(=$>1=?$7? 6(=AC,*.7)$2-$;(. !.M1=;(=-./(.$+.$;7( >1=? D7=0-./)0=+s H7.A+,*-./)/=+;$;(= >1=? } h+A,$;(=$(7./(A+,*(.(.$e h+A,$+,,(=$>1=?(. I(M1,/-./)/=+; G+-(=$;()$\=12())()$;(= >1=?(.t.;-./ h(7*(7.A(7*(. h(7*;+-(= :C./($"2<#$E(7M-./)B 3=12())$$;(=$>1=?(.B M1=?-,7(=-./ 91=+,B'()+?*)T1=( \-.0*(2+A, B D7=0-./)0=+s H7.A+,*-./)/=+;$;(= 91=+, } H7./(A+,*(.($?1=+,7)TA( \=7.2737(.$e$h+A,$;(= ?1=+,7)TA(.$\=7.2737(. I(M1,/-./)/=+; D(=*(B'()+?*)T1=( \-.0*(2+A, B D7=0-./)0=+s H7.A+,*-./)/=+;$;(= D(=*( } I(M1,/*($D(=*($e$h+A, ;(=$L1,,BD(=*( I(M1,/-./)/=+; j-/(.;<(=* $\-.0*(2+A, a'()+?*)T1=(5 B D7=0-./)0=+s P-,*-=3=1t,<(=* LTA-,.1*(.<(=* B D7=0-./)0=+s 91=+, D(=*($-.;$j-/(.;(. @.*(=.(A?(.)0-,*-= Abb. 40 Quelle: Eigene Darstellung Kennzahlen stellen für das Controlling ein wertvolles Arbeitsmittel dar. Folgendes ist zu beachten: • Aus einer Fülle möglicher Kennzahlen sollten im Unternehmen bzw. je Bereich einige wenige, aber wichtige Kennzahlen gebildet werden, die den Charakter von Schlüsselkennzahlen (KPI) haben, also für das konkrete Unternehmen von großer (grundlegender) Bedeutung sind; diese sind besonders genau zu planen bzw. laufend zu kontrollieren und ihr Erfüllungsgrad im Detail zu analysieren. • Wichtig ist es, die Modalitäten der Kennzahlenermittlung bzw. der Messung festzulegen. • Für jede normative Kennzahl sollte ein Definitionsblatt mit folgendem Inhalt erstellt werden: – Name der Kennzahl – Formel zur Ermittlung der Kennzahl – Definition der Formelbestandteile (Zähler und Nenner) – Betriebswirtschaftliche Interpretation – Bisherige Soll- und Istwerte der Kennzahl. Die Ermittlung der Kennzahlen im normativen Bereich erfordert dabei i.d.R. neuartige Datenerhebungs- und -verdichtungsprozesse. Besondere Herausforderungen bereitet die Datenerfassung. Meist wird es ausreichen, Daten über Elemente des NIK mittels eines Tabellenkalkulationspro196 Instrumente im normativen Controlling gramms zu sammeln, zu strukturieren und auszuwerten. Für eine effiziente Datenerhebung sollten jedenfalls eine Mehrfacherfassung in mehreren Unternehmensbereichen vermieden werden. 6.11 Reporting über normative Sachverhalte Hier werden sowohl das interne als auch das externe Reporting über normative Sachverhalte thematisiert. Die Federführung für das Reporting in beiden Bereichen sollte in der Hand des Controllings liegen, um die Einheitlichkeit des Berichtswesens über normative, strategische und operative Sachverhalte zu sichern und die Bedeutung des normativen Controllings und des normativen Managements für eine nachhaltige Unternehmenspolitik zu unterstreichen. Die Führung braucht Informationen über die Entwicklung normativer Sachverhalte zur kontinuierlichen, moralisch-ökonomisch ausgewogenen Weiterentwicklung des Unternehmens. Es bedarf daher • eines durchgehenden (Feed-forward-)Informationsflusses aus der Ebene der normativen in die Ebene der strategischen Ziele und deren Erreichung, und • umgekehrt eines (Feed-back-)Informationsflusses aus der operativen und der strategischen Ebene in die Ebene der normativen Ziele und deren Erreichung. Der Bedarf an einer Weiterentwicklung des internen Reportings zum Zweck einer systematischen Identifikation, Erfassung, Bewertung, Steuerung und Erfolgskontrolle der Elemente des NIK ist aus Controllingsicht in vielen Unternehmen gegeben. Zu beachten ist im Zusammenhang mit normativen Inhalten: Wahrnehmbarkeit und Beschreibbarkeit decken sich nicht. Nur ein sehr kleiner Teil dessen, was wahrnehmbar ist, ist auch beschreibbar (vgl. Malik 2001, S. 239). Daher kommt der verbalen Berichterstattung im normativen Bereich und der Wahl der Ausdrucksweise und Worte eine überragende Bedeutung zu. Geschäftsführung und – falls vorhanden – Aufsichtsorgane sollten regelmäßig über normative Leistungen bzw. Defizite bzw. geplante Maßnahmen und den Umsetzungsstand des normativen Plans informiert werden. Die Nutzung des Berichtswesens über normative Sachverhalte soll den Entscheidungsträgern im Unternehmen so problemlos möglich sein, wie sie – um einen Vergleich anzustellen – beim Autofahren auf das Armaturenbrett schauen, ohne dabei besonderen Aufwand zu empfinden. 197 Instrumente im normativen Controlling Warum und zu welchem Zweck sollte über normative Sachverhalte auch an Unternehmensexterne berichtet werden? Aktivitäten von Management und Controlling in diesem Bereich beeinflussen nicht nur das immaterielle Vermögen und den Goodwill, sondern verstärken die Stakeholder-Orientierung, zielen auf immaterielle Aufwände und Erlöse wie z. B. Reputationsgewinne bzw. -verluste, beeinflussen die Art der Strategiefindung und -umsetzung und in hohem Maße Personalpolitik und Mitarbeitermotivation. Allgemeine Kriterien der Berichterstattung über Non-financials sind (vgl. Bassen/Senkl 2010, S. 258; vgl. Arbeitskreis SG 2002, S. 2339 f.): • Relevanz aus Sicht der internen bzw. externen Empfänger • Vergleichbarkeit, d. h. Kontinuität zwischen zwei bzw. mehreren Berichtszeitpunkten und Vergleichbarkeit zwischen Unternehmen, z. B. zwecks Benchmarking • Angemessenheit der Berichterstattung i. S. der Wirtschaftlichkeit, z. B. Einmaligkeit der Datenerfassung bzw. Verwendung der für interne Berichtszwecke verwendeten Daten auch für das externe Reporting, und Nutzenstiftung aus Sicht der Empfänger • Klarheit und inhaltliche Nachvollziehbarkeit der Daten im Bericht durch interne wie externe Empfänger • Regelmäßigkeit des Reportings. Als Stellhebel (Gestaltungsparameter) im Berichtswesen kommen in Betracht: 1. Berichtsinhalt: um welche Informationen handelt es sich? Es geht um Sachverhalte und Ergebnisse normativer Analysen, Pläne, Soll-Ist-Vergleiche und Checks des normativen Controllings. 2. Berichtsempfänger: wer soll informiert werden? Informiert werden sollen Führungskräfte und externe Stakeholder, darunter nicht zuletzt Investoren, die an der Entwicklung des normativen intellektuellen Kapitals interessiert sind. 3. Berichtszeitpunkt Hier besteht ein Spannungsverhältnis zwischen Aktualität und Vollständigkeit. Je aktueller Informationen sind, umso höher ist i.d.R. der Nutzen für das Management. Die Forderung nach Vollständigkeit resultiert aus dem Wunsch nach höherer Detaillierung. Oft sind gerade Details z. B. über bestimmte Standpunkte, relevant um ein umfassendes Bild zu erhalten. Daher kommt im Zweifelsfall der Genauigkeit mehr Bedeutung zu als der Aktualität. 4. Berichtsform: wie sollen die Informationen aufbereitet werden? Als Formen der Aufbereitung von Informationen bieten sich an: verbale 198 Instrumente im normativen Controlling Kommentare, Benchmarking, Kennzahlen, Ursache-Wirkungs-Beziehungen bzw. (grafisch) Profile. Auch eine tabellarische Auflistung zu den einzelnen NIK-Kategorien erscheint sinnvoll. Diese könnte um Grafiken, z. B. zur Entwicklung der Indikatoren bzw. Kennzahlen über die Zeit ergänzt werden. $ $ $ $ $ $ $ $ Abbildung 41 zeigt beispielhaft eine Zeile aus einem normativen Bericht. Q#1-(#13$ 6(=*=+-(. Abb. 41 A)P1.u70* "()*(A* <(7*(=A7. 2<7)TA(. H7.0+-M$-.; 6(=0+-M D()@0#(1F3+, 97))*=+-(.$;() :(7*(=)$H7.0+-M 7.$;(.$6(=0+-MB !-Z(.;7(.)* <(/(. ^!.)TA<C=2(._ ;()$H7.0+-M) "(7$?(A=(=(. P-.;(. *%N+%0$(+ 91;(=7(=*(= P1.u70*B ,K)-./)<1=0B )A13 X$c$3#?# V5%+ D7(;(=A(=)*(,B ,-./$(7.(= 6(=*=+-(.)B "+)7)$$"7)$H.;( 9+7 Quelle: Eigene Darstellung Das externe Reporting über Elemente des intellektuellen Kapitals wird in der Literatur unter dem Stichwort „Value Reporting“ diskutiert. Ihr Gegenstand sind Informationen, die über die Pflichtberichterstattung hinaus gehen. Sie dienen dem Ziel, Investoren eine bessere Einschätzung des Unternehmenswerts zu ermöglichen. Es soll daher dazu beitragen, den Unterschied zwischen dem bilanziellen Eigenkapital und dem Unternehmenswert aus Sicht des Markts und aus Sicht des Managements zu erklären (vgl. Gleich et al. 2008, S. 379). Der Arbeitskreis SG formuliert folgende allgemeine Grundsätze für das Value Reporting (vgl. Arbeitskreis SG 2002, S. 2339 f.; vgl. Arbeitskreis SG 2003, S. 1234 f.), die auch im vorliegenden Kontext sinnvoll erscheinen: • Grundsätzliche Orientierung an der unternehmensinternen Berichterstattung („Management Approach“), d. h. es werden jene Berichtselemente gewählt, die auch für die interne Unternehmenssteuerung relevant sind. • Das Management kommentiert die berichteten Informationen, die Adressaten interpretieren sie aber zusätzlich aus ihrem Blickwinkel bzw. vor dem Hintergrund ihres Informationsbedarfs. • Ort der Berichterstattung ist idealerweise der Lagebericht. 199 Instrumente im normativen Controlling Innerhalb des Value Reporting als Bezugsrahmen zur Identifizierung der Schlüssel-Leistungsindikatoren hat das sog. Strategic Advantage Reporting die Aufgabe, Informationen über die nachhaltigen Wertsteigerungspotenziale und über die nicht-finanziellen Werttreiber zu geben (vgl. Fischer/Zirkler 2008, S. 590; vgl. Gleich et al. 2008, S. 379). Dabei spielt das intellektuelle Kapital die Hauptrolle. Ergebnisse empirischer Untersuchungen 2003 bis 2006 belegen, dass die Berichterstattung über immaterielle Werte zunehmend an Bedeutung gewinnt (vgl. Gleich et al. 2008, S. 383). Werte spielen im Reporting auch eine wichtige Rolle auf Seiten des Controllings als Berichterstatter, und hier vor allem das Vertrauen. Das Vertrauen der Empfänger zu genießen ist eines der wichtigsten Assets von Controllern als Berichterstatter; Vertrauen lässt sich nur langfristig bilden und erwerben, es geht aber relativ rasch verloren. 6.12 Lessons learned Die in diesem Buch als Instrumente des normativen Controllings behandelten Methoden müssen folgenden drei Kriterien genügen: • Sie sollen den im Controlling Tätigen direkt oder indirekt (d. h. im Zusammenspiel mit anderen Methoden) zur Bewältigung der ControllingAufgabe dienen. • Sie sollen nicht zu komplex und differenziert in Aufbau und Einsatzbedingungen sein. Zu komplexe Methoden werden in der Praxis erfahrungsgemäß nicht angenommen bzw. eingesetzt, weil der Erkenntnis- bzw. Nutzenzuwachs in der Regel durch relativ hohe Kosten oder hohen Erklärungs- und Zeitaufwand überkompensiert wird. • Die Methoden sollen in Unternehmen jeder Größe, also auch in Einzel-, Kleinst- und Kleinunternehmen, und damit auch im Selbst-Controlling, sinnvoll einsetz- und anwendbar sein. Die nachstehend genannten Instrumente sind – mit Ausnahme des Kulturprofil-Checks und des Werteprofils – neu und als Vorschläge für die Diskussion um das normative Controlling in Theorie und Praxis gedacht. Sie sind daher in der betrieblichen Praxis noch nicht getestet. • Normen-Check • Moral-Check • Werte- und Tugend-Check • Kulturprofil-Check • Stakeholder-Analyse • Normative Bilanz 200 Instrumente im normativen Controlling • • • • Leitbild-Check Normativer Plan Normative Kennzahlen Bericht über normative Sachverhalte. Die Methoden des normativen Controllings sind zum Großteil als qualitative Checks konzipiert. Qualitative Sachverhalte sollten auf einer Ordinalskala miteinander verglichen bzw. durch die Vergabe von Punkten bewertet werden. Eine praktikable, weil einfache Bewertung des jeweiligen Ist (als Ergebnis eines Vergleichs bzw. Checks) kann nach folgendem ViererSchlüssel erfolgen: 0 = nein bzw. nicht vorhanden 1 = kaum bzw. selten bzw. in eingeschränktem Maße 2 = öfters bzw. überwiegend vorhanden 3 = (uneingeschränkt) ja bzw. zutreffend. 6.13 Learning by doing A 6.1 Diskutieren Sie bitte die Folgen von Unpünktlichkeit im Unternehmen auf a) auf das Verhalten anderer b) auf die Wirtschaftlichkeit des Unternehmens A 6.2 Diskutieren Sie bitte die Folgen von mangelndem Ordnungssinn im Unternehmen! … A 6.3 Wie kann sich Vertrauen in der Berichterstattung ausdrücken? A 6.4 Erproben Sie bitte einige der vorgestellten Checklisten in der Unternehmenspraxis! A 6.5 Welche weiteren normativen Kennzahlen sind – über die in Pkt. 6.10 genannten hinaus – noch denkbar? 201 „Alles Renditestreben darf die Menschlichkeit nicht in den Hintergrund drängen. Management ohne Unternehmensethik wird auf Dauer zum Scheitern verurteilt sein.“ (Lautenschläger 2009, S. 288) 7 Umsetzung des normativen Managements und des normativen Controllings Ziele des Kapitels Nach der Lektüre dieses Kapitels wissen Sie, • worauf bei der Einführung des normativen Controllings zu achten ist • wie beim Werte- und Kulturmanagement vorzugehen wäre • wie ein Code of Ethics aufgebaut sein sollte • wie ethikorientiertes strategisches Management gestaltet sein sollte • welche Rolle die Personalpolitik in der Umsetzung des normativen Managements und des normativen Controllings spielen sollte • mit welchen Stellen das normative Controlling zusammenarbeiten sollte. 7.1 Überblick Umsetzung normativer Inhalte bedeutet das aktive Ergreifen von Maßnahmen, die das Scheitern der Verwirklichung normativer Konzepte systematisch zu verhindern suchen. Damit normatives Management und normatives Controlling nicht nur Konzepte und theoretisches Konstrukt bleiben, muss das Management • Vision, • Mission, • moralische Grundsätze, • Werte und Tugenden, • Unternehmenskultur, • Leitbild und • sonstige interne Normen als Soll möglichst realistisch konzipieren, verständlich formulieren, die Normadressaten intrinsisch motivieren und die Umsetzung so konsequent steuern, dass die Normen auch eingehalten und gelebt werden. Als Unterstützung dazu sollte es sich des normativen Controllings bedienen, wenn Bedarf danach besteht. In der Rolle von Macht- und Fachpro202 Umsetzung der normativen Managementaufgaben motoren versuchen dann beide gemeinsam, die Voraussetzungen zu schaffen, damit • die Elemente des NIK konsequent erfasst, bewertet und weiterentwickelt werden • nachhaltige Corporate Governance systematisch betrieben wird • Corporate Responsibility ernst genommen wird • eine integre Unternehmensführung entsteht bzw. sich weiterentwickelt • wirksam gegen Missmanagement und dolose Handlungen vorgesorgt wird. Die Einführung eines systematischen, nicht nur punktuellen, normativen Managements und Controllings bedarf einiger Voraussetzungen, und zwar vor allem in ethischer Hinsicht entwicklungswilliger und -fähiger Führungskräfte, Controller und Mitarbeiter. Die Einführung des normativen Controllings im Unternehmen trägt alle Züge einer organisatorischen Innovation. Innovationen bedürfen als conditio sine qua non zu ihrer erfolgreichen Realisierung der ungeteilten Unterstützung durch das Top Management. Je stärker sich die neuen von den bislang gelebten Werten und Normen, von der Vision oder der Unternehmenskultur unterscheiden, umso wichtiger ist die Steuerung dieses Innovationprozesses. Dieser muss systematisch, ziel- und durchsetzungsorientiert geplant, gelenkt und kontrolliert werden („Change Management“). Dabei geht es vor allem um das Verhalten der Beteiligten im Vordergrund, und erst an zweiter Stelle um die technischinstrumentelle Unterstützung. Change Management umfasst alle Maßnahmen, die eine umfassende und weitreichende Veränderung im Unternehmen bewirken sollen. Und dieser Managementprozess ist durch den Controller – ggf. in Zusammenarbeit mit anderen internen Stellen (insb. HR, Compliance bzw. mit externen, auf normative Sachverhalte spezialisierten Beratern) als Fachpromotoren („Change Agents“) zu unterstützen (vgl. Schreyögg 2008, S. 413–420). Erfolgreiche Veränderungsprozesse durchlaufen grundsätzlich und zwingend die drei regelmäßig wiederkehrenden Phasen nach Lewin (1958, S. 210 f.): • Auftauen (unfreezing): Kräfte der Beharrung verringern, den Wandel initiieren. • Bewegen (moving): den Übergang in Richtung neuem Soll-Zustand gestalten. • Stabilisieren (refreezing): Verfestigen der neuen Situation bis zur nächsten Veränderung. 203 Umsetzung der normativen Managementaufgaben Doppler/Lauterburg (2008, S. 68–71) nennen fünf Schlüsselfaktoren für ein dynamisches Management des Wandels: • Kreativität und kreative Unruhe • Konfliktfähigkeit • Zusammengehörigkeitsgefühl • Sinnvermittlung • Kommunikation. Voraussetzung einer gelungenen Veränderung ist die Akzeptanz dieser Veränderung durch alle Beteiligten. In Bezug auf die einzelnen Widerstände und Barrieren, die einer gelungenen Einführung von Controlling entgegenstehen, darf hier auf Eschenbach/Siller (2009, S. 165–167) verweisen werden. Die effektivsten Mittel des Managements sind in der Praxis Analyse, Planung, Überzeugung, und Konsens im Verhandlungsweg, aber auch Anweisungen an Mitarbeiter; am wenigsten zielführend ist Zwang. Zur Umsetzung des normativen Managements bedarf es neben des Change Managements der Vermaschung der Regelkreise zwischen der normativen, strategischen und operativen Ebene in der in Abbildung 42 dargestellten Form: $ $ /#G"#4(#+1) 4(#.B+U%))3+, 4(#.>-#%-(,1(. F8Ma. 4(#.B#-.4() >-#%-(,1)@0(+ *%+%,($(+-) $ $ $ $ '()*+,*-./$;(=$@.*(=.(A?(.)B$-.; \(=)1.+,31,7O0 6(=M1,/-./$;(=$.1=?+OR(.$h7(,( b()*)*(,,-./$;()$b7* ia.>-#%-(,1([ HF(#U#HG3+,. ha.7$)(-83+, 4(#. >-#%-(,1( fa7$G(54[.3+4. 7+-(#+(0$(+)%+%5S)( \=12())$;() )*=+*(/7)TA(.$ 9+.+/(?(.*) $ /#G"#4(#+1). 4(#. B+U%))3+, 4(#.F8Ma.W(15(. 4(#.7+-(#+(0[ $(+)[.3+4. V(#)"+%5[ U"51&2 ga.>-#%-(,1([ (+-M1@253+, ea.>-#%-(,1(F(M(#-3+,.3+4 )-#%-(,1)@0(.V5%+3+, V(#)"+%5U5%+3+,..3+4.V5%+3+,.4(#.HF#1,(+."U(#%&'(+.V5C+( 7$)(-83+, >"55[A)-[X(#,5(1@0 Abb. 42 204 Quelle: Eigene Darstellung Umsetzung der normativen Managementaufgaben Im Mittelpunkt der Umsetzung des normativen Controllings stehen vor allem Begleitmaßnahmen im normativen Bereich, im strategischen Management und durch die Personalpolitik. 7.2 Einführung des normativen Controllings Zwischen Managementqualität und der konkreten Gestaltung des Controllingsystems und der -prozesse besteht ein positiver Zusammenhang. Damit Controlling daher die beabsichtigten Wirkungen erzielt und wirksames normatives Controlling möglich wird, muss – abhängig von der Entwicklungsstufe eines Unternehmens – geklärt werden, ob überhaupt die Voraussetzungen für die Einführung von Controlling im Unternehmen gegeben sind. Controlling stellt Mindestanforderungen an die Führung und die Unternehmenskultur. Die vier wichtigsten sind: • Die Führung muss visions-, leitbild-, ziel-, normenorientiert sowie werte- und kulturbewusst sein. • Der Wille zum normativen Controlling muss vorhanden sein: Wesentlich ist die Beantwortung der Frage: Soll bzw. in welcher Form und Intensität soll Controlling in den Check von Normen, Vision und Werten eingebunden sein? • Neben einem gut ausgebauten operativen Controlling muss aufgrund der Navigationssystematik auch ein zumindest in Ansätzen vorhandenes strategisches Controlling zu den Voraussetzungen gezählt werden. • Bedarf an einer „moralischen Runderneuerung“, an Reflexion und Sparring über ethische Sachverhalte und an der Operationalisierung der Elemente des NIK (Normen, Moral, Ethos, Werte, Tugenden, Unternehmenskultur). Grundsätzlich sollte von vornherein ein möglichst hoher Grad an Übereinstimmung zwischen dem Wirkpotenzial von Controlling und dem faktischen Spielraum für normative Gestaltungen im Unternehmen bestehen; Normatives Controlling sollte als Konzeption zur „Baustelle Unternehmen“ passen und die erforderlich erscheinenden Veränderungen bewirken können („Controlling-Unternehmens-Fit“ als Bedarfsprüfung). Bei Einführung des normativen Controllings ist folgendes zu beachten: • Normatives Controlling ist ein führungsergänzendes Subsystem mit zahlreichen Schnitt- (besser: Kontakt-)stellen. Dementsprechend umfassend und detailliert muss daher der Einführungsprozess geplant und vorbereitet werden. Dieser Prozess hat stets zwei Aspekte: Verhaltens205 Umsetzung der normativen Managementaufgaben und technisch-organisatorische. Im Falle des normativen Controllings dominieren eindeutig Verhaltensaspekte. • Jeder Einführungsprozess ist kontextabhängig; es können wichtige interne Faktoren wie z.B. Malversationen in der Vergangenheit, der Entwicklungspfad oder Werte-Misfits, und externe Faktoren wie z. B. – typisch für börsennotierte Unternehmen, Banken und Versicherungen – hohe Anforderungen an Compliance oder an Corporate Governance vorliegen. • Für den Prozess der Einführung von normativem Controlling gibt es kein Patentrezept, er ist situativ und unternehmensspezifisch auszurichten. „Es kommt darauf an ...“, wie die „Betroffenen“ in Geschäftsführung, Aufsichtsorganen und die Mitarbeiter reagieren, je nachdem, ob bzw. in wie weit nach einer Einführung die Machtverhältnisse im Unternehmen verschoben werden und wie die Person des normativen Controllers agiert bzw. reagiert. • Bezüglich der organisatorischen Eingliederung des normativen Controlling ergibt sich kein zusätzlicher Handlungs- bzw. Änderungsbedarf, sofern ein bestehendes operatives bzw. strategisches Controlling schon als Linienstelle konzipiert und – aus Objektivitäts- und Neutralitätsgründen – in der zweiten Führungsebene, d. h. unterhalb des Top Managements, angesiedelt ist. $$ $ $ $ $ $ Die Einführung des normativen Controllings sollte konzeptgesteuert erfol$ $ Soll-Konzept ist$ in Abbildung 43 dargestellt. gen. Ein mögliches %#$S1.*=1,,7./B!-;7*$aQ)*B!.+,`)($-.;$B0=7O05 + X#$H.*<7T0,-./$(7.()$I(<-))*)(7.)$MF=$;(.$I(;+=M$+.$.1=?+OR(?$S1.*=1,,7./ [#$b()*,(/(.$;(=$.(-(.$67)71.$-.;$;(=$h7(,($;()$S1.*=1,,7./) W#$b()*,(/(.$"2<#$!.3+))(.$;(=$!-M/+"(.M(,;(=$;()$S1.*=1,,7./) L1,,B P1.2(3B O1. U#$!-)<+A,$;(=$S1.*=1,,7./B9(*A1;(.$-.;$B3=12())( d#$L-TA($;(=$/((7/.(*(.$\(=)1.$a7.0,#$7.*(=.()$E(T=-7O./5$$ V#$H7."(27(A(.$;(=$aF"=7/(.5$bFA=-./)0=Cs($-.;$61=)*(,,(.$;()$P1.2(3*)$ g#$G10-?(.O(=(.$;(=$6(=C.;(=-./(.$7?$S1.*=1,,7./Bl+.;"-TA$a9+.-+,5 Abb. 43 206 Quelle: In Anlehnung an Eschenbach/Siller 2009, S. 320 f. Umsetzung der normativen Managementaufgaben Dazu im einzelnen: 1. Grundlage für die Einführung ist die Prüfung der Voraussetzungen und Rahmenbedingungen, d. h. die Diagnose des Entwicklungsstands des Controllings, des normativen Managements und des Vorhandenseins bzw. der Qualität der Elemente des NIK. 2. Normatives Controlling-Bewusstsein bedeutet den prinzipiellen Willen zu Veränderung, zu nachhaltiger Unternehmensbestandssicherung ebenso wie die Überzeugung, dass ein Unternehmen besser mit klaren Wertmaßstäben und normativen Checks als ohne sie geführt werden kann. 3. Controlling-Vision und -leitbild sollen Antwort auf folgende Fragen geben: – Wie (Führungs- bzw. Arbeitsstil) will das normative Controlling agieren? – Welchen Werten fühlt sich Controlling dabei verpflichtet? – Welche Art und welcher Stil der Kommunikation soll gepflegt werden? – Sollen bzw. wie sollen „Betroffene“ zu „Beteiligten“ gemacht werden? – Wie sind Selbst- und Fremdbild des normativen Controllings? Welche sind die konkreten quantifizierten und terminierten Ziele des normativen Controllings? Welchen messbaren Nutzen soll es für wen stiften? Nach welchen Grundsätzen soll gehandelt werden? Wie werden diese Grundsätze für alle Beteiligten transparent gemacht? 4. Hier sind die konkreten Problem-, Aufgaben- bzw. Entscheidungsfelder und Funktionen ebenso zu nennen wie die Stellung bzw. Rolle des normativen Controllers in den Prozessen Analyse, Reflexion, Sparring, Innovation, Information, Planung, Überwachung und Koordination. 5. Daran anschließend ist festzulegen, welcher Methoden, Verfahren, Konzepte und Ansätze sich das normative Controlling bedienen wird; welche Prozesse werden künftig als typische normative Controllingprozesse angesehen werden, in denen Controller die „Process Owners“ sind (wie z. B. die Prozesse der Erstellung einer normativen Bilanz, die Diskussion und Reflexion über Werte oder über die Unternehmenskultur)? 6. Wesentlich sind hier die folgenden Überlegungen: – Wie ist das Soll-Anforderungsprofil des normativen Controllings? – Braucht es eine neue Controlling-Stelle oder kann es die bestehende Controlling- Stelle bzw. -Abteilung zusätzlich übernehmen? – Falls eine neue Stelle erforderlich erscheint: Kann die Funktion intern besetzt werden? – Wie ist die Prozessorganisation anzupassen? 7. Hier gilt es, alle Mitglieder des normativen Managements in Geschäftsführung und Aufsichtsorganen von der bevorstehenden Einrichtung des normativen Controllings 207 Umsetzung der normativen Managementaufgaben – im Detail zu informieren – darüber zu diskutieren – schrittweise Bewusstsein für die Bedeutung normativer Fragestellungen, bestehender Probleme, z. B. Wertekonflikte, und möglicher Lösungen zu entwickeln. 8. Ein Controlling-Handbuch sollte Struktur, geplante Prozesse, den aktuellen normativen Plan und die Ergebnisse der einzelnen ControllingChecks ebenso enthalten wie ein Glossar wichtiger Controlling-Begriffe, eine Erklärung von Arbeitsblättern und Checklisten sowie der normativen Kennzahlen und Berichtsinhalte. Wie wichtig ethisches Verhalten ist, kann am Beispiel der US-amerikanischen Rechtsprechung gezeigt werden, die ein sog. Ethik-ManagementSystem als Argument zur Entlastung der Führung erst akzeptiert, wenn es nachprüfbar implementiert und gelebt wird (vgl. Fischer et al. 2000, S. 25). Eine erfolgreiche Implementierung des normativen Controllings kann nur von einer Koalition aus Macht- und Fachpromotoren bewältigt werden, durch deren gemeinsame Anstrengungen sowohl kognitive, als auch Willens- und Fähigkeitsbarrieren überwunden werden können. Fachpromotoren können dabei der/die neue(n) Controller, (ein) externe(r) Berater, Mitarbeiter des HR- oder des Compliance-Bereichs sein; letztere nicht selten aufgrund der Hoffnung, dass der Stellenwert ihres Bereichs durch das normative Controlling gesteigert und nun mit Hilfe von Controlling den – tatsächlichen oder vermuteten – moralischen Defiziten wie z. B. Kultur-Misfits im Unternehmen „der Kampf angesagt“ wird. Die Rolle der Machtpromotoren kann das Top Management bzw. auch Teile des mittleren Managements übernehmen, z. B. aus Bereichen, wo Konflikte, laufender Dissens oder unterschiedliche Werte eine Zusammenarbeit behindern. ”…, in any national culture it makes sense to distinguish the two roles. Both are crucial for culture innovations.” (Hofstede/Hofstede 2005, S. 311) 7.3 Werte- und Kulturmanagement Im Wertemanagement geht es um die bewusste Gestaltung der Werthaltungen und Wertekataloge der einzelnen Mitarbeiter und Führungskräfte. Mit Recht kann von „Wertschöpfung durch Wertemanagement“ (vgl. Hemel 2007, S. 289) gesprochen werden. Mitarbeiter verfolgen i.d.R. genau, was Führungskräfte tatsächlich tun, welche Werte sie – ungeachtet verbaler Statements und Appelle – selbst in 208 Umsetzung der normativen Managementaufgaben welchem Ausmaß und mit welcher Priorität vertreten und leben. So entstehen bzw. vergehen Vor-Bilder. Ein konsequent gefördertes ethisches Klima im Unternehmen senkt aufgrund des gemeinsamen Vorverständnisses über erwünschtes bzw. unerwünschtes Verhalten die Kommunikations- und Transaktionskosten, weil z. B. weniger Grundsatzdebatten geführt werden müssen. Es geht um folgende Schritte im einzelnen (vgl. Hemel 2007, S. 287–290): • Bewusstmachen von Werten • Analyse der persönlichen Werte und ihrer Intensität zwecks Ermittlung des Ist • Wertevorgabe durch die Unternehmensleitung: einerseits der wesentlichen und andererseits der erwünschten Werte und Handlungsweisen. • Wertekommunikation: Nicht nur Mitarbeiter, sondern auch Investoren, Kunden, Lieferanten und interessierte Teile der (kritischen) Öffentlichkeit sind an Aussagen über die normative Position interessiert. • Aktive Wertesteuerung, ggf. mit Unterstützung des normativen Controllings. • Konfliktmanagement wird institutionalisiert bzw. professionalisiert. Es muss klargestellt werden, was geht und was nicht geht, um das Vertrauen der Mitarbeiter, sich wertekonform zu verhalten, zu erhöhen. Kulturmanagement ist auf lange Sicht lohnend, aber schwierig und langwierig, vor allem aus folgenden Gründen: • Kulturen sind in den unbewussten und unhinterfragten Basisannahmen und Wertvorstellungen tief verankert. • Mitarbeiter und Führungskräfte geben eine einmal erlernte Kultur oft nur ungern auf, weil die Verhaltensmuster bei der Orientierung helfen. • Ein absehbarer Kulturwandel kann Positionen bestimmter Führungskräfte und Mitarbeiter bedrohen. • Änderungen in der gewünschten Unternehmenskultur betreffen immer auch emotionale Komponenten, insb. Gefühle und Gewohnheiten. • Die Unternehmenskultur ist oft uneinheitlich und besteht aus verschiedenen Subkulturen. Für ein aktives Kulturmanagement bieten sich zahlreiche Ansatzpunkte (vgl. Lombriser/Abplanalp 2004, S. 351 f.): • Das Management kann eine neue Kultur vorleben (z. B. Werte, Tugenden, Umgangsformen, Sprache, Form der Entscheidungsfindung, Meetinggestaltung). • Die Organisation kann die neue Kultur ausdrücken (z. B. durch Struktur, Architektur, Arbeitsplatz- und Raumgestaltung). 209 Umsetzung der normativen Managementaufgaben • Führungsinstrumente können auf die neue Kultur hinwirken (Leitbild, Führungsstil, Verhaltensgrundsätze, Regelungsdichte, Kommunikationsund Informationspolitik, Partizipation, Kooperation). • Unterstützung kommt von der Personalpolitik (z. B. durch die Form von Beförderungen, Besetzung von Schlüsselpositionen, Fort- und Weiterbildung, Anpassung von Belohnungs- und Sanktionssystemen). • Eine Corporate Identity kann die neue Kultur auch visuell kommunizieren (z. B. eine Homepage mit geänderten Unternehmensgrundsätzen oder ein neuer Code of Ethics). Mit Unternehmensethik vereinbar erscheint nur ein Management, das darauf abzielt, die Kultur ethikorientierter, offener und mit mehr Partizipation der Mitarbeiter zu gestalten. Die Qualität der sozialen Beziehungen im Unternehmen („Sozialqualität“) wird dann zum Erfolgsfaktor („enabler“) einer moralisch zielführenden und zeitökonomischen Gestaltung von Entscheidungs- und Leistungsprozessen. Es sind die sozialen Spielregeln, die über Effizienz und Effektivität von Unternehmen sowie über die praktische Wirksamkeit theoretischer Managementkonzepte mit entscheiden (vgl. von Eiff/Stachel 2007, S. 19). Eine ausgeprägte Unternehmenskultur kann sich hemmend auf Reflexionsprozesse auswirken, wenn es zu einer Überbetonung der Gemeinsamkeiten vor dem Trennenden kommt, was einer Kultur der „Ja-Sager“ Vorschub leisten könnte (vgl. Feldbauer-Durstmüller/Ther 2009, S. 260); das wäre für den Controller als kritischem Counterpart ggf. ein bedenkliches Phänomen. Die Erfahrungen des Autors in der Praxis können das folgende Zitat von Malik nur unterstreichen: „Ich habe nur zwei Wege kennengelernt, die zu einem echten, tiefgreifenden, andauernden und raschen Kulturwandel geführt haben. Der erste Weg ist die Krise. Der zweite sind die Personalentscheidungen für die Schlüsselstellen. Ihr Zweck ist es, Menschen in einer Organisation in Positionen zu bringen, wo sie sichtbar das richtige Beispiel geben. Alle anderen Wege sind fragwürdig“ (Malik 2005, S. 212). 7.4 Code of Ethics (Ethikkodex) Ein Code of Ethics soll Standards, Richtlinien und Soll-Werte als verbindliche Rahmenbedingungen für individuelles und institutionelles Handeln enthalten, an die sich alle Mitarbeiter im Unternehmen zu halten haben, und welche die Zusammenarbeit untereinander und mit Außenstehenden wie Lieferanten, Behörden usw. definieren. Er stellt klar, mit welchen Mit210 Umsetzung der normativen Managementaufgaben teln die Wertschöpfungs- und Performance-Ziele realisiert werden sollen und mit welchen sie nicht realisiert werden dürfen. Synonym werden die Begriffe Verhaltensrichtlinien, Code of Conduct oder Business Code verwendet. Verhaltenskodizes sollen die in Vision und Mission enthaltenen Wert- und Moralvorstellungen in schriftlicher Form erklären. Ein wichtiger Punkt im Code of Ethics ist die Klärung des Verhaltens im Umgang mit moralischen bzw. ökonomischen Dilemma-Situationen. Durch dieses Dokument der moralischen Selbstbindung bekennt sich ein Unternehmen nachprüfbar zu bestimmten Werten und Normen (vgl. Maak/Ulrich 2007, S. 247; vgl. Grabner-Kräuter 2009, S. 90). Verhaltensrichtlinien bzw. -grundsätze sollen eine bestimmte gewünschte Moral vermitteln und ein bestimmtes Ethos fordern. Ziel dabei ist in erster Linie, unethisches, jedenfalls aber kriminelles Verhalten im Geschäftsverkehr zu unterbinden. Verhaltensgrundsätze sollen Erwartungen hinsichtlich konkreter positiver Handlungsweisen der Führungskräfte und Mitarbeiter formulieren. Adressaten von Verhaltensgrundsätzen sind eine größere Gruppe von Mitarbeitern, nicht nur einzelne Personen. Extern ausgerichtet werden sie ein Instrument zur Kommunikation der Unternehmensidentität und der Unternehmenspolitik und zur Öffentlichkeitsarbeit. Durch klare Verhaltensrichtlinien ist sukzessive eine Integritäts- und Compliance-Kultur („Zero tolerance policy“) und das Bewusstsein für die Bedeutung der Elemente des NIK und der Schädlichkeit von Missmanagement und von dolosen Handlungen aufzubauen bzw. zu stärken. Die Überwachungs- und die Vorbildfunktion aller Führungskräfte ist hier gefordert. Fast 90 % der amerikanischen Fortune 100-Unternehmen haben einen formellen Code of Ethics erstellt (vgl. Robbins/DeCenzo 2008, S. 54) und 47 % der 200 weltweit größten Unternehmen (vgl. Maak/Ulrich 2007, S. 247). In österreichischen Unternehmen zählt ein Ethikkodex zu den gegenwärtig gängigsten Instrumenten zur Korruptionsprävention. Typische Inhalte eines Code of Ethics können sein (vgl. Saitz 2010, S. 163 f.): • Allgemeine Verhaltensgrundsätze: Integres Verhalten, Akzeptanz zur Einhaltung von Gesetzen, unternehmensinternen Richtlinien sowie vertraglichen Vereinbarungen; Transparenz, Respekt gegenüber allen, Ehrlichkeit, Vertraulichkeit, gesellschaftliches Vorbild, Vorbildfunktion der Führungskräfte; Wertschätzung und Schätzung persönlicher Meinungsunterschiede. • Umgang mit Dritten: Umgang mit Geschäftspartnern, mit Partnern in Behörden und Politik, mit Arbeitnehmervertretern und mit ausländischen Geschäftspartnern; 211 Umsetzung der normativen Managementaufgaben Befolgung von Kartell- und Wettbewerbsrecht; Geldwäscheverbot; keine Geschenkannahme (kein „Anfüttern“) • Vermeidung von Interessenkonflikten: Wettbewerbsklauseln; Privatbeteiligungen an Unternehmen; Nebenbeschäftigungen • Umgang mit Informationen: Vertrauliche Behandlung von Geschäftsinformationen, Berichten, Betriebsgeheimnissen; Verbot von Insiderhandel; Datenschutz und Datensicherheit. Je nachdem, ob im Unternehmen eher ein Compliance- oder ein Integritätsansatz verfolgt wird, kann ein Verhaltenskodex entweder als • regelbasiert („rules-based“) oder als • grundsatzbasiert („principles-based“) aufgebaut sein. Während erstere vorwiegend konkrete Handlungsanweisungen enthalten, fehlen in den i.d.R. kürzeren letzteren die konkreten Anweisungen. Stattdessen wird das „Wir“-Gefühl wesentlich stärker betont; die ethische Selbstverpflichtung des Unternehmens und der Mitarbeiter zu Werten steht im Vordergrund (vgl. Weidinger 2009, S. 629). Im Idealfall ist ein Ethik-Kodex so spezifisch zu formulieren, dass sie klare Verhaltensleitlinien darstellen, aber dennoch so flexibel sind, dass Raum für persönliche Urteile und Wertvorstellungen bleibt. Die Wirkung eines solchen Codes hängt entscheidend ab • von der uneingeschränkten Unterstützung des Top Managements, • von der Einhaltung der Vorgaben durch die Führung selbst (Vorbildwirkung), • ob es der Führung gelingt, die Leitlinien in die Unternehmenskultur zu integrieren, • wie konsequent Regelverstöße geahndet und Sanktionen gesetzt werden, • ob sie laufend auf ihre Aktualität geprüft werden, und • ob die Einhaltung der Regeln laufend geprüft (auditiert) wird. Es kommt vorrangig auf den Sinn („Geist“) der Vereinbarung bzw. Vorgabe und in zweiter Linie auf die Formulierung an. Entscheidend ist die Umsetzung. Im negativen Extremfall sind solche Kodizes nichts weiter als „Corporate window dressing“ (auch Enron z. B. hatte einen solchen Kodex; vgl. Robbins/DeCenzo 2008, S. 54). Was bringt einem Mitarbeiter ein (im Rahmen des Qualitätsmanagements) eingerichteter Prozess für Beschwerden von Mitarbeitern, wenn die Mitarbeiter wissen, dass das Sich Beschweren 212 Umsetzung der normativen Managementaufgaben und das Einleiten eines solchen Prozesses von der Führung als Zeichen der Illoyalität gesehen wird und sich beschwerende Mitarbeiter auf eine schwarze Liste gesetzt werden? Der Kodex ist allen Mitarbeitern und Geschäftspartnern zu kommunizieren; in allen Verträgen ist auf ihn zu verweisen. Das bloße Veröffentlichen der Regeln, Verhaltensgrundsätze und Verhaltensrichtlinien, z. B. im Intranet des Unternehmens, wird aber selten ausreichend sein. Vielmehr muss der Inhalt des Kodex im Detail erklärt und begründet und unternehmensweit angewendet werden (vgl. Wieland/Grüninger 2010, S. 118 f.). 7.5 Ethikorientiertes strategisches Management Sich „strategisch“ zu verhalten, wird manchmal mit Anwendung einer strategischen List und als Gegenteil von Moral verstanden. „Strategisch“ verhält sich dann derjenige, der nicht nach der gemeinsamen Lösung sucht, sondern den Gegner besiegen will. Strategische und „ethische Rationalität“ (Feldbauer-Durstmüller/Ther 2009, S. 245) werden in diesem Fall als Gegensätze aufgefasst. Entscheidend für diesen Gegensatz ist die Gesinnung des bzw. der Strategen, aber nicht die Wahl zwischen Strategien. Für die moralische Bewertung von zentraler Bedeutung ist, ob die strategischen Entscheidungen in der konkreten Situation mit einer auf Nachhaltigkeit angelegten und auf Konsens ausgerichteten Moral vermittelt werden, d. h. ob sich das Unternehmen in der Wahl der Strategien um die Vermittlung der Interessen aller Betroffenen bemüht oder nicht. Dem strategischen Management vorgeschaltet wird im normativen Management die grundsätzliche Entscheidung für bzw. gegen die Übernahme von Verantwortung gegenüber den Stakeholdern. Bei einer verantwortungsvollen Führung basieren alle Strategien auf einer ganzheitlichen, unternehmensethisch-betriebswirtschaftlich ausgewogenen Wertordnung. Bei Unternehmensethik handelt es sich nicht um eine Zusatzmaßnahme, die neben der „normalen“ (strategischen) Unternehmensführung läuft (also z. B. um Spenden für karitative Zwecke), sondern um die verantwortungsvolle Gestaltung der Corporate Governance. Alle Entscheidungen im Unternehmen, insb. die weit reichenden normativen und strategischen Entscheidungen, sind unter Legitimitätsvorbehalt zu treffen. Es erscheint wenig sinnvoll, zunächst im Rahmen des „profit making“ unmoralisch zu handeln, um anschließend aus dem so erzielten Gewinn im Namen der Moral und zur Beruhigung des Gewissens und der sog. Öffentlichen Meinung „profit spending“ zu betreiben (vgl. Ulrich 2001b, S. 423). 213 Umsetzung der normativen Managementaufgaben Die negativen Folgen sittlichen Handelns können durch Maßnahmen abgeschwächt oder verhindert werden. Die eleganteste Lösung von Stakeholderkonflikten sind Maßnahmen zur Harmonisierung von Moral und ökonomischen Interessen. Es gilt, den positiven Kompatibilitätsfall (d. h. moralische und ökonomische Ziele können parallel verfolgt werden; = Quadrant 1; vgl. Pkt. 2.3.2) durch entsprechende Wettbewerbsstrategien anstreben. Das sind Strategien, die auf den legitimen Erfolg des Unternehmens im Wettbewerb zielen, sei es auf Unternehmens-, auf Geschäftsbereichs- oder auf Funktionsebene. Ausgehend von den Dilemma-Situationen (vgl. Pkt. 2.3.2) können Unternehmen auf ethisch einwandfreier Grundlage zwei Arten von Handlungsstrategien entwickeln: • Wettbewerbsstrategien • Ordnungspolitische Strategien. Eine Wettbewerbsstrategie für den Konfliktfall in Quadrant 2 (d. i. der moralische Konflikt, d. h. die Verfolgung des Gewinnziels erfüllt nur einen Teil der moralischen Anforderungen) könnte z. B. die Entwicklung von Produkten oder Verfahren sein, die eine höhere moralische Akzeptanz aufweisen. Die Investition in gesellschaftliche Akzeptanz durch moralisches Verhalten dient langfristig dem Aufbau von Glaubwürdigkeitskapital. Parallel könnte über eine ordnungspolitische Strategie versucht werden, durch Interventionen bei der öffentlichen Hand und einer entsprechenden Kommunikationspolitik auf eine Veränderung der punktuell defizitären Rahmenordnung hinzuwirken; dies dann, wenn es dem Unternehmen nicht gelingen sollte, die Kosten für moralisches Handeln durch Realisierung von Wettbewerbsvorteilen zu kompensieren. In Fällen, die zu Quadrant 4 (d. i. der ökonomische Konfliktfall, d. h. die Realisierung moralischer Anforderungen kann nur zulasten der Rentabilität erfolgen) passen, erscheint die ordnungspoltische Strategie angezeigt. Dabei sind zwei Alternativen denkbar: a) als direkte Einflussnahme auf die Politik bzw. ihre Repräsentanten, und b) Initiativen zur kollektiven Selbstbindung an Integritätsregeln. Ein weiteres Problem stellt die grundsätzliche Unsicherheit hinsichtlich der Reaktion der anderen Marktteilnehmer dar. Ob sich moralisches Handeln für das Unternehmen auszahlt oder ob der moralische Konflikt nur durch Hinnahme eines ökonomischen Konflikts zu lösen ist, wird zu einem erheblichen Teil von der Reaktion der Marktteilnehmer mitbestimmt. 214 Umsetzung der normativen Managementaufgaben Moralisch korrekt agierende Manager werden daher im ökonomischen Konfliktfall auch versuchen, Einfluss auf die Marktteilnehmer zu nehmen, und zwar in der folgenden Form: • An die Verantwortung der Konsumenten appellieren, Verständnis für die Beachtung ethischer Standards zu haben und z. B. für faire Produkte mehr zu zahlen und damit das „gute Gewissen“ als Zusatznutzen anzubieten; so kann der ökonomische Konfliktfall gelöst werden. Der Appell muss aber glaubwürdig kommuniziert werden. • Auch Mitarbeiter, Lieferanten und Kooperationspartner sollten eine faire Behandlung durch das Unternehmen mit Loyalität, Vertrauen und Engagement honorieren. Nur so können Mehrkosten durch Nutzen kompensiert werden. Neben Wettbewerbsstrategien sind vor allem Marktaustrittsstrategien von praktischer Bedeutung: Obwohl sie im öffentlichen Bewusstsein oft als Zeichen des Versagens der Führung gelten, sollte der Marktaustritt Ergebnis eines proaktiven Desinvestitionsmanagements sein. Unternehmen ziehen sich immer wieder planmäßig aus bestimmten Geschäftsbereichen zurück, streichen Produkte aus ihrem Sortiment, geben bestimmte Produktlinien auf oder stellen Lieferungen in bestimmte Regionen ein. Ausschlaggebend ist i.d.R. das betriebswirtschaftliche Kalkül. Der Rückzug kann aber auch das Ergebnis einer ethischen Güterabwägung sein. Als problematisch gilt der Marktaustritt aus ethischen Gründen wegen der oft negativen Folgen für zahlreiche Stakeholder. Diese müssen z. B. auf Gewinn verzichten, Arbeitsplätze gehen verloren, dem Staat fehlen Steuern, Kunden werden schlechter versorgt, Lieferanten verlieren Kunden, usw. Der Marktaustritt wird das Mittel der Wahl sein, wenn es z. B. um das Einstellen der Produktion gesundheitsgefährdender Produkte geht oder wenn man einen Markt verlässt, der durch grassierende Korruption gekennzeichnet ist. Unternehmen sollten jede Anstrengung unternehmen, um Widersprüche zwischen Strategie und Kultur möglichst gering zu halten. Ist dies z. B. wegen eines strukturellen Wandels in der Branche oder wegen ungenügender Leistungen nicht möglich, sollten die Maßnahmen so kombiniert werden (d. h. Strategie bzw. Aktionsplan anpassen oder die Kultur beeinflussen), dass sich das Risiko eines Misfits auf akzeptablem Niveau halten lässt (vgl. Lombriser/Abplanalp 2004, S. 352). 215 Umsetzung der normativen Managementaufgaben 7.6 Personalpolitik In den nächsten Punkten ist zu zeigen, weshalb die Individualmoral der Führungskräfte und der Mitarbeiter für das Management der Verantwortung von entscheidender Bedeutung ist. Dabei spielt das Prinzipal-Agent-Problem eine Rolle. Unter dem Begriff Prinzipal-Agent-Problem wird in der Literatur das Problem behandelt, dass Arbeitnehmer ihre Leistung vermindern können, weil Arbeitgeber nicht jede ihrer Aktivitäten kontrollieren können. Der Prinzipal beauftragt den Agenten in der Hoffnung, dass dieser seine Aufgabe im Sinne des Prinzipals erledigt. Er kann jedoch das Engagement und/oder die Qualitäten seines Agenten nur mit Einschränkungen erkennen und sieht oft nur das Ergebnis seiner Bemühungen. Demgegenüber hat der Agent einen Informationsvorsprung, da er das eigene Verhalten selbst festlegen und beurteilen kann. Er kann diese Informationsasymmetrie zu Ungunsten des Prinzipals ausnutzen, wenn es seinen eigenen Zwecken dient. Aber auch ein Arbeitgeber verfügt über Exklusivwissen, das er zu seinen Gunsten opportunistisch ausnützen kann (vgl. Picot et al. 2008, S. 72 f.; vgl. Stierle 2008, S. 125 f.). 7.6.1 Führungsethik Führungsethik (Managerethik) umfasst ethische Überlegungen der und für die Führungskräfte, d. h. sie werden auf ihre moralische Verantwortung angesprochen (vgl. Göbel 2010, S. 191). Es geht „… um die normativen Grundsätze der Gestaltung der Beziehungen oder Relationen zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern“ (Ulrich 1999, S. 230). Im engeren Sinn beschäftigt sich Führungsethik mit der fairen und verantwortungsvollen Gestaltung der Beziehung zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern. Vor allem die oben genannte Informationsassymetrie kann hier schlagend werden. Wird die Zwangslage eines Arbeitnehmers ausgenützt, um Druck auszuüben, sodass dieser z. B. schlechteren Arbeitsbedingungen zustimmt, oder nützt die Führungskraft die schlechtere Informationslage eines Arbeitnehmers, um ihn über wesentliche Vertragsinhalte zu täuschen, kommt trotz rechtgültigen Vertrags kein legitimes Führungs-Geführten-Verhältnis zustande. Während Führungstechnik den Menschen als Ressource und Mittel zum Zweck sieht, ist der Mensch unter führungsethischer Perspektive Person und Subjekt (vgl. Maak/Ulrich 2007, S. 381). Mit anderen Worten: Ökonomisch gesehen ist der Mitarbeiter ein Produktionsfaktor zum Zweck der 216 Umsetzung der normativen Managementaufgaben Gewinnerzielung. Moralisch kann hingegen mit Kants kategorischem Imperativ gefordert werden, ihn eben nicht nur als Mittel, sondern zum Zweck an sich und als Person mit Persönlichkeit zu sehen. Sehr häufig ist im Wettbewerb die Scheinmoral anzutreffen, wonach Mitarbeiter als wichtigste Ressource im Unternehmen beschworen werden, tatsächlich aber, und oft bis zum Burn-out, „genutzt“ werden. Ethisch-verantwortliches Führen verlangt von Führungskräften u. a.: • Kommunikation zwischen mündigen Personen, statt Befehl und Unterordnung • Motivierende Erklärungen statt Diktieren von Entscheidungen • Offene, ehrliche und vollständige Information • Anerkennung guter Leistungen • Konstruktive Kritik unter vier Augen („audiatur et altera pars“) • In geradliniger Weise und nachvollziehbar zu argumentieren • Einen bestimmten Fehler einmal machen dürfen bzw. ihn bei anderen akzeptieren, ihn als solchen erkennen und ihn nach Möglichkeit nicht zu wiederholen. Ethisch-verantwortliche Arbeitsbedingungen umfassen z. B.: • Sinnstiftende, ganzheitliche Aufgaben • Spielraum für Handlungen und Selbstverwirklichung • Partizipation an Entscheidungsprozessen • Selbstmanagement (vgl. Göbel 2010, S. 196). Besonderes Augenmerk ist auf ein verantwortungsvolles Outplacement zu richten. Outplacement bezeichnet die Trennung des Unternehmens von einem oder mehreren Mitarbeitern, wobei das Unternehmen den ausscheidenden Mitarbeiter dabei unterstützt, den einen neuen Arbeitsplatz zu suchen (vgl. Olfert 2010, S. 449). Vor allem die psycho-emotionale Verarbeitung des Arbeitsplatzverlusts beim scheidenden Mitarbeiter wird in der Praxis oft krass unterschätzt. Solche oder ähnliche führungsethische Forderungen nach einer „guten Personalführung“ werden in der Literatur schon seit langem erhoben (vgl. z. B. Mayrhofer 2002, S. 286 f.) Basis einer Führungsethik ist die persönliche Entscheidung der Führungskräfte, dem allgemeinen ethischen Prinzip folgen zu wollen, nämlich Gutes zu tun. Sie sollen sich ihrer Verantwortung für den unternehmerischen Erfolg stellen, aber dabei immer auch auf die Folgen, Spät-Nebenfolgen und Rückwirkungen ihrer Entscheidungen für die Betroffenen und die moralische Position des Unternehmens achten. 217 Umsetzung der normativen Managementaufgaben Ohne moralische Gesinnung der Führungskräfte bliebe das richtige Handeln aber auf die Fälle beschränkt, in denen es sich auch betriebswirtschaftlich „rechnet“. Entscheidend sind all jene Fälle, in denen Rentabilität gegen das moralisch Verantwortbare steht (vgl. Ulrich 1999, S. 243 f.). Hier sollte der Moral, also dem Guten, der Vorrang gegenüber dem Profitablen eingeräumt werden (vgl. Göbel 2010, S. 200). 7.6.2 Mitarbeiterethik Unternehmensethik muss auch von den Mitarbeitern gelebt werden. Zur Loyalität der Mitarbeiter gegenüber Führungskräften bzw. Eigentümern gehört vorrangig ein bestimmtes Arbeitsethos, d. h. sich in angemessener und kollegialer Weise für die Erreichung der Unternehmensziele einzusetzen, wie vor allem: • Fleißig, zuverlässig und gewissenhaft zu sein, • auf Qualität und möglichst wenig Fehler bei der Arbeit zu achten, • mit Betriebsmitteln sorgfältig umzugehen, • Verbesserungsvorschläge zu machen, • kein Mobbing zu betreiben, und • Informationen nicht mit dem Ziel zurückzuhalten, sich dadurch Vorteile zu verschaffen. Zudem kann Mitarbeiterethik i. S. von Integrität vor allem in folgender Hinsicht erwartet werden: • keine „consumption on the job” (z. B. durch übermäßiges privates Telefonieren, privates Surfen im Internet), • keine Veruntreuung von Firmenvermögen, • keine Bestechlichkeit oder Bestechung, • Kunden über die Qualität einer angebotenen Leistung nicht zu täuschen, und • illegitime oder illegale Aktivitäten im Unternehmen nicht einfach hinzunehmen. Besonders schwierig wird das moralische Handeln für den einzelnen Mitarbeiter, wenn er damit gegen seine eigenen Interessen verstoßen muss, z. B. wenn offiziell erwartet wird, dass Fehler aufgedeckt werden, aber ein Mitarbeiter, der tatsächlich Unzulänglichkeiten moniert, dafür direkt oder indirekt bestraft wird. Illegitime oder illegale Aktivitäten im Unternehmen gegenüber Vorgesetzten oder – falls das nichts ändert – der Öffentlichkeit aufzuzeigen, wird 218 Umsetzung der normativen Managementaufgaben als „Whistle Blowing“ (dt.: „Verpfeifen“, besser: „Hinweisgebersystem“) bezeichnet. Die Bewertung von Whistle Blowing ist sehr ambivalent. Einerseits handelt der Mitarbeiter gegen die Interessen u. a. von Führungskräften bzw. Kollegen, dem gegenüber stehen aber die durch die illegitimen und illegalen Praktiken Geschädigten (z. B. Kunden, Patienten). Da der Whistle Blower i.d.R. nicht beweisen kann, dass er eine Gewissensentscheidung getroffen hat, könnten ihm unlautere Motive wie Neid, Rachegelüste oder Profilierungssucht unterstellt werden. Sanktionen reichen von der sozialen Ächtung bis hin zur erzwungenen Kündigung. Es erfordert daher ein beträchtliches Maß an Mut und Zivilcourage, um unethische Praktiken zur Sprache zu bringen (vgl. Hitt et al. 2009, S. 69 f.). Es ist eine spezifische Ausprägung der Treuepflicht, dass der Arbeitnehmer ihm bekannt gewordene drohende Schäden oder Störungen des Arbeitsablaufs, die Nachteile für den Arbeitgeber zur Folge haben können, selbständig anzuzeigen hat. Diese Informations- und Anzeigepflicht ist grundsätzlich von der Position des Arbeitnehmers abhängig, wobei sie sich mit steigender Position verstärkt. Dasselbe gilt für schwerwiegendere Verdachtsmomente. Bereits ein einfacher Mitarbeiter hat die Pflicht, ihm erteilte unzulässige Weisungen durch einen Vorgesetzten dem Arbeitgeber zu melden (vgl. Brodil 2009, S. 1025). Hinsichtlich des Principal-Agent-Problems geht es für Arbeitnehmer darum, zunächst den Fit bzw. Misfit zwischen persönlicher Wertestruktur und jener des Unternehmens zu prüfen, Auffassungsunterschiede zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer umgehend und offen zur Sprache zu bringen, gegenüber dem Arbeitgeber loyal zu sein, sich dessen Vertrauen durch klar kalkulierbares Verhalten einerseits und Ergebnisse andererseits zu verdienen und Kontrollen als selbstverständliche Komponente in jedem Prozess und als Aufgabe der Führung zu akzeptieren. Weder externe Normen noch interne Anreiz- oder Kontrollsysteme können das individuelle Ethos der Mitarbeiter vollständig ersetzen, es geht um den nicht endgültig reglementierbaren, aber verantwortungsrelevanten und Werte-vollen Handlungsspielraum jedes Mitarbeiters. Dieses „Goodwill“-Potenzial der Mitarbeiter zu aktivieren, um mit ihnen dann die sprichwörtlichen „Berge versetzen zu können“, ist die eigentliche Aufgabe der Führungskräfte. 7.6.3 Personalauswahl Die Auswahl und Aufnahme der richtigen und moralisch einwandfreien Mitarbeiter und vor allem Führungskräften gilt als eine der bedeutendsten 219 Umsetzung der normativen Managementaufgaben und zugleich komplexesten Aufgaben im Unternehmen. Bedeutend, weil sich Unternehmen und Mitarbeiter i.d.R. lange aneinander binden, und komplex, da viele der gewünschten Eigenschaften des Bewerbers nur schwer schon zu Beginn festgestellt werden können. Damit werden nicht nur personelle Ressourcen akquiriert, sondern die Entscheidung hat auch Kostenfolgen. Nicht nur die Gehalts-, Gehaltsnebenkosten und die freiwilligen Sozialaufwendungen werden in dieser Phase fixiert, sondern es geht auch um die soft skills der Bewerber und um Fragen wie z. B. den folgenden: • Wie hoch können die Kosten eines falschen Führungsstils sein? • Wie hoch werden die Kosten einer eigenwilligen, umständlichen, zeitraubenden usw. Kommunikation? • Wie ist die „Chemie“ und die „Tugendlandschaft“ des/r „Neuen“ mit den bestehenden Führungskräften und Mitarbeitern? Diese Kosten sind Folgen der Rekrutierungsentscheidung, werden aber in einer herkömmlichen Kosten- und Leistungsrechnung i.d.R. nicht sichtbar. Alle Bemühungen, die moralische Qualität des unternehmerischen Handelns mit Hilfe von Verhaltensleitlinien und Kulturmanagement zu erhöhen, scheitern in der Praxis, wenn die Mitarbeiter und Führungskräfte individualethische Defizite aufweisen. Eine Entscheidung für Mitarbeiter und besonders Führungskräfte, die aus Gründen des individuellen Ethos auf die sittliche Orientierung achten, ist nicht nur für die Umsetzung der einer moralisch fundierten Corporate Governance, sondern auch für den respektvollen Umgang miteinander im Tagesgeschäft, entscheidend. Opportunistische, vorrangig materiell orientierte und rücksichtslos agierende Führungskräfte sind mit Sicherheit auch ökonomisch für ein Unternehmen so schädlich wie opportunistische, vorrangig materiell orientierte und rücksichtslos agierende Mitarbeiter. Um Mitarbeiter zu rekrutieren und weiter zu entwickeln, die sich von ihrer Haltung gut in das Unternehmen einfügen und es menschlich und hinsichtlich der Kommunikationsfähigkeit bereichern, muss darauf geachtet werden, Persönlichkeitsmerkmale potenzieller Mitarbeitern mit den ethischen Anforderungen der betreffenden Position abzustimmen. Die Bestellung der geeigneten Person setzt ein Anforderungsprofil voraus. Dann muss das Persönlichkeitsprofil des Bewerbers möglichst exakt erfasst werden, um es mit dem Anforderungsprofil zu vergleichen. Bei bestehenden Mitarbeitern muss darauf geachtet werden, Handlungsspielräume so zu gestalten, dass sie den Präferenzen der Angestellten entsprechen und es ihnen ermöglicht wird, unter Einhaltung des Code of Ethics ihre Fähigkeiten zu entfalten. Dies wirkt sich positiv auf deren Mo220 Umsetzung der normativen Managementaufgaben tivation aus (vgl. Olfert 2010, S. 281–290). Es ist essentiell, die Wertesysteme der Entscheidungsträger untereinander und sie mit dem Zielsystem des Unternehmens abzugleichen. Divergenzen sind offen und umgehend anzusprechen und auf konsensuale Lösungsmöglichkeiten zu untersuchen. Nach einer Analyse von Stellenanzeigen für Führungskräfte in verschiedenen überregionalen Zeitungen kommt Schneider (1993, S. 82–86) zum Schluss, dass moralische Aspekte bei der Formulierung von Anforderungsprofilen nur eine sehr geringe Rolle spielt. Es werden aber doch einige Eigenschaften gefordert, die eine sittliche Orientierung ansprechen, wie z.B. Verantwortungsbewusstsein, Integrität oder Gewissenhaftigkeit. 7.6.4 Entgeltsysteme Entgelt umfasst nicht nur die monetäre Honorierung der Tätigkeit, sondern auch die immaterielle Komponente (Lob, Anerkennung, Status, interessante Aufgabe). Zu einem nicht unerheblichen Teil hängt die Beurteilung von Mitarbeitern i.d.R. von der persönlichen Einschätzung und Wertschätzung durch den Vorgesetzten ab. Moralität muss belohnt oder darf zumindest nicht bestraft werden: In der Kritik stehen auch die Determinanten der Vergütung: Insb. Aktienoptionsprogramme führen dazu, dass Führungskräfte oft schon dann Prämien erhalten, wenn der Aktienkurs steigt, selbst wenn die Leistungen des Unternehmens zurückbleiben. Das fördert oft die Kurzfristorientierung. Auch kann die Ankündigung von Kosteneinsparungen durch Kündigungen den Aktienkurs treiben. Dazu kommt, dass solche Kündigungen betriebswirtschaftlich oft gar nicht erforderlich sind, sondern nur das Gewinnniveau weiter steigern. Es hieße, die Moralität des Einzelnen stark auf die Probe zu stellen, wenn der Ehrliche bzw. Verantwortungsbewusste letztlich der Dumme wäre. Was nutzt das Bekenntnis zum Verzicht auf Korruption, wenn derjenige befördert wird, der mithilfe von Bestechung den größten Auftrag an Land zieht? Oder wenn der Manager, der im Einklang mit den öffentlichen Bekenntnissen zur Nachhaltigkeit Umweltschutzinvestitionen vornimmt, wegen der hohen Abschreibungskosten gerügt wird? Das führt à la longue zu einer Erosion der moralischen Gesinnung und zur Bestätigung der Tatsache, dass Opportunismus gewinnt. Das wäre das falsche Signal. Eine Erhöhung des Objektivitätsgrads der Beurteilung, die ja i.d.R. auf nicht quantifizierbaren persönlichen Eindrücken beruht, ist durch die Einbeziehung mehrerer Urteile möglich, wenn nicht sogar geboten, so z. B. des 221 Umsetzung der normativen Managementaufgaben direkten Vorgesetzten, von Kollegen, externen und internen Kunden, durch wichtige Stakeholder und durch den zu Beurteilenden selbst. Was honoriert wird, wird auch gemacht. Daher müssen ethische Gesichtspunkte auch konsequent in die Leistungsbeurteilungs- und Honorierungssysteme integriert werden. Entgeltsysteme sollten grundsätzlich mehr normative und strategische Kriterien umfassen. Heute überwiegt noch die Konzentration auf operativen und damit eher kurzfristig beeinflussbaren Faktoren. Sinnvoll erscheinen Vergütungsschemata, die • der Erzielung nachhaltiger Ergebnisse höheren Wert als der Erzielung hoher Gewinne auf kurze Sicht und auf Kosten der Erfolgspotenziale einräumen • die Art der Entstehung der Ergebnisse unter moralischen Aspekten beurteilen, und die • den Wert einer integren Unternehmensführung hoch gewichten, und • als System gerecht und transparent gestaltet sind. In Umsetzung der EU-Vergütungsempfehlung 2009 sieht der Entwurf des ÖCGK 2010 vor, dass die Vergütung von Vorständen auch variable Vergütungsbestandteile umfassen soll. Diese sollen insb. an nachhaltigen (d. h. für einen Zeitraum von mindestens zwei Jahren) und auch nicht-finanziellen Leistungskriterien anknüpfen und nicht zum Eingehen unangemessener Risiken veranlassen (vgl. www.wienerboerse.at 2010). Auch § 39b BWG und die Arbeiterkammer fordern in ihrer jüngsten empirischen Untersuchung ein auf Nachhaltigkeit zielendes Vergütungsschema (vgl. www.arbeiterkammer.at 2010). 7.6.5 Personalentwicklung Eine moralorientierte Personalentwicklung muss das Spannungsverhältnis Mensch – Führungskraft thematisieren. Es muss klar werden, dass die Moral in der Praxis nicht etwas vom Wirtschaftshandeln zu Trennendes ist und dass Wirtschaftsakteure nicht im moralfreien Raum agieren (vgl. Göbel 2010, S. 253). Ziel der moralischen Persönlichkeitsentwicklung sollte das Erreichen eines prinzipienorientierten Bewusstseins sein, das sowohl das unkritische Unterordnen unter Konventionen als auch bloße Nützlichkeitserwägungen hinter sich lässt (vgl. Maak/Ulrich 2007, S. 480). Eine Ethik-Aus- und Weiterbildung des Personals gehört zu den sehr häufig genannten Maßnahmen in der Umsetzung der Unternehmensethik (vgl. z. B.: Crane/Matten 2007, S. 146 f.; vgl. Noll 2002, S. 142 f.). Wichtiges 222 Umsetzung der normativen Managementaufgaben Entwicklungsziel ist die Steigerung der moralischen Kompetenz als Teilbereich der sozialen Kompetenz. Wie schon erörtert, umfasst die moralische Kompetenz vier Teilkompetenzen: • Moralische Sensibilität: Zur Stärkung der kognitiven Komponente ist z. B. die Diskussion über Inhalte des Leitbilds sinnvoll. Zur Stärkung der affektiven Komponente eignen sich Diskussionen über Fälle, in denen sich verschiedene berechtigte Ansprüche gegenüberstehen (Dilemmata), oder Rollenspiele. • Moralische Urteilskraft: Gefördert werden sollte das Interesse, sich von der Fremdvorgabe von Normen zu lösen und zu einem eigenen Urteil und Ethos zu kommen. • Moralische Motivation: Zu fördern ist die moralische Gesinnung. • Verständigungskompetenz: Hier sind Konfliktfähigkeit und Diskussionsbereitschaft zu fördern. Die Teilnehmer müssen z. B. schon mit dem Willen zur Offenheit, Ehrlichkeit und mit einer Konsensorientierung in den Diskurs eintreten. Zur moralischen Kompetenz gehört auch die Fähigkeit zur Rollendistanz: Aufgezeigt werden kann die praktische Bedeutung moralischer Aspekte betriebswirtschaftlicher Entscheidungen insb. über Fallstudien aus der Praxis. Zur besseren Vermittlung zwischen den Bereichen Ethik und Betriebswirtschaft sollte auch auf die zahlreichen direkten bzw. indirekten („Umwegrentabilitäten“) ökonomischen Vorteile einer angewandten Unternehmensethik hingewiesen werden. Es muss auch klar gemacht werden, dass der wirtschaftliche Vorteil ein positiver Nebeneffekt des moralischen Handelns, nicht aber sein zentrales Ziel ist (vgl. Göbel 2010, S. 260). Waibl nennt folgende Entwicklungsrichtungen (vgl. Waibl 2005, S. 14–16): • Entwicklung von moralischem Sinn. Aus ethischer Sicht kommt es darauf an, die moralisch richtigen Dinge richtig zu tun. • Entwicklung von Gespür für das moralische Gewicht von Problemen • Entwicklung von Einfühlungsvermögen (Empathie: von sich selbst abstrahieren) • Entwicklung der Fähigkeit, moralische Konfliktsituationen rechtzeitig und klar als solche zu erfassen • Entwicklung der Fähigkeit, Probleme umfassend zu evaluieren, d. h. von verschiedenen Gesichtspunkten aus zu betrachten • Entwicklung der Fähigkeit, konstruktive Lösungen zu entwerfen • Entwicklung der Fähigkeit, Handlungsfolgen abzuschätzen • Entwicklung von Augenmaß für das Mögliche und Angemessene • Entwicklung von Selbstkritik und Urteilsvermögen. 223 Umsetzung der normativen Managementaufgaben 7.7 Organisationsstruktur Im Verhalten kommt es auf die persönliche Absicht (Gesinnung) und die Bereitschaft und Fähigkeit an, alle Folgen einer Entscheidung abzuwägen und zu berücksichtigen. Verantwortung beinhaltet neben der Leistungsauch die moralische Perspektive. Die funktionale Arbeitsteilung verstärkt aber die Tendenz, die Folgen des Handelns nur partiell zu erkennen. Empfehlungen zum Abbau organisatorischer Barrieren basieren hauptsächlich auf der Idee einer Re-Integration iS, dass in Prozessen Teilaktivitäten wieder zusammengeführt werden und Selbstabstimmung, Job Rotation, flache Hierarchien u. a. forciert werden. Hier ist auf die zahlreichen Vorschläge in der personalwirtschaftlichen Literatur zur Humanisierung der Organisation bzw. der Arbeitsbedingungen zu verweisen (vgl. z. B. Wunderer/Jaritz 2006, S. 228–234). Zur vollinhaltlichen Umsetzung ethischer Aspekte bedarf es der aufbauorganisatorischen Unterstützung für Top Management und normatives Controlling in Gestalt eines Ethik-Beauftragten, eines Compliance Managers oder eines „Ethics Officers“. Seine Aufgaben sind vor allem (vgl. Maak/Ulrich 2007, S. 502): • Compliance in Bezug auf externe Normen und auch hinsichtlich Einhaltung von Selbstbindungsmaßnahmen • Prävention, Analyse von moralischen Risiken bzw. von tatsächlichen Fällen moralischen Fehlverhaltens • Schlichtung bei auftretenden Problemen oder Konflikten (als Ombudsperson). In dieser Funktion soll er bzw. sie Hemmschwellen in der Kommunikation abbauen und offen sein für Stakeholder-Anliegen, sie soll Konflikte abfangen, bevor sie eskalieren. • Training zur ethischen Weiter- und Kompetenzbildung • Diskussion mit internen und externen Stakeholdern • (Weiter-)Entwicklung der normativen und ethischen Position im Unternehmen. In der Praxis herrscht oft die Meinung, die entsprechenden Aufgaben könnten von den Führungskräften selbst übernommen werden. Dem entgegen stehen aber zeitliche Kapazitätsdefizite bzw. das fehlende Spezialwissen. Andererseits besteht oft die Gefahr, dass ein Einzelbeauftragter oder eine Stelle den Eindruck erwecken könnte, nur diese(r) sei für Ethik zuständig, alle anderen bräuchten sich daher darum nicht mehr zu kümmern. Es sollte auch weder eine Alibi-Funktion noch als „Moralpolizei“ (Maak/ Ulrich 2007, S. 500) fungieren, sondern die Einrichtung bzw. (Weiter-) 224 Umsetzung der normativen Managementaufgaben Entwicklung normativer Fragestellungen vorantreiben und professionalisieren. Der gesetzliche Zwang zur Etablierung bestimmter Beauftragter, wie z. B. im Bereich der Geldwäsche, ist aber ein Indiz für eine erhoffte positive Wirkung einer eigenen Stelle: Ein Mitarbeiter kann mit seinem (Whistleblower-)Anliegen, z. B. einem Korruptionsverdacht oder dem Verdacht auf Untreue, zu einer neutralen Person kommen und hat bessere Chancen, gehört und ernst genommen zu werden, als wenn er sich an seinen Vorgesetzten wenden würde (vgl. Göbel 2010, S. 270–277). Ist das intern nicht möglich, könnte auch eine externe Stelle, z. B. ein Rechtsanwalt, diese Funktion übernehmen. Zu diesen aufbauorganisatorischen Überlegungen kommen noch zwei erforderliche Änderungen in der Prozessorganisation: • Geschäftspartner-Due Diligence: Gemeint ist ein systematisches Screening von Geschäftspartnern auf ihre Integrität, Glaubwürdigkeit und vertrauensbildende Maßnahmen. „Red flags“ wären z. B. Nebenfunktionen und damit Interessenskonflikte des Geschäftsführers einer ausländischen Konzerntochter oder die Weigerung eines Kunden oder eines Lieferanten, seine Eigentümerstruktur offenzulegen. • Erhöhung des Stellenwerts von Prozessen im Zusammenhang mit dem IKS durch Workshops, vor allem zur Stärkung des Problembewusstseins und zur Durchsprache tatsächlich passierter Fälle („Könnte so etwas auch bei uns passieren?“). Vor allem bedarf es regelmäßiger Audits, ob die Bestimmungen des IKS auch tatsächlich eingehalten werden bzw. wurden bzw. warum das nicht der Fall ist bzw. war. 7.8 Zusammenarbeit zwischen dem normativen Controlling und anderen Stellen bzw. Funktionsträgern Die Einrichtung eines normativen Controllings bedarf neben der Unterstützung durch die Personalpolitik und die Aufbau- und Prozessorganisation auch der systematischen, strukturierten Zusammenarbeit zwischen dem normativen Controlling und vor allem den folgenden Stellen: • Führung • Aufsichtsorgan • Interne Revision • Risikomanagement • Compliance Management bzw. Ethics Officer. Dazu im einzelnen: 225 Umsetzung der normativen Managementaufgaben Führung Die Aufgabenteilung zwischen und normativem $ $ normativem Management $ Controlling kann wie folgt detailliert werden (vgl. Abbildung 44 und 45): B3G,%F(+.4(#.+"#$%&'(+.KH0#3+, B3G,%F(+.4().+"#$%&'(+..6"+-#"551+,) G(.0*$F"(=$L7..8$67)71.8$$97))71.$-.; :(7*"7,;$;()$@.*(=.(A?(.)$.+TA I=7./*$G7)0-))71.)3=12())$F"(=$;(.$L*(,,(.<(=*$;(= @.*(=.(A?(.)(*A70$$7.$'+./ G-=TA;(.0*$;7($$I(27(A-./(.$2<7)TA(. @.*(=.(A?(.$-.;$$L*+0(A1,;(=. !.+,`)7(=*$8$=(u(0O(=*$-.;$7.*(=3=(O(=*$;7($b1,/(. /(*=1n(.(=$/=-.;)C*2,7TA(=$-.;$)*=+*(/7)TA(= H.*)TA(7;-./(.$+-M$$L*+0(A1,;(= G(.0*$.+TA$F"(=$;(.$L*+*-)$R1.$>1=?(.8 !.+,`)7(=*$8$=(u(0O(=*$-.;$7.*(=3=(O(=*$?7m(,)$>1=?(.B8 .1=?+OR(.$h7(,(.$-.;$;(=$D(=*(TA+=*+ D(=*(B$-.;$91=+,B$-.;$j-/(.;TA(T0$;(.$^.1=?+OR(.$b7*_ 7?$@.*(=.(A?(. I(+-s=+/*$Hc*(=.($?7*$;(=$H=A("-./$R1. !.+,`)7(=*$8$=(u(0O(=*$-.;$7.*(=3=(O(=*$;7($9+TA"+=0(7* E-M$-.;$E(3-*+O1.$;()$@.*(=.(A?(.) 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Abb. 44 $ $ $ Quelle: Eigene Darstellung B3G,%F(+.4(#.+"#$%&'(+.KH0#3+, B3G,%F(+.4().+"#$%&'(+..6"+-#"551+,) G-=TA;(.0*$3(=)1.+,31,7O)TA($-.; 1=/+.7)+*1=7)TA($!.M1=;(=-./(.$$;(=$@?)(*2-./ (7.()$.1=?+OR(.$9+.+/(?(.*) @.*(=)*F*2*$;+)$.1=?+OR($9+.+/(?(.*$"(7$;(= LTA+n-./$;(=$61=+-))(*2-./(.$$MF=$(7.( ^E-.;(=.(-(=-./$;(=$'()7..-./_ b1=;(=*$@.*(=)*F*2-./$$7.$;(=$P1.2(3O1.$$(7.(= +-M$\=CR(.O1.$$R1=$97))?+.+/(?(.*$-.;$;1,1)( l+.;,-./(.$+-)/(=7TA*(*($y"(=<+TA-./$+-M I+)7)$;(=$@.*(=.(A?(.)(*A70 :(7)*(*$;7()(.$L-331=*$;-=TA$I(=+*-./8 D(=*(;7)0-))71.(.$-.;$$!.<(.;-./$R1. !.+,`)(B8$I(<(=*-./)?(*A1;(.$-.; /+.2A(7*,7TA($b1,/(."(*=+TA*-./ !TA*(*$7.$7A=(.$.1=?+OR(.8$)*=+*(/7)TA(.$-.; 13(=+OR(.$H.*)TA(7;-./(.$+-M$;7($b1,/(.$+-M$;7( .1=?+OR($\1)7O1.$7?$@.*(=.(A?(. \=Fs$;-=TA$SA(T0$;()$L*+*-*)$;(=$.1=?+OR(. 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In der Literatur finden sich zahlreiche (fundamental-)ethische Grundsätze, wie vor allem die nachstehenden (vgl. Reimer 2005, S. 56; vgl. Thommen/Achleitner 2006, S. 1048; vgl. Waibl 2005, S. 60 und 188; vgl. Hemel 2007, S. 107): • Der kategorische Imperativ Kants: „Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die Du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde!“ • Das Postulat der Biophilie (Lay): „Handle so, dass Du das personale (soziale, emotionale, musische, sittliche, religiöse) Leben in dir und anderen eher mehrst denn minderst oder verkürzst!“ • Goldene Regel: „Was Du nicht willst, dass man Dir tu’, das füg’ auch keinem anderen zu!“ • „Primum non nocere“ („Zumindest dem Patienten nicht schaden!“) in der Medizin; warum soll dieser Grundsatz nicht auch im Unternehmen gelten? • „Das tut man nicht!“ bzw. „Lügen haben kurze Beine!“ bzw. „Ehrlich währt am längsten!“ als einfache, aber tiefgründige Alltagsregeln. Wesentlicher Vorteil dieser Grundsätze ist der Ausdruck ethischer Werte, der große Nachteil aber ist die hohe Abstraktheit, aufgrund derer im konkreten Anwendungsfall ein solcher Grundsatz erst umfangreich bzw. langwierig interpretiert und die konkrete situative Anwendbarkeit überlegt werden muss („Was heißt das auf unseren Fall bezogen?“). Daher bedarf es zusätzlicher, konkreter Regeln zur Güter- bzw. Übelabwägung, wie vor allem folgender (vgl. Laubach 2000, S. 268–275; vgl. Korff 1979, S. 68–74): • Feststellung, ob ein ethisches Dilemma vorliegt bzw. welche Konstellation gegeben ist • Umfassende, gründliche und systematische Analyse der geltenden Umfeldbedingungen (insbesondere der rechtlichen und der ethischen Anforderungen) sowie die Berücksichtigung der öffentlichen Meinung • Umfassende, gründliche und systematische Auseinandersetzung mit Pro- und Contra-Argumenten, Interessen („cui bono“? Wem nützt es?), Motiven und Werten der Betroffenen/Betreffenden • Systematische Entwicklung von Handlungsalternativen • Umfassende, gründliche und systematische Entwicklung der direkten und indirekten, der unmittelbaren und der später einsetzenden sowie 227 Umsetzung der normativen Managementaufgaben • • • • • • der sicheren, wahrscheinlichen und möglichen Folgen der einzelnen Handlungsalternativen auf Unternehmen und Stakeholder Fundamentalere Güter und Werte haben Vorrang vor weniger wichtigen, z. B. Arbeitssicherheit geht vor Zeitersparnis im Arbeitsprozess. Nachhaltigkeit hat Vorrang vor Kurzfristdenken. Das legitime Interesse einer Stakeholdergruppe soll Vorrang haben vor dem legitimen Interesse einer anderen Stakeholdergruppe, wenn das der ersteren voraussichtlich gravierendere Folgen für das Unternehmen hat. Im Konfliktfall ist c.p. zugunsten der Mehrheit der Stakeholderinteressen zu entscheiden. Entscheidungen mit reversiblen Folgen sind solchen mit irreversiblen Folgen vorzuziehen. Bei unvermeidlichen Übeln ist das kürzer dauernde dem länger dauernden vorzuziehen. Solche Grundsätze und Regeln können dem für eine Entscheidung Verantwortlichen die Abwägung zwischen Gütern bzw. Übeln zwar nicht abnehmen, liefern aber doch wertvolle Anhaltspunkte für ein Agieren i. S. der angewandten Unternehmensethik und für ein Austarieren und Ausbalancieren der unterschiedlichen, oft höchst heterogenen und überdies komplexen und im Zeitablauf veränderlichen Ansprüche und Interessen einzelner Stakeholder. Aufsichtsorgan Aufsichtsorgane wie z. B. Aufsichts- oder Verwaltungsrat überwachen die Tätigkeit der Führung. Diese Aufgabe haben die Mitglieder dieser Gremien ernst zu nehmen, das ist bereits eine Frage des Arbeitsethos. Hinzu kommen grundsätzliche Anforderungen an eine qualitativ hochwertige Aufgabenerfüllung, wie insbesondere • Unabhängigkeit, • Objektivität, • Commitment, • Annahme nur einer bewältigbaren Anzahl von Aufsichtsratsmandaten, und • der Komplexität der Aufgabe angemessener Sachverstand. Maak/Ulrich (vgl. 2007, S. 233) nennen weitere Prinzipien, denen die Arbeit des Aufsichtsorgans genügen sollte: • das (kritische) Loyalitätsprinzip, um im besten Interesse des Unternehmens zu handeln. • Das Fürsorgeprinzip, d. h. sich über das Unternehmen so zu informieren, dass verantwortbare Entscheidungen getroffen werden können. 228 Umsetzung der normativen Managementaufgaben • Nachhaltigkeitsprinzip, wonach Entscheidungen den strategischen Zielen des Unternehmens und den Interessen möglichst vieler Stakeholder dienen sollen. Auch Aufsichtsratsmitglieder haben sich vor jeder Entscheidung folgende entscheidende Frage zu stellen: Würden Sie die Entscheidung/-en auch so treffen, wenn es nicht um das Geld des Unternehmens, sondern um Ihr eigenes ginge? Überwachung ist aber auch eine Aufgabe des Controllings. Dennoch dürfen Aufsichtsrat und Controlling nicht hinter dem Rücken der Geschäftsführung agieren, sondern es geht darum, transparent, offen und unter einander abgestimmt die Aufgaben im jeweiligen eigenen Wirkungsbereich zu erfüllen. Interne Revision Die optimale Erfüllung der Rollen von Controlling und interner Revision erfordert eine enge Kooperation. Die Zusammenarbeit kann wie folgt skizziert werden: • Controller unterrichten die internen Revisoren über Mängel im IKS, die bei Prüfungen des Controllings festgestellt wurden, sowie über Verdachtsmomente bezüglich Malversationen (Missmanagement oder doloser Handlungen) und können somit Sonderprüfungen veranlassen. • Die interne Revision berät sich bei der Prüfungsplanung mit dem Controlling über Schwerpunkte ihrer Prüfung. • Prüfungen der internen Revision münden in Verbesserungsvorschlägen, jedoch sind diese i.d.R. wegen der unregelmäßigen Revisionstätigkeit, dem oft großen zeitlichen Abstand zwischen Audit und Follow-up (Folgeprüfung) und der oft langwierigen Umsetzung nicht für Regelungsmaßnahmen geeignet. Hier sollte Controlling die interne Revision unterstützen. • Controlling ist selbst Prüfungsgegenstand der internen Revision (z. B. Prüfung auf Zweckmäßigkeit, Wirtschaftlichkeit, etc.). • In Unternehmen, in denen aufgrund ihrer geringen Größe eine interne Revision als eigene Stelle wirtschaftlich keinen Sinn macht, kann Controlling die wichtigsten Überwachungsfunktionen der internen Revision übernehmen. Risikomanagement Berührungspunkt der Zusammenarbeit ist die Einrichtung bzw. Weiterentwicklung eines gezielten Risikomanagements, nämlich mit dem Fokus auf 229 Umsetzung der normativen Managementaufgaben Schwachstellen im IKS und auf Risiken für Missmanagement und dolose Handlungen. In Bezug auf Korruption zielt Risikomanagement z. B. auf Gefahrenquellen wie Bevorzugung bestimmter Lieferanten, Überfakturierung durch Lieferanten, Verkäufe unter Wert, intransparente Forderungsabschreibung, Verstoß gegen das Konkurrenzverbot (§ 7 Abs. 1 AngG), Umgehung von Regeln zur Zahlungsfreigabe, „schwarze Kassen“ oder die Manipulation von Ausschreibungen. Während in einer Untersuchung 14 % wirtschaftskrimineller Handlungen durch Risikomanagementmaßnahmen aufgedeckt werden, sind es nur 7 % durch Whistle-blowing (vgl. www.pwc.com 2009). Compliance Management Compliance ist ebenso wie Controlling eine Funktion zur Überwachung des Unternehmensgeschehens (vgl. Lühn 2009, S. 233). Die gegenseitige Abstimmung der Aufgaben zwischen Compliance und Controlling bezieht sich • einerseits auf die Formulierung interner Normen auf Basis der und in Abstimmung mit externen Normen und • andererseits auf die Einhaltung von externen Normen (durch Compliance bzw. durch Stellen in der Rechtsabteilung) und von internen Normen (durch Controlling). Compliance Management kann die Frühaufklärungsfunktion des normativen Controllings verstärken, da es i.d.R. frühzeitig Informationen über Normierungsvorhaben im legistischen Bereich an das Controlling weitergeben kann bzw. sollte, worauf dieses i. S. eines „vorauseilenden Gehorsams“ mit Vorschlägen zur Anpassung der entsprechenden internen Normen reagieren kann. Ethics Officer Hier ist ebenfalls eine enge Kooperation mit dem Controlling zu etablieren: • Ein Ethics Officer wird vor allem den Stakeholder-Dialog initiieren, koordinieren und pflegen. • Das Controlling werden die Erkenntnisse der Analysen des Ethics Officers interessieren. • Der Ethics Officer wird das normative Controlling auch bei der Moderation von Workshops zu normativen Fragstellungen unterstützen bzw. diese federführend bestreiten. • Und das normative Controlling wird entlastet bei der Weiterentwicklung z. B. der „Werte- und Tugendenlandschaft“ im Unternehmen. 230 Umsetzung der normativen Managementaufgaben 7.9 Lessons learned Die Umsetzung normativer Inhalte bedeutet das aktive Ergreifen von Maßnahmen, die das Scheitern der Verwirklichung normativer Konzepte systematisch zu verhindern suchen. Damit normatives Management und normatives Controlling nicht nur Konzepte und theoretisches Konstrukt bleiben, muss das Management • Vision, • Mission, • moralische Grundsätze, • Werte und Tugenden, • Unternehmenskultur, • Leitbild und • sonstige interne Normen als Soll möglichst realistisch konzipieren, verständlich formulieren, die Normadressaten intrinsisch motivieren und die Umsetzung so konsequent steuern, dass die Normen auch eingehalten und gelebt werden. Als Unterstützung dazu sollte es sich des normativen Controllings bedienen, wenn Bedarf danach besteht. Die Einführung des normativen Controllings im Unternehmen ist eine organisatorische Innovation. Innovationen bedürfen als conditio sine qua non zu ihrer erfolgreichen Realisierung der ungeteilten Unterstützung durch das Top Management. Im Mittelpunkt der Umsetzung des normativen Controllings stehen vor allem Begleitmaßnahmen im normativen Bereich, im strategischen Management und durch die Personalpolitik. Die Einführung des normativen Controllings sollte jedenfalls konzeptgesteuert erfolgen. Die Umsetzung sollte dabei folgende Elemente umfassen: • Im Wertemanagement geht es um die bewusste Gestaltung der Werthaltungen und Wertekataloge der einzelnen Mitarbeiter und Führungskräfte. • Es ist ein Ethikkodex (Code of Ethics) zu entwickeln. Er soll Standards, Richtlinien und Werte als verbindliche Rahmenbedingungen für individuelles und institutionelles Handeln enthalten, an die sich alle Mitarbeiter im Unternehmen zu halten haben und die die Zusammenarbeit untereinander und mit Außenstehenden wie Lieferanten, Behörden usw. definieren. • In einem ethikorientierten strategischen Management ist es für die moralische Bewertung von zentraler Bedeutung, ob die strategischen Entscheidungen in der konkreten Situation mit einer auf Nachhaltigkeit angelegten und auf Konsens ausgerichteten Moral vermittelt werden, d. h. 231 Umsetzung der normativen Managementaufgaben ob sich das Unternehmen in der Wahl der Strategien um die Vermittlung der Interessen aller Betroffenen bemüht oder nicht. • Auch in der Personalpolitik ist auf eine ausgewogen ökonomisch-ethische Handhabung zu achten; das gilt insb. für Personalauswahl, -entwicklung, -vergütung sowie für den Führungsprozess. Bei der Umsetzung des normativen Managements und des normativen Controllings sind ethische Grundsätze, wie z.B. der kategorische Imperativ Kants, und Regeln zur Güter- bzw. Übelabwägung, wie z.B. Nachhaltigkeit hat Vorrang vor Kurzfristdenken, beachtenswert. Das normative Controlling wird i.d.R. nicht die einzige beratende Stelle des normativen Managements sein; Kontakt- und Abstimmungsbedarf bestehen vor allem mit den folgenden Stellen: • Aufsichtsorgan • Interne Revision • Risikomanagement • Compliance Management • Ethics Officer. 7.10 Learning by doing A 7.1 Einige Institutionen bieten an, Unternehmen bei der Formulierung ethischer Verhaltensleitlinien zu unterstützen. Worauf ist bei solchen Dienstleistungsangeboten zu achten? A 7.2 Im Zuge einer Organisationsänderung wurde eine Holding eines internationalen Konzerns, die als Ebene zwischen operativen Gesellschaften und der Konzernholding fungierte, aufgelöst und die in ihr tätigen drei Mitarbeiter und ihr Vorgesetzter gekündigt. Die aus der Konzernzentrale angereiste zuständige Führungskraft fand es nicht für nötig, mit den ausscheidenden Mitarbeitern ein Gespräch zu führen, sondern delegierte dies an den Vorgesetzten der drei Mitarbeiter. Wie sehen Sie das aus moralischer Sicht? A 7.3 Kommentieren Sie bitte den folgenden Spruch: „Wenn etwas erfolgreich war, war es der Chef. Wenn etwas danebenging, waren es die Mitarbeiter.“ 232 Umsetzung der normativen Managementaufgaben A 7.4 Bitte recherchieren Sie im Internet über das Kulturmanagement im Fall der Fusion zwischen Daimler-Chrysler! A 7.5 Bitte analysieren Sie den Code of Ethics von drei ATX- bzw. DAX-Unternehmen Ihrer Wahl. Welche Besonderheiten, Gemeinsamkeiten bzw. Unterschiede fallen Ihnen auf? 233 8 Zusammenfassung und Ausblick Die Beschäftigung mit Ethos, Moral und Ethik zeigt, welche Mächtigkeit und welchen Erkenntnisreichtum Ethik als Lehre vermitteln kann, und dass viele Teilgebiete und -aspekte der Ethik berücksichtigt werden müssen, um zu relevanten Aussagen für eine moralische Unternehmensführung zu kommen. Vor allem drängt sich die folgende Einsicht auf: Kein Verhalten, auch nicht im Kontext von Management und Controlling, ist ohne Rekurs auf ethische Grundsätze durchgängig verständlich bzw. interpretierbar. Die Zeit erscheint reif, Ethik als Führungsthema ernster zu nehmen als dies in der Praxis bisher geschah. Ethik ist daher auch ein Thema für Controlling. So wie • operatives Controlling die operative Führung und • strategisches Controlling die strategische Führung ergänzen, bietet sich das normative Controlling zum Zweck der Ergänzung, Entlastung und Professionalisierung des normativen Managements an. Unter Norm verstehen wir im vorliegenden Kontext: Vision, Mission, Werte, Tugenden, Unternehmenskultur, Leitbild und weitere interne unternehmenspolitische Regelungen, wie z.B. einen Ethik-Kodex. Normatives Management bedeutet aktive Unternehmenspolitik, es geht um policies und um politics, um Sinngebung und um das Sichern der Sinnverwirklichung. Die grundsätzliche Entscheidung der normativen Führung ist jene über die Seite der Wertemedaille (vgl. Abb. 4), die das Verhalten im Unternehmen und zwischen Unternehmen und Umfeld bestimmen soll; ob also im Unternehmen Vertrauen und Glaubwürdigkeit oder eine von Misstrauen geprägte Kontrollkultur die Unternehmenskultur bestimmen. Ziel des normativen Controllings ist, die normative Führung bei der Entwicklung bzw. Stärkung der moralischen Fortschrittsfähigkeit des Unternehmens, seiner Akteure und der internen Stakeholder zu unterstützen. Dabei ist auf die untrennbare Verquickung von Moral einerseits und den normativen, strategischen und operativen Entscheidungen andererseits hinzuweisen. Als Aufgaben des normativen Controllings im integrierten normativen Konzept wurden folgende vorgestellt: • Analyse, Reflexion und Sparring • Innovation • Information • Planung 234 Zusammenfassung und Ausblick • Überwachung und • Koordination. Warum soll das aber ein normatives Controlling machen? Gibt es für solche Aufgaben nicht ohnehin eine Human Relations- bzw. eine Compliance-Stelle im Unternehmen? Reicht dafür nicht eine Ethik-Ombudsstelle? Soll also der Controller nicht besser den Schuster, der „bei seinem Leisten“ (Budgetierung, Kennzahlen, Soll-Ist-Vergleiche, Reporting, hin und wieder strategische Analysen, u.a.) bleibt, spielen? Auf Basis der Überlegungen in diesem Buch lautet die Antwort auf die zuletzt gestellte Frage: NEIN. Denn aufgrund des ihm von der Literatur und in der Praxis zugeschriebenen analytischen Denkens und seiner Zahlenaffinität, aber zunehmend auch aufgrund der immer stärker geforderten Kreativität kann das normative Controlling als interner „Think-tank“ einen wertvollen Beitrag leisten, um das normative intellektuelle Kapital (NIK) im Unternehmen, d.h. • Vision und Mission • Normen • Werte • Tugenden und • Unternehmenskultur, zu thematisieren, diese Elemente als intangibles und als Erfolgspotenziale zu begreifen, zu erfassen, zu operationalisieren, qualitativ zu bewerten, und so für die normative Führung gestalt- und managebar zu machen. Controlling kann sich so zum Balanced Controlling entwickeln, d.h. zur Integration von operativem, strategischem und normativem Controlling. So wie es einen positiven Vorsteuerungszusammenhang zwischen strategischem und operativem Management gibt, gibt es ihn auch an zwischen normativem, strategischem und operativem Management. Die aufgrund der genannten empirischen Befunde vorläufig bestätigte Hypothese dazu lautet: Je mehr es der normativen Führung gelingt, Werte, eine positive Grundhaltung und Kultur und eine vorbildhafte Moral aller Führungskräfte und Mitarbeiter zu schaffen und zu fördern, umso eher stellen sich strategischer Erfolg (d.h. die zielentsprechende Umsetzung der Strategien), operativer Erfolg (definiert z.B. als EGT, EBIT, ROI) und finanzieller Erfolg (gemessen z.B. am Cash flow) ein. Das normative Synergiepotenzial kann dabei auf rund 20 % oder rund 100 Minuten pro Acht-Stunden-Arbeitstag geschätzt werden; so hoch sind die Folgen destruktiven persönlichen Verhaltens, gemessen in Zeit aufgrund der Ablenkung eines Mitarbeiters von den eigentlichen Aufgaben infolge von Demotivation, innerer Kündigung oder Konflikten. 235 Zusammenfassung und Ausblick Als Instrumente des normativen Controllings wurden folgende genannt bzw. entwickelt: • Normen-Check • Moral-Check • Werte- und Tugend-Check • Kulturprofil-Check • Stakeholder-Analyse • Normative Bilanz • Leitbild-Check • Normativer Plan • Normative Kennzahlen • Bericht über normative Sachverhalte, insb. im Rahmen des Strategic Advantage Reportings. Diese Instrumente sind – mit Ausnahme des Kulturprofil-Checks und des Werteprofils – neu und als Vorschläge für die weiterführende Diskussion um das normative Controlling in Theorie und Praxis gedacht. Aber die im vorliegenden Buch diskutierten unternehmensinternen Normen, Vorzugsregeln, Appelle und Instrumente oder das Beschwören der Institutionen (insb. Politik, Rechtssetzung und Rechtsprechung, Kirche) als Hüter der Moral sind in der heutigen, von wirtschaftlichen Interessen dominierten Gesellschaft wirkungslos, weil letztere dieser ihrer Funktion oft einfach nicht gerecht werden. Es reicht auch nicht, die Unternehmen als „Orte der Moral“ in die Pflicht nehmen zu wollen, gemäß einem Ausspruch, der Drucker zugeschrieben wird: „Whenever an institution malfunctions as … board of directors have in nearly every major fiasco of the last 40 or 50 years, it is futile to blame men. It is the institution that malfunctions.“ Es ist zu akzeptieren, dass die letztgültige Instanz der Grundsatzentscheidung: „Gut oder böse“ der bzw. die Einzelne, sein bzw. ihr Ethos und sein bzw. ihr Gewissen ist und bleibt. Diese höchstpersönliche Verantwortung vor sich selbst ist nicht wegschiebbar. Und dies gilt im modernen Unternehmen für alle Akteure, vor allem aber für jene im Top Management, sprich in Aufsichtsorganen, Geschäftsführung, und für deren Support-Stellen. So gesehen kann jedes Bemühen um organisatorische Vorkehrungen, Kennzahlen oder Prävention vor Unternehmenskriminalität u.s.w. nur als Versuch und Stückwerk verstanden werden, um dem Integren in der Führungskraft bzw. im Mitarbeiter zum Durchbruch zu verhelfen. Eine moralisch richtige, legitime Unternehmensführung wird neben Effektivität und Effizienz zu einem dritten, gleichberechtigten Maßstab für Führungsverhalten werden. 236 Zusammenfassung und Ausblick Das normative Controlling muss dieses Bewusstsein professionell und systematisch vertreten. Es bleibt damit aber nicht allein. Neben der Unterstützung durch eine professionelle Personalpolitik und ggf. auch externer Berater bedarf es der Zusammenarbeit zwischen normativem Controlling und • Normativer Führung • Aufsichtsorgan • Interner Revision • Risikomanagement • Compliance Management • Ethik-Stelle. Dort, wo Führungskräfte diesen Prozess der laufenden Güterabwägung und Prüfung von Vorhaben auf ihre Legitimierung durch die Mehrheit der betroffenen Stakeholder – zum Wohle des Unternehmens, nicht unbedingt zu ihrem eigenen Wohl – mit kompetenter Unterstützung gestalten wollen, kann das normative Controlling am besten seinen Beitrag leisten. Vom Konzept her ist die Idee des normativen Controllings fraglos auch im EinPersonen-Unternehmen umsetzbar. Da Sachverhalte selten so eindeutig zu beurteilen sind, wie es das Schwarz-Weiß-Schema von Gut und Böse in der Ethik suggeriert, sollte in den meisten Fällen die Frage moralischer Verantwortung weniger nach vorhanden/nicht vorhanden, sondern im Sinne einer ordinalen (d.h. mehr/weniger bzw. besser/schlechter) Messung graduell (in welchem Ausmaß?) und kontextuell (vor welchem Hintergrund? Bei welchen Vorgaben?) gestellt werden. Die Unternehmensethik versucht, Führungskräften und Mitarbeitern Regeln an die Hand zu geben, damit sie zu • legalem, • moralisch korrektem (legitimem), nachhaltigem und zugleich • ökonomisch vertretbaren Entscheidungen kommen können und sollte damit das betriebswirtschaftliche Denken und Kalkül – stärker als bisher oft der Fall – unterstützen. Auch Mitglieder in Aufsichtsorganen und Mitarbeiter müssen den Mut und die Kraft aufbringen, moralisch bedenkliches Verhalten gegenüber der Geschäftsführung bzw. Vorgesetzten offen anzusprechen und die Frage der Legitimität von Problemlösungen stellen bzw. stellen dürfen. Die im Unternehmen tätigen Führungskräfte und Mitarbeiter, aber auch die übrigen Stakeholder sollten ein Moralbewusstsein entwickeln bzw. pflegen, das sich auszeichnet durch 237 Zusammenfassung und Ausblick • ein Verständnis von Moral, das an universalen Prinzipien und positiven Werten festgemacht ist, • kritische (nicht blinde) Loyalität, • das Wissen, was ethisch richtig und ökonomisch sinnvoll ist, • das Fühlen, warum es richtig ist, durch Einfühlungsvermögen und Empathie, • moralische Innovationskraft, eine möglichst „gerechte“ Lösung zu suchen, und • moralischen Mut, d.h. zu sagen: „So etwas kann ich mit meinem Gewissen nicht vereinbaren“ und dann entsprechend zu handeln. Die Bedeutung der immateriellen Werte im Unternehmen wird weiter deutlich zunehmen. Das Rennen um die „letzten“ Erfolgspotenziale im Unternehmen, nämlich die Bestandteile der Unternehmenskultur und des normativen intellektuellen Kapitals (NIK), ist am Markt schon im vollen Gang! Und mithilfe des Konzepts des integrierten normativen Controllings kann hier mit Sicherheit ein werte-voller Wettbewerbsvorteil geschaffen werden. 238 9 Lösungen zu: Learning by Doing A 1.1 Juristisch ist die Sache klar: Ohne Gewerbeberechtigung kann Anna Wagner das Restaurant nicht führen. Franz Berger hat aber moralisch falsch gehandelt: Die Freundschaft zu Anna Wagner wurde auf das Spiel gesetzt. Eine Lösung könnte sein, dass Franz Berger seine Anzeige zurückzieht und beide sich am Unternehmen des jeweils Anderen beteiligen bzw. fusionieren. A 1.2 Nein, die Vorgehensweise ist eher als List zu qualifizieren (Klugheit) denn als moralisch fragwürdig. Der Student hat Glück beim gewählten Timing bei der Themenzuteilung. A 1.3 “RESPONSIBILITY, n. A detachable burden easily shifted to the shoulders of God, Fate, Fortune, Luck or one’s neighbor. —“ Verantwortung, die jemand mit einer Aufgabe automatisch übernommen hat, darf moralisch nicht auf andere abgewälzt werden. A 1.4 Beispiele für Paare positiver und negativer Werte: Authentizität – Gekünstelt sein; Entschlossenheit – Unentschlossenheit; Genauigkeit – Ungenauigkeit; Mut – Furcht; Sparsamkeit – Verschwendungssucht; Toleranz – Intoleranz. A 1.5 Die Betreibergesellschaft eines Atomkraftwerks oder Rohstoffgewinnungsbetriebs haben zwar eine Betriebsgenehmigung, missachtet aber Bedenken von Teilen der Bevölkerung. Aggressive, moralisch bedenkliche Werbestrategien, deren Hauptzweck das Auffallen des Unternehmens in der Öffentlichkeit ist. Erfolglose Manager, die dennoch gemäß ihrem Arbeitsvertrag eine – und zudem von großen Teilen der Öffentlichkeit als zu hoch erachtete – Abfertigung erhalten. 239 Lösungen zu: Learning by doing A 2.1 • Der Markt reizt aufgrund der Seltenheit und hoher Gewinnspannen zum Handel mit bestimmten Waren (z. B. Menschen, Drogen, Waffen, seltene Tiere, Produktfälschungen). • Da die Umwelt teilweise immer noch als freies Gut gilt, z. B. Luft, kann es dazu kommen, dass sie ausgebeutet wird und nicht nachhaltig mit ihr umgegangen wird. • Der Markt hat Probleme im Umgang mit öffentlichen Gütern, wie z. B. Sicherheit: Nutzen haben auch andere, die Kosten bzw. Investitionserfordernisse dafür sind dem Einzelnen oft nicht bewusst oder nicht transparent. • Auf vielen Märkten herrscht keine vollkommene Transparenz, nicht einmal auf hoch automatisierten Märkten wie Börsen. Entspricht ein mit „Bio“ gekennzeichnetes Produkt tatsächlich „Bio-Richtlinien“? Hier liegt i.d.R. eine Informationsassymetrie zwischen Produzenten und Konsumenten vor. • Der Markt kann nicht für Bedürfnisgerechtigkeit sorgen: Die Kaufkraft entscheidet, nicht die Bedürftigkeit. • Legistische Regeln gegen den unlauteren Wettbewerb sind oft weder „wasserdicht“ noch übersichtlich noch umfassend i. S. der Abdeckung aller möglichen Formen unlauteren Handelns. A 2.2 Aus Unsicherheit und Eitelkeit sagt der Kaiser nicht, was er sich denkt. Das Märchen ist ein gutes Beispiel, wohin Leichtgläubigkeit und unkritische Akzeptanz angeblicher Experten, z. B. Aufsichtsräte, führen kann. Aus Furcht um seine Stellung und seinen Ruf spricht im Märchen entgegen besserem Wissen niemand, nicht einmal die dem Kaiser treu ergebenen Minister die offensichtliche Wahrheit aus; vor die Entscheidung „Ansehen und Wohlstand oder Wahrheit?“ gestellt, wählen sie die materiellen und ökonomischen Vorteile statt der Wahrheit. A 2.3 — A 3.1 — A 3.2 — 240 Lösungen zu: Learning by doing A 3.3 Was sind legitime Ansprüche? Inwieweit sind Ansprüche einer Anspruchsgruppe (einer) anderen zumutbar? Einseitige Ansprüche, so wie hier der Shareholder, gehen immer zu Lasten anderer Stakeholder. Niemand wird den Anspruch der Shareholder auf eine angemessene Verzinsung seines Eigenkapitals ablehnen, den nach einer höchstmöglichen Verzinsung hingegen schon, zumal er auf Kosten der Ansprüche von Mitarbeitern geht. A 3.4 — A 4.1 — A 4.2 — A 4.3 — A 5.1 — A 5.2 — A 5.3 Für das Controlling praktisch wichtige Mittel der Koordination zwischen unterschiedlichen Funktionsbereichen sind: • Vision, Mission und Leitbild • Weiter interne Normen • Werte • Tugenden • Unternehmenskultur • Kriminalitätsprävention • Ziele • Pläne (Feedforward-Koordination) • Überwachungshandlungen (Feedback-Koordination) • Informationen • Kommunikation (Austausch bzw. Abtausch; auch Kompromisse schließen ist eine Form der Koordination). 241 Lösungen zu: Learning by doing A 5.4 — A 6.1 Schon fehlendes oder mangelhaftes Zeitmanagement bei einem einzigen Mitarbeiter wirkt sich in Zeitverzögerungen bzw. -verlusten bei mehreren anderen Mitarbeitern aus; bei Führungskräften wirkt sich ein solcher Mangel aufgrund der höheren hierarchischen Stellung noch rascher aus bzw. zieht noch weitere Kreise. A 6.2 Ähnlich wie in A 6.1 wirkt sich mangelnder Ordnungssinn in einem verzögerten Auffinden von Dokumenten, Dateien etc. aus. Je stärker diese Untugend ausgeprägt ist, umso mehr Effizienzverluste sind zu erwarten. A 6.3 Es kann sich in mehreren Formen ausdrücken, wie z. B.: • Der Berichterstatter muss den Empfänger über Umstände und Ergebnisse richtig und umfassend informiert und aufklären. • „Schönfärben“ bedeutet falsch verstandene Rücksichtnahme und schadet auf lange Sicht Empfänger wie Berichterstatter. • Übertriebener Ehrgeiz des Controllers stellt seine Loyalität in Frage. • Informationen müssen aus zuverlässigen Quellen stammen. • Berichtsinhalte müssen kompetent und nachvollziehbar recherchiert sein. • Berichte müssen professionell formuliert sein; Controller müssen in Aktionen denken, schreiben und sprechen; sie stehen aber nicht im diplomatischen Dienst. • Erfahrungen der Empfänger mit Controlling-Berichten und Controllern werden beim Empfänger mit jedem neuen Bericht wieder aktiviert. A 6.4 — A 6.5 — A 7.1 Für andere Unternehmen als Außenstehender solche Kodizes zu formulieren, bedarf einer genauen Ist-Analyse des betreffenden Unternehmens. Ein „0815“-Text bzw. das Übernehmen einer Textvorlage von einem anderen 242 Lösungen zu: Learning by doing Unternehmen, um Zeit und Aufwand sparen zu wollen, ist in höchstem Maße kontraproduktiv. A 7.2 Eine moralisch korrekt agierende Führungskraft sollte sich ausreichend Zeit für ein Gespräch nehmen. Ein aufrichtiges und auch so kommuniziertes „Danke“ für die vollbrachten Leistungen eines – nicht aus disziplinären Gründen – freigesetzten Mitarbeiters sollte dabei aus moralischer Sicht das absolute Minimum darstellen. A 7.3 Dabei handelt es sich um einen leider nicht wenig verbreiteten Habitus bei Führungskräften. Hier ist die Tugend der Aufrichtigkeit gegenüber sich selbst und in der Mitarbeiterführung (Führungsethik) gefragt. A 7.4 — A 7.5 — 243 10 Glossar Bei jedem Substantiv findet sich in Klammern der passendste angelsächsische Ausdruck – es sei denn, der angelsächsische Ausdruck entspricht dem deutschen. A Abschlussprüfer (Auditor, Certified Public Accountant) Nimmt im Unternehmen Überwachungsaufgaben wahr, ist Teil der externen Revision. Abschlussprüfer bzw. Prüfungsgesellschaften prüfen den Jahresabschluss bestimmter Unternehmen und müssen unabhängig vom geprüften Unternehmen sein. Ziel der Prüfung ist die Beurteilung, ob die Rechnungslegungsvorschriften eingehalten wurden. Abweichungsanalyse (Variance analysis) Suche nach den Gründen einer Abweichung; integraler Bestandteil des Soll-/Istoder des Soll-/Wird-Vergleichs. Analyse (Analysis) Systematisches Untersuchen durch Zerlegen eines Objekts bzw. Zustands in seine einzelnen Bestandteile und der Zusammenhänge zwischen ihnen. Audit Prüfung von Prozessen bzw. Aktivitäten auf ihre Erfüllung von Anforderungen, Normen oder Standards. Aufrichtigkeit (Honesty) Ehrlichkeit gegenüber anderen und sich selbst, d. h. sich nicht in Selbstüberschätzung größer machen bzw. andere herabsetzen, zu seinen Fehlern stehen und den Grund für seinen Misserfolg nicht bei Anderen suchen und jene(n) anerkennen, denen Erfolg zu verdanken ist. Aufsicht (Supervision) Überwachung ex ante; darunter fallen sämtliche Methoden, die im Vorfeld von Aktivitäten vorgenommen werden, um Fehler zu verhindern. Aufwand, immaterieller (intangible expense) Nicht eindeutig identifizierbarer Aufwand, z.B. Verluste an Reputation oder Glaubwürdigkeit, Schaden durch sog. „schiefe Optik“ im Verhalten von Führungskräften oder Mitarbeitern. 244 Glossar B Balanced Controlling (Balanced Management Control) Balanced Controlling stellt die höchste Stufe im Entwicklungspfad des Controllings dar. Ausgewogenes (= balanced) Controlling meint eine gleichgewichtige Berücksichtigung von normativen, strategischen und operativen Aspekten in Führung und Controlling. Balanced Scorecard Management- und Kennzahlensystem, in dem die Leistungsmessung nach mehreren Perspektiven (im ursprünglichen Modell: Finanz-, Kunden-, interne Prozesssowie Lern- und Entwicklungsperspektive) vorgenommen wird; es dient als Verbindung zwischen normativem, strategischem und operativem Management. Benchmarking Analyse- und Planungsinstrument, das Prozesse und Systeme des eigenen Unternehmens mit der „best practice“ der Konkurrenz oder branchenfremder Unternehmen vergleicht. Bericht (Report) Medium zur Übermittlung von Informationen an Führungskräfte und Entscheidungsträger. Berichtswesen (Reporting system) Formelles System zur Versorgung des Managements mit führungsrelevanten Informationen bzw. der Externen mit entscheidungsrelevanten Informationen. Bestechlichkeit (Corruptibility) Negativer Wert; Gegenteil von Integrität. Sich in seinem Verhalten nicht von inneren Werten und Prinzipien, sondern von äußeren Versprechen bzw. Verlockungen (ver-)leiten zu lassen. Beurteilung (Assessment, Evaluation) Von Beurteilung wird gesprochen, wenn Sachverhalte nur qualitativ durch Vergleich oder durch Feststellung eines Zustands erfassbar sind, ohne dass den Merkmalsausprägungen numerische Werte zugeordnet werden (können). Bewertung (Valuation) Einem Objekt (Gut) in definierter Mengeneinheit einen Wert beizulegen bzw. beizumessen. Die Bewertung kann quantitativ oder qualitativ oder in Kombination erfolgen. Bilanz, normative (Normative balance sheet) Analyse, um die normativen Erfolgspotenziale zu listen und qualitativ zu bewerten. Inhalte sind: die Elemente des NIK, Ergebnisse der Stakeholder-Analyse, Vorzüge 245 Glossar bzw. Defizite der nachhaltigen Corporate Governance, Stärken und Schwächen der Systeme bzw. Maßnahmen zur Überwachung und Vorbeugung vor Missmanagement und von dolosen Handlungen sowie die Wirkungen des normativen Controllings. Bounded rationality Empirisch abgesichertes Konzept, wonach sich Menschen in Organisationen nur zum Teil rational verhalten, da Entscheidungen oft emotional getroffen werden, neben formellen auch informelle Wege der Informationsbeschaffung begangen werden und Führungskräfte sich oft opportunistisch und i. S. des eigenen Vorteils verhalten. C Capital, intellectual Siehe: Kapital, intellektuelles Chance (Opportunity) Möglichkeit einer positiven Abweichung von einem Ziel. Change Agent Unterstützung zum Zweck des konstruktiven Herbeiführens von Innovationen und organisatorischen Veränderungen. Check Prüfung, die folgende Schritte umfasst das Feststellen des Soll und des Ist, den Vergleich des Ist mit dem Soll, die Analyse einer etwaigen Abweichung auf ihre Ursachen, die Durchsprache der Gründe der Abweichung mit den Betreffenden, das Planen von Maßnahmen und die Berichterstattung über den Sachverhalt. Code of Ethics (Code of Conduct) enthält eine Reihe von Standards, Richtlinien und Werten, an die sich alle Mitarbeiter im Unternehmen zu halten haben und die die Zusammenarbeit untereinander und mit Außenstehenden wie Lieferanten, Behörden usw. definieren. Compliance Gesamtheit an Maßnahmen zur Einhaltung externer Gesetze und Richtlinien. =Teil der Conformance. Conformance Prüfung, ob bzw. inwieweit zu beachtende (interne und extern vorgegebene) Regeln eingehalten werden. Überbegriff für Compliance und Observance. 246 Glossar Controller/Controllerin Partner des Managers im Führungsprozess, interner Berater bzw. Lotse; ergänzt das Management, um zu einer professionellen Führung beizutragen, durch die Wahrnehmung von Controlling- und Managementaufgaben. Controlling (Controlling, Management control) Systematische, betriebswirtschaftlich fundierte normen-, strategie-, finanz-, markt-, prozess-, informations- und verhaltensorientierte Regelung in Unternehmen. Zweck des Controllings ist das Leisten von Führungsunterstützung, um gemeinsam vereinbarte Unternehmensziele zu erreichen (transparentes Monitoring). Controlling, nachhaltigkeitsorientiertes (Sustainability-oriented Management Control) Es umfasst grundsätzlich die gleichen Tätigkeitsfelder wie das „traditionelle“ Controlling. Der Unterschied liegt in der Erweiterung des Aufgabenfelds um die soziale und die ökologische Dimension in der Zielausrichtung. Dies hat auch unmittelbare Auswirkungen auf Controllingobjekte, Prozesse und Instrumente. Controlling, integriertes normatives (Integrated Normative Management Control) Charakteristika des integrierten Konzepts des normativen Controllings: Unterstützung des Managements auf normativer Ebene als „moralisches Gewissen“ im Unternehmen zur Identifikation, Analyse, Bewertung und (Weiter-)Entwicklung des normativen, intellektuellen Kapitals unter betriebswirtschaftlich-unternehmensethischen Aspekten sowie als Prophylaxe vor dolosen Handlungen und Missmanagement. Controlling, normatives (Normative Controlling, Normative Management Control) Unterstützt das Management in der Erreichung unternehmenspolitischer Ziele, insb. im Prozess der Wertefindung und -umsetzung, Gestaltung der Unternehmenskultur, Einhaltung interner Normen und der Formulierung des Leitbilds und durch Checks und Audits. Controlling der operativen Ziele (Operative Controlling, Operative Management Control) Unterstützung des operativen Managements zur Erreichung von erfolgs- und finanzwirtschaftlichen Zielen. Controlling der strategischen Ziele (Strategic Controlling, Strategic Management Control) Unterstützung des strategischen Managements zur Erreichung von Zielen zur Schaffung oder Erhaltung von strategischen Erfolgspotenzialen. 247 Glossar Corporate Citizenship Gemeinnütziges Engagement eines Unternehmens jenseits des eigenen Wertschöpfungsbereichs. Teilbereich der CR. Corporate Governance Grundsätze und Regeln, mit deren Hilfe das Verhalten der obersten Führungskräfte und die Strukturen seiner Organe überwacht und gestaltet werden können. Teilbereich der CR. Corporate Governance, nachhaltig-ethische (Sustainability- and Ethicsoriented Corporate Governance) Transparente Struktur für eine moralisch korrekte Erfolgserzielung, bestehend aus: Integritäts- und Compliance Management, Performance Management als Ergebnisorientierung von Management und Controlling, Chancen- und Risikomanagement, und einem effektiven internen Kontrollsystem (IKS). Das Fundament bilden Kontrollfunktionen und -instanzen. Corporate Responsibility (CR) Forderung im Rahmen der Unternehmensethik, wonach Unternehmen bzw. Führungskräfte und Mitarbeiter auch gesellschaftliche Verantwortung wahrzunehmen haben. Corporate Social Performance (CSP) Leistungen von Unternehmen, um der geforderten Umwelt-, Sozial- und Governance-Verantwortung gerecht zu werden. Corporate Social Responsibility (CSR) Integration einer ökologischen Sichtweise, ethischer Grundsätze und sozialer Gedanken im Wirtschaften, um Unternehmen nachhaltigen Erfolg zu ermöglichen. Teilbereich der CR. D Dilemma, ethisches (Ethical dilemma) „Ethisches Dilemma“ ist eine Situation, wenn den Beteiligten unklar ist, ob ein bestimmtes Handeln unter Anlegung moralischer Wertmaßstäben gut (richtig) oder schlecht (falsch) ist. Dreieck, doloses (fraud triangle) Eine Straftat weist immer drei Aspekte auf: erstens ein subjektiv empfundenes, nicht mit anderen kommunizierbares finanzielles Bedürfnis (Motivation), zweitens eine subjektiv empfundene Gelegenheit, und drittens eine persönliche Rechtfertigung (Rationalisierung) gegenwärtigen und zukünftigen Handelns 248 Glossar Durchsetzungsfähigkeit (Assertiveness) Dafür sorgen können, dass im Unternehmens strategische bzw. operative Pläne bzw. Vorhaben und Projekte wie geplant umgesetzt bzw. realisiert werden. E Effektivität (Effectiveness) Verhältnis zwischen den angestrebten und den tatsächlich erreichten Leistungswirkungen (Outcome), es misst den Zielerreichungsgrad. Effizienz (Efficiency, Economy) Verhältnis von bewertetem Output zu bewertetem Input (Efficiency) bzw. von – bei gegebener Qualität – Ist- und Soll-Kosten (economy) und stellt ein Maß für die Wirtschaftlichkeit dar. Entrepreneur Manager mit der Fähigkeit (Eigenschaft), Geschäftsideen zu kreieren, Chancen zu identifizieren und sie zu nutzen. Manager müssen einen Sinn (Gespür) für Innovationen haben bzw. entwickeln. Erfolg (Success) Erfolg ist das positive Resultat persönlichen Handelns oder das Ergebnis eines Plans oder einer wirtschaftlichen Tätigkeit eines Unternehmens. Erfolgspotenzial (Potential for success) Alle Vorteile und Stärken eines Unternehmens, die Voraussetzungen für künftigen (strategischen oder operativen) Erfolg darstellen; = Ziel und Gestaltungsobjekt im normativen und strategischen Management. Ergebnisverantwortung (Accountability for Results) Verantwortung des Managers, Ziele zu erreichen und Strategien umzusetzen. Erlös, immaterieller (intangible revenue) Nicht eindeutig identifizierbarer Erlös, z.B. Reputationsgewinn oder Vertrauenszuwachs ESG = Environmental, Social and Governance-Faktoren; sie bezeichnen Daten über Umwelt-, soziale und qualitative Unternehmensführungsbelange. Ethics Officer Ethik-Beauftragter, d.h. eine Person mit Zuständigkeit für ethische Fragen, vergleichbar einem Compliance Officer. 249 Glossar Ethik (Ethics) Lehre von Moral und Ethos bzw. die Reflexionstheorie der Moral. Ethos Ist die innere Moral (Moralität, Tugend), die moralische Gesinnung, die innere Verpflichtung zum Guten; = Moralität. F Fachpromotor (Promotor using expert knowledge) Handelt chancen- und innovationsorientiert, bewegt bzw. beschleunigt Prozesse bzw. Projekte, provoziert, liefert Impulse, damit sie planmäßig beendet bzw. umgesetzt werden können. Feed-back-Information (Rückkopplung); Rückmeldung realisierter Istwerte zwecks Vergleichs mit Planwerten. Voraussetzung für die Durchführung einer Abweichungsanalyse. Feed-forward-Information (Vorkopplung); Vormeldung oder Vorwarnung vor künftigen Störungen bzw. Abweichungsursachen, um rechtzeitig Maßnahmen vorbereiten zu können. Fit (Reibungsloses) Zusammen- bzw. Zueinanderpassen von Elementen, Kompatibilität, Passung Fortschrittsfähigkeit (Structural responsiveness) Fähigkeit eines Unternehmens, die eigene Identität durch geplante Evolution aufgrund seiner Fähigkeiten und Erfahrungen weiter zu entwickeln. Frühaufklärung (Early recognition) Erkennen von Entwicklungen und sich abzeichnenden Ereignissen, bevor sie eintreten, vor allem anhand schwacher Signale. Führung (Management) Führung ist der laufende, geplante und kontrollierbare Versuch, die Prozesse der Leistungserstellung und -verwertung und damit die Entwicklung eines Unternehmens so zu gestalten, dass ihre Ziele laufend – wenn möglich proaktiv und innovativ – den Umfeldanforderungen angepasst und bestmöglich erreicht werden. = Prozess der Willensbildung, Willensdurchsetzung und Willenssicherung. Führung, normative (Normative management) Normative Führung beschäftigt sich mit den Zielen, Grundsätzen, Normen, Regeln und Werten im und des Unternehmens, die insgesamt darauf zielen, die Lebens250 Glossar und Entwicklungsfähigkeit der Organisation zu stärken. Umfasst die Formulierung von Vision, Werten, Normen und Gestaltung der Unternehmenskultur. Führungsethik (Managerial ethics) Führungs- (Managerethik) umfasst ethische Überlegungen für die Führungskräfte, sie werden auf ihre moralische Verantwortung angesprochen. Es geht um die normative Gestaltung der Beziehungen oder Relationen zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern. G Gerechtigkeit (Fairness) Zentraler Wert, Tugend und wesentliches Handlungsmotiv; Fähigkeit, unvoreingenommen und unparteiisch abzuwägen, angemessen zu handeln und niemanden absichtlich zu benachteiligen. Geschäftspartner-Due Diligence (Partner Due Diligence) Systematisches Screening von Geschäftspartnern auf ihre Integrität, Glaubwürdigkeit und vertrauensbildende Maßnahmen. Gewinnqualität (Moral quality of profit making) Aus moralischer Sicht kann es nicht gleichgültig sein, wie Gewinn zustande kommt, und was (z.B. Umwelt) oder wer (welche Stakeholder) darunter möglicherweise leiden. Glaubwürdigkeit (Credibility) Zentraler Wert; Fähigkeit, ehrlich, verlässlich und verantwortungsbewusst zu handeln. Je mehr Glaubwürdigkeit gelebt wird, umso vertrauenswürdiger wird man. Global Reporting Initiative (GRI) Eine 1997 gegründete Multistakeholder-Initiative. Die Leitlinien der GRI haben sich als weltweit akzeptierter Berichtsstandard für die Erstellung von Jahresabschlüssen etabliert. Ziel der GRI ist es, das CR-Profil eines Unternehmens branchenspezifisch darzustellen und mit Konkurrenten vergleichbar zu machen. Goodwill (Geschäfts-, Firmenwert) entspricht dem Betrag, den ein Käufer eines Unternehmens als Ganzes unter Berücksichtigung zukünftiger Ertragserwartungen über den Wert aller materiellen und bilanzierbaren immateriellen Vermögensgegenstände hinaus und nach Abzug der Schulden zu zahlen bereit ist. Goodwill ≠ Immaterielle Werte 251 Glossar Grundsatz (Principle) „Grund-Satz“, Basis-Satz, Verhaltensstandard, Prinzip; sie sollen über eine längere Zeit und für eine Vielzahl von konkreten Aktionsentscheidungen bzw. Sachverhalte gelten und sie normieren (regeln). Ein Grundsatz hat normativen Charakter. Grundsätze des Controllings (Principles of Controlling) Fünf Verhaltensleitsätze für Controller wurden formuliert: Grundsatz des Treibens und Bremsens, Grundsatz der Objektivität, Grundsatz der Rechtzeitigkeit, Grundsatz der Balance zwischen normativem, strategischem und operativem Controlling, Grundsatz der Dokumentation. Gut (Good) Im ökonomischen Sinn: Mittel zur Bedürfnisbefriedigung. Im moralischen Sinn: Verwirklichung des moralisch „Guten“; = Wert H Haftung (Liability) Einstehen für Verhalten und Entscheidungen im Verantwortungsbereich und das Ziehen von persönlichen Konsequenzen aufgrund des (Arbeits-)Ethos. Handeln (Acting) Handeln in Unternehmen ist vorwiegend soziales Handeln, d.i. Handeln, dessen Zweck auf das Verhalten anderer bezogen ist. Vier Typen sozialen Handelns können unterschieden werden: Zweckrationales Handeln, Wertrationales Handeln, Affektuelles Handeln und Traditionales Handeln. Hazard, moral Gefahr, dass ein Mitarbeiter Informations- und Kontrolldefizite des Arbeitgebers („Prinzipal“) opportunistisch für seine Zwecke ausnützt. Homo oeconomicus Theoretische Figur eines vor allem rational handelnden und auf den eigenen Nutzen bedachten Wirtschaftssubjekts. I IFRS (International Financial Reporting Standards) Internationales Regelwerk zur Vereinheitlichung der Rechnungslegung; Zweck ist es, die Jahresabschlüsse und den Inhalt der Geschäftsberichte international vergleichbar zu machen. 252 Glossar Imperativ, kategorischer (Categorical imperative) „Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die Du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde!“ (Kant) Implementierung (Implementation) (lat. implementum = Erfüllung); in die Tat umsetzen, Realisieren einer Konzeption oder eines Plans. Incident Management Aufdecken von geschäftsschädigenden Handlungen und Informationsweitergabe an kompetente Ahndungsinstanzen. Indikator (Indicator) Messgröße („Anzeiger“), die – als Hilfsgröße – Informationen über Menge bzw. Qualität von eigentlich gemeinten, aber nicht unmittelbar wahrnehmbaren, komplexen und i.d.R. mehrdimensionalen Phänomenen geben. Ersatzgröße, deren Ausprägung oder Veränderung einen Schluss auf Ausprägung oder Veränderung der eigentlich interessierenden Größe zulässt. Individualethik (Personal ethics) (Akteursmoral); thematisiert das moralische Handeln jedes Einzelnen. Information Zweck- und aktionsorientierte Nachricht. Innovation Neuerung; Aufgabe des Controllings, im Unternehmen Neuerungen zu initiieren. Auch die Einführung des normativen Controllings ist eine Innovation. Intangible Angelsächsisches Äquivalent für „immateriellen Wert“ als nicht greifbarem Gut. Integrität (Integrity) Zentraler Wert; Fähigkeit, vertrauenswürdig zu handeln und unbestechlich zu bleiben. Je mehr Integrität gelebt wird, desto sicherer kann man sich sein, dass eine Person zu dem steht, was sie sagt, und desto klarer wird echte Charakterstärke erkennbar. Integritäts-Ansatz (Integrity Approach) Leitmotiv: „Make our business better”. Führungskräfte und Mitarbeiter sollen zu eigenverantwortlichem und moralischem Handeln und zur Einhaltung interner und externer Normen aus eigenem Antrieb (Ethos) befähigt und ermutigt werden. Zu dieser Ermutigung gehört die Formalisierung ethischer Erwartungen z.B. im Leitbild. 253 Glossar International Financial Reporting Standards siehe IFRS Interne Revision (Internal Audit) Unternehmensinterne Prüfung, die von prozessunabhängigen Mitarbeitern durchgeführt wird. Die Prüfungen werden von der (Stabs-)Stelle Interne Revision – auch Innenrevision genannt – durchgeführt. Internes Kontrollsystem (IKS, Internal control system, ICS) Gesamtheit aller prozessbezogenen, organisatorischen Überwachungsmaßnahmen und Kontrollmechanismen eines Unternehmens. Investition (Investment) Ökonomisch: Anschaffung eines aktivierbaren Wirtschaftsguts des Anlagevermögens. Moralisch: Auszahlung bzw. Ausgabe bzw. Aufwand, die/der – i.d.R. über die Umwegrentabilität – auf längere Sicht Einzahlungsüberschüsse bringen bzw. Geld oder Aufwand sparen soll. K Kaizen Streben nach ständiger, systematischer und schrittweiser Verbesserung (jap.: kai = Ändern, Zen = Güte). (vgl. IGC 2005, S. 142). Kapital, intellektuelles (Intellectual Capital) umfasst rechtlich nicht geschützte und in der Handels- bzw. Steuerbilanz nicht aktivierbare immaterielle Werte wie z.B. Beziehungen zu Kunden oder Lieferanten. „Kapital“ bezieht sich dabei auf Vermögen – verstanden als Ressource, Potenzial oder Quelle künftiger Erfolge, Produkte oder Dienstleistungen – und umfasst auch nicht aktivierbare immaterielle Werte wie z. B. Know-how. Kapital, normatives intellektuelles (NIK; normative intellectual capital) Gesamtheit von Normen, Moral, Ethos, Werten, Tugenden und Unternehmenskultur. Es ist Teil der nicht separat aktivierbaren immateriellen Werte und auch Teil des Goodwills. Kennzahl (Ratio) Zahl oder Zahlenverhältnis, die/das einen wirtschaftlichen Tatbestand knapp, aber aussagekräftig darstellt; wesentliches Analyse-, Planungs-, Führungs- und Kontrollinstrument. 254 Glossar Kennzahl, normative (Ratio, normative) Eine normative Kennzahl kann sein: eine Inputkennzahl, z.B. Anzahl der Ideen für die Konzeption eines Leitbilds, eine Prozesskennzahl, z.B. Dauer der Formulierung eines Codes of Ethics, oder eine Outputkennzahl, z.B. die Normdichte im Unternehmen. Key performance indicator (KPI) Kennzahlen, mit deren Hilfe der Erfüllungsgrad wichtiger Zielen oder kritischer Erfolgsfaktoren gemessen oder beurteilt werden kann. Knowledge assets Wissensbezogene Vermögensgegenstände bzw. Kompetenzen wie z.B. Problemerkennung, Abstraktion, learning by doing. Koalitionär (Stakeholder) siehe Stakeholder Konflikt, moralischer (Moral conflict) Ist gegeben, wenn die Verfolgung des Gewinnziels nur einen Teil der moralischen Anforderungen erfüllt, z.B. der Einsatz von Bestechungsgeldern zur Kundenakquise, Ölbohrungen off-shore unter Inkaufnahme des Risikos der Umweltverschmutzung oder Bilanzverschleierung. Konflikt, ökonomischer (Economic conflict) Die Realisierung moralischer Anforderungen kann nur zulasten der Rentabilität erfolgen, z.B. wenn im Verkauf strikt integer gehandelt wird oder wenn die sog. „soziale Ader“ statt eines rigorosen Sparkurses beim Personal zum Tragen kommt. Kontrolle (Control) Form der Überwachung. Die Kontrolle findet in oder nach der Realisationsphase des Prozesses statt. Durch sie sollen Fehler und Abweichungen festgestellt und möglichst zeitnah beseitigt werden. Koordination (Coordination, Matching) Abstimmung; Aufgabe des Controllers ist die Abstimmung der Ziele und Prozesse der Subsysteme der Führung unter mehreren Aspekten (vertikal, horizontal, zeitlich, sachlich, Plan-Ist, und Abstimmung zwecks Umsetzung des normativen Controllings). Korruption (Bribery) Missbrauch einer übertragenen Macht- oder Entscheidungsbefugnis zum eigenen materiellen oder immateriellen Vorteil oder Nutzen, auf den kein Rechtsanspruch besteht. Es wird versucht, auf Kosten Anderer mit unlauteren Mitteln einen wirtschaftlichen Vorteil zu erlangen. Korruption bezeichnet Bestechung und Bestechlichkeit, sprich Vorteilsgewährung und Vorteilsannahme. 255 Glossar Korruptions-Controlling (Corruption controlling) Planmäßige, systematische Minimierung korruptionsbezogener Risiken durch die Führung mittels Implementierung eines Frühwarnsystems und durch Steuerung der Unternehmenskultur, der Mitarbeiter und der Geschäftspartner. Kreativität (Creativity) Fähigkeit schöpferischen Denkens, Handelns und Problemlösens. Kulturmanagement (Culture management) Aktive, systematische Gestaltung der Unternehmenskultur. Kulturprofil-Check (Culture profile check) Prüfung der Übereinstimmung zwischen Soll- und Ist-Unternehmenskultur. L Leadership Bezeichnet ein Bündel von Fähigkeiten bzw. Kompetenzen eines Leaders, der ins Deutsche am treffendsten mit Führungspersönlichkeit zu übersetzen ist. Legitimität (Legitimacy) Berechtigung eines Anliegens. Legitimes Interesse heißt ethisch akzeptabel, illegitim bedeutet ethisch nicht akzeptabel. Im juristischen Sinn legitime Ansprüche an ein Unternehmen kann jeder anmelden, der sich auf ein Gesetz als legale Grundlage berufen kann. Im philosophisch-ethischen Kontext sind Anliegen legitim, für deren Anerkennung „gute Gründe“ geltend gemacht werden können. Legitimitätsvorbehalt (Reservation of Legitimacy) Gewinnerzielung soll nicht zum obersten moralischen Handlungsprinzip erhoben werden, sondern ist nur – wie auch Arbeitsplatzerhaltung oder Umweltschutz – ein legitimes Interesse unter anderen. Gewinnstreben ist nur unbedenklich, wenn sämtlichen legitimen Ansprüchen von Stakeholdern Rechnung getragen wird. Leitbild (Mission Statement) Aussagen über die Unternehmensidentität, grundlegende Werthaltungen und Grundsätze des Wettbewerbsverhaltens. Dient als Mittel zur Kommunikation der Vision und der Mission. Leitbild-Check (Mission statement check) Qualitativer Soll-Ist-Vergleich im normativen Controlling, ob das tatsächliche Verhalten von Führungskräften und Mitarbeitern dem Sinn und Text des Leitbilds entspricht. 256 Glossar M Management Management (Führung) ist der laufende, geplante und kontrollierbare Versuch, die Prozesse der Leistungserstellung und -verwertung und damit die Entwicklung eines Unternehmens so zu gestalten, dass ihre Ziele laufend – wenn möglich proaktiv und innovativ – den Umfeldanforderungen angepasst und bestmöglich erreicht werden. = Prozess der Willensbildung, Willensdurchsetzung und Willenssicherung. Management, normatives (Normative management) Normative Führung beschäftigt sich mit den Zielen, Grundsätzen, Normen, Regeln und Werten im und des Unternehmens, die insgesamt darauf zielen, die Lebens- und Entwicklungsfähigkeit der Organisation zu stärken. Umfasst die Formulierung von Vision, Werten, weiteren internen Normen und Gestaltung der Unternehmenskultur. Maßnahmenkatalog (Action plan) (Schriftliche) Auflistung, welche(r) Aufgabenträger bis wann welche Maßnahme zu welchem Ziel und ggf. in welchem Budgetrahmen zu erledigen hat. Maxime (Maxim) die oberste persönliche Lebensregel bzw. einen persönlichen Grundsatz des Verhaltens. Messung (Measurement) Zuordnung einer Menge von Zahlen oder Symbolen zu den Ausprägungen eines Merkmals in einer systematischen Weise, so dass die Relationen unter den Zahlenwerten den Relationen unter den Objekten entsprechen. Misfit Nicht-Zusammen- bzw. Zueinanderpassen von Elementen, Inkompatibilität, Übereinstimmungsdefizit, Schnittstellenproblem Minimum, moralisches (Moral minimum) Das moralische Minimum ist erreicht, wenn nur die zwingenden Rechtsvorschriften eingehalten und kriminelle Handlungen im Unternehmen verhindert werden. Mission Die Mission („Unternehmensphilosophie“) konkretisiert die Vision, umschreibt den Geschäftszweck, die Grenzen der Geschäftstätigkeit und die Daseinsberechtigung des Unternehmens Missmanagement (Mismanagement) Fehlen von Effektivität oder Effizienz oder beidem im Verhalten von Führungskräften. = Fahrlässiges, aber nicht vorsätzlich geschäftsschädigendes Verhalten im Management. 257 Glossar Mitarbeiterethik (Employee ethics) In der Unternehmensethik unentbehrliches Pendant zur Führungsethik. Zur Loyalität der Mitarbeiter gegenüber Führungskräften bzw. Eigentümern gehört vorrangig ein bestimmtes Arbeitsethos, d.h. sich in angemessener und kollegialer Weise für die Erreichung der Unternehmensziele einzusetzen. Monitoring Laufende, systematische Beobachtung und Überwachung bestimmter Ziele, Pläne, Prozesse und Ereignisse. Moral (Morale) (Sittlichkeit, Anständigkeit); Sammelbegriff für das, was zu einer bestimmten Zeit in einer bestimmten Gesellschaft oder in Teilen davon (z.B. Wirtschaft, einzelne Unternehmen) für gut bzw. böse gehalten wird, ein Set von Wertmaßstäben für das Verhalten. Moral-Check (Morale check) Zweck des Moral-Checks ist die Analyse der ethischen Position, d.h. der moralischen Sensibilität, der moralischen Urteilskraft, der moralischen Motivation und der Verständigungskompetenz. Moralität (Morality) Bereitschaft, aus Verantwortungsbewusstsein moralisch korrekt zu handeln, ohne von Rechtsnormen dazu gezwungen zu werden; = Ethos. Moralökonomie (Primacy of economics to morale) Ausdruck des Vorrangs der Ökonomie vor der Moral: Dort, wo Moral den wirtschaftlichen Interessen dient, kann bzw. soll sie angewandt werden, aber auch umgekehrt: Ein moralisches Verhalten ist nur dann zu erwägen, wenn es dem Wirtschaftsakteur Vorteile verspricht. Moralische Bedenken sind unwirksam, wenn sie etwas kosten. N Nachhaltigkeit (Sustainability) Eine nachhaltige Entwicklung ist gekennzeichnet durch die Integration einer ökologischen Sichtweise, ethischer Grundsätze und sozialer Gedanken, um Unternehmen nachhaltigen Erfolg und in weiterer Folge künftigen Generationen qualitativ hochwertige Lebens- und Entwicklungsmöglichkeiten zu bieten. Man spricht von der ökonomischen, ökologischen und sozialen Nachhaltigkeit, der sog. „triple-bottom-line“. Navigationssystem der Führung (Management navigation system) Dreistufiges Führungskonzept bestehend aus normativem, strategischem und operativem Management mit jeweils spezifischen Regelungsgrößen, Treibern und Rechensystemen. 258 Glossar NIK Siehe Kapital, normatives intellektuelles Nonprofit-Organisation (NPO) Zielgerichtetes, produktives, soziales System, dessen Ziel die Befriedigung der Interessen seiner Stakeholder durch Erbringung von Sach- und Dienstleistungen ist, wobei erzielte Gewinne nicht an Organisationsmitglieder ausgeschüttet werden. Norm Im Unternehmen als vereinbarte oder vorgegebene Festlegungen, Regeln und Maßstäbe. Gesetz, Prinzip, Direktive. Norm steht hier für einen allgemein anerkannten Standard, eine Rechtsvorschrift (Rechtsnorm), eine Ordnung in einer Gesellschaft oder einem Unternehmen (soziale Norm). Als Normen gelten im vorliegenden Kontext nur interne Normen, und zwar Vision, Mission, Werte, Tugenden, Unternehmenskultur und Leitbild. Normen-Check (Norm check) Qualitativer Soll-Ist-Vergleich im normativen Controlling, ob Normen (unternehmensspezifische Regeln und Richtlinien) auch tatsächlich eingehalten werden. Normen-Strategie-Fit (Norm-Strategy-Fit) (Einwandfreie) Passung zwischen dem Output der normativen Führung und den Aufgaben der (im Prozess nachgelagerten) strategischen Führung Norminhalt (Norm content) Inhalt einer Norm kann sein: Gebot, Verbot, Erlaubnis oder eine Freistellung („Kann“) des Verhaltens Nutzwertanalyse (Cost Benefit Analysis) Verfahren zur mehrdimensionalen (d.h. nicht nur quantitativen) Bewertung von Varianten durch Vergabe von Punkten (Scores). O Observance Einhalten von intern festgelegten Normen, Werten und des Inhalts des Leitbilds Ombudsperson (Officer, ombudsman) Ansprechstelle für Anliegen externer oder interner Gruppierungen. Diese Stelle soll Hemmschwellen in der Kommunikation abbauen und offen sein für StakeholderAnliegen. Diese Stelle kann auch ein breiteres Aufgabenspektrum haben; dann kann sie z.B. – i.d.R. in enger Abstimmung mit der HR-Abteilung – Konflikte, insbesondere Interessenskonflikte, antizipieren und handhaben. 259 Glossar Operation Maßnahmen zur Nutzung von Erfolgspotenzialen. Operatives Controlling (Operative Management Control) Teil des operativen Managements; unterstützt das Management im Prozess der Budgetierung, Budgetkontrolle und Erreichung der erfolgs- und finanzwirtschaftlichen Ziele. Operationalisierung (Operationalization) Beurteilbar- bzw. Messbarmachung; einen Sachverhalt greifbar bzw. gestaltbar machen. Organisationscontrolling (Organisational Management Control) Umfasst – in Übertragung der traditionellen Controlling-Aufgaben – Instrumente zur Planung, Steuerung, Überwachung und Kontrolle der Unternehmensorganisation. Ort der Moral (Area of moral behavior) Bereich, wo moralisch verantwortungsvolle Verhaltensweisen und Entscheidungen erforderlich sind. Overjustification-Effekt (Overjustification effect) Gibt man Personen Anreize, sich in bestimmter Weise zu verhalten, obwohl sie sich bereits aus eigenem Antrieb (Ethos) in der gewünschten Weise verhalten, kann durch zusätzliche externe Anreize der Eigenantrieb reduziert werden. P Plan-Do-Check-Act-Zyklus (PDCA-Cycle) Allgemeiner Prozess der Lösung einer Aufgabe in den vier Phasen Planung – Umsetzung – Kontrolle – Korrekturmaßnahme; auch „Deming-Rad“ genannt. Plan, normativer (Normative plan) Qualitativer Plan für normative Maßnahmen, insb. welche Normen zu konzipieren, welche Werte und welche Unternehmenskultur anzustreben ist, und wie die jeweiligen Prozesse aussehen, und welche Ergebnisse von Normen-, Moral-, Kulturprofil-, Werte- und Tugendcheck u.a. geplant werden. Planung (Planning) Gedankliche Vorwegnahme künftigen Handelns. Aufgabe des Controllers ist die Unterstützung des Managements bei der Planung. Prinzipal-Agent-Problem (Principal-Agent-Problem) Der Prinzipal beauftragt den Agenten in der Hoffnung, dass dieser seine Aufgabe im Sinne des Prinzipals erledigt. Er kann jedoch das Engagement und/oder die Qualitä260 Glossar ten seines Agenten nur mit Einschränkungen erkennen und sieht oft nur das Ergebnis von dessen Bemühungen. Der Agent hat einen Informationsvorsprung, da er das eigene Verhalten selbst festlegen und beurteilen kann. Er kann diese Informationsasymmetrie zu Ungunsten des Prinzipals ausnutzen, wenn dies seinen eigenen Zwecken dient. Produktivität (Productivity) Produktivität ist das Verhältnis zwischen Output zu Input an Produktionsfaktoren (in Mengeneinheiten). Produktivitätsmessung ist die Messung der technischen Leistung Promotoren (Promotors) Unternehmensangehörige, die Innovationen oder Pläne durch ihr Fachwissen (Fach-) oder ihren Einfluss (Macht-) vorantreiben. Prozess (Process) ist eine Reihe von Aktivitäten, die aus einem bestimmten Input einen bestimmten Output (Ergebnis) erzeugen, der beim (internen oder externen) Kunden Nutzen stiftet. Prüfung (Test, Check) einerseits Überwachung ex-post, andererseits Analyse eines Sachverhalts oder Prozesses ex-ante. Q Qualität, moralische (Moral quality) (Höheres) Niveau des moralischen Verhaltens, entsprechend den Anforderungen an moderne Moral R Rationalität (Rationality) Rationalität hat drei Bedeutungen: Erstens die Beziehung zwischen angestrebtem Zweck und den zu seiner Erreichung angewandten Mitteln (Mittel-Zweck-Rationalität), zweitens die Angemessenheit bzw. Nachvollziehbarkeit eines Verhaltens und drittens die Erklärung für eine Handlung (Rationalisierung). Recht (Law, Right) Recht kann als Summe aller Normen oder Vorschriften in bestimmten Bereichen (z.B. Unternehmensrecht) verstanden werden. Recht ist eine Zwangsordnung, die das menschliche Gemeinwesen in verbindlicher Weise regelt. 261 Glossar Red Flagging Management Frühaufklärungssystem zur Entdeckung potenziell geschäftsschädigenden Verhaltens, das vor allem „schwache Signale” für dolose Handlungen erkennen und Warnsignale generieren muss. Reflexion Prüfendes, kritisches Hinterfragen und vergleichendes Nachdenken über etwas, das „in sich gehen” und etwas „Revue passieren lassen”; distanzierend-kritische Gedankenarbeit („Fundamentalkritik“) und Prüfung auf moralisch verträgliches Verhalten. Reflexionsorientiertes Controlling (Reflection-oriented Management Control) Unterscheidet zwei grundlegende Operationen der Komplexitätsbewältigung: Selektion (d.i. die Auswahl aus einer Gesamtheit von Möglichkeiten und bewirkt daher eine Reduktion von Komplexität) und Reflexion. Regel (Rule) Kann eine zweifache Bedeutung haben: einerseits als Empfehlung (eine Regel hat im herkömmlichen Sprachgebrauch einen niedrigeren Anspruch als eine Norm), andererseits als Ausdruck eines regelmäßigen bzw. gewohnheitsmäßigen Tuns. Regelkreis (Control loop) In sich geschlossenes Rückkopplungssystem, das auf Störungen durch Regelmechanismen reagieren kann. Regelung (Regulating, closed loop control) Rückkoppelnder Eingriff im Falle einer Soll-Ist-Abweichung. Rentabilität (Profitability) drückt ein Verhältnis einer Gewinngröße zu anderen betrieblichen Größen aus, die diesen Gewinn erwirtschaften. Reporting Siehe Berichtswesen Risiko (Risk) Möglichkeit einer negativen Abweichung von einem Ziel. Rückkopplung (Feed-back) siehe Feed-back 262 Glossar S Schlüsselkennzahl (Key ratio) Kennzahl, die den Erfolg oder die unternehmerische Leistung bzw. Leistungsfähigkeit widerspiegelt bzw. beschreibt. Meist hoch aggregiert; kein direkter Rückschluss auf das operative Geschehen möglich. Scoring-Analyse (Punktbewertungsmodell); Verfahren zum Vergleich und zur Bewertung von Sachverhalten, Konzepten, Plänen, Maßnahmen, u.a. anhand von entscheidungsrelevanten Kriterien. Diese können auch gewichtet werden. Die Ausprägungen der Kriterien werden mit Hilfe von Punktzahlen (scores) beurteilt. Mit Scoring-Modellen versucht man, qualitative Faktoren und subjektive Erwartungen zu quantifizieren und vergleichbar zu machen. Shareholder Value Durch Abzinsung künftiger Cash-flows ermittelte Größe, die ausdrückt, welchen Wert das Unternehmen für die Eigenkapitalgeber erwirtschaftet. Shareholder Value-Ansatz (Shareholder Value Approach) Ziel des Shareholder Value-Konzepts („Value-based management“) ist eher rasches Wachstum des Unternehmenswerts, sein Schwerpunkt lautet: Die Profitabilität für Eigentümer bzw. Gesellschafter hat Vorrang vor Berücksichtigung anderer Stakeholder. Soll-Ist-Vergleich (Operative budget-vs. actual-comparison) Gegenüberstellung der Budget- zu den Ist-Werten und die Ermittlung von Abweichungen. Sozialqualität (Quality of social relations) Qualität der sozialen Beziehungen im Unternehmen. Sparring Aufgabe des Controllings; Meinungs- und Informationsaustausch zwischen Führungskraft und Controller; Facette der internen Unternehmensberatung („Second opinion“) und die Renaissance der Counterpart-Funktion des Controllers bei moralischen Problemen. Stakeholder Personen (-gruppen) und Institutionen, die Interessen (Ansprüche) an Unternehmen haben und bereit sind, sich für die Durchsetzung ihrer Interessen einzusetzen (Anspruchsgruppen). Kapital, Mitarbeiter und Umfeld sind Anspruchsgruppen des Unternehmens. 263 Glossar Stakeholder-Analyse (Stakeholder Analysis) Umfasst die Identifikation möglicher Stakeholder (scanning), die gezielte, strukturierte Sammlung von Informationen über die relevant erscheinenden Stakeholder und ihre Anliegen (monitoring) sowie die Bewertung der Stakeholder-Ansprüche (assessing). Stakeholder-Ansatz (Stakeholder approach) Ziel des Stakeholder-Konzepts („values“) ist nachhaltiges Wachstum, sein Motto lautet: Profitabilität UND Verantwortung. Es sieht harmonische Umfeldbeziehungen als Basis langfristiger Erfolge. Vertrauen zu anderen Anspruchsgruppen und von ihnen in das Unternehmen wird wesentlich stärker berücksichtigt als im Shareholder Value-Konzept. Steuerung (Steering, Open loop control) Anordnen von Maßnahmen bzw. Ergreifen von präventiven Maßnahmen zur Vermeidung von Abweichungen. Beeinflussung des Verhaltens von Personen und von Prozessen. Strategic Advantage Reporting Berichtswesen über die nachhaltigen Wertsteigerungspotenziale und die nicht-finanziellen Werttreiber im Unternehmen. Strategie (Strategy) Maßnahmen zur Schaffung bzw. Erhaltung von Erfolgspotenzialen. Strategische Bilanz (Strategic Balance Sheet) Methode im Controlling der strategischen Ziele; dient der Einschätzung der Stärken (aktiven Abhängigkeiten) und Schwächen (passiven Abhängigkeiten) eines Unternehmens gegenüber seinen Stakeholdern mit dem Ziel, den strategischen Engpass zu ermitteln. Strategischer Engpass (Strategically scarce resource) Faktor, der die künftige Entwicklung eines Unternehmens am stärksten behindert und dessen Beseitigung zusätzliche Potenziale sichtbar macht. Strategisches Controlling (Strategic management control) Teil des strategischen Managements; unterstützt das Management im Prozess der Strategieplanung und -umsetzung. Strategisches Management (Strategic management) Führungsaktivitäten zur Schaffung, Erhaltung und Pflege von Erfolgspotenzialen. System Menge von Elementen und der Beziehungen zwischen den Elementen. 264 Glossar T Transparenzverantwortung (Accountability for transparency) Verantwortung des Controllers für die Ergebnisse und dafür, die Führung über Prozess und Grad der Erreichung der normativen, strategischen und operativen Ziele zu informieren. Triple-Bottom-Line-(TBL-)Ansatz (triple = ökologisch, ökonomisch und sozial); Kern des CSR-Konzepts. TBL bedeutet drei Säulen der Verantwortung, die im Idealfall im Management kontinuierlich gleich stark berücksichtigt werden sollen, um ein nachhaltiges Wirtschaften zu ermöglichen. Tugend (Virtue) Geisteshaltung, das Gute aus innerer Neigung und Bereitschaft zu tun. Tugend ist eine positive (Charakter-) Eigenschaft. U Überwachung (Surveillance, monitoring) Überwachung umfasst Aufsicht, Kontrolle, Prüfung, Audit/s, Revision und Checks im Unternehmen. Neben der Geschäftsführung und den Aufsichtsorganen sind Controlling und – in größeren Unternehmen – die Interne Revision die hauptsächlichen Träger der unternehmensinternen Überwachung. Umfeld (Environment) Umsystem; Außenumgebung eines Systems. Umsetzung (Implementation, Realization) Realisierung eines Plans bzw. Vorhabens. Unternehmen (Company, Organization) Organisation, die – unabhängig von ihrer Größe – planmäßig auf Ziele hin geführt wird, und in der Menschen tätig sind. Außer Industrie- und Dienstleistungsunternehmen wie Banken, Versicherungen und Beratungsunternehmen gehören dazu auch Handelsunternehmen jeder Art, Handwerks- und Gewerbebetriebe, Land- und Forstwirtschaften, Krankenhäuser, Museen, Sportvereine, Kirchengemeinden, Schulen, Hochschulen und öffentlichen Verwaltungen. Unternehmensethik (Business ethics) Beschäftigt sich mit dem Verhältnis zwischen Moral und Gewinn in der Unternehmensführung und mit der Frage, wie Unternehmen Moral, Normen und Ideale in der modernen Wirtschaft zur Geltung bringen können. Thematisiert auf der Ebene der Mesoethik das moralisch gerechtfertigte Verhalten in und von Organisationen. 265 Glossar Unternehmensverfassung (Bill of Stakeholder Rights) Dokumentation der legitimen Rechte der externen und internen Anspruchsgruppen. Unternehmensidentität (Corporate identity) = Objekt des normativen Managements, d.i. das Selbstverständnis des Unternehmens. Ihre Komponenten sind: Vision, Werte, Normen und Unternehmenskultur. Unternehmenskriminalität (Corporate fraud) Teil der Wirtschaftskriminalität; wichtige Wesensmerkmale: Begehung durch selbständig oder unselbständig Wirtschaftstreibende; schwer durchschau- und nachweisbare Taten, Begehung oft unter Missbrauch von Vertrauen, Auswirkungen über die Schädigung von wirtschaftlichen Einzelinteressen hinaus, hohe bzw. weit gestreute Schadenssummen, Internationalität der Straftat. Unternehmenskultur (Corporate culture) Die unternehmensspezifische Häufung von Einstellungen, Werten, Normen, Überzeugungen und Symbolen, die das Verhalten von Führung und Mitarbeitern eines Unternehmens leiten und beeinflussen. Unternehmenspolitik (Corporate policy) Unternehmenspolitik bedeutet Sinngebung und Sinnverwirklichung; bedeutet, bereichsübergreifende Ziele für das Unternehmen und seine Mitarbeiter zu vereinbaren und zu verfolgen, die Machtverteilung und die Kompetenzen im Unternehmen zu regeln und die Grundstruktur der Aufgabenverteilung und der Abläufe festzulegen. V Verantwortlichkeit (Accountability) Zentraler Wert; Fähigkeit, sich für bestehende Pflichten voll einzusetzen und dabei nach bestem Wissen und Gewissen so gut wie möglich und zum Wohle aller Beteiligten zu handeln. Verantwortung (Responsibility) Angelpunkt der Ethik; drei Formen: Rollenverantwortung, d.h. ein Stelleninhaber bzw. ein Unternehmen ist für sein Verhalten rechenschaftspflichtig; Kausale Verantwortung, d.h. für sein Verhalten und dessen Folgen hat der Einzelne bzw. ein Unternehmen einzustehen; Fähigkeitsverantwortung, d.h. der Einzelne bzw. ein Unternehmen ist verantwortlich, eine Problemlösung anzubieten, wenn er bzw. es dazu von seinen Ressourcen her fähig ist. 266 Glossar Verantwortungsbewusstsein (Sense of responsibility) einer Person. Dieses bemisst sich vor allem nach der Denk- und Erkenntnisfähigkeit, insb. hinsichtlich der Folgen des Verhaltens und von Entscheidungen, und nach der moralischen Urteilsfähigkeit, d.h. in wie weit Handeln dem Eigennutz und/oder dem Gemeinwohl dient. Verhalten (Behavior) umfasst drei Dimensionen: Handeln, Dulden (Stillhalten, Zulassen) und Unterlassen als Nicht-Handeln. In einer weitergehenden Differenzierung können drei Ebenen von Verhalten unterschieden werden: Unbewusste, physiologische Reaktionen des Organismus; gelernte, routinierte, aber nicht bewusst oder nur unterbewusst gesteuerte Verhaltensweisen; und bewusstes, gesteuertes Handeln. Verhalten, doloses (fraudulent behavior) Doloses Verhalten (lat. dolosus, -a, -um: trügerisch, arglistig) bezeichnet vorsätzliches Handeln, Dulden bzw. Unterlassen, das geeignet ist, zum Zweck der persönlichen Bereicherung den Unternehmenserfolg zu beeinträchtigen oder Dritten Schaden zuzufügen. Vermaschung (Linking, Coupling) Kopplung bzw. Verbindung von Netzen bzw. Netzwerken bzw. Netzteilen, um – wie bei Zahnrädern – ein reibungsloses Ineinandergreifen zwecks Abstimmung zu gewährleisten. Vermögenswert, immaterieller (Intangible asset) Siehe: Wert, immaterieller Vertrauen (Trust) Vertrauen als Wert ist die Überzeugung, dass der (Gesprächs-)Partner zuverlässig, ehrlich und berechenbar ist bzw. agiert. Jemandem zu vertrauen bedeutet, sein Verhalten als vorhersagbar einzuschätzen. Vertrauen ist der Glaube an die Integrität des Anderen. Vision Vision ist der Ausgangspunkt des normativen Managements, das Bild, das Gründer/innen, Unternehmer/innen und Leader darüber haben, wie ihr Unternehmen in Zukunft positioniert sein soll bzw. wird. Vorkopplung (Feed-forward) siehe Feed-foward Vorschaurechnung (Forecast) Erwartungsrechnung; Ergänzung einer controllinggerechten Abweichungsanalyse um eine zukunftorientierte Betrachtung bis zum Ende des Planzeitraums. 267 Glossar Vorsteuergrösse (Steering lever) „Vorsteuern heißt, etwas frühzeitiger bemerken und sein Verhalten danach ausrichten“ (Gälweiler 2005, S. 29). Eine Vorsteuergrösse ist eine notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung für das Erreichen der vorgesteuerten Größe. W Wert (Value) Werte sind persönliche Vorstellungen über Eigenschaften, die Einzelne, Gruppen, Unternehmen oder die Gesellschaft bestimmten Einstellungen, Ideen, Prozessen, Ergebnissen und Beziehungen) beimessen, und die für den/die Wertenden emotional wichtig sind. Werte sind Auffassungen vom Wünschenswerten; = Gut (im moralischen Sinn). Wert, immaterieller (Intangible asset) Eindeutig identifizierbarer, nicht-monetärer Vermögensgegenstand ohne physische Substanz. Gesamtheit des Human-, Struktur- und Beziehungskapitals. Immaterielle Werte ≠ Goodwill. Wertemanagement (Values Management) Im Wertemanagement geht es um die bewusste Gestaltung der Werthaltungen und Wertekataloge der einzelnen Mitarbeiter und Führungskräfte („Wertschöpfung durch Wertemanagement“). Wertemedaille (Values medal) Zeigt die positiven Werte Vertrauen, Integrität, Verantwortung und Glaubwürdigkeit und stellt ihnen die entsprechenden negativen Werte (Misstrauen, Bestechlichkeit, Verantwortungslosigkeit und Unglaubwürdigkeit) gegenüber. Werte- und Tugend-Check (Value check) Qualitativer Soll-Ist-Vergleich im normativen Controlling, ob die tatsächlich gelebten Werte und Tugenden den Soll-Werten und –Tugenden bzw. der Soll-WerteCharta entsprechen. Wertschöpfung (Value Added) Differenz zwischen dem Wert für extern bezogene Güter und Leistungen und dem Umsatzerlös; mit anderen Worten: der Beitrag an eigenen Leistungen, der zu den von anderen Unternehmen empfangenen Vorleistungen hinzugefügt wird. Wettbewerbsvorteil (Competitive advantage) Vorsprung eines Wirtschaftssubjekts gegenüber seinen Konkurrenten im Wettbewerb. Wer keinen eigentlichen Wettbewerbsvorteil hat, kann am Markt nur über den Verkaufspreis reüssieren. 268 Glossar Whistle blowing Illegitime oder illegale Aktivitäten im Unternehmen dem Vorgesetzten bzw. einem Ethik-Beauftragten melden; dt.: Hinweisgebersystem („Verpfeifen“). Wirtschaftlichkeit (Efficiency) Ist das wertmäßige Verhältnis von Output zu Input (wertmäßige Produktivität) bzw. – als Gradmesser für Effizienz verstanden – zwischen Ist- zu Soll-Aufwand bzw. kosten. Wissen (Knowledge) Gesamtheit der Kenntnisse, Fertigkeiten und Fähigkeiten, die Personen zur Lösung von Problemen anwenden, verstanden werden. Dies umfasst theoretische und praktische Erkenntnisse und Regeln. Wissensbilanz (Intellectual capital statement) Strukturierte Darstellung des Stands und der Entwicklung des intellektuellen Kapitals einer Organisation. Zeigt und beschreibt die Zusammenhänge zwischen Zielen, Prozessen, dem intellektuellen Kapital („Ressource Wissen“) und dem Erfolg einer Organisation. Z Ziel (Goal, Objective, Target) Ein Ziel liegt vor, wenn es nach Inhalt, Ausmaß, Zeitbezug und dem Träger (wer soll das Ziel erreichen?), definiert ist. Andernfalls handelt es sich mangels Operationalisier- und Überprüfbarkeit nicht um ein Ziel, sondern nur um eine Absichtserklärung. Ziele, normative (Normative objectives) Ziele des normativen Managements. Umfassen das aktive Betreiben von Unternehmenspolitik, die Entwicklung einer Unternehmenskultur und einer moralisch korrekten Werthaltung, die Sicherung der Legitimität der Führung auf Basis einer professionellen, moralisch einwandfreien und der Nachhaltigkeit verpflichteten Corporate Governance, das Festlegen von Maßstäben für ethisch tadelloses Handeln im Unternehmen, das Sicherung des Normen-Strategie-Fit und die Sicherung der moralischen Fortschrittsfähigkeit durch innengeleiteten Wandel. 269 Literaturverzeichnis Printliteratur ACFE (Association of Certified Fraud Examiners, 1996): The Report to the Nation on Occupational Fraud and Abuse, Austin Andriessen, Daniel (2004): IC Valuation and Measurement. Classifying the state of the art. In: Journal of Intellectual Capital, Vol. 5, Nr. 2, S. 230–242 Arbeitskreis SG (2002): Arbeitskreis Externe Unternehmensrechnung der Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschaft: Grundsätze für das Value Reporting. 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