Lineare Algebra 1 Detlev W. Hoffmann (in Anlehnung an das Skript von Rudolf Scharlau) WS 2011/12, TU Dortmund 1 Mengen und Zahlen 1.1 Mengen und Abbildungen Notation. N (ohne Null), N0 (mit Null), Z, Q, R, leere Menge ∅ oder { }. Definition 1.1.1. endliche Menge, Mächtigkeit (oder Kardinalität) einer Menge M , in Zeichen |M | oder #M . Beispiel. Verschiedene Weisen, Mengen zu beschreiben, z.B. die geraden natürlichen Zahlen: • Aufzählung (Auflisten): {2, 4, 6, . . .} • Beschreibung der Elemente: {x | x ∈ N und x gerade} • Beschreibung als Teilmenge: {x ∈ N | x gerade} • Beschreibung der Bildungsvorschrift: {2m | m ∈ N} Definition 1.1.2. Teilmenge einer Menge, Inklusion, in Zeichen A ⊂ M oder A ⊆ M (beides erlaube hier Gleichheit der Megen). Strikte/echte Teilmenge, strikte/echte Inklusion, in Zeichen A ( M oder A $ M. Definition 1.1.3. Durchschnitt A ∩ B; Vereinigung A ∪ B; Differenz A \ B; disjunkt disjunkte Vereinigung (kein besonderes Zeichen, oder ∪ ); Komplement von A, einer Teilmenge von M , in M : M \ A (wird im Weiteren kaum benötigt, daher hier auch keine besondere Bezeichnung). 1 Definition 1.1.4. Das kartesisches Produkt A × B zweier Mengen A und B ist die Menge der geordneten Paare (a, b), a ∈ A, b ∈ B. Verallgemeinerung: A1 × . . . × An ist die Menge der geordneten n-Tupeln (a1 , . . . , an ), ai ∈ Ai . Notation: An = |A × .{z . . × A} n mal Satz 1.1.5. M , N endliche Mengen =⇒ |M × N | = |M | · |N |. Definition und Satz 1.1.6. Potenzmenge einer Menge M : P(M ) = {A | A ⊆ M }. Falls M endlich, |M | = n, dann gilt |P(M )| = 2n . Notation. Symbole aus der Logik: ∀, ∃, ∃! (es existiert genau ein . . . ), =⇒, ⇐=, ⇐⇒, A :⇐⇒ B (A wird durch B definiert). Definition 1.1.7. X, Y zwei nichtleere Mengen. Abbildung von X nach Y , Notation f : X → Y : x 7→ f (x). f (x) das Bild von x unter f ; Definitionsbereich X; Zielbereich, Zielmenge Y ; Elemente von X heißen auch Argumente. Bemerkung. Zwei Abbildungen sind gleich wenn: gleiches f , gleicher Definitionsbereich und gleiche Zielmenge. Beispiel. f : X → Y mit f (x) = x2 für X = Y = N bzw. X = Z, Y = N0 bzw. X = Y = Z. f : P(M ) → N0 : A 7→ |A|. Darstellung durch Wertetabelle: f : {1, 2, 3, 4, 5} → {g, u} 1 2 3 4 5 x f (x) u g u g u Bildliche Darstellung durch “Pfeile” von einer Menge in eine andere. f : N → N : x 7→ x − 1 ist keine Abbildung (wieso?). Definition 1.1.8. Abbildung f : X → Y , A ⊆ X. f (A) = {f (a)|a ∈ A} das Bild von A unter f ; f (X) das Bild oder die Bildmenge von f . B ⊆ Y , f −1 (B) = {a ∈ X|f (a) ∈ B} das Urbild von B unter f . Notation falls B = {b}: f −1 (b) statt f −1 ({b}). 2 Definition 1.1.9. f : X → Y eine Abbildung. • f injektiv :⇐⇒ [∀x, x0 ∈ X : f (x) = f (x0 ) =⇒ x = x0 ] (⇐⇒ [∀x, x0 ∈ X : x 6= x0 =⇒ f (x) 6= f (x0 )] • f surjektiv :⇐⇒ [∀y ∈ Y : ∃x ∈ X : f (x) = y] (⇐⇒ [f (X) = Y ]) • f bijektiv :⇐⇒ injektiv und surjektiv. Definition 1.1.10. f : X → Y . Γf = {(x, f (x)) | x ∈ X} ⊂ X × Y , der Graph von f . Als Beispiel der Graph von f : R → R : x 7→ x2 als Diagramm in R2 . Definition 1.1.11. f : X → Y , g : Y 0 → Z mit Y ⊆ Y 0 . Komposition g ◦ f : X → Z (oder Verknüpfung, Verkettung, Hintereinanderausführung ). Bemerkung 1.1.12. Es gilt die Assoziativität der Verknüpfung: h ◦ (g ◦ f ) = (h ◦ g) ◦ f . Definition und Bemerkung 1.1.13. identische Abbildung idX : X → X : x 7→ x. Falls f : X → Y , so gilt f = idY ◦f = f ◦ idX . Definition und Satz 1.1.14. f : M → N Abbildung. (i) f injektiv ⇐⇒ ∃g : N → M mit g ◦ f = idM . (ii) f sujektiv ⇐⇒ ∃h : N → M mit f ◦ h = idN . (iii) f bijektiv ⇐⇒ ∃k : N → M mit k ◦ f = idM und f ◦ k = idN . (iv) Angenommen f bijektiv. Dann heißt die Abbildung k in (iii) Umkehrabbildung von f . Sie ist eindeutig bestimmt und bijektiv. Man schreibt dann auch k = f −1 (nicht zu verwechseln mit der Notation, die man beim Urbild verwendet!!!). Es gilt dann k −1 = f , also (f −1 )−1 = f . Definition 1.1.15. Eine Menge M ist gleichmächtig zu einer Menge N :⇐⇒ ∃ Bijektion f : M → N . M abzählbar falls gleichmächtig zu N. 3 Bemerkung. M gleichmächtig zu N ⇐⇒ N gleichmächtig zu M (Umkehrabbildung!). |M | = n ∈ N ⇐⇒ M gleichmächtig zu {1, 2, . . . , n}. Beispiel. N und Z gleichmächtig. R nicht gleichmächtig zu N (wieso?). R ist überabzählbar. Satz 1.1.16. f : X → Y , g : Y → Z. f und g injektiv/surjektiv/bijektiv =⇒ g ◦ f injektiv/surjektiv/bijektiv. 1.2 Äquivalenzrelationen und Kongruenzen Definition 1.2.1. Eine Relation R auf einer nichtleeren Menge M ist eine Teilmenge R ⊆ M × M . Man schreibt auch aRb statt (a, b) ∈ R, dabei wird R dann oft durch ein Symbol ersetzt. Beispiel. • M = N, aRb : a = b (Gleichheit) • M = Z, aRb : a > b bzw. aRb : a ≥ b • M = Z, aRb : a|b (a teilt b) • f : M → M Abbildung. aRb : b = f (a). Als Teilmenge R ⊆ M × M gilt R = Γf , der Graph von f . • M = P(A) für eine Menge A, aRb : a ⊆ b. • M = Z, aRb : a = b ± 1, d.h. |a − b| = 1. Definition 1.2.2. Eine Relation R auf einer nichtleeren Menge M heißt Äquivalenzrelation falls ∀a, b, c ∈ M gilt: • Reflexivität: aRa; • Symmetrie: aRb =⇒ bRa; • Transitivität: aRb und bRc =⇒ aRc. Als Beispiel kann man für obige Relationen prüfen, welche dieser drei Eigenschaften jeweils zutrifft (z.B. für Z, aRb : |a − b| = 1 nur die Symmetrie). 4 Definition und Satz 1.2.3. (Kongruenz modulo m). Sei m ∈ N. Man definiert auf Z eine Relation ≡m durch a ≡m b :⇐⇒ m|b − a Man schreibt auch a ≡ b mod m, a ≡ b(m) und sagt “a kongruent b modulo m”. “≡m ” ist eine Äquivalenzrelation. Definition und Satz 1.2.4. Sei R eine Äquivalenzrelation auf einer nichtleeren Menge M , x ∈ M . Die Äquivalenzklasse von x bzgl. R ist definiert durch [x]R := {y ∈ M |rRy}. Es gilt: (1) x ∈ [x]R , also ist jedes x ∈ M in (mindestens) einer Äquivalenzklasse enthalten. (2) Die folgenden Aussagen sind äquivalent ∀x, y ∈ M : (a) xRy; (b) [x]R ∩ [y]R 6= ∅; (c) [x]R = [y]R . Also sind zwei Äquivalenzklassen entweder gleich oder disjunkt. disjunkt S (3) ∃V ⊆ M mit x∈V [x]R , also insbesondere bilden die verschiedenen Äquivalenzklassen eine Partition der Menge M . Eine Teilmenge V ⊆ M wie oben heißt Repräsentantensystem oder Vertretersystem der Äquivalenzrelation R. Notation. Die Menge der Äquivalenzklassen {[x]R |x ∈ V } wird mit M/R bezeichnet, “M modulo R”. Falls R durch ∼ ausgedrückt wird, so schreibt man auch M/ ∼. Für die Äquivalenzrelation ≡m auf Z schreiben wir Z/m oder Z/mZ statt Z/ ≡m , und [a]m statt [a]≡m und wir sprechen auch von Kongruenzklassen oder Restklassen (modulo m). Satz 1.2.5. (Division mit Rest). Sei a ∈ Z, m ∈ N. Dann gibt es eindeutig bestimmte q ∈ Z, r ∈ {0, 1, . . . , m − 1} mit a = qm + r. r (bzw. q) heißt Rest (bzw. Quotient) der Division von a durch m. Korollar 1.2.6. Sei m ∈ N. Dann ist {0, 1, . . . , m − 1} ein Vetretersystem der Äquivalenzrelation ≡m auf Z: Z/m = {[0]m , [1]m , . . . , [m − 1]m } Insbesondere gilt |Z/m| = m. 5 Bemerkung. Man schreibt oft a mod m statt [a]m , oder auch a. (Vorsicht: dabei geht die Information bzgl. m verloren: 3 als Element in Z/5 hat nichts mit 3 als Element in Z/7 zu tun.) Definition und Satz 1.2.7. Man definiert auf Z/m eine Addition und eine Multiplikation mittels [a]m ⊕ [b]m = [a + b]m und [a]m [b]m = [a · b]m Diese Operationen sind wohldefiniert, sie erfüllen (analog zu Z) das Assoziativgesetz, das Kommutativgesetz, das Distributivgesetz. [0]m (bzw. [1]m ) ist das neutrale Element für die Addition (bzw. Multiplikation). [−a]m ist das additive Inverse zu [a]m . Beispiel. • Additions/Multiplikationstafel für Z/5. • Berechnen von (39 + 53 ) mod 7 (= 5 mod 7). 1.3 Arithmetik ganzer Zahlen Definition 1.3.1. Seien a, b ∈ Z. Man sagt a teilt b, in Zeichen a|b, falls ∃c ∈ Z mit b = ac. a heißt dann Teiler von b. Falls a nicht b teilt, schreibt man a - b. Bemerkung. ∀b ∈ Z: ±1|b und b|0 (±1 bzw. 0 sind die einzigen Zahlen, die alle ganzen Zahlen teilen bzw. durch alle geteilt werden). Definition 1.3.2. Sei p ∈ N. Dann heißt p Primzahl falls gilt: • p > 1 und • a, b ∈ N, p = ab =⇒ a = 1 (und damit b = p) oder b = 1 (und damit a = p). D.h., @a, b ∈ N, 1 < a, b < p mit p = ab; d.h. die einzigen Teiler von p in N sind 1 und p. Beispiel. Primzahlen < 100: 2, 3, 5, 7, 11, 13, 17, 19, 23, 29, 31, 37, 41, 43, 47, 53, 59, 61, 67, 71, 73, 79, 83, 87, 89, 97. Satz 1.3.3. (Fundamentalsatz der Arithmetik; eindeutige Primfaktorzerlegung natürlicher Zahlen) (a) Jedes n ∈ N, n > 1, lässt sich als Produkt von Primzahlen schreiben: Q ∃r ∈ N, Primzahlen p1 , . . . , pr mit n = ri=1 pi . 6 (b) Die Zerlegung Q in (a) ist bis auf die Reihenfolge der pi eindeutig: Hat man auch n = si=1 qi mit Primzahlen q1 , . . . , qs , so gilt r = s und (gegebenenfalls nach Umnummerierung) pi = qi , 1 ≤ i ≤ r. Zum Beweis benötigt man Lemma 1.3.4. Sei p eine Primzahl, a, b ∈ N. Dann gilt: p|ab =⇒ p|a oder p|b. Q Allgemeiner: a1 , . . . , an ∈ N, p| ni=1 ai =⇒ ∃i ∈ {1, . . . , n} mit p|ai . Bemerkung. Um zu testen, ob√n ∈ N, n > 1 Primzahl ist, reicht es, zu testen, ob p|n für alle Primzahlen p < n. Falls es kein solches p gibt, so ist n Primzahl (warum?). √ Bsp: n = 113, 10 < 113 < 11, p = 2, 3, 5, 7 teilen nicht 113, also 113 Primzahl. Definition und Satz 1.3.5. Gegeben a, b ∈ Z, nicht a = b = 0. (1) ∃g ∈ Z \ {0} sodass gilt: (i) g|a und g|b; (ii) d ∈ Z, d|a und d|b =⇒ d|g. g ist bis auf Vorzeichen eindeutig bestimmt, und man nennt |g| ∈ N den größten gemeinsamen Teiler von a und b: ggT(a, b) := |g|. Man sagt a und b sind teilerfremd falls ggT(a, b) = 1. (2) ∃k ∈ Z sodass gilt: (i) a|k und b|k; (ii) d ∈ Z, a|d und b|d =⇒ k|d. k ist bis auf Vorzeichen eindeutig bestimmt, und man nennt |k| ∈ N0 das kleinste gemeinsame Vielfache von a und b: kgV(a, b) := |k|. Bemerkung. a ∈ Z \ {0}: ggT(0, a) = |a|, kgV(0, a) = 0. Bemerkung. Unter der Annahme der eindeutigen Primfaktorzerlegung lassen sich ggT und kgV leicht bestimmen: Seien a, b 6= 0, dann existieren Primzahlen p1 < p2 < . . . < pr , ni , mi ∈ N0 sodass a=± r Y i pm i , i=1 b=± r Y i=1 7 pni i . Man setze ki = min{mi , ni }, `i = max{mi , ni }. Damit gilt dann wegen der Eindeutigkeit der Primfaktorzerlegung: ggT(a, b) = r Y pki i , kgV(a, b) = i=1 r Y p`i i . i=1 Beispiel. a = 90 = 21 ·32 ·51 , b = 108 = 22 ·32 ·51 . ggT(a, b) = 22 ·32 ·50 = 18, kgV(a, b) = 22 · 33 · 51 = 540. Aus dem Beweis von Satz 1.3.5 folgt Korollar 1.3.6. (Lemma von Bézout) Seien a, b ∈ Z, nicht a = b = 0. Dann ∃x, y ∈ Z: ggT(a, b) = xa + yb. Der Euklidische Algorithmus 1.3.7. Seien a0 , a1 ∈ Z, a1 > 0. Division mit Rest =⇒ ∃q1 , a2 ∈ Z (eindeutig bestimmt!), 0 ≤ a2 < a1 : a0 = q1 a1 + a2 . Falls a2 = 0: fertig. Falls a2 > 0: Division mit Rest =⇒ ∃q2 , a3 ∈ Z (eindeutig bestimmt!), 0 ≤ a3 < a2 : a1 = q2 a2 + a3 . Falls a3 = 0: fertig. Falls a3 > 0: Mache weiter wie zuvor. Man erhält so eine Folge a1 > a2 > . . . ≥ 0 von natürlichen Zahlen =⇒ ∃ kleinstes n ∈ N mit an+1 = 0 und der obige Prozess endet dann: a0 = q 1 a1 + a2 a1 = q 2 a2 + a3 .. . an−2 = qn−1 an−1 + an an−1 = qn an + 0 mit a1 > a2 > . . . > an > an+1 = 0. Es gilt für 0 ≤ i ≤ n − 1: ai = qi+1 ai+1 + ai+2 , also für d ∈ N: d|ai und d|ai+1 ⇐⇒ d|ai+1 und d|ai+2 , daher ggT(ai , ai+1 ) = ggT(ai+1 , ai+2 ). Also: ggT(a0 , a1 ) = ggT(an , an+1 ) = ggT(an , 0) = an . 8 Mittels dieses Algorithmus kann man durch “Umkehrung” x, y ∈ Z bestimmen mit ggT(ao , a1 ) = xa0 + ya1 (siehe auch Lemma von Bézout): Dies lässt sich leicht zeigen indem man durch Induktion nach i, 1 ≤ i ≤ n zeigt, dass xi , yi ∈ Z existieren mit ai = a0 xi + a1 yi . Beispiel. ggT(198, 42) = 6: 198 42 30 12 = = = = 4 · 42 + 30 1 · 30 + 12 2 · 12 + 6 2·6+0 Durch “Zurückrechnen” erhält man 6 = 30 − 2 · 12 (ersetze 6, behalte 12 und 30) = 30 − 2(42 − 1 · 30) = 3 · 30 − 2 · 42 (ersetze 12, behalte 30 und 42) = 3(198 − 4 · 42) − 2 · 42 = 3 · 198 − 14 · 42 (ersetze 30, behalte 42 und 198) Also: 6 = ggT(198, 42) = x198 + y42 mit x = 3, y = −14. Satz 1.3.8. Sei n ∈ N, n ≥ 2. Dann sind äquivalent (1) ∀[a]n ∈ Z/n mit [a]n 6= [0]n existiert [b]n ∈ Z/n mit [a]n [b]n = [1]n ; (2) n ist eine Primzahl. 1.4 Gruppen, Ringe, Körper Definition 1.4.1. Eine Verknüpfung ∗ auf einer Menge M ist eine Abbildung ∗ : M × M → M : (a, b) 7→ a ∗ b . Die Verknüpfung heißt • assoziativ falls gilt: a ∗ (b ∗ c) = (a ∗ b) ∗ c ∀a, b, c ∈ M ; • kommutativ falls gilt: a ∗ b = b ∗ a ∀a, b ∈ M . Man schreibt (M, ∗) für die Menge M mit der Verknüpfung ∗. 9 Beispiel. • (N, −) (Subtraktion) keine Verknüpfung (nicht abgeschlossen). • (Z, −) Verknüpfung, aber weder kommutativ noch assoziativ. • N, Z, R, Q . . . mit Addition + oder mit Multiplikation ·, assoziativ und kommutativ. • X nichtleere Menge, M = Abb(X) = {f | f : X → X Abbildung} mit üblicher Verknüpfung f ◦ g, assoziativ aber i.A. nicht kommutativ. Ähnlich für SX = {f | f : X → X bijektive Abbildung}. • Z/m mit Addition ⊕ oder Multiplikation , assoziativ, kommutativ. Definition und Satz 1.4.2. Sei ∗ eine Verknüpfung auf einer nichtleeren Menge M . Dann heißt e ∈ M neutrales Element für die Verknüpfung ∗ falls gilt: e ∗ a = a ∗ e = a ∀a ∈ M . Falls ein neutrales Element existiert, so ist dieses eindeutig bestimmt. Beispiel. • (N, +) keine neutrales Element. • N0 , Z, Q, R etc. mit + : neutrales Element 0. • N, Z, Q, R etc. mit · : neutrales Element 1. • Abb(X), SX mit ◦ : neutrales Element idX . Bemerkung. Das Symbol + (“Addition”) wird nur bei bestimmten kommutativen Verknüpfungen genommen. Gibt es dabei ein neutrales Element, so bezeichnet man es i.A. mit 0 (Null). Definition 1.4.3. Sei G eine nichtleere Menge mit Verknüpfung ∗. Dann heißt (G, ∗) (oder nur G falls klar ist, welches ∗ gemeint ist) Gruppe falls gilt: (G1) ∗ ist assoziativ; (G2) ∃ neutrales Element e ∈ G für ∗; (G3) Zu jedem a ∈ G existiert ein b ∈ G mit a ∗ b = b ∗ a = e. b heißt dann das zu a inverse Element oder das Inverse von a. G heißt kommutativ oder abelsch falls ∗ kommutativ. Satz 1.4.4. Sie (G, ∗) eine Gruppe. Dann gibt es zu jedem a ∈ G genau ein Inverses. 10 Bemerkung. Falls Verknüpfungssymbol +, so schreibt man −a (das Negative von a, Minus a) für das Inverse von a. Ansonsten schreibt man i.A. a−1 für das Inverse von a. Beispiel. • keine Gruppen: (N, +), (Z, ·), (Z/m, ) (m ≥ 2). • Gruppen: Z, R, Q etc. mit +. • (Z/m, ⊕) ist Gruppe. • R \ {0}, Q \ {0} mit ·. • Z/m \ {[0]m }, m ≥ 2 mit : Gruppe ⇐⇒ m ist Primzahl (Satz 1.3.8). Definition und Satz 1.4.5. X nichtleere Menge. (SX , ◦) ist eine Gruppe mit neutralem Element idX . Das zu f ∈ SX inverse Element ist die Umkehrabbildung f −1 . SX heißt die symmetrische Gruppe auf der Menge X. Sn := S{1,...,n} heißt symmetrische Gruppe vom Grad n. Es gilt |Sn | = n!.. Für “kleine” Gruppen G = {a, b, c, . . .} kann man die Verknüpfungstafel oder Cayley-Tafel schreiben: ∗ a b c a a∗a a∗b a∗c b b∗a b∗b b∗c c c∗a c∗b c∗c .. .. .. .. . . . . ... ... ... ... Beispiel. Cayley-Tafeln für • (Z/5 \ {[0]5 }, ). • S3 . Definition 1.4.6. Ein Ring ist eine nichtleere Menge R zusammen mit zwei Verknüpfungen, einer Addition + und einer Multiplikation ·, sodass gilt: (R1) (R, +) ist eine abelsche Gruppe, wobei das neutrale Element Nullelement oder Null heißt, in Zeichen 0R oder 0; (R2) Die Multiplikation ist assoziativ; 11 (R3) Es gilt das Distributivgesetz: ∀a, b, c ∈ R gilt a · (b + c) = a · b + a · c und (a + b) · c = a · c + b · c; (R4) Es existiert ein neutrales Element für die Multiplikation, genannt Einselement oder Eins, in Zeichen 1R oder 1. Falls die Multiplikation kommutativ ist, so spricht man von einem kommutativen Ring. Bemerkung. In der Literatur betrachtet man auch manchmal Ringe, die (R4) nicht notwendigerweise erfüllen. Ringe, die (R4) erfüllen, werden dann auch unitäre Ringe genannt. Es gibt auch eine Theorie von Ringen, die (R2) nicht erfüllen, solche Ringe heißen dann nichtassoziativ. Falls nichts anderes gesagt wird, erfüllen alle unsere Ringe (R2) und (R4). Bemerkung. In einem Ring R gilt immer: 0 · x = x · 0 = 0 (Beweis?). Beispiel. • (N0 , +, ·) kein Ring. • Z, Q, R . . . mit der üblichen Addition/Multiplikation. • R[X] = {a0 + a1 X + . . . + an X n | ai ∈ R, n ∈ N0 }, der Polynomring über R in der Variablen X, mit der üblichen Addition/Multiplikation von Polynomen. √ √ • Z[ 2] = {a + b 2 | a, b ∈ Z} mit der üblichen Addition/Multiplikation. • F(M, R) = {f | f : M → R Abbildung} mit Addition f + g : M → R : x 7→ f (x) + g(x) Multiplikation f · g : M → R : x 7→ f (x) · g(x) mit 1F (M,R) : M → R : x 7→ 1 0F (M,R) : M → R : x 7→ 0 • (Z/m, ⊕, ). All diese Ringe sind kommutativ, aber wir werden auch nichtkommutative Ringe betrachten müssen. Definition 1.4.7. Ein Körper ist ein kommutativer Ring K mit 1 = 6 0 in dem −1 jedes x ∈ K \ {0} ein multiplikatives Inverses besitzt, welches x geschrieben wird. 12 Bemerkung. Ein Ring mit 1 6= 0 ist also genau dann ein Körper wenn (R\{0}, ·) eine abelsche Gruppe ist. Beispiel. • (Z, +, ·) kein Körper. • R, Q . . . mit + und · : Körper. Satz 1.4.8. m ≥ 2. Dann gilt: (Z/⊕, ) Körper ⇐⇒ m ist Primzahl. Definition 1.4.9. R Ring. x ∈ R heißt Einheit des Ringes R falls ∃a ∈ R mit a · x = x · a = 1 (d.h. x hat ein multiplikatives Inverses). Man schreibt dann auch a =: x−1 . R∗ = {x ∈ R | x ist Einheit}. Bemerkung. R Ring. • 1 6= 0 ⇐⇒ 0 ∈ / R∗ . • 1 = 0 ⇐⇒ R = {0}. • R Körper ⇐⇒ ∅ 6= R∗ = R \ {0}. • (R∗ , · ) ist eine Gruppe mit neutralem Element 1. Satz 1.4.10. R Ring, a ∈ R. Dann gilt: Die Abbildung La : R → R : x 7→ a · x ist bijektiv genau dann wenn a ∈ R∗ . Beispiel. • Z∗ = {±1}; √ √ • Z[ 2]∗ : unendlich viele Einheiten, aber Z[ 2] kein Körper. Satz 1.4.11. m ≥ 2. (Z/m)∗ = {[a]m | 0 ≤ a ≤ m − 1, ggT(a, m) = 1} . Beispiel. Multiplikationstafel für (Z/12)∗ = {1, 5, 7, 11}. Definition 1.4.12. (G, ∗) Gruppe mit neutralem Element e. H ⊆ G heißt Untergruppe von G, in Zeichen H ≤ G, falls gilt: (UG1) H 6= ∅; (UG2) ∀x, y ∈ H : x ∗ y ∈ H; 13 (UG3) ∀x ∈ H : x−1 ∈ H. Bemerkung. (UG1) kann auch ersetzt werden durch die Bedingung “e ∈ H”. Beispiel. (Z, +) ≤ (Q, +), (Q∗ , ·) ≤ (R∗ , ·), (N0 , +) 6≤ (Z, +), {2n | n ∈ Z]} ≤ (Q, ∗), . . . Definition 1.4.13. (R, +, ·) Ring, S ⊆ R heißt Unterring falls gilt: (UR1) (S, +) ≤ (R, +); (UR2) ∀x, y ∈ S : xy ∈ S; (UR3) 1R ∈ S Bemerkung. Damit wird S selber ein Ring mit der von R geerbten Addition/Multiplikation und 1S := 1R . √ √ Beispiel. Z als Unterring von Q, oder von Z[ 2]. Z[ 2] als Unterring von R, aber nicht von Q. . . . Definition 1.4.14. (1) Seien (G, ∗), (H, #) Gruppen. Eine Abbildung f : G → H heißt Gruppenhomomorphismus falls f verknüpfungstreu ist, d.h. f (a ∗ b) = f (a)#f (b) ∀a, b ∈ G . Falls f zusätzlich noch bijektiv ist, so nennt man f einen Gruppenisomorphismus, in diesem Fall sagt man dann (G, ∗) ist isomorph zu (H, #), in Zeichen (G, ∗) ∼ = (H, #) (oder einfach nur G ∼ H falls klar ist, welche Verknüpfungen gemeint = sind). (2) Seien (R, +, ·), (S, +, ·) Ringe. Eine Abbildung f : R → S heißt Ringhomomorphismus falls gilt: (RH1) f (a + b) = f (a) + f (b) ∀a, b ∈ R; (RH2) f (a · b) = f (a) · f (b) ∀a, b ∈ R; (RH3) f (1R ) = 1S . Falls f zusätzlich noch bijektiv ist, so nennt man f einen Ringisomorphismus, in diesem Fall sagt man dann (R, +, ·) ist isomorph zu (S, +, ·), in Zeichen (R, +, ·) ∼ = (S, +, ·) (oder einfach nur R ∼ = S). Beispiel. Gruppenisomorphismus f : (Z/2, ⊕) → (Z∗ , ·), f ([0]2 ) = 1, f ([1]2 ) = −1. Ringhomomorphismen: Q → R : x 7→ x; Z → Z/m : a 7→ [a]m . Bemerkung. Sei f : G → H ein Gruppenhomomorphismus. Dann gilt f (eG ) = eH , f (a−1 ) = f (a)−1 . 14 1.5 Die komplexen Zahlen Definition und Satz 1.5.1. Die komplexen Zahlen C sind formale Ausdrücke der Gestalt a + bi mit a, b ∈ R und i ein Symbol. Es gilt hierbei a + bi = a0 + b0 i ⇐⇒ a = a0 und b = b0 . Auf C werden Addition und Multiplikation wie folgt definiert: • (a + bi) + (a0 + b0 i) := (a + a0 ) + (b + b0 )i; • (a + bi) · (a0 + b0 i) := (aa0 − bb0 ) + (ab0 + ba0 )i. Statt a + 0i schreibt man auch a, statt 0 + bi auch bi. Damit gilt i2 = −1. (C, +, ·) ist ein Kommutativer Ring mit 0C = 0, 1C = 1, −(a + bi) = (−a) + (−b)i = −a − bi. Für z = a + bi ∈ C nennt man a den Realteil von z, a = Re(z), und b den Imaginärteil von z, b = Im(z). Falls z = a + bi ∈ C, z 6= 0, so besitzt z ein Inverses bzgl. der Multiplikation: z −1 = a2 −b a + 2 i. 2 +b a + b2 Insbesondere gilt C∗ = C \ {0}, also ist C ein Körper der R als Unterkörper enthält: R = {a + bi ∈ C | b = 0}. Bemerkung. Man kann C auch definieren als R × R mit Addition (a, b) + (a0 , b0 ) = (a + a0 , b + b0 ), (a, b)(a0 , b0 ) = (aa0 − bb0 , ab0 + ba0 ). Damit gilt 1C = (1, 0) und i = (0, 1), und R kann man identifizieren mit {(a, 0) | a ∈ R}. Die komplexen Zahlen kann man darstellen in der Gaußschen (oder komplexen) Zahlenebene (dazu einige Beispiele mit Diagramm). Definition und Satz 1.5.2. Die zu z = x + yi ∈ C konjugiert komplexe oder konjugierte Zahl z ∈ C ist definiert durch z = x − yi. Die Abbildung C → C : z → z heißt (komplexe) Konjugation. Es gilt ∀z, w ∈ C: • z + w = z + w; • z · w = z · w. Inbesondere ist C → C : z → z ein Ringisomorphismus. Definition und p Satz 1.5.3. Der Betrag |z| von z = x + yi ∈ C ist definiert durch |z| := x2 + y 2 . Es gilt (z, w ∈ C): 15 (1) |z| ≥ 0; (2) |z| = 0 ⇐⇒ z = 0; (3) zz = |z|2 ; (4) |zw| = |z| · |w|; (5) |z + w| ≤ |z| + |w| (Dreiecksungleichung ); (6) z 6= 0 =⇒ z −1 = z . |z|2 Definition und Satz 1.5.4. Jedes z ∈ C∗ kann geschrieben werden als z = r(cos φ + i sin φ) mit eindeutig bestimmten r ∈ R>0 , φ ∈ [0, 2π). (r, φ) heißen die Polarkoordinaten von z, φ = Arg(z) heißt Argument von z, r = |z| ist der Betrag von z. 0 0 0 0 Für die Multiplikation gilt: z = r(cos φ + i sin φ), z = r (cos φ + i sin φ ) =⇒ 0 0 0 0 zz = rr cos(φ + φ ) + i sin(φ + φ ) , d.h. Beträge werden multipliziert, Winkel (Argumente) addiert. Beispiel. ω := 21 + also φ = π3 . √ −3 , 2 |ω| = 1, ω = cos φ + i sin φ mit cos φ = 21 , sin φ = √ 3 , 2 Damit: ω 3 = −1, ω 6 = 1. An Hand der Reihen ex = ∞ X xn n=0 cos x = ∞ X n! (−1)n n=0 sin x = ∞ X (−1)n n=0 , x2n , 2n! x2n+1 (2n + 1)! kann man durch Einsetzen von x := iφ formal zeigen: eiφ = cos φ + i sin φ (dass dies auch analytisch Sinn macht wird in der Funktionentheorie gezeigt). Satz 1.5.5. (Satz von Euler) Sei z ∈ C, |z| = r ∈ R≥0 , Arg(z) = φ ∈ [0, 2π). Dann gilt z = r(cos φ + i sin φ) = reiφ . 16 0 0 Bemerkung. Mit der üblichen Formel ez+z = ez ez lassen sich nun umgekehrt leicht die trigonometrischen Formeln für cos(φ ± ψ), sin(φ ± ψ) etc. auf rein algebraische Weise herleiten. Definition und Satz 1.5.6. Sei n ∈ N, 2π 2π ωn := cos + i sin . n n Die Zahlen ωnk , 0 ≤ k ≤ n − 1 sind genau die Zahlen in C, die die Gleichung z n = 1 erfüllen. Sie heißen n-te Einheitswurzeln. Für 0 6= w = r(cos φ + i sin φ), r ∈ R>0 , φ ∈ [0, 2π), gibt es genau n Zahlen in C, die z n = w erfüllen. Diese sind √ φ φ n ck := r cos + i sin · ωnk , 0 ≤ k ≤ n − 1 . n n Ohne Beweis nennen wir den folgenden wichtigen Satz: Satz 1.5.7. (Fundamentalsatz der Algebra) Sei f (X) = an X n + an−1 X n−1 + . . . + a1 X + a0 ∈ C[X] ein Polynom mit an 6= 0. Dann gibt es bis auf die Reihenfolge eindeutig bestimmte c1 , . . . , cn ∈ C mit f (X) = an (X − c1 )(X − c2 ) . . . (X − cn ) . Beispiel. Faktorisieren von X 4 +√1 über C: √ X 4 + 1 = (X + 22 (1 + i))(X + 22 (1 − i))(X − 17 √ 2 (1 2 √ + i))(X − 2 (1 2 − i)).