Nebennieren 14

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Kapitel 14
Nebennieren
14
H. Dralle
Vorbemerkungen 444
Anmerkungen 444
Diagnostik und Indikation 445
Diagnostik 445
Erkrankungsdiagnostik 445
Lokalisationsdiagnostik 445
Indikation 446
Cushing-Syndrom 446
Conn-Syndrom – primärer Aldosteronismus 447
Syndrome mit vermehrter Androgenproduktion
bzw. mit Feminisierung/adrenogenitalem Syndrom 447
14.1.2.4 Phäochromozytom 447
14.1.2.5 Hormoninaktive Nebennierentumoren 448
14.2
14.2.1
14.2.2
Operative Therapie allgemein 449
Ein- und beidseitige Adrenalektomie 449
Ein- oder zweizeitiges Vorgehen 449
14.3
Operationsvorbereitung 455
14.4
14.4.1
14.4.2
14.4.3
14.4.3.1
14.4.3.2
14.4.4
Spezielle intraoperative Gesichtspunkte 456
Zugangswege 456
Zur Operationstechnik 456
Intraoperative Medikation 457
Substitution von Glukokortikoiden 457
Blutdruckregulation bei Operation
eines Phäochromozytoms 457
Drainage 457
14.5
Postoperative Behandlung 459
14.6
14.6.1
14.6.2
14.6.3
Spezielle postoperative Probleme 460
Substitutionsbehandlung 460
Kontrolle des Behandlungserfolgs 460
Störungen des Heilverlaufs 460
Literatur 461
Nebennieren
14.1
14.1.1
14.1.1.1
14.1.1.2
14.1.2
14.1.2.1
14.1.1.2
14.1.2.3
444
Kapitel 14 Nebennieren
Vorbemerkungen
Wie alle endokrinen Erkrankungen verlaufen auch die der Nebenniere anfangs larviert
und häufig uncharakteristisch. Ihre Erkennung hängt sehr von der Einleitung gezielter
Diagnoseschritte bei Symptomen, die insgesamt häufig sind, ab. Für Erkrankungen der
Nebenniere gilt dies besonders für die Hypertonie. Untersuchungen der Serumelektrolyte, ggf. nachfolgend des Serumaldosteronspiegels einerseits und der Katecholaminausscheidung andererseits, lassen die beiden häufigsten hormonaktiven Störungen der Nebenniere, das Conn-Syndrom und das Phäochromozytom rasch vermuten oder diagnostizieren. Zunehmende Beachtung dieser Möglichkeit hat in den letzten Jahren zu einer
häufigeren Diagnose dieser Erkrankungen geführt.
Die meisten Erkrankungen mit pathologisch gesteigerter Nebennierenhormonproduktion erfordern eine chirurgische Behandlung. Diese kann jedoch nur bei tumorbedingten Störungen als „kausal“ angesehen werden, bei der sekundären bilateralen Hyperplasie trifft sie lediglich das Erfolgsorgan eines gestörten Regelkreises (z. B. beidseitige
Nebennierenrindenhyperplasie beim Cushing-Syndrom). Sie ist dabei jedoch eine effektive und manchmal notwendige Therapiemaßnahme.
Bei Tumoren der Nebenniere ist die Differenzierung zwischen Benignität und Malignität sowohl klinisch-makroskopisch wie z. T. auch histologisch bisweilen schwierig. Gelegentlich ist erst durch den weiteren Verlauf nach Tumorentfernung die Dignität zu klären
(z. B. beim Phäochromozytom).
Diagnose und Differenzierung der Erkrankungsform (Hyperplasie – Adenom; familiär
– sporadisch) liegen weitgehend im endokrinologisch-internistischen Bereich, sie haben
jedoch für das spezielle operative Vorgehen wesentliche Bedeutung. Besonders wichtig ist
die Unterscheidung zwischen Erkrankungsdiagnose und Lokalisationsdiagnose.
Beide gelingen heute mit zunehmender Sicherheit, die Erkrankungsdiagnose durch
fortlaufende Verfeinerung der biochemischen und radioimmunologischen Hormonnachweis- und Funktionsmethoden, die Lokalisationsdiagnostik durch Verbesserung und Weiterentwicklung der bildgebenden Verfahren (Sonographie, Computertomographie, Kernspintomographie) bzw. durch eine Kombination der beiden diagnostischen Bereiche
(Szintigraphie, selektive Hormonbestimmung im lokal-venösen Blut).
Die Risiken der Nebennierenchirurgie haben in den letzten Jahrzehnten deutlich abgenommen, neben der verbesserten Diagnostik waren hierfür entscheidend die adäquate,
spezifische Operationsvorbereitung und die genaue intra- und postoperative Substitutionsbehandlung sowie die notwendige Abstimmung internistisch-endokrinologischer,
anästhesiologischer und chirurgischer Aufgaben.
Im vorliegenden Kapitel wird deshalb besonders auf diese wichtigen Vorbereitungsund Substitutionsfragen sowie auf allgemeine operative Verfahrensweisen eingegangen,
weniger auf Einzelheiten der Diagnose und Differentialdiagnose.
Anmerkungen
In der Nebennierenchirurgie hat in den letzten Jahren ein erheblicher Wandel bezüglich des Zugangsweges stattgefunden. Auch in den Jahren zuvor hatte es unterschiedliche Zugangswege gegeben. Je
nachdem, ob eine unilaterale, bilaterale oder maligne Tumorläsion vorlag, wurden transabdominale,
retroperitoneale oder sogar thorakoabdominale Zugangswege bevorzugt. Nach Etablierung und
Standardisierung der Laparoendoskopie hat dieses Verfahren in den letzten Jahren Eingang in die
14.1 Diagnostik und Indikation
Nebennierenchirurgie gefunden und ist bei benignen Tumoren <6 cm, unilateral oder bilateral zum
Standardverfahren geworden. Bei größeren Tumoren, vor allem aber bei Malignitätsverdacht gilt jedoch das offene Vorgehen weiterhin als Vorgehen der Wahl. Ebenso wie in der Gallenblasenchirurgie
konnten durch die minimalinvasiven Verfahren für die meisten Indikationen eine deutliche Reduktion
der Zugangsbelastung dieses Eingriffes erzielt werden.
14.1
Diagnostik und Indikation
14.1.1
Diagnostik
14.1.1.1
Erkrankungsdiagnostik
Entscheidend für die Erkennung der insgesamt seltenen hormonaktiven Nebennierenstörungen ist die Verdachtsdiagnose aufgrund der klinischen Erscheinungen. Nichterkennen oder Fehlbeurteilungen treten nur selten durch Mängel in der spezifischen biochemischen Diagnostik auf, sondern sind meist auf ein „Nicht-daran-Denken“ zurückzuführen.
Dies gilt v.a. für Frühstadien der Erkrankung, die gelegentlich ein oder mehrere Jahre dauern können. Hierbei dominieren meist „vegetative“ Störungen wie Müdigkeit, Kopfschmerzen, psychische Veränderungen (z. B. beim Cushing-Syndrom), Schweißausbrüche,
Nervosität, Platzangst (z. B. beim Phäochromozytom) oder Müdigkeit und Herzbeschwerden (z. B. beim Conn-Syndrom). Speziell die anfallsartigen, vegetativ charakterisierten
Symptome eines Phäochromozytoms mit Intervallen ohne pathologischen Befund werden häufig lange Zeit verkannt. Chirurgisch besonders bedeutsam ist, dass ein oder der
erste Anfall anlässlich einer beliebigen Operation(v.a. einer Gallenwegoperation wegen
des Drucks des „Gallenbänkchens“ auf die Nebennierengegend) auftreten und im Extremfall unter akutem Linksherzversagen letal enden kann; auch hier ist das Denken an
diese Möglichkeit mit der Konsequenz einer massiven α-Rezeptoren-Blockade entscheidend.
Die biochemischen und radioimmunologischen Untersuchungsverfahren erlauben
heute mit großer Sicherheit die entsprechende Diagnosestellung, zusätzliche Funktionsuntersuchungen (z. B. Dexamethason-Test) lassen weiterhin in den meisten Fällen eine
Unterscheidung zwischen regulativ abhängigen Formen (z. B. beidseitige Nebennierenrindenhyperplasie bei hypophysär bedingtem M. Cushing oder ektopem Cushing-Syndrom) gegenüber autonomen, meist tumorbedingten Formen zu (adrenales Cushing-Syndrom). Bei den endokrin nicht aktiven Tumoren der Nebenniere, die häufig Zufallsbefunde darstellen (sog. Inzidentalome), ist präoperativ ebenfalls eine exakte endokrinologische Diagnostik erforderlich, um insbesondere ein Phäochromozytom auszuschließen,
das stets einer speziellen präoperativen medikamentösen Vorbehandlung bedarf (α-Rezeptoren-Blockade).
14.1.1.2
Lokalisationsdiagnostik
In aller Regel gelingt diese heute mit nichtinvasiven bildgebenden Verfahren, die in der
Reihenfolge Sonographie, CT oder MRT und ggf. Nebennierenrinden- bzw. Nebennieren-
445
446
Kapitel 14 Nebennieren
markszintigraphie durchgeführt werden. Dabei können neben der Topographie meist
auch morphologische Befunde wie Tumorgröße, Lagebeziehung zu anderen Organen, extraadrenale oder bilaterale Veränderungen erhoben werden. Häufig wird heute eine sonographische oder CT- bzw. MRT-Untersuchung bereits bei klinischen Verdachtsmomenten
auf eine Nebennierenerkrankung oder während der Erkrankungsdiagnostik vorgenommen. Stets muss dabei aber bedacht werden, dass die Erkrankungsdiagnose die entscheidende Grundlage darstellt und die Lokalisationsdiagnose eine Ergänzung darstellt, die allerdings für die Operationsplanung unerlässlich ist. So darf insbesondere ein negativer
Befund bei orientierender Untersuchung mit bildgebenden Verfahren nicht zur Unterlassung einer genauen endokrinologischen Erkrankungsdiagnostik führen, wenn klinische Verdachtsmomente vorliegen. Zur Erkrankungsdiagnostik gehört v.a. beim CushingSyndrom auch die Differenzierung der vorliegenden Störung in adrenale und extraadrenale Ursachen.
Invasive diagnostische Verfahren wie eine selektive Angiographie, besonders eine selektive Venenblutentnahme oder eine sonographisch geführte Zytopunktion sind heute
selten indiziert. Sie dürfen ggf. erst nach endokrinologischem Ausschluss eines Phäochromozytoms bzw. bei Verdacht hierauf erst nach ausreichender α-Rezeptor-Blockade vorgenommen werden.
14.1.2
Indikation
14.1.2.1
Cushing-Syndrom
Jedes Cushing-Syndrom ist behandlungsbedürftig, in den meisten Fällen durch einen operativen Eingriff an der Hypophyse oder an der Nebenniere. Entscheidend hierfür ist die differentialdiagnostische Festlegung auf eine der drei Hauptformen des Hyperkortisolismus
(Quabbe et. al. 1993; Oelkers et al. 1997). Bei der zentralen, hypophysären Form (a) (sog.
M. Cushing, ca. 65–70%) und beim ektopen ACTH-Syndrom (b) (ca. 5–10%) mit jeweils
beidseitiger Nebennierenrindenhyperplasie ist zunächst eine operative Entfernung des
Hypophysentumors bzw. des extrahypophysären ACTH-produzierenden Tumors (z. B.
Thymom, Pankreasinselzelltumor, kleinzelliges Bronchialkarzinom, medulläres Schilddrüsenkarzinom) anzustreben, eine beidseitige Adrenalektomie kommt ggf. in zweiter Linie in Betracht (s. unten). Bei allen primär adrenalen Ursachen (c) (einseitiges Adenom
oder Karzinom, beidseitige primäre noduläre Hyperplasie) ist die Adrenalektomie (einbzw. beidseitig) das Verfahren der Wahl.
Eine unilaterale Adrenalektomie ist indiziert beim unilateralen kortisolproduzierenden Nebennierenrindenadenom bzw. -karzinom. Bei der primären Nebennierenrindenhyperplasie und bei einem fortbestehenden Hyperkortisolismus nach Behandlung eines
hypophysären M. Cushing oder bei nicht möglicher (kurativer) Entfernung eines ektopen
ACTH-produzierenden Tumors ist eine bilaterale Adrenalektomie als Therapie des Erfolgsorgans weiterhin angezeigt. Die Indikation zu dieser Operation ist besonders sorgfältig abzuwägen, da die bilaterale Adrenalektomie zwar eine schnelle und sichere Behandlungsmethode des Hyperkortisolismus darstellt, andererseits aber mit der Notwendigkeit einer lebenslangen medikamentösen Substitution der von der Nebennierenrinde
produzierten Hormone verbunden ist und darüber hinaus das Risiko der Entwicklung eines Hypophysentumors (Nelson-Tumor) in 10 bis 20% der Fälle (Watson et al. 1986) in
14.1 Diagnostik und Indikation
sich birgt. Derartige Tumoren können mit einer Latenz von mehreren Jahren nach der bilateralen Adrenalektomie auftreten und sollten daher v.a. bei der Indikationsstellung zur
bilateralen Adrenalektomie bei jungen Patienten bedacht werden.
Eine medikamentöse Behandlung des Cushing-Syndroms mit o,p′-DDD (Mitotan; Wirkungsweise: Zytolyse der Zona fasciculata und Zona reticularis) oder Aminoglutethimid
und Metyrapon (Wirkungsweise: Hemmung der Kortisolsynthese) kommt v.a. bei metastasierenden Formen adrenaler bzw. extraadrenaler Karzinome mit Cushing-Syndrom sowie zur kurzfristigen Operationsvorbereitung bei besonders hoher präoperativer Kortisolproduktion und stoffwechselbedingt schlechtem Allgemeinzustand in Betracht. Die
Dosierung muss jeweils individuell unter genauer endokrinologischer Kontrolle erfolgen.
14.1.1.2
Conn-Syndrom – primärer Aldosteronismus
Für die Operationsindikation entscheidend ist die Differenzierung der Ursachen des
Conn-Syndroms: Nur der durch ein unilaterales Adenom (meist relativ klein, ca. 1,5–2 cm
Durchmesser) oder – selten – ein Karzinom verursachte Hyperaldosteronismus kann und
soll operativ durch Adrenalektomie behandelt werden. Der mit bilateraler „idiopathischer“ Hyperplasie einhergehende Hyperaldosteronismus ist dagegen nur medikamentös
(antihypertensiv und mit Aldosteronantagonisten) zu behandeln (Grant et al. 1984; Stimpel et al. 1986). Nur im Ausnahmefall, z. B. bei asymmetrischer, einseitig dominanter bilateraler nodulärer Hyperplasie, gesichert durch venöse Aldosteron-Stufen-Katheterisierung, kann auch bei bilateralem Befall eine operative Behandlung (z. B. unilateral-total
und kontralateral-subtotale Adrenalektomie) indiziert sein.
Karzinome der Nebennierenrinde produzieren häufig verschiedene Nebennierenrindenhormone (sog. Mischtumoren, s. unten) mit entsprechender kombinierter Symptomatik, sie sind bei Diagnosestellung häufig bereits weit fortgeschritten. Eine Operationsindikation ist jedoch meist gegeben.
14.1.2.3
Syndrome mit vermehrter Androgenproduktion bzw. mit Feminisierung/adrenogenitalem Syndrom
Auch hier ist eine Differenzierung entscheidend: Beim angeborenen adrenogenitalen Syndrom (AGS), bei dem eine Synthesestörung des Kortisols vorliegt, kommt nur eine Dauerbehandlung mit Glukokortikoiden in Betracht, bei der durch einen Nebennierenrindentumor verursachten Form eine Operation. Allerdings handelt es sich bei Letzterer meist um
endokrin aktive Nebennierenrindenkarzinome, die mehrere Hormone produzieren und
eine entsprechende Kombinationssymptomatik bedingen (z. B. Hirsuitismus, Akne, Amenorrhö und Cushing-Zeichen).
14.1.2.4
Phäochromozytom
Bei Vorliegen eines Phäochromozytoms ist die Operationsindikation generell gegeben.
Dabei ist die Charakteristik dieser Tumoren zu bedenken: Sie kommen in etwa je 10% der
Fälle bilateral, maligne, extraadrenal, multipel, familiär sowie bei Kindern vor. Sporadische, nichtfamiliäre Formen sind meist unilateral, familiäre häufig bilateral und ebenfalls
häufig mit anderen Tumoren des Neuroektoderms synchron oder metachron kombiniert.
Bei der multiplen endokrinen Neoplasie Typ II (MEN II) findet sich die Assoziation eines
447
448
Kapitel 14 Nebennieren
medullären (meist ebenfalls bilateralen) Schilddrüsenkarzinoms mit einem häufig bilateralen (synchronen oder metachronen) Phäochromozytom.
!
Bei allen bilateralen Phäochromozytomen ist daher in jedem Fall präoperativ und langfristig postoperativ eine Kalzitoninuntersuchung durchzuführen, um ggf. ein medulläres Schilddrüsenkarzinom zu erkennen, das für die Prognose der MEN-Erkrankung entscheidend ist. Umgekehrt ist bei
jedem hereditären medullären Schilddrüsenkarzinom in der Nachbeobachtung auf die gleichzeitige oder spätere Entwicklung eines Phäochromozytoms zu achten.
Nota bene: Entscheidend und obligat ist bei jeder Operation eines Phäochromozytoms eine ausreichend lange Operationsvorbereitung mit α-Rezeptoren-Blockern; sie verfolgt die
Ziele der Normalisierung des Blutdrucks, der Verhütung intraoperativer Blutdruckkrisen
und der Wiederauffüllung des unter der erhöhten Katecholaminwirkung reduzierten
Blutvolumens, also der Normalisierung der gesamten Hämodynamik (Grosse et al. 1988,
1990). Durch eine exakte Beachtung dieser Vorgehensweise konnte das Risiko der Operation wesentlich gesenkt werden.
!
Die Operationsindikation bei allen aufgeführten hormonell aktiven Nebennierenerkrankungen ist
absolut, da die Erkrankungen unbehandelt generell schwer, in den meisten Fällen letal verlaufen.
Bei Inoperabilität ist unter prognostischen Aspekten (Nachweis von Metastasen) im Allgemeinen trotzdem die Resektion des Primärtumors und – wenn möglich – auch der Metastasen indiziert, da hierdurch ein günstiger Effekt auf das klinische Erkrankungsbild
und eine bessere therapeutische Beeinflussbarkeit der hormonellen Restaktivität zu erzielen ist.
14.1.2.5
Hormoninaktive Nebennierentumoren
Bei zufällig im Rahmen einer Sonographie oder CT-Untersuchung festgestellten Tumoren
der Nebenniere (Inzidentalomen) muss zunächst eine genaue endokrinologische Diagnostik erfolgen, um besonders ein Phäochromozytom auszuschließen (s. oben). Bei danach hormonell inaktiven Tumoren hängt die Operationsindikation wohl hauptsächlich
von Größe und Beschaffenheit des Tumors ab: Bei Zysten (bzw. Pseudozysten) generell
und bei soliden Tumoren <3 cm Durchmesser ist offensichtlich das Malignitätsrisiko gering, auf eine Operation kann also verzichtet werden, nicht aber auf regelmäßige Kontrolluntersuchungen. Bei größeren, vor allem während Verlaufsuntersuchungen an Größe
zunehmenden soliden Veränderungen ist wegen erhöhter Gefahr des Vorliegens eines Malignoms die Operationsindikation stets gegeben (Reincke u. Niess 2000).
Die Nebennieren können weiterhin Metastasen von verschiedenen Primärtumoren
(besonders Bronchialkarzinom, Mammakarzinom, Melanom) enthalten, diese treten
meist bilateral in etwa gleicher Größe auf; sie stellen in der Regel keine Solitärmetastasierung dar, bleiben häufig asymptomatisch, sind wohl nicht entscheidend für die Prognose
und stellen aus diesen Gründen zumindest keine generelle Operationsindikation dar.
14.2 Operative Therapie allgemein
14.2
Operative Therapie allgemein
Eine Übersicht chirurgisch wichtiger Erkrankungen und Störungen der Nebenniere findet sich in Tabelle 14.1.
14.2.1
Ein- und beidseitige Adrenalektomie
Bei unilateralen Nebennierenadenomen (Rinde oder Mark) ist unabhängig von der Art
der Erkrankung eine einseitige subtotale oder totale Adrenalektomie das gegebene Verfahren. Nur bei bilateralen Nebennierenerkrankungen bzw. Funktionsstörungen, die durch
Operation an den Nebennieren zu behandeln sind, also v.a. bei einem Cushing-Syndrom
auf dem Boden der selten primären beidseitigen nodulären Hyperplasie oder bei anders
unzureichender Behandlung eines zentralen oder ektopen ACTH-bedingten Hyperkortizismus (s. Tabelle 14.1) ist in aller Regel die beidseitige Adrenalektomie das Verfahren der
Wahl (ggf. andersartiges Vorgehen, s. unten).
Bei einem familiären bzw. MEN-II-Phäochromozytom kann auch bei prä- und intraoperativem Nachweis einer nur unilateralen Tumorbildung wegen der hohen Wahrscheinlichkeit eines synchronen oder metachronen beidseitigen Auftretens (in 50 bis 80%) und
der Schwierigkeit, kleine Tumoren nachzuweisen, eine beidseitige Adrenalektomie überlegt werden. U. E. ist es jedoch günstiger, in dieser Situation zunächst nur auf der Seite des
Erkrankungsnachweises zu adrenalektomieren und den weiteren Verlauf unter genauer
Beobachtung abzuwarten. Bei manchen Patienten kann so die beidseitige Adrenalektomie
vermieden werden, bei anderen kann zumindest die Notwendigkeit der NNR-Substitutionstherapie für eine gewisse Zeit, häufig für mehrere Jahre hinausgeschoben werden
(Dralle et al. 1988, 1992).
Auch eine unilateral-totale und kontralateral-subtotale Adrenalektomie zum Erhalt
kortisolproduzierenden Nebennierengewebes kann bei einem beidseitigen Phäochromozytom bzw. bei der familiären Form sinnvoll sein. Dagegen könnte die – allerdings geringe – Gefahr einer vorliegenden Malignität sprechen; weiter ist zu bedenken, dass, abhängig von der Menge des Restgewebes, ggf. keine ausreichende Funktionsreserve für StressSituationen besteht. Eine partielle Nebennierenentfernung kann ggf. bei zufällig entdeckten zystischen Bereichen oder kleinen Inzidentalomen überlegt werden.
Bei Karzinomen oder malignitätsverdächtigen Befunden soll die Adrenalektomie (hier
stets offen – abdominell durchgeführt, s. unten) lokal möglichst radikal, d. h. unter Mitnahme des periadrenalen und perirenalen Fettgewebes und einer Lymphadenektomie zumindest ipsilateral an V. cava und Aorta erfolgen.
14.2.2
Ein- oder zweizeitiges Vorgehen
Bei stark fortgeschrittenem Cushing-Syndrom auf dem Boden einer beidseitigen
primären oder sekundären Nebennierenrindenhyperplasie mit erheblicher Adipositas
und hoher Operationsgefährdung wurde z. T. ein zweizeitiges Vorgehen empfohlen. Da jedoch die einseitige Adrenalektomie keine wesentliche Verbesserung des Zustands bringt
449
Supprimiert
Beidseitige Hyperplasie
Autonom; Dexamethasonhemmtest:
ACTH → erniedrigt
Kortisolüberproduktion, Dexamethasonhemmtest: ACTH →
deutlich erhöht
Ektopes ACTH-Syndrom (extrahypothalamisch-hypophysäre
und extraadrenale
ACTH-Produktion,
z. B. in Bronchusoder endokrinen
Pankreaskarzinomen)
(Cushing-Syndrom)
Folge für die
kontralaterale
Nebennierenrinde
Unilaterales NNRAdenom oder Karzinom, primäre noduläre bilaterale NNRHyperplasie
(ca. 15–25%)
(Cushing-Syndrom)
Biochemische
Diagnose
(nur Prinzip)
Beidseitige Hyperplasie
Typisches CushingBild, Hypertonus,
Diabetes, Amenorrhö,
Osteoporose,
Striae, psychische
Veränderungen etc.
Wichtige klinische
Zeichen
Kortisolüberproduktion auch nachts
(aufgehobener TagNacht-Rhythmus),
Dexamethasonhemmtest: ACTH →
normal/erhöht
Diffuse beidseitige
NNR-Hyperplasie
(gestörter hypothalamisch-hypophysärer
Regelkreis
(M. Cushing)
(Hypophysentumor)
(ca. 70%)
Nebennierenrinde
Hyperkortisolismus
Art der Erkrankung
Tabelle 14.1. Chirurgisch wichtige Erkrankungen und Störungen der Nebenniere
Bei schweren Formen evtl. Vorbehandlung zur Kortisolreduktion mit
o,p′-DDD
Bei schweren Formen evtl. Vorbehandlung zur Kortisolreduktion mit
o,p′-DDD
Bei schweren Formen evtl. Vorbehandlung zur Kortisolreduktion mit
o,p′-DDD
Spezifische
Vorbehandlung
Spezifische
Nachbehandlung
Entfernung des Primärtumors (wenn
möglich), bilaterale
Adrenalektomie bei
nicht möglicher oder
nicht kurativer Primärtumorentfernung
Uni- oder bilaterale
Adrenalektomie
NNR-Hormonsubstitution nach bilateraler
Adrenalektomie
Zumindest vorübergehende (nach unilateraler) oder lebenslange
(nach bilateraler Adrenalektomie) NNR-Hormonsubstitution, evtl.
Chemotherapie beim
NNR-Karzinom
Bilaterale Adrenalek- Lebenslange NNRtomie bei nicht erfolg- Hormonsubstitution
reicher Therapie eines
Hypophysentumors
Operationsmethode
der Wahl
450
Kapitel 14 Nebennieren
Hypertonie,
Polyurie,
Muskelschwäche etc.
Primärer Aldosteronismus (Conn-Syndrom)
Erhöhte Ausscheidung der 17-Ketosteroide, verminderte
Kortisolspiegel
Beidseitig
Kontraindiziert
Bei Mädchen:
Pseudohermaphroditismus femininus,
Virilisierung.
Bei Knaben: Makrogenitosomie, stets:
Wachstumsveränderungen
Kongenitale
bilaterale Hyperplasie (adrenogenitales Syndrom)
Keine
Unilaterale Adrenalektomie
Evtl. Suppression der
Glukokortikoidproduktion
Unilaterale Adrenalektomie
Operationsmethode
der Wahl
Virilisierung bzw.
Feminisierung
Aldosteronantagonisten und Kaliumzufuhr
Spezifische
Vorbehandlung
NNR-Tumoren mit
vermehrter Androgen-produktion/
Feminisierung
Evtl. Suppression der
Glukokortikoidproduktion bei Mischformen (Karzinom)
Folge für die
kontralaterale
Nebennierenrinde
Nicht indiziert
Erhöhte Ausscheidung der 17-Ketosteroide
Erhöhter Serumaldosteronspiegel,
vermehrte Aldosteronausscheidung im
Urin, jedoch: Differentialdiagnose
gegenüber sekundärem Hyperaldosteronismus); supprimierte Plasma-ReninAktivität, Elektrolyte:
Hypokaliämie, Hypernatriämie (Hypervolämie)
Biochemische
Diagnose
(nur Prinzip)
Bilaterale Hyperplasie
Unilaterales Adenom
oder Karzinom
Wichtige klinische
Zeichen
Art der Erkrankung
Tabelle 14.1. Fortsetzung
Dauerbehandlung mit
Kortisolpräparaten
Vorübergehende NNRHormonsubstitution
Keine, evtl. Elektrolytausgleich
Spezifische
Nachbehandlung
14.2 Operative Therapie allgemein
451
Paroxysmale oder
permanente Hypertonie mit mannigfaltiger Symptomatik,
häufig „vegetative“
Erscheinungen-
Tumor (Verdrängungszeichen oder
Zufallsbefund, Inzidentalom)
Hormoninaktive
Nebennierentumoren
(Adenome, Zysten,
Pseudozysten,
Myelolipome,
Lipome, Fibrome,
Myxome, Ganglioneurome, Metastasen, Sarkome)
Nebennierenmark
Phäochromozytom
(10% bilateral,
familiär bzw.
MEN II, maligne,
extraadrenal)
Wichtige klinische
Zeichen
Art der Erkrankung
Tabelle 14.1. Fortsetzung
Erhöhte Katecholaminausscheidung
im Urin
Biochemische
Diagnose
(nur Prinzip)
Nicht supprimiert
Keine
Folge für die
kontralaterale
Nebennierenrinde
α-RezeptorenBlockade
Keine
Spezifische
Vorbehandlung
Unilaterale Adrenalektomie bei unilateralen Tumoren,
bilaterale (organerhaltende) Adrenalektomie bei bilateralen
Tumoren, radikale
Tumorexstirpation
bei extraadrenalen
Tumoren
Unilaterale Adrenalektomie bei Tumoren >3 cm oder
Wachstum, radikale
Tumorentfernung
bei Malignomen
Operationsmethode
der Wahl
Keine nach unilateraler und nach organerhaltender Adrenalektomie, lebenslange
NNR-Hormonsubstitution nach bilateraler
Adrenalektomie
Keine bei benignen
Tumoren, evtl. externe
Radiatio bei malignen
Tumoren
Spezifische
Nachbehandlung
452
Kapitel 14 Nebennieren
14.2 Operative Therapie allgemein
und da heute in schweren Fällen eine Vorbehandlung mit o,p′-DDD möglich ist, erscheint
prinzipiell ein einzeitiges Vorgehen (transperitoneal oder extraperitoneal) geeignet.
Ist dagegen die Differenzierung zwischen ein- und beidseitigem Befall nicht sicher, z. B.
beim primären Hyperaldosteronismus, so kann ein zweizeitiges Vorgehen mit primärer
Entfernung der stärker pathologischen Nebenniere und Abwarten des klinischen Verlaufs
vor einer evtl. notwendigen kontralateralen Adrenalektomie in zweiter Sitzung richtig
sein.
Notizen
453
14.3 Operationsvorbereitung
14.3
Operationsvorbereitung
Voruntersuchungen
Allgemein
Krankheitsbezogen
Speziell
Vorbehandlung
Verschiedenes
Schema II, s. Kap. 24
Sonographie, Computertomographie, Magnetresonanztomographie, Nebennierenszintigraphie, nur bei fehlender Lokalisation durch diese
nichtinvasiven Methoden evtl. selektive Nebennierenvenenblutentnahme
Bei Cushing-Syndrom: Serumkortisolspiegel,
Dexamethason-Hemmtest, freie Kortisolkonzentration im 24-h-Urin, ACTH im Serum, Blutzuckertagesprofil
Bei Phäochromozytom: Katecholamine im
24-hUrin und im Serum
Bei Conn-Syndrom: Aldosteron im Serum,
Plasma-Renin-Aktivität, Elektrolyte
Bei Nebennierentumoren mit vermehrter
Androgenproduktion/Feminisierung: 17-Ketosteroide im 24-h-Urin. Dehydroepiandrosteron,
Testosteron, Kortisol im Serum
Bei Cushing-Syndrom: antibiotische Abschirmung, ggf. Insulin
Bei exzessiv hohem Kortisolspiegel (negative
Stickstoff- und Kalziumbilanz) ggf. o,p′-DDD
Bei Phäochromozytom: α-Rezeptoren-Blockade
in steigender Dosierung bis zur orthostatischen
Hypotension (Phenoxybenzamin beginnend mit
20–40 mg/Tag, tägliche Steigerung um 10–20 mg,
maximal 200–320 mg/Tag), bei anschließend
noch vorhandener Ruhetachykardie oder
Arrhythmie evtl. zusätzlich β-RezeptorenBlocker (z. B. Propranolol 15–45 mg/Tag)
Bei Conn-Syndrom: Spironolacton (300–600 mg/
Tag) und Kaliumsubstitution (50–200 mval/Tag)
für 1–2 Wochen, Operation erst nach Normalisierung der Serumelektrolyte
Blutkonservenbereitstellung 0–5 (je nach Operationsausmaß, Verletzungsgefahr der V. cava inferior)
Intraoperative Behandlung Bei beidseitiger totaler Nebennierenentfernung
und bei einseitiger Entfernung mit Suppression der kontralateralen Seite: Hydrokortison
15 mg/h (insgesamt 200–300 mg am Operationstag)
Aufklärung
Genaue Besprechung der Operationsnotwendigkeit, des Operationsziels und der evtl. erforderlich werdenden postoperativen Substitutionstherapie. Besprechung der Zugangswege (transabdominell oder extraperitoneal, konventionell
offen oder minimal invasiv); Hinweis auf mögliche Verletzungsgefahr der Milz bei linksseitiger
Adrenalektomie mit ggf. erforderlicher Splenektomie
455
456
Kapitel 14 Nebennieren
14.4
Spezielle intraoperative Gesichtspunkte
14.4.1
Zugangswege
Wie in der Gallenblasenchirurgie haben sich, wenngleich mit Verzögerung, minimal-invasive Zugangswege auch in der Nebennierenchirurgie heute zum bevorzugten Standvorgehen etabliert. Noch mehr als in der Gallenblasenchirurgie ist in der Nierennierenchirurgie
die Relation von Zugangstrauma zu operiertem Organ derart, dass hier die Einführung
minimal-invasiver Techniken einen wesentlichen Fortschritt vor allem für die postoperative Eingriffsbelastung darstellte.
Die Indikation zur minimal-invasiven Adrenalektomie ist bei allen benignen Nebennierentumoren <6 cm Durchmesser gegeben. Bei Malignitätsverdacht und Nebennierentumoren >6 cm Durchmesser sollte generell primär offen vorgegangen werden. Bei nachgewiesenem Malignom (Ausnahmen: intraadrenale Metastasen) ist unter kurativer Intention ein offenes Vorgehen obligat.
Minimal-invasiv können Eingriffe an den Nebennieren unter Berücksichtigung der
veränderten Zugangstechnik in gleichem Ausmaß (partielle, subtotale, totale Adrenalektomie) ein- oder beidseitig wie in der offenen Chirurgie vorgenommen werden (Nies
2000; Brauckhoff et al. 2003); auch Reeingriffe nach abdomineller Voroperation sind auf
retroperitoneoskopischen Wege (in Seiten- oder Bauchlage des Patienten) möglich (Walz
et al. 1995). Das bei Ersteingriffen heute überwiegend bevorzugte Verfahren ist die transperitoneale anterior-laterale laparoskopische Adrenalektomie.
Angesichts der hohen Auflösung und sicheren Darstellung bildgebender Schichtbildverfahren ist eine intraoperative Freilegung der kontralateralen präoperativ unauffällig
dargestellten Nebenniere nur in Sonderfällen erforderlich.
Mit der Etablierung laparoendoskopischer Verfahren sind offen retroperitoneale Adrenalektomien heute eine Rarität (z. B. Linksadrenalektomie bei Nebennierentumoren nach
schwerer Pankreatitis). Offene Adrenalektomien bei malignitätsverdächtigen bzw. großen
Nebennierentumoren werden heute daher nahezu ausschließlich transabdominell durchgeführt, selten aufgrund besonderer Tumorausdehnungen (suprahepatische Infiltration
oder Tumorthrombose der V. cava inferior) auch thorakoabdominell.
14.4.2
Zur Operationstechnik
Die Präparation der Nebennieren beim konventionell-offenen Vorgehen wird stets, besonders aber bei extraperitonealem Zugang erleichtert, wenn das Organ primär nicht von der
Nierenkapsel getrennt wird, durch Zug an der Niere kaudalwärts kann die mit ihr verbundene Nebenniere von kranial her mobilisiert werden. Ein Einreißen des Nebennierengewebes soll stets vermieden werden, womit auch jedes instrumentelle Anklemmen der Nebenniere entfällt. Baldmöglichst soll v.a. beim Phäochromozytom die meist solitär ausgebildete Zentralvene unterbunden und durchtrennt werden. Die Gefahr einer größeren
Blutung ist rechts wegen der kurzstreckigen Vene und ihrer direkten Einmündung in die
V. cava inferior stets größer (links Einmündung in die V. renalis).
14.4 Spezielle intraoperative Gesichtspunkte
Treten bei Vorliegen eines Phäochromozytoms während der Präparation Blutdruckkrisen auf – was bei ausreichender präoperativer α-Rezeptoren-Blockade nicht oder nicht in
stärkerem Maße zu erwarten ist – muss die Manipulation jeweils so lange unterbleiben,
bis der Blutdruck spontan oder medikamentös wieder einigermaßen normalisiert ist.
Selbstverständlich unterbleibt jede unnötige Palpation. Der transperitoneale Zugang zur
linken Nebenniere kann durch Eingehen kaudal des Pankreasschwanzes (Mayor 1984) erfolgen. Bei beiden Zugangsformen droht eine Verletzung der Milzkapsel, weshalb vor Verschluss der Bauchdecke nochmals eine genaue Revision erfolgen muss.
Die präparative Technik an der Nebenniere unterscheidet sich beim minimal-invasiven
Vorgehen prinzipiell nicht von derjenigen beim offenen. Beim transperitonealen und
retroperitoneoskopischen Vorgehen sind je nach Operationsverfahren unterschiedliche
Lagerungstechniken möglich. Das Präparat soll grundsätzlich in einem Bergebeutel geborgen werden.
14.4.3
Intraoperative Medikation
14.4.3.1
Substitution von Glukokortikoiden
Da die Halbwertszeit von Kortisol einige Stunden beträgt, ist eine intraoperative Glukokortikoidsubstitution nicht absolut zwingend. Sicherheitshalber und wegen eines erhöhten Glukokortikoidbedarfs in Stress-Situationen wird jedoch routinemäßig die intraoperative Gabe von Hydrokortison (15 mg/h) empfohlen (insgesamt 200–300 mg am Operationstag), sofern eine beidseitige totale Adrenalektomie oder eine einseitige Adrenalektomie bei (möglicherweise) kontralateral supprimierter Nebenniere (Nebennierenrindenadenom beim Cushing-Syndrom, Nebennierenkarzinome mit hormonellen Mischformen)
vorgenommen wird.
14.4.3.2
Blutdruckregulation bei Operation eines Phäochromozytoms
Eine ausreichende Vorbehandlung mit α-Rezeptoren-blockierenden Substanzen verhütet
sowohl starke Blutdruckkrisen bei intraoperativer Ausschüttung von Katecholaminen aus
dem Tumor als auch – über die Normalisierung des Blutvolumens – starke Hypotonien
nach Abklemmen der Nebennierenvene. Sicherheitshalber sind trotzdem sowohl α- und
β-Rezeptoren-blockierende Medikamente als auch Arterenol sofort verfügbar (am besten
als Infusion) vorbereitet zu halten. Die Dosis ist stets individuell nach Blutdruckhöhe und
Medikamentenwirkung zu bemessen. Hypotone Phasen sollen hauptsächlich oder zumindest gleichzeitig mit der Gabe von Arterenol mit Volumenzufuhr behandelt werden. Bei
Arrhythmien sind Xylocain und evtl. Propanolol angezeigt.
14.4.4
Drainage
Bei transperitonealem und extraperitonealem Vorgehen erscheint eine Drainage für 24 bis
48 Stunden günstig.
457
14.5 Postoperative Behandlung
14.5
Postoperative Behandlung
Routinebehandlung
Kontrollen
Spezielle Probleme
Schema II, s. Kap. 25
Antibiotika routinemäßig bei CushingSyndrom und bilateraler Adrenalektomie,
sonst nicht indiziert
Drain: ggf. kürzen Tag 1, ziehen Tag 2
Fädenentfernung: bei Cushing-Syndrom
Tag 12 (bis 14), sonst Tag 7
Nach beidseitiger Adrenalektomie Elektrolyte im Serum täglich
Nach Phäochromozytom
Blutdruck, Venendruck, Urinvolumen am
Operationstag und an Tag 1 stündlich,
dann nach Verlauf
Nach Conn-Syndrom
Elektrolyte, speziell Kalium im Serum
1- bis 2-mal täglich
Nota bene: nach allen Operationen an der
Nebenniere besonders exakte Kreislaufüberwachung
Glukokortikoidsubstitution nach beidseitiger Adrenalektomie und nach einseitiger
Adrenalektomie bei (möglicherweise) kontralateral supprimierter Nebenniere. Intraoperativ: 15 mg Hydrokortison/h (100 mg);
postoperativ: 100–200 mg Hydrokortison
noch am Operationstag (Dauerinfusion),
200 mg Hydrokortison Tag 1 und 2, dann
täglich Reduktion um 10–20 mg bis zur
normalen Substitutionsdosis, der Zeitpunkt des Übergangs auf eine orale Medikation ist individuell vom Verlauf zu bestimmen. Bei beidseitiger Adrenalektomie
zusätzliche Medikation mit Mineralokortikoid (0,1 mg Fludrocortison täglich)
(Langzeiteinstellung s. Abschn. 14.6.1)
Bei Störungen im postoperativen Verlauf
(Infektion) sowie bei nichthypovolämisch
bedingter Hypotonie: neuerliche Erhöhung
der Dosis bis ca. 200–300 mg/Tag
Nach einseitiger Adrenalektomie wegen
Phäochromozytom: keine Substitutionsbehandlung erforderlich, Katecholaminbestimmung zur Erfolgs- und Langzeitkontrolle erstmals nach ca. 6 Wochen
Nach Operation wegen Conn-Syndroms ist
eine postoperative Substitutionsbehandlung in der Regel nicht erforderlich, ggf.
weiterhin Kaliumsubstitution bzw. auch
Spironolacton (200–400 mg täglich)
Ggf. eindringlicher Hinweis auf die Notwendigkeit der Nebennierenrindenhormonsubstitution und der Dosiserhöhung
bei Infekten etc.
459
460
Kapitel 14 Nebennieren
14.6
Spezielle postoperative Probleme
14.6.1
Substitutionsbehandlung
Nach totaler beidseitiger Adrenalektomie ist eine Dauerbehandlung mit Gluko- und Mineralokortikoiden erforderlich, deren genaue Einstellung und Überwachung auch anhand
von Kortisolserumbestimmungen etc. im internistisch-endokrinologischen Bereich liegt.
Im Allgemeinen wird die postoperativ erhöhte Dosierung im Verlauf von etwa 4 Wochen
auf die Basissubstitution von ca. 25–30 mg Kortison und 0,1 mg Fludrocortison/Tag reduziert. Die Kortisonmedikation wird meist in zwei Rationen eingenommen (morgens
15–20 mg, mittags bzw. abends 10 mg).
Nach einseitiger Adrenalektomie mit jedoch kontralateraler Nebennierenrindensuppression (möglicherweise oder sicher vorhanden) ist die frühe postoperative Substitution
identisch, ob und inwieweit die Substitution später reduziert oder abgesetzt werden kann,
müssen genaue Bestimmungen des Kortisolserumspiegels ergeben. Bei Suppression einer
Nebennierenrinde, wie dies beim Cushing-Syndrom auf dem Boden eines einseitigen
Adenoms stets vorliegen dürfte, ist mit einer normalen Aktivität der „gesunden“ Nebennierenrinde kaum mehr oder erst nach 6–12 Monaten zu rechnen.
14.6.2
Kontrolle des Behandlungserfolgs
Diese geschieht sowohl klinisch wie auch biochemisch. Klinisch macht sich ein Rückgang
des Cushing-Syndroms meist nach 3 bis 4 Wochen bemerkbar. Mit Ausnahme von Sekundärschädigungen wie Striae oder Frakturen sind alle durch den Hyperkortisolismus verursachten Veränderungen reversibel.
Nach Operation wegen eines Conn-Syndroms stellt sich in wenigen Tagen eine Besserung der Hypokaliämie und der Hypertonie ein, eine Normalisierung des Blutdrucks wird
in den meisten Fällen sehr früh bzw. innerhalb weniger Wochen oder Monate erreicht.
Nach einer Phäochromozytomoperation tritt die Blutdrucknormalisierung sofort ein,
sofern nicht bereits Gefäßveränderungen vorliegen. Wegen möglicher Rezidive ist insbesondere nach unilateraler Adrenalektomie bei allen endokrinen Störungen der Nebenniere eine regelmäßige Überwachung auch der biochemischen Parameter erforderlich. Beim
Phäochromozytom ist ein MEN 2-Syndrom oder von-Hippel-Lindau-Syndrom genetisch
abzuklären.
14.6.3
Störungen des Heilverlaufs
Speziell nach Operation wegen Cushing-Syndroms treten infolge des lange bestehenden
Hyperkortisolismus mit seiner proliferationshemmenden Wirkung vermehrt Wundheilungsstörungen auf. Dies lässt im Allgemeinen eine systemische Antibiotikatherapie angeraten erscheinen, erfordert aber im übrigen kein Abweichen von den Regeln der allgemeinen Chirurgie. Bei primärer Heilung ist mit verzögertem Eintritt der Wundfestigkeit
zu rechnen.
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