MEDIZIN DIE UBERSICHT Das Nebenniereninzidentalom Die Kunst der Beschränkung in Diagnostik und Therapie Martin Reincke Bruno Allolio V or der Einführung moderner bildgebender Verfahren in die klinische Praxis Ende der 70er Jahre wurden Tumoren der Nebenniere nur nachgewiesen, wenn eine entsprechende klinische Symptomatik (Cushing-Syndrom, endokrine Hypertonie, Androgenexzess) auf einen Nebennierenprozeß hinwies. Durch die Entwicklung von Sonographie, Computertomographie (CT) und Kernspintomographie ist die Nebennierendiagnostik revolutioniert worden. Eine Folge dieser Entwicklung ist der Nachweis von Raumforderungen im Bereich der Nebenniere als Zufallsbefund. Hierüber wurde das erste Mal 1982 von Prinz et al. (22) berichtet. Die zufällig entdeckte Raumforderung der Nebenniere wird als Inzidentalom bezeichnet und stellt die häufigste pathologische Veränderung der Nebennieren dar. Trotz einer Vielzahl von Publikationen zu diesem Thema (2, 6-10, 13-15, 19, 20, 22-25, 27, 30) ist das diagnostische und therapeutische Vorgehen bei Nachweis eines Nebenniereninzidentaloms noch nicht standardisiert. Hierbei ist zu berücksichtigen, daß die Frühdiagnostik für manche Patienten eine effektive Therapie (wie beim Phäochromozytom und beim Nebennierenrindenkarzinom) ermöglicht, aber auch zu teurer und überflüssiger Diagnostik verleiten kann. Eine chirurgische Therapie ist nur bei einer Minderheit der Patienten erforderlich und bedarf der genauen Indikation. Häufigkeit des Nebenniereninzidentaloms Im unselektierten Sektionsgut finden sich klinisch unerkannte NeA-764 Das Inzidentalom der Nebenniere ist sehr häufig und hat nur ausnahmsweise Krankheitswert. Eine zurückhaltende Diagnostik und Therapie sind notwendig. Die endokrine Diagnostik konzentriert sich auf den Ausschluß oder Nachweis eines Phäochromozytoms und eines cortisolproduzierenden Nebennierenadenoms. Nur bei Hypokaliämie und arterieller Hypertonie muß ein Aldosteronom ausgeschlossen werden. Die Dignität des Tumors ist am zuverlässigsten aus seiner Größe ableitbar. Bei Tumoren mit einem Durchmesser von über 5 cm ist wegen des Malignitätsrisikos eine Operation indiziert. Bei kleineren endokrin inaktiven Tumoren ist eine Verlaufsbeobachtung gerechtfertigt. Nur bei eindeutiger Größenzunahme muß operiert werden. In Zweifelsfällen kann die Kernspintomographie zur Differenzierung zwischen Adenom einerseits und Malignom, Phäochromozytom andererseits herangezogen werden. bennierenadenome in 1,41 bis maximal 8,7 Prozent der Fälle (4, 12, 16, 26, 29). Russi et al. (26) fanden bei 9 000 Autopsien in 1,45 Prozent der Fälle Nebennierenadenome, Shamma et al. (29) 1,8 Prozent bei 220, Kokko et al. (16) 1,41 Prozent bei 2 000 Autopsien, und Commons et al. (4) 2,86 Prozent Adenome bei 7 437 Autopsien. In der einzigen prospektiven Untersuchung lagen klinisch stumme Nebennierenadenome bei 8,7 Prozent von 739 Autopsien vor (12). Die meisten Adeno- (48) Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 11, 17. März 1995 me im Sektionsgut sind klein, aber die Prävalenz von Adenomen, die größer als 1,5 cm sind, betrug in einer Publikation immer noch 1,8 Prozent. Raumforderungen mit einem Durchmesser von 6 cm und mehr wurden im Sektionsgut mit einer Häufigkeit von 0,025 Prozent gefunden (5). Dies bedeutet, daß über 1 Million Bundesbürger Träger einer im CT sicher nachweisbaren adrenalen Raumforderung sind. Diese Berechnung wird durch computertomographische Untersuchungen gestützt. Hier schwanken die Angaben über die Prävalenz zufällig entdeckter Nebennierentumoren zwischen 0,6 und 4,4 Prozent (15, 25). Am häufigsten sind kleine Tumoren mit einem Durchmesser, der kleiner oder gleich 1 cm ist, und 79 Prozent aller computertomographisch nachgewiesenen Raumforderungen sind kleiner als 2 cm (15). Der außerordentlichen Häufigkeit eines adrenalen Inzidentaloms muß das seltene Auftreten des Nebennierenrindenkarzinoms gegenüber gestellt werden. Man rechnet auf 1,7 Millionen Einwohner mit einer Neuerkrankung pro Jahr (3, 21). Bei Diagnosestellung ist das Nebennierenrindenkarzinom typischerweise bereits sehr groß und hat fast ausnahmslos einen Durchmesser von über 6 cm (1, 5, 25). Damit ist klar, daß der Nachweis einer adrenalen Raumforderung alleine niemals einen operativen Eingriff rechtfertigt. Bei einer geschätzten Mortalität von 1 Prozent für eine unilaterale Adrenalektomie (28) würden für jedes frühzeitig entfernte Nebennierenrindenkarzinom mehr als 100 Patienten mit gutartigem Nebennierentumor an den Operationsfolgen versterben (25). Nicht berücksichtigt in einer solchen Rechnung sind die hohe Morbidität des operativen EinMedizinische Universitätsklinik (Direktor: Prof. Dr. med. Kurt Kochsiek) Würzburg , DIE ÜBERSICHT griffs und die erheblichen Kosten der diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen. Abbildung 1: Altersverteilung von Patienten mit Inzidentalomen a) in der eigenen Serie und im Sektionsgut (b) (26) = a) Attersverteilung von Inzidentalompatienten (n 68) 20,--------------------------------------, o Männer (33 %) • Frauen (67 %) Eigenes Patientenkollektiv Seit 1981 wurden 68 Patienten mit zufällig diagnostizierter adrenaler Raumforderung von uns an den Medizinischen Universitätskliniken Köln und Würzburg betreut (46 Frauen, 22 Männer, Tumordurchmesser 1,0 bis 15 cm). Der mit bildgebenden Verfahren (Ultraschall, CT) nachgewiesene adrenale Tumor wurde dann als Inzidentalom eingestuft, wenn vor der Durchführung der bildgebenden Untersuchung ein entsprechender Verdacht nicht geäußert wurde. Der Nachweis von Nebennierenmetastasen im Rahmen von Staging-Untersuchungen erlaubte deshalb nicht die Einordnung als Inzidentalom. Abbildung 1 zeigt die Alters- und Geschlechtsverteilung der untersuchten Patienten. Der Vergleich mit Autopsiedaten zeigt, daß sich sowohl in unserer Serie, als auch im Sektionsgut, Nebenniereninzidentalome selten in der Altersgruppe unter 40 Jahren finden, und die Häufigkeit mit höherem 10 0-1----<~ Nierenzellkarzinom Leiomyom des Magens retroperitoneale Sarkome Hämatom A-766 ~-~ ~-~ ~-~ m-N ~OO Jahre b) Altersverteilung von 131 Adenomen im Sektionsgut (n 9000) = 50~-------------------------------------_. 40 30 20 10 Tabelle 1: Differenlialdiagnoslik des Nebenniereninzidenlaloms Nebennierenrinden-Adenom - endokrin inaktiv - cortisolproduzierendes Adenom - Aldosteronom - androgen produzierendes Adenom - östrogen produzierendes Adenom Nebennierenrinden-Karzinom Phäochromozytom knotige Nebennierenrinden-Hyperplasie Nebennierenzyste Ganglioneurom Neurilemmom Neuroblastom Myelolipom Metastasen malignes Lymphom fibröse Histiozytome ~-~ < 30 30 - 39 Alter zunimmt. Die geringe Häufigkeit von Inzidentalomen bei den über 80jährigen ist mit der geringen Untersuchungsfrequenz im Senium zu erklären. Auffällig ist ein leichtes Überwiegen des weiblichen Geschlechts im Kollektiv. Auch in einer großen Sektionsstudie fand sich ein Verhältnis von Männern zu Frauen von 2:3 (26). Differentialdiagnose Eine Übersicht über die Differentialdiagnose des Nebenniereninzidentaloms gibt Tabelle 1. Wichtig ist die Tatsache, daß größere extraadrenale Raumforderungen gelegentlich als von der Nebenniere ausgehend eingeordnet werden. Dies betrifft insbesondere retroperitoneale mesenchymale Tumoren und Nierenzellkarzinome (Abbildung 2). (50) Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 11, 17. März 1995 40 - 49 50 - 59 60 - 69 Jahre 70 - 79 ~ 80 Bei aUen Inzidentalompatienten wurde als Basisprogramm neben klinischen Informationen wie Größe , Gewicht und Blutdruck die Elektrolyte Natrium und Kalium i.S., die Katecholamine im 24-Stunden-Sammelurin und das Serum-Cortisol im (niedrig-dosierten) DexamethasonHemmtest gemessen. Tabelle 2 gibt eine Übersicht über die pathologisch-anatomischen Diagnosen von operierten Nebenniereninzidentalomen . Am häufigsteri sind kleine, endokrin inaktive Nebennierenrindenadenome. Da nur ein Teil der Inzidentalome - nach variablen Kriterien - operativ €ntfernt wurde, spiegelt die Tabelle nicht die tatsächliche Prävalenz der einzelnen Diagnosen bei der zufällig entdeckten Nebennierenraumforderung wider. MEDIZIN DIE UBERSICHT Klinik Ein Patient mit zufällig entdecktem Nebennierentumor sollte per definitionem keine richtungsweisenden Symptome erkennen lassen. Überdurchschnittlich häufig fanden sich bei unseren Patienten aber Hypertonie (55,8 Prozent), Hyperlipidämie (51,6 Prozent), Übergewicht (33 Prozent, Abbildung 3), und ein Diabetes mellitus Typ-II (27,7 Prozent). Häufig liegt auch eine Kombination mehrerer dieser kardiovaskulären Risikofaktoren im Sinne eines metabolischen Syndroms vor. Es ist deshalb nicht überraschend, daß sieben unserer Patienten (10,4 Prozent) im Beobachtungszeitraum von drei bis fünf Jahren an kardiovaskulären Erkrankungen verstarben. Der das metabolische Syndrom begleitende Hyperinsulinismus stellt bei solchen Patienten ein mögliches pathogenetisches Prinzip in der Entstehung von Nebenniereninzidentalomen dar. Es kann aber derzeit nicht sicher entschieden werden, ob Patienten mit kardiovaskulärem Risikoprofil häufiger Inzidentalome tragen oder lediglich in diesen Fällen häufiger eine abdominelle Lokalisationsdiagnostik durchgeführt wird. Allerdings findet sich auch im Sektionsgut eine Assoziation zwischen Hypertonie und Diabetes auf der einen Seite und asymptomatischen Nebennierenadenomen auf der anderen Seite (12, 26, 29). Abbildung 2: Computertomographisches (oben) und kernspintomographisches Bild (unten) eines 10 cm großen Tumors mit Projektion auf die linke Nebenniere. Die 49jährige Patientin war komplett asymptomatisch. Operationssitus: Extraadrenaler Tumor. Histologie: Neurilemmom mit angrenzender druckatrophischer normaler Nebenniere Ist ein Nebennierentumor nachgewiesen worden, muß man natürlich sorgfältig nach Hinweisen einer endokrinen Aktivität suchen. Keinesfalls darf bei Fehlen klinischer Zeichen oder entsprechender anamnestischer Tabelle 2: Pathologisch anatomische Diagnosen bei 172 Inzidentalomen (Prozent in Klammern) Endokrin inaktive Nebennierenrinden-Adenome*) Cortisolproduzierende Adenome Aldosteronom Nebennierenkarzinom (aldosteronbildend) knotige Nebennierenrinden-Hyperplasie Phäochromozytom Nebennierenzyste*) Myelolipom*) Ganglioneurom Neurilemmom Hypernephrom Metastase (Schilddrüsenkarzinom) 134 14 1 1 1 5 5 6 2 1 1 1 (77,9) (8,1) (2,9) (2,9) (3,5) Zusammengestellt aus der Literatur (6, 7, 13, 20, 22) und aus dem eigenen Patientengut. *) Diagnose zum Teil ohne Operation allein durch bildgebende Verfahren oder Verlaufs- kontrollen gesichert Angaben ohne biochemische Analyse eine endokrine Aktivität des Tumors verneint werden, da symptomarme Phäochromozytome und cortisolsezernierende Adenome nicht ungewöhnlich sind (13, 14, 18, 23). Endokrinologische Diagnostik In unserem Kollektiv fand sich eine deutliche Abhängigkeit der endokrinen Aktivität von der Größe der adrenalen Raumforderung. Mit zunehmendem Durchmesser steigt die Wahrscheinlichkeit einer klinisch-inapparenten Hormonsekretion an. Bei Raumforderungen größer 6 cm liegt diese bei 40 Prozent (Abbildung 4). In unserer Erfahrung bedarf jede Raumforderung mit einem Durchmesser von mehr als 1 cm oder mit suspekter Klinik einer endokrinologischen Abklärung. Ausgenommen sind selbstverständlich Patienten, bei Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 11, 17. März 1995 (53) A-767 MEDIZIN DIE UBERSICHT Abbildung 3: Body-MassIndex (kg/m2) bei Patienten mit Nebenniereninzidentalom. Die gestrichelte Linie entspricht dem oberen Normbereich. denen aufgrund von Begleiterkrankungen oder Alter primär Inoperabilität besteht. In allen anderen Fällen ist die Bestimmung der Katecholamine Adrenalin und Noradrenalin im 24-Stunden-Urin erforderlich. Da cortisolproduzierende Tumoren bei fünf bis zwölf Prozent aller Inzidentalom-Patienten vorliegen, muß das Serum-Cortisol im DexamethasonKurztest gemessen werden (13, 14, 19, 23). Dabei erfolgt die morgendliche Blutentnahme zur Cortisolbestimmung nach Gabe von 2 mg Dexamethason um 23.00 Uhr des Vortages. Eine Serum-Cortisolkonzentration unter 3 µg/dl schließt eine signifikante BM 1 von Inzidentalompatienten 25 20 - Abbildung 4: Tumorgröße und endokrine Aktivität bei Patienten mit Nebenniereninzidentalom Endokrin aktiv Endokrin inaktiv 14 % 20 18% 27 % 10 - 40 % < 2.0 2.0 - 2.9 3.0 - 3.9 4.0 - 5.9 6.0 Tumorgröße (cm) Cortisolproduktion durch den Tumor aus. Konzentrationen zwischen 3 und 5 pg/d1 weisen möglicherweise auf ein cortisolproduzierendes Adenom hin, das in Analogie zum warmen Knoten der Schilddrüse weniger als den Cortisoltagesbedarf sezerniert. Eine Demaskierung dieser Autonomie ist noch sicherer durch hochdosiertes Dexamethason (beispielsweise je 8 mg an zwei aufeinanderfolgenden Tagen) möglich, da in diesem Falle ebenfalls keine Suppression unter 314/d1 gelingt. Muß eine Cortisolproduktion durch den Tumor angenommen werden, ist eine Bestimmung des freien Cortisols im 24-Stunden-Urin und die Durchführung eines CRH-Stimulati- onstestes (100 lig Corticotropin-Releasing-Hormon als Bolus i.v.) sinnvoll, um das Ausmaß des Cortisolexzesses sicherer beurteilen zu können. Bleibt ein Cortisol- und ACTH-Anstieg im CRH-Test aus, ist nach operativer Entfernung eines solchen Adenoms mit einem postoperativen passageren Hypocortisolismus zu rechnen, der adäquat substituiert werden muß, um eine krisenhafte Nebennierenrindeninsuffizienz zu vermeiden (14, 19, 24). Nur bei arterieller Hypertonie und gleichzeitiger spontaner Hypokaliämie sollte eine Bestimmung von Plasma-Aldosteron und Plasma-Reninaktivität nach 30 minütiger Ruhephase zum Ausschluß eines ConnSyndroms durchgeführt werden. A 768 (54) Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 11, 17. März 1995 - ••• O.• sis • • • g• •• 8 8 • • •••• •• • • • • •• • 15 — 30 0% • 35 30 Tumorgröße und endokrine Aktivität bei Nebenniereninzidentalomen ❑ BM I 40 Nicht sinnvoll sind die Bestimmungen der 17-Hydroxysteroide und der 17-Ketosteroide im 24-StundenUrin sowie des Plasma-ACTH wegen ihrer ungenügenden diagnostischen Spezifität und Sensitivität. Nicht angemessen ist darüber hinaus die Messung von Testosteron, Östradiol oder Dehydroepiandrosteronsulfat. Androgen- oder östrogenproduzierende Nebennierenadenome sind außerordentlich selten und erzeugen fast stets richtungsweisende klinische Stigmata wie Hirsutismus, Virilisierung oder Gynäkomastie. Isoliert androgenoder östrogensezernierende Inzidentalome sind bisher nicht beschrieben worden. Die Messung der Vanillinmandelsäure im 24-Stunden-Urin oder die Bestimmung der Plasma-Katecholamine ist der Urin-Katecholaminbe- Tobelle 3: Fehler in der Inzidentalomdirnpostlic.. Falldarstellung 2 1. 23jähriger männlicher Patient mit Gynäkomastie 2. CT-Abdomen: Nebennierentumor, 1,8 cm links 3. Phlebographie Mit Blutentnahme aus der Nebennierenvene links Bestimmung von Cortisol und Aldosteron: Sehr hohe Konzentration 4. Diagnose Cortisol- und Aldosteronsezernierendes Adenom Überweisung zur Operation • MEDIZIN DIE ÜBERSICHT Abbildung 5: Computertomographische Verlaufskontrollen bei Patienten mit Nebenniereninzidentalomen (n = 30) stimmung in der Diagnostik des Phäochromozytoms unterlegen und hat keinen Platz in der Inzidentalomabklärung. Computertomographische Verlaufskontrollen bei Patienten mit Inzidentalomen Tumordurchmesser (cm) 5o_ 8 3- Je nachdem, mit welcher Taktik das Inzidentalom primär nachgewiesen wurde und welche klinischen Verdachtsmomente vorliegen, kann der Einsatz weiterer bildgebender Verfahren sinnvoll sein. Die Sonographie ist im Nachweis adrenaler Raumforderungen der Computertomographie bei kleinen Tumoren unterlegen. Hier O Verlaufskontrolle nach drei bis sechs Monaten (Sonographie, gegebenenfalls Cl) 0 Abbildung 6: Flußdiagramm zur Abklärung und Therapie des Nebenniereninzidentalonns I 1 Pathologisch 5 cm Malignomverdacht —› kann daher die Computertomographie zur besseren anatomischen Darstellung ergänzend erforderlich werden. Eine differentialdiagnostische Klärung mittels Sonographie und Computertomographie gelingt in der Regel nicht. Ausnahmen hiervon sind cystische Veränderungen und das Myelolipom, das durch seine typische Echotextur sicher diagnostiziert werden kann. Eine Inhomogenität des Tumors im CT und eine unregelmäßige Begrenzung können für Malignität sprechen und müssen weiter abgeklärt werden. Für Verlaufsuntersuchungen zur Frage einer Größenzunahme der Raumforderung ist die Sonographie 0 — Endokrine Diagnostik: - Katecholamine im 24h-Urin - Cortisol nach Dexa - e, RR, (PRA) < 5 cm 0 -0 1 cm 4 -o ----- * ----- 8 1 <1 c m -0 -53-;:i " ------ §MeZ er 8 2- Inzidentalom I No mal _-------_- - 8 --- 7"° 4- Bildgebende Verfahren ------- Adrenalektomie bei Tumoren größer 1,5 cm in der Regel ausreichend (11). Unsere Untersuchungen zeigen, daß sich bei längerfristigen Verlaufskontrollen nur selten ein Größenwachstum nachweisen läßt (Abbildung 5). Dies spricht für eine generell niedrige Wachstumsrate von Inzidentalomen und ist Ausdruck ihrer benignen Grundnatur. Verlaufskontrollen, die über einen Zeitraum von einem Jahr hinausgehen, sind deshalb nicht sinnvoll und sollten unterbleiben. Einen Fortschritt stellt die Entwicklung der Kernspintomographie dar, durch die zur Dignität der Raumforderung in gewissem Umfang Aussagen möglich geworden sind. Mit T2betonten Sequenzen ist die relative, 1 I 2 3 4 Jahre nach Diagnosestellung 1 5 >5 auf das Fettgewebe bezogene Signalintensität der meisten gutartigen Raumforderungen zwichen 0,6 und 1,4 zu finden, während Malignome und Phäochromozytome überwiegend Signalintensitätswerte über 2,0 aufweisen. Durch dynamische Kontrastmitteluntersuchungen mit Gadolinium-DTPA gelingt darüber hinaus oft noch die Differenzierung unklar gebliebener Fälle, da Malignome und Phäochromozytome einen deutlich stärkeren Signalintensitätsanstieg und eine länger anhaltende Anreicherung nach Kontrastmittel zeigen (17). Ausnahmen hiervon sind bei Melanommetastasen, die eine Adenomtypische Signalintensität aufweisen können, und bei stark vaskularisierten Nebennierenadenomen mit malignom-typischem Signalverhalten möglich. Limitiert wird der Einsatz der Kernspintomographie durch die hohen Untersuchungskosten und die apparative Ausrüstung, da möglichst schnelle Gradientensequenzen zur Anwendung kommen sollten (17). Andere bildgebende Verfahren sind in der Regel überflüssig. Dies gilt insbesondere für die Szintigraphie der Nebenniere, die von einigen Autoren befürwortet wird (9). Sie ist für das therapeutische Vorgehen selten hilfreich, kostenaufwendig und mit einer signifikanten Strahlenbelastung verbunden. Eine Ausnahme bildet natürlich die szintigraphische Diagnostik mit J125 Metajodbenzylguanidin beim biochemisch gesicherten Phäochromozytom zur Frage einer Metastasierung. - Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 11, 17. März 1995 (55) A-769 AKTUELL Pollenassoziierte Nahrungsmittelallergien Tabelle 1: Epidemiologische Studien aus der Schweiz zur Häufigkeit der Pollinose Häufig finden sich bei PoIlenallergikern sogenannte poIlenassoziierte Nahrungsmittelallergien (4). So zeigen sich etwa bei Birken- (und Hasel-/Erlenpollen-)Allergikern gehäuft vor allem oropharyngiale Beschwerden wie Pruritus oder Schwellung bei Genuß von rohem Stein- oder Kernobst (vor allem Apfel) sowie beim Schälen von Kartoffeln und Karotten Symptome wie Rhinitis, Asthma oder auch Kontakt-Urtikaria der Finger. Diese Beschwerden sind bedingt durch thermolabile, gemeinsame Epitope (Allergiedeterminierende Proteinstrukturen) auf Pollen und auf die entsprechenden Nahrungsmitteln , welche beim Kochen zerstört werden. Anders ist die Konstellation bei den Beifußpollen-assoziierten Nahrungsmittelallergien, wobei auch gekochter Sellerie und Gewürze für oft, schwere allergische Reaktionen verantwortlich sind (Abbildung 1). Pathophysiologie der allergischen Rhinitis Die Pollinose stellt die klassische Form einer SOfo11typ-Allergie (Typ-I nach Coombs und Gell) dar, welche durch Immunglobuline der Klasse IgE vermittelt wird. Sie gehört zum Formenkreis der atopischen Erkrankungen (Atopien), welchen weiter das allergische Asthma, die perenniale Rhinokonjunktivitis sowie die ato- Jahr Ort 1926 Nord- und Ostschweiz Stadtbevölkerung Landbevölkerung 1958 März-April Häufigkeit in Prozent 77000 0,82 1,20 0,13 Zürich Stadt 8224 4,80 1981 Genf 15jährige 3500 6,11 1985 Schweiz 2542 9,60 1989 Grabs Schulkinder (6- bis 15jährig) 1117 10,00 1993 Acht Regionen der Schweiz (Erwachsene) (SAPALDIA -S tudie) 8357 11,10 pische Dermatitis (Neurodermitis atopica) angehören. Unter Atopie versteht man eine erhöhte genetisch prädisponierende Bereitschaft zur Entwicklung von Sofort typ-Allergien auf natürliche Konzentrationen von Umweltallergenen aus der Nahrung und aus der Luft. Für die Manifestation der atopischen Erkrankung müssen jedoch, nach erfolgter Sensibilisierung, andere Kofaktoren verantwortlich sein (Abbildung 2). Für die Zunahme der Pollinose werden verschiedene Faktoren, unter anderem veränderte Pollen belastungen sowie eine Vermehrung der Luftschadstoffe Tabelle 2: Einteilung der Pollinose-Perioden und auslösende Pollen Frühjahrspollinose Ende Januar-Februar Zahl der Stichproben Baumpollen Hasel (Corylus) Erle (Ainus) Birke (Betula verrucosa) Esche (Fraxinus excelsior) Frühsommerpollinose Mai-Mitte Juli Gräser- und Getreidepollen diverse Gräser wie Lolch (Lolium perenne), Knäuelgras (Dactylis glomerata), Lieschgras (Phleum pratense), Wiesen Rispengras (Poa pratense) sowie viele andere Roggen (Secale cereale) Spätsommerpollinose Ende Juli-August Kräuter und Sträucher Beifuß (Artemisia vulgaris) A·I092 (36) Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 15, 14. April 1995 als Schleimhautirritanzien und Adjuvanzien für die IgE-Synthese, diskutiert. Die durch IgE-Antikörper vermittelte allergische Reaktion mit Mastzelldegranulation und Histaminfreisetzung stellt bei der allergischen Rhinitis lediglich einen Teil des Geschehens dar. Das Histamin bindet an H 1- und H 2-Rezeptoren der Gefäße und Schleimdrüsen und bewirkt so die akute allergische Reaktion, wie Niesattacken , Rhinorrhoe und nasale Obstruktion im Sinne des Schleimhautödems. Im Rahmen der Spätphasenreaktion wandern T-Zellen und vor allem eosinophile Granulozyten aus dem Blut ins Nasenschleimhautgewebe und erreichen schließlich auch die Oberfläche der Nasenschleimhaut. Ihre Einwanderung wird begünstigt durch Zytokine, welche ZeIladhäsion und Zellaktivierung bewirken. Aktivierte eosinophile Granulozyten sezernieren eine ganze Reihe basischer Proteine, wie ECP (Epsinophiles Cationisches Protein), MBP (Major Basic Protein) und EPO (Eosinophilic Peroxydase) , die als zeIltoxische Mediatoren wirken. Dies führt zur chronischen Ehtzündung der Schleimhaut, vermehrten nasalen Obstruktion und Hyperreagibilität. So klagen Pollen allergiker während der Heuschnupfenzeit auch über die Aus-