Glomustumor der Carotisregion - Ruhr

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Zahnmedizin
Neuroendokrine Tumoren der Kopf-Hals-Region
Glomustumor in der
Carotisbifurkation
Fotos: Kunkel
Maximilian Moergel, Martin Kunkel
In dieser Rubrik stellen Kliniker Fälle vor,
die diagnostische Schwierigkeiten aufgeworfen haben. Die Falldarstellungen
sollen den differentialdiagnostischen
Blick unserer Leser schulen.
war und zur Aufspreizung der
Gabel führte (Abbildung 2).
Therapeutisch erfolgte die
Resektion des Tumors aus der
Karotisgabel (Abbildung 3),
wobei sich, entsprechend der
präoperativen Bildgebung,
die Gefäßwände der A. Carotis mit einem geringem
präparatorischen Aufwand
vom Tumor separieren ließen. Abbildung 4 zeigt den
mit einer Kapsel versehenen
Abbildung 1: Sonographie des Halses in zwei Schnittebenen. Unmittelbar in der Carotis-Bifurkation (weißer Stern
Resektionsbefund, der im Anmarkiert A. carotis communis) findet sich mit Projektion auf die Carotis externa eine klar abgegrenzte kugelige
schnitt durch teils dunkelRaumforderung mit relativ homogener Binnentextur.
braune, blutreiche und teils
Ein 74-jähriger Patient wurde zur operatiZentimetern Durchmesser (Abbildung 1).
helle Areale imponiert. Postoperativ sind
ven Entfernung einer Raumforderung in der
Präoperativ wurde die Beziehung zum Gekeine erneuten Blutdruckkrisen mehr aufgeCarotisbifurkation zugewiesen. In der Vorfäßsystem durch eine erweiterte Bildgetreten und der Patient ist seither unter einer
geschichte berichtete der Patient über
bung per Magnetresonanztomographie
typischen antihypertensiven Medikation
Blutdruckkrisen
mit
Übelkeitsund
mit Kontrastmittelapplikation ergänzt. Hierstabil und blieb rezidivfrei.
Schwindelattacken sowie dem Auftreten
bei kam ebenfalls eine klar abgegrenzte,
In der histologischen Aufarbeitung des
von Synkopen. Diese Phänomene waren
kontrastmittelanreichernde
RaumfordeResektates (Anschnitt: Abbildung 4) kam in
erstmalig vor zwei Jahren plötzlich aufgerung innerhalb der Bifurkation zur Darstelder HE-Färbung die für einen Glomustumor
treten und seither in immer kürzeren
lung, die der Carotis externa aufgelagert
typische duale Zellpopulation zur DarstelAbständen beobachtet worden. Dem Hausarzt fiel bei der klinischen Untersuchung
des recht schlanken Patienten eine Schwellung mediozervikal auf und er veranlasste
eine erste Bildgebung mittels MRT. Hier
ergab sich ein erster Hinweis auf einen in
der Karotisgabel gelegenen Tumor, und der
Patient wurde zur weiteren Therapie zugewiesen.
Bei der Erstuntersuchung war mediozervikal
eine kleine, derbe Raumforderung erkennbar, die die Pulsationen der A. Carotis unmittelbar erkennen ließ. Der weitere klinische Untersuchungsbefund war unauffällig,
insbesondere lagen keine pathologisch
Abbildung 2: Magnetresonanztomographie (A) mit Kontrastmittelapplikation (B) nach Rekonvergrößerten Lymphknoten vor. Sonostruktion der Gefäßverhältnisse. Es kommt eine muskelintense Kontrastmittel aufnehmende, klar
graphisch zeigte sich in unmittelbarer Lageabgegrenzte Raumforderung (A) zur Darstellung, die sich auf die Carotisgabel projiziert und diese
beziehung zur Carotisbifurkation eine rundaufspreitzt (B).
liche Gewebevermehrung von etwa 1,5
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Fazit für die Praxis
Abbildung 3:
Intraoperativer Situs.
Nach Darstellung der
Gefäße im Trigonum
caroticum findet sich
eine gut abgegrenzte,
der Carotis externa
adhärente Raumforderung.
lung. Es handelt sich um die in sogenannten „Zellballen“ angeordneten epitheloiden Typ 1 Zellen, die in der HE Färbung als
große, epitheloide Zellen mit einem eosinophilen, leicht granulären Zytoplasma erkennbar werden, und eine in der Peripherie
dieser „Zellballen“ netzartig angeordnete
Population von Typ II Zellen, sogenannte
Stützzellen. Immunhistologisch zeigen sich
die deutlichen Unterschiede beider Zelltypen. Typ I Zellen exprimieren unter anderem Synaptophysin und stellen sich in der
S-100 Färbung negativ dar, Typ II Zellen
zeigen eine stark positive Reaktion auf
S-100, während Synaptophysin nicht exprimiert wird (Abbildung 5).
WHO zu den sogenannten „Tumoren des
paraganglionären Systems“ zusammengefasst [Barnes et al., 2005].
Im Kopf-Hals-Bereich stellen die Glomustumoren mit nur rund 0,6 Prozent der Neoplasien eine seltene Tumorentität dar, die
von den paraganglionären Glomuszellen
des Glomus caroticum, N. vagus, des Mittelohres oder des Foramen jugulare ausgehen. Von diesen ist die Lokalisation im Bereich von Glomus caroticum und Glomus
jugulare mit 80 Prozent am häufigsten [Axmann et al., 2004]. Die endokrine Aktivität
mit Katecholaminausschüttung und konsekutiver Kreislaufreaktion, die im vorliegenden Fall richtungsweisend für die Verdachtsdiagnose war, ist bei Glomustumoren der Kopf-Hals-Region ansonsten recht
selten (um 4 Prozent). Daher werden die
meisten der regionären Glomustumoren als
Zufallsbefunde bei der klinischen Untersuchung oder durch bildgebender Verfahren entdeckt [Young, 2006]. Aufgrund der
guten Darstellbarkeit der zervikalen Gefäß-
■ Glomustumoren sind zwar seltene
Tumoren der Kopf-Hals-Region, können
jedoch aufgrund ihrer Nähe zu Gefäßstrukturen oder über eine neuroendokrine Aktivität zu Blutdruckkrisen,
Schwindelattacken, Tinnitus oder gar
Synkopen führen.
■ Meist ist die klinische Symptomatik
von Glomustumoren gering ausgeprägt.
Häufig handelt es sich um Zufallsbefunde, zum Beispiel im Rahmen der Abklärung einer Schilddrüsenerkrankung.
■ Obwohl ein maligner Phänotyp bei
Glomustumoren recht selten vorkommt,
ist ein Auftreten von Rezidiven auch
noch nach Jahren bekannt, so dass die
Patienten in einem langfristigen Nachsorgekonzept betreut werden sollten.
■ Nicht alle Tumoren der Kopf-HalsRegion manifestieren sich primär über
das klinische Zeichen der Gewebevermehrung, auch paraneoplastische Phänomene können wichtige Hinweise für
die Tumorerkennung geben.
scheide sind die meisten Glomustumoren in
der Ultraschalldiagnostik darstellbar. In der
Magnetresonanztomographie werden sie
muskelisointens mit einem kräftigen EnDiskussion
hancement bei Kontrastmittelapplikation
„Glomustumoren“ des Glomus caroticum
dargestellt [Axmann et al., 2004].
oder des Glomus jugulare werden zusamVom biologischen Verhalten sind Glomusmen mit weiteren sympathischen und paratumoren in der Regel benigne und langsam
sympathischen Paragangliomen des Stamwachsende Tumoren des Erwachsenenmes und der Kopf-Hals-Region von der
alters mit einem Häufigkeitsgipfel zwischen
dem vierten und fünften
Lebensjahrzehnt und einer
Bevorzugung des weiblichen
Geschlechts (2,7 bis 5:1) [Tali
et al., 1991]. Klinisch fallen
die Patienten je nach Lokalisation und Größe der Raumforderung durch unterschiedliche Symptome auf.
Während kleine, endokrin inaktive Glomustumoren in der
Regel klinisch völlig unaufAbbildung 4: OP-Resektat. Das Resektat zeigt einen kugeligen Tumor mit schmaler bindegewebiger Kapsel, der im
fällig sind, können medioAnschnitt recht inhomogen, teils dunkelrot bis bräunlich beziehungsweise mit hellen Binnenanteilen imponiert.
zervikale, große Tumoren mit
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und gegebenenfalls eine
Teilremission erreicht werden [Axmann et al., 2004].
Mit der Entwicklung selektiver Kathetertechniken
hat auch die Embolisierung
als Monotherapie oder in
Kombination mit chirurgischen Maßnahmen zunehmend an Bedeutung
gewonnen [Gjuric et al.,
1997].
Nur rund 2 bis 13 Prozent
der Glomustumoren zeigen einen malignen Phänotyp mit Metastasierung,
wobei sich das maligne klinische Verhalten bislang
nicht auf der Basis klassischer histologischer Parameter voraussagen lässt.
Insofern sind auch bei
primär gut abgegrenzten,
klinisch benigne erscheinenden Tumoren langfristige Verlaufskontrollen anAbbildung 4: Histologischer Befund. In der HE Färbung (A: Originalvergrößerung 200x) zeigt sich der typische Aufgezeigt.
bau des Glomustumors aus zwei Zellpopulationen, so dass der Eindruck von Zellnestern in einem retikulären Stroma
Für die zahnärztliche Praxis
entsteht. Die charakteristischen „Zellballen“ mit großen epitheloiden Zellen kommen in der Ausschnittsvergrößerung
soll dieser Fall darauf hin(B: Originalvergrößerung 400x) zur Darstellung. Die zentralen Typ I Zellen zeigen in der immunhistologischen Färbung eine deutliche Expression von Synaptophysin (C: Originalvergrößerung 400x), während die peripheren Typ-II
weisen, dass sich NeoplaZellen (D: Originalvergrößerung 400x) S-100 exprimieren. Die histologischen Präparate wurden durch Dr. Hansen,
sien der Kopf-Hals-Region
Institut für Pathologie der Johannes Gutenberg-Universität (Direktor: Univ. Professor Dr. Kirkpatrick) zur Verfügung
in seltenen Fällen nicht nur
gestellt.
über die klassischen ZeiSchluckbeschwerden, Heiserkeit und Stri2006]. Während für die zervikalen Glomuschen der Gewebevermehrung, sondern
dor einhergehen. Neuroendokrin nicht
tumoren eine Assoziation zu hypoxämiauch über paraneoplastische Phänomene
aktive Tumoren können durch eine Beeinschen Zuständen zum Beispiel bei chromanifestieren können, zu denen unter
flussung der Strombahn und Druck auf das
nisch obstruktiven Lungenerkrankungen
anderem auch eine endokrine Aktivität mit
Glomus caroticum mit seinen Presso- und
oder Langzeitaufenthalt in großen Höhen
Katecholaminausschüttung zählt.
Chemorezeptoren dennoch zu Schwindelbeschrieben wurde, gibt es eine hereditäre
Dr. Maximilian Moergel
und Synkopenneigung führen. Glomus juHäufung der peripheren Paragangliome
Prof. Dr. Dr. Martin Kunkel
Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie
gulare und Glomus tympanicum Tumoren
zum Beispiel bei der Neurofibromatose
Klinikum der Johannes Gutenberg-Universität
können ebenfalls Schwindel verursachen
oder bei multiplen endokrinen Neoplasien
Augustusplatz 2
und auch zu einem Tinnitus führen [Young,
(MEN), so dass im Verdachtsfall die Suche
55131 Mainz
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auf das Vorliegen weiterer Tumoren und ein
genetisches Screening indiziert sein können
[Young, 2006].
Die kurative Therapie der Glomustumoren
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besteht, wie im vorliegenden Fall, in der
chirurgischen Resektion. Bei lokal fortAuch für den „Aktuellen klinischen Fall”
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