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Modallogik mit Konjunktivmarkern vs.
Modallogik mit Actuality-Operator:
ein Vergleich
Dr. Helge Rückert
Lehrstuhl Philosophie II
Universität Mannheim
[email protected]
http://www.phil.uni-mannheim.de/fakul/phil2/rueckert/index.html
Uni Frankfurt
17. Juni 2008
„Wer interessieren will, muss provozieren.“
(Salvador Dali)
Mein Hauptanliegen:
Ich plädiere für einen Paradigmenwechsel in der Modallogik.
Das „alte“ Paradigma:
Modallogik mit Actuality-Operator
Das „neue” Paradigma:
Modallogik mit Konjunktivmarkern
Die Standard-Modallogik
Zusätzlich zum Alphabet der Prädikatenlogik (Junktoren,
Quantoren, Prädikatbuchstaben, Konstanten, Variablen,
Klammern) werden zwei Operatoren eingeführt:
□
(„es ist notwendig, dass...“)
◊
(„es ist möglich, dass...“)
In der Semantik werden Formeln dann jeweils relativ zu so
genannten
möglichen
Welten
ausgewertet.
Auf
dieser
Grundlage gilt dann Folgendes:
- □α ist wahr gdw. α in jeder möglichen Welt wahr ist
- ◊α ist wahr gdw. es mindestens eine mögliche Welt gibt, in
der α wahr ist.
Die Modallogik soll u.a. dazu dienen, den modalen Diskurs in
der natürlichen Sprache formalisieren zu können.
„Wenn das Wörtchen „wenn“ nicht wär’,
dann wär’ mein Vater Millionär.“
(deutsches Sprichwort)
Feststellung:
In modalen Diskurs sind Unterschiede zwischen dem Modus
des Indikativ und dem Modus des Konjunktiv sehr wichtig.
Beispiel:
(a)
Unter gewissen (kontrafaktischen) Umständen hätte
der Mann, der Alexander unterrichtet hätte,
Alexander nicht unterrichtet.
(b)
Unter gewissen (kontrafaktischen) Umständen hätte
der
Mann,
der
Alexander
Alexander nicht unterrichtet.
unterrichtet
hat,
Die Skopus-Theorie des Modus des Konjunktiv:
Der Modus des Konjunktiv zeigt an, dass ein Ausdruck
innerhalb eines modalen Kontextes zu stehen hat. Der Modus
des Indikativ zeigt an, dass ein Ausdruck außerhalb modaler
Kontexte zu stehen hat. (Die Modi sind sozusagen lediglich
Hilfestellungen
zum
richtigen
Klammernsetzen
bei
der
Formalisierung.)
Problem:
Die Skopus-Theorie ist falsch!
Gegenbeispiel:
(c)
Unter gewissen (kontrafaktischen) Umständen wäre
jeder, der tatsächlich zum Mond geflogen ist, nicht zum
Mond geflogen.
(Um diesen Satz adäquat zu formalisieren, muss ein Ausdruck
im Skopus eines Modaloperators stehen, aber trotzdem relativ
zur wirklichen Welt ausgewertet werden, da er im Indikativ
steht.)
Die Standardlösung:
Modallogik mit Actuality-Operator
Man fügt der logischen Sprache einen neuen Operator hinzu,
den Actuality-Operator A. Steht ein Ausdruck im Skopus von A,
wird er immer relativ zur wirklichen Welt ausgewertet, auch
innerhalb modaler Kontexte.
Unter gewissen (kontrafaktischen) Umständen wäre jeder,
der tatsächlich zum Mond geflogen ist, nicht zum Mond
geflogen.
◊ ∀x (AFx → ¬Fx)
(Um ein Problem mit der Skopus-Theorie des Modus des
Konjunktiv zu lösen, wird also ein weiterer Operator eingeführt,
der selbst wieder einen Skopus hat.
-> Erinnert ein wenig an die Epizyklen von Ptolemäus...)
Die beste Lösung:
Wehmeiers Modallogik mit Konjunktivmarkern
Gegeben, dass die Skopus-Theorie des Modus des Konjunktiv
falsch ist und die Indikativ/Konjunktiv-Unterschiede in der
natürlichen Sprache mehr sind als bloße Hilfestellungen zum
Klammernsetzen, sollte man die Modi auch in der Syntax der
formalen Sprache explizit machen!
Und zwar mit Hilfe von so genannten Konjunktiv-Markern,
variablenähnlichen
Zeichen,
die
von
Modalausdrücken
(„Modalquantoren“) gebunden werden können.
Unter gewissen (kontrafaktischen) Umständen wäre jeder,
der tatsächlich zum Mond geflogen ist, nicht zum Mond
geflogen.
◊ik∀ix (Fix → ¬Fkx)
Hauptunterschied zwischen beiden Lösungen
Modallogik mit Actuality-Operator:
Modale Ausdrücke in der natürlichen Sprache werden durch
Operatoren wiedergegeben.
Modallogik mit Konjunktivmarkern:
Modale Ausdrücke in der natürlichen Sprache werden durch
eine bestimmte Sorte Quantoren wiedergegeben.
Anmerkung 1:
Übersetzbarkeit
Anmerkung 2:
Modallogik und Prädikatenlogik
“Although established and useful modal logics like S4 and
S5 may be viewed as fragments of first-order logic, faithful
embeddings and ‘reductions’ are in the first place
instrumental. Normally, the reducing theory is not really
meant to replace the reduced theory.” (H. Wansing)
Anmerkung 3:
Lewis-Ansatz vs. Kripke-Ansatz
Acht Argumente zugunsten der
Modallogik mit Konjunktivmarkern
1. Argument:
Größere Transparenz bezüglich der natürlichen Sprache
„Ordinary language is not the last word: in
principle it can everywhere be supplemented
and improved upon and superseded. Only
remember, it is the first word.”
(John Austin)
Natürliche Sprache
Modallogik mit A
Modallogik mit k
Indikativ
α
α
(oder Aα)
i
(außerhalb Modalkontext)
Indikativ
i
Aα
α
α
α
(in Modalkontext)
Konjunktiv
(in Modalkontext)
k
Möglicher Einwand:
Der Actuality-Operator hat auch eine direkte Entsprechung in
der natürlichen Sprache.
„Consider a counterfactual situation in which, let us say, fool’s
gold or iron pyrites was actually found in various mountains in
the United States, or in areas of South Africa and the Soviet
Union. Suppose that all the areas which actually contain gold
now, contained pyrites instead […]”
(Kripke, Naming and Necessity, S. 124)
Weiteres Beispiel:
“Unter gewissen (kontrafaktischen) Umständen hätte niemand
an Außerirdische geglaubt, obwohl es tatsächlich
Außerirdische gegeben hätte.“
(Beispiel von K. Wehmeier)
nicht das „actually“ bzw. das „tatsächlich“ leistet die
semantische Arbeit, sondern die Modi!
2. Argument:
Eigennamen, definite Kennzeichnungen, Starrheit
„As everyone agrees, ‘Paris’ is rigid
and ‘the D’ typically is not.”
(Frank Jackson, Handout Erfurt 2006)
Standardauffassung:
- Eigennamen sind starre Designatoren
- Definite Kennzeichnungen sind (in der Regel) nicht-starr
„Aristoteles“: a
starr
„der Lehrer von Alexander“: (ιx)(Fx)
nicht-starr
„der tatsächliche Lehrer von Alexander“: (ιx)(AFx) starr
(Letzteres sei eine „starr gemachte“ („rigidified“)
Kennzeichnung.)
Richtige Auffassung:
- In einem Sinn sind Eigennamen und definite
Kennzeichnungen beide starr. (Auch innerhalb modaler
Kontexte bezeichnen sie immer denselben Gegenstand.)
- In einem anderen Sinn sind beide nicht-starr. (Von Sprechern
in unterschiedlichen möglichen Welten verwendet, können
sie unterschiedliche Gegenstände bezeichnen.)
„der Lehrer von Alexander“ ist zweideutig:
- „derjenige, der Alexander unterrichtet hat“: (ιx)(Fix)
- „derjenige, der Alexander unterrichtet hätte“: (ιx)(Fkx)
Ersteres ist ein Designator und er bezeichnet starr. Man kann
ihn auch in modalen Kontexten salva veritate durch einen
anderen Designator mit derselben Extension ersetzen.
Letzteres ist noch gar kein Designator, sondern ein
unvollständiger Ausdruck, der alleine noch gar nichts
bezeichnet.
3. Argument:
Extensionalität
(Hängt eng mit dem zweiten Punkt zusammen.)
Es gilt als selbstverständlich, dass modale Kontexte
intensionale Kontexte sind, in denen Ausdrücke nicht ohne
Weiteres durch extensionsgleiche Ausdrücke ersetzt werden
können.
Aber:
Die Modallogik mit Konjunktivmarkern ist eine vollständig
extensionale Sprache! Auch modale Kontexte sind extensionale
Kontexte!
4. Argument:
Logische Wahrheiten, die nicht notwendig sind
Die Modallogik mit Actuality-Operator hat eine komische
Eigenschaft: Es gibt Formeln wie p ↔ Ap oder auch (ιx)(Fx) =
(ιx)(AFx), die zwar logisch wahr sind, aber dennoch nicht
notwendig, denn □(p ↔ Ap) bzw. □((ιx)(Fx) = (ιx)(AFx)) gelten
nicht unbedingt.
Anmerkung:
Man kann die Definition von logischer Wahrheit auch so
abändern, dass diese problematischen Formeln nicht mehr als
logisch wahr gelten, aber das ist erstens nur eine ad hocAntwort und begrifflich nicht unbedingt überzeugend, und
zweitens ändert das an dem Problem nichts: Es gibt auch dann
zumindest noch Formeln, die analytische Wahrheiten
repräsentieren, die nicht notwendig sind.
In der Modallogik mit Konjunktivmarkern gibt es keine so
komischen Formeln, die zwar logisch wahr, aber nicht
notwendig sein sollen!
5. Argument:
Necessitation-Regel
(Hängt eng mit dem vierten Punkt zusammen.)
In der Modallogik mit Actuality-Operator gilt die für die
Modallogik wichtige so genannte Necessitation-Regel
├α
--------├ □α
Nicht uneingeschränkt, denn der Actuality-Operator kann zu
Schwierigkeiten führen (Beispiel: p ↔ Ap).
In der Modallogik mit Konjunktivmarkern sind derartige
Einschränkungen der Necessitation-Regel nicht nötig. Sie lautet
dann etwa folgendermaßen:
├α
--------├ □k α[k/i]
6. Argument:
Verschachtelte Modalkontexte
Betrachten wir noch einmal das Mondfahrerbeispiel:
Unter gewissen (kontrafaktischen) Umständen wäre jeder,
der tatsächlich zum Mond geflogen ist, nicht zum Mond
geflogen.
Angenommen, wir wollen dies nun nicht nur über unsere Welt
sagen, sondern über jede beliebige Welt; anders ausgedrückt,
wir wollen ein „notwendig“ zu Beginn hinzufügen, wodurch wir
verschachtelte Modalkontexte bekommen.
In der Logik mit Konjunktivmarkern ist die Lösung sehr
naheliegend: Wir brauchen lediglich mehrere unterschiedliche
Konjunktivmarker, die von unterschiedlichen Modalquantoren
gebunden
werden
können
(genau
so, wie wir in der
Prädikatenlogik auch mehrere Individuenvariablen benutzen,
die
von
unterschiedlichen
können).
□ik1 ◊k1k2∀k1x (Fk1x → ¬Fk2x)
Quantoren
gebunden
werden
Im Rahmen der Modallogik mit Actuality-Operator kann man die
Aussage zum Beispiel dadurch zu formalisieren versuchen,
dass man Actuality-Operatoren mit Indices benutzt. Das
Resultat sieht dann so aus:
□1 ◊2∀x (A1Fx → A2¬Fx)
Also:
Man braucht zusätzlich zum Actuality-Operator mit den Indices
doch variablenähnliche Zeichen, die in gewisser Weise durch
die Modalausdrücke gebunden werden!
Fazit:
Dann kann man auch gleich auf den Actuality-Operator
verzichten, und von Beginn an mit Konjunktivmarkern arbeiten!
7. Argument:
Quer-Welt-ein-Prädikationen
Quer-Welt-ein-Prädikationen sind Prädikationen über zwei oder
mehr mögliche Welten hinweg.
Beispiel:
Peter hätte klüger sein können, als er (tatsächlich) ist.
Quer-Welt-ein-Prädikationen lassen sich im Rahmen der
Modallogik mit Konjunktivmarkern bequem formalisieren!
Hauptidee: Prädikatbuchstaben erhalten gemäß ihrer Stelligkeit
nicht nur mehrere Individuenvariablen (die gebunden oder
durch Konstanten ersetzt werden können), sondern auch
entsprechend mehrere Konjunktivmarker (die von
Modalquantoren gebunden oder durch die Indikativkonstante
ersetzt werden können).
Formalisierung des Beispielsatzes:
◊k1 Fak1ai
8. Argument:
Kombination von Modallogik mit epistemischer Logik
Konjunktivmarker kann man nicht nur in der Modallogik
verwenden, sondern auch in der epistemischen Logik.
Fa
“Nowitzki ist blond”
Wk Fiai
Es wird über Nowitzki (im de re-Sinne) gewusst,
dass er blond ist (im de re-Sinne). Vielleicht weiß
jemand folgendes: “Der deutsche NBA-Spieler
hat helle Haare”
Wk Fkai
Es wird über Nowitzki (im de re-Sinne) gewusst,
dass er blond ist (im de dicto-Sinne). Vielleicht
weiß jemand folgendes: “Der deutsche NBASpieler ist blond”
Wk Fiak
Es wird über Nowitzki (im de dicto-Sinne)
gewusst, dass er blond ist (im de re-Sinne).
Vielleicht weiß jemand folgendes: “Nowitzki hat
helle Haare”
Wk Fkak
Jemand weiß: “Nowitzki is blond” (vollständig de
dicto)
Kombination von Modallogik mit Konjunktivmarkern und
epistemischer Logik mit Konjunktivmarkern:
Jeder
Konjunktivmarker
kann
entweder
durch
einen
Modalquantor oder einen epistemischen Quantor gebunden
werden.
In einer solchen modal-epistemischen Logik mit
Konjunktivmarkern lassen sich u.a. mehrere Lesarten des
Begriffs Wissbarkeit sauber auseinander halten:
(1) ◊k1 Wk2k1αi
(2) ◊k1 Wk2k1αk2
(3) ◊k1 Wk2k1αk1
Schlussbemerkungen
Gibt es gute Gründe die zugunsten der Modallogik mit ActualityOpertaor und gegen die Modallogik mit Konjunktivmarkern
sprechen?
Falls nicht (und mir ist jedenfalls noch kein überzeugendes
Argument
zu
Ohren
gekommen!),
warum
verwenden
analytische Philosophen trotzdem fast alle weiterhin A statt k?
1) Viele kennen k noch nicht -> das muss sich ändern!
2) „Es zeigt sich hierin die große Macht der Gewohnheit [...]“
(Hume)
Endlich fertig!!!
Diskussion
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