Licht an nach Sonnenuntergang - Leibniz

Werbung
52
●
WISSEN & NATUR
In Kürze
Vögel hören besser
als Menschen
Edmonton rhl – Vögel kön-
nen die Höhe eines Tons
wesentlich genauer bestimmen als Menschen – aber die
Menschen sind immerhin
noch etwas besser als Ratten.
Zu diesem Ergebnis kommt
Christopher Sturdy von der
University of Alberta in Edmonton. „Menschen und
Ratten sind im Erkennen von
Tönhöhen in jeder Hinsicht
ziemlich schlecht“, so Sturdy.
„Aber im Vergleich zu Vögeln
ist ihre Leistung geradezu
katastrophal.“
Quelle: Behavioral Processes
Nashörner im
Aufwärtstrend
Gland rhl – Mit den afrikanischen Spitzmaulnashörnern (Diceros bicornis) geht
es langsam wieder bergauf.
Nach Angaben der World
Conservation Union (IUCN)
gibt es derzeit 3600 wild
lebende Exemplare – ein
Anstieg um 500 Tiere innerhalb von zwei Jahren. Einen
Tiefststand hatte der Bestand
vor rund zehn Jahren erreicht, als lediglich noch
2400 Tiere existierten.
Quelle: IUCN
WELT am SONNTAG | Nr. 27 | Sonntag, 4. Juli 2004
Licht an nach Sonnenuntergang
Deutsche Forscher entschlüsseln ein faszinierendes Naturschauspiel des Sommers: Eispartikel in der Mesosphäre leuchten nachts wie helle Wolken
Von Axel Bojanowski
Wolkenarten
Das Phänomen der Nachtwolken
Leuchtende Nachtwolken
(bis 100 km)
reflektieren das Licht der
untergegangenen Sonne und
heben sich vom nachtdunklen
Himmel ab. Sie bestehen aus
Eiskristallen, die sich in dieser
he erst ab
Höhe
bilden, weil
Wasser nur in sehr geringer
Menge vorhanden ist
Cumulonimbus
Die ambossförmigen Gewitterwolken entstehen, wenn sich
Kaltluft unter Warmluft schiebt,
die warme Luft daher aufsteigt
und kondensiert
I
100
km
90
80
Mesosphäre
70
Cirrus
Die Federwolken (Zirren) bestehen
aus winzigen Eiskristallen und
kündigen häufig schlechtes Wetter
an. Sie entstehen, wenn sich
feuchte Warmluft auf kühlere Luft
schiebt
60
Massensterben
im Weißen Meer
Archangelsk rhl – An der
russischen Weißmeerküste in
der Nähe von Archangelsk
wurden auf einem 15 Kilometer breiten Küstenstreifen
zehntausende von verendeten Seesternen und Krebsen
angespült. Es ist nicht das
erste Mal, dass ein solches
Massensterben in der Region
beobachtet wird. Schon 1990
und 1992 wurde über ähnliche Vorfälle berichtet. Doch
die Experten rätseln immer
noch über die Ursachen.
Dass versenkter radioaktiver
Abfall und chemische Waffen
schuld sind, ist bislang lediglich eine Spekulation.
50
Altocumulus
Die mittelhohen Schäfchenwolken
zeigen schönes Wetter an. Sie
bilden sich, wenn die Luft wärmer
wird und sich eine zuvor geschlossene Wolkendecke auflöst
40
Stratosphäre
Das Phänomen ist nur
zwischen Mitte Mai und
Mitte August zu sehen,
weil es paradoxerweise
dann kalt genug in der
Mesosphäre ist. Im
Sommer steigt Luft in die
Mesosphäre auf und kühlt
sich dabei stark ab
30
Quelle: BBC
Kalamazoo rhl – Für Biologen galt bisher der Lehrsatz:
Bei Wespen, Bienen und
anderen Hautflüglern
schlüpfen Weibchen aus
befruchteten Eiern, Männchen aus unbefruchteten.
Doch das stimmt nicht immer, wie David Cowan von
der Western Michigan University in Kalamazoo jetzt
nachwies. Bei der Wespe
Euodynerus foraminatus
schlüpfen aus befruchteten
Eiern gelegentlich auch
Männchen, die voll fertil und
lebensfähig sind.
20
Stratocumulus
Wenn Warmluft von einer Sperrschicht gehindert wird, weiter
aufzusteigen, entstehen diese
Schönwetterwolken
Cumulonimbus
ca. 12 km
10
Troposphäre
Cirrus ca. 9 km
Altocumulus ca. 4 km
Stratocumulus ca. 2 km
0
Stockholm
Die Leuchtenden
Nachtwolken sind nur in
gemäßigten
gemäß
gem
äßigten
gten Breiten zu
beobachten
beobachten – zwischen
50 und 65 Grad
Berlin
Sonne
Quelle: PNAS
GRAFIK WAMS/KARIN STURM; TOP-WETTER.DE (5)
Wespen-Männchen
nach Befruchtung
n manchen klaren Sommernächten leuchtet plötzlich
der Himmel über Nordeuropa. Silbern-bläulich glimmend erstrecken sich die so genannten leuchtenden Nachtwolken als dünne Wolkenschleier
über das Firmament über dem
nördlichen Horizont.
Es sind keine normalen Wolken. Anders als die bekannten
Wassergebilde, die in bis zu 13
Kilometer Höhe schweben, bestehen leuchtende Nachtwolken aus
Eiskristallen am oberen Rand der
Mesosphäre.
Diese
kälteste
Schicht der Atmosphäre liegt in
rund 90 Kilometer Höhe. Dort
reflektieren die Eispartikel das
Licht der untergegangenen Sonne und heben sich damit vom
nachtdunklen Hintergrund ab.
Erst wenn die Sonne um mehr
als 16 Grad unter den Horizont
getaucht ist, also etwa eine Stunde nach Sonnenuntergang, verlischt ihr Glimmen.
Das Phänomen ist nur im Sommer zu sehen – etwa zwischen
Mitte Mai und Mitte August –
denn nur dann ist es paradoxerweise in der Mesosphäre kalt genug, damit sich Eiskristalle bilden können. Im Sommer steigt
Luft in die Mesosphäre auf und
kühlt sich dabei ab. Weil Wasser
dort oben nur in sehr geringen
Mengen vorhanden ist – auf eine
Million Luftteilchen kommt gerade mal ein Wassermolekül –, bilden sich Eiskristalle erst unterhalb –120 Grad Celsius.
Die leuchtenden Nachtwolken
sind ausschließlich in gemäßigten Breiten zu beobachten – zwischen 50 und 65 Grad, also etwa
zwischen Berlin und Stockholm
– in niedrigeren Breiten hingegen ist es selbst in der Mesosphäre für Eiswolken zu warm.
Nördlich des 65. Breitengrades
hingegen gibt es die Eisschleier
zwar, aber man sieht sie dort im
Sommer nicht, weil der Himmel
nicht dunkel wird – es sei denn,
man benutzt einen Laser, genauer gesagt einen „Lidar“.
Das Wort ist ein Akronym aus
„Light Detection and Ranging“
und steht für ein System aus Laser und Detektoren, das man sich
als eine Art Radargerät vorstellen
kann, nur eben mit Licht anstatt
mit Radiowellen. „Wir erhalten
bereits Radarechos, wenn sich
winzige Eiskristalle zu Wolken
formiert haben und können so
die Eiswolken viel häufiger beobachten“, sagt Franz-Josef Lübken vom Leibniz-Institut für Atmosphärenphysik (IAP) der Universität Rostock in Kühlungsborn.
Radarmessungen
an
Eisteilchen sind eine der wenigen Möglichkeiten, Informationen aus den oberen Schichten
der Atmosphäre zu erhalten. Aus
den Echos lassen sich beispiels-
weise
Windgeschwindigkeiten mutlich in die Eiskristalle eingeund Turbulenzen ableiten, die bunden“, erklärt Lübken. Diese
dem Auge des Laien verborgen Beobachtung zeige, dass die Eisbleiben. Das Einzige, was ihm teilchen die Zusammensetzung
Kunde aus der Mesosphäre der Atmosphäre veränderten.
bringt, sind die sommerlichen Das habe auch Einfluss auf die
leuchtenden Nachtwolken.
Temperatur.
Lübken und Kollegen haben
Der Effekt könnte sich verstärjüngst auf Spitzbergen mit ih- ken, Kalium und andere Substanrem Lidar Laserstrahlen in den zen in der Mesosphäre werden
Himmel geschickt und damit womöglich weiter dezimiert.
Nachtwolken in hocharktischen Denn die Forscher erwarten eiBreiten beobachtet. Überrascht nen Zuwachs von Eisteilchen
waren die Forscher, die leuch- und mehr leuchtende Nachtwoltenden Nachtwolken dort in der ken. Der Grund ist die Zunahme
gleichen Höhe anzutreffen wie von Treibhausgasen, die in der
bei uns. Dies spreche dafür, dass Mesosphäre im Gegensatz zu den
die Temperatur der Mesosphäre unteren Luftschichten zur Abnicht so stark vom Breitengrad kühlung führt. Die Treibhausgaabhängt, wie die der bodennähe- se verstärken dort die Abstrahren Luftschichten, folgern die lung von Wärmeenergie in den
Wissenschaftler. Möglich sei aber Weltraum und bewirken damit
auch, dass die Eisteilchen aus der eine Abkühlung.
Arktis in mittlere Breiten wehen,
In mittleren Breiten, habe sich
sich dort nur langsam auflösen die Mesosphäre Satellitenmesund die leuchtenden Nachtwol- sungen zufolge in den letzten 30
ken deshalb bei uns in gleicher Jahren tatsächlich bereits um bis
Höhe auftreten.
zu 20 Grad Celsius abgekühlt,
In dieser Woche nun gelang es berichtet Lübken. Seltsamerweiden IAP-Forschern, Brutstätten se hätten Messungen über der
leuchtender Nachtwolken in hie- Nordpolregion in der Mesosphäsigen Breiten zu überprüfen. re bislang keine Abkühlung reGleich mehrfach waren in den gistriert. Dabei sollte die Zunahvergangenen Tagen leuchtende me der Treibhausgase auch dort
Nachtwolken
für niedrigere
über der Ostsee
Temperaturen
Die Eiskristalle
zu sehen. Die
sorgen.
WissenschaftBis vor kurfressen das Kalium
ler konnten dazem glaubten
in der Mesosphäre die Experten,
her mit dem Lidar
erstmals
die Zahl der pro
die Temperaturen in den Eisge- Saison auftretenden leuchtenbilden messen. Ergebnis: Auch in den Nachtwolken müsste sich
unseren Breiten ist es in der Me- seit den sechziger Jahren mehr
sosphäre im Sommer kälter als als verdoppelt haben. Neuere Un–120 Grad Celsius. „Auch hier tersuchungen jedoch hätten keikönnen also leuchtende Nacht- nen eindeutigen Trend ergeben,
wolken entstehen; die Eisteil- berichtet Ulf von Zahn vom IAP
chen müssen nicht unbedingt im Fachblatt „Eos“. Das wundert
aus der Arktis herübergeweht die Forscher bezüglich der Zusein“, folgert Lübken.
nahme von Treibhausgasen und
Auf der Südhalbkugel befin- Wasserdampf in der Mesosphäre.
den sich die schwebenden Schön- Die Formel – mehr Wasser gleich
heiten in der gleichen Höhe wie mehr Eis gleich mehr Wolken –
im Norden. Das zeigen jüngste scheint nicht aufzugehen.
Beobachtungen amerikanischer
Auch in anderer Hinsicht geForscher. Damit erwiesen sich ben die leuchtenden NachtwolMessungen, die die Nachtwolken ken den Forschern noch immer
über dem Südpol drei Kilometer Rätsel auf: So schwankt die Häuhöher als über dem Nordpol ver- figkeit der Wolken im selben
ortet hatten, als falsch.
Rhythmus wie die Aktivität der
In Spitzbergen machten Lüb- Sonnenstrahlung – allerdings
ken und Kollegen bei ihren Lidar- zeitversetzt: Die Häufigkeit der
Messungen eine weitere erstaun- Wolken erreicht erst zwei Jahre
liche Entdeckung: „Die Eisteil- nach der Sonnenstrahlung ihr
chen fressen andere Substanzen Maximum. Wie die beiden Phäauf“, sagt Lübken. Die Forscher nomene zusammenhängen, soll
maßen mit dem Lidar die Menge jetzt in einem Forschungsprojekt
des Metalls Kalium in der Meso- untersucht werden.
sphäre. Dabei fiel ihnen auf, dass
Das Ende einer leuchtenden
gerade dort, wo viele Eisteilchen Nachtwolke besorgt die Schwervorkamen, es kaum noch Kaliu- kraft: Die Eisteilchen der Wolke
matome gab. Die Eispartikel hät- werden immer schwerer, weil
ten quasi Schneisen in die Kali- sich unentwegt Wasserdampf an
umvorkommen hineingefressen, sie heftet. Deshalb sinken sie
berichten die Forscher im Fach- langsam ab. Unterhalb von 87
magazin „Geophysical Research Kilometer Höhe ist es zu warm
Letters“. Wie das „Auffressen“ ge- für die Eiskristalle, sie beginnen
nau vonstatten geht, ist unklar. zu verdampfen – die leuchtende
„Die Kaliumatome werden ver- Nachtwolke löst sich auf.
Verblüffende Fähigkeiten der Schmetterlingsblütler
In diesen Wochen kommen die Seehunde zur Welt. Die verlassenen Babys rühren Tierschützer und Touristen an Nord- und Ostsee
Selbstkompostierende
Pflanzen entdeckt
Die Saison der letzten Heuler
D
WILDLIFE
BLICKWINKEL
Swansea – Grüne Pflanzen bauDie Fähigkeit zur Nitrifizieen aus Wasser, Sonnenlicht und rung wurde bislang ausschließanorganischen Nährstoffen or- lich einigen Bakterien zugeganische Substanz auf, sagt eine schrieben, die deshalb Nitrifizieuralte Weisheit der botanischen rer oder Salpeterbakterien heiLehrbücher. Das ist zwar nicht ßen. Jeder Humusboden ist voll
falsch, aber Pflanzen können von diesen Mikroorganismen.
noch viel mehr. Sie bauen speDie englischen Biologen unziell organische Stickstoffver- tersuchten mehr als 200 Pflanbindungen auch wieder bis zu zenarten, darunter 82 Schmetanorganischem Stickstoff ab, terlingsblütler. Aber auch von
wie Biologen
diesen 82 sind
der University
nicht
alle
of Wales in
SelbstkomposSwansea in der
tierer. Ledigjüngsten Auslich jene, die
gabe des Fachin ihren Blätmagazins „Natern ein Gift
ture“ berichspeichern,
ten. Auf diese
können sich
Weise komposauch
selbst
tieren
die
kompostieren.
Pflanzen sich –
Das Gift ist die
Der Hufeisenklee produziert
zumindest
Nitropropionzum Teil – seinen eigenen Dünger
säure, eine Verselbst, und das
bindung,
die
ist für Botaniker eine besondere Stickstoff enthält und die sauerÜberraschung.
stoffabhängige
EnergiegewinCharles Hipkin und Mitarbei- nung in den Zellen blockiert. So
ter machten ihre Entdeckung schützt sich die Pflanze vor geausgerechnet an den Schmetter- fräßigen Käfern und Schmetterlingsblütlern (Fabaceae), zu de- lingsraupen.
nen die jedermann bekannten
Der in Mitteleuropa heimiErbsen und Bohnen zählen. Die- sche Hufeisenklee gehört zu den
se mit mehr als 15 000 Arten Pflanzen, die das Gift enthalten
drittgrößte
Pflanzenfamilie und Stickstoff nitrifizieren könzeichnet sich dadurch aus, dass nen. Im Herbst beginnt der Klee,
sämtliche ihrer Mitglieder mit- die Stickstoffverbindungen abhilfe von spezialisierten Bakte- zubauen. Wirft er seine Blätter
rien den gasförmigen Stickstoff schließlich ab, dann sind sie
der Luft einfangen und für ihr zum großen Teil schon komposWachstum nutzen können. Nur tiert. Da Hufeisenklee eine
ganz wenige Arten aus anderen mehrjährige Pflanze ist, sorgt er
Familien sind zu dieser Leistung auf diese Weise dafür, dass er im
fähig. Doch nur die Schmetter- kommenden Frühling wieder
lingsblütler können den Stick- genügend Nährstoffe im Boden
stoff in ihrem Körper auch wie- zur Verfügung hat – unabhänder kompostieren oder „nitrifi- gig von den Salpeterbakterien.
zieren“, so der Fachausdruck.
Rolf H. Latusseck
as Seehundbaby liegt am
Strand und ruft nach seiner Mutter. Sein Klagen
klingt wie das Weinen eines Kindes. „Heuler“ nennen die Bewohner der Nordseeinseln treffend
die verlassenen kleinen Robben.
Ihr Anblick erweckt sofort Mitleid bei den Spaziergängern am
Strand: Die großen Augen, aus
denen Tränen kullern, der runde
Kopf mit den starken Barthaaren
und die niedlichen Vorderpfoten
rufen bei den Zuschauern Gefühle der Sympathie hervor. Kindchenschema nennt der Fachmann diese Kombination von
Körpermerkmalen, die beim
Menschen spontan zu einer positiven Gefühlsreaktion führt
und gleichzeitig Beschützerinstinkte hervorruft.
Wir kennen das vor allem
beim Anblick von Babys und jungen Hunden oder Katzen. Doch
was tun? Das Weinen des jungen
Seehunds geht auf die Nerven.
Am besten ist es, einen Jagdaufseher oder die Polizei anzurufen.
Die kennen das Problem und
wissen zu helfen. Anfassen sollte
man das Seehundwaise auf keinen Fall. Ist der „Heuler“ einigermaßen gesund, wird er in eine
Seehundstation gebracht, dort
aufgepäppelt und später ausgewildert. Die Stürme der vergangenen Wochen haben an der
deutschen Nordseeküste schon
mehr als 60 Seehundbabys von
ihren Müttern getrennt. Wind
und hohe Wellen trieben die
Jungtiere ab. Instinktiv retteten
sie sich an den Strand oder auf
eine Sandbank. Findet die Mutter ihr Kind nicht wieder, muss
es verhungern. Etwa nur die
Hälfte aller Seehundbabys erreicht das Erwachsenenalter.
Seehunde sind Raubtiere, die
sich hervorragend an das Leben
Junge Seehunde. Nur jeder Zweite erreicht das Erwachsenenalter
im Wasser angepasst haben. Ihre
Vorfahren waren den Mardern
und Bären ähnliche Tiere, die
das Land bevölkerten, bevor sie
in den Ursprung allen Lebens,
die Ozeane, zurückkehrten. Ihr
Lebensraum ist riesig. Er umfasst
die nördlichen Regionen des Atlantiks und des Pazifiks. Doch
nur dort, wo flache Felsen, Strände und Sandbänke ihnen erlauben, an Land zu gehen, ihre Jungen zu gebären und zu säugen,
sind sie zu finden. In der Nordund Ostsee bilden Seehunde das
oberste Glied der Nahrungskette,
nur der Mensch macht ihnen
das Futter streitig. Erstaunlicherweise kommen sie auch im Süßwasser gut zurecht. Immer wieder wird von Seehunden in Elbe
oder Rhein berichtet.
+
Rund hundert Kilogramm schicht. So unbeholfen Seehunbringt ein ausgewachsener See- de an Land sind – im Wasser
hund auf die Waage, die Weib- erweisen sie sich als höchst bechen sind etweglich.
Der
was
leichter.
Körper
ist
Der Futterbestromlinienfördarf liegt bei
mig gebaut. Alfünf Kilo tägle „Unebenheilich. Seehunde
ten“ sind zufressen alle Firückgebildet.
sche, die ihnen
Die Ohren lasvor ihre runde
sen sich nur
Schnauze geranoch als kleine
Von Christian Carganico
ten, aber auch
seitliche Löcher
Mollusken und
am Kopf erkenKrebse. Jungtiere ernähren sich nen. Arme und Beine wurden im
nach der Entwöhnung vor allem Laufe der Evolution zu Flossen.
von Krabben. Vor Auskühlung Die Augen sind groß und an die
schützt die Tiere ein extrem Verhältnisse unter Wasser angedichtes Fell, das mehr als 50 000 passt. An Land sehen Seehunde
Haare pro Quadratzentimeter schlecht. Sie nehmen nur Beweaufweist, und eine dicke Fett- gungen wahr. Das wichtigste Or-
WUNDER
DER
TIERWELT
gan zur Orientierung und bei
der Jagd ist das Gehör. Ähnlich
wie Fledermäuse sind die Tiere
in der Lage, Fische akustisch aufzuspüren und feste Umrisse zu
erkennen.
Wenn ein Seehund taucht, verschließt er die Nasenlöcher und
senkt seinen Herzschlag von
rund 150 Schlägen auf nur noch
zehn Schläge pro Minute ab. So
verbraucht er weniger Sauerstoff. Die Lunge besitzt zudem
Kammern, die einen größeren
Luftvorrat aufnehmen können.
Jetzt, im Sommer, sind die Seehunde auf ungestörte Ruheplätze besonders angewiesen. Zur
Geburt sondert sich das Weibchen vom Rudel ab. Der Vorgang
geschieht bei Ebbe und so
schnell, dass die Zoologen von
einer Sturzgeburt sprechen.
Denn das Junge muss beim
nächsten Hochwasser schon
schwimmen können. Zuvor aber
trinkt der Nachwuchs und ruht
sich aus. Später wird er bei jedem Niedrigwasser zwei bis drei
Mal gesäugt. Schon nach vier
Wochen hat das Baby sein Gewicht verdoppelt. Dann beginnt
es auch zu jagen. Nach vier oder
fünf Jahren ist der Seehund erwachsen. Sein Höchstalter beträgt 30 Jahre.
Als elegante Schwimmer sind
Seehunde ein Erfolgsmodell der
Evolution. Doch die Natur sorgt
durch brutale Vorgänge dafür,
dass die Art nicht überhand
nimmt. 1988 wurden tausende
tote Seehunde auch an den deutschen Küsten angetrieben. Ursache war eine epidemische Staupe, der den Schätzungen zufolge
insgesamt 18 000 Robben zum
Opfer fielen. 2002 starben noch
mehr Seehunde an der Seuche,
rund 22 000 Tiere. Derzeit erholen sich die Bestände wieder.
Herunterladen