LESEPROBE Kinder-Uni Buch Teil 3 Hören und Sprechen Endlich Ferien. Konrad und Friederike besuchen ihre Großeltern. Beim Stöbern auf dem Dachboden entdeckt Rieke ein eigenartig gebogenes Rohr. Es erinnert sie ein wenig an das Horn einer Kuh. Es ist aus Holz, gebogen. Auf der einen Seite hat es eine große Öffnung, die auf der anderen ist nur so groß wie Friederikes kleiner Finger. Als plötzlich ihr Opa neben ihr steht, erschrickt sie. Sie hat ihn nicht kommen hören. Ihr Großvater lacht und sagt zu ihr: „Na Rieke, du brauchst wohl schon ein Hörrohr. Das hat meine Oma, deine Ur-Ur-Oma benutzt, als sie schlecht hörte. Probier es mal aus.“ Friederike steckt sich das dünne Rohrende ins Ohr und staunt. Das Summen der Fliegen auf dem Dachboden hört sie nun viel lauter. Plötzlich zuckt sie zusammen. Auf Zehenspitzen ist Konrad herangeschlichen und brüllt laut ins Rohr. „Du Blödmann“ schreit ihn Rieke erbost an. „Musik wird störend oft empfunden, dieweil sie mit Geräusch verbunden“ - so reimte es der Max- und Moritz-Erfinder Wilhelm Busch. Doch warum verursacht die quietschende Kreide an der Tafel eine Gänsehaut, weshalb erschrecken wir beim Knall eines Luftballons und erfreuen und am Zwitschern einer Schwalbe? Geräusche sind Schallwellen, das wissen Konrad und Friederike aus der Kinderuni. Luftmoleküle bewegen sich und so wandert das gesprochene Wort mit Schallgeschwindigkeit durch die Luft. Schallgeschwindigkeit ist die Geschwindigkeit, mit der sich Schallwellen in der Luft, im Wasser oder auch in festen Körpern ausbreiten. Das Erstaunliche: in Gasen wie Luft ist der Schall langsamer als in Flüssigkeiten oder in festen Körpern. So legt eine Schallwelle in der Luft ungefähr 340 Meter in der Sekunde zurück, das sind 1.235 Kilometer in der Stunde. Im Wasser ist sie mehr als viermal so schnell! Und durch Eis rast eine Schallwelle sogar mit 3.250 Metern in der Sekunde. Auch die Temperatur beeinflusst die Schallgeschwindigkeit: An einem heißen Sommertag mit 30 Grad sind die Schallwellen in der Luft deutlich schneller unterwegs als im kalten Winter. Am schnellsten ist der Schall übrigens in einem Diamant: 18.000 Meter pro Sekunde, viel schneller als jeder Düsenjet. Die Ohren bestehen aus weichem Gewebe und Knorpeln. Weshalb die Warnung von Erwachsenen, wir könnten uns die Ohren brechen, Quatsch ist. Wir können sie verbiegen oder an ihnen ziehen, ohne dass sich ihre Form ändert. Die Ohren sind unsere Schalltrichter. Durch ihre Auffaltungen und Kuhlen verändern sie den Schall. Dass hilft dem Gehirn zu erkennen, woher ein Geräusch kommt. Von links oder rechts, vorne, hinten, oben oder unten. Der Schalltrichter Ohr leitet die Schallwellen in den Gehörgang. Nach drei bis vier Zentimetern ist plötzlich Schluss. Das Trommelfell versperrt ihnen den Weg. Die Luftmoleküle prallen auf das Trommelfell und lassen es vibrieren (schwingen). Genauso wie das Fell auf den Trommeln eines Schlagzeugs. Dort muss man kräftig draufschlagen, damit es sich bewegt. Das Trommelfell im Ohr schwingt schon bei den allerleisesten Geräuschen. Die Kraft, mit der eine Ameise auf einem Fußballfeld rumtrampelt, reicht aus, um das Trommelfell vibrieren zu lassen. Und dabei sind die Schwingungen so fein, dass die Ärzte sie nicht mal mit den besten Mikroskopen sehen. Wo ein Trommelfell ist, da ist natürlich auch eine Trommel. Oder im Fall des Ohres eine Pauke. Paukenhöhle nennen die Mediziner jene Höhle, die sich hinter dem Trommelfell verbirgt und in dem sich die kleinsten Knochen des Körpers befinden: Hammer, Amboss und Steigbügel. Der Griff des Hammers ist mit dem Trommelfell verwachsen. Er schlägt auf den Amboss, und dieser bewegt den Steigbügel. Ein ziemlicher Aufwand also, um den Schall weiter ins Kopfinnere zu leiten. Der ist aber nötig, denn das leise Sirren einer Mücke, das Summen der Fliege muss verstärkt werden. Dafür sorgen nicht nur die Gehörknöchelchen, sondern auch kleine Hohlräume ringsum, die Paukenhöhle. Sie verstärken den Schall so wie der Körper einer Gitarre das Vibrieren der Saiten erst zu einem gut hörbaren Ton macht. Eine der Höhlen verbindet außerdem das Mittelohr mit der Nase. Deshalb hört man auch schlechter, wenn man Schnupfen hat oder sich die Nase zuhält. Im Mittelohr ist der Weg des Schalls noch lange nicht beendet. Das Steigbügelchen als letzter Knochen ist mit einem dünnen Häutchen verwachsen. Dahinter liegt die Schnecke. Keine echte, schleimige, sondern das eigentliche Hörorgan. Seinen Namen gaben ihm die Mediziner, weil es mit seinen zweieinhalb Windungen wie ein Scheckenhaus aussieht. Die Schnecke ist mit Flüssigkeit gefüllt und darin sind viele Millionen feinster Härchen. Die Flüssigkeit bewegt die Härchen. Dabei entsteht ein Strom und der wird zum Gehirn weitergeleitet. Gehen diese Sinneshärchen kaputt, hören wir schlechter. Der ganze Vorgang des Hörens geht natürlich viel schneller als Du diesen Text lesen kannst. Beim Hören arbeitet das Gehirn viel schneller als bei anderen Sinnen. Nur so können wir erkennen, von wo ein Geräusch kommt. Das Sirren einer Mücke direkt vor unserer Nase erreicht beide Ohren gleichzeitig und wir wissen sofort – das lästige Insekt ist direkt vor uns. Fliegt sie aber ein paar Zentimeter nach links, dann brauchen die Schallwellen länger bis zu unserem rechten Ohr. Nur wenige millionstel Sekunden zwar, das reicht aber unserem Gehirn, um zu erkennen, wohin das Insekt fliegt. Die Ohren sind aber nicht nur für die Mückenjagd wichtig. Ohne sie könnten wir auch nicht sprechen, unsere Erde wäre wahrscheinlich trostlos still. Jedenfalls vermuten Wissenschaftler das. Die ersten Landwirbeltiere hatten noch keine Ohren und deshalb konnten die Vorfahren von Vögeln, Reptilien und Säugetieren auch nicht singen, grunzen oder pfeifen. Wer nicht oder nur schlecht hört, dem fällt das Sprechen schwer. Oma oder Opa reden lauter, wenn im Alter ihre Sinneszellen im Innenohr weniger werden und sie schlechter hören. Kinder, die taub zur Welt kommen oder durch eine Krankheit oder einen Unfall schwerhörig werden, bekommen deshalb eine Art Mikrofon ins Ohr eingepflanzt, dass die Schallwellen in elektrische Signale wandelt. Zum Sprechen brauchen wir nicht nur die Zunge. Der ganze Rachen, Gaumen und die Nase sind daran beteiligt. Am wichtigsten für das Sprechen ist aber der Kehlkopf, denn in ihm werden die Töne erzeugt. Er sitzt im Hals. Wo genau, dass ist am Adamsapfel zu erkennen. Seinen Namen gaben ihm die Mediziner, weil er vor allem beim Mann (also dem biblischen Adam) gut zu sehen ist. Auch wenn er nicht auf den ersten Blick zu sehen ist, spürt man den Kehlkopf, wenn man die Hand an die Kehle legt und summt. Dort, wo es vibriert, sitzt der Kehlkopf. Und in ihm die Stimmlippen. Das sind elastische Bänder, die sich bewegen und Töne erzeugen – Du kannst sie Dir wie die Saiten einer Gitarre vorstellen. Ob eher brummige Basstöne aus dem Kehlkopf dringen oder schrille hohe, das hängt von der Länge der Stimmlippen ab und davon, wie schnell sie schwingen. So wie eine lange Orgelpfeife oder die langen Saiten eines Kontrabasses tiefe Töne erzeugen, die kurze Geigensaite und die kleine Orgelpfeife aber hohe, so sorgen lange Stimmlippen für den Bass, kurze für einen hellen Sopran. Da bei Männern der Kehlkopf meist größer und die Stimmlippen damit länger sind, haben sie tiefere Stimmen als Frauen oder Kinder. Wie bei der Orgel oder bei der Blockflöte, so braucht auch der Kehlkopf einen Luftstrom, um einen Ton erzeugen. Der kommt von der Lunge und wenn man bei einem langen Satz vorher nicht genügend eingeatmet hat, dann bleibt einem mitten im Satz die Luft weg und der Ton kommt nicht raus. Und wenn Du einmal beim Singen oder Sprechen zuviel Spucke im Mund hast und Du sie hastig runterschlucken willst, dann kann es passieren, dass Du Dich verschluckst. Schuld daran ist dann wieder der Kehlkopf. Er hat oben einen Deckel, der sich schließt, wenn wir essen. Sonst würde das ganze Essen in die Lunge rutschen und wir bekämen keine Luft mehr. Deshalb hat der Erwachsenenspruch „Beim Essen spricht man nicht“ wirklich seinen Sinn! Wer sich dran hält, bei dem rutschen Götterspeise, Zwieback und Gummibärchen richtig in die Speiseröhre. Und wenn sie vorbei sind, öffnet sich der Kehlkopfdeckel wieder und wir können sagen: “Hmm, lecker. Kann ich noch mehr haben?“.