First-in-Class: Halichondrin-B-Analogon Eribulin

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Pharma Report
Metastasiertes Mammakarzinom und andere solide Tumoren
First-in-Class: Halichondrin-B-Analogon Eribulin
© Springer Verlag GmbH
Eribulin bietet die erste und bislang einzige Monochemotherapie, mit der ein klinisch relevanter
Vorteil des Gesamtüberlebens (OS) bei anthrazyklin- und taxanvorbehandelten Patientinnen mit
lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem Mammakarzinom erzielt werden konnte [1]. Der ge­
gen Mikrotubuli gerichtete Polymerisationshemmer kann nicht nur beim Brustkrebs die Therapieoptionen in verschiedenen Therapielinien erweitern: Die First-in-Class-Substanz aus der Wirkstoffklasse der Halichondrine zeigt das Potenzial, auch bei anderen soliden Tumorentitäten wirksam zu
sein und möglicherweise Therapieresistenzen gegen Anthrazykline und Taxane zu überwinden [2].
Impressum
„Metastasiertes Mammakarzinom und
andere solide Tumoren; First-in-Class:
Halichondrin-B-Analogon Eribulin“
Literaturarbeit
Berichterstattung:
Dr. Yuri Sankawa, Stuttgart
Corporate Publishing (verantwortlich):
Ulrike Hafner,
Dr. Michael Brysch, Dr. Friederike Holthausen,
Sabine Jost, Ann Köbler, Dr. Claudia Krekeler,
Dr. Susanne Kuhlendahl, Inge Kunzenbacher,
Dr. Christine Leist, Dr. Sabine Lohrengel,
Dr. Ulrike Maronde, Dr. Annemarie Musch,
Dr. Monika Prinoth, Dr. Annette Schneider,
Yvonne Schönfelder, Dr. Petra Stawinski,
François Werner, Teresa Windelen
Report in „Der Onkologe“
Band 20, Heft 1, Januar 2014
Mit freundlicher Unterstützung der
Eisai GmbH, Frankfurt a.M.
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Eribulin entstammt einer natürli­
chen Ressource, dem Meer [3]. Ha­
lochondrin B wurde erstmals 1986
aus dem japanischen Meeres­
schwamm Halichondria okadai
isoliert [4]. Die Substanz erwies
sich als zytotoxisch und dabei Mi­
krotubuli gegenüber als destabi­
lisierend [5]. In den 1990er Jah­
ren gelang es, ein synthetisches
Derivat mit hoher antitumoraler
Potenz zu erzeugen [3].
Eribulin (Halaven®) bindet mit
einer dreimal stärkeren Affinität
als Halochondrin B an Mikrotu­
buli [6]. Im Gegensatz zu Vinblas­
tin und Paclitaxel wird die Wachs­
tumsphase der Mikrotubuli unter
Eribulin inhibiert, ohne dass die
Verkürzungsphase beeinträch­
tigt wird [7]. Zudem wird Tubu­
lin unter Eribulin in nicht-produk­
tive Aggregate abgekapselt (Se­
questrierung). Über den tubulin­
basierten, antimitotischen Mecha­
nismus kommt es zu einer Blocka­
de des G2-M-Zell-Zyklus, der Zer­
störung der mitotischen Spindeln
und nach längerer Mitoseblockade
auch zum apoptotischen Zelltod.
Dass Eribulin überdies Mikrotubuli
an einer anderen Stelle als Taxane
bindet, legte auch die Überlegung
nahe, dass die Wirksubstanz mög­
licherweise Resistenzen gegen­
über tubulinmutierten Zelllinien
überwinden könnte [8].
Klinisches Entwicklungs­
programm von Eribulin
Als Zytostatikum wurde Eribulin
2010 von der amerikanischen Zu­
lassungsbehörde FDA (Food and
Drug Administration) zur Behand­
lung des metastasierten, vorbe­
handelten Mammakarzinoms zu­
gelassen, ein Jahr später gefolgt
Tabelle 1 Überblick über das klinische Studienprogramm mit Eribulin
(E7389) (Auswahl der publizierten Phase-I- bis Phase-III-Studien)
Phase I*
Phase II*
Phase III*
Fortgeschrittene
oder refraktäre solide
Tumoren:
Synold et al., 2005, n=38
Rubin et al., 2005, n=18
Tan et al., 2009, n=21
Goel et al., 2009, n=32
Swami et al., 2010, n=52
Synold et al., 2010, n=20
Mamma-Ca:
Cortes et al., 2010, n=269
Iwata et al., 2010, n=81
Vahdat et al., 2009, n=103
NSCLC:
Spira et al., 2007, n=103
Gitlitz et al., 2009, n=41
Ovarial-Ca/Peritoneal-Ca/
Tuben-Ca:
Hensley et al., 2009, n=35
Hensley et al., 2011, n=37
Prostata-Ca:
De Bono et al., 2011, n=108
Urothel-Ca:
Quinn et al., 2010, n=37
Weichteilsarkom:
Schöffski et al., 2010, n=128
Pankreatisches Adeno-Ca:
Renouf et al., 2011, n=12
Kopf-Hals-Ca:
Arnold et al., 2011, n=40
Mamma-Ca:
Cortes et al., 2011, n=762
Kaufman et al., 2012,
n=1.102
*Weitere Informationen zu aktiven, rekrutierenden oder kürzlich geschlossenen Studien
mit Eribulin unter http://clinicaltrials.gov
modifiziert nach [2]
von der Marktzulassung in Euro­
pa und danach auch in Japan: Die
Monochemotherapie mit Eribulin
ist indiziert bei Patienten mit lo­
kal fortgeschrittenem oder metas­
tasiertem Brustkrebs, bei denen
nach mindestens zwei Chemothe­
rapien zur Behandlung einer fort­
geschrittenen Brustkrebserkran­
kung eine weitere Progression ein­
getreten ist. Die Vortherapien sol­
len ein Anthrazyklin und ein Taxan
enthalten haben, es sei denn, die­
se Behandlungen waren ungeeig­
net für den Patienten [9].
Geplant ist nicht nur der opti­
mierte Einsatz von Eribulin beim
lokal rezidivierenden oder metas­
tasierten Mammakarzinom, son­
dern auch die Evaluierung seiner
Wirksamkeit gegen weitere soli­
de Tumorentitäten: Dazu sind der­
zeit weltweit 23 aktive, laufende
oder bereits beendete klinische
Studien registriert (http://clinical­
trials.gov/). Das laufende Entwick­
lungsprogramm von Eribulin um­
fasst gegenwärtig eine Vielzahl
von klinischen Studien – sowohl
in Monotherapie (NCT01676818)
als auch in Kombination mit an­
deren Substanzen (NCT01534455,
NCT01554371) [3]: Die antitumo­
rale Wirksamkeit wurde bereits
bei mehreren soliden Tumorty­
pen in fortgeschrittenen Stadien
beobachtet, darunter in Phase-IIStudien mit dem nicht-kleinzelli­
gen Bronchialkarzinom (NSCLC),
Weichteilsarkomen sowie dem
Prostata- und Urothelkarzinom.
Des Weiteren wurde der Einsatz
von Eribulin bei Patienten mit pla­
tinsensiblem Ovarialkarzinom, Tu­
benkarzinom, Peritonealkarzinom,
Pankreaskarzinom oder Kopf-Hals-
Pharma Report
Expertenkommentar von Prof. (Steinbeis-Hochschule Berlin)
Dr. Dirk Hempel, Onkologisches Zentrum Donauwörth
Wie bewerten Sie den Stellenwert von Eribulin in der palliativen Situation des fortgeschrittenen, trotz mehrfacher
Vortherapien progredienten Mammakarzinoms?
Hempel: Das Besondere an Eribulin ist, dass das Medi­
kament zu den wenigen neuen Substanzen zählt, die
bei multipel vorbehandelten Patientinnen mit metas­
tasiertem Mammakarzinom eine signifikante Verbesse­
rung des Gesamtüberlebens zeigt.
Welche Patientinnen profitieren Ihrer Erfahrung zufolge von Eribulin?
Hempel: Abhängig von der individuellen therapeutischen Zielsetzung in
der metastasierten Situation können insbesondere auch Patientinnen von
Eribulin profitieren, die z. B. Hormonrezeptor- oder/und HER2-negativ sind.
Gemäß den Leitlinien können wir bei einigen Patientinnen in der metasta­
sierten Situation und nach entsprechender adjuvanter Vortherapie Eri­bulin
„first-line“ einsetzen, da die modernen Protokolle in der adjuvanten Thera­
piesituation oftmals bereits ein Anthrazyklin und Taxan enthalten.
Phase-III-Studie 301: In einer weiteren Phase-III-Studie (Studie 301) wur­
de Eribulin auch bei anthrazyklin- und taxanvorbehandelten Patientinnen
mit lokal progredientem oder metastasiertem Mammakarzinom in früheren
Therapielinien (≤3 Vortherapien) untersucht: Während die 1-Jahres-Analy­
se einen nominell signifikanten Gesamtüberlebensvorteil unter Eribulin vs.
Capecitabin zeigte (64,4 % vs. 58 %), unterschieden sich die Therapien beim
co-primären Studienendpunkt (OS und PFS) der vorläufigen Auswertung
nicht signifikant voneinander, sodass die Wirksamkeit der Monotherapie mit
Eribulin vs. Capecitabin vergleichbar war (15,9 vs. 14,5 Monate) [14] Aller­
dings kann ein Outcome-Parameter wie das PFS die individuelle Progres­
sion bzw. Prognose des Tumors zum Zeitpunkt der Therapie möglicherwei­
se nicht adäquat abbilden [15].
Karzinom geprüft. Tabelle 1 bietet
hierzu einen Überblick [2].
Potenzial beim NSCLC und
Weichteilsarkom
Zwei Phase-II-Studien prüften Eribu­
lin in Monochemotherapie beim
NSCLC: Patienten mit fortgeschrit­
tenem NSCLC, die zuvor eine ta­
xanhaltige Therapie erhielten bzw.
unter oder nach einer platinhal­
tigen Kombinationschemothe­
rapie progredient wurden, profi­
tierten u. a. von einem verbesser­
ten medianen Gesamtüberleben
bzw. verbesserten objektiven An­
sprechraten [10, 11]. Die Ergeb­
nisse zum primären Studienend­
punkt einer offenen, randomi­
sierten, multizentrischen PhaseIII-Studie zum Vergleich der Wirk­
samkeit und Sicherheit von Eribu­
lin vs. „Therapie der Wahl“ (TPC)
beim fortgeschrittenen NSCLC
werden für Ende 2014 erwartet
(NCT01454934).
Als weiterhin vielverspre­
chend erwiesen sich auch die Be­
handlungsergebnisse (eben­
falls Phase-II-Studie) bei metasta­
sierten Weichteilsarkomen unter
Eri­b ulin: Das mediane Gesamt­
überleben reichte je nach histo­
logischem Subtyp von sechs bis
20 Monate (Studie EORTC 62052)
[12]. Der primäre Endpunkt der
Studie (progressionsfreies Überle­
ben [PFS] nach drei Monaten) wur­
de erreicht, die Hälfte der Patien­
ten mit einem histologisch gesi­
cherten adipozytären Sarkom er­
reichte eine Krankheitsstabilisie­
rung. Vor dem Hintergrund dieser
Daten wurde eine Phase-III-Studie
initiiert, in der 450 Patienten mit
fortgeschrittenem adipozytärem
Sarkom oder Leiomyosarkom mit
Eribulin oder Dacarbazin behan­
delt werden (NCT01327885).
Zulassungsrelevante
Phase-III-Studie EMBRACE
Die klinische Wirksamkeit beim
Mammakarzinom wurde zunächst
durch zwei einarmige Phase-IIStudien sowie eine randomisier­
te Vergleichsstudie in Phase III be­
legt [9]. An der zulassungsrelevan­
ten Phase-III-Studie EMBRACE (Eri­
bulin Monotherapy versus Treat­
ment of Physician‘s Choice in Pa­
tients with Metastatic Breast Can­
cer, Studie 305) nahmen 762 Pa­
tientinnen mit lokal rezidivieren­
dem oder metastasiertem Brust­
krebs teil. Die Studienteilnehme­
rinnen repräsentierten mit zwei
bis maximal fünf Chemotherapien
im Vorfeld ein stark vorbehandel­
tes Patientenkollektiv [1] und so­
mit Patientinnen in einer palliati­
ven Therapiesituation, für die es
bis dahin im klinischen Alltag kei­
ne Standardtherapie nach dem
Versagen einer anthrazyklin- oder
taxanbasierten Behandlung gege­
ben hat. Sofern keine Kontraindi­
kationen bestanden, mussten die
Patientinnen zuvor ein Anthrazy­
klin sowie ein Taxan erhalten ha­
ben und der Tumor innerhalb von
sechs Monaten nach der letzten
Chemotherapie progredient ge­
worden sein.
Gesamtüberleben mit Eribulin
signifikant verlängert
Die Randomisierung erfolgte ent­
weder auf Eribulin (1,23 mg/m2
i.v. für die Infusionsdauer von 2–5
Minuten) oder auf eine heteroge­
ne TPC nach dem Ermessen des
behandelnden Arztes. Gemäß der
primären Endpunktanalyse konn­
te das mediane Gesamtüberle­
ben unter Eribulin signifikant um
2,5 Monate verbessert werden
(13,1 vs. 10,6 Monate; p=0,041).
Von dem positiven Effekt auf das
Gesamtüberleben sowie das pro­
gressionsfreie Überleben profi­
tierten die Patientinnen unter der
Monochemotherapie mit Eribu­
lin unabhängig davon (n=508),
ob es sich um einen refraktä­
ren oder nicht-refraktären Tumor
gegenüber Taxan handelte. Eben­
so unabhängig war die Wirksam­
keit von Eribulin bzgl. HER2-Sta­
tus, dem Vorliegen eines „tri­plenegativen“ Tumortyps (ER-, PRund HER2-negativ) oder dem Al­
ter der Patientin.
Die Behandlung wurde im All­
gemeinen gut vertragen – mit
einer dem TPC-Arm vergleichba­
ren Inzidenz an klinisch relevan­
ten unerwünschten Ereignissen
[1].
Eribulin ist das einzige klassi­
sche Chemotherapeutikum, das in
den letzten Jahren aufgrund einer
statistisch relevanten Verlänge­
rung des Gesamtüberlebens bei
Patientinnen mit therapierefraktä­
rem Mammakarzinom zugelassen
wurde, die weder auf taxan- noch
anthrazyklinhaltige Vortherapien
angesprochen haben. Sowohl die
S3-Leitlinie Brustkrebs der Deut­
schen Krebsgesellschaft (DKG) als
auch die aktuellen Leitlinien der
Arbeitsgemeinschaft Gynäkolo­
gische Onkologie (AGO) und der
Deutschen Gesellschaft für Häma­
tologie und Medizinische Onko­
logie (DGHO) empfehlen den Ein­
satz von Eribulin als Therapie der
Wahl bei Patientinnen mit fortge­
schrittenem Mammakarzinom, die
mit Anthrazyklinen und Taxanen
vorbehandelt wurden. Ersten re­
trospektiven Praxisdaten aus Spa­
nien zufolge haben sich die Erfah­
rungen mit Eribulin in der klini­
schen Praxis bislang als konsistent
mit dem von EMBRACE bekannten
Wirksamkeits- und Sicherheitspro­
fil erwiesen (n=104) [13].
Literatur
1. Cortes J et al., Lancet 2011,
377:914–923
2. Preston JN, Trivedi MV, Ann Pharmaco­
ther 2012, 46: 802–811
3. Giddings LA, Newman DJ, J Ind Micro­
biol Biotechnol 2013, 40:1181–1210
4. Kingston DG, J Nat Prod 2009,
72:507–515
5. Bai RL et al., J Biol Chem 1991,
266:15882–15889
6. Bai R et al., J Chem Inf Model 2011,
51:1393–1404
7. Jordan MA et al., Mol Cancer Ther
2005, 4:1086–1095
8. Smith JA et al., Biochemistry 2010,
49:1331–1337
9. Fachinformation Halaven®,
Stand: April 2013
10. Spira AI et al., ASCO 2007, Abs. 7546
11. Gitlitz BJ et al., ASCO 2009, Abs. 8056
12. Schöffski P et al., ASCO 2010,
Abs. 10031
13. Ruiz-Borrego M et al., ECC 2013,
Abs. 1899
14. Kaufman P et al., SABCS 2012,
Abs. S6-6
15. Perez EA et al., ECC 2013, Abs. 1911
HAL 0071
Eribulin in der Praxis
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