Download: psoriasis_blickwechsel

Werbung
Ausgabe 1 | April 2016
Haut &
Diabetes
Ein Gemeinschaftsprojekt von
&
Übersichtsarbeit
Kommentierte
Fallberichte
Interview mit
Prof. Augustin
Studienkommentar
Psoriasis und Typ-2Diabetes – Fakten, die der
Dermatologe kennen sollte
Wie hätten Sie
entschieden?
zur Früherkennung
von Komorbidität
Für Sie zusammengefasst
von Prof. Schön
>> mehr auf den Seiten 8 & 9
>> mehr auf den Seiten 10-13
>> mehr auf den Seiten 6 & 7
>> mehr auf den Seiten 16 & 17
Editorial Board
Prof. Dr. Ulrich Mrowietz
Dr. Andreas Pinter
Prof. Dr. Diamant Thaçi
Prof. Dr. Kristian Reich
Dr. Dagmar Wilsmann-Theis
Prof. Dr. Matthias Augustin
Prof. Dr. Michael P. Schön
Dr. Ralph von Kiedrowski
Seit etwa 15 Jahren konnten wir Erfahrungen in der
Erforschung von immunvermittelten Entzündungs­
erkrankungen wie Psoriasis, Psoriasis-Arthritis und
rheumatoide Arthritis sammeln. Doch neben allen
wissenschaftlichen Erkenntnissen sollte auch die Praxis
nicht zu kurz kommen: Daher freuen wir uns nun auf die
Zusammenarbeit und den direkten Austausch mit Ihnen.
Simone Thomsen,
Geschäftsführerin
Lilly Deutschland
Ihre Simone Thomsen
Editorial
Blickwechsel – Psoriasis im Dialog
Neue Publikation soll den interdisziplinären
Austausch fördern
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
Psoriasis berührt uns alle. Und unser aller
Anliegen ist es, für unsere Patienten die bestmöglichen Behandlungsoptionen zu finden.
Angesichts der Komplexität des Krankheitsbildes sind dabei allerdings nicht nur wir als Dermatologen gefragt. Einblicke in benachbarte
Fachdisziplinen, verstärkter Austausch mit
Kolleginnen und Kollegen, Erweiterung der eigenen Perspektive – kurzum: ein Blickwechsel
kann bei dieser hochkomplexen Systemkrankheit nur hilfreich sein.
von Menschen mit Schuppenflechte erkannt
und akzeptiert und unsere Schlüsselrolle als
Dermatologen häufig genug betont worden.
Und doch sehen wir uns tagtäglich der Herausforderung gegenübergestellt, diese Erkenntnisse im Praxisalltag so umzusetzen,
dass wir unseren Patienten die für sie notwendigen Behandlungsoptionen auch frühzeitig
zukommen lassen. Je nach Komorbidität und
angrenzender Fachdisziplin funktioniert dies
mal besser, mal schlechter. Vielerorts ist die
Vernetzung mit Kollegen, beispielsweise dem
fach lösen. Doch sie kann den Blick schärfen,
anhand praktischer Fallbeispiele wertvolle Impulse liefern und uns motivieren, den Dialog
im Sinne unserer Patienten weiter zu optimieren. Wir, das Editorial Board von „Blickwechsel – Psoriasis im Dialog“, möchten gemeinsam mit Lilly ein Stück dazu beitragen.
Die erste Ausgabe widmet sich dem Schwerpunkt „Haut & Diabetes“ und bietet einen Mix
aus Experteneinschätzungen, Fallbeispielen
aus der Praxis kommentiert vom Diabetologen, praktischen Behandlungstipps, aber auch
spannenden Übersichtsarbeiten und Studienkommentaren.
Als Ausblick sei verraten: Ausgabe 2 des
„Blickwechsels“ wird sich dem Schwerpunkt
„Haut & Seele“ widmen. Wir freuen uns über
Ihr Feedback zu dieser neuen Publikation,
damit wir die nächsten Ausgaben noch besser
auf Ihre Bedürfnisse zuschneiden können.
Mit der Publikation „Blickwechsel – Psoriasis im Dialog“ möchten wir den Blick richten
auf die Psoriasis und ihre Komorbidität. Dank
umfassender Aufklärungsarbeit und Fortbildungen in den vergangenen Jahren ist die
Relevanz der Komorbidität für die Behandlung
Diabetologen oder Psychotherapeuten um die
Ecke, noch nicht optimal oder es fehlt an zeitlichen Ressourcen zum Austausch.
Uns ist klar: Eine neue Publikation kann diese
praktischen Herausforderungen nicht so ein-
3
Viel Spaß und spannende neue Erkenntnisse
bei der Lektüre von
„Blickwechsel – Psoriasis im Dialog“
wünscht
Das Editorial Board
Inhalt
2Editorial Board
Wir stellen uns vor
3Editorial
Blickwechsel – Psoriasis im Dialog
Diabetologen-Tipp von Dr. Klepzig
>> mehr auf den Seiten 11 & 13
5Prof. Schön im Gespräch
...mit Simone Thomsen,
Geschäftsführerin von Lilly Deutschland
6Interview Prof. Augustin
Die Früherkennung von Komorbidität bei
Psoriasis bleibt auch künftig ein wichtiges
nationales Versorgungsziel
8Übersichtsarbeit Dr. Pinter
Psoriasis und Typ-2-Diabetes –
Fakten, die der Dermatologe kennen sollte
10Fallbericht Prof. Augustin
und Dr. Jacobi
Diabetesbedingte Komplikationen bei
Psoriasis vulgaris et arthropathica
PD Dr. Gerdes zur Bedeutung eines
individuellen Komorbiditätsscreenings
>> mehr auf den Seiten 14 & 15
11KOMMENTAR DR. KLEPZIG
Tipps vom Diabetologen
12Fallbericht Dr. Pinter
Psoriasisbehandlung bei diabetischem Fuß
13KOMMENTAR DR. KLEPZIG
Tipps vom Diabetologen
14interview PD Dr. Gerdes
Ein regelmäßiges, strukturiertes Screening
des individuellen Komorbiditätsrisikos kann
das Optimum für die Patienten herausholen
16Studienkommentar Prof. Schön
Für Sie zusammengefasst: Insulinresistenz,
Endothelfunktion und Psoriasis
18Ihre Meinung ist gefragt
Fallberichte zu Psoriasis & Diabetes
>> mehr auf den Seiten 10 & 12
3. USIMPRESSUM
4
Prof. Schön im Gespräch
…mit Simone Thomsen,
Geschäftsführerin von Lilly Deutschland
„Uns geht es um mehr als
Medikamente: Wir wollen das Leben
der Menschen besser machen.“
Mit der vorliegenden Zeitschrift betritt Lilly Neuland in der Dermatologie und das in zweifacher
Hinsicht: Zum einen durch die Unterstützung einer
dermatologischen Zeitschrift, ohne selbst derzeit
ein dermatologisches Produktportfolio anbieten
zu können. Zum anderen durch den Fokus auf die
Komorbidität Diabetes und psychische oder auch
sexuelle Störungen.
Was ist Ihre Motivation als Firma Lilly,
ein solches Projekt gemeinsam mit dem
Wiley-Verlag ins Leben zu rufen?
Wir bei Lilly erforschen seit etwa 15 Jahren die Pathogenese von chronischen, immunvermittelten
Erkrankungen wie Psoriasis, Psoriasis-Arthritis
und rheumatoide Arthritis. Derzeit testen wir neue
Wirkstoffe in umfangreichen klinischen Entwicklungsprogrammen. Wir sind zuversichtlich, in den
kommenden Jahren wirksame Behandlungsalternativen anbieten zu können. Heutzutage wissen
wir, dass Psoriasis nicht nur eine Hautkrankheit
ist, sondern als entzündliche Systemerkrankung
unter anderem auch zu Fettstoffwechselstörungen, Diabetes und Depression führen kann.
Lilly blickt auf diesen Gebieten auf eine lange Historie zurück: Die Firma wurde vor rund 140 Jahren
von Colonel Eli Lilly gegründet, der sich der Entwicklung und Herstellung qualitativ hochwertiger
Medikamente verschrieben hat, die die Patienten
dringend benötigten. Viele unserer Medikamente
gehören zu den Vorreitern in ihrer Klasse, insbesondere in der Diabetologie, wie beispielsweise das
erste industriell gefertigte Insulin, aber auch bei
der Behandlung von psychischen Erkrankungen.
Doch unsere langjährige Forschungsexpertise ist
nur ein Aspekt. Vor allem haben wir Erfahrungen
mit den Bedürfnissen von Menschen mit Diabetes
oder psychischen Erkrankungen gesammelt. Diese
nehmen wir sehr ernst. Wir möchten sie bei unserer Arbeit stets mit einbringen und dadurch einen
kleinen Beitrag leisten, um Dermatologen in ihrer
Schlüsselfunktion bei der ganzheitlichen Behandlung ihrer Psoriasis-Patienten zu unterstützen.
Verraten Sie uns, wie weit Sie mit dem
erwähnten klinischen Entwicklungsprogramm sind und welche Erwartungen Sie
daran knüpfen?
Menschen mit Psoriasis sind häufig einem enormen Leidensdruck ausgesetzt. Im vergangenen
Jahr habe ich einen jungen Mann kennengelernt,
für den aufgrund seiner Erkrankung ein normaler
Alltag kaum mehr möglich ist. Die Schwere seiner
Psoriasis verwehrt es ihm, eine Ausbildung anzufangen oder jegliche körperliche Arbeit auszuüben.
Er verdeckt seine Haut, geht Berührungen aus dem
Weg und zieht sich immer mehr zurück.
Mehr als jeder andere Moment des letzten Jahres
hat mir diese Begegnung noch einmal vor Augen
geführt, worum es in unserer Arbeit wirklich geht
und welche große Verantwortung wir tragen.
Wir hoffen, künftig mit neuen Medikamenten aus
unserer klinischen Entwicklung zu einer höheren
Therapiezufriedenheit genau dieser Menschen beitragen zu können. Für die Behandlung der PlaquePsoriasis haben wir für ein neues Molekül bereits
einen Zulassungsantrag bei den amerikanischen
und europäischen Behörden eingereicht, der Antrag für die Indikation Psoriasis-Arthritis wird folgen. Chronische Entzündungen beschäftigen uns
aber auch bei der rheumatoiden Arthritis. Auch
hier forschen wir seit Jahren und hoffen in Kürze,
Patienten eine neue, wirksame Behandlungsoption
bieten zu können.
5
Sie sind seit 15 Jahren in verschiedenen
Verantwortungsbereichen bei Lilly tätig.
Was macht Lilly aus Ihrer Sicht besonders?
Was uns ausmacht, sind die Menschen: Überall auf
der Welt arbeiten Lilly-Mitarbeiter daran, Medikamente zu erforschen, die in der Behandlung einen
Unterschied machen. Dabei suchen wir immer
nach neuen Wegen, um es „besser und besser zu
machen“, wie unser Gründer Colonel Eli Lilly seine
Motivation beschrieb. So verbinden wir Forschergeist mit Fürsorge. Denn Innovationskraft ist nicht
alles. Der Respekt gegenüber den Menschen und
das Versprechen, ihr Leben zu verbessern, ist ein
zentrales Element der Lilly-Unternehmenskultur.
Unsere Mitarbeiter, die dem Unternehmen häufig
über viele Jahre oder sogar Jahrzehnte verbunden
sind, setzen sich mit großer Leidenschaft dafür ein,
auch das alltägliche Leben der Menschen besser zu
machen. Denn das ist es, worum es bei unserer Arbeit wirklich geht.
Interview
„Die Früherkennung von
Komorbidität bei Psoriasis bleibt
auch künftig ein wichtiges nationales
Versorgungsziel, denn von einer
breitflächig qualitativ hochwertigen
Versorgung sind wir noch weit
entfernt.“
Prof. Dr. Matthias Augustin, Hamburg
Prof. Dr. Matthias Augustin ist Direktor des Instituts für Versorgungsforschung in der Dermatologie und
bei Pflegeberufen (IVDP) am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE), zu dem das Competenzzentrum Dermatologische Forschung (CeDeF) und das Competenzzentrum für Versorgungsforschung in
der Dermatologie (CVderm) gehören. Prof. Augustin ist einer der Gründer des Hamburg Center for Health
Economics, des inzwischen größten Zentrums für Gesundheitsökonomie in Deutschland. Im Rahmen
seiner wissenschaftlichen Aufgaben analysiert er die Versorgungsstandards und -strukturen der Psoriasis
in Deutschland.
Wo sehen Sie in der Versorgung von Menschen mit Psoriasis noch unerfüllte Bedürfnisse?
Einen wirklich unerfüllten medizinischen Bedarf
im Sinne von „Wir haben nichts“ gibt es natürlich
nicht mehr. Alle für die Versorgungsziele aufgestellten Qualitätsindikatoren wurden in den letzten 5 Jahren relevant verbessert und somit eine besonders aus Patientensicht einschneidend bessere
Versorgung erreicht.
KOMORBIDITÄT IN ZUSAMMENHANG MIT PSORIASIS
ART UND HÄUFIGKEIT der KOMORBIDITÄT
bei Psoriasispatienten1
01. Bluthochdruck
02. Chronische Bronchitis/Asthma
03. Psoriasis–Arthritis
04. Kardiovaskuläre Erkrankungen
AUFTRETEN von KOMORBIDITÄT
bei Patienten mit und ohne Psoriasis3
31,5 %
MIT PSORIASIS
15 %
05. Diabetes
14,5 %
06. Depression
12,5 %
07. Hyperlipidämie
58%
26 %
22,5 %
11 %
35%
Die chronisch systemische Entzündung, die der Psoriasis zugrunde liegt, manifestiert
sich nicht nur sichtbar auf der Haut, sondern wirkt sich auch auf die Funktion der
Gefäßwände aus (Psoriatische Entzündungskaskade).2
OHNE PSORIASIS
2. Boehncke WH et al. Exp Dermatol 2011; 20: 303-307
1. Schaarschmidt ML et al. PLoS One 2015; 10: e0144335
3. Augustin M et al. Acta Derm Venereol 2010; 90: 147–151
6
Mit speziellem Blick auf die notwendigen therapeutischen Optionen haben wir eine Dekade von
Arzneimittelinnovationen erlebt, die maßgeblich
zur besseren Versorgung der Patienten beigetragen
haben. Insofern bewegen sich alle Verbesserungen,
die wir noch weiter erreichen wollen, schon auf
sehr hohem Niveau. Dies gilt insbesondere auch
im internationalen Vergleich.
Woran es tatsächlich bisher immer noch fehlt, ist
eine gleichmäßig gute Versorgung. Hier sehen wir
noch zu große regionale Unterschiede und einen
zu großen Qualitätsunterschied in der leitliniengerechten Versorgung zwischen Hautärzten und
Hausärzten, die beide in fast gleichem Maße zur
Versorgung beitragen.
Eine wichtige Zielsetzung in der Arzneimittelversorgung ist es, eine einfachere und patientenfreundliche Anwendung der Präparate zu
erreichen. Verbesserungsbedarf sehe ich in der Verbindung einer hohen therapeutischen Wirksamkeit
mit patientenfreundlichem Therapiemanagement
und nicht zu vergessen auch aus Patientensicht
eine hohe Sicherheit bei guter Verträglichkeit. Mit
dem deutschen Psoriasisregister PsoBest haben wir
hier eine hochwertige Datenquelle aus der breiten
Versorgung unter Alltagsbedingungen. An den
daraus abgeleiteten Ergebnissen werden wir auch
neue Behandlungsoptionen messen.
Wie bewerten Sie das Management der
Komorbidität?
Komorbidität bei Psoriasis ist als Phänomen
erkannt, ebenso der Handlungsbedarf für den
Dermatologen als Weichensteller zur Früherkennung. Das heißt nicht, dass der Dermatologe die
Komorbidität zwingend selbst behandeln muss,
aber er sollte einen Behandlungsbedarf frühzeitig
erkennen und den Patienten dann rechtzeitig an
den kooperierenden Kollegen überweisen. Für das
Screening gibt es ein entsprechendes Konsensuspapier sowie evidenzbasierte Algorithmen.
Wir haben mit großer Berechtigung als eines der
vier nationalen Versorgungsziele 2010 bis 2015
die Früherkennung von Komorbidität formuliert.
Durch entsprechende Schulungen, Workshops,
Kongressbeiträge sowie spezielle Screeningtools
(zum Beispiel das „Komorbimeter“ oder Screening-Checklisten) haben wir bundesweit auf vielen
Ebenen dafür Sorge getragen, dass diese Botschaft
nicht nur ankommt, sondern auch praktisch umgesetzt werden kann. Jetzt liegt es auch an den
kooperierenden Disziplinen, ob sie hier den Ball
aufnehmen.
➞
Rauc
h en
Stigmatisierung
Alk
oho
Bei den auf Psoriasis spezialisierten Dermatologen
findet das Management von Komorbidität routinemäßig statt, aber wir sind weit davon entfernt, von
einer flächendeckend guten Versorgung sprechen
zu können. Das liegt zum einen daran, dass Patienten nicht oder nicht rechtzeitig zu einem spezialisierten Dermatologen kommen. Zum anderen
sind nicht überall die notwendigen Schnittstellen
zu Rheumatologen, Hausärzten, Diabetologen
oder Psychotherapeuten etabliert. Wir sind in dem
Moment, in dem wir als Dermatologen Komorbiditäts-Screenings umsetzen wollen, auf die Zusammenarbeit mit diesen Fachgruppen angewiesen.
Die Herausforderungen durch fachübergreifende
Kooperationen sind aber ungleich schwerer als
Dinge im eigenen Fach zu lösen.
Wo sehen Sie bei der interdisziplinären
Behandlung der Komorbidität den größten Optimierungsbedarf?
Sinnvoll wäre es, die psychische Komorbidität, die
Depression und all das, was sich um das Erleben
der Erkrankung Psoriasis dreht, von der vermuteten Stigmatisierung über soziale Belastungen
im Alltag und im Berufsleben dieser Patienten bis
zum emotionalen Befinden, noch stärker in den
Fokus zu rücken. Es ist nicht so, als wäre man sich
dessen als Behandler nicht bewusst, allerdings er-
lko
ns
um
Zusatzkosten
Fe
t tl
ei
bi
ei
gk
Depression
t?
Th
Behandlungszeit
Herzinfarkt
er
ap
r eu e
Meta­
bolisches
Syndrom
Behandlungszufriedenheit
a h m et
Fettleibigkeit
Angststörungen
Psoriasis-Arthritis
Systemisch
Inflammation
KVE
E in n
Genetische
Prädisposition,
umweltbedingte
Auslöser
e
Schlaganfall
Insulinresistenz
Haut
r eu
Mikro­inflammation
i et
Arteriosklerose
Psychiatrisch
LQ
Begleiterkrankungen
KB
Konsequenzen
Die Sphären der Psoriasiserkrankung. KVE: Kardiovaskuläre Erkrankung; LQ: Lebensqualität;
KB: Krankheitsbürde
mod. nach Mrowietz M et al. Exp Dermatol 2014; 23: 705-709
7
folgt nicht immer eine geeignete Behandlung und
Betreuung mangels Kooperationsmöglichkeiten
oder versierter Therapeuten. Hier gibt es auf jeden
Fall einen Verbesserungsbedarf.
Menschen mit Schuppenflechte haben
auch ein deutlich erhöhtes Risiko für Diabetes und ein Metabolisches Syndrom.
Warum?
Wir haben beim Metabolischen Syndrom eine
Vielzahl von sich gegenseitig bedingenden Risikofaktoren: Übergewicht, Fettstoffwechselstörungen,
ungesunder Lebenswandel mit Bewegungsmangel,
Fehlernährung, Genussgiften etc., die auch wesentlich zum Diabetesrisiko beitragen. Das Phänomen ist in unserer Gesellschaft insgesamt zu
beobachten, gilt aber in besonderem Maße auch
für Patienten mit Psoriasis, die statistisch gesehen
ein deutlich erhöhtes Risiko für Erkrankungen aus
dem metabolischen Formenkreis aufweisen [1].
Wissenschaftlich diskutiert wird aktuell
hierbei die Frage nach der Wechselwirkung zwischen dem genetisch bedingten
Risiko und dem chronischen Entzündungsgeschehen der Psoriasis. Bedeutet
dies, dass Diabetes nicht primär eine
Folge von ungesundem Lebenswandel
ist, sondern auch biochemische Prozesse
des chronischen Entzündungsgeschehens
mitverantwortlich sein könn­ten für eine
zunehmende Insulinresistenz?
Die Insulinresistenz und das Entstehen eines Diabetes ist eine gemeinsame Endstrecke mehrerer
Komponenten, die in unterschiedlicher Ausprägung bei allen Patienten zu vermuten sind. Dazu
zählt, dass sich die genetische Disposition zur Insulinresistenz paart mit dem chronischen Entzündungsgeschehen und den sozusagen im Gewebe
enthaltenen Zytokinlasten sowie der Hyperalimentation, Bewegungsmangel etc. Insgesamt scheinen
sich hier also Lifestyle, Genetik und chronische
Entzündung ungünstig zu verbinden.
Wohlgemerkt: Das gilt nicht für jeden Patienten.
Wir haben ja keine Rate von 100 Prozent Diabetes
bei Psoriasis, allerdings eine doppelt so hohe wie
bei nicht psoriatischen Gleichaltrigen, so dass zumindest hier erhöhte Wachsamkeit geboten ist [2].
Es ist alarmierend, dass bereits Kinder und Jugendliche mit Psoriasis eine erhöhte Rate an Komorbidität aufweisen [3]. Von der Grundlagen- bis zur
Versorgungsforschung sind hier in den nächsten
Jahren alle Beteiligten gefordert.
Übersichtsarbeit
Psoriasis und Typ-2-Diabetes –
Fakten, die der Dermatologe kennen
sollte
Dr. Andreas Pinter, Frankfurt
Zusammenfassung
• Im Vergleich zur Normalbevölkerung ist das Risiko, einen Typ-2-Diabetes zu entwickeln, bei Patienten mit Schuppenflechte annähernd doppelt so hoch – das Risiko korreliert ebenfalls mit dem
Schweregrad der Psoriasis [2].
• Kinder mit einer schweren Form der Psoriasis haben ebenfalls ein erhöhtes Risiko, einen Typ-2Diabetes zu entwickeln [3].
• Der Typ-2-Diabetes steht am Anfang einer Kaskade weiterer Erkrankungen wie der endothelialen
Dysfunktion, Arteriosklerose und einem erhöhten Risiko akuter Ischämien [4].
• Daten zu einer protektiven antidiabetogenen Wirkung einer systemischen Psoriasistherapie sind
uneinheitlich und rar [5].
• Hautärzten kommt eine überwachende und erinnernde Funktion bezüglich internistischen Be­
gleiterkrankungen der Schuppenflechte zu [6].
Einleitung
Die Komorbidität und frühe Diagnostik der Schuppenflechte und Psoriasis-Arthritis steht im Fokus vieler
Untersuchungen. Die Daten- und insbesondere Studienlage zu metabolischen Begleiterkrankungen ist
jedoch gering. Der akute Leidensdruck einer schmerzhaften, aktiven Arthritis ist für Patienten oft schwerwiegender als eine Hyperglykämie oder Hyperlipidämie, obwohl diese weit verbreitete „Volksleiden“ sind.
Die langfristige klinische Relevanz ist dabei nicht zu unterschätzen. Die unerkannte oder unbehandelte
Hyperglykämie ist insbesondere bei Psoriasispatienten der Beginn einer Kaskade weiterer internistischer
Erkrankungen mit Lebenszeit verkürzendem Potential [7]. Der Fokus auf den „mit Psoriasis assoziiertem
Typ-2-Diabetes“ soll die Sensibilität für Dermatologen für diese wichtige Komorbidität schärfen.
Pathophysiologische Verbindung des
Typ-2-Diabetes mit Psoriasis vulgaris
Ursache des Typ-2-Diabetes (T2D) ist ein redu­
zierter Effekt des Peptidhormons Insulin (periphere Insulinresistenz, PI). Anfänglich wird
die verringerte Wirkung mit einer verstärkten
Insulinsekretion kompensiert (prädiabetischer
Zustand). Reicht die erhöhte Insulinproduktion
des Pankreas nicht mehr aus, ist der Zustand eines klinisch manifesten T2D erreicht. Im Labor
zeigt sich dies durch eine Nüchtern-Plasmaglu-
kose von ≥ 126 mg/dl (≥ 7,0 mmol/l), der Anteil
des Glykohämoglobins HbA1c steigt auf ≥ 6,5 %
(≥ 48 mmol/mol). Die PI führt in Muskel- und
Leberzellen zu einer verringerten Aufnahme der
Blutglukose und Speicherung von Glykogen sowie in Adipozyten zur vermehrten Sezernierung
von freien Fettsäuren [8]. Klinisch bedeutet das:
Hyperglykämie und Hyperlipidämie. Zusammen
mit der abdominellen Adipositas und Hypertonie
bilden diese vier Erkrankungen das Metabolische Syndrom – auch bekannt als das „tödliche
8
Quartett“. Erste genauere Erklärungsmodelle, in
vivo und in vitro, zeigen, wie der Erkrankungsprozess der Schuppenflechte mit dem Typ-2-Diabetes ­verknüpft sein könnte. Proinflammatorische
­Zytokine wie Tumornekrosefaktor-α (TNF-α)
oder Interleukin-6 (IL-6), mit zentraler Rolle in
der Psoriasis-Entzündungskaskade, haben einen
negativen Einfluss auf die periphere Wirkung
des Insulins. Beide vermindern mitunter die Aktivität des membranständigen Insulinrezeptors.
TNF-α inhibiert die intrazelluläre Signalkaskade
des Insulinrezeptors über den Transkriptionsfaktor peroxisome proliferator-activated receptor-δ
(PPAR-δ) [9, 10].
Insulinresistenz kann auch durch eine frühe Abschwächung der intrazellulären Signalkaskade
durch proinflammatorische Zytokine verursacht
werden [11]. Die schwächere Wirkung des Insulins
wird durch die fehlende Aktivierung von Signalproteinen ausgelöst und resultiert in kompensatorisch
erhöhten Insulinwerten. Insulin scheint auch an
der Homöostase der Epidermis beteiligt zu sein,
indem es die Differenzierung von Keratinozyten
fördert, während IL-1-ß, ein Entzündungsmediator der Psoriasis, diesen Prozess abschwächt. Somit
wird die Differenzierung durch das gestörte Gleichgewicht von Insulin und IL-1-ß negativ beeinflusst.
Ob ein direkter Effekt des erhöhten Insulinspiegels
auf die Entzündungskaskade der Schuppenflechte
besteht, ist jedoch ungeklärt [12, 13].
Die klinischen Auswirkungen dieser pathologischen Prozesse zeigt das Konzept des „Psoriatischen
Marsches“: über die systemische Inflammation
und der daraus resultierenden peripheren Insulinresistenz wird eine endotheliale Dysfunk­tion
Prävalenz des Typ-2-Diabetes bei
Schuppenflechtepatienten
Der Schweregrad der Schuppenflechte korreliert
mit der Wahrscheinlichkeit, einen Diabetes zu
entwickeln [15, 16]. Feldman et al. zeigten, dass
Menschen mit Psoriasis vulgaris im Vergleich
zu Hautgesunden signifikant mehr internistische Erkrankungen aufweisen. Demnach leiden
Patienten mit Schuppenflechte am häufigsten
unter einer Hyperlipidämie (33,3 % vs. 27,3 %),
Hypertonie (32,8 % vs. 23,5 %) und Diabetes
(15,8 % vs. 9,7 %). Das Risiko von Psoriatikern,
einen Diabetes zu entwickeln, lag mit dem Faktor
1,7 (adjusted Odds Ratio [aOR]) am höchsten.
Entsprechend erhöht war ebenfalls die Einnahme
von Antidiabetika (11,3 % vs. 6,8 %, aOR = 1,7)
in der Gruppe der Psoriasispatienten [17]. Auch
Registerdaten und weitere Studien weisen ähnliche
Werte auf [18, 19].
Die Häufigkeit der Psoriasis vulgaris bei Kindern
und Jugendlichen wird aktuell auf etwa 0,5 bis
1 % geschätzt. Selbst junge Patienten (< 20 Jahren)
haben ein doppelt so hohes Risiko, einen Diabetes
zu entwickeln [3]. Wie sieht die Schuppenflechte
aus dem Blickwinkel eines Diabetologen aus? Patientendaten des nationalen Diabetesregisters wurden auf die zusätzliche „Komorbidität“ Schuppenflechte untersucht. Im Schnitt wurde die Diagnose
des Diabetes mit 54,5 Jahren etwa vier Jahre früher
gestellt als bei Patienten ohne Psoriasis. Typ-2-Diabetiker mit Psoriasis vulgaris präsentierten im Vergleich zu den Nicht-Psoriatikern einen signifikant
höheren BMI (31,8 kg/m² vs. 30,6 kg/m²), höhere
Werte des HbA1c (64,8 mmol/mol vs. 59,0 mmol/
mol) und mussten häufiger mit Insulin behandelt
werden (62,3 % vs. 50,9 %). Signifikant weniger
T2D-Patienten mit einer Schuppenflechte führten
zusätzlich zur medikamentösen Diabetesbehandlung auch eine diätetische Ernährungsumstellung
durch [20]. Zusammenfassend zeigt sich, dass der
Typ-2-Diabetes bei Patienten mit einer Schuppenflechte schwerer ausgeprägt und häufiger insulinpflichtig ist.
Das hautärztliche Management des T2D
bei Psoriatikern
Insbesondere Dermatologen kommt neben der
Therapie der Haut die wichtige Funktion zu, Hausarzt und Patient über das Risiko potentieller internistischer Komorbidität zu unterrichten. Die Kontrolle der metabolischen Erkrankungen ist nicht
aufwendig, Nüchternblutzucker und -blutfette,
Blutdruckkontrolle und Bestimmung des BMI sind
zur ersten Orientierung ausreichend. Sie müssen
nicht zwingend durch den Hautarzt durchgeführt,
aber regelmäßig veranlasst werden [6]. Eine der
Kernempfehlungen der deutschen S3-Leitlinie zur
Ernährung bei Typ-2-Diabetikern ist die Gewichtsreduktion. Die Abnahme des Körpergewichtes von
etwa 10 % zeigt nachweislich eine Verbesserung
der peripheren Insulinresistenz und eine Senkung
des Blutglukose- und Serumlipidspiegels [21].
Durch eine Gewichtsabnahme kann auch das
Ansprechen auf antipsoriatische Systemtherapien
verbessert werden, was unter anderem durch einen
verbesserten Dosiseffekt ausgelöst wird [22, 23].
Es ist nicht ausreichend untersucht, ob eine anti­
psoriatische, respektive antiinflammatorische
Systemtherapie auch die periphere Insulinresistenz bei Patienten mit Schuppenflechte positiv
beeinflusst. Eine vierwöchige, prospektive, place­
bokontrollierte Behandlung mit Etanercept bei
Psoriatikern mit einem gleichzeitigen Typ-2-Diabetes reduzierte zwar die entzündungsfördernden
Zytokine, verbesserte aber in dem kurzen Zeitraum
nicht die metabolische Wirkung des Insulins
[24]. Ein Fallbericht eines Patienten mit schwerer Psoriasis vulgaris und insulinpflichtigem T2D
zeigte unter Therapie mit Etanercept ein deutlich
verbessertes Ansprechen auf Insulin – bis hin zu
hypoglykämischen Zuständen [25]. Der Zusammenhang des Effekts mit der Etanercept-Therapie
ist jedoch unklar. Weitere Hinweise auf einen
positiven protektiven Effekt einer Systemtherapie
konnten durch zwei retrospektiv geführte Untersuchungen erbracht werden [26, 27]. Es gibt aktuell
keine Daten, welchen Effekt Anti-IL-17-Therapien
auf die periphere Insulinresistenz haben.
Ein positiver Effekt auf die Insulinresistenz ausschließlich durch hochspezifische antiinflam­
matorische Therapien erscheint unwahrschein­
lich. Die Einflüsse auf die Aktivität des
Insu­lin­rezeptors und seine Kaskade sind noch
weitestgehend unerforscht. Neben dem Aspekt
der Hautverbesserung wird zukünftig auch die
Protektion gegen eine Komorbidität wie den Typ2-Diabetes im Fokus für die Wahl des antipsoriatischen Medikamentes stehen. Für gesicherte
Aussagen ist es hingegen durch die dünne Datenlage noch zu früh. Weitere wissenschaftliche
Anstrengungen, die sich mit Langzeitverbesserung oder sogar Verhinderung internistischer Komorbidität bei Psoriasispatienten befassen, wären
daher wünschenswert und notwendig.
TYP-2–DIABETESRISIKO IM ZUSAMMENHANG MIT PSORIASIS
Je schwerer die PSORIASIS, desto höher ist das
DIABETESRISIKO.1
Risiko ca. verdreifacht
10
Typ–2–Diabetesrisiko in Prozent
hervorgerufen. Es entsteht ein proatherogenes Umfeld, das zu Arteriosklerose und unter Umständen
durch akute Gefäßstenosierung zu Myokardinfarkten oder zerebrovaskulärer Ischämie führen kann
[7]. Patienten mit einer unbehandelten schweren
Form der Schuppenflechte scheinen demnach ein
erhöhtes Mortalitätsrisko zu tragen [14].
8
PSORIASIS erhöht das
DIABETESRISIKO um 35%.
Risiko ca. verdoppelt
6
SCHWERE PSORIASIS VERDOPPELT
die Inzidenz.
4
Jedes ZUSÄTZLICHE LEBENSJAHR
lässt das Diabetesrisiko von
Psoriasispatienten um 3% steigen.2
2
0
3,7%
6,9%
9,7%
ohne Psoriasis
leichte Psoriasis
schwere Psoriasis
2. Lee MS et al. J Am Acad Dermatol 2014; 70: 691-98
1. Khalid U et al Diabetes Care 2013; 36: 2402–2407
9
Fallbericht
Diabetesbedingte Komplikationen
bei Psoriasis vulgaris et
arthro­pathica
Prof. Dr. Matthias Augustin und
Dr. Arnd Jacobi, Hamburg
Bisherige Therapie
Diverse Systemtherapien wurden aufgrund eines ungenügenden therapeutischen Ansprechens auf Haut
und Gelenke sowie unerwünschter Arzneimittelwirkungen beendet. Als Biologika kamen vorwiegend TNFα-Inhibitoren zum Einsatz. Eine Methotrexat-Therapie wurde bei erosiver Gastritis und erhöhten Leberfunktionsparametern beendet, ebenso eine Therapie mit Cyclosporin aufgrund eines Kreatinin-Anstieges
bei eingeschränkter Nierenfunktion. Aktuell zeigt sich unter einer immunmodulierenden Therapie mit
Etanercept in Kombination mit Leflunomid ein stabiler Hautbefund mit guter Kontrolle der Arthralgien.
Komorbidität und bisherige Therapie
• Adipositas Grad III, Dyslipidämie, Metabolisches Syndrom, Nikotinabusus
• Depression: Amitriptylin
• A rterielle Hypertonie: Candesartan (Therapie mit Nebivolol vor 6 Monaten wegen zunehmender Müdigkeit beendet, Ausschluss als möglicher Triggerfaktor der Psoriasis)
• Typ-2-Diabetes: Mischinsulin 30/70 mit 180 IE Humaninsulin 2x tgl. sowie angepasst an den Blutglukosespiegel (Therapie mit Metformin aufgrund von anhaltenden Diarrhoen nach 3 Monaten beendet)
Steckbrief Patient
• Angestellter im öffentlichen
Dienst, 46 Jahre, BMI: 40,5 kg/m²,
sitzende Tätigkeit
• Psoriasis vulgaris seit dem
15. Lebensjahr
• Psoriasis-Arthritis seit
5 Jahren, Arthralgien in den
Fingermittelgelenken (PIP) beider
Hände
• HbA1c-Wert: 7,9 %, Cholesterin,
Triglyzeride, Transaminasen und
Blut­druckwerte normwertig
Der Patient wurde über die Optimierung von Ernährung und sportlicher Betätigung intensiv aufgeklärt;
zudem erfolgen regelmäßige internistische Kontrollen. Eine eingeschränkte Nierenfunktion sowie die
Ausprägung einer sekundären Katarakt sind bekannt (2012: Katarakt-OP, rechte Linse). Ophthalmologische Kontrollen werden regelmäßig durchgeführt, da die Katarakt bei Patienten mit Diabetes einer der
Hauptgründe für Blindheit in Industrieländern ist. Eine diabetische Retinopathie wurde bislang nicht
nachgewiesen.
Pathogenese
Eine erhöhte Prävalenz des Diabetes bei Psoriasis wurde in epidemiologischen Studien gezeigt. Außerdem
ist für Typ-2-Diabetes auf genetischer Ebene ein Zusammenhang mit der Psoriasis beschrieben. Auf Chromosom 6p22 wurde ein Psoriasis-Suszeptibilitätslocus dargestellt [28], der mit dem Auftreten eines Typ-2Diabetes in Zusammenhang gebracht wird. Weiterhin wird bei der Insulinresistenz eine pathogenetische
Verbindung zur Psoriasis vermutet. So wurde gezeigt, dass der Schweregrad einer Psoriasis, gemessen
mittels Psoriasis Area and Severity Index (PASI), mit der Insulinsekretion und der Serumkonzentration
von Resistin korreliert [29]. Resistin wiederum ist ein Adipokin, das bei Vorliegen einer Insulinresistenz
erhöht ist. Auch das proinflammatorische Zytokin TNF-α zählt zu den insulinresistenzfördernden Proteinen. Komplikationen wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen können die Folge dieser Insulinresistenz beim
Metabolischen Syndrom sein.
10
Kommentar
Tipps vom Diabetologen
Dr. Christian Klepzig, Offenbach am Main
Der vorgestellte 46-jährige Patient ist aus diabetologischer Sicht ein kardiovaskulärer Höchstrisikopatient, da nicht nur der Typ-2-Diabetes, sondern
auch die Psoriasis-Arthritis zu einem erhöhten
kardiovaskulären Risiko führt.
Im Vordergrund stehen daher alle Maßnahmen
zur Reduktion dieses Risikos:
1. Optimale Blutdruckeinstellung mit
einem Zielbereich < 140/90 mmHg
Primäre Therapeutika sollten dabei ACE-Hemmer
wie Ramipril sein. Nur bei Reizhusten würde ich
einen AT1-Blocker geben. Sinnvoller primärer
Kombinationspartner wäre ein Calciumantagonist.
2. Statintherapie
Trotz des scheinbar guten LDL-Cholesterins sollte
bei Typ-2-Diabetikern mit einer solchen Risikokonstellation ein Statin mit einem Ziel-LDL von
deutlich unter 100 mg/dl (ideal unter 70 mg/dl)
gegeben werden.
3. Diabetestherapie und
Gewichtsreduktion
Es ist eine Binsenweisheit, dass eine Gewichtsreduktion alle Facetten des Metabolischen Syndroms
verbessern kann. Im vorliegenden Fall besteht eine
äußerst unglückliche Konstellation aus sitzender
Tätigkeit und einer Mischinsulinbehandlung, die
durchaus gewichtssteigernd wirkt. Hinzu kommt
der Einsatz von Amitriptylin, der auch nicht gewichtsneutral ist. Nachdem die Metformin-Monomedikation aufgrund einer Diarrhoe abgebrochen
werden musste, erfolgte direkt eine Einstellung auf
eine Mischinsulintherapie. Wenn man mit Insulin
arbeitet, wäre aus meiner Sicht der Ansatz einer
supplementären, prandialen Insulinsubstitution
sinnvoll gewesen. Grundsätzlich empfehle ich in
solchen Situationen erst einmal ein ausgiebiges
Gespräch mit dem Patienten, um dessen Wünsche und Vorstellungen auszuloten (Injektion: ja/
nein; Hypoglykämierisiko; Gewichtsauswirkungen; Wirksamkeitsnachweis hinsichtlich der Reduzierung des kardiovaskulären beziehungsweise des
mikrovaskulären Risikos).
Zudem empfehle ich dringend ein Ernährungsprotokoll, da bei einer überwiegend sitzenden Tätigkeit eine Kohlenhydratmast zu vermeiden ist.
Bei dem vorliegenden Fall würde ich einen schrittweisen Umbau der Therapie vornehmen: Zunächst
Zugabe von Empagliflozin zur Senkung der glykämischen Last. Darüber hinaus ist diese Substanz
bisher das einzige Antidiabetikum mit einer gesicherten Wirkung auf kardiovaskuläre Endpunkte
bei Patienten mit T2D und etabliertem kardiovasulärem Risiko. Je nach Verlauf besteht dann die
Möglichkeit, noch eine inkretinbasierte Therapie
hinzuzugeben und das Mischinsulin im Idealfall
ganz abzusetzen. Damit würde das Hypoglykämierisiko auch deutlich reduziert.
Eine Gewichtsreduktion, die sich damit höchstwahrscheinlich erreichen lässt, könnte eventuell
auch zur Besserung der depressiven Verstimmung
beitragen.
11
4. Depressionsbehandlung
In Abstimmung mit dem behandelnden Neurologen/Psychiater sollte Amitriptylin durch ein
modernes Antidepressivum mit weniger gewichtssteigernder Potenz ersetzt und zusätzlich eine Psychotherapie eingeleitet werden.
Fallbericht
Psoriasisbehandlung bei
diabetischem Fuß
Dr. Andreas Pinter, Frankfurt
Steckbrief Patient
• 76 Jahre, HbA1c: 8,9 %,
BMI: 30,9 kg/m2
• Psoriasis vulgaris sine Arthritis
seit ca. 35 Jahren bekannt,
PASI: 10,8, KOF: 12 %
Hautbefund
• s charf begrenztes und überwärmtes Erythem
am kompletten rechten Unterschenkel
• c a. 1,0 x 1,0 cm großes, tiefreichendes, schmerzloses Ulkus am zentralen rechten Fußballen
[Bild 1]
• e rythrosquamöse Plaques (Knie [Bild 2], Sakralbereich, Stamm und Capillitium)
• a ktinische Keratosen an sonnenexponierter
Haut, Exzision mehrerer kutaner Plattenepithelkarzinome
Komorbidität und bisherige Therapie
• a rterieller Hypertonus: Ramipril 5 mg/Hydrochlorothiazid 25 mg
• H yperlipidämie: Simvastatin 20 mg
• T yp-2-Diabetes (T2D): Metformin 1000 mg
2x tgl., Pioglitazon 45 mg 1x tgl.
• p eriphere Polyneuropathie, Ursache: schlecht
eingestellter T2D
• S chuppenflechte: Fumarsäureester (aufgrund
GI-Beschwerden abgesetzt), MTX (primärer
Wirkverlust), verschiedene Lokaltherapeutika,
intensive UV-Strahlung (Hauttumore größtenteils auf häufige Radiation zurückzuführen).
Der Patient wurde aufgrund eines rezidivierenden Erysipels und eines seit Monaten bestehenden, schmerzlosen Ulkus am zentralen Ballen
des rechten Fußes vorstellig. Eine empfohlene
Insulintherapie lehnt der Patient aufgrund der
für ihn zu häufigen Blutzuckerkontrolle und
Angst einer insulininduzierten Hypoglykämie
ab. Diätetische Maßnahmen zur Stoffwechselverbesserung hält der Patient nicht ein.
Pathogenese
Durch die diabetesassoziierte Polyneuropathie begünstigte, schmerzfreie plantare Ulzeration wird
Malum perforans genannt. Zusätzlich verursacht
der T2D eine Minderperfusion der Blutgefäße im
Sinne einer pAVK, die einer normalen Wundheilung entgegensteht. Die Kombination dieser Symp­
tome führt zum diabetischen Fuß. Die Ulzeration
kann häufig eine Eintrittspforte für bakterielle
Infektionen sein – wie auch bei diesem Patienten.
Falldiskussion
Eine Optimierung der Diabetestherapie ist für eine
verbesserte Wundheilung und Minderung der Infektanfälligkeit erforderlich. Daher stellt sich die
Frage einer geeigneten antipsoriatischen Therapie.
Immunsuppressive Medikamente sollten zurückhaltend eingesetzt werden: TNF-α-Inhibitoren,
Anti-IL-12/-23- und Anti-IL-17-Antikörper können
das Risiko bakterieller Infekte steigern (gehäufte
Infekte der oberen Atemwege, Hautinfektionen).
Retinoide haben keine immunsuppressive Wirkung, bestechen aber auch nicht durch ihre Effektivität und stehen im Verdacht, die Wundheilung
12
1
2
negativ zu beeinflussen. Der orale PDE-4-Inhibitor
zeigt in Studien ebenfalls ein leicht erhöhtes Risiko für Infekte der oberen Atemwege. Wie die
Anwendungssicherheit bei Patienten mit rezidivierenden bakteriellen Hautinfekten aussieht, ist im
klinischen Alltag bisher nicht beschrieben. Somit
wird für den Patienten zunächst eine intensivierte
keratinolytische und antiinflammatorische Lokaltherapie angedacht. Patienten mit Komplikationen
eines inadäquat eingestellten Diabetes stellen auch
mit den heute zur Verfügung stehenden Psoriasistherapien eine Herausforderung dar.
Kommentar
Tipps vom Diabetologen
Dr. Christian Klepzig, Offenbach am Main
Die Datenlage zum Vorliegen einer diabetischen
peripheren Polyneuropathie ist schlecht. Das Spektrum der Daten bei Typ-2-Diabetes reicht dabei von
13 bis 26 % Erkrankungshäufigkeit [30].
Der vorgestellte 76-jährige Patient hat daher nicht
zuletzt aufgrund der langjährigen Diabetesdauer
mit schlechter Blutzuckereinstellung ein stark erhöhtes Risiko, eine Amputation zu erleiden.
Zur Vermeidung einer Neuropathie stehen neben
einer guten Blutzuckereinstellung ein gesunder
Lebensstil mit ausreichend Bewegung, gesunder
Mischkost und nur sehr mäßigem Alkoholkonsum
im Vordergrund. Wichtig ist zu beachten, dass
nicht selten auch aufgrund des weit verbreiteten
Einsatzes von Protonenpumpenhemmern und
Metformin ein Vitamin-B12-Mangel als zusätzlicher Verstärkungsfaktor oder alleinige Ursache
einer Neuropathie bei Diabetes vorliegt.
Im Vordergrund der diabetologischen Überlegungen stehen daher sowohl Maßnahmen zur internistischen-diabetologischen Reduktion dieses Risikos als auch der Ulkusbehandlung mit dem Ziel
der raschen Wundheilung:
Besteht bereits eine Polyneuropathie, ist eine regelmäßige podologische Behandlung, die Pflege
der Haut mit harnstoffhaltigen Externa und bei
Vorliegen von Fußdeformitäten die frühzeitige Versorgung mit geeignetem Schuhwerk und Fußbettungen sinnvoll. Außerdem sollten ärztlicherseits
regelmäßige Kontrollen der Füße stattfinden.
Schätzungen gehen von Fußulzera bei 2 bis 6 % aller Menschen mit Diabetes aus [31]. Rechnet man
mit einer Zahl von 6 bis 8 Millionen Menschen mit
Diabetes würde dies bedeuten, dass 120.000 bis
480.000 Menschen mit Diabetes aktuell an einer
Fußläsion leiden. Nach Zahlen der AOK werden pro
Jahr ca. 29.000 Major- und Minoramputationen
bei Menschen mit Diabetes durchgeführt, sodass
ein Risiko von 6 bis 22 % pro Jahr für eine Amputation besteht.
1. Ausschluss einer Osteomyelitis/Osteitis
2. Suffiziente Druckentlastung des Ulcus mittels
Verbandschuh, Orthese oder gegebenenfalls
Total-Contact-Cast
3. Ausschluss einer gefäßchirurgisch oder interventionell behandelbaren pAVK
4. Konsequente Lokaltherapie mit chirurgischem
Debridement und regelmäßiger chirurgischer
Reinigung der Wunde sowie Beseitigung der
Hornhaut.
5. Versuch der Verbesserung der Blutzuckerein­
stellung, zum Beispiel mittels der Gabe eines
GLP-1-Rezeptor-Agonisten. Dies hätte den Vorteil der fehlenden Gewichtszunahme (gegebenenfalls sogar Gewichtsreduktion, was aber
nicht zwingend im Vordergrund steht) und der
Vermeidung von ständigen Blutzuckerselbstkontrollen, da das Hypoglykämierisiko nicht
erhöht wird.
13
Interview
„Ein regelmäßiges, strukturiertes
Screening des individuellen ­Ko­morbiditätsrisikos kann das Optimum
für die Patienten herausholen.“
PD Dr. Sascha Gerdes, Kiel
PD Dr. Sascha Gerdes arbeitet als Facharzt für Dermatologie und Venerologie
in der Hautklinik Kiel und ist als Leiter des Bereichs Klinische Studien im
Psoriasis-Zentrum tätig. Sein wissenschaftlicher Schwerpunkt liegt in der
Erforschung von Begleiterkrankungen
bei Psoriasis. Er war an der Entwicklung
einer Checkliste und Handlungsempfehlung zur Ermittlung des individuellen
Risikos für Komorbidität bei Psoriasis
[32] beteiligt.
Wie sind Ihre Erfahrungen im Umgang
mit dieser Checkliste im Klinikalltag?
Ich finde es sehr positiv, dass diese Checkliste nur
eine DIN A4-Seite lang ist. Die größte Herausforderung ist ja, bei der knappen Zeit im Klinik- und
Praxisalltag auch noch einem Komorbiditätsscreening gerecht zu werden. Unser Hauptziel
war deshalb, eine alltagstaugliche, aber trotzdem
strukturierte und qualitätsgesicherte Checkliste zu
entwerfen, die es uns leicht macht. Mir gefällt auch
sehr, dass die Checkliste optisch darauf aufmerksam macht, wenn Werte auffällig sind. Das erinnert daran, aktiv zu werden und den Hausarzt mit
ins Boot zu holen.
Inwieweit konnte dieses strukturierte
Vorgehen dazu beitragen, Komorbidität besser und vielleicht auch früher zu
­diagnostizieren?
Bei der Erstellung der Checkliste haben wir uns
von Experten der einzelnen Fachgesellschaften beraten lassen. Diese einfachen Parameter geben einen konkreten Hinweis auf das Vorliegen einer Komorbidität. Für fast jede Erkrankung reicht dabei
ein einziger Laborwert oder eine einzige Messung
aus. Somit hat der Arzt einfache, aber auch sichere
Diagnosekriterien für diese häufigsten Begleiterkrankungen an der Hand. Die Liste bietet so die
Möglichkeit, eine Komorbidität früher zu erkennen
und somit auch früher zu handeln.
14
Hat die Checkliste oder etwas Vergleichbares bereits Eingang in die strukturierte Versorgung auch außerhalb Ihrer Klinik gefunden?
Das bleibt leider noch etwas auf der Strecke. Ich
hoffe sehr, dass ein Teil der nächsten PsoriasisLeitlinie, die ja derzeit aktualisiert wird, auch auf
die Komorbidität fokussiert und die Checkliste vielleicht sogar Einzug findet. Dies wäre aus meiner
Sicht der wichtigste Schritt, um ein flächenübergreifendes, einheitliches Screening zu gewährleisten.
Welche Rolle sehen Sie hier ganz speziell
für den Dermatologen?
Der Dermatologe ist der Manager der Psoriasis, die
zentrale Figur, die alles koordinieren muss. Deswegen sollte er auch als erster die Screeningfunktion
übernehmen oder alternativ den Patienten anleiten, dafür einmal im Jahr zum Hausarzt zu gehen.
Wenn der Dermatologe die Checkliste also selbst
nicht benutzt, sollte er idealerweise auf ein regelmäßiges Screening durch den Hausarzt achten.
Ein solches Tool hilft dabei, einfach, strukturiert
und nach einem festgelegten Schema Verdachtsdiagnosen zu stellen. Damit hole ich das Optimum
für alle meine Patienten heraus.
Wie funktionieren derzeit die relevanten
Schnittstellen und wo sehen Sie Verbesserungsbedarf?
Bei uns in Kiel haben wir durch das Entzündungszentrum eine besondere Situation. Wir arbeiten
Checkliste und Handlungsempfehlung zur Ermittlung des
individuellen Risikos auf Komorbidität von
Patienten mit schwerer oder mittelschwerer Psoriasis
geboren:
Aktuelles Datum:
Anamnese
Lebensweise
Verwandte 1. Grades mit
schwerer KHK, pAVK
Nein
Ja
schwere bzw. mittelschwere
Psoriasis > 10 Jahre
Nein
Ja
Inaktivität (kein Sport,
kein Fahrrad, viel Auto)
Nein
Ja
Nein
Ja
Nein
Ja
Nein
Ja
Nein
Ja
Nein
Ja
Nein
Ja
Nein
Ja
Nein
Ja
Bei der Fortbildungsreihe „Psyriasis“
von Lilly geben Psychiater oder Psychotherapeuten Dermatologen praktische
Tipps für den Umgang mit psychischen
Auffälligkeiten. Was haben Sie daraus
für die Praxis mitgenommen?
Ich habe von dieser Fortbildungsreihe sehr profitiert, weil man sich wirklich in Ruhe mit dem
Thema Depressionen und Angststörungen befassen
konnte. Am meisten überzeugt war ich von den aktiven Übungen zur Kommunikation. In der Praxis
kann ich dadurch noch viel zielgerichteter auf die
Patienten eingehen. Das Arzt-Patienten-Gespräch
hat sich dadurch auf jeden Fall verbessert.
Blutdruck (RR) syst. >140 mmHg,
diast. > 90 mmHg
Blutfette
nüchtern TG > 100 mg/dl
LDL-Chol. > 70-100 mg/dl
HDL-Chol. < 45 mg/dl
Mikroalbumin- zwischen 20-200 mg/d
urie
Körpermasse
BMI: > 25 kg/m2
Taillenumfang:
F > 88 cm, M > 102 cm
Glukose-SW
HbA1c:
≥ 6,5% (≥ 48 mmol/mol)
oder Nüchtern-BZ:
≥126mg/dl (≥7mmol/l)
oder oGTT:
≥200mg/dl (≥11,2mmol/l)
metabolisches Syndrom
2-Fragen-Test Fühlten Sie sich im letzten
Monat häufig niedergeschlagen,
traurig, bedrückt oder hoffnungslos?
Hatten Sie im letzten Monat
deutlich weniger Lust und Freude
an Dingen, die Sie sonst gerne tun?
AUDIT-C
Ein Glas Alkohol
entspricht:
0,33 l Bier,
0,25 l Wein/Sekt
0,02 l Spirituosen
Wie oft trinken Sie Alkohol?
Wenn Sie an einem Tag Alkohol
trinken, wie viele alkoholische
Getränke trinken Sie dann
typischerweise?
Wie oft haben Sie an einem Tag
mehr als 6 alkoholische Getränke
getrunken?
psychische Ekrankung
Die Fragen in der Checkliste fokussieren sehr stark auf Risikoparameter des
Metabolischen Syndroms, während es
nur zwei Fragen zur psychischen Befindlichkeit gibt. Sehen Sie die Komorbidität
der psychischen Störungen damit ausreichend erfasst?
Wir haben sehr viel Wert darauf gelegt, dass dieses Thema überhaupt durch den Screeningbogen
abgebildet wird. Ziel war es, einen ersten Hinweis
auf das Vorliegen einer Depression zu bekommen.
Ein Vertreter der Fachgesellschaft hat uns diesen
Zwei-Fragen-Test empfohlen, der sehr präzise eine
Depression oder zumindest Handlungsbedarf erkennen lässt. Wir fragen darüber hinaus auch
Suchterkrankungen ab mit dem Schwerpunkt Alkoholkonsum. Angststörungen werden leider derzeit noch nicht abgebildet. Mittlerweile wissen wir,
dass diese gehäuft auftreten. Das könnte man für
die Zukunft vielleicht noch berücksichtigen.
kardiovaskuläre Erkrankung
Nikotinabusus
Summe aller Punkte
Männer: 4 oder mehr
Frauen: 3 oder mehr
0
1
2
3
4
nie
etwa 1mal
pro Monat
2-4mal
pro Monat
2-3mal
pro Woche
4mal oder öfter
pro Woche
0
1
2
3
4
1 oder 2
3 oder 4
5 oder 6
7 oder 8
9 oder mehr
0
1
2
3
4
nie
seltener als
1mal pro Monat
1mal
pro Monat
1 mal
pro Woche
täglich oder
fast täglich
nach: Wohlrab J, Fiedler G, Gerdes S et al. Handlungsempfehlungen zur Erfassung des individuellen Komorbiditätsrisikos bei Patienten mit Psoriasis vulgaris. J Dtsch Dermatol Gesell
15
Hausarzt/Internisten/Psychiater
Vorname
Überweisung zur Abklärung erwägen
Name
erhöhtes Komorbiditätsrisiko
Patientendaten:
2 x Ja
zum Beispiel mit Rheumatologen bei der Begleit­
erkrankung Arthritis oder auch mit Gastroenterologen sehr eng zusammen und treffen uns
einmal die Woche. Da man eine solche Situation
natürlich nicht überall voraussetzen kann, muss
zunächst die Kommunikation mit dem Hausarzt
verbessert werden. Den sehe ich als zweite zentrale Schlüsselfigur beim Patienten. Erkenne ich
zum Beispiel eine metabolische Begleiterkrankung, hole ich zunächst den Hausarzt an Bord. Die
wichtigste Schnittstelle ist aus meiner Sicht also
die Kommunikation zwischen Dermatologe und
Hausarzt.
Studienkommentar
Für Sie zusammengefasst:
Insulinresistenz, Endothelfunktion
und Psoriasis
Prof. Dr. Michael P. Schön, Göttingen
Prof. Dr. Michael P. Schön leitet die Klinik für Dermatologie, Venerologie und
Allergologie der Universitätsmedizin
Göttingen und ist Facharzt für Dermatologie und Venerologie, Allergologie,
Dermatohistologie sowie Fach-Immunologe und Dipl.-Gesundheitsökonom.
Zudem widmet er sich besonders der
fachübergreifenden Erforschung von
immunologischen und onkologischen
Fragestellungen, beispielsweise den Mechanismen der Entzündungsreaktion bei
der Psoriasis.
Psoriasis ist nicht nur auf die Haut beschränkt.
Vielmehr haben wir es mit einer systemischen
chronisch-entzündlichen Erkrankung zu tun. Daran besteht heute dank umfangreicher klinischer
und experimenteller Forschung kein Zweifel mehr.
Unmittelbar verständlich wird diese Aussage, wenn
man die klinische Assoziation der (schweren) Psoriasis mit verschiedenen Erkrankungen anderer
Organsysteme bedenkt (Komorbidität). Zu diesen
assoziierten Erkrankungen gehören Arteriosklerose mit ihren Folgeproblemen, das Metabolische
Syndrom mit Diabetes mellitus und Insulinresistenz sowie mentale Erkrankungen, insbesondere
Depressionen. Während das gemeinsame Auftreten der genannten Erkrankungen klinisch und
epidemiologisch recht eindeutig belegt werden
kann, verstehen wir die pathogenetischen Zusammenhänge oftmals noch nicht gut. Hier führt eine
kürzlich von Kollegen der Frankfurter und Genfer
Hautkliniken publizierte Arbeit weiter, in welcher
ein möglicher mechanistischer Zusammenhang
zwischen psoriatischer Entzündung, vaskulären
Veränderungen (der sogenannten endothelialen
Dysfunktion) und Insulinresistenz experimentell
untersucht und beschrieben wird [33].
Die Forscher gingen von der Überlegung aus,
dass Endothelzellen der Blutgefäße sowohl für die
psoriatische Entzündung als auch für Herz-Kreislauf-Erkrankungen wichtige Rollen spielen. Sie
überprüften die Hypothese, dass durch Zytokine
induzierte Insulinresistenz, wie sie bei Patienten
mit Diabetes mellitus auftritt, Endothelveränderungen verursacht, welche zu beiden Krankheiten
beitragen kann. Sollte dieser Nachweis gelingen, so
wäre dies eine experimentelle Bestätigung für ei16
nen pathogenetischen Zusammenhang. Tatsächlich wurden die Kollegen fündig.
Zunächst wurde festgestellt, dass die Endothelzellen der kleinen Blutgefäße in psoriatischer Haut
den Akt-Signalweg im Vergleich zu Blutgefäßen
gesunder Haut vermindert aktiviert haben (Akt ist
eine zentrale Kinase im Signalweg von Insulin, die
beispielsweise durch Wachstumsfaktoren aktiviert
wird und für Wachstum und Überleben der Zellen
wichtig ist). In den Laborversuchen der Arbeitsgruppe konnte Akt in Endothelzellen durch Insulin stimuliert werden. Es zeigte sich dann, dass durch eine
Kombination verschiedener Zytokine – hier wurden
unter anderem die für Psoriasis relevanten Zytokine Tumornekrosefaktor-α, Interleukin (IL)-17 und
IL-23 untersucht – eine Unterdrückung dieser Aktivierung erreicht werden konnte. Es wurde also eine
gewisse „Insulinresistenz“ erzeugt.
Insulin kann auch die Expression von Adhäsionsmolekülen, die für die Rekrutierung von Entzündungszellen in die Haut wichtig sind, vermindern.
Um nämlich an den Ort der Entzündung zu gelangen (in diesem Fall die psoriatische Haut), müssen
Zellen des Immunsystems (beispielsweise T-Lymphozyten und neutrophile Granulozyten) an das
Endothel der Blutgefäß-Innenseiten binden und
dann durch die Gefäßwand auswandern. Dieser
Prozess, den man Extravasation nennt, wird durch
interagierende Adhäsionsmoleküle auf Endothelund Entzündungszellen vermittelt (besonders
wichtig sind hierbei die endothelialen Moleküle
E- und P-Selektin, Intercellular Adhesion Molecule-1 [ICAM-1] und Vascular Adhesion Molecule-1
[VCAM-1]). Die Abschwächung der durch TNF-α
induzierten ICAM-1-Expression auf Endothelzellen
durch Insulin legt den Schluss nahe, dass dadurch
auch die Extravasation von Entzündungszellen
beeinflusst werden könnte, obwohl dies in der hier
vorgestellten Arbeit nicht direkt gezeigt werden
konnte. Tatsächlich sind die Ergebnisse, die in weiteren funktionellen Experimenten, beispielsweise
in einer den Blutfluss simulierenden Flusskammer,
erzielt wurden, etwas schwierig zu interpretieren.
So konnte eine eindeutige Korrelation der Änderung der Adhäsionsmolekül-Expression mit ver-
Endothelzelle der Blutgefäße in
gesunder Haut
änderten Interaktionen zwischen Leukozyten und
Endothelzellen nicht nachgewiesen werden. Auch
eine Übertragung auf die in vivo-Situation un­
serer Patienten ist noch nicht möglich. Allerdings
wurden in der Tat funktionelle Verbindungen zwischen auf den ersten Blick verschiedenen (patho-)
physiologischen Vorgängen nachgewiesen.
recht anschaulich, dass zwischen der Psoriasis und
ihren „Begleiterkrankungen“ tatsächlich pathogenetische Zusammenhänge und nicht nur eine
zufällige Vergesellschaftung bestehen können.
Wir verstehen jetzt besser, warum wir bei unseren
Psoriasis-Patienten nicht nur deren Haut, sondern
den gesamten Menschen unsere Aufmerksamkeit
widmen sollten.
Warum ist diese Arbeit wichtig? Obwohl die umrissenen Untersuchungen sicherlich fortgeführt und
ausgeweitet werden müssen, so belegen sie doch
Endothelzelle der Blutgefäße in psoriatischer Haut
TNF-α
Akt-Signalweg
Akt-Signalweg
(zentrale Kinase im Signalweg von Insulin)
(zentrale Kinase im Signalweg von Insulin)
E-Selektin
ICAM-1
(Adhäsionsmoleküle)
TNF-α
Normales Wachstum
und Überleben der Zelle
Akt-Signalweg
Insulin
Insulin
Akt-Signalweg
Erzeugung einer
Insulinresistenz
Legende:
IL-1β
TNF-α
IL-17
IL-23
IL-22
Aktivierung/erhöhte Expression
E-Selektin
ICAM-1
Veränderung der Extravasation
von Entzündungszellen möglich
Inhibition/ verminderte Expression
Grafik erstellt nach dem Studienkommentar von Prof. Dr. Michael P. Schön auf der Basis des Artikels von Schlüter K et al. Acta Derm Venereol 2016: 96: 162-168
17
Ihre Meinung ist gefragt
Wir hoffen, Ihnen hat die Lektüre der neuen Publikation „Blickwechsel – Psoriasis im Dialog“
gefallen.
Gibt es zum Beispiel aus Ihrem Praxisalltag spannende Fallbeispiele, die Sie mit Kollegen diskutieren möchten? Oder haben Sie Interesse daran, als
Experte selbst Tipps zu geben?
Jetzt sind Sie gefragt!
Wie hat Ihnen die Ausgabe gefallen? Welche Themen waren für Sie besonders interessant und hilfreich?
In jeder Ausgabe des „Blickwechsels“ liegt der
Schwerpunkt auf einer anderen Begleiterkrankung, die im Zusammenhang mit Psoriasis eine
große Rolle spielt. Im nächsten Heft fokussieren
wir auf das Thema „Haut & Seele“. Wir freuen uns
über Ihre Rückmeldung und Ihre Anregungen,
um die nächsten Ausgaben noch besser auf Ihre
Bedürfnisse und Erwartungen zuschneiden zu
können.
Referenzen:
[1] A ugustin M et al. Acta Derm Venereol 2010;
90: 147-151
Wir sind davon überzeugt, dass der Austausch mit
fachfremden Kollegen der effektivste Weg ist, den
eigenen Horizont zu erweitern. Treten Sie deshalb
mit uns in einen Dialog. Wir sind gespannt auf
Ihre Vorschläge und freuen uns, die nächsten Ausgaben des „Blickwechsel“ gemeinsam mit Ihnen
zu gestalten.
Schreiben Sie uns einfach per E-Mail unter:
[email protected]
[14] P rodanovich S et al. Arch Dermatol 2009;
145: 700-703
[26] Solomon DH et al. JAMA 2011; 305: 2525-2531
[27] Costa L et al. Clin Rheumatol 2014; 33: 833-839
[15] L angan SM et al. J Invest Dermatol 2012;
132: 556-562
[28] Wolf N et al. J Med Genet 2008; 45: 114-116
[3] Augustin M et al. Br J Dermatol 2010; 162: 633-636
[16] B oehncke S et al. Br J Dermatol 2007;
157: 1249-1251
[29] Takahashi H et al. Arch Dermatol Res 2013;
305: 113-116
[4] D avidovici B et al. J Invest Dermatol 2010;
130: 1785-1796
[17] F eldman SR et al. J Manag Care Spec Pharm 2015;
21: 874-888
[30] Ziegler D et al. Diabetologie 2014; 9: 100-110
[5] Dominguez H et al. J Vasc Res 2005; 42: 517-525
[18] K imball AB et al. Br J Dermatol 2014; 171: 137-147
[6] Mrowietz U et al. Exp Dermatol 2014; 23: 705-709
[19] N eimann AL et al. Acad Dermatol 2006;
55: 829-835
[2] K halid U et al. Diabetes Care 2013; 36: 2402-2407
[21] G oldstein DJ. Int J Obes Relat Metab Disord 1992;
16: 397-415
[31] Bundesärztekammer, Kassenärztliche Bundesvereinigung, Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften.
Nationale Versorgungs-Leitlinie Typ-2-Diabetes
Präventions- und Behandlungsstrategien für
Fußkomplikationen, April 2008; online publiziert
unter http://www.leitlinien.de/mdb/downloads/
nvl/diabetes-mellitus/archiv/fusskomplikationen/
dm2-fuss-lang-2.6.pdf
[10] Wakkee M et al. Atherosclerosis 2007; 190: 1-9
[22] Romero-Talamás H et al. Surg Obes Relat Dis
2014; 10: 1155-1159
[32] Wohlrab J et al. Arch Dermatol Res 2013;
305(2): 91-98
[11] T aniguchi CM et al. Nat Rev Mol Cell Biol 2006;
7: 85-96
[23] G isondi P et al. Am J Clin Nutr 2008;
88: 1242-1247
[33] Schlüter K et al. Acta Derm Venereol 2016:
96: 162-168
[12] Wertheimer E et al. J Invest Dermatol 2000;
115: 24-29
[24] D ominguez H et al. J Vasc Res 2005; 42: 517-525
[7] Boehncke WH et al. Exp Dermatol 2011;
20: 303-307
[8] Satin LS et al. Mol Aspects Med 2015; 42: 61-77
[9] Romanowska M et al. J Invest Dermatol 2008;
128: 110-124
[13] Buerger C et al. J Invest Dermatol 2012;
132: 2206-2214
[20] Schwandt A et al. J Diabetes Res 2015; 792968
[25] Cheung D et al. J Am Acad Dermatol 2009;
60: 1032-1036
18
Impressum
V.i.S.d.P.:
Katja Preugschat
Lilly Deutschland GmbH
Werner-Reimers-Straße 2-4
61352 Bad Homburg
Redaktion:
HERING SCHUPPENER Healthcare
Unternehmensberatung
für Gesundheitskommunikation GmbH
Büro Düsseldorf
Berliner Allee 44
40212 Düsseldorf
Produktmanagement/
Verantwortlich für Anzeigen:
Tobias Trinkl
Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA
Rotherstraße 21
10245 Berlin
Verlag:
Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA
Boschstraße 12
69469 Weinheim
Druck:
Frotscher Druck GmbH
Riedstraße 8
64295 Darmstadt
DEIXE00014 / ATLLY00051 März 2016
Herunterladen