Vortrag Hannover, 17.09.12 Viel zu privat?“ - Umgang mit Sexualität in der Altenpflege 2012-09-17 - Tagung in Hannover – Diplom-Berufspädagogin (Pflege) Dorothea Meudt-Nottbrock 1 Scham Warum ist es so schwer, darüber zu reden? 2012-09-17 - Tagung in Hannover – Diplom-Berufspädagogin (Pflege) Dorothea Meudt-Nottbrock 2 Einführung ins Thema 2012-09-17 - Tagung in Hannover – Diplom-Berufspädagogin (Pflege) Dorothea Meudt-Nottbrock 3 Der Wunsch nach Zärtlichkeiten, sexuelle Träume und Phantasien bestehen bis ins hohe Lebensalter. (Bucher et al. 2001). Trotz aller wissenschaftlicher Erkenntnisse wird besonders alten und kranken Menschen immer noch unterstellt, dass sie ohnehin kein Interesse mehr an Sexualität hätten. 2012-09-17 - Tagung in Hannover – Diplom-Berufspädagogin (Pflege) Dorothea Meudt-Nottbrock 4 Eine neue Liebe macht wieder jung. Verliebt sein heißt Träume zu wecken und aufleben lassen, mit einem Stück Lebensoptimismus in die Zukunft sehen. Sexuelle Lust zu erleben ist ein prickelndes Gefühl, ein Spiel aus Geben und Nehmen, ein Verhandeln um Grenzen. 2012-09-17 -Tagung in Hannover – Diplom-Berufspädagogin (Pflege) Dorothea Meudt-Nottbrock 5 Bürgerliches Gesetzbuch: Geschlechtlicher Verkehr in Zuneigung (nicht in Gleichgültigkeit oder Widerwillen) war die eheliche Pflicht und in der Ehe gesetzlich verankert. (§1353). 2012-09-17 - Tagung in Hannover – Diplom-Berufspädagogin (Pflege) Dorothea Meudt-Nottbrock 6 Um 1968 Kampf um sexuelle Freiheit. Sexualität hat zu funktionieren! Ausdruck für Vitalität und Leistung? 2012-09-17 - Tagung in Hannover – Diplom-Berufspädagogin (Pflege) Dorothea Meudt-Nottbrock 7 Weil Menschen heute eine wesentlich höhere Lebenserwartung haben, werden auch die Partnerschaften alt. Vorstellungen zum Umgang mit Sexualität: • für die einen „spielt Sexualität keine Rolle mehr“ • ein wichtiger Aspekt in der Partnerschaft • Wunsch nach Zärtlichkeit und Geborgenheit bleibt erhalten. 2012-09-17 - Tagung in Hannover – Diplom-Berufspädagogin (Pflege) Dorothea Meudt-Nottbrock 8 SEXUALITÄT: Der Begriff Sexualität (lat. Sexus = Geschlecht, Geschlechtlichkeit) umfasst eine Vielzahl von Dimensionen, die mit der Geschlechtlichkeit von Menschen in Verbindung stehen: körperliche Vorgänge, Umarmung, Küssen bis hin zum Geschlechtsverkehr, Liebe, Erotik, Emotionen und Gefühle, Beziehung und Vertrauen, Verständnis und sich verstanden fühlen – 2012-09-17 - Tagung in Hannover – Diplom-Berufspädagogin (Pflege) Dorothea Meudt-Nottbrock 9 Biologische Faktoren Psychologische Faktoren Sexualität Soziale Faktoren (Gesellschaft) Kontextuelle (Umwelt) Faktoren Aus: Intimität, Sexualität, Tabusierung im Alter – Seite 184. 2012-09-17 -Tagung in Hannover – Diplom-Berufspädagogin (Pflege) Dorothea Meudt-Nottbrock 10 Sexualität als Teil des Lebens Größte Kreis: Äußeren Bereich der Sexualität Mittlere Kreis: Zärtlichkeit, Erotik, Sinnlichkeit Innerste Kreis: genitaler Bereich der Sexualität Medizinethiker Paul Sporken 3-Kreis-Modell 2012-09-17 - Tagung in Hannover – Diplom-Berufspädagogin (Pflege) Dorothea Meudt-Nottbrock 11 INTIMITÄT und SCHAM: Intimität – intim leitet sich vom Wort interior als Superlativ ab: (lat. intimus „zu innerst“) also die intimsten, innersten bzw. persönlichsten Gedanken und Gefühle. 2012-09-17 - Tagung in Hannover – Diplom-Berufspädagogin (Pflege) Dorothea Meudt-Nottbrock 12 SCHAM Ursprung: -skam- indogermanische Silbe = sich verbergen, zudecken. (Neckel, 1991) Wir schämen uns, wenn unser aktuelles Selbst von unserem idealen Selbstbild abweicht und das Über-Ich diese Diskrepanz signalisiert. (vgl. Gröning, 2001) 2012-09-17 - Tagung in Hannover – Diplom-Berufspädagogin (Pflege) Dorothea Meudt-Nottbrock 13 1. Sexualität und Intimität in der Altenpflege aus Sicht des Pflegebedürftigen • Umzug in eine Pflegeeinrichtung • Intimsphäre wird nicht gewahrt. • Keine Entscheidungsmöglichkeit, welche Person mich pflegt. • Zeit ist Geld- und beides ist knapp! 2012-09-17 - Tagung in Hannover – Diplom-Berufspädagogin (Pflege) Dorothea Meudt-Nottbrock 14 Nach wie vor herrscht Sprachlosigkeit! Resultat: Auftretende Missverständnisse: in unpassenden Momenten „erwischt“ werden. Körperliche Berührungen bei der Pflege wecken Wünsche nach Zärtlichkeit. 2012-09-17 - Tagung in Hannover – Diplom-Berufspädagogin (Pflege) Dorothea Meudt-Nottbrock 15 • Eine Handlung kann uminterpretiert werden und „kippen“. • Bei Demenzerkrankungen kann es zu herausfordernden Verhaltensweisen kommen. • Sexuelles Verhalten gilt dann als störend oder abnorm. 2012-09-17 - Tagung in Hannover – Diplom-Berufspädagogin (Pflege) Dorothea Meudt-Nottbrock 16 2. Sexualität und Intimität in der Altenpflege aus Sicht der Pflegenden • Pflegende haben den beruflichen Auftrag, ständig intime Körpergrenzen zu überschreiten. • Werden Grenzen bei der Pflege unwissentlich verletzt, führt das leicht zu Missverständnissen. • Anspruch und „Kundenverständnis“ Kosten- und Personaldruck. 2012-09-17 - Tagung in Hannover – Diplom-Berufspädagogin (Pflege) Dorothea Meudt-Nottbrock 17 • Aufbau und Pflege einer vertrauten Beziehung - Schutz der eigenen Grenzen. • Folge: sexuelle Gefühle tabuisiert oder mit Spott betrachtet • Bewohner erscheinen vielfach als „geschlechtslose Wesen“. • Definition eigener Grenzen fällt schwer. 2012-09-17 - Tagung in Hannover – Diplom-Berufspädagogin (Pflege) Dorothea Meudt-Nottbrock 18 • Gefühlsmischung: Erotische Gefühle ,Scham, Wut, Ekel oder Angst, die Situation nicht mehr beherrschen zu können - erschwert professionelles Handeln. • Gefahr von Fehldeutungen 2012-09-17 - Tagung in Hannover – Diplom-Berufspädagogin (Pflege) Dorothea Meudt-Nottbrock 19 3. Schluß / Fazit „Umgang mit Sexualität in der Pflege“, bleibt „schwierig“! Das liegt: • am Thema selbst, das unter Menschen allgemein als großes privates Geheimnis gilt und nicht thematisiert wird, auch nicht, wenn Probleme auftreten. 2012-09-17 - Tagung in Hannover – Diplom-Berufspädagogin (Pflege) Dorothea Meudt-Nottbrock 20 • an der Scham, darüber mit anderen Menschen zu kommunizieren. • an der Tabuisierung des Themas – weil es sich nicht gehört, darüber zu reden. • weil Verletzungen auf diesem Gebiet so zerstörerische Folgen haben und der persönliche Bereich deshalb so gut geschützt und kontrolliert werden muss. 2012-09-17 - Tagung in Hannover – Diplom-Berufspädagogin (Pflege) Dorothea Meudt-Nottbrock 21 • weil es nie nur ein Thema des Pflegebedürftigen ist, sondern ich als Pflegekraft mit meiner eigenen Sozialisation und Gefühlswelt immer involviert bin. 2012-09-17 - Tagung in Hannover – Diplom-Berufspädagogin (Pflege) Dorothea Meudt-Nottbrock 22 Professionelle Pflege heißt unter anderem: Pflegende sind in der Lage, Bedürfnisse nach Sexualität (Berührung, Nähe, Körperkontakt, Zuneigung,…) bei Pflegebedürftigen zu erkennen, zu thematisieren und entsprechende Pflegeziele mit dem alten Menschen auszuhandeln, ohne eigene Grenzen zu überschreiten. Dazu gehört natürlich, die eigenen Grenzen erst einmal zu erkennen. Pflegende können Beziehungen zu anderen Menschen unter dem ausgewogenen Verhältnis von Nähe und Distanz aufbauen und erhalten. Die Pflegenden fühlen sich der Integrität des alten Menschen verpflichtet und sind sich des Überschreitens persönlicher Grenzen in der Pflege bewusst. Pflegende sind in der Lage, behindernde Faktoren, die dem Ausleben sexueller Bedürfnisse des Bewohners entgegenstehen, zu erkennen, zu analysieren und mögliche Veränderungen anzuregen. Die Pflegenden sind sich der eigenen Grenzen bewusst und sorgen für die Erhaltung der persönlichen Integrität. Pflegende setzen sich mit belastenden Situationen des beruflichen Alltags auseinander und sind in der Lage, das eigene Handeln zu reflektieren und im Team zu thematisieren. 2012-09-17 - Tagung in Hannover – Diplom-Berufspädagogin (Pflege) Dorothea Meudt-Nottbrock 23 4. Ausblick - Anregungen • Sexualität erleben zu können ist eine Freude und ist ein Zeichen von Lebensqualität. • Fördern Sie die Privatheit der Bewohner. • Unterstützen Sie den Klienten, wenn er/sie Hilfe braucht, um sexuelle Gefühle auszuleben: 2012-09-17 - Tagung in Hannover – Diplom-Berufspädagogin (Pflege) Dorothea Meudt-Nottbrock 24 Hilfen könnten sein: - Zeitschriften oder Filme zu besorgen. - Kontrollfreie Zeiten absprechen. - Besuche und Kontakte zu ermöglichen und fördern. - Vor Eintritt in das Bewohnerzimmer „anklopfen und abwarten“. - professionelle Sexualbegleiterinnen? 2012-09-17 - Tagung in Hannover – Diplom-Berufspädagogin (Pflege) Dorothea Meudt-Nottbrock 25 Pflegealltag: - Körperberührungen im Rahmen der Pflege als solche verdeutlichen, um Irritationen zu vermeiden. - Tragen von Handschuhen. - Jede Pflegehandlung deutlich ankündigen, erklären und kommentieren. - professionelle Sprache 2012-09-17 - Tagung in Hannover – Diplom-Berufspädagogin (Pflege) Dorothea Meudt-Nottbrock 26 - Vermeintliche Sexuelle Äußerungen von Klienten sollten nicht missgedeutet werden! - Besonders bei der Pflege von demenziell erkrankten Patienten darf es nicht zum sexuellen Missbrauch kommen. - Mitarbeiterpflege – wer geht zu welchen Bewohnern? 2012-09-17 - Tagung in Hannover – Diplom-Berufspädagogin (Pflege) Dorothea Meudt-Nottbrock 27 - Selbstverletzungen bei sexuellen Handlungen von Pflegebedürftigen müssen vermieden werden. - Pflegende sollten nicht alleine Gesprächspartner für sexuelle Belange und Wünsche sein. - Zeit bei Gesprächsbedarf - Sexualität zu leben soll und kann erfüllend sein, soll aber freiwillig bleiben! - Beruf und Privatleben strikt trennen! 2012-09-17 - Tagung in Hannover – Diplom-Berufspädagogin (Pflege) Dorothea Meudt-Nottbrock 28 - mit den Angehörigen im Gespräch bleiben. - Fortbildungen - um den Umgang und die eigene Einstellung zum Thema Sexualität zu reflektieren. - Klärung eigener Gefühle, Einstellungen und Grenzen. 2012-09-17 - Tagung in Hannover – Diplom-Berufspädagogin (Pflege) Dorothea Meudt-Nottbrock 29 Danke für Ihre Aufmerksamkeit. 2012-09-17 - Tagung in Hannover – Diplom-Berufspädagogin (Pflege) Dorothea Meudt-Nottbrock 30