DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 35 vom 2. September 1983 Zur Fortbildung Aktuelle Medizin Importierte und autochthone Darmparasitosen Stuhluntersuchungen bei Asylbewerbern und Einheimischen — Epidemiologie, Pathologie und Therapie*) Peter Kimmig und Andreas Merö Aus dem Medizinischen Landesuntersuchungsamt Stuttgart (Leiter: Professor Dr. Walter Steuer) Einleitung Seit einigen Jahren findet man in Deutschland neben der autochthonen Parasitenfauna noch andere Parasiten, die durch Asylbewerber und Tropenreisende importiert werden. Dies wird durch die Ergebnisse von Stuhluntersuchungen dokumentiert, die an 5856 Asylbewerbern und 1043 deutschen Staatsangehörigen durchgeführt wurden. Die am häufigsten importierten Darmparasiten — Spulwürmer und Peitschenwürmer — können auch in Mitteleuropa weiterverbreitet werden, sie sind in der Regel aber harmlos. Andere Parasiten, wie etwa die Erreger der Bilharziose, sind auf warme Regionen beschränkt, sie können jedoch zu gefährlichen Erkrankungen und Komplikationen führen. Diese unterschiedlichen Verhältnisse machen bei den einzelnen Parasitosen Detailkenntnisse über Epidemiologie, Erkrankungsformen und Therapie erforderlich. Reisenden wird nach ihrer Rückkehr aus den Tropen empfohlen, eine parasitolog ische Stuhluntersuchung durchführen zu lassen. Massentourismus und Asylantenzustrom haben dazu geführt, daß vermehrt Infektionskrankheiten aus warmen Ländern importiert werden; dazu gehören auch Darmparasitosen im weitesten Sinne. Bei einem Teil dieser Parasiten handelt es sich um rein tropische Arten, die in gemäßigten Breiten keine epidemiologische Bedeutung haben; zum anderen sind es jedoch ubiquitär vorkommende Arten, die auch in Mitteleuropa heimisch sind und hier bei mangelhafter Hygiene weiterverbreitet werden können. Der folgende Beitrag, der auf insgesamt 6899 parasitologischen Stuhluntersuchungen an Asylbewerbern und deutschen Staatsangehörigen basiert, die im Medizinischen Landesuntersuchungsamt Stuttgart im Verlauf von zwei Jahren durchgeführt wurden, soll einen Überblick über Art und Stärke dieses Parasitenimports im Vergleich zur autochthonen Parasitenfauna geben. Die importierten Parasiten bringen neue medizinische Probleme mit sich. Dazu gehören potentielle Infektionsgefährdungen für die einheimische Bevölkerung sowie die Erkennung und Behandlung hierzulande wenig bekannter Erkrankungen. Durch die Darstellung •von Epidemiologie, Pathogenese und Therapie, insbesondere der tropischen Darrnparasitosen, wird diesem Umstand Rechnung getragen. 1. Eigene Untersuchungen 1.1. Material und Methode Die eingesandten Stuhlproben wurden nach dem MIFC-Verfahren (Merthiolate lodine Formalin Concentration) untersucht (vergleiche Piekarski (5)*"). Eine Unterscheidung der Hakenwurmarten Ancylostoma duodenale und Necator americanus sowie der Leberegelarten Cionorchis sinensis und Opisthorchis felineus ist allein anhand der Eier nicht bzw. nur schwer möglich. Da sich diese Arten jedoch — für medizinische Belange — im wesentlichen entsprechen, werden sie im folgenden nur als je eine Art (A. duodenale bzw. C. sinensis) aufgeführt. $) Die Angaben zur Therapie erfolgten unter Mitarbeit von Professor Dr. Jürgen H. Hengstmann, Medizinische Universitätsklinik Bonn. *") Die in Klammern stehenden Ziffern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis des Sonderdrucks. Ausgabe A DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 80. Jahrgang Heft 35 vom 2. September 1983 21 Zur Fortbildung Aktuelle Medizin Importierte und autochthone Darmparasitosen 1.2. Ergebnisse Die Ergebnisse der Stuhluntersuchungen sind in Tabelle 1 zusammengefaßt. Dabei wurden die in Spalte 1 aufgeführten Parasitenspezies in spezifisch tropische und ubiquitär vorkommende Parasiten unterteilt. Die tropischen Parasiten können sich aufgrund von Temperaturabhängigkeit und besonderen Infektionszyklen nur in warmen Regionen verbreiten. Es handelt sich um die Trematoden Clonorchis sinensis und Schistosoma mansoni sowie die Nematoden Ancylostoma duodenale und Strongyloides stercoralis. Die ubiquitär vorkommenden Parasiten können in gemäßigten Breiten ebenso wie in warmen Ländern auftreten, in letzteren sind sie jedoch wegen der schlechten hygienischen Bedingungen ungleich häufiger. Hierzu gehören die Ruhramöbe Entamoeba histolytica, der Flagellat Lamblia intestinalis, die Cestoden Taenia species und Hymenolepis nana, die Nematoden Ascaris lumbricoides, Trichuris trichiura und Enterobius vermicularis sowie die apathogenen Amöben Entamoeba coli und Jodamoeba bütschlii. Bei den untersuchten Personen handelt es sich um Asylbewerber und deutsche Staatsangehörige. Mangels näherer Angaben war bei den Asylbewerbern lediglich eine grobe regionale Zuordnung in Vietnamesen, Europäer und NichtEuropäer möglich. Bei den deutschen Staatsangehörigen handelt es sich überwiegend um Einheimische; zu einem kleineren Teil sind auch Tropenrückkehrer miterfaßt. Da die Asylanten ausnahmslos alle untersucht wurden, handelt es sich bei den Prozentangaben um eine reale durchschnittliche Häufigkeit des Parasitenbefalls. Bei den Deutschen trifft dies jedoch nicht zu, da die meisten Einsendungen wegen Parasitenverdachts, oft wegen einer Eosinophilie, erfolgten. Bei den Vietnamesen (939 Proben) ist der Gesamtparasitenbefall extrem hoch, nahezu jeder zweite ist hier infiziert. Dabei nehmen Wurminfektionen, die über fäkalkontaminierte Böden bzw. durch Fäkaliendüngung zustande kommen, die erste Stelle ein. Der Infektionsweg verläuft oral durch Eier (Ascaris lumbricoides, Trichuris trichiura) oder perkutan durch eindringende Larven (Ancylostoma duodenale). Trotz gleichem lnfek- Asylbewerber Deutsche Vietnamesen Nichteuropäer Europäer Gesamtzahl der Proben: 939 (100,0%) 3201 (100,0%) 1716 (100,0%) positive Ergebnisse: 410 (43,7%) 793 (24,8%) 59 (3,4%) 41 (3,9%) negative Ergebnisse: 529 (56,3%) 2408 (75,2%) 1657 (96,6%) 1002 (96,1%) 1043 (100,0%) Total 6899 (100,0%) 1303 (18,9%) 5596 (81,1%) Differenzierung der positiven Ergebnisse Clonorchis sinensis 4 0 0 0 4 (0,06%) Schistosoma mansoni 1 16 (0,5%) 0 0 17 (0,2%) Ancylostoma duodenale 95 169 (5,3%) 0 0 264 (3,8%) Strongyloides stercoralis 1 2 (0,06%) 0 0 3 (0,04%) 10 (0,3%) 0 1 (0,1%) 12 (0,2%) 111 (3,5%) 18 (1,0%) 12 (1,2%) 149 (2,2%) 0 31 (1,0%) 3 (0,2%) 12 (1,2%) 46 (0,7%) 0 42 (1,3%) 2 (0,1%) 0 44 (0,6%) Ascaris lumbricoides 238 217 (6,8%) 5 (0,3%) 4 (0,4%) 464 (6,7%) Trichuris trichiura 115 183 (5,7%) 23 (1,3%) 7 (0,7%) 328 (4,8%) 1 5 4 (0,2%) 9 (0,9%) 19 (0,3%) (3,0%) 15 (1,4%) 299 (4,3%) 2 (0,2%) 34 (0,5%) Entamoeba histolytica 1 (0,1% Lamblia intestinalis 8 (0,9%) Taenia species Hymenolepis nana Enterobius vermicularis ) (0,15%) apathogene Darmparasiten: Entamoeba coli Jodamoeba bütschlii 29 (3,1%) 204 (6,4%) 51 (0,1%) 31 (1,0%) 0 Tabelle 1: Parasitologische Stuhluntersuchungen vom 5. 2. 80-31. 1. 82 im Medizinischen Landesuntersuchungsamt Stuttgart 22 Heft 35 vom 2. September 1983 80. Jahrgang DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Ausgabe A Zur Fortbildung Aktuelle Medizin Importierte und autochthone Darmparasitosen tionsmodus tritt der Zwergfadenwurm (Strongyloides stercoralis) nur selten auf. Ein Spezifikum bei Vietnamesen ist das Vorkommen des chinesischen Leberegels (Clonorchis sinensis), was auf das ausschließlich regionale Auftreten des Parasiten und auf besondere Eßgewohnheiten (Verzehr von rohem Fisch) zurückzuführen ist. Der Verzehr von rohem Rind- oder Schweinefleisch ist dagegen offenbar nicht landesüblich; dies geht aus dem Fehlen von Bandwürmern der Gattung Taenia hervor. Auffallend selten findet sich der in warmen Ländern sonst weitverbreitete Pärchenegel (Schistosoma) und der Zwergbandwurm in sowie der (Hymenolepis) Deutschland häufige Madenwurm (Enterobius). Besonders hervorzuheben ist die Seltenheit von Infektionen durch Darmprotozoen, und zwar von pathogenen Arten (Entamoeba histolytica, Lamblia intestinalis) sowie apathogenen Arten (Entamoeba coli, Jodamoeba bütschlii). Bei den nicht-europäischen Asylbewerbern (3201 Proben) ist der Parasitenbefall geringer (25 Prozent) als bei den Vietnamesen; zu berücksichtigen ist dabei allerdings, daß hier Bewohner sehr unterschiedlicher, darunter für Parasiten ungünstiger Regionen zusammengefaßt sind. In der prozentualen Zusammensetzung sind, wie bei den Vietnamesen, Spulwürmer, Peitschenwürmer und Hakenwürmer mit Abstand am häufigsten vertreten; der Zwergfadenwurm kommt ebenfalls nur selten vor. Im Vergleich zu den vietnamesischen Asylanten sind die „Nicht-Europäer" häufig von Bandwürmern der Gattung Taenia und Hymenolepis befallen. Vor allem aber treten bei ihnen Protozoeninfektionen (pathogene und apathogene Arten) zu einem größeren Prozentsatz auf; ein Ergebnis, das der durchschnittlichen Häufigkeit dieser Infektionen in warmen Ländern näherkommen dürfte. Abbildung 1: Clonorchis sinensis: adulter Leberegel (aL) im Gallengang; adenomatöse Hyperplasie des Gallengangs (Gg) mit peripherer Fibrosierung (F) — E = Eier, LZ = Leberzellen (125 x) Abbildung 2: Schistosoma mansoni: Eigranulom in der Leber; im Zentrum Eireste (E), umgeben von Epitheloidzellen (EZ) und Lymphozyten (Ly); peripher beginnende Fibrosierung (F) — LZ = Leberzellen (250 x) Bei europäischen Asylanten (1716 Proben) und bei Deutschen (1043 Proben) stimmt die Parasiten-Befallshäufigkeit mit rund vier Prozent trotz der Heterogenität der untersuchten Gruppen überein. Im Parasitenspektrum fehlen naturgemäß die spezifisch tropischen Parasiten. Unter den ubiquitär verbreiteten finden sich vor allem diejenigen, bei denen der Infektionsweg fäkal-oral verläuft (Ascaris lumbricoides, Trichuris trichiura, Lamblia intestinalis, Entamoeba coli). Jedoch auch der direkte Kontakt (Enterobius vermicularis) und besondere Eßgewohnheiten (rohes Fleisch; Taenia species) sind, vom Parasiten aus gesehen, „erfolgreiche" Infektionswege. Parasiten Mehrfachbefall mit kommt bei Vietnamesen und Nicht-Europäern relativ oft vor (6,8 Ausgabe A DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 80. Jahrgang Heft 35 vom 2. September 1983 23 Zur Fortbildung Aktuelle Medizin Importierte und autochthone Darmparasitasen bzw. 3,1 Prozent) . Aufgrund des gleichen Infektionsweges ist die Kombination Ascaris-Trichuris naturgemäß am häufigsten ; darüber hinaus sind auch Hakenwürmer bei Mehrfachbefall oft vertreten . Mehrfachparasitierung bei Europäern und Deutschen wurde dagegen nicht beobachtet. Ein Vergleich mit anderen entsprechenden Untersuchungen ist wegen der hier vorgenommenen Gruppierung nur bei Vietnamesen sinnvoll : Loeffelholz von Colberg (4) stellte bei Vietnamesen mit rund 39 Prozent eine übereinstimmende prozentuale Häufigkeit von Darmparasiten fest. Zu einem nahezu gleichen Ergebnis (38 Prozent) kommen Wuthe und DiengHellfeldt (9) sowie Steuer und Eschment (7) mit 39 Prozent . Der Parasitenbefall weist damit in den neueren Untersuchungen wesentlich geringere Werte als in früheren Arbeiten auf, in denen sich An- gaben von 70 bis 95 Prozent finden {Übersicht bei Wuthe und Dieng-Hellfeldt (9)) . Hinsichtlich des Parasitenspektrums besteht dagegen Übereinstimmung : Spulwürmer, Peitschenwürmer und Hakenwürmer sind durchweg am häufigsten vertreten. Auch die Diskrepanz von niedrigem Protozoenund hohem Wurmbefall wird von anderen Untersuchern beobachtet. 2. Epidemiologie, Pathogenese und Therapie nachgewiesener Darmparasitasen 2.1. Spezifische Parasiten warmer Länder ..,.. Clonorchis sinensis (Chinesischer Leberegel) Die Infektion erfolgt durch den Genuß roher Süßwasserfische , welche die infektiösen Parasitensta- dien enthalten. Diese werden im Darm des Menschen frei und wandern von hier aus in die unteren Gallengänge ein , wo sie nach Erreichen der Geschlechtsreife ihre Eier abgeben , die dann mit dem Stuhl ins Freie gelangen. Die Verbreitung der Infektion ist nur in bestimmten Regionen {China, Südostasien ; Opisthorchis felineus auch in gemäßigten Zonen Europas und Rußlands) möglich , da sie an bestimmte Wasserschneckenarten (erster Zwischenwirt) und Süßwasserfische (zweiter Zwischenwirt) gebunden ist ; sie ist in Mitteleuropa epidemiologisch ohne Bedeutung. Bei starkem Befall kann sich bei der Clonorchiasis ein schweres Krankheitsbild entwickeln . Die in den Gallengängen sitzenden Würmer verursachen hier eine chronische Entzündung mit enormen Gallengangshyperplasien (Abbildung 1}, die über bakteriell bedingte Exazerbationen schließlich zur biliären Zirrhose führen kann . Als Spätkomplikation kann sich ein Gallengangskarzinom entwikkeln. e Therapie : Die vormals mit gefährlichen Nebenwirkungen behaftete Therapie ist heute , nach Einführung des Praziquantels (z. B. Biltricide®, Cesol®), unproblematisch geworden . Bei Clonorchis sinensis wird es in einer Dosis . von 3 x 25 mg/kg an einem Tag oder 20 mg/kg/die für die Dauer von drei Tagen angewandt. Die eure rate beträgt etwa 90 Prozent. ..,.. Schistosoma mansoni (Pärchenegel) Abbildung 3 : Ancylostoma species : mit Zähnen bewehrte Mundöffnung eines Adultwurms (rasterelektronenmikroskop ische Aufnahme, 500 x ) 24 Heft 35 vom 2. September 1983 80. Jahrgang Die durch diesen Parasiten verursachte Darmbilharziose ist in den gesamten tropischen Ländern etabliert. Man schätzt die Gesamtzahl der Infizierten auf ca . 250 Millionen . Die Infektion erfolgt beim Baden oder Waten in Süßgewässern durch aktives Eindringen der infektiösen Larven durch die Haut Diese führen eine längere Wande- DEUTSCHES ARZTEBLATT Ausgabe A Bericht über unerwünschte Arzneimittelwirkungen (auch Verdachtsfälle) an die Arzneimittelkommission derdeutschen Ärzteschaft • Eugen-Langen-Str. 12.5000 Köln 51 Fernruf (02 21) 38 03 96-99 Bei dem Patienten Vor- u. Zuname (Anfangsbuchst.) Geb.- Tag Mon. Jahr Datum: wurde(n) am: Geschlecht Größe: in cm: Gewicht in kg: bei y schwan ger seit: (Datum) folgende unerwünschte Arzneimittelwirkung(en) beobachtet: Beruf: Dauer (Std., Tage) 1. 2. 3. Bis zur unerw. Wkg. wurden gegeben: Tbl., Amp... Tagesdos. p.o.,i.v.usw. von: (Datum) bis: (Datum) wegen: 1. (auslös.) 2. 3. 4. Zusammenhang vermutet mit Arzneimittel(n) Nr. Früher gegeben? Wie vertragen? Grundleiden, weitere Leiden: Anamn. Besonderh.: (z. B. Allergien, auch geg. andere Arzneim., Stoffwechseldefekte, Nikotin, Alkohol, Arzneimittelabusus, spez. Diät u. a.) Bes. diagn. bzw. therap. Maßnahmen (z. B. Kontrastm., Narkose, Strahlenth., physik. Th., Schrittm., Implantate [Kunststoffe]): Veränderungen von Laborparametern im Zusammenhang mit der unerwünschten Arzneimittelwirkung: Therapie und Ausgang der unerwünschten Arzneimittelwirkung, ggf. Reexposition bzw. Testung: Todesursache: Sektion ja/nein Wo durchgeführt? ggf. Sektionsbefund beifügen Name, Fachgebiet, Anschrift des Arztes (und der Klinik) (Stempel) Wer wurde weiter informiert: Hersteller Gesundheitsbehörde Bundesgesundheitsamt Unterschrift 26 Heft 35 vom 2. September 1983 80. Jahrgang DEUTSCHES ARZTEBLATT Ausgabe A Zur Fortbildung Aktuelle Medizin Importierte und autochthone Darmparasitasen rung durch, bis sie sich schließlich als Adultwürmer in den Venen des Darmtraktes festsetzen . Die hier abgelegten Eier gelangen durch die Darmwand hindurch ins Darminnere und mit dem Stuhl ins Freie . Der vollständige Infektionszyklus ist an einen Zwischenwirt (bestimmte Wasserschnecken) sowie an Mindesttemperaturen gebunden, so daß diese Parasitase in gemäßigten Zonen epidemiologisch keine Rolle spielt. Das Krankheitsbild der Bilharziose wird durch die embryonierten Eier verursacht; diese produzieren histolytische Enzyme, die das Gewebe schädigen, vor allem aber wegen ihrer starken Antigenität die Bildung entzündlicher Granulome induzieren (Abbildung 2). Im Darm führt dies zu Blutungen, Verdikkungen der Darmwand und Polypenbildung; gefährlicher ist jedoch das Verdriften der Eier in die Leber, wo es durch fibröse Umwandlung der Granulome zu einer generalisierten Leberfibrose mit portaler Hypertension kommen kann . Abbildung 4 : Strongyloides stercoralis : exulzerierende Kolitis, verursacht durch Adulte (Ad) und Larven (Pfeile)- Kr = Krypte , Sm = Submukosa (25 x ) e Therapie: Die Therapie ist heute dank Praziquantel faktisch ungefährlich geworden . Bei Schistosoma mansoni wird Praziquantel (z. B. Biltricide®, Cesol®) in folgender Dosierung empfohlen: drei Gaben a 25 mg/kg im Abstand von je vier Stunden (Behandlungsdauer ein Tag). Dosierung für die anderen Schistosomenarten : S. haematobium : zwei Gaben a 20 mg/kg im Abstand von vier Stunden (Behandlungsdauer ein Tag)S. intercalatum : siehe S. mansoni - S. japonicum: drei Gaben 20 mg/kg im Abstand von je vier Stunden (Behandlungsdauer ein Tag). a ..,.. Ancylostoma duodenale (Hakenwurm) Zur Infektion durch den Hakenwurm kommt es durch aktives Eindringen der im Boden lebenden Abbildung 5 : Entamoeba histolytica: Amöben-Kolitis ; Amöben (Pfeile) in der Tiefe der Propia mucosae (PM)- ER = Epithelreste, MM = Muscularis mucosae (500 x ) infektiösen Larven durch die Haut, beispielsweise beim Barfußgehen. Nach einer Herz-Lungen-Wanderung siedeln sich die Parasiten im Dünndarm an und geben hier ihre Eier mit dem Stuhl ab. Die Infektionsübertragung ist nur in feuchtwarmen Böden möglich, in denen sich die aus den Eiern schlüpfenden Larven weiterentwicklen können, Bedingungen, die im wesentlichen nur in feuchten tropischen Regionen gegeben sind. Ausgabe A DEUTSCHES ARZTEBLATT Krankheiten werden im wesentlichen durch die Adultwürmer verursacht; sie beißen mit Hilfe ihrer bezahnten Mundöffnung (Abbildung 3) in die Darmzotten und nehmen das austretende Blut auf. Bei geringem Befall bleibt die Infektion gewöhnlich unbemerkt. Bei Massenbefall, wie er in tropischen Ländern häufig vorkommt, kann es dagegen zu erheblichen Blutverlusten (in schweren Fällen bis zu 100 ml täglich) und Protein- 80. Jahrgang Heft 35 vom 2. September 1983 27 Zur Fortbildung Aktuelle Medizin Importierte und autochthone Darmparasitasen verlusten kommen , die zu einer schweren Anämie und zu einer Ödembildung führen . e Therapie : Die Therapie ist mit den meisten Anthelmintika unschwer durchzuführen , zum Beispiel Pyrantelembonat (z. B. Helmex®), einmalige Dosis von 10 mg/ kg, oder Mebendazol (z . B. Vermox®), 100 mg 2 x täglich für drei bis vier Tage . ..,.. Strongyloides stercoralis (Zwergfadenwurm) auf, so daß sich Direktinfektionen nicht völlig ausschließen lassen . Der Infektionsverlauf und die geographische Verbreitung entsprechen beim Zwergfadenwurm weitgehend der des Hakenwurms. Infektionen mit dem Zwergfadenwurm verlaufen oft asymptomatisch ; bei Massenbefall kann es jedoch zu einem schweren Verlauf mit exulzerierenden Entzündungen der Darmwand (Abbildung 4) kommen . Unter bestimmten Bedingungen (z . B. Immunsuppression) besteht darüber hinaus die Gefahr einer Endo-Autoinvasion , wobei die sich im Darm befindlichen Larven direkt durch die Darmwand bohren und so zu Superinfektionen führen . Im Gegensatz zum Hakenwurm schlüpfen die Larven des Zwergfadenwurms jedoch bereits im Darm aus den Eiern und treten im Stuhl e Therapie : Für die Therapie gelten das Tiabendazol (z. B. Minzolum®). 25 mg/kg , 2 x täglich für zwei Tage) , oder das Pyrviniumembonat (z . B. Molevac®), 5 mg/kg / die für sieben Tage) , als Mittel der Wahl. 2.2. Ubiquitär vorkommende Parasiten ..,.. Entamoeba histolytica (Ruhramöbe) Abbildung 6: Taenia saginata : Teil einer Proglottis mit dem stark verzweigten , massenhaft Eier enthaltenden Uterus (Pfeile) - Gö = Geschlechtsöffnung , Vd = Vas deferens (25 x ) Abbildung 7 : Hymenoiep is nana : Larve (La) in Darmzotte. Die reife Larve bri cht ins Darmlumen aus und wäch st hier zum Bandwurm heran - DE = Darmepithel , PM = Propia mucosae (320 x ) 28 Heft 35 vom 2. September 1983 80. Jahrgang Die Infektion m it der Ruhramöbe Entamoeba histolytica kommt auf oralem Wege durch Lebensmittel bzw. Getränke zustande , die Dauerstadien (Zysten) dieser Darmparasiten enthalten . Derartige Kontaminationen entstehen in erster Linie durch fäkale Verunreinigungen ; an der Übertragung der Zysten können jedoch auch Fliegen beteiligt sein . Infektionen mit Ruhramöben kommen faktisch nur in warmen Ländern vor. Wegen der relativ großen Kälteresistenz der Zysten ist eine Verbreitung der Amöbiasis in gemäßigten Breiten zwar möglich, in zivilisierten Ländern braucht man jedoch wegen der guten hygienischen Verhältnisse nicht mit einer Weiterverbreitung dieser Parasitase zu rechnen. Eine Amöbeninfektion ist nicht einer Erkrankung gleichzusetzen . ln der Mehrzahl der Fälle siedeln sich die Amöben vielmehr im DEUTSCHES ARZTEBLATT Ausgabe A Zur Fortbildung Aktuelle Medizin Importierte und autochthone Darmparasitasen Darmlumen an , ohne wesentliche Störungen zu verursachen. Kommen jedoch begünstigende Faktoren hinzu -diskutiert werden die Art der Ernährung , Zusammensetzung der Bakterienflora, zusätzliche Erkrankungen, Alkoholismus u. a. -, können die im Darm lebenden Amöben-Trophozoiten ins Gewebe eindringen . Dies kann vor allem bei der Erstinfektion eintreten, ist aber auch noch nach Jahren bei asymptomatischen Infektionen möglich. Die Einwanderung ins Gewebe führt zum Bild einer exulzerierenden Kolitis (Abbildung 5) mit blutig schleimigen Stühlen. Komplikationen gehen einmal von den tiefen, unterminierten Ulzera selbst aus (Perforation , Peritonitis) . Die größte Gefahr liegt jedoch in der hämatogenen Verschleppung der Amöben, naturgemäß in erster Linie in die Leber, wo es zur Bildung lebensbedrohender Abszesse kommen kann . e Therapie: Eine Therapie sollte nicht nur bei Erkrankten , sondern auch bei beschwerdefreien Amöbenträgern durchgeführt werden , da eine Gewebsinvasion nie auszuschließen ist. Mittel der Wahl sind Nitroimidazole, die in folgender Dosierung angewandt werden: Bei symptomfreiem Träger: Metronidazol (z. B. Clont®, Flagyl® u. a.) , 3 x 400 mg/die für zehn Tage. Bei akuter Amöbenruhr : Ornidazol (z . B. Tiberal®), 3 x 500 mg/die für fünf Tage oder Metronidazol, 3 x 800 mg/die für fünf Tage, evtl. zusätzlich Paromomycin, 3 x 1 g/die . Bei Amöbenabszess: Metronidazol, 3 x 10 mg/kg/die für zehn Tage. ~ Taenia solium, Taenia saginata (Schweine-, Rinderbandwurm) Die Infektion mit dem Schweinebandwurm und dem Rinderbandwurm erwirbt man durch den Genuß von rohem Schweine- bzw . Rindfleisch (z. B. als Schweinemett oder Beefsteak Tartar), in dem sich die Larvenstadien (Fin- b a Abbildung 8 : Ascaris lumbricoides, Trichuris trichiura: Eier aus Stuhlsediment Spulwurm-Ei (a) mit dicker, höckriger, sehr widerstandsfähiger Schale, im Inneren Eizelle (Pfeil) ; Peitschenwurm-Ei (b) mit charakteristischen , sektkorkenartigen Gebilden an den Eipolen (Pfeil), im Inneren Wurmlarve (500 x) nen) dieser Bandwürmer befinden. Im Darm stülpt sich der Kopf des Bandwurms aus und entwikkelt nach und nach aus einer dahinterliegenden Sprossungszone zahlreiche gleichartige Glieder (Proglottiden , Abbildung 6), bis der geschlechtsreife Bandwurm schließlich Längen von zehn Metern (T. solium) bzw. 14m (T. saginata) erreicht. Bei den Bandwürmern der Gattung Taenia erfolgt keine Eiablage, sondern es gehen ganze Glieder ab. Die in der Außenwelt freiwerdenden Eier führen dann zur Infektion der Zwischenwirte Rind und Schwein. Durch die Eier des Schweinebandwurms kann es auch beim Menschen zu einer entsprechenden Infektion kommen, bei der er Träger von Bandwurmfinnen wird (Zystizerkose). Dank der guten hygienischen Bedingungen ist hierzulande damit aber kaum zu rechnen, wohingegen der Befall mit dem Rinderund Schweinebandwurm selbst relativ häufig vorkommt. Taenieninfektionen sind in der Regel harmlos und führen allenfalls zu uncharakteristischen MagenDarm-Störungen; oft wird ein Befall nur am Abgang der Glieder Ausgabe A DEUTSCHES ARZTEBLATT bemerkt, was bei den Betroffenen indessen oft zu psychischen Alterationen führt. • Therapie: Für die Therapie stehen mit Praziquantel (z. B. Cesol®, Biltricide®) (einmalige Dosis von 10 mg/kg) und mit Nielosamid (z. B. Yomesan ®) (einmalige Dosis von 2 g) wirksame und gut verträgliche Mittel zur Verfügung . ~ Hymenoiepis nana (Zwergbandwurm) Im Gegensatz zu den Taenien kommt die Infektion durch den Zwergbandwurm auf fäkal-oralem Wege zustande . Das hängt damit zusammen , daß der Zwergbandwurm nicht obligat auf einen Zwischenwirt angewiesen ist, sondern seine gesamte Entwicklung im Menschen durchlaufen kann (Abbildung 7). Daher ist auch der Zwergbandwurm ein ubiquitär vorkommender Parasit. Die geschlechtsreifen Würmer werden nur ein bis zwei cm lang. Sie legen Eier ab, die bereits infektiös sind, so daß speziell bei Kindern Kontaktinfektionen und, über den Anus-Finger-Mund-Weg, auch Autoinfektionen möglich sind . I> 80. Jahrgang Heft 35 vom 2. September 1983 29 Zur Fortbildung Aktuelle Medizin Importierte und autochthone Darmparasitasen Die Infektion mit dem Zwergbandwurm ist in der Regel harmlos . Symptome in Form von uncharakteristischen Magen-Darm-Störungen treten nur bei einem Massenbefall auf. e Therapie : Der Zwergbandwurm ist widerstandsfähiger als Taenia species. Mit einer dreitägigen Behandlung mit Praziquantel (z . B. Cesol®, Biltricide®), 30 mg/kg /die), oder mit einer fünftägigen Kur mit Nielosamid (z. B. Yomesan ®), 50 bis 80 mg/kg), hat man jedoch in aller Regel Erfolg. ~ Ascaris lumbricoides (Spulwurm) Zur Infektion mit dem Spulwurm kommt es im allgemeinen durch fäkal gedüngte Lebensmittel , insbesondere durch rohes Gemüse, an dem sich Eier (Abbildung Ba) befinden . Die im Darm aus den Eiern schlüpfenden Larven machen eine charakteristische Herz-Lungen-Wanderung durch , um dann über Respirationstrakt und Mundhöhle wieder in den Darm zu gelangen . Erst dann wachsen sie hier zu den 20 bzw. 35 cm langen männlichen und weiblichen Adultwürmern heran. Die von den Weibchen abgegebenen Eier werden je nach Temperatur erst nach zehn Tagen bis mehreren Monaten infektiös, so daß eine Kontaktinfektion von Mensch zu Mensch nicht möglich ist. Die Widerstandsfähigkeit der Eier, selbst gegenüber extremen Umweltbedingungen , ermöglicht die Verbreitung des Spulwurms auch in den gemäßigten Zonen . Spulwurminfektionen sind in aller Regel harmlos und ble iben oft unbemerkt. Bei starkem Befall können allerdings erhebliche Beschwerden im Magen-Darm-Trakt sowie Komplikationen auftreten ; diese werden zum einen durch die oben erwähnte Larvenwanderung (eosinophiles Lungeninfiltrat Löff- 30 ler) , zum anderen durch Aggregation und Wanderungen der Adultwürmer verursacht (Askaridenileus, Cholangitis und anderes) . e Therapie: Die Therapie ist mit Anthelmintika verschiedenen leicht durchführbar : zum Beispiel Pyrantelembonat (z. B. Helmex®), einmalige Dosis von 10 mg/kg ; Mebendazol (z. B. Vermox®), 100 mg 2 x täglich für drei bis vier Tage . ~ Trichuris trichiura (Peitschenwurm) Die Infektion mit dem Peitschenwurm erfolgt, wie beim Spulwurm , durch orale Aufnahme der Eier (Abbildung 8b) , am häufigsten über fäkal gedüngtes Gemüse . Die im Darm schlüpfenden Larven machen hier jedoch eine direkte Entwicklung zu Adulten durch ; es kommt zu keiner Herz-LungenWanderung . Die Dauer der Eireifung und die Epidemiologie entsprechen der des Spulwurms. Ein Peitschenwurmbefall bleibt in den meisten Fällen symptomlos , nur bei Massenbefall kommt es zu Störungen , die sich am häufigsten in Symptomen wie Durchfall , Leibschmerzen und Tenesmen äußern . e Therapie : Für die Therapie gilt Mebendazol (z. B. Vermox®) als das Mittel der Wahl ; es wird in einer Dosierung von 100 mg/die (Kinder) bzw. 200 mg/die (Erwachsene) für eine Dauer von drei bis vier Tagen verabreicht. Schlußfolgerungen Wie die Untersuchungen gezeigt haben, ist in Europa die Wahrscheinlichkeit einer Parasiteninfektion gering. Im Normalfall sind hier keine besonderen Vorsichtsmaßnahmen notwendig. Dies gilt jedoch nicht für außereuropäische warme Länder mit unLebensbedingunhygienischen gen . Hier ist es für Touristen unbe- Heft 35 vom 2. September 1983 80. Jahrgang dingt notwendig, elementare Vorsichtsmaßregeln zu beachten (3). Da diese oft nicht konsequent eingehalten werden , empfiehlt es sich, nach Rückkehr aus den Tropen eine parasitalogische Stuhluntersuchung und gegebenenfalls auch serologische Tests durchführen zu lassen . Eine Therapie ist bei Parasitenbefall nicht nur bei Beschwerden , sondern auch bei symptomlosen Fällen angezeigt. Bei Protozoonasen sind Exazerbationen möglich; bei Helminthosen kann es zu Komplikationen kommen. Bei der heute weit verbreiteten Parasitenfurcht ist schließlich auch der psychotherapeutische Effekt einer Behandlung in Betracht zu ziehen. (Nachweis der Abb ildungen und der Präparate : Die Abbildung ,,Schweinebandwurmkopf' ' sowie die Präparate zu der Abbildung "Madenwurm" und zu Abbildung 6 verdanken wir Herrn Professor Dr. W. Frank, Institut für Parasitologie/Zoologie der Universität Hohenheim . Die Abbildungen "Chinesischer Leberegel " sowie die der Abbildung zu Präparate " Pärchenegel ", zu den Abbildungen 1, 2 und 5 verdanken wir dem Tropenmedizinischen Institut der Universität Tübingen. Die Abbildung 3 verdanken wir der Firma Bayer/Leverkusen . Den Amöben(Aufnahme : vegetative stamm Amöben) verdanken wir Frau Dr. Saathoff, Institut für Medizinische Parasitologie der Universität Bonn (Direktor : Professor Dr. H. M. Seitz) , demselben Institut die Aufnahme 7.) Literatur im Sonderdruck, zu beziehen über die Verfasser Anschrift der Verfasser : Dr. Dr. Peter Kimmig Dr. Andreas Merö Medizinisches Landesuntersuchungsamt Stuttgart Wiederholdstraße 15 7000 Stuttgart 1 DEUTSCHES ARZTEBLATT Ausgabe A