Spektroskopie in der Organischen Chemie IR-Spektroskopie -> A n r e g u n g von Molekülschwingungen bzw. –rotationen durch Absorption von Strahlung im infraroten (IR) Bereich -> IR-Strahlung schliesst sich dem sichtbaren Bereich in Richtung längerer Wellenlängen an -> auch als Wärmestrahlung bekannt - erzeugt Wärmengefühl auf der Haut IR-Spektroskopie - 01 1 Spektroskopie in der Organischen Chemie Messung von Molekülschwingungen und –rotation direkt als Absorption im IR-Spektrum indirekt als Streustrahlung im Raman-Spektrum Lage der Absorptionsbande im IR-Spektrum: Einheiten der Wellenlänge λ des absorbierten Lichts, für Strukturbestimmung organischer Moleküle interessant: λ = 2.5 –15 µm Gebräuchlicher: Angabe in Einheiten der reziproken Wellenlänge, der sogenannten Wellenzahl ν~ - definiert als Frequenz/Lichtgeschwindigkeit: ν~ = ν/c = 1/λ [cm-1] Die Wellenzahl ist proportional ν und damit der aufenommenen Energie: ΔE = hν = (hc)/λ = hc ν~ IR-Spektroskopie - 01 2 Spektroskopie in der Organischen Chemie Infrarot-Spektralbereich (ca. 4000-400 cm-1) Die große Bedeutung der IR-Spektroskopie ist die Tatsache, dass man auf den ersten Blick das Vorhandensein oder die Abwesenheit bestimmter Absorptionsbanden funktioneller Gruppen, wie C=O, OH, C≡N u.v.a.m., erkennen kann. Valenzschwingungen ν Deformationsschwi. δ Fingerprint-Bereich: <1600 cm-1 -> sehr große Anzahl von Banden, deren Ursprung oft nur sehr schwer zu identifizieren ist, die aber in ihrer Frequenzlage IR-Spektroskopie - 01 3 Spektroskopie in der Organischen Chemie und Intensität sehr charakteristisch für die Substanz selbst sind. Beim Vergleich zweier IR-Spektren bedeutet ein praktisch gleicher Fingerprint-Bereich Identität der verglichenen Substanzen. Der Bereich der IR-Strahlung wird in drei Bereiche aufgeteilt: fernes, mittleres und nahes IR, wobei sich die Angaben auf die Entfernung vom Bereich des sichtbaren Lichtes beziehen. Das nahe IR-Licht hat also eine höhere Frequenz (Energie) als das ferne. 1µ m 10-4 10-1 cm 10.000 10 cm-1 Wellenzahl ν~ 1015 1011 Hz Frequenz ν nahes 1 mm mittleres Wellenlänge λ fernes IR Im nahen und mittleren IR-Bereich ( ν~= 10.000 - 200 cm-1) werden Molekül~ schwingungen angeregt, während im fernen IR ( ν = <200 cm-1) Rotationen und Translationen angeregt werden. Hier kommt man dann schon in die Nähe des Mikrowellen-Bereich. IR-Spektroskopie - 01 4 Spektroskopie in der Organischen Chemie Einfachstes Modell für Molekülschwingung: harmonischer Oszillator Hooksches Gesetz: F = -kΔr Rückstellkraft F proportional der Auslenkung Δr k = Kraftkonstante – Mass für Bindungsstärke Energie der Schwingung eines harmon. Osz.: V(r) = 1/2kΔr2 = 2π2µνosc2Δr2 µ - reduzierte Masse (s. Anhang), νosc – Schwingungsfrequenz des Oszillators νosc = 1/(2π) (k/µ)1/2 Zunahme von ν je grösser k -> kc≡c > kc=c > kc-c je kleiner die schwingenden Atommassen -> C-H <-> C-C IR-Spektroskopie - 01 5 Spektroskopie in der Organischen Chemie Aber: Dissoziation bei höherer Energie – besser beschreibbar mit anharmonischem Oszillator Und: Berücksichtigung von Quantentheorie: Energie bzw. Strahlungsabsorption nur in Quanten, entsprechend gibt es nur diskrete Energie- und Schwingungszustände, die nicht äquidistant sind: IR-Spektroskopie - 01 6 Spektroskopie in der Organischen Chemie (gestrichelt: Potenzialverlauf des harmonischen Oszillators) Oberschwin gungen Schrödinger-Gleichung -> Formel für die Energie der Molekülschwingungszustände (Evib): Evib = hνosc(n+1/2) = h/(2π) (k/µ)1/2(n+1/2) n = Schwingungsquantenzahl (v in der Abbildung) = 0, 1, 2 ... n = 0 nach n = 1 -> Grundschwingung n = 0 nach n = 2 -> 1. Oberschwingung usw. IR-Spektroskopie - 01 7 Spektroskopie in der Organischen Chemie Auswahlregeln und Bandenintensität 1) quantenmechanisch: Δn (bzw. Δv) = ±1, ±2, ±3, ... 2) Es gilt generell, dass Absorption und Emission von elektromagnetischer Strahlung nur dann möglich sind, wenn sie mit einer Änderung des Dipolmomentes des Moleküls einhergehen. IR-Licht kann also nur dann absorbiert werden, wenn der elektrische Lichtvektor mit dem Dipolmoment des Moleküls, oder zumindest des schwingenden Teils des Moleküls in Wechselwirkung treten kann. Dazu muß sich das Dipolmoment in einem Extrem der Schwingung von dem im anderen unterscheiden. Für symmetrische Schwingungen ist diese Bedingung nicht gegeben, sodass diese IR-inaktiv sind. Im Gegensatz dazu tritt der RAMAN-Effekt (Streuemission im IR-Bereich) nur dann auf, wenn die betreffende Schwingung die Polarisierbarkeit des Moleküls ändert, welche ein Maß für die Deformierbarkeit der Elektronenwolke darstellt. Dies ist gerade bei symmetrischen Schwingungen der Fall. IR-Spektroskopie - 01 8 Spektroskopie in der Organischen Chemie aus: Biological applications of synchrotron radiation infrared spectromicroscopy Augusto Marcellia, , , Antonio Cricentib, Wojciech M. Kwiatekc, Cyril Petiboisd Biotechnology Advances Volume 30, Issue 6, November–December 2012, Pages 1390–1404 In animierter Form zum Beispiel unter: http://teaching.shu.ac.uk/hwb/chemistry/tutorials/molspec/irspec1.htm IR-Spektroskopie - 01 9 Spektroskopie in der Organischen Chemie Die Intensität I einer IR-Bande ist proportional zum Quadrat der Dipolmomentsänderung bei der Schwingung: ∂µ ∂r 2 I = Ist innerhalb einer Gruppe das Dipolmoment groß (z.B. C=O), kommt es auch zu großen Änderungen, und die IR-Bande für die Schwingung ist stark. Es ist also i.a. nicht möglich, IR-Banden quantitativ auszuwerten und aus ihrer Intensität auf die Zahl der betreffenden Gruppen im Molekül rückzuschließen. Semiquantitative Bestimmung der Konzentration basierend auf dem LambertBeerschen Gesetz und einer Eichkurve möglich (s. Hesse, Meier Zeeh). Messung von IR-Spektrum: möglich an - Gasen – Spezialzelle, NaCl-Plättchen (ok: 4000-667 cm-1) an Enden - Flüssigkeiten – Tropfen zwischen NaCl-Plättchen (Achtung: H2O) - Feststoffen – Suspension in Öl (Paraffin) oder KBr-Pressling IR-Spektroskopie - 01 10 Spektroskopie in der Organischen Chemie Strukturabhängigkeit der Carbonyl-Schwingung (νC=O) Abnahme des elektronenziehenden Effekts der Substituenten F2C=O Cl2C=O (Alkyl)2C=O ν~ 1928 1827 1710 Verkleinerung der Wellenzahl Cl H3C C ν~ O cm-1 R H3C C O 1815 – 1790 O 1750 – 1735 cm-1 C=O: hohes Dipolmoment, Neigung zu intra- und intermolekularen WW IR-Spektroskopie - 02 1 Spektroskopie in der Organischen Chemie Ringgröße und -spannung O ν~ 1775 O 1750 O O 1715 1705 cm-1 Konjugation führt zu kleineren Wellenzahlen: O R1 ν~ O R2 1710 IR-Spektroskopie - 02 R1 O R2 1680 R1 R2 1650 cm-1 2 Spektroskopie in der Organischen Chemie C-H-Valenzschwingungen (νCH) (Schematische Darstellung) -> je nach Strukturelement charakteristische Positionen IR-Spektroskopie - 02 3 Spektroskopie in der Organischen Chemie OH-Banden (νO-H; Wasser, Alkohole) Konzentrationsabhängigkeit reiner Alkohol Lösung - konzentriert Lösung verdünnt freies OH ca. 3600 cm -1 freies OH ca. 3600 cm -1 aliphat. CH 3000-2900 cm -1 gebundenes OH ca. 3400 IR-Spektroskopie - 02 cm -1 gebundenes OH ca. 3400 cm -1 4 Spektroskopie in der Organischen Chemie Intramolekulare H-Brücken können durch Verdünnungsexperimente von intermolekularen unterschieden werden. Sie bleiben auch bei hoher Verdünnung bestehen, während die aus intermolekularen H-Brücken zusammenbrechen, und nur die schmale Bande bei 3650 - 3590 cm-1 übrigbleibt. H O C H O H H O C C O H O O H IR-Spektroskopie - 02 p-Hydroxybenzaldehyd Salicylaldehyd (intermolekulare H-Brücken) (intramolekulare H-Brücken) 5 Spektroskopie in der Organischen Chemie Bandenverschiebung durch Isotope In erster Näherung kann die Frequenz eines schwingenden Oszillators mit den beiden Massen m1 und m2 durch das Hookesche Gesetz beschrieben werden: 1 ν~osz = 2π k µ µ= m1 ⋅ m2 m1 + m2 k ist die Kraftkonstante und µ die reduzierte Masse: Will man die Verschiebung einer IR-Bande durch Isotopenaustausch (Isotop 1 → Isotop 2; z.B. O-H → O-D) abschätzen, nimmt man (stark vereinfachend) an, dass die Kraftkonstante k beider Bindungen gleich ist. Dann kann man ansetzen: ν~1 IR-Spektroskopie - 03 ν~2 = 1 1 µ1 = µ2 µ1 µ2 1 Spektroskopie in der Organischen Chemie Abschätzung: Die Wellenzahl der OH-Schwingung von Methanol (CH3OH) im Gaszustand ist 3681 cm-1. Wie groß ist die von Deuteromethanol (CD3OD)? 1/µ 1 = 1/1 + 1/16 = 1.0625 1/µ 2 = 1/2 + 1/16 = 0.5625 ν~1 ν~2 = 1.3744 ν~1 = 3681 cm -1 ν~2 = 2678 cm -1 Gemessen wurden 2718 cm-1. Die Abweichung ist auf nicht ganz exakt gleiche Kraftkonstanten und auf die Anharmonizität der Schwingung zurückzuführen. IR-Spektroskopie - 03 2 Die reduzierte Masse μ Was hat es eigentlich mit der sogenannten reduzierten Masse μ auf sich? m 1 m2 μ = m1 + m2 Sie taucht immer wieder bei der Formelbeschreibungen von Bewegungsvorgängen mehratomiger Moleküle auf. Im einfachsten Fall, bei hantelförmigen Körpern (Abb. 1), die aus zwei Massenpunkten m1 und m2 mit einem Abstand r bestehen, ist sie wie oben angegeben definiert. Bewegungsvorgänge eines solchen Körpers (Rotation, Schwingung) werden dann durch Formeln beschrieben, die aus der klassischen Mechanik für Massenpunkte m kommen, in denen diese aber durch μ ersetzt wird. Woher kommt dieser umständlich erscheinende Ausdruck für μ? Wir wollen ihn zunächst für den starren Rotator ableiten. Rotation eines zweiatomigen Moleküls Stellen wir uns ein zweiatomiges Molekül als Hantel mit zwei Massen m1 und m2 vor, die durch eine starre Verbindung der Länge r0 (Atombindung) miteinander verbunden sind: Abb. 1 r0 C m2 m1 r1 r2 Dieser Körper soll um eine Querachse rotieren, die die Atomverbindung (r0) an derjenigen Stelle schneidet, die durch „C“ markiert ist. r0 = r1 + r2 (1) C ist der Schwerpunkt (vgl. Waage oder Hebelgesetze); er ist definiert durch: m1 r1 = m2 r2 (2) Das Trägheitsmoment für diese Rotation ist: Θ = m1 r12 + m2 r22 (3) oder mit Gleichung (2) Θ = m2 r2 r1 + m1 r1 r2 = r1 r2 (m1 + m2) (4) Aus der Kombination der Gleichungen (1) und (2) ergibt sich: m1 r1 = m2 r2 = m2 (r0 – r1) (5) 1 und daraus r1 = m2 r0 und m1 + m2 m1 r0 r2 = (6) m1 + m2 Einsetzen der Gleichungen (6) in Gleichung (4) ergibt: Θ also: μ = m1 m2 m1 + m2 m1 m2 = m1 + m2 r0 2 und daraus (1) = μ r0 2 (7) 1/μ = 1/m1 + 1/m2 (8) Das Trägheitsmoment für die Rotation eines Massenpunktes m ist Θ = m r0 2 . (9) Wir haben für den Übergang von einem Massenpunkt m zu einer Hantel nichts weiter getan, als die Masse m in Gleichung (9) durch die reduzierte Masse μ zu ersetzen. Gleichung (7) definiert das Trägheitsmoment eines hantelförmigen Körpers (zweiatomigen Moleküls) als Funktion der beiden Einzelmassen und ihrem Abstand. Die reduzierte Masse repräsentiert dabei die Summe aller Einzelmassen in einer starren Hantel und für sie gilt laut Gleichung (8): Die reziproke reduzierte Masse ist gleich den Summe der reziproken Einzelmassen. Schwingung eines zweiatomigen Moleküls Der Ersatz von m durch μ lässt sich analog auch für andere Bewegungsarten einer Hantel ableiten. Betrachten wir zuerst die longitudinale Schwingung einer Masse, die mit einer Feder fest aufgehängt ist und um einen Ruheabstand r0 herum schwingt (Abb. 2): Abb. 2 r0 m Diese Bewegung wird durch das Hookesche Gesetz (10) beschrieben. Ihre Frequenz ν ist: ν = 1 2π k m (10) wobei k die Kraftkonstante der Feder ist. 2 Gehen wir nun zur Valenzschwingung über, bei der die beiden Massen m1 und m2 auf der Kernverbindungslinie (kovalente Bindung; Abb. 1) gegeneinander schwingen (Oszillator), sich der Abstand r also fortlaufend ändert, d.h. um einen Optimalwert r0 herum schwingt. Auch dafür existiert eine Kraftkonstante k; beim zweiatomigen Molekül ist das die Bindungsstärke. Ganz analog zum Fall des Rotators wird dann wieder die Masse m des in Abb. 2 dargestellten Oszillators durch die reduzierte Masse ersetzt: ν = 1 2π k μ (10) Man beachte jedoch, dass diese Ableitung nach den Gesetzen der klassischen Mechanik das wirkliche Schwingungsverhalten nur sehr unvollständig beschreibt, denn sie gibt die Parabelform vor. Sie sollte nur für Schwingungen mit niedrigen Amplituden herangezogen werden. Bei höheren wird das Schwingungsverhalten eher durch eine unsymmetrische Potenzialkurve beschrieben, die – in Übereinstimmung mit den beobachteten Fakten – einen Bindungsbruch zulässt. Außerdem ist die atomare Schwingung natürlich den Gesetzen der Quantenmechanik unterworfen, was bedeutet, dass nur bestimmte Amplituden (Schwingungsquanten) zur Verfügung stehen. 3