Dunkle Materie - Hinweise Ausbildungsseminar: Kerne & Sterne Christof Thalhammer 18. Juni 2007 Inhaltsverzeichnis 1 Einführung 2 2 Längenskala von Galaxien 2 3 Längenskala von Galaxienhaufen 3.1 Virialtheorem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.1 Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.2 Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Analyse der Röntgenstrahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.1 Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.2 Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Gravitationslinseneekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2 Linsengleichung, Einstein-Radius und kritische Dichte 3.3.3 Bestimmung der Masse mit Hilfe von Arcs . . . . . . . 3.3.4 Eigenschaften der Linsenabbildung . . . . . . . . . . . 3.3.5 Bestimmung der Masse mit Hilfe von Arclets . . . . . 3.4 Vergleich der Messmethoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5 Sunyaev-Zel'dovich Eekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 4 4 5 5 5 6 6 6 9 11 12 13 15 16 4 Kosmologische Längenskala 16 5 Die Milchstraÿe 16 6 Zusammenfassung 17 Dunkle Materie 1 - Hinweise Ausbildungsseminar: Kerne & Sterne Einführung Seitdem Newton das Gravitationsgesetz aufstellte, hat die Menschheit groÿe Fortschritte darin erzielt, die Bewegung der Körper im Universum zu verstehen. Doch jedesmal, wenn eine Beobachtung einen scheinbaren Widerspruch darstellt, muss man sich die Frage stellen: Ist dies ein Gegenargument zur Theorie der Gravitation oder deutet die Anomalie auf etwas hin, was man bisher einfach nicht gesehen hat? So führte diese Suche nach dem scheinbar Unsichtbaren zur Entdeckung des Neptun durch den Franzosen U. Le Verrier und den Engländer John Couch Adams als sie die unerwartete Bewegung des Uranus untersuchten. Als man jedoch mit demselben Ansatz versuchte, die Bewegungen des Merkurs zu erklären, indem man einen Planeten namens Vulcan forderte, scheiterte man und und konnte dieses Dilemma erst durch die Veränderung des Gravitationsgesetz durch Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie lösen. Heute steht man vor einem sehr ähnlichen Problem: man muss Beobachtungen auf Längenskalen von Galaxien bis hin zu kosmologischen Skalen entweder mit Hilfe von dunkler Materie erklären oder die Gesetze der Gravitation und der Allgemeinen Relativitätstheorie abändern. 2 Längenskala von Galaxien Den überzeugendsten Hinweis für dunkle Materie auf der Längenskala von Galaxien (kpcBereich) ndet man, indem man die Rotationskurven von Galaxien untersucht, das heiÿt die Rotationsgeschwindigkeit der Sterne und Gase gegen den Abstand zum Galaxienzentrum anträgt. Nach Newton gilt für ein Objekt der Masse m, das um die Masse M (r) kreist: m v2 r ⇒v M (r) · m = G 2 r r GM (r) = r (1) (2) Hierbei ist M (R) = 4π drρ(r)r2 , wobei ρ(r) die Massendichte ist. Man erwartet also, dass die Rotationsgeschwindigkeit für ein gravitativ gebundenes Keplersystem wie eine Galaxie zum 1 Rand hin mit r− 2 abnimmt. R Durch Messungen der Rotverschiebung der 21 cm Wasserstoinie konnten in den letzten Jahrzehnten viele Rotationskurven für verschiedene Galaxien aufgenommen werden. Diese zeigten jedoch stets ein Abachen der Kurve. Die Tatsache, dass v am Rand der Galaxien also nahezu konstant ist, deutet darauf hin, dass diese von einem Halo aus nicht sichtbarer, dunkler Materie mit M (r) ∝ r und einer Massendichte ρ(r) ∝ rα mit α = −2 umgeben sind. Besonders aufschlussreich ist hierbei die Beobachtung von LSB-Galaxien, d.h. Low Surface BrightnessGalaxien: diese werden wohl über ihre gesamte Ausdehnung von dunkler Materie dominiert und der sichtbare stellare Anteil trägt nur einen kleinen Teil zur Rotationskurve bei. Nach der Auswertung der Kurven ist man sich zwar zur Zeit einig über die Verteilung der dunklen Materie, d.h. über die Gröÿe von α, in den Randbereichen der Galaxien, über die Verteilung im Kern der Galaxien aber wird nach wie vor diskutiert. So kam eine Forschungsgruppe nach Untersuchung von 13 LSB-Galaxien zum Schluss, dass die Kerne wohl eine eher ache Verteilung aufweisen, d.h. dass der Betrag von α sehr viel kleiner als 2 ist. Weiterhin behauptet eine andere Gruppe, dass sowohl LSB- als auch HSB-Galaxien ein einheitliche Massenverteilung haben, 2 Dunkle Materie - Hinweise Ausbildungsseminar: Kerne & Sterne Abbildung 1: Rotationskurve der Galaxie NGC 6503, [1]. bestehend aus einer exponentiell dünnen stellaren Scheibe und einem kugelförmigem Halo aus dunkler Materie mit einem achen Kern mit α = − 32 . Ergebnisse von N-Teilchen-Simulationen hingegen prognostizieren sehr viel steilere Kerne, was durch manche Messergebnisse auch belegt werden kann. Eine mögliche Erklärung für die Diskrepanzen zwischen den verschiedenen Resultaten ist die Beachtung des Unterschieds zwischen der Bahngeschwindigkeit und der Rotationsgeschwindigkeit des Gases. Ein weiterer Streitpunkt ist die Verteilung dunkler Materie bei massiven Scheibengalaxien: So behaupten manche Forscher, dass es bei Balken-Spiralgalaxien im Bereich der Balken keine dunkle Materie geben kann, da die Materie in den Balken sonst durch die Wechselwirkung mit der dunklen Materie abgebremst würde, doch auch hiergegen gibt es Gegenargumente von anderen Gruppen. Die Vermessung der Rotationsgeschwindigkeiten von Spiralgalaxien hat auf jeden Fall ein sehr solides Argument für die Existenz dunkler Materie auf der Gröÿenordung der Galaxien erbracht. Die Menge an dunkler Materie lässt sich jedoch daraus nicht bestimmen, da man die Ausdehnung des Halos nicht kennt. Weitere Hinweise auf dunkle Materie auf der Längenskala von Galaxien: starke Gravitationslinseneekt sowie besondere Prole der Röntgenstrahlung von deren Gaswolken beobachtet, was auf dunkle Materie schlieÿen lässt. Warum diese Eekte als Hinweise dienen können, wird später erläutert. • Bei einigen Ellipsengalaxien wurde bereits der Oort Diskrepanz : Der niederländische Astronom behauptete bereits in den 30er Jahren, dass in unserer Gala- • Ein sehr früher Hinweis auf dunkle Materie ist die sogenannte 3 Dunkle Materie - Hinweise Ausbildungsseminar: Kerne & Sterne xie, der Milchstraÿe, die beobachteten Sterne allein durch das Gravitationspotential ihrer Verteilung nicht zusammengehalten werden könnten und sich die Milchstraÿe statt dessen seit langem hätte auösen müssen. Daraus folgerte er die Existenz von zusätzlicher Masse innerhalb der Galaxie, um deren Stabilität zu erklären. • Es wurde auÿerdem der schwache Gravitationslinseneekt durch die Strukturen im Vordergrund beobachtet. von entfernten Galaxien • Die Geschwindigkeitsverteilungen von Kugel-Sternhaufen implizieren durch ihr, im Ver- gleich zu dem in unserer "solaren Nachbarschaft", hohen Masse-Leuchtkraft-Verhältnis ebenfalls dunkle Materie. 3 Längenskala von Galaxienhaufen Der erste Hinweis auf dunkle Materie war dass der Astronom F. Zwicky 1933 bei der Untersuchung des Coma-Clusters ein Masse-Leuchtkraftverhältnis berechnete, welches 400 mal gröÿer als das unserer Sonne war. Die Galaxien des Clusters hätten aufgrund ihrer Geschwindigkeit längst auseinander driften müssen. Also folgerte Zwicky, dass diese durch nicht leuchtende Materie zusammengehalten werden. Die Bestimmung des Masse-Leuchtkraftverhältnisses und der anschlieÿende Vergleich mit bekannten Werten gibt also Aufschluss darüber, ob die Struktur allein durch ihre leuchtende Materie zusammengehalten werden kann, oder ob dunkle Materie dazu nötig ist. Die Leuchtkraft wird hierbei photometrisch bestimmt, zur Massenbestimmung gibt es verschiedene Methoden, die im Folgenden dargestellt werden. 3.1 Virialtheorem 3.1.1 Theorie Das Virialtheorem, das die mittlere kinetische und potentielle Energie eines abgeschlossenen Systems miteinander verbindet, lautet: 2 hT i = hU i (3) Die Masse eine Galaxienclusters lässt sich daraus wie folgt bestimmen: Die gesamte kinetische Energie des Haufens ist gegeben durch T = 1X 2 mi |~ vi | , 2 i die gesamte potentielle durch U =− 1 X Gmi mj . 2 rij (4) (5) i6=j Hierbei ist mi und vi die Masse der i-ten bzw. der Betrag der Geschwindigkeit der i-ten Haufengalaxie und rij der räumliche Abstand zwischen der i-ten und der j-ten Galaxie. Der Faktor 12 bei der potentiellen Energie ist nötig, da sonst jedes Galaxienpaar zweimal gezählt würde. Man deniert dies Gesamtmasse des Haufens als M= X mi , (6) i 4 Dunkle Materie - Hinweise Ausbildungsseminar: Kerne & Sterne sowie die massengewichtete Geschwindigkeitsdispersion und den gravitativen Radius 2 1 X v = mi vi2 M i (7) −1 X mi mj . rG = 2M 2 rij (8) i6=j Somit erhält man für die kinetische und die potentielle Energie T = GM 2 M 2 v bzw. U = − , 2 rG (9) und mit dem Virial-Theorem ergibt sich für die Massenabschätzung rG v 2 M= . G (10) Man geht nun von einer isotropen Geschwindigkeitsverteilung innerhalb des Cluster aus, (11) 2 v = 3σv2 , wobei σv die die eindimensionale Geschwindigkeitsdispersion der Galaxien ist, die man z.B. entlang der Sichtlinie durch die Rotverschiebung direkt messen kann. Nun ersetzt man noch rG durch D · θ, wobei D der Abstand des Clusters zum Beobachter und θ der Winkelradius der Galaxie ist, und erhält für die Masse 14 MV irial (θ) ≈ 1, 1 · 10 M 3.1.2 σv 2 103 km s−1 θ 3000 D 1Gpc . (12) Ergebnisse Das soeben beschriebene Verfahren wandte auch Zwicky an und wie er haben Forscher bis heute verschiedene Cluster untersucht: Das Ergebnis ist, dass man für die Haufen, verglichen mit der Gesamtleuchtkraft der Haufengalaxien, Werte um M M ≈ 300 L Cluster L (13) erhält, was etwa 10 mal gröÿer ist als die Verhältnisse von typischen Galaxien. Dies wertet man als deutlichen Hinweis für die Existenz dunkler Materie in den Haufen. 3.2 Analyse der Röntgenstrahlung 3.2.1 Theorie In den Galaxienhaufen sind stets groÿe Mengen an Gas vorhanden, welches zeitlich konstante Röngtenstrahlung emittiert. Das Spektrum der Strahlung ist konsistent mit der Bremsstrahlung eines heiÿen Gases, und somit ist die Emissivität eine Funktion der Temperatur und der Dichte des Gases. Auÿerdem kann man vom hydrostatischen Gleichgewicht ausgehen, da die Schalllaufzeit durch die Galaxienhaufen ( ≈ 108 a) klein gegen das Alter der Haufen ( ≈ 109 a) ist. Somit gilt: dP (r) G · M (r) = −ρ(r) , (14) dr r2 5 Dunkle Materie - Hinweise Ausbildungsseminar: Kerne & Sterne was sich bei sphärischer Symmetrie für ideale Gase mit P = µaρmp kT zu folgender Gleichung umformen lässt: kT r d ln ρ d ln T M (r) = − + . (15) Gµa mp d ln r d ln r µa ist hierbei das mittlere Atomgewicht und mp die Protonenmasse. Den logarithmischen Temperaturgradient kann man mit groÿer Sicherheit Null setzen und der logarithmische Dichtegradient ist typischerweise ∼ −2. Durch Einsetzen typischer Gröÿen und ersetzen von r durch D · θ erhält man dann für die Masse 14 MRoentgen (θ) ≈ 0, 7 · 10 M 3.2.2 T 108 K θ 3000 D 1Gpc . (16) Ergebnisse Messungen haben ergeben, dass die Cluster in etwa zu 3% aus Sternen, 15% aus interstellarem Gas und 82% aus dunkler Materie bestehen. Würde man nur von sichtbarerer, baryonischer Materie ausgehen, würde deren Gravitation niemals ausreichen, die Gaswolken innerhalb des Clusters zu binden. Abbildung 2: Röntgenaufnahme des Coma-Clusters mit dem ROSAT-PSPC. Die verschiedenen Farben entsprechen den verschiedenen Temperaturen des Gases, [2] 3.3 Gravitationslinseneekt 3.3.1 Einführung Anfang des 20. Jahrhundert entwickelte Albert Einstein die Allgemeine Relativitätstheorie und sagte unter anderem voraus, dass massereiche Objekte wie Sterne oder Galaxien die vierdimensionale Raumzeit krümmen würden. Das heiÿt, ein Lichtstrahl, der an solch einem Objekt 6 Dunkle Materie - Hinweise Ausbildungsseminar: Kerne & Sterne vorbeiläuft, wird durch diese Verzerrung abgelenkt und so können diese Objekte als Linsen dienen. Abbildung 3: Prinzip einer Gravitationslinse. (Quelle: www.wikipedia.de) 1919 gelang es Sir A. Eddington erstmals, diese Behauptung zu beweisen, als er die Positionsveränderung von Sternen, die am Rand der Sonne zu sehen waren, während einer Sonnennsternis beobachtete. Inzwischen ist der Gravitationslinseneekt ein wichtiges Werkzeug, um Massenverteilungen im Universum zu untersuchen. Man unterscheidet dabei zwischen drei verschiedenen Eekten: • Starker Gravitationslinseneekt Bei diesem Eekt werden durch die starke Ablenkung gleich mehrere Bilder eines Objekts erzeugt. So sind z.B. sogenannte Einsteinkreuze beobachtbar, bei denen eine Galaxie 4 mal oder öfter zu sehen ist. Wenn die Lichtquelle, die Linse und der Beobachtungspunkt auf einer Geraden liegen, entstehen die sogenannten Einsteinringe, bzw. Bögen (Arcs ), falls nicht alle Punkte perfekt auf einer Geraden liegen. Man kann nun mit Hilfe der Linsenwirkung von Galaxienhaufen auf deren Masse schlieÿen (Details siehe unten) und ndet damit einen weiteren Hinweis auf einen groÿe Menge an dunkler Materie darin. Abbildung 4: Aufnahme des Galaxienhaufens Abell 2218, aufgenommen vom HUBBLEWeltraumteleskop. Deutlich zu erkennen sind die verformten Abbilder der Galaxien, die sogenannte Arcs und Arclets. (Quelle: http://hubblesite.org) 7 Dunkle Materie - Hinweise Ausbildungsseminar: Kerne & Sterne Abbildung 5: Aufnahme der Galaxie 1938+666 durch das HUBBLE Weltraumteleskop (InfrarotBereich). Ihr Bild wird dabei durch eine Galaxie im Vordergrund (leuchtender Punkt in der Mitte) zu einem Einsteinring verzerrt. (Quelle: http://www.astronomie.at/Aktuell/aktuell0498.htm) • Microlensing • Schwacher Gravitationslinseneekt An sich lenkt jedes kosmische Objekt das Licht ab, aber die Stärke dieser Ablenkung hängt sehr von seiner Masse ab. So ist die Ablenkung durch einen Stern mit Sonnenmasse in kosmischer Entfernung in der Gröÿenordnung von Mikrobogensekunden und somit nicht auösbar. Man kann jedoch trotzdem die Linsenwirkung durch einzelne Sterne nachweisen, indem man die Gesamtverstärkung misst, also die Aufsummierung der Helligkeiten von allen durch Mikrolinsen erzeugten Bildern. Man nützt hierbei die Tatsache aus, dass sich die Gesamtverstärkung zeitlich ändert, da sich sowohl die Lichtquelle, als auch die Linsen und der Beobachter im Universum stets gegeneinander bewegen. Somit verändert sich natürlich auch der Einuss der Linsen auf den Lichtstrahl. Man kann nun das Verhalten der Sterne und ihre Wirkung als Linsen mit Hilfe von Computern simulieren und so die Mikrolinsen-Fluktuationen nachvollziehen. Die bisher besprochenen Auswirkungen des Gravitationslinseekt sind zwar die stärksten, aber sie tauchen nur sehr selten auf, denn nur wenige Galaxienhaufen haben genügend Masse, um Mehrfachbilder, hohe Verstärkungen und Verzerrungen wirklich zu erzeugen. Viel häuger hingegen tritt der schwache Gravitationslinseneekt auf, welcher in schwachen Verstärkungen oder schwachen Verzerrungen (Arclets ) resultiert. Dieser ist jedoch sehr schwer nachzuweisen. Man hat allerdings festgestellt, dass z.B. bei der Verzerrung von Hintergrundgalaxien durch Cluster die schwachen Eekte vorwiegend in Richtung senkrecht zum Galaxienhaufen geschehen, das heiÿt, dass die meisten Galaxien ein wenig tangential auseinander gezogen sind. Dieser Eekt lässt bei Beobachtung einzelner Galaxien noch keine begründeten Schlüsse zu, da die meisten Galaxien sowieso nicht perfekt kreisförmig sind. Wenn man jedoch viele Tausend Hintergrund-Galaxienbilder in den Auÿenbereichen eines Galaxienhaufens untersucht, kann man ein leicht kohärentes Signal feststellen. Da dieser Eekt sehr häug auftritt, ist er eines der gebräuchlichsten Mittel, um die Materie in Clustern zu bestimmen und durch Vergleich mit der Sichtbaren darin auf dunkle Materie zu schlieÿen. (Details siehe unten) Die Untersuchung der Gravitationslinseneekte hat sich inzwischen zu einem der wichtigsten Werkzuge in der Astrophysik entwickelt, mit dem heute eine groÿe Anzahl an Gebieten unter8 Dunkle Materie - Hinweise Ausbildungsseminar: Kerne & Sterne sucht wird, wie z.B. die groÿächigen Strukturen im Universum, die Eigenschaften von Quasaren und viele andere Bereiche, weshalb im Folgenden die Theorie dahinter ausführlich vorgestellt werden soll. 3.3.2 Linsengleichung, Einstein-Radius und kritische Dichte An sich wird der Weg, die Gröÿe und der Querschnitt eines Lichtbündels auf seinem Weg durch das All von der gesamten Masse zwischen Quelle und Beobachter beeinusst. Für die Berechnungen benutzt man jedoch die Dünne-Linsen-Näherung, bei der man annimmt, dass die gesamte Linsenwirkung von einer einzelnen Masseninhomogenität an einem bestimmten Punkt ausgeht. Diese Näherung ist nur dann zulässig, wenn die Relativgeschwindigkeiten von Quelle, Linse und Beobachter klein gegen die Lichtgeschwindigkeit c sind und wenn das Newtonsche Potential der Linse klein ist: |Φ| c2 . Diese Annahmen sind jedoch bei den betrachteten Fällen stets gerechtfertigt. Abbildung 6: Geometrie der Linsenanordnung (Quelle: http://auriga.astro.physik.uni- potsdam.de/ jkw/) Beim Aufstellen der Linsengleichung für ein System, bestehend aus einer Punktlichtquelle, einer punktförmigen Linse und einem Beobachter geht man von der Geometrie wie in Abb. 6 aus. Bei der Dünnen-Linsen-Näherung werden die hyperbolischen Strecken durch ihre Asymptoten angenähert und man erhält bei kreisförmiger Symmetrie für den Ablenkwinkel α̃: α̃ = 4GM (ξ) , c2 ξ (17) wobei M (ξ) die im Radius ξ eingeschlossene Masse ist. Aus Abb. 6 folgt des Weiteren die Gleichung θDS = βDS + α̃DLS , (18) 9 Dunkle Materie - Hinweise Ausbildungsseminar: Kerne & Sterne wobei man θ, β, α̃ 1 annimmt, was quasi bei allen astronomischen Situationen erfüllt ist. Mit α̃(θ) lässt sich Obiges zur Linsengleider Denition des reduzierten Ablenkwinkels α(θ) = DDLS S chung β = θ − α(θ) (19) umformen. Falls die Massenverteilung nicht symmetrisch ist, muss man die skalaren Winkel in zweidimensionale umwandeln. Die zweidimensionale Linsengleichung lautet also (20) ~ = θ~ − α ~ β ~ (θ). Setzt man nun Gleichung 17 in Gleichung 19 ein und benützt weiterhin ξ = DL θ, erhält man 4GM DLS 1 . c2 DL DS θ β(θ) = θ − (21) Für den Spezialfall der Einsteinringe, bei denen die Quelle exakt hinter der Linse liegt, d.h. β = 0, erhält man als Winkelradius den sogenannten Einstein Radius : r θE = 4GM DLS c2 DL DS (22) Bei der Behandlung von allgemeinen, dreidimensionalen Massenverteilungen einer ausgedehnten Linse projeziert man die Massendichte ρ(~r) entlang der Sichtlinie auf die Linsenebene und erhält ~ als so die Oberächen-Massendichte Σ(ξ) ~ = Σ(ξ) ZDS ρ(~r) dz. (23) 0 Der zweidimensionale Ablenkwinkel ~α̃ ist damit gegeben als die Summe über alle Massenelemente in der Linsenebene: Z ~ ~0 (ξ − ξ )Σ(ξ~0 ) 2 0 ~ = 4G ~α̃(ξ) (24) 2 d ξ . 2 c ~ ~0 ξ − ξ Für einen endlichen Kreis mit konstanter Oberächen-Massendichte ergibt sich der reduzierte Ablenkwinkel α ~ mit der Beziehung ξ = DL θ zu α(θ) = Man deniert nun die kritische Σkrit DL DLS 4πGΣ θ. DS c2 (25) Oberächen-Massendichte Σkrit als DS c2 g = = 0, 35 2 DL DLS 4πG cm D 1Gpc −1 , (26) wobei D = DLDDsLS der eektive Abstand ist. Somit ergibt sich für den reduzierten Ablenkwinkel solch einer Massenverteilung der Ausdruck α(θ) = Σ θ. Σkrit (27) Man sieht, dass für den Fall der Einsteinringe, bei denen β = 0 und somit α = θ gilt, die Oberächen-Massendichte gleich der kritischen ist, Σ = Σkrit . Nimmt man an, dass in diesem 10 Dunkle Materie - Hinweise Ausbildungsseminar: Kerne & Sterne Fall die gesamte Masse über die Fläche des Kreises mit dem Einsteinradius RE = θE DL "verschmiert" ist, so erhält man z.B. für eine Linse mit Rotverschiebung zL = 0, 5 und eine Quelle mit zQ = 2, 0 in etwa einen Wert Σkrit ≈ 0, 8 cmg 2 . Eine beliebige Massenverteilung kann also nur dann mehrere Bilder erzeugen, wenn ihre Oberächen-Massendichte gröÿer als die kritische ist. Somit kann man zwischen Objekten unterscheiden, bei denen der starke Gravitationslinseneekt auftritt, Σ > Σkrit , und Objekten, die nur den schwachen Eekt erzeugen können, Σ < Σkrit . 3.3.3 Bestimmung der Masse mit Hilfe von Arcs Abbildung 7: Arc der tangential an der kritischen Kurve liegt. [3] Mit diesen Hilfsmitteln lässt sich nun die projezierte Masse eines Clusters durch die Form und Position von beobachteten Giant Luminous Arcs bestimmen, denn hier tritt der starke Gravitationslinseneekt auf. Für eine kreisförmige Linse ist die durchschnittliche OberächenMassenverteilung hΣi innerhalb der tangentialen, kritischen Kurve gleich der kritischen OberächenDichte Σkrit . Da die Giant Luminous Arcs in etwa tangential an den kritischen Kurven liegen, kann man vom Radius θArc , der durch den Arc vorgegeben wird, auf den Einstein-Winkelradius θE schlieÿen: hΣ(θArc i ≈ hΣ(θE )i = Σkrit . (28) Somit lässt sich die Masse des Clusters mit Hilfe folgender Formel bestimmen: MGrav.Linse (θ) = Σkrit π(DL θ)2 ≈ 1, 1 · 1014 M Cluster A 370 A 2390 MS 2137-23 θ 3000 2 DL 1Gpc (29) M/L (in Vgl. zu M /L ) ∼ 200 ∼ 120 ∼ 250 Tabelle 1: Masse-Leuchtkraft-Verhältnisse einiger Cluster, bestimmt mit Hilfe des starken Gravitaitonslinseneekts. [3] 11 Dunkle Materie - Hinweise Ausbildungsseminar: Kerne & Sterne Tabelle 1 zeigt, dass die beobachteten Masse-Leuchtkraftverhältnisse sehr groÿ sind und somit die Existenz groÿer Mengen an dunkler Materie nahe legen. 3.3.4 Eigenschaften der Linsenabbildung Um das Verfahren der Massenbestimmung mit Hilfe von Arclets durch den schwachen Gravitationslinseneekt zu verstehen, muss man zunächst das Konzept des eektiven Linsenpotentials und die Eigenschaften der Linsen-Abbildung genauer untersuchen. ~ , welches das skalierte und projezierte Man deniert zunächst ein skalares Potential ψ(θ) Newtonsche Potential der Linse darstellt: ~ = ψ(θ) DLS 2 DL DS c2 Z ~ z) dz. Φ(DL , θ, (30) Die Ableitungen diesen Potentials sind nun von groÿer Bedeutung, denn der Gradient von ψ nach θ ist der Ablenkwinkel, ∇θ ψ = α ~, (31) wohingegen der Laplace-Operator auf das Potential angewandt, einen Term proportional zur Oberächen-Massendichte liefert: ∇2θ ψ = 2 ~ Σ(θ) ~ ≡ 2κ(θ). Σkrit (32) ~. Die Oberächen-Dichte, skaliert mit ihrem kritischen Wert Σkrit , nennt man Konvergenz κ(θ) Die Eigenschaften der Abbildung durch die Linse sind nun gegeben durch die Jacobi Matrix A, ~ ∂β A≡ = ∂ θ~ ~ ∂αi (θ) δij − ∂θj ! = ~ ∂ 2 ψ(θ) δij − ∂θi ∂θj ! (33) . Diese Gleichung zeigt, dass die zweite partielle Ableitung des Potentials ψ (also seine Hesse Matrix) die Abweichung von der Identitätsabbildung angibt. Im Folgenden wird die Abkürzung ∂2ψ ≡ ψij ∂θi ∂θj (34) benützt. Da der Laplace-Operator auf ψ angewendet zweimal die Konvergenz ist, gilt κ= 1 1 (ψ11 + ψ22 ) = sp ψij . 2 2 (35) Weiterhin sind noch zwei andere Linearkombinationen von ψij wichtig, und zwar die Komponenten des sog. Scherungs-Tensors, ~ = γ1 (θ) ~ = γ2 (θ) (36) (37) ~ cos(2φ(θ)), ~ − ψ22 ) ≡ γ(θ) ~ sin(2φ(θ)). ~ = ψ21 ≡ γ(θ) 1 2 (ψ11 ψ12 Damit lässt sich die Jacobi Matrix umschreiben zu A= 1 − κ − γ1 −γ2 −γ2 1 − κ + γ1 = (1 − κ) 1 0 0 1 −γ cos 2φ sin 2φ sin 2φ − cos 2φ . (38) 12 Dunkle Materie - Hinweise Ausbildungsseminar: Kerne & Sterne Jetzt erkennt man auch leicht die Bedeutung von Konvergenz und Scherung für die Abbildungseigenschaften der Linse: Die Konvergenz symbolisiert die isotrope Fokussierung des Lichtstrahls, was zu einer isotropen Vergröÿerung des Bildes der Quelle führt. Die Scherung führt nun zur Anisotropie (oder Astigmatismus) bei der Abbildung und verzerrt das Bild der Quelle. Wie in Abb. 8 gezeigt wird z.B. eine ringförmige Quelle durch Konvergenz und Scherung in eine Ellipse mit der groÿen und kleinen Halbachse (1 − κ − γ)−1 , (1 − κ + γ)−1 (39) abgebildet. Abbildung 8: Auswirkung von Konvergenz und Scherung auf die Abbildung. [3] 3.3.5 Bestimmung der Masse mit Hilfe von Arclets Wie bereits oben erwähnt, ist die Bestimmung der Masse eines Cluster aufgrund des schwachen Gravitationslinseneekts schwierig, da die beobachtbaren Eekte so gering sind. Es ist überhaupt nur möglich, weil es derart viele Objekte gibt, die diesen Eekt zeigen (etwa 105 pro Quadrat-Grad). Bei den meisten Clustern ndet man Hunderte bis Tausende sogenannte faint blue galaxies die zur Auswertung herangezogen werden können. Man verwendet dabei den sogenannten Kaiser & Squires Algorithmus der 1993 entwickelt wurde. Hierbei nützt man die oben hergeleitete Tatsache aus, dass sowohl die Konvergenz κ als auch die Scherung ~ sind, womit γ Linearkombinationen der zweiten Ableitung des eektiven Linsenpotentials ψ(θ) die beiden Gröÿen also durch eine mathematische Relation verknüpft sind. Man geht dabei wie folgt vor: ~ messen. Deniert man die Elliptizität • Zunächst muss man das Scherungsfeld der Linse γ(θ) eines Bildes als = 1 + 2 = 1 − r 2 iφ b e , r≡ , 1+r a (40) 13 Dunkle Materie - Hinweise Ausbildungsseminar: Kerne & Sterne wobei φ der Positionswinkel der Ellipse und a und b deren groÿe und kleine Halbachsen sind, sieht man mit Gleichung 39, dass die mittlere, durch die Linse erzeugte Elliptizität hi = γ 1−κ (41) ist, wobei hierbei über einen endlichen Ausschnitt des Himmels gemittelt wird. Im Grenzfall des schwachen Linseneekts (κ, |γ| 1) ergibt somit die gemessene, mittlere Elliptizität direkt die Scherung, D E D E D E D E ~ ≈ 1 (θ) ~ , γ2 (θ) ~ ≈ 2 (θ) ~ . γ1 (θ) D (42) E ~ über eine genügend Hierbei ist zu beachten, dass beim Bestimmen der Gröÿen 1,2 (θ) groÿe Anzahl an abgebildeten Objekten gemittelt wird, um eine genügende Genauigkeit zu erzielen. Deshalb ist bei diesem Verfahren die groÿe Anzahl der Objekte, die den schwachen Linseneekt zeigen, von so elementarer Bedeutung. ~ sowie κ(θ) ~ , denn für die Transformierten • Als nächstes Fourier-transformiert man γ1,2 (θ) gilt die Relation γˆ1 (~k) γˆ2 (~k) ! =k −2 (k12 − k22 ) 2k1 k2 κ̂(~k). (43) Hierbei ist ~k der zweidimensionale konjugierte Wellenvektor zu θ~ und die Fourier-transformierten Gröÿen sind jeweils durch das Dach darüber symbolisiert. ~ erhält man nun κ̂(~k) • Zusammen mit der Relation 43 und den vorher gemessenen γ1,2 (θ) ~ . Mit der Denition der Konvergenz aus Gleichung 32 und durch Rücktransformation κ(θ) kann man dann die Oberächen-Massendichte der Linse bestimmen: ~ = Σkrit · κ(θ). ~ Σ(θ) (44) In der Praxis gibt es einige Schwierigkeiten bei der Anwendung dieser Technik, so verursachen z.B. atmosphärische Turbulenzen unscharfe Bilder, was dazu führt, dass elliptische Bilder mehr kreisförmig wirken als sie es sind und man so geringere Scherung misst. Dies kann man durch extraterrestrische Teleskope lösen, was jedoch auch nicht den Fehler vermeiden kann, dass kleinste Linsenfehler der Teleskope eigentlich ringförmige Strukturen durch Astigmatismus elliptisch erscheinen lassen. Im Prinzip sind aber all diese Probleme lösbar und das gesamte Verfahren wurde über die letzten Jahre stetig verfeinert, womit immer genauere Abschätzungen möglich wurden und man inzwischen detaillierte Massenverteilung aufstellen konnte (Abb. 9). Wie man Tabelle 2 entnehmen kann, zeigt die Untersuchung von Galaxienhaufen mittels des schwachen Gravitationslinseneekts stets sehr groÿe Masse-Leuchtkraft-Verhältnisse, welche darauf hindeuten, dass die Masse des Clusters von dunkler Materie dominiert wird. 14 Dunkle Materie - Hinweise Ausbildungsseminar: Kerne & Sterne Abbildung 9: Aufnahme des Galaxienhaufens CL0024 durch das HUBBLE Weltraumteleskop, links mit darüber gelegtem Scherungsfeld, welches durch Anaylse von Arclets am französischkanadischen Hawaii Teleskop beobachtet wurde, und rechts mit daraus berechneter OberächenMassenverteilung. [3] Cluster MS 1224 A 1689 Cl 1455 Cl 0016 A 2218 A 851 M/L (in Vgl. zu M /L ) 800 400 ± 60 520 740 440 200 Tabelle 2: Masse-Leuchtkraft-Verhältnisse einiger Cluster, bestimmt mit Hilfe des schwachen Gravitaitonslinseneekts. [3] 3.4 Vergleich der Messmethoden Betrachtet man die verschiedenen Gleichungen um die Masse der Cluster zu bestimmen, Gleichungen 12, 16 und 29, fällt auf dass sie, obwohl von völlig verschiedenen Überlegungen hergeleitet, erstaunlich gut übereinstimmen und Ergebnisse liefern, die sich nur um den Faktor 2 bis 3 unterscheiden. Allerdings ist die Situation nicht so zufriedenstellend wie man zunächst glaubt, denn z.B. bei Gleichung 12 wurde vorrausgesetzt, dass das System virialisiert ist. Dies erscheint jedoch zweifelhaft wenn man die Gröÿen der Cluster betrachtet: eine typische Längenskala von Clustern ist ∼ 3 Mpc ≈ 1025 cm und eine typische Galaxiengeschwindigkeit darin ist ∼ 103 km/s ≈ 108 cm/s. Folglich braucht eine Galaxie etwa 1017 s ≈ 3 · 109 Jahre um den Cluster zu durchqueren, was in der selben Gröÿenordnung wie das Alter des Universums liegt. Deshalb ist kaum denkbar, dass ein dynamisches System nach einer Zeit, die kaum länger ist als die, die Partikel darin brauchten um es zu durchqueren, virialisiert ist. Weiterhin wurde bei Gleichung 16 vorrausgesetzt, dass sich der Cluster im hydrostatischen Gleichgewicht mit einem sphärisch-symmetrischen Gravitationspotential bendet, was sehr fraglich ist, wenn man die eben erwähnten Zeitskalen betrachtet. Die Massenabschätzung mit Hilfe des starken Gravitationslinseneekts ist zwar unabhängig von jeglichen Stabilitäts-Annahmen, allerdings ist sie eigentlich nur gültig für Linsen, deren Projektionen radial symmetrisch sind. Da aber die Cluster im Allgemeinen höchst asymmetrisch sind, weist auch dieses Verfahren seine Mängel auf. Nichstdestoweniger gilt die Abschätzung mit Hilfe 15 Dunkle Materie - Hinweise Ausbildungsseminar: Kerne & Sterne des starken Gravitationslinseneekts als die genaueste der drei Methoden. Heutzutage glaubt man weiterhin, dass die geringen Abweichungen zwischen den Resultaten der drei Verfahren wertvolle Informationen über die dynamischen Eigenschaften von Galaxienhaufen enthalten. 3.5 Sunyaev-Zel'dovich Eekt Der Sunyaev-Zel'dovich Eekt beschreibt den Vorgang, bei dem Photonen der kosmischen Hintergrundstrahlung (CMB) an Elektronen des heiÿen Gases im Cluster gestreut werden. Da die CMB sehr isotrop ist (näheres zu den Abweichungen folgt in anderem Vortrag), wird statistisch gesehen für jedes Photon das auf dem Weg zur Erde aus dem Sichtstrahl weggestreut wird, ein anderes in den Sichtstrahl hineingestreut. Eine Veränderung der Photonenzahl ist daher nicht zu messen, wohl aber eine Veränderung in deren Wellenlänge, da die Streuung an den Elektronen einer inversen Compton-Streuung entspricht und die Elektronen Energie an die Photonen abgeben. Die Veränderungen sind zwar sehr gering aber messbar. Man kann diesen Eekt nutzen um den Anteil von Baryonen im Cluster zu bestimmen, allerdings ist diese Methode nicht unumstritten. Manche Forscher behaupten, dass man eben mit dem Sunyaev-Zel'dovich Eekt die Messergebnisse des WMAP -Programms widerlegen kann, und deshalb der Anteil an dunkler Materie im Universum, wie er aus diesen Messungen folgt, falsch ist. 4 Kosmologische Längenskala Auf den bisher besprochenen Längenskalen gibt es, wie gezeigt, sehr überzeugende Hinweise auf dunkle Materie, doch lassen diese noch keine Schlüsse auf die Menge der dunklen Materie im gesamten Kosmos zu. Der Anteil an dunkler Materie des gesamten Universum kann jedoch aus der Analyse der kosmischen Hintergrundstrahlung bestimmt werden. Wie dies geschieht wird in einem anderen Vortrag ausgeführt. ist Das Ergebnis, das man damit für den Anteil an nicht baryonischer, dunkler Materie erhält, ΩDM ≈ 0, 27. 5 (45) Die Milchstraÿe Nachdem nun Hinweise auf den verschiedenen Längenskalen des Universums besprochen wurden, stellt sich natürlich die Frage, ob und wie Hinweise auf dunkle Materie in unserer eigenen Galaxie, der Milchstraÿe zu nden sind. Abgesehen von Untersuchungen des Microlensing Eekts in Blickrichtung des Galaxienzentrums, wo man schon seit einiger Zeit ein super-massives schwarzes Loch vermutet, soll hier nun vor allem die Arbeit von P.M.W. Kalberla et. al. aus dem Jahr 2006 vorgestellt werden. Die Gruppe hat mit Hilfe der Analyse der 21 cm Wasserstoinie eine dreidimensionale MassendichteVerteilung der Milchstraÿe erzeugt, die in der Scheibe bis zu einer Entfernung von 40 kpc vom Galaxienzentrum reicht, senkrecht dazu etwa 20 kpc. 16 Dunkle Materie - Hinweise Ausbildungsseminar: Kerne & Sterne Ihre Ergebnisse sind, dass, abgesehen eines massiven Halos der Masse M ∼ 1, 8 · 1012 M , eine Scheibe aus dunkler Materie gefunden wurde, die eine Masse von M = 2 − 3 · 1011 M hat, und einen Ring aus dunkler Materie bei 13 < R < 18, 5 kpc mit Masse M = 2, 2 − 2, 8 · 1010 M enthält. Die daraus resultierende Rotationskurve ist bis zum Radius von R ∼ 27 kpc hin ach und nimmt danach leicht ab. Auÿerdem haben sie festgestellt, dass die Spiralarme der Milchstraÿe einen deutlichen Abdruck im Gravitationsfeld bis zu einem Radius von R = 30 kpc hinterlassen. 6 Zusammenfassung Wie bisher gezeigt wurde, gibt es mehrere, durchaus überzeugende experimentelle Hinweise auf die Existenz dunkler Materie im Universum. Dennoch wurde bisher weder deren Natur geklärt, noch konnte man alle Theorien, die die beobachteten Phänomene durch veränderte Gravitationsgestze oder Ähnliches zu erklären versuchen, widerlegen, und somit bleibt die Fachwelt weiterhin gespalten (wenn auch die Fraktion derer, die dunkle Materie ablehnen, wohl sehr viel kleiner als die Befürworter-Fraktion ist). 17 Dunkle Materie - Hinweise Ausbildungsseminar: Kerne & Sterne Literatur [1] G. Bertone, D. Hooper and J. Silk, , Particle dark matter: Evidence, candidates and constraints Phys. Rept. 405 (2005) 279 [arXiv:hep-ph/0404175]. [2] P. Schneider, Extragalaktische Astronomie und Kosmologie 2006, Springer Verlag Berlin Heidelberg ISBN: 978-3-540-30589-7 (Online) , [3] R. Narayan, M. Bartelmann, , cfa-www.harvard.edu/ narayan/papers/JeruLect.ps, 1996. Lectures on Gravitational Lensing [4] M. Bartelmann, , Astron. Astrophys. 303 (1995) 643 [arXiv:astro-ph/9412051]. Cluster mass estimates from weak lensing [5] P. M. W. Kalberla, L. Dedes, J. Kerp and U. Haud, Dark matter in the Milky Way, II. the HI gas distribution as a tracer of the gravitational potential arXiv:0704.3925 [astro-ph], (2007). , [6] J. Wambsganÿ, Gravitationslinsen - Universelle Werkzeuge der Astrophysik www.aip.de/ jkw/phiuz/phiuz.ps, 1999. , [7] J. Wambsganÿ, , Living Rev. Relativity 1, (1998), 12. URL (cited on 13.06.2007): http://www.livingreviews.org/lrr-1998-12. Gravitational Lensing in Astronomy 18