Fortgeschrittenen Praktikum Rasterkraftmikroskopie Universität des Saarlandes Fachrichtung Experimentalphysik Arbeitsgruppe Prof. Dr. Karin Jacobs 1 Vorbereitung 1.1 Vorbereitende Arbeiten • Machen Sie sich mit der Theorie zur Rasterkraftmikroskopie vertraut. Ziehen Sie gegebenenfalls weiterführende Literatur (siehe Literaturverzeichnis) hinzu. • Beantworten Sie die im folgenden Abschnitt zu findenden Fragen. • Suchen Sie sich eine eigene interessante Probe, die sich für eine Betrachtung mit dem AFM eignen würde. Überlegen Sie sich Fragestellungen zu dieser Probe. Präparieren Sie diese in geeigneter Weise und bringen Sie sie am Versuchstag mit. 1.2 Fragen 1. Was begrenzt die Auflösung des Rasterkraftmikroskops? In welcher Größenordnung liegt diese Grenze? 2. Zeichnen Sie für die in Abb. 1 dargestellten Situationen die zu erwartenden Scanlinien ein. Beschreiben Sie typische Scanartefakte. Wie kann man diese identifizieren? Abb. 1: . 3. Worin liegen die Vorteile des AFM’s gegenüber der Rasterelektronenmikroskopie? 4. Erläutern Sie die verschiedenen Messmodi des AFMs und beschreiben sie deren Anwendungsbereiche. 2 5. Worin unterscheiden sich AFM-Sonden für statisches und dynamisches AFM? 6. Welche Möglichkeiten gibt es - neben dem Lichtzeigerprinzip - die Verbiegung des Federbalkens zu detektieren? Nennen Sie Funktionsweise und Vor- bzw. Nachteile von mindestens vier weiteren. 7. Nennen Sie potentielle externe Faktoren welche eine AFM-Messung stören können und Möglichkeiten wie man einen Einfluss dieser verhindern bzw. minimieren kann. 8. Skizzieren Sie zu erwartende Kraft/Distanz Kurven für eine weiche Probe, eine harte Probe, an Luft und im UHV. Welchen Einfluss hat die Federkonstante auf das Aussehen von Kraft/Distanz Kurven? 3 2 Theoretische Grundlagen 2.1 Rasterkraftmikroskopie Als Gerd Binnig und Heinrich Rohrer 1986 die Grundlagen für die moderne Rasterkraftmikroskopie (engl. atomic force microscopy, AFM) legten [1], war die Mannigfaltigkeit der Anwendungsmöglichkeiten nur ansatzweise zu erahnen. Heutzutage ist sie eine Standardmethode und wird in vielen verschiedenen Forschungsgebieten genutzt, angefangen in der Oberflächenphysik, über die Werkstoffwissenschaften bis hin zu den Biowissenschaften. Obwohl die Technik noch recht jung ist, hat sie mittlerweile schon in der Industrie Einzug gehalten, z.B. in der Halbleiterproduktion, der Herstellung von Kunststoffen oder in der Pharmazie zur Qualitätskontrolle. Abb. 2: Grundprinzip eines AFMs: Die Probenoberfläche wird von einer Spitze abgetastet, dabei wird ein Laser, der auf das Ende des Federbalkens fokussiert ist, in eine segmentierte Photodiode reflektiert. 2.1.1 Prinzip Konnte man die Funktionsweise herkömmlicher Mikroskope mit der des menschlichen Auges vergleichen, so kann man für das AFM als Pendant die menschliche Hand bzw. den Tastsinn nehmen. Das Messprinzip basiert auf dem Abtasten der Probenoberfläche mit Hilfe einer mikroskopisch kleinen Spitze, die an einem Federbalken (engl. cantilever ) angebracht ist. Der typische Bereich, der mit einem AFM charakterisiert werden kann, liegt zwischen wenigen Nanometern und einigen Hundert Mikrometern. Der große Vorteil des AFMs besteht in seinem Vermögen, die Topographie einer Probe wiederzugeben und gleichzeitig materialspezifische Eigenschaften zu bestimmen. Außerdem sind Aufnahmen an Luft, im Vakuum sowie in flüssigem Medium möglich, d.h. es kann sogar an lebenden Zellen experimentiert werden. 4 2.1.2 Aufbau Ein AFM besteht im Wesentlichen aus drei Teilen (siehe Abb. 2): • dem Probenhalter, • dem Scankopf, • der Detektionseinheit. Die Hauptaufgabe des Probenhalter besteht in der stabilen Halterung der Probe und dem Rastern dieser unter der Spitze hindurch 1 . Typischerweise dienen Piezoantriebe als präzise Motoren, welche die Probe in x- und y-Richtung verfahren. Die Bewegung in z-Richtung geschieht ebenfalls mittels Piezomotoren. Je nach Bauart wird dabei entweder die Probe oder der Scankopf bewegt. Des weiteren ist im Probenhalter in vielen Fällen eine Temperaturregelung integriert. Der wichtigste Teil des Scankopfs ist die Spitze, die am Ende eines kleinen Federbalkens sitzt. Der Federbalken ist etwa so lang wie ein Haar breit ist (0.1 mm), und wird heute normalerweise aus Silizium oder Siliziumnitrit (Si3 N4 ) hergestellt. Die Spitze selbst besitzt typischerweise einen Radius r von 4-30 nm (siehe Abb. 3). (a) I(A) > I(B) Abb. 3: typische AFM-Spitze (b) I(A) = I(B) (c) I(A) < I(B) Abb. 4: Schema zur Positionserkennung eines Laserspots auf einer zweigeteilten Photodiode durch Änderung des Verhältnisses der einzelnen Intensitäten Wird die Spitze mit einer Probe in Kontakt gebracht, und über diese bewegt, so folgt sie den Konturen der Oberfläche wie ein Finger, der einen Eierkarton abtastet. Um die Bewegung des Federbalken zu verfolgen bedient man sich meist des Lichtzeigerprinzips“: Ein Laserstrahl wird auf ” die Rückseite des Federbalken fokussiert, und der reflektierte Strahl auf eine positionssensitive Photodiode (PSPD) zentriert. Die PSPD besteht aus vier unabhängigen Photodioden, die quadrantenförmig angeordnet sind. Eine Bewegung des Federbalkens führt nun zu einer Bewegung des von ihm reflektierten Laserstrahls, der auf der Photodiode auftrifft. Der Clou am Lichtzeigerprinzip ist, dass Bewegungen der AFM-Spitze im Nanometerbereich umgesetzt werden in Bewegungen des Lichtflecks im Millimeterbereich. Dessen Position lässt sich über die Änderung des Verhältnisses der in den beiden2 Bereichen der Photodiode detektierten Intensität bestimmen (siehe Abb. 4). Weitere, jedoch wesentlich seltenere Methoden der Bewegungsdetektion des Federbalkens sind Kapazitätsmessungen sowie piezoresistive Methoden. 1 oder auch der die Spitze über die Probe, je nach Anwendungsgebiet Detektion der vertikalen Bewegung werden jeweils zwei der vier Quadranten zusammengefasst. Die Einteilung in vier Quadranten ist notwendig da somit auch die horizontale Bewegung des Laserspots gemessen werden kann. 2 Zur 5 Abb. 5: Skizze der Funktionsweise von statischem und dynamischen AFM. 2.1.3 Abbildungsmodi Es gibt zwei grundsätzliche Betriebsmodi bei der Rasterkraftmikroskopie: • statisches AFM, • dynamisches AFM. Beide Methoden unterscheiden sich sowohl in ihren theoretischen Grundlagen als auch in den Anwendungsgebieten. statisches AFM In diesem Modus, auch Kontakt-Modus (engl. contact mode, CM-AFM) genannt, wird die Spitze gegen die Oberfläche gedrückt und bei ständigem Kontakt über diese gerastet. Man unterscheidet zwischen einer Regelung auf konstante Höhe“ (engl. constant height) ” und auf konstante Kraft“ (engl. constant force). ” Im Falle der Regelung auf konstante Höhe wird prinzipiell nur die Rückkopplungsschleife ausgeschaltet und der Federbalken auf konstanter Höhe über die Probe gerastert. Wie bereits erwähnt folgt die AFM-Spitze der Topographie, die in diesem Fall direkt aus dem Signal der Photodiode bestimmt werden kann. Dabei kann es zu starken Verfälschungen der Höheninformationen kommen, da die auf die Oberfläche übertragene Kraft von der Höhe des jeweiligen Rasterpunktes abhängt. Dadurch kann die Probe verformt, z. B. eingedrückt, werden. In den meisten Fällen wird daher auf konstante Kraft geregelt. Dies wird erreicht, indem die Rückkopplungsschleife den z-Achsen-Piezo so steuert, dass das Signal an der Photodiode einen voreingestellten Wert beibehält. Dieser Wert entspricht einer bestimmten Verbiegung des Federbalkens. Wird diese konstant gehalten, rastert die Spitze mit gleichbleibender Auflagekraft über die Oberfläche. Die Topographie-Information erhält man über das an den z-Piezo gesandte Rückkopplungssignal. Beide Varianten des Kontakt-Modus haben den Nachteil, dass abzubildende Strukturen durch die Spitze über die Oberfläche verschoben werden können. Dies ist insbesondere bei weichen Oberflächen problematisch. dynamisches AFM Hierbei wird der Federbalken samt Spitze zu Schwingungen nahe der Resonanzfrequenz angeregt (siehe Abb. 5) und berührungsfrei über die Oberfläche gerastert. Man unterscheidet zwischen non contact mode“ in welchem die Spitze zu keinem Zeitpunkt die ” Probenoberfläche berührt und intermittent contact mode“, auch tapping mode“ TM (TM” ” AFM) genannt, wobei die Spitze jeweils am Umkehrpunkt ihrer Schwingung die Oberfläche berührt. 6 einer typiAbb. 6: Model einer AFM Spitze in einem Abb. 7: Kraft-Distanzkurve schen Wechselwirkung zwischen Spitze Wechselwirkungspotential. Die Spitze ist an und Probe überlagert mit der Krafteinem Federbalken mit Federkonstante kF beAuslenkungsgeraden einer Feder. Eingezeichfestigt. Die Kraft der Wechselwirkung zwinet sind die Härte“ des Federbalkens kF , die schen Spitze und Probe wird als eine weite” Härte“ der Spitze-Probe-Wechselwirkung re Feder mit der abstandsabhängigen Härte“ ” ” kSP , der Abstand des Federbalkens zur kSP (zSP ) angenommen. Oberfläche z sowie derjenige der Spitze zSP . Grundsätzlich kann man sich die Spitze als zwischen zwei Federn eingespannt vorstellen (siehe Abb. 6). Die obere Feder ist hierbei der Federbalken mit einer Federkonstante kF . Die untere Feder repräsentiert die Wechselwirkung zwischen Spitze und Oberfläche. Die Federkonstante“ ” kSP ist allerdings variabel und hängt vom Abstand zwischen Spitze und Probenoberfläche zSP ab. Für die Federkonstante des Gesamtsystems k ergibt sich also: k = kF + kSP = kF − δFSP δzSP (1) Das System kann als ein extern angeregter gedämpfter harmonischer Oszillator beschrieben werden, für welches m∗ ω m∗ · z̈SP + żSP + k · zSP = F0 cos(ωA t) (2) Q gilt, wobei m∗ die effektive Masse des Federbalkens, ω die Resonanzfrequenz, Q der Gütefaktor, F0 die externe Anregungskraft und ωA die Anregungsfrequenz ist. Ohne Berücksichtigung der Dämpfung ist die Resonanzfrequenz des Gesamtsystems: s r SP (kF − δF kGes δzSP ) ω= = (3) m∗ m∗ 7 Sie ist bzgl. der freien Resonanzfrequenz ω0 um ∆ω 1 δFSP ≈ ω0 kF δzSP (für ∆ω << ω0 ) (4) verschoben. (a) (b) Abb. 8: Darstellung der Schwingungsamplitude in Abhängigkeit von der Frequenz: (a) Veränderung der Schwingungsamplitude durch eine Verschiebung der Resonanzfrequenz. (b) Auswirkung unterschiedlicher Güte-Faktoren (Q) auf die Breite des Resonanzpeaks. Aus Gl. 4 folgt, dass wenn sich der Abstand zwischen Spitze und Oberfläche ändert, weil die Höhe der Oberfläche variiert, so ändert sich die Resonanzfrequenz des Systems, denn die Wechselwirkungen zwischen der Spitze und der Probe sind abstandsabhängig: sie sind stärker, je geringer der Abstand zwischen Spitze und Probenoberfläche ist. Da die Spitze normalerweise hauptsächlich SP im attraktiven“ Bereich schwingt ist δF δzSP > 0, d.h. die Resonanzfrequenz wird immer geringer je ” näher sich Spitze und Probenoberfläche kommen. Wie in Abb. 8(a) zu sehen verringert sich infolgedessen auch die Schwingungsamplitude immer weiter, da die Anregungsfrequenz gleich bleibt. Zur Abbildung wird typischerweise die Amplitude konstant gehalten, indem der Abstand zwischen Spitze und Oberfläche mittels des Rückkopplungsmechanismus nachgeregelt wird. Ist die Schwingungsamplitude zu gering, wird also der Abstand vergrößert. Somit kann die Oberfläche fast berührungsfrei charakterisiert werden. Aufgrund der Dämpfung kommt es zusätzlich noch zu einer Verschiebung der Resonanzfrequenz mit r 1 ω0∗ = ω0 1 − . (5) 2Q2 Diese Verschiebung ist allerdings für Gütefaktoren vernachlässigbar, die bei typischen Anwendungen in Luft und Vacuum (Q > 100) gelten. Beim Arbeiten in Flüssigkeiten kann es allerdings zu signifikanten Verschiebungen kommen. Daneben ist die Stärke der Dämpfung relevant für die Sensitivität des AFMs. Wie in Abb. 8(b) zu sehen hängt, die Breite des Resonanzpeaks von dem Gütefaktor ab. Qualitativ heißt dies, hohe Gütefaktoren, d. h. geringe Dämpfung, führen zu schmalen Resonanzpeaks und somit schon bei geringen Resonanzfrequenzverschiebungen zu einer starken Änderung der Schwingungsamplitude. Quantitativ kann man den minimalen de- 8 tektierbaren Kraftgradient zu δF 1 ∝√ δz MIN Q (6) nähern. Eine weitere Stärke des dynamischen AFM’s ist, das man nicht nur Informationen über die Topographie gewinnt, sondern zusätzlich im sogenannten Phasenbild die Energiedissipation während einer Schwingung sehen kann. Die durchschnittliche Leistung die aufgrund von Wechselwirkungen zwischen Spitze und Probe dissipiert P SP lässt sich berechnen zu P SP = P in − P 0 = 1 kω0 (A0 A sin φ − A2 ) 2 Q (7) wobei P in die durchschnittliche Leistung des externen Anregungsmechanismus, P 0 die durchschnittlich dissipierte Leistung der Federbalkenbewegung, φ die Phase der Schwingung, A deren Amplitude und A0 die Amplitude der freien Schwingung ist. Da normalerweise die Schwingungsamplitude konstant gehalten wird, lassen sich Änderungen in der Energiedissipation qualitativ im Phasenbild nachverfolgen. Eine quantitative Analyse ist allerdings nur sehr schwer möglich, da nicht differenziert werden kann zwischen Dissipation aufgrund der Adhäsionseigenschaften der Probe, deren Elastizität u.ä.. Sowohl non contact mode“ als auch intermittent contact mode“ haben einen Vorteil gemeinsam: ” ” Die lateral auf die Probe wirkende Kraft wird minimiert und Verschiebungen somit verhindert. Gegenüber Messungen im Kontakt-Modus haben sie jedoch den Nachteil, dass die Rastergeschwindigkeit typischerweise eine Größenordnung kleiner ist, eine Abbildung also länger dauert. Zudem ist auch bei diesen Modi das Höhensignal kein Absolutsignal: Angenommen, eine perfekt glatte Oberfläche besteht aus zwei Materialien, die streifenförmig nebeneinander liegen. Im Normalfall haben unterschiedliche Materialien auch unterschiedlich starke Wechselwirkungen mit der Spitze. Das Abtasten einer solchen Probe würde in dynamischen Abbildungsmodi also einen Höhenunterschied zwischen den beiden Materialien ergeben. Um solche Höhenartefakte auszuschließen empfiehlt es sich, Oberflächen mit unterschiedlichen Schwingungsamplituden abzurastern und zu kontrollieren ob die registrierten Höhendifferenzen konstant sind. Falls dies nicht der Fall ist, liefert das Höhensignal keine nm-genaue Informationen. Weitere Informationen zur Rasterkraftmikroskopie sind im Buch von B. Bhushan [2] zu finden. 2.2 Kraft/Distanz Messungen Eine große Stärke des AFMs liegt darin, dass nicht nur Topographien abgebildet, sondern auch Oberflächeneigenschaften bestimmt werden können. Neben dem dynamischen Betriebsmodi ist dies auch mit sogenannten Kraft/Distanz-Messungen (engl. force spectroscopy) möglich. Der große Vorteil dieses Operationsmoduses ist, dass auch quantitative Ergebnisse erzielt werden können. Dabei wird an einer festgehaltenen xy-Position der Abstand zwischen Spitze und Material bei gleichzeitiger Messung der Verbiegung des Federbalkens zunächst verringert und danach wieder vergrößert. Mithilfe der Federkonstante k des Federbalkens kann man aus der Messung der Auslenkung x des Balkens mittels F = k · x Hookesches Gesetz 9 (8) auf die wirkende Kraft F schließen. Dadurch können die wechselwirkenden Kräfte zwischen der Spitze und dem zu untersuchenden Material in Abhängigkeit des Abstandes charakterisiert und somit eine Abbildung des vertikalen Kraftfeldes erstellt werden. Dieses Kraftfeld setzt sich aus verschiedenen Anteilen zusammen, die in Kapitel 2.3 näher erläutert werden. Neben dem Kraftfeld werden auch Informationen über die Materialeigenschaften (Elastizität, Adhäsion) der Probe gewonnen. Ein häufiger Anwendungsbereich für Kraft/Distanz Messungen ist die Bestimmung von Adhäsionskräften. Besitzt eine Probe adhäsive Eigenschaften, so weisen die jeweiligen Kraft/Distanz Kurven (Abbildung 9) einen Bereich auf in welchem sich Annäherungs- und Rückzugskurve stark unterscheiden. In der Rückzugskurve ist der sogenannte Adhäsionspeak“ ” zu sehen. Aus der Höhe dieses Peaks lässt sich direkt die wirkende Adhäsionskraft bestimmen. Abb. 9: typische Kraft-Distanz Kurve Um nicht nur die Adhäsion zwischen dem Spitzenmaterial (typischerweise SiO2 oder Si3 N4 ) und einer Probe zu bestimmen, besteht zusätzlich noch die Möglichkeit, Spitzen zu funktionalisieren. Dazu werden sie mit einem beliebigen Material beschichtet und so die Wechselwirkungen zwischen diesem Material und der Probe untersucht. Die Möglichkeiten der Wahl dieses Materials sind recht vielfältig und reichen von einfachen Beschichtungen bis zu biologischen Makromolekülen (Proteine, DNA, Bakterien). Für weitere Details zu Kraft/Distanz-Messungen wird eine Lektüre der Veröffentlichung von Y. Seo und W. Jhe [3] empfohlen. 2.3 Relevante Wechselwirkungen Die Rasterkraftmikroskopie beruht auf intermolekularen Kräften die zwischen Spitze und Oberfläche wirken. Diese kann man in langreichweitige und kurzreichweitige Kräfte gliedern. Zu den langreichweitigen Kräften zählen • van der Waals (vdW) - Wechselwirkungen, • elektrostatische Kraft und • magnetische Kraft. 10 Dabei sind vdW - Wechselwirkungen immer vorhanden. Die Stärke, bzw. Existenz der anderen beiden Kräfte hängt vom jeweiligen System ab. Die kurzreichweitigen Kräfte setzen sich zusammen aus • der sterischen Wechselwirkung und • chemischen bzw. entropischen Kräften“. ” Bei Messungen an Luft treten häufig zusätzlich noch Kapillarkräfte auf: Da bei Normalbedingungen prinzipiell jede Oberfläche mit einer dünnen Wasserschicht überzogen ist, bilden sich zwischen zwei sich berührenden Oberflächen Wasserminiski aus. Diese können je nach Wasserkontaktwinkel der beiden Oberflächen eine attraktive oder repulsive Wirkung haben und u. U. einen starken Einfluss auf AFM Messungen haben (WICHTIG: Da eine Kenntnis des Themas Intermolekulare Kräfte“ am Versuchstag vorausgesetzt wird, sollte nötigenfalls zur Auffrischung ” weiterführende Literatur - z. B. Intermolecular and Surface Forces“ von J. Israelachvili [4] - hin” zugezogen werden.). 11 3 Messaufbau 3.1 Arbeitsplatz Abb. 10: Arbeitplatz Der Messplatz besteht aus zwei Bereichen (vgl. Abb. 10): Ein AFM des Typ Dimension (Bruker, Santa Barbara, USA), welches auf einem aktiven Schwingungsdämpfungstisch gelagert ist und durch eine Haube geschützt ist. Daneben befindet sich ein Arbeitsplatz mit dem Controller und einem PC zur Ansteuerung des AFMs (ACHTUNG: Handhaben Sie das AFM mit Umsicht. Es besteht aus sehr empfindlichen und teuren Teile. Achten Sie darauf sich vor der Berührung des AFMs zu erden und keine Spiegel- bzw. Fensteroberflächen am Scankopf anzufassen.). 3.2 Proben 3.2.1 CD Eine CD besteht typischerweise aus drei bis vier Schichten. Zunächst eine 1,2 mm dicke stabile Polycarbonatschicht. Darüber liegt eine reflektierende Metallschicht, typischerweise Aluminium. Diese ist zum Schutz vor korrodierenden äußeren Einflüssen von einer dünnen Schutzschicht überzogen ist. Darüber wird häufig aus optischen Gründen noch eine weitere Schicht bestehend aus Druckfarbe aufgebracht. In der Polycarbonatschicht sind Vertiefungen sogenannte Pits“ ” eingepresst. Die Bereiche zwischen den Pits werden als Lands“ bezeichnet. Pits und Lands sind ” abwechselnd spiralförmig auf dem Datenbereich der CD angeordnet. 12 Das Auslesen einer CD beruht auf Interferenz. Ein Infrarotlaser (λ = 780 nm) wird auf die Spur fokussiert. Während der Laser die CD abtastet“ detektiert eine Photodiode die Intensität des ” reflektierten Lichts. Erreicht der Laserspot ein Pit, so wird der optische Weg kürzer. Durch eine geeignete Wahl der Pithöhe, kommt es beim Überstreichen der Land/Pit-Grenze zu destruktivere Interferenz und die Photodiode detektiert einen Intensitätsabfall. Die Codierung einer CD basiert auf dem Non-Return-to-Zero-Invert“ (NRZI) Verfahren, dabei wird ein Übergang von Land zu ” Pit oder umgekehrt als 1“ und keine Veränderung als 0“ gewertet. ” ” 3.2.2 Bakterien Als Modelbakterien werden Bakterien der Familie Staphylokokken verwendet. Der Name setzt sich aus den Begriffen ”‘staphyle“’ (griech. für Traube) sowie ”‘kokkos“’ (griech. für Kügelchen) zusammen. Dabei wurde das Bild der Trauben gewählt, da sich Staphylokokken, im Unterschied zu Streptokokken, in zwei Ebenen teilen und dadurch traubenförmige Agglomerate bilden. Der Begriff der ”‘Kügelchen“’ spielt auf die nahezu perfekt sphärische Gestalt der Bakterien an. Sie zeichnen sich durch eine hohe Widerstandsfähigkeit, einen hohen Innendruck (engl. turgor pressure) sowie eine stabile Zellwand aus und sind gram-positiv. Derzeit sind ca. 32 verschiedene Staphylokokkenspezies bekannt, von denen allerdings die meisten nicht den Menschen, sondern lediglich andere Säugetiere infizieren. Für den Menschen gefährlich und damit von besonderem Interesse für die Wissenschaft sind insbesondere Staphylococcus aureus und Staphylococcus epidermidis. Eine weitere für die Wissenschaft sehr interessante Spezies ist Staphylococcus carnosus, die in der Wurstproduktion verwendet wird und vollkommen harmlos ist. Mehr Infos zu Staphylokokken sind im Buch Medizinische Mikrobiologie und Infektiologie“ zu finden [5]. ” 3.2.3 Blockcopolymere Abb. 11: Beispiele für Kettenarchitekturen bei Copolymeren: a) Diblock, b) alternierend, c) zufällig, d) (ABC-)Triblock, e) Multiblock, f) (ABA-)Triblock aus [6]. Unter Polymeren versteht man Makromoleküle aus vielen einzelnen Untereinheiten, den Monomeren. Besteht ein Polymer lediglich aus einer Sorte Monomere, so spricht man von Homopolymeren. Sind mehrere unterschiedliche Monomere verschmolzen, erhält man Heteropolymere bzw. Copolymere. Die unterschiedlichen Monomere können entweder unregelmäßig angeordnet sein, wie dies beispielsweise bei Biopolymeren (DNS, Proteine) üblich ist, oder aber blockweise vorkommen. Im letzteren Fall spricht man von Block-Copolymeren. Abhängig von der Stärke der Wechselwirkung zwischen den einzelnen Blöcken ver- oder entmischen sich diese. Die meisten BlockCopolymere sind bei Raumtemperatur entmischt. Da die unterschiedlichen Blöcke meist verschiedene Eigenschaften (Oberflächenenergien, Elastizitäten) besitzen, kann man durch Beschichtung 13 mit Block-Copolymere strukturierte Oberflächen herstellen. In diesem Versuch wird das lineare Diblock-Copolymer Kraton G1701 der Firma KratonTM verwendet. Es besteht zu 37 % aus Polystyrol (PS) und zu 63 % aus Polyethylenpropylen (PEP) und wird im Alltag hauptsächlich in Schuhsohlen verwendet. Um eine Kratonprobe herzustellen muss die Polymerlösung mittels eines Spincoaters“ 3 auf einen Siliziumwafer aufgebracht werden. ” 3 Mehr Informationen zum Thema Spincoaten“ finden Sie in der Anleitung zum FoPra-Versuch Ellipsometrie“. ” ” 14 4 Versuchsdurchführung 4.1 Vorbereitung Bevor Sie mit dem AFM Messungen durchführen können müssen sie zunächst einige vorbereitenden Schritte durchführen. 1. Zunächst müssen sie eine Spitze in den Spitzenhalter einbauen: Dazu greifen Sie die jeweilige (CM bzw. TM) Spitze vorsichtig mit einer Pinzette und schieben Sie sie unter die Feder am Spitzenhalter. 2. Befestigen Sie den Spitzenhalter am Scankopf (ACHTUNG: Vermeiden Sie die seitlich im Scankopf befindlichen Fenster zu berühren). 3. Fokusieren sie den Laserspot auf die Federbalkenrückseite: Halten Sie dazu den Scankopf über den Probenteller und achten Sie auf den Laserspot auf dessen reflektierender Metalloberfläche. Benutzen Sie die auf dem Scankopf sitzenden Schrauben um den Ablenkspiegel so zu verschieben, dass der Schatten des Federbalkens zu sehen ist. Variieren Sie nun weiter den Spot um die Summe des Signals zu maximieren (TIP: Lassen Sie sich hierbei am Anfang vom Betreuer helfen, da dies einiges an Übung erfordert.) 4. Befestigen sie den Scankopf im AFM. 5. Wählen sie in der Software die Schaltfläche Align“ an und verschieben Sie mittels der seit” lich am Scankopf angebrachten Knöpfe die Photodiode so, dass vertical -“ und horizontal ” ” deflection“ nahezu gleich Null sind. 6. Wählen sie nun die Schaltfläche Navigate“. Mithilfe der Pfeiltasten können sie nun die ” Probe verfahren. Fokussieren sie mittels der Z-achsenkontrolle“ auf die Probenoberfläche ” und suchen sie dann einen geeigneten Probenausschnitt. Für Messungen im Kontaktmodus sind die Vorbereitungen nun abgeschlossen. Im Falle des dynamischen AFMs folgt noch ein weiterer Schritt: 6. Finden Sie die Resonanzfrequenz und stellen Sie die Amplitude der freien Schwingung ein: Wählen Sie dazu die Schaltfläche tune“ an und führen Sie einen Autotune“ durch. ” ” 4.2 Messungen 1. Erstellen Sie sich zunächst einen Ordner mit Ihren Namen im Pfad D: Capture/FoPra/“. ” Um Ihre einzelnen Messungen aufzuzeichnen müssen Sie jedes mal im Menüeintrag Filena” me“ Ihre Messung benennen und den Speicherort (Ihr Ordner) auswählen. Im folgenden kann durch einen Klick auf Capture“ das nächste, ohne zwischenzeitliche Veränderung der ” Parameter fertiggestellte, Bild aufgenommen werden. 2. Betätigen Sie die Engage“ Schaltfläche. Die Spitze wird nun automatisch an die Oberfläche ” angenähert werden. Sobald diese erreicht ist, wird der Scan automatisch beginnen. 3. Nutzen Sie den Setpoint ( amplitude“ oder deflection“), den ???“ und den Integral gain“ ” ” ” ” um das Bild zu optimieren, d. h. die Abweichung von Trace“ und Retrace“ bei möglichst ” ” geringem Rauschen zu minimieren. 4. Sobald Sie mit der Qualität des Bildes zufrieden sind, können Sie den Scan an einem der Enden starten und ein Bild aufnehmen. 15 4.2.1 CD • Arbeiten Sie im Kontaktmodus. • Nehmen Sie Bilder an verschiedenen Stellen der CD auf. Messen Sie Breite und Länge der Pits“ und tragen sie diese als Histogramm auf. ” • Bilden Sie ein und dieselbe Stelle mit unterschiedlichen Scangeschwindigkeiten ab und bestimmten sie die Tiefe der Pits. 4.2.2 Kratonprobe • Arbeiten Sie im Tapping mode“ ” • Bilden Sie unterschiedliche Positionen der Probe ab. • Bestimmen Sie die durchschnittliche Domänengröße. 4.2.3 Bakterienprobe • Arbeiten Sie im Kontaktmodus. • Bilden Sie unterschiedliche Positionen der Probe ab. • Erzeugen Sie eine 3D Darstellung eines Clusters von Bakterien. • Führen sie an einer geeigneten Stelle eine Force Volume map aus. 4.2.4 Eigene Probe • Überlegen Sie sich, welcher Modus am geeignetsten ist und bearbeiten Sie ihre Fragestellungen. 16 Literatur [1] G. Binnig and H. Rohrer. Geburt und Kindheit der Rastertunnelmikroskopie (NobelpreisVortrag). Angew. Chemie Int. Edit., 99:622, 1987. [2] B. Bhushan. Springer Handbook of Nanotechnology. Springer, Berlin, 2nd edition, 2006. [3] Yongho Seo and Wonho Jhe. Atomic force microscopy and spectroscopy. Rep Prog Phys, 71:016101, 2008. [4] Jacob Israelachvili. Intermolecular and surface forces. Academic Press, San Diego, 2nd edition, 1992. [5] S. Gatermann and K. Miksits. Staphylokokken. In Helmut Hahn, Stefan H. E. Kaufmann, Thomas F. Schulz, and Sebastian Suerbaum, editors, Medizinische Mikrobiologie und Infektiologie, pages 191–202. Springer, Berlin, 2008. [6] H. Hähl. Fliessverhalten komplexer Flüssigkeiten auf der Nanometer-Skala Rasterkraftmikroskopische Studien an Blockcopolymeren. Diplomarbeit, Universität des Saarlandes, 2006. 17