Aufnahme des Klima- und Ökosystems des Arktischen Ozeans

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Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung
in der Helmholtz Gemeinschaft
Am Handelshafen 12
27570 Bremerhaven
PRESSEMITTEILUNG
Das Meereis wird dünn – Aufnahme des Klima- und Ökosystems des Arktischen Ozeans
Bremerhaven, den 13. September 2007. Große Flächen des arktischen Meereises sind in
diesem Jahr nur einen Meter dick und damit etwa 50 Prozent dünner als im Jahr 2001.
Dies ist das erste Ergebnis einer vom Alfred-Wegener-Institut für Polar- und
Meeresforschung in der Helmholtz-Gemeinschaft geleiteten Expedition ins
Nordpolarmeer. 50 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind zweieinhalb Monate
an Bord des Forschungsschiffes Polarstern unterwegs, um die Meeresgebiete in der
zentralen Arktis zu untersuchen. Sie fanden unter anderem heraus, dass sich nicht nur
die Meeresströmungen, sondern auch die Lebensgemeinschaften in der Arktis
verändern. Ausgesetzte autonome Messbojen sollen auch nach Ende der Expedition
wertvolle Daten aus diesem sich zurzeit stark veränderndem Ozean liefern.
„Die Eisbedeckung des Nordpolarmeeres schwindet, der Ozean und die Atmosphäre werden
stetig wärmer, die Meeresströmungen verändern sich“, so Fahrtleiterin Dr. Ursula Schauer
vom Alfred-Wegener-Institut zu den aktuellen Expeditionsergebnissen. Sie ist mit 50
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus Deutschland, Russland, Finnland,
Niederlande, Spanien, USA, Schweiz, Japan, Frankreich und China in der Arktis unterwegs,
um den Zustand von Ozean und Meereis zu untersuchen. „Inmitten einer Phase dramatischen
Wandels in der Arktis bietet das Internationale Polarjahr 2007/08 die einmalige Möglichkeit,
diesen Ozean in Veränderung fächer- und länderübergreifend zu untersuchen“, so Schauer.
Ozeanographen an Bord des Forschungsschiffes Polarstern untersuchen die
Zusammensetzung und Zirkulation von Wassermassen, die physikalische Beschaffenheit des
Meereises und den Transport bio- und geochemischer Komponenten in Eis und Meerwasser.
Auch die Ökosysteme im Meereis, im Wasser und am Meeresboden stehen im Fokus der
Beobachtungen. Wissenschaftler gewinnen Sedimentkerne vom Meeresboden, um die
Klimageschichte der umgebenden Kontinente zu rekonstruieren.
Erstmalig werden im Internationalen Polarjahr in allen Regionen des Nordpolarmeeres
autonome ozeanographische Messbojen eingesetzt. Sie driften quer durch den Arktischen
Ozean und messen dabei Strömung, Temperatur und Salzgehalt des Meeres. Die Bojen
übertragen diese Daten regelmäßig per Satellit direkt in die Labore der Wissenschaftler.
Ebenfalls neu ist der Einsatz eines Titanmesssystems, das durch seine hohe Effektivität
erstmals in großem Umfang eine kontaminationsfreie Beprobung von Spurenstoffen
ermöglicht. Diese Untersuchungen finden im Rahmen verschiedener Forschungsprojekte statt,
die alle zum Internationalen Polarjahr beitragen: SPACE (Synoptic Pan-Arctic Climate and
Environment Study), iAOOS (Integrated Arctic Ocean Observing System) und
GEOTRACES (Spurenstoffe in der Arktis). Gleichzeitig ist ein Großteil der Arbeiten
Bestandteil des EU-geförderten Programmes DAMOCLES (Developing Arctic Modelling and
Observing Capabilities for Long-term Environment Studies). Weitere Informationen zu diesen
Projekten und zum Internationalen Polartag mit dem Motto „Meereis“ finden Sie auf der
Webseite des deutschen Beitrags zum Internationalen Polarjahr (www.polarjahr.de).
Veränderungen des Meereises
Die Dicke des arktischen Meereises hat seit 1979 abgenommen und beträgt im zentralen
arktischen Becken zurzeit etwa einen Meter. Ozeanographen fanden zudem einen besonders
hohen Anteil an Schmelzwasser im Meer und eine große Anzahl von Schmelztümpeln. Diese
an Bord von Polarstern und von Hubschraubern aus gesammelten Daten ermöglichen den
Wissenschaftlern, aktuelle Satellitenaufnahmen besser interpretieren zu können.
Meereisbiologen des Instituts für Polarökologie der Universität Kiel untersuchen die Tiere
und Pflanzen, die im und unter dem Eis leben. Sie nutzen die Chance, dieses vom Untergang
bedrohte Ökosystem zu erforschen. Nach neuesten Modellrechnungen könnte die Arktis bei
weiterer Erwärmung in weniger als 50 Jahren im Sommer eisfrei sein. Dies könnte zum
Aussterben vieler an diesen Lebensraum angepasster Organismen führen.
Meeresströmungen
Die Meeresströmungen in der Arktis sind ein wichtiger Bestandteil der globalen Zirkulation.
Warme Wassermassen, die aus dem Atlantik einströmen werden in der Arktis durch
Abkühlung und Eisbildung verändert und sinken in größere Tiefen ab. Dauermessungen des
Alfred-Wegener-Institutes für Polar- und Meeresforschung im vergangenen Jahrzehnt haben
erhebliche Schwankungen und die Erwärmung des einströmenden Wassers aus dem Atlantik
gezeigt. Auf der aktuellen Expedition wird die Ausbreitung dieser warmen Anomalien entlang
verschiedener Stromarme im Nordpolarmeer untersucht.
Die riesigen Flüsse Sibiriens und Nordamerikas transportieren gewaltige Mengen Süßwasser
in die Arktis. Dieses Süßwasser wirkt als isolierende Schicht und kontrolliert den
Wärmeaustausch zwischen Ozean, Eis und Atmosphäre.
Die Untersuchungen erstrecken sich von den Schelfgebieten der Barentssee, der Karasee und
der Laptewsee über das Nansen- und das Amundsenbecken bis ins Makarowbecken.
Zwischen Norwegen und Sibirien und bis in das kanadische Becken hinein haben die
Wissenschaftler bislang auf mehr als 100 Stationen Temperatur-, Salzgehalts- und
Strömungsmessungen durchgeführt. Erste Ergebnisse zeigen, dass die Temperatur des
Einstroms aus dem Atlantik niedriger ist als im Vorjahr.
Auch in der arktischen Tiefsee ändern sich Temperatur und Salzgehalt langsam. Hier sind die
Änderungen zwar gering, umfassen allerdings tausende von Metern Mächtigkeit und damit
ein enormes Wasservolumen. Um die Zirkulation auch im Winter zu verfolgen, werden
autonome ozeanographische Messbojen auf Eisschollen ausgebracht, die Messungen im
Wasser aufnehmen, während sie mit dem Eis treiben. Die Messdaten werden über Satelliten
übertragen.
Neben Meeresströmungen und Meereis werden auch das im Wasser schwebende
Zooplankton, Sedimentablagerungen am Meeresboden und Spurenstoffe untersucht.
Zooplankton ist die Nahrungsgrundlage vieler Meeresbewohner und damit ein wichtiger
Indikator für den Zustand des Ökosystems. Die Ablagerungen auf dem Grund des
Nordpolarmeeres zeichnen wie ein Tagebuch die wechselvolle Geschichte der
Klimaveränderungen auf den umliegenden Kontinenten auf. So können die Wissenschaftler
mittels Sedimentkernen die Vergletscherungen Nordsibiriens entschlüsseln.
Außerdem konnten die Expeditionsteilnehmer Spurenstoffe aus den sibirischen Flüssen und
Schelfgebieten messen, die mit der Transpolardrift in Richtung Atlantik geführt werden.
Transdrift
Zeitgleich zur Polarsten-Expedition ist das russische Forschungsschiff Ivan Petrov in der
Laptevsee unterwegs, um erste Auswirkungen der klimatischen Veränderungen auf
die Fronten- und Polynjasysteme in der Laptev-See zu erfassen und die Folgen für die globale
Klimaentwicklung aufzuzeigen. Dies geschieht im Rahmen des BMBF-Verbundvorhabens
System Laptev-See bis 20. September mit der russisch-deutschen Expedition Transdrift XII.
An Bord der Ivan Petrov sind 25 Wissenschaftler vom Alfred-Wegener-Institut für Polar- und
Meeresforschung, dem IFM-GEOMAR Leibniz-Institut für Meereswissenschaften, der
Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz sowie vom Staatlichen Institut für
Arktis- und
Antarktisforschung der RF in St. Petersburg, den Universitäten Moskau und St. Petersburg
und dem Lena Delta Reservat in Tiksi. Hierzu werden Meeresobservatorien für den Zeitraum
von zwei Jahren verankert und Feldstudien durchgeführt. Die Expedition Transdrift XII ist die
erste von sieben Expeditionen in den nächsten 30 Monaten.
Mehr Informationen und Berichte von der aktuellen Polarstern-Expedition finden Sie auf
unseren
Internetseiten:http://www.awi.de/de/infrastruktur/schiffe/polarstern/wochenberichte/alle_expe
ditionen/ark_xxii/ark_xxii2/
Hinweise für Redaktionen:
Ihre Ansprechpartnerin in der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit ist Dr. Angelika Dummermuth
(Tel: 0471/4831-1742; E-Mail: [email protected]). Druckbare Bilder finden Sie auf der
Internetseite des Alfred-Wegener-Instituts (http://www.awi.de). Bei Veröffentlichung senden
Sie uns bitte einen Beleg.
Das Alfred-Wegener-Institut forscht in der Arktis, Antarktis und den Ozeanen der mittleren sowie
hohen Breiten. Es koordiniert die Polarforschung in Deutschland und stellt wichtige Infrastruktur wie
den Forschungseisbrecher Polarstern und Stationen in der Arktis und Antarktis für die internationale
Wissenschaft zur Verfügung. Das Alfred-Wegener-Institut ist eines der fünfzehn Forschungszentren
der Helmholtz-Gemeinschaft, der größten Wissenschaftsorganisation Deutschlands.
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