Institut für Theoretische Physik der Universität zu Köln http://www.thp.uni-koeln.de/~berg/so11/ http://www.thp.uni-koeln.de/~af/ Johannes Berg Andrej Fischer Mathematische Methoden 1. Übung Musterlösung Sommersemester 2011 Dieses Dokument soll als Referenz für das Format und die Standards der Bearbeitung von Übungsaufgaben gelten. Beispielhaft werden Aufgaben 1.(i) und 2.(i) vom ersten Übungsblatt vorgestellt. Vielen Dank an Daniel Wieczorek für die gründliche Ausarbeitung dieser Musterlösung. Vor der Bearbeitung der Aufgaben ist es wichtig, sich zunächst mit den verwendeten Begriffen vertraut zu machen. In Aufgabe 1 sollen wir zeigen, dass eine bestimmte Menge mit gewissen Verknüpfungen zu einem reellen Vektorraum wird; wir müssen dazu zunächst wiederholen, was ein reeller Vektorraum ist. (Dies gehört natürlich nicht auf eine Abgabe.) Definition: Ein Tripel (V, ⊕, ⊗) aus einer Menge V und zwei Operationen ⊕ : V × V → V und ⊗ : R × V → V heißt Vektorraum, wenn folgende Axiome erfüllt sind: (i) Es gibt ein (eindeutiges) e ∈ V , genannt Nullvektor, sodass für alle v ∈ V e ⊕ v = v gilt. (ii) Für alle u, v ∈ V gilt das Kommutativgesetz u ⊕ v = v ⊕ u. (iii) Für alle u, v, w ∈ V gilt das Assoziativgesetz (u ⊕ v) ⊕ w = u ⊕ (v ⊕ w). (iv) Zu jedem v gibt es ein inverses Element v −1 (geschrieben −v), sodass v ⊕ −v = e gilt. (v) Für alle α, β ∈ R und alle v ∈ V gilt α ⊗ (β ⊗ v) = (αβ) ⊗ v. (vi) Für alle α ∈ R und alle u, v ∈ V gilt α ⊗ (u ⊕ v) = α ⊗ u ⊕ α ⊗ v. (vii) Für alle α, β ∈ R und alle v ∈ V gilt (α + β) ⊗ v = α ⊗ v ⊕ β ⊗ v. (viii) Für alle v ∈ R gilt 1 ⊗ v = v (dabei ist 1 ∈ R). Bemerkung: Die Axiome 1.-4. besagen also, dass (V, ⊕) eine abel’sche Gruppe ist. Um zwischen der Addition zwischen Zahlen und Vektoren bzw. der Multiplikation in R und der Skalarmultiplikation zu unterscheiden, schreiben wir hier ⊕ bzw. ⊗. Um die Aufgabe zu lösen, werden wir also eine geeignete Vektoraddition und Skalarmultiplikation finden müssen bzw. diese aus der Vorlesung übernehmen. Eine mögliche Abgabe dieser Aufgabe könnte wie folgt aussehen: 1. Reelle Vektorräume Wir definieren die Vektoraddition von zwei linearen Funktionen aus V = {f : R → R; x 7→ f (x) = ax + b, a, b ∈ R}, indem wir die Funktionswerte punktweise addieren, d.h. wir ordnen den Funktionen f : R → R; x 7→ f (x) = ax + b und g : R → R; x 7→ g(x) = cx + d die Funktion f ⊕ g : R → R; x 7→ (f ⊕ g)(x) := f (x) + g(x) = (a + c)x + b + d zu. In gleicher 1 Weise definieren wir für α ∈ R die Funktion α⊗f : R → R; x 7→ (α⊗f )(x) := αf (x) = αax+αb. Behauptung: (V, ⊕, ⊗) ist ein Vektorraum. Beweis: Um zu zeigen, dass (V, ⊕, ⊗) ein Vektorraum ist, überprüfen wir Schritt für Schritt die Gültigkeit der Axiome: (i) Der Nullvektor ist die Nullfunktion e : R → R; x 7→ 0. Diese Funktion ordnet jedem x die Zahl 0 ∈ R zu und damit gilt stets e ⊕ f = f für eine beliebige lineare Funktion f , da sich an keiner Stelle die Funktionswerte verändern. (ii) Die Kommutativität folgt aus der punktweisen Zurückführung auf die Addition in R. Letztere ist kommutativ. (iii) Wie 2. (iv) Die zur Funktion f : R → R; x 7→ f (x) = ax + b inverse Funktion hat den Funktionsterm −f (x) = −ax − b, denn es gilt f (x) − f (x) = ax + b − ax − b = 0 für alle x und damit f ⊕ (−f ) = e. (v) Wir haben für α, β ∈ R und f : R → R; x 7→ f (x) die Gleichung (α ⊗ (β ⊗ f ))(x) = α((β ⊗ f )(x)) = αβf (x) = ((αβ)⊗f )(x). Hierbei ist zu beachten, dass wir links mit einer Funktion gestartet sind, die auf ein beliebiges x angewendet wurde, und rechts nur durch Anwendung der Definition der entsprechenden Operationen bei einer anders aussehenden Funktion ausgekommen sind. Diese Gleichheit gilt für alle x. Die beiden Funktionen müssen also gleich sein, und wir haben α ⊗ (β ⊗ f ) = (αβ) ⊗ f gezeigt. (vi) Wie in 5. haben wir hier für α ∈ R und Funktionen f, g die Gleichung (α ⊗ (f ⊕ g))(x) = α((f ⊕g)(x)) = α(f (x)+g(x)) = αf (x)+αg(x) = (α⊗f )(x)+(α⊗g)(x) = (α⊗f ⊕α⊗g)(x). (vii) Wie in 5.,6. gilt auch hier für α, β ∈ R und eine Funktion f die Gleichung ((α+β)⊗f )(x) = (α + β)f (x) = αf (x) + βf (x) = (α ⊗ f )(x) + (β ⊗ f )(x) = (α ⊗ f ⊕ β ⊗ f )(x). (viii) (1 ⊗ f )(x) = 1f (x) = f (x) und damit 1 ⊗ f = f . Da alle Axiome erfüllt sind haben wir gezeigt, dass (V, ⊕, ⊗) ein Vektorraum ist. Bemerkung: Die Notation ist mit Absicht allgemein gehalten - wir haben somit sogar gezeigt, dass jede unter diesen beiden Operationen abgeschlossene Menge von Funktionen ein Vektorraum ist, insbesondere auch 1(ii) (bei der Addition zweier Polynomfunktion vom Grad n kommt eine Polynomfunktion heraus, die ebenfalls höchstens Grad n hat). Der Rückgriff auf den konkreten Funktionsterm in 3. war nur zur Illustration gedacht - die Aussage f (x) + (−f (x)) = 0 gilt natürlich für zwei beliebige Funktionsterme. 2 Wir wollen uns im Folgenden außerdem die Aufgabe 2(i) ansehen. Dazu klären wir wieder die Definitionen der verwendeten Begriffe. Im Folgenden sehen wir von der expliziten Bezeichnung der Verknüpfungen ⊕ und ⊗ ab. Definition: Sei V ein endlichdimensionaler Vektorraum. Eine Teilmenge {v1 , ..., vn } heißt linear unabhängig, falls sich diePElemente nur trivial zum Nullvektor linear kombinieren lassen, d.h. wenn aus der Gleichung ni=1 αi vi = e für reelle αj stets α1 = ... = αn = 0 folgt. Definition: Sei V ein endlichdimensionaler Vektorraum. Eine endliche Teilmenge B ⊂ V heißt Erzeugendsystem von V , falls sich jeder Vektor v ∈ V als Linearkombination von Elementen aus B Pschreiben lässt, d.h. wenn es Zahlen α1 , ..., αn ∈ R und Vektoren b1 , ...bn ∈ B gibt, sodass v = ni=1 αi bi gilt (diese Darstellung muss nicht eindeutig sein). Für Aufgabe 2(i) könnte eine mögliche Abgabe so aussehen: 2. Erzeugendensystem und Lineare Unabhängigkeit Behauptung: Die Mengen B1 = {1, x} und B2 = {1 + x, 1 − x} sind linear unabhängige Erzeugendensystems für den oben betrachteten Vektorraum V . Beweis: Unter den Elementen verstehen wir natürlich Funktionen, d.h. 1+x entspricht der Funktion 1+x : R → R; x 7→ 1+x. Wir bezeichnen die Nullfunktion wieder mit e, um Verwechslungen zwischen Funktionen und Zahlen auszuschließen. Zur linearen Unabhängigkeit: Wir müssen aus der Gleichung α1 1 + α2 x = e zwischen Funktionen folgern, dass die reellen Koeffizienten α1 und α2 verschwinden müssen. Diese Gleichung ist aber äquivalent zur Aussage, dass für alle x ∈ R die (Zahlen-)Gleichung α1 + α2 x = 0 erfüllt ist. Insbesondere muss diese also für die Werte x = 0 und x = 1 erfüllt sein, woraus die Gleichungen α1 = 0 und α1 + α2 = 0 folgen, d.h. α1 = α2 = 0. Ebenso verfahren wir für B2 : α1 (1+x)+α2 (1−x) = 0 muss für alle x ∈ R erfüllt sein. Eine kurze Umformung gibt jedoch (α1 − α2 ) x + (α1 + α2 ) = 0. Da wir bereits wissen, dass die Funktionen x und 1 linear unabhängig sind, kann diese Gleichung nur genau dann für alle x richtig sein, wenn die Koeffizienten verschwinden, d.h. α1 − α2 = 0 und α1 + α2 = 0, woraus man sofort α1 = α2 = 0 gewinnt. Zum Erzeugendensystem: Jede lineare Funktion lässt sich offenbar also Linearkombination der Funktionen 1 und x schreiben, denn für reelle a, b hat die Funktion ax + b den Funktionsterm f (x) = ax + b. Geben wir eine lineare Funktion g mit Term g(x) = mx + n vor, so müssen wir lediglich a = m und b = n wählen. Eine Linearkombination der Funktion 1 + x und 1 − x hat, wie wir gesehen haben, den Funktionsterm f (x) = (a − b)x + (a + b). Geben wir wieder g mit g(x) = mx + n vor, so müssen wir aufgrund der linearen Unabhängigkeit der Funktionen 1 und x das lineare Gleichungssystem a−b = m, a+b = n auf eindeutige Lösbarkeit untersuchen. Dies geschieht durch Angabe der eindeutigen Lösung; es ist a = m+n und b = n−m 2 2 . Damit bilden auch die Funktionen 1 + x und 1 − x ein Erzeugendensystem. 3