Ebene Spannungsoptik Das Phänomen der Spannungsoptik besteht in der doppelbrechenden Eigenschaft durchsichtiger, ursprünglich isotroper Werkstoffe. Der Effekt besteht darin, daß bei mechanischer Belastung eine optische Anisotropie entsteht, die in Polariskopen sichtbar gemacht wird. Polarisiertes Licht, das ein ebenes transparentes und belastetes Modell durchstrahlt, wird entsprechend der einwirkenden Hauptspannungen in zwei senkrecht aufeinanderstehende Teilwellen zerlegt. Die Komponenten des polarisierten Lichtvektors zerfallen in Richtung r1 von und r2, wobei die Spannungen die Durchtrittsgeschwindigkeit dieser Komponenten ändern und eine Phasenverschiebung hervorrufen. Doppelbrechung und Polarisation Polarisiertes Licht schwingt in Ausbreitungsrichtung in einer Vorzugsrichtung. Am Beispiel Kalkspat-Kristalls lassen sich folgende Definitionen treffen: E K1 D K1 , K2 , D... Hauptschnittebene C B ordentlicher Strahl 0 Lichtstrahl E a K2 außerordentlicher Strahl a 0 Bild 1 Der außerordentliche Strahl: wird in Richtung BC gebrochen, schwingt in der Ebene des Hauptschnittes bricht eine veränderteDurchschnittsgeschwindigkeit. Beide Strahlen sind bei gleicher Lichtstärke senkrecht zueinander polarisiert. Die Welle mit der schnelleren Durchschnittsgeschwindigkeit besitzt in der Schwingungsrichtung die sogenannte "schnelle Achse". Polarisatoren sind demnach Folien doppelbrechender Kristalle bzw. organischer Polymere, die linear polarisiertes Licht liefern. Der Nachteil des gleichzeitigen Auftretens von ordentlichen und außerordentlichen Strahl wird durch Absorption eines Strahles (Dichroismus) beseitigt. Lineares Polariskop Das Linearpolariskop besteht aus einem Paar linearer Polarisatoren, den Polarisator und dem Analysator, zwischen denen sich das Objekt befindet. A = A cos(Tt) Polarisator A 0 y F F F 2 A A linear polarisiertes Licht 1 " 1 x A 2 A 2 *( N) A Analysator 1 H 1 H 2 *( N) Bild 2 Die Hauptspannungen r 1 und r 2 bilden die Achsen für den langsamen bzw. schnellen Durchtritt des Lichtstrahls, wodurch die Phasenverschiebung d entste ht. Diese ist für eine bestimmte Wellenlänge k der Hauptnormalspannungsdifferenz und der Modelldicke proportional. Der Polarisator registriert die Anteile H 1 und H 2 der phasenverschobenen Strahlen. Das den Analysator verlassende Licht wird somit nur durch d charakterisiert. Hellfeldkonfiguration: Polarisator und Analysator sind parallel angeordnet. Dunkelfeldpolarisation: Polarisator und Analysator stehen senkrecht zueinander (siehe Bild) Die Phasendifferenz d berechnet sich zu: d= 2o ( k n1 - n2 )d n 1 ... Hauptbrechzahlen d... Modelldicke k... Wellenlänge Das Spannungsoptische Gesetz 1841 fand NEUMANN ein lineares Verhältnis zur Dehnungsdifferenz n 1 - n 2 = K (e 1 - e 2 ). e i ... Hauptdehnungen K... Spannungsoptische Konstante bei Dehnungseinfluß 1852 führte MAXWELL den Zusammenhang zu den Hauptspannungen auf, was bei elastischem Materialverhalten nach dem Hookeschen Gesetz naheliegend erscheint: n 1 - n 2 = S (r 1 - r 1 ) S... Spannungsoptische Konstante bei Spannungseinfluß Damit entsteht: d= 2o k & S(r1 - r 2 )d für weißes Licht: k = 576 nm oder: r1 - r2 = C d & N = 2t max C... Spannungsoptische Konstante d N = 2o ... Isochromatenordnung Spannungsoptische Konstanten Material E-Modul (GPA) Querkontraktion C (kpa/N/m) PSM-1 (Polycarbonat) 2,5 0,38 7,0 PSM-5A (Epoxidharz) 3,1 0,36 10,5 PSM-4 (Polymethan) 0,004 0,5 0,15 Intensität hinter dem Analysator Wird bei Aufspaltung der Lichtwelle in Richtung r1 -Achse bzw. r2 -Achse die entstehende Komponente mit a sina bzw. a cos a moduliert, so entsteht die Intensität für die x-Komponenten zu: Dunkelfeld H = -a sin 2a sin 2d sin zt + 2d I A = A 2 = Ao sin 2 2d sin 2 2a I A = 0 (Dunkelheit) für sin 2 2a = 0, a = 0, o2 , ..., N & o2 und sin 2 2d = 0, d = 0, 2o, ..., 2o & N Isoklinen (wellenlängenunabhängig) Isochromaten (farbig im Weißlicht) Isoklinen kennzeichnen Orte, deren Polarisationsrichtung mit den Hauptspannungsrichtungen zusammenfallen. Isochromaten erscheinen in weißem Licht farbig und kennzeichnen Orte gleicher Hauptspannungsdifferenz. Im Linearpolariskop treten somit Isoklinen und Isochromatenlinien als dunkle Streifen gleichzeitig auf. Hellfeld I A = A o 1 - sin 2 2d sin 22a Zirkularpolariskop Das Zirkularpolariskop erhält man aus dem Linearpolariskop unter Einfügung zweier k/4 -Wellenplatten. Nach dem Durcheilen des Polarisators wird der Lichtvektor in zwei zueinander orthogonale Komponenten zerlegt, deren Phasenunterschied k/4 der Wellenlänge des verwendeten Lichts beträgt. Die beiden Komponenten beschreiben mit gleicher Amplitude einen Vektor, dessen Spitze in Ausbreitungsrichtung nach einer Wellenlänge einen Kreis beschreibt. Es entsteht zirkular polarisiertes Licht. Eine zweite, um 90° versetzte k/4 -Platte hebt die konstante Phasenverschiebung vor dem Analysator wieder auf. Da das zirkular polarisierte Licht bei Belastung richtungsunempfindlich reagiert, können sich keine Isoklinen ausbilden. (Bild 3) Der Analysator registriert wiederum nur linear polarisiertes Licht. Somit lassen sich reine Isochromatenbilder ermitteln. Die Ordnungen entstehen im weißen Licht, schwarz (N=0) bzw. im Umschlag rot-blaugrün (N=1), rot-grün (N=2), rosa-grün (N=3) usw. A A = A0 cos(Tt) Polarisator A 8/4-Platte linear polarisiertes Licht y F2 zirkular polarisiertes Licht F F1 A1 " x A2 A2 8/4-Platte *( N A1 Analysator ) H1 H2 Bild 3 *( N ) Anordnung im Polariskop Intensität am Analysator Lineares Dunkelfeld I = sin Lineares Hellfeld I = 1 - sin2 2a & sin2 2d 90 90 90 90 Zirkulares Dunkelfeld I = sin 2 2d 90 45 -45 0 Zirk ulares Hellfe ld I = 1 - sin2 2d = cos2 d2 90 45 -45 90 2 2a & sin2 d2 P Q Q A 90 90 90 0 Auswertung Anhaltspunkte hierfür sind für Isochromatenbilder: schwarze Orte: lastfreie Ränder: r1 - r2 = 0 r1 = r 2 = 0 (Isotrope Punkte) Die Spannungskomponente senkrecht zur Oberfläche (z.B . r 2 ) muß verschwinden, daher gilt r1 = N&C d Bild 4: Gebogener Zugstab - Isochromatenverlauf (VMG Bull. SFC-300-B) Isoklinenberechnung Angefangen von einer linearen Hellfeldeinstellung werden alle optischen Elemente schrittweise um 22,5° viermal gedreht (O°; 22,5°; 45°; 67,5°). Die jeweils ermittelten Intensitäten I liefern die Isoklinenphase: W(4a) = arctan I 4 -I 2 I 3 -I 1 , für eine vollständige Phase (360°) oder in modulo 2o erhält man somit quasi das Phasenbild für den Isoklinenwinkel 4a . Um Isoklinenphasenbilder guter Qualität zu erhalten, wird Weißlicht verwendet. Das Verfahren ist daher dem Phasenshiftverfahren der Interferometrie vergleichbar. Isochromatenberechnung Die im zirkular polarisiertem Licht separierten Isochromaten werden durch die Aufnahme von 8 Bildern berechnet, wobei zusätzlich die Informationen des Isoklinenphasenbildes benötigt werden. Die Grauwertbilder werden in 512 x 512 Bildpunkte mit verfügbaren 256 Grauwertstufen in 8 Bit-Tiefe digitalisiert. Durch die Verknüpfung eines Isochromatenbildes mit jeweils einem entsprechenden Isoklinenbild wird der Betrag der Normalspannungsdifferenz ermittelt und das Vorzeichen der Spannungen bei der Trennung in die einzelnen Komponenten richtig zugeordnet. Um das richtige Ergebnis zu erhalten, muß die Streifenordnung am Startpunkt der notwendigen Demodulation der modulo 2o - Bilder bekannt sein. Bei Beleuchtung mit Weißlicht bietet sich die Null-Ordnung der Isochromaten an. Räumliche Spannungsoptik Einfrierverfahren (frozen stress technique) Die räumliche Spannungsoptik benutzt vorwiegend Gieß-Modelle aus Epoxidharz, die in einer entsprechenden Form (z.B. Gips-Hinterfüllung und formgebende Silikonkautschuk-Schicht) konventionell abgegossen werden. Das Modell wird entsprechend belastet und dabei langsam erwärmt (ca. 2 Grad/h im Bereich 60°C....130°C). Das Epoxidharz wird "weich" und verformt sich entsprechend der Belastung. Danach erfolgt ebenso schrittweise eine Abkühlung, bei der sich das Modell verfestigt. Der Spannungszustand ist nun "eingefroren". Bild 5: Belastung eines Modells einer Dieselmotorengrundplatte Die spannungsoptische Analyse wird an ebenen Schritten vorgenommen, die man dem Modell an interessierenden Stellen entnimmt. Die Auswertung erfolgt wie in der ebenen Spannungsoptik, nur mit dem Unterschied, daß nunmehr in der Regel keine unbelasteten Oberflächen durchstrahlt werden, d.h. die Hauptspannungen sind aus der Oberflächenebene heraus gedreht. Es entstehen "sekundäre Hauptspannungsdifferenzen", die aus den Randbedingungen in ihrer absoluten Größe bestimmt werden müssen. Bild 6: Schnitt des Lagerdeckels Bild 7: Detail Schraubenverbindung mit Kerbe Oberflächenschichtverfahren Spannungsoptische Analysen an realen Bauteilen erfolgen mittels Oberflächenschichtverfahren mit Reflexionspolariskopen (Bild 8). Schichten werden entweder durch Aufkleben von Folien/Platten oder flüssige Harz/ HärterGemische bzw. Sprays erzeugt. Schichten müssen gewährleisten: - konstante Dicken - keine Versteifungseffekte - Empfindlichkeit im elastischen und plastischen Bereich der Bauteildeformation. Lichtquelle Spannungsoptische Schicht Polarisator 8/4-Platte 8/4-Platte Analysator Beobachter Bild 8: Prinzip des Reflexionspolariskops Reflexionsschicht Die Oberflächendehnung des Objektes wird auf die spannungsoptische Schicht übertragen und muß gegebenenfalls angepaßt werden. Der Lichtstrahl durchläuft die Schicht auf dem Hin- und Rückweg zweimal: d = N & k = 2d & (ex - ey )M & K Damit ist: (r x - r y ) M = f= k 2t&S = EM 1+m M ( e x E - e y ) M = N & f & 1+mMM im elastischen Fall. 576&10-6 nm 2d&S f.... Ordnungswert des Schichtmaterials M... Schichtindex O... Bauteiloberflächenindex An der Oberfläche des Bauteiles gilt demnach: (r1 - r2 ) 0 = E0 EM & 1+m M 1+m 0 K & N & 2d = E0 EM & 1+m M 1+m 0 & (r 1 - r2 ) M