4 Zielgerichtete Therapie bei HER2-positiven Tumoren

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4
Zielgerichtete Therapie bei HER2-positiven
Tumoren
Rachel Würstlein, Nadia Harbeck
4.1
Einleitung
Neben der antihormonellen Therapie ist die HER2-gerichtete Therapie die
wichtigste zielgerichtete Therapie beim Mammakarzinom. Diese Zielstruktur
wurde 1987 erstmals von Slamon et al. beschrieben und die klinische Umsetzung 2001 publiziert (Slamon 2001). Die Nutzung der HER-Rezeptoren als Zielmolekül an der Tumorzelle ist beim frühen wie beim metastasierten HER2positiven Mammakarzinom Standard. Dabei ist der HER2-Rezeptor der
Tumorzelle als prognostischer und prädiktiver Marker für den Einsatz einer
HER2-gerichteten Therapie geprüft. Für diese Therapie ist ein Überlebensvorteil für Patientinnen mit frühem oder auch metastasiertem Karzinom bewiesen. Zum Einsatz kommen Antikörper, die an den Rezeptoren der Zelloberfläche die Signalübertragung blockieren, oder sog. small molecules, die jenseits der
Membran die Tyrosinkinase inhibieren und somit die Zellteilung hemmen.
In der adjuvanten Therapielinie hat sich die einjährige Trastuzumab-Therapie seit über 10 Jahren in Kombination mit der adjuvanten Chemotherapie bewährt. Trastuzumab wurde 1998 in den USA und 2000 in der Europäischen
Union zugelassen, zunächst für Patientinnen mit metastasiertem Mammakarzinom und einer Überexpression an HER2. Seit 2006 besteht auch die Zulassung für das HER2-positive primäre Mammakarzinom.
Beim metastasierten Mammakarzinom werden kleine Moleküle, die die
HER2-Tyrosinkinase-Aktivität hemmen, monoklonale Antikörper, die im Bereich der extrazellulären Domäne des HER2 ansetzen, Antikörper-Medikamenten-Konjugate (ADC) und Heat-Shock-Protein-Inhibitoren untersucht. In
der metastasierten Situation kommen neben Trastuzumab weitere zugelassene
Substanzen (Lapatinib) als Monosubstanz, in der dualen Blockade mit einem
weiteren HER-agierenden Zielmolekül (Pertuzumab) sowie in der Kombination
mit der antihormonellen Therapie bzw. (Mono-)Chemotherapie zum Einsatz.
Die neueste Zulassung betrifft T-DM1 (Emtansine). In der aktuellen Überprüfung sind neue Substanzen wie Afatinib oder Neratinib. Dabei stehen neben
den Kombinationsmöglichkeiten und damit einer sequenzierten, HER2-gerichteten Therapie auch verschiedene Applikationsformen (i. v., oral, s. c.) sowie Intervalle (täglich, wöchentlich, 3-wöchentlich) zur Verfügung, sodass ein breites
Panel an onkologischen Optionen entsprechend der individuellen Krankheits-
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100
90
80
Anteil (%)
70
60
50
HER-2/neu
40
0–1
n = 11 222 74,8%
2
n = 1 522 10,1%
3
n = 2 262 15,1%
30
20
10
0
0
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Zeit (Jahre)
10
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Abb. 4-1 Gesamtüberleben beim primären Mammakarzinom in Abhängigkeit vom HER2Status (3 Gruppen, n = 15 006) (Daten des Tumorregisters München)
situation und den Präferenzen der Patientin genutzt werden kann. Neben
Brustkrebs wird Trastuzumab inzwischen auch beim Magenkarzinom eingesetzt, und HER2-gerichtete Substanzen werden auch bei anderen Tumorentitäten geprüft.
Die inzwischen guten Überlebensdaten bei HER2-positivem primärem
Mammakarzinom in Abhängigkeit vom HER2-Status unter aktueller leitliniengerechter Therapie zeigt die Grafi k des Tumorregisters München (▶ Abb. 4-1)
(www.tumorregister-muenchen.de).
4.2
Zielstruktur
Die Bestimmung des HER2-Status erfolgt in der Regel in der dezentralen Pathologie am Paraffinmaterial (Biopsie, Operationspräparat). Etwa 15 % der primären Mammakarzinome sind HER2-positiv (Überexpression des humanen
epidermalen Wachstumsfaktorrezeptors 2).
Die transmembranären Tyrosinkinaserezeptoren HER-1, -2, -3 und -4 regeln
das Wachstum und Überleben von verschiedenen Zellen und sind klassische
Onkogene. Rezeptoren der HER-Familie enthalten eine extrazelluläre Domäne,
das transmembranäre Segment, sowie eine intrazelluläre Tyrosinkinaseaktivierungsdomäne, deren Aktivierung über Liganden funktioniert. Die Liganden
verändern die extrazelluläre Domäne so, dass sowohl Homo- als auch Heterodimerisierung mit benachbarten HER-Rezeptoren möglich ist, bei HER2 ist
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diese Dimerisierung auch ohne Ligand möglich. Dadurch wird die Signaltransduktion gehemmt und das körpereigene Immunsystem durch die antikörpervermittelte Zytotoxizität aktiviert, wodurch das Überleben HER2-positiver Tumorzellen gehemmt wird.
Die exakte Bestimmung der (Über-)Expression des HER2-Rezeptors ist Voraussetzung
für die optimale Therapie und für die Identifikation derjenigen Patienten, die von einer
HER2-gerichteten Therapie profitieren, und damit obligater Bestandteil der pathologischen Analyse beim frühen oder metastasierten Mammakarzinom.
Die Bestimmung erfolgt in der Immunhistochemie (Farbreaktion der Expression des HER2-Proteins an der Zelloberfläche) durch ein semiquantitatives Bewertungssystem und wird nach dem DAKO-Score entsprechend den CAP-,
ASCO- und NCCN-Leitlinien gewertet (Hammond 2013; Wolff 2014), die auch
die Grundlage der S3-Leitlinien Bewertung sind (AWMF 2012).
Der HER2-Status ist definitionsgemäß positiv, wenn unter Voraussetzung der Analyse
eines Tumorgebiets mit homogenem Material mehr als 10 % der Zellen in der Proteinexpression (Immunhistochemie) positiv sind oder eine Genamplifikation in der In-SituHybridisierung vorliegt (HER2 copy number oder HER2/CEP17 ratio in der ISH, wobei
mindestens 20 Zellen in dem Gebiet ausgezählt werden müssen).
Bei unklarem Ergebnis sollte ein alternativer Assay (Immunhistochemie oder
In-situ-Hybridisierung) eingesetzt werden. Wiederholte Testung sollte bei allen
Ergebnissen veranlasst werden, die mit anderen histopathologischen Ergebnissen diskordant sind. Die aktuellen Empfehlungen zur HER2-Testung beim
Mammakarzinom für die Pathologie wurden 2013 als ASCO-Guideline-Update veröffentlicht (Wolff 2014).
Ein therapierelevanter positiver HER2-Score liegt an den invasiven Tumorzellen bei einer starken, die komplette Membran betreffenden Färbereaktion
von > 10 % vor.
Score 0: schwache und inkomplette Färbereaktion in < 10 % der Tumorzellen
Score 1+: inkomplette und schwache Färbereaktion von > 10 %
Score 2+: inkomplette oder schwache Färbereaktion von > 10 % oder komplette Färbung von < 10 %
Score 3+: > 10 % mit kompletter und starker Färbeintensität
Bei Score 2+ (15 % der Fälle) oder bei unklaren bzw. diskrepanten Bestimmungen erfolgt obligat eine In-situ-Hybridisierung (FISH, CISH oder SISH) zum
Nachweis einer HER2-Amplifi kation. Diese liegt vor, wenn der Quotient HER2/
CEP17 ≥ 2,0 oder mehr als 4 Gensignale pro Tumorkernzelle nachweisbar sind
(abhängig von der verwendeten Hybridisierungssonde), wobei mindestens 20
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