Kernenergie - Johannes Gutenberg

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Johannes Gutenberg - Universität Mainz
Institut für Kernphysik
Seminar: Kern- und Teilchenphysik
(Fortgeschrittenen - Praktikum)
Leitung: PD Dr. Patrick Achenbach
Wintersemester 2011 / 2012
Kernenergie
15.12.2012
Taylan Demirel
[email protected]
Studienziel: Staatsexamen
1. HF: Physik
2. HF: Philosophie
Inhaltsverzeichnis
MOTIVATION .................................................................................................................................................... 3
MASSENDEFEKT / BINDUNGSENERGIE ................................................................................................ 3
KERNKRÄFTE ................................................................................................................................................... 4
NEUTRONENINDUZIERTE KERNSPALTUNG ....................................................................................... 5
KETTENREAKTION ......................................................................................................................................... 7
KONTROLLIERTE KETTENREAKTION ................................................................................................... 7
AUFBAU EINES KERNREAKTORS ............................................................................................................. 8
LITERATURVERZEICHNIS ........................................................................................................................... 9
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Motivation
Schon 1976 hat Hans Matthöfer, der damalige Bundesminister für Forschung und
Technologie, bereits in den ersten Zeilen des Vorworts zur Bürgerinformation „Kernenergie“
bemerkt: „Selten ist in der Vergangenheit die Einführung einer neuen Technologie in der
Öffentlichkeit unter so breiter Beteiligung und mit so gegensätzlichen Meinungen diskutiert
worden wie heute die Kernenergie.“
Der Energiebedarf der Weltbevölkerung wird in Zukunft weiter steigen. Damit dieser gedeckt
werden kann, müssen neue Technologien entwickelt werden, die eine ausreichende
Energieversorgung in der Zukunft gewährleisten können.
Ein Blick auf die folgende Prognose (Stand: 2001) zeigt, dass bis ins Jahr 2050 ein Ausbau
der Kernenergienutzung durch Kernkraftwerke vorgesehen ist. (Abbildung 1)
Abbildung 1:
Bemerkenswert ist, dass in Deutschland gegensätzlich bis ins Jahr 2020 geplant ist (Ott,
2002).
Massendefekt / Bindungsenergie
Kommen wir zu den physikalischen Grundlagen der Energiegewinnung durch Ausnutzung
der Kernenergie. Das Prinzip der Energiegewinnung bei Kernkraftwerken beruht darauf, die
bei der Spaltung von Teilchen freigesetzte Energie zu nutzen. Um nachvollziehen zu können,
weshalb Energie bei der Spaltung von Kernen freigesetzt wird, muss man sich zuvor den
energetischen Prozess bei der Entstehung eines Kerns vergegenwärtigen.
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Entsteht ein Kern, verlieren die einzelnen Teilchen, aus denen der spätere Kern besteht einen
Anteil ihrer Masse. Dieser Sachverhalt wird Massendefekt genannt. Doch die
verlorengegangene Masse ist nicht wirklich verschwunden, sondern liegt jetzt lediglich in
Form von der Bindungsenergie des neuen Kerns vor. Man könnte sagen, dass die
Bindungsenergie der „Klebstoff“ des neuen Kerns ist, die Kraft, die die einzelnen Nukleonen
zusammenhält. Die Legitimität dieses Prozesses von Masse zu Energie ist durch die
Äquivalenz von Energie und Masse gegeben:
E: Energie ; m: Masse
c: Lichtgeschwindigkeit
Damit eine Kernspaltung nun Energie liefert, muss die Bindungsenergie, die bei der Spaltung
freigesetzt wird, größer sein, als die Energie, die man dazu benötigt eben diesen Kern zu
spalten (exotherme Reaktion). Dieses Kriterium wird besonders gut von bereits instabilen
(radioaktiven) Kernen erfüllt. Damit die Spaltung noch ergiebiger wird, sollte der Kern neben
der Instabilität auch über eine große Bindungsenergie verfügen. Diese beiden Faktoren (neben
einigen weiteren, die später genannt werden) erfüllt das Uran 235. Deswegen ist es auch so
interessant für die Kernspaltung. Doch wieso werden Kerne instabil, wenn sie doch über
große Bindungsenergien verfügen?- Die Bindungsenergie ist nun einmal nicht die einzige
Kraft, die in einem Kern wirkt.
Kernkräfte
In Kernen wirken zwei wesentliche gegen gerichtete Kräfte. Zum einen wirkt dort die
Elektrische Kraft (Coulomb- Kraft). Diese wirkt langreichweitig (nimmt aber mit
und
abstoßend bei gleichgeladenen Teilchen. Da sich im Kern nur positiv geladene Protonen und
neutral geladene Neutronen befinden, wechselwirkt die Coulomb- Kraft hier abstoßend. Die
zweite Kraft ist die starke Kraft (Kernkraft). Diese wirkt sehr kurzreichweitig, genauer gesagt
nur zwischen sich berührenden Teilchen, dafür ist sie um einen wesentlichen Betrag größer.
Geht man nun von einer geringen Nukleonenanzahl eines Kern eines bestimmten Elements zu
einer immer größeren Nukleonenanzahl und damit zu „schweren Kernen“, so wird ab einem
bestimmten Verhältnis die Coulomb-Kraft, die auf das äußerste Teilchen eines Kerns wirkt
zur dominierenden wechselwirkenden Kraft, dadurch werden Kerne instabil (Vereinfacht
dargestellt. Siehe Bethe- Weiszäcker- Formel).
Die in Kernkraftwerken gespaltenen instabilen Kerne lassen sich, wie der Name es bereits
vermuten lässt, aufgrund ihrer Instabilität relativ einfach spalten. Doch wie genau verläuft nun
eine solche Spaltung? Der nächste Abschnitt wird dies weiter erläutern.
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Neutroneninduzierte Kernspaltung
In einem Kernkraftwerk werden hauptsächlich Uran 235 Kerne gespalten. Der folgende
Abschnitt gibt nun Auskunft darüber, wie eine Spaltung funktioniert und welche Energie
dabei freigesetzt wird.
Das Vier-Phasen- Modell (Abbildung 2) veranschaulicht die verschiedenen Phasen eines
Spaltungszyklus. Trifft ein Neutron mit einer bestimmten kinetischen Energie auf einen Uran
235 Kern, so wird dieses Neutron vom Urankern aufgenommen. Es entsteht das kurzlebige
Uran- Isotop- 236 (Lebensdauer
). Dieser Zwischenkern ist hoch angeregt, was auch
zu seiner kurzen Lebensdauer führt. Die Anregungsenergie bewirkt eine Verformung der
Oberfläche des Kerns. Die Oberfläche wandelt sich von einer anfangs sphärischen Form, zu
einer elliptischen Form, bis diese sich einschnürt und letztendlich zur Spaltung des
betreffenden Kerns führt (Abschnitt B und C). Dabei entstehen meist zwei Tochterkerne unter
Aussendung von zwei bis drei Neutronen (Abschnitt D). Der angeregte Kern hat somit eine
starke Tendenz zu zwei Spaltprodukten (Tochterkernen) zu zerfallen, da diese einen
energetisch günstigeren Zustand für ihn darstellen.
Abbildung 2: Vier- Phasen- Modell
(Quelle: Kernenergie Basiswissen)
Doch betrachten wir zunächst Abbildung A im Vier- Phasen- Modell. Wie bereits erwähnt,
wird ein Neutron mit einer bestimmten kinetischen Energie benötigt, damit der Uran 235
Kern das Neutron absorbiert. Abbildung 3 zeigt die verschiedenen Wirkungsquerschnitte (σ)
für unterschiedliche Uran- Isotope. Der Wirkungsquerschnitt (σ) ist ein Maß für die
Wechselwirkung zwischen Atomkernen und Neutronen. Sie ist definiert als die
Wahrscheinlichkeit des Auftretens einer bestimmten Kernreaktion (Michaelis, 1995). Dabei
werden drei Fälle unterschieden:



(Fission „Spaltung“)
(Scattering „Streuung“) wichtiger Faktor für geeigneten Moderator
(Absorption „Einfang“) wichtiger Faktor für geeignete Steuerstäbe
In Abbildung 3 ist die Wahrscheinlichkeit für den Wirkungsquerschnitt ( ) der Spaltung,
durch die kinetische Energie der Neutronen dargestellt. Betrachtet man die beiden
Wirkungsquerschnitte für das Uran 235 und 238, fällt auf, dass die Wahrscheinlichkeit mit
sinkender kinetischer Energie steil anwächst. Er ist für das Uran 235 dabei um drei
Größenordnungen größer als die Wahrscheinlichkeit für die Spaltung des Uran- Isotops 238
mit schnellen Neutronen (Demtröder, 2010). Daher sind langsame (thermische) Neutronen
besonders gut für die Spaltung von Uran 235 geeignet.
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Abbildung 3: Spaltungsquerschnitt σ (U, n, f) als Funktion der
thermischen Energie der Neutronen für
𝑈,
𝑈,
𝑈
(Quelle: Demtröder 2010)
Nachdem nun die geeignete Neutronenenergie für eine Spaltung dargestellt wurde,
beschäftigen wir uns als nächstes mit Abbildung D im Vier- Phasen- Modell, dem Ergebnis
der Kernspaltung. Ein mögliches Ergebnis der Kernspaltung könnte folgendermaßen
aussehen:
ɣ
Der Uran 235 Kern, nimmt ein Neutron auf. Es entsteht ein Uran 236 Zwischenkern. Dieser
verformt sich, bis er sich schließlich spaltet und in einen Krypton- und Barium Tochterkern
zerfällt. Dabei werden zwei bis drei Neutronen und ein Gamma- Quant ausgesendet. Doch
dies ist nur eine Möglichkeit vom Ausgang der Spaltung. Es gibt viele verschiedene
Spaltungsergebnisse. Wichtig ist, dass die Massenzahlen der Tochterkerne in einem
Verhältnis von 2:3 zueinander stehen. Die Tochterkerne selbst sind ebenfalls radioaktiv und
emittieren genau so Neutronen, allerdings verzögert. Diese verzögerten Neutronen sind es,
die eine Steuerung des Kernkraftwerks überhaupt möglich machen, da die Lebensdauer eines
Spaltungszyklus viel zu kurz ist, um darauf reagieren zu können. Die zwei bis drei direkten
Neutronen, die in einem Spaltungsvorgang entstehen, haben dennoch eine wichtige Funktion.
Sie können nämlich, nachdem man sie mittels eines geeigneten Moderators „gebremst“ hat,
für weitere Spaltungsvorgänge zur Verfügung stehen und letztendlich den Beginn einer
Kettenreaktion bilden. Doch bevor wir uns der Kettenreaktion zuwenden, sollte noch auf die
Energiebilanz einer Kernspaltung eingegangen werden.
Die Energie, die man durch die Spaltung eines Uran 235 Kerns gewinnt beträgt 210 Mev
(Megaelektronenvolt). Um einen Vergleich zu haben: Die Spaltung von 1kg Uran 235 liefert
genau so viel Energie, wie bei der Verbrennung von ca. 750 t Kohle gewonnen wird
(Demtröder, 2010). Um allerdings 1kg Uran zu spalten ist ein Ablauf nötig, der automatisiert
vonstatten geht. Ein solcher Vorgang ist die Kettenreaktion.
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Kettenreaktion
Pro Kernspaltung eines Uran 235 Kerns stehen uns zwei bis drei Neutronen zur Verfügung,
mit denen man weitere Urankerne spalten kann. Der Lebenszyklus einer Generation beträgt
s. Die dabei verwendeten Neutronen werden als direkte Neutronen bezeichnet. Doch
neben den Neutronen entstehen bei der Spaltung noch zwei Tochterkerne, die meist selber
angeregt sind und nach einer gewissen Zeit nochmals Neutronen emittieren. Diese
verzögerten Neutronen sind es, auf die man in einem Kernkraftwerk „reagieren“ kann. Doch
stehen nur im Idealfall alle bei der Spaltung emittierten Neutronen für weitere Spaltungen zur
Verfügung. Viele Neutronen werden auch von umgebenden Materialien absorbiert. ( zB. von
Uran 238 Kernen). Die Vermehrung und der Verlust von Neutronen muss somit in jeder
Generation in einem richtigen Verhältnis zueinander stehen. Information über unseren
„Neutronenhaushalt“ liefert uns der sogenannte Multiplikationsfaktor k. Der
Multiplikationsfaktor k beschreibt das Verhältnis der Anzahl der Spaltungen einer
Neutronengeneration durch die Anzahl der Spaltungen der vorhergehenden
Neutronengeneration. Vereinfacht dargestellt (Detail liefert die Vierfaktorformel;
(Demtröder, 2010))
k=
Für eine kontrollierte Kettenreaktion werden drei Lösungsmengen interessant. Ist k<1, so
befindet sich die Kettenreaktion in einem unterkritischen Zustand. Sie kommt zum erliegen.
Im stationären Betrieb eines Kernkraftwerks ist k=1. Dieser Zustand wird als kritisch
bezeichnet. Die Kettenreaktion findet statt. In dem Fall, dass k>1 sein sollte, spricht man vom
überkritischen Zustand. Dieser Zustand ist nicht erwünscht, da hier die Kettenreaktion
„unkontrollierbar“ wird. Die verzögerten Neutronen bilden gerade einmal einen Anteil von
0,75% von der Gesamtzahl der verfügbaren Neutronen. Dieser Anteil reicht bereits schon aus,
um den Multiplikationsfaktor wesentlich zu beeinflussen. Die folgenden Kettenreaktionen
werden dadurch „kontrollierbar“.
Kontrollierte Kettenreaktion
Steuerstäbe und ein geeigneter Moderator sind die wesentlichen Bestandteile in einem
Kernkraftwerk, die eine (kontrollierte) Kettenreaktion ermöglichen. Ein geeigneter Moderator
sollte einen hohen Wirkungsquerschnitt für die Streuung
von Neutronen aufweisen.
Zudem sollte er die Neutronen möglichst nicht einfangen.
Seine Aufgabe ist es, die direkten Neutronen auf eine thermische Geschwindigkeit zu
„bremsen“, um diese für weitere Kernspaltungen von Uran 235 Kernen geeignet zu machen
(Abbildung 4).
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Abbildung 4: Abbremsung schneller Neutronen durch einen Moderator (Modell)
(Quelle: Kernenergie Basiswissen)
Die Steuerstäbe hingegen, sollten einen hohen Wirkungsquerschnitt (
für die Absorption
von Neutronen aufweisen. Sie dienen dazu, auf Schwankungen im Kernreaktor zu reagieren
bzw. die Anzahl der freien Neutronen in den folgenden Zyklen zu lenken. Daher sollten sie
die Eigenschaft aufweisen schnell viele Neutronen einfangen zu können. Fährt man die Stäbe
ein, so sinkt der Multiplikationsfaktor k und die Kettenreaktion wird geschwächt. Fährt man
hingegen die Stäbe wieder heraus, stehen in den folgenden Generationen wieder mehr
Neutronen zur Spaltung zur Verfügung. Die folgenden Zyklen werden wieder kritischer.
Aufbau eines Kernreaktors
Betrachten wir zum Abschluss die Grundkomponenten eines Kernreaktors. Diese sind auf
Abbildung 5 dargestellt. Als erstes ist hier das spaltbare Uran zu nennen. Aus der Spaltung
des Urans wird die Energie gewonnen. Als nächstes wären die Komponenten zur Steuerung
des Kernreaktors zu nennen. Der Moderator, in diesem Fall Wasser (wie in allen westlichen
Kernkraftwerken) und die Steuerstäbe. Der Moderator kann heterogen (getrennt) oder
homogen (gemischt) zum Spaltstoff angeordnet sein. Die Energie, die im Kernkraftwerk in
elektrische Energie umgewandelt wird, liegt zunächst in Form von Wärmeenergie vor. Diese
muss durch ein Medium zu den Turbinen gelangen, wo sie in Rotationsenergie umgewandelt
wird, um letztendlich im Generator in elektrische Energie umgewandelt zu werden. Das
Medium zum Wärmetransport stellt meist Wasser da (
). Es gibt auch Kernkraftwerke, die
Natrium (Na) als Transportmittel der Wärme verwenden (Stichwort: Schneller Brüter).
Abbildung 5: Schematischer Aufbau eines
Kernreaktors
(Quelle: Kernenergie Basiswissen)
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Literaturverzeichnis
Kernenergie: Eine Bürgerinformation. Hrsg: Hans Matthöfer Bonn: Minesterium für Forschung und
Energie (1976)
Demtröder, W. (2010). Experimentalphysik 4.Kern-, Teilchen- und Astrophysik. Heidelberg: Springer
Verlag.
Michaelis, H. (1995). Handbuch Kernenergie. Frankfurt am Main: Verlags- und Wirtschaftsgesellschaft
der Elektrizitätswerke .
Ott, G. (2002). Energiepolitik- Umweltpolitik.Herausforderungen und Erwartungen. Essen: Deutsches
Nationales Komitee des Weltenergierates DNK.
Volkmer, M. (2007). Kernenergie Basiswissen. Berlin: Informationskreis Kernenergie.
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