Scheinkräfte

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Kräfte in rotierenden Koordinatensystemen
Es ist eine grundlegende Erkenntnis, dass die Wirkung physikalischer Gesetze nicht von der Wahl des
Koordinatensystems abhängig ist. Allerdings hängt die mathematische Beschreibung von Vorgängen
von der Wahl des Bezugssystems ab. Beim Übergang von einem Inertialsystem zu einem anderen ändern sich die Geschwindigkeiten der Bewegung aller Teilchen just um die Differenz der Geschwindigkeiten beider Inertialsysteme. Werden in einem Inertialsystem Beschleunigungen von Körpern als Folge angreifender Kräfte gemessen, so werden in einem anderen Inertialsystem genau dieselben Beschleunigungen festgestellt. Lediglich die Teilchengeschwindigkeiten ändern sich um den Wert der
Differenzgeschwindigkeit der Bezugssysteme. Somit sind Rückschlüsse auf die angreifenden Kräfte
als Ursache der Teilchenbewegung unabhängig von der Wahl des Bezugssystems.
Begibt sich der Beobachter dagegen in ein beschleunigt bewegtes Bezugssystem, werden im Vergleich
mit einem Inertialsystem alle Ortsvektoren von Körpern mit einer zusätzlichen Beschleunigung beaufschlagt. Eindeutige Rückschlüsse auf angreifende Kräfte sind somit nicht ohne weitere Informationen
möglich.
Linear beschleunigtes Bezugssystem
Ein im ruhenden Bezugssystem ruhender Körper bewegt sich im mit a translatorisch beschleunigten
Bezugssystem mit der Beschleunigung atrans = − a . Bewegt sich der Körper im ruhenden System mit
der Beschleunigung a (es wirkt auf ihn die eingeprägte Kraft m ⋅ a ), so befindet er sich im beschleunigten Bezugssystem in Ruhe. Für einen im beschleunigten Bezugssystem ruhenden Körper gilt somit
∑ F − m⋅a = 0
(1)
i
mit den eingeprägten Kräften Fi und der sogenannten Scheinkraft oder Trägheitskraft FT = −m ⋅ a .
Bewegt sich der Körper im beschleunigten Bezugssystem mit der Beschleunigung atrans , so gilt
∑ F − m⋅a = m⋅a
.
(2)
Als Beispiel soll ein Aufzug betrachtet werden. Auf eine sich darin befindliche Person wirken die Gewichtskraft Fg = mg und die Zwangskraft FZ . Bei ruhendem Aufzug (bzw. v =const.) gilt a = 0 und
i
trans
somit folgt aus (1) Fg + FZ = 0 . Bewegt sich der Aufzug beim Anfahren mit a > 0 beschleunigt nach
oben, gilt m ⋅ g + FZ − m ⋅ a = 0 , folglich FZ = m ⋅ ( a − g ) . Der Bodendruck, welchen der Insasse verspürt, ist vom Betrag gleich m(a + g) und somit größer als bei ruhendem Aufzug. Wirkt eine weitere
eingeprägte Kraft F (z.B. Federkraft auf einen in Schwingung versetzten Federschwinger), so führt
dies zu einer von Null verschiedenen Beschleunigung im beschleunigten Bezugssystem gemäß
F = m ⋅ atrans .
Rotierendes Bezugssystem
Betrachtet wird zunächst eine um die Z-Achse im Abstand r gleichmäßig rotierende Punktmasse. Hierzu ist die Wirkung einer Zwangskraft FZ = − m ⋅ ω 2 ⋅ r notwendig. Im mit der Winkelgeschwindigkeit
ω um die Z-Achse rotierenden Bezugssystem befindet sich die PM in Ruhe. Allerdings scheint es, als
ob eine Kraft auf die PM einwirke, welche diese nach außen zieht. Diese Trägheitskraft
Fzentr = m ⋅ ω 2 ⋅ r ist die Gegenkraft zur Radialkraft, zeigt somit nach außen und wird als Zentrifugalkraft bezeichnet.
Als Insasse eines PKW erfährt man dies während der Kurvenfahrt. Im Kreisverkehr vermeint man die
Wirkung einer Kraft zu spüren, die den Körper zur Kurvenaußenseite zieht. Da man gern im Auto
bleiben möchte (somit im bewegten Bezugssystem in Ruhe), stemmt man sich dagegen, wobei gut
geformte Sportsessel dienlich sind. Diese Kraftentfaltung wirkt als eingeprägte Kraft und hält den
Körper auf Kreisbahn. Ein Außenstehender wundert sich darüber nicht, er sieht ja eine Masse auf
Kreisbahn. Die Zentrifugalkraft existiert für ihn nicht. Auch den Insassen zieht real nichts zur Kurvenaußenseite, die Zentrifugalkraft ist eine Scheinkraft und nicht Folge einer Wechselwirkung. Allerdings
wirkt Reibung auf die Pneus, wird über Fahrgestell und Karosserie auf den Sitz übertragen und wirkt
auf den Körper des Fahrers in Richtung Kurveninnenseite.
Bewegt sich die Punktmasse im rotierenden System, ändert sich der Abstand zur Rotationsachse und
somit die Scheinkraft. Die Beschreibung des allgemeinen Falles erfordert deshalb etwas mehr Aufwand:
Bezugssysteme
Das ruhende System X,Y,Z und das rotierende
System x,y,z haben den gleichen Ursprung. Die
Rotation erfolgt um die zu Z parallele z-Achse mit
der Winkelgeschwindigkeit ω.
Dargestellt ist ein in XYZ ruhender Vektor B sowie seine Änderung in xyz bei einer kleinen Drehung von xyz um den Winkel dϕ
Auf der Abbildung ist das rotierende System xyz als ruhend dargestellt, der mitbewegte Beobachter
bemerkt eine entgegen gesetzte Rotation des Systems XYZ. Nach der kurzen Zeit dt haben sich dessen
X- und Y-Achsen um den Winkel -dϕ gedreht (gestrichelt dargestellt).
Sei B eine physikalische Größe. Da der Vektor sich nicht ändert, wenn man ihn auf unterschiedliche
Koordinatensysteme projiziert (hierbei sind natürlich die Koordinaten verschieden voneinander), gilt
BXYZ = Bxyz .
Der in XYZ ruhende Vektor B zeigt gegenüber xyz eine Rotation. Im Zeitintervall dt ändert er sich
um den Wert
dBrot
dBrot = −dϕ × B, folglich
= −ω × B .
dt
Nun kann sich der Vektor B im System XYZ im Zeitintervall dt zusätzlich um dB ändern (ist also nun
keine Konstante mehr). Insgesamt ändert er sich dadurch im rotierenden System um
dBrot dB
dBrot = dB − dϕ × B, folglich
=
−ω × B
dt
dt
dB dBrot
oder umgestellt
=
+ω×B.
dt
dt
Da B ein beliebiger Vektor ist, schreibt man diese Gleichung als Operator für den Übergang vom
ruhenden in ein rotierendes Koordinatensystem auf:
d
d 
=   +ω × .
(3)
dt  dt rot
Wird der Operator auf einen Ortsvektor R angewendet, der einen Punkt in XYZ angibt, erhält man
 dR rot 
d
dessen Geschwindigkeit
R=v =
+ ω × R = vrot + ω × R .
 dt 
dt


Für den Fall ω = 0 ist die Lösung trivial, weil die Geschwindigkeiten in beiden Systemen gleich sind
ɺ
( v = vrot ). Befindet sich der Punkt im rotierenden System in Ruhe ( Rrot = vrot = 0 ), bewegt er sich im
ruhenden System mit v = ω × R . Ein im ruhenden System konstanter Ortsvektor R vollführt im rotierenden System eine Kreisbewegung mit vrot = −ω × R .
Wird der Operator (3) noch einmal angewendet, erhält man für die Beschleunigung
dv  d vrot + ω × R 
=
+ ω × vrot + ω × R

dt 
dt

rot
(
)
(
(
)
)
a = arot + 2ω × vrot + ω × ω × R .
Der Betrachter im rotierenden System verfolgt die Bewegung einer Masse m mit der Beschleunigung
arot . Die effektiv wirkende Gesamtkraft besteht aus der eingeprägten (Gesamt-)Kraft F und zwei
Scheinkräften:
Feff = marot =
effektive
Gesamtkraft
F
(
)
− 2m ω × vrot − m ω × ω × R .
= eingeprägte + Corioliskraft + Zentrifugalkraft
(4)
Kraft
(
)
Der dritte Summand beschreibt die Zentrifugalkraft Fzentr = − m ω × ω × R = m ω 2 R . Wenn sich die
Masse im rotierenden Bezugssystem bewegt, tritt eine weitere Scheinkraft auf, die Corioliskraft
Fcor = −2m ω × vrot .
Zur Veranschaulichung folgender Versuch:
Auf einer Kreisscheibe, die mit ω rotiert, befindet sich eine Punktmasse m, welche mit der Scheibe
rotiert und durch einen an deren Mittelpunkt befestigten Faden auf Abstand r fixiert ist. Der auf der
Scheibe mitrotierende Beobachter stellt die Zentrifugalkraft als Scheinkraft fest, welche danach trachtet, die Punktmasse radial nach außen zu beschleunigen. Um den Abstand zur Drehachse konstant zu
halten, wird der Faden benötigt, der mit einer eingeprägten Kraft auf die Masse wirkt. Der außen stehende, also ruhende, Beobachter sieht die Kreisbahn als Folge der Radialkraft, die vom Faden auf die
Masse wirkt. Wenn der Faden durchtrennt wird, sieht er, dass sich die Masse (reibungsfrei) tangential
und gleichförmig geradlinig fortbewegt.
Ganz anders nimmt der rotierende Beobachter den Vorgang war. Nach Durchtrennen des Fadens (in
horizontaler Richtung wirkt keine eingeprägte Kraft mehr) entfernt sich die Punktmasse von der Rotationsachse mit der Beschleunigung azentr = m ⋅ ω 2 ⋅ r , dies aber nicht geradlinig (radial), sondern auf
einer gekrümmten Bahn, bleibt dabei hinter der Drehbewegung zurück. Es scheint eine Kraft zu wirken, welche die Bewegungsrichtung der Punktmasse ändert (seitlich ablenkt). Diese Richtungsänderung erfolgt durch die Corioliskraft.
Wirkung der Corioliskraft
Auf der Scheibe, die mit der Winkelgeschwindigkeit ω rotiert, werden Punktmassen, die sich anfangs radial bewegen, in ihrer weiteren
Bewegungsrichtung abgelenkt. Bei der gewählten Richtung der Rotation erfolgt die Ablenkung, in Bewegungsrichtung gesehen, stets
nach rechts. Bei umgekehrter Rotation entsprechend nach links. Die
Corioliskraft ist für unterschiedliche Bewegungsrichtungen im rotierenden System dargestellt, die daraus resultierenden Trajektorien
durch gepunktete Kurven.
Satellitenaufnahme einer Zyklone (Tiefdruckgebiet) auf der Nordhalbkugel
(http://www.meteoworld.de/index9.htm)
Bewegte Luftmassen erfahren durch die Erdrotation eine Ablenkung infolge der Corioliskraft auf
der Nordhalbkugel nach rechts, auf der Südhalbkugel nach links. Anstatt nur dem Druckgefälle
zu folgen, strömen Luftmassen in ein Tiefdruckgebiet deshalb nicht radial ins Zentrum des Tiefdrucks, sondern werden abgelenkt und rotieren
auf der Nordhalbkugel entgegen dem Uhrzeigersinn um das Zentrum des Tiefs. Analog strömen
die Luftmassen aus einem Hoch nicht radial nach
außen, sondern rotieren im Uhrzeigersinn um den
Kern des Hochdruckgebietes.
Prüfungsaufgabe 2008
Auf einer mit der konstanten Winkelgeschwindigkeit
ω rotierenden Kreisscheibe befindet sich ein kleines Wägelchen im Abstand r0 von der Rotationsachse auf einer in radialer Richtung montierten Schiene. Ein Beobachter befindet
sich im Zentrum der Scheibe, rotiert mit der Scheibe mit und
beobachtet das Wägelchen. Zum Zeitpunkt t = 0 löst er die
v (r)
Arretierung und beobachtet, dass sich der Wagen beschleunigt nach außen bewegt (Reibung ist zu vernachlässigen;
r
ω wird konstant gehalten).
r0
a) Charakterisieren Sie die Kraft, welche den Wagen in radialer Richtung beschleunigt.
b) Stellen Sie die Bewegungsgleichung auf für die Bewegung
des Wägelchens in radialer Richtung.
c) Bestimmen Sie die allgemeine Lösung r(t) der Bewegungsgleichung.
d) Wie lautet die spezielle Lösung mit den Randbedingungen r(t=0) = r0 und vr(t=0) = 0?
e) Eine halbe Umdrehung nach Freigabe des Wägelchens ist der Abstand von der Rotationsachse auf
welchen Wert angewachsen?
Geg.: ω, r0
Lösung:
a) Diese Kraft wird als Zentrifugalkraft bezeichnet und ist eine Scheinkraft. Sie ist somit nicht Folge
einer Wechselwirkung (keine eingeprägte Kraft) sondern der trägen Masse des Körpers (Trägheitskraft) geschuldet.
b) Eine Punktmasse m die sich auf einer Kreisbahn von Radius r mit konstanter Winkelgeschwindigkeit ω bewegt, befindet sich für den mitbewegten Beobachter in Ruhe. Nach dem d’Alembertschen Prinzip befindet sich ein Körper im beschleunigten Bezugssystem dann in Ruhe, wenn die
Summe aller eingeprägten Kräfte und Scheinkräfte gleich Null ist. Die Zentrifugalkraft Fzentr ist
Gegenkraft zu der Radialkraft Fr , die einen Körper auf der Kreisbahn hält (Zwangskraft). In diesem Fall gilt also Fzentr + Fr = 0 . Da in radialer Richtung im aktuellen Fall aber keine Zwangskraft
wirken soll ( Fr = 0 ), tritt für den im Zentrum der Scheibe mit rotierenden Beobachter eine Radialbeschleunigung mrɺɺ auf:
mrɺɺ = m ω 2 r . In der Normalform lautet diese Differentialgleichung 2. Ordnung
rɺɺ − ω 2 r = 0
c) Lösung der Bewegungsgleichung erfolgt mittels Exponentialansatz
r (t ) = c eλ t
Dieser Ansatz wird zweimal nach t differenziert und in die DGlg. eingesetzt:
c λ 2 eλ t − ω 2 c eλ t = 0 . Man erhält die charakteristische Gleichung
λ 2 − ω 2 = 0 mit den beiden reellen Wurzeln λ1,2 = ± ω . Die den beiden Wurzeln entsprechenden
Lösungsfunktionen werden linear miteinander kombiniert und bilden die allgemeine Lösung:
r (t ) = c1eω t + c2 e −ω t
d) Die Nebenbedingungen werden eingesetzt:
r (0) = r0 = c1 + c2
rɺ(t ) = c1ω eω t − c2ω e −ω t
r0
2
Man erhält die diesen Nebenbedingungen genügende spezielle Lösung
r
r (t ) = 0 ( eω t + e −ω t ) = r0 cosh ωt
2
rɺ(0) = c1ω − c2ω = 0
⇒ c1 = c2 =
e) Die für eine halbe Umdrehung benötigte Zeit entspricht einer halben Periode
T
ωt =ω =π
2
r
r (T ) = 0 (eπ + e −π ) ≃ 11, 6 r0
2
2
Zusätzlich ist von Interesse, in welchem Maße die tangential auf die Masse wirkende Zwangskraft
Ft anwächst, die von der Schiene ausgeübt wird. Diese kompensiert gerade die Corioliskraft.
r
Ft (t ) = 2m ω ⋅ vrot = 2m ω 2 ⋅ 0 ( eω t − e−ω t ) = 2m ω 2 r0 sinh ωt .
2
Die Tangentialkraft ist zunächst gleich Null, wächst aber nach Freigabe der Masse rasch an und nähert
sich dem doppelten Wert der Zentrifugalkraft Fzentr (t ) = mω 2 r0 cosh ωt , kann also beachtliche Werte
annehmen.
Auf nebenstehender Grafik ist die Zeitabhängigkeit des
Abstandes r(t) dargestellt (blaue Kurve). Diese entspricht einer Kosinus Hyperbolicus-Funktion.
Die rote Kurve entsprich der Zeitabhängigkeit der
Zwangskraft Ft, die der Corioliskraft Fcor vom Betrag
her gleich ist. Der Kurvenverlauf entspricht dem einer
Sinus Hyperbolicus-Funktion.
Während der prägende Einfluss der Corioliskraft auf das Wettergeschehen unstrittig ist, sind andere
Auswirkungen mit Skepsis zu betrachten. So sollen die nach Norden fließenden sibirischen Ströme
Ob, Jenissej und Lena asymmetrische Flussbetten aufweisen, da sie ja durch die Corioliskraft nach
Osten abgelenkt werden. Ist dort wirklich das Flussbett tiefer als an der Westseite?
Ebenso werden Schienenstränge, auf denen Züge nach Norden fahren, angeblich auf der Ostseite stärker abgenutzt als auf der Westseite. Analog seien die Verschleißerscheinungen auf dem Gegengleis auf
der Westschiene stärker ausgeprägt.
Untersuchen wir die folgende Situation: Ein Zug fährt auf ϑ =6o° nördlicher Breite mit 60m/s bzw.
216 km/h nach Norden. Die Masse eines ICE beträgt je Radsatz (Triebkopf) 20 000 kg. Wie groß ist
die hierbei auftretende Corioliskraft? Damit die Insassen sich nicht ständig wegen der Corioliskraft
festhalten müssen, wenn sie mal ins Bordrestaurant gehen, könnte man das Gleis etwas in Schieflage
verlegen, die Ostseite etwas höher als die Westseite. Dann würde der Passagier ja gar nichts wahrnehmen, da die Corioliskraft durch eine im Idealfall gleich große Hangabtriebskraft kompensiert würde.
Der Koordinatenursprung möge sich an der Erdoberfläche befinden, dort wo der Zug gerade fährt. Die
x-Achse des Koordinatensystems zeigt nach Osten, die z-Achse verläuft parallel zur Erdachse und ist
nach Norden ausgerichtet, die y-Achse zeigt auf die Erdachse.
Für die Corioliskraft ergibt sich somit
ex
ey
ez
 sin ϑ 


FC = −2m ω × v = −2m ω v 0
0
1 = 2m ω v  0  .
 0 
0 sin ϑ cos ϑ


2 ⋅ 20 ⋅103 kg ⋅ 2π ⋅ 60m ⋅ 3
=151N.
86400s ⋅ s
⋅2
Das ist sehr wenig im Vergleich zur Gewichtskraft eines Waggons.
Um welchen Wert müssten die Gleisbauer das Gleis gegen die Horizontale schief verlegen? Bei einer
Spurweite von b=1435mm ist das rechte Gleis um h höher als das linke.
h
FC = FHA → 2m ω v sin ϑ = mg sin α ≅ mg
b
2
2ω v b sin ϑ 2 ⋅ 2π ⋅ 60m ⋅1, 435m ⋅ s 3
h=
=
=1,1mm.
g
86400s ⋅ s ⋅ 9,81m
⋅2
Nach der Europäischen Norm zur Gleislagequalität (EN 13848-1:2003+A1:2008) erfolgt die Beurteilung der sog. Überhöhung (Differenz der Höhe beider Schienenlaufflächen gegenüber der waagerechten Bezugsebene) mittels Messwagen mit einer Auflösung ≤0,5mm. Die absolute Genauigkeit beträgt
dabei ±5mm, wobei die Differenz aufeinander folgender Messungen (an gleicher Stelle) ±1mm
betragen darf.
Die nach den aktuell geltenden Gesetzen einzuhaltende Genauigkeit bei der Verlegung von Gleisen ist
somit um den Faktor 5 größer als erforderlich wäre, um den Coriolis-Effekt gezielt auszugleichen. Mithin sind auch die existierenden Gleisanlagen weit davon entfernt, an ihrem Verschleißzustand mögliche Folgen dieses Effektes nachweisen zu gestatten.
Der Betrag der Corioliskraft errechnet sich zu FC = 2m ω v sin ϑ =
Was das Flussbett sibirischer Ströme anbetrifft – hier ist wegen der viel geringeren Fließgeschwindigkeit die Corioliskraft je Masse bewegten Materials noch deutlich geringer. Da sich der Fluss sein Bett
selber schafft, würde eine merkliche Querkraft zur Hangabtriebskraft auch nur dazu führen, dass der
Fluss etwas schräg zur Hangneigung fließen würde, bis sich beide Einflüsse die Waage halten. Letztendlich würde das Flussbett wieder einen schön symmetrischen Querschnitt aufweisen.
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