Neue Forschungen zur Münzprägung der Römischen Republik. Dr. Wilhelm Hollstein und Dr. des. Florian Haymann, Münzkabinett, Staatliche Kunstsammlungen Dresden Prof. Dr. Martin Jehne, Institut für Geschichte, Technische Universität Dresden, 19.06.2014–21.06.2014. Reviewed by Florian Haymann Published on H-Soz-u-Kult (September, 2014) Neue Forschungen zur Münzprägung der Römischen Republik Vom 19. bis 21. Juni 2014 fand im Residenzschloss Dresden das Internationale Kolloquium Neue Forschun” gen zur Münzprägung der Römischen Republik“ statt. Zur Einführung stellte WILHELM HOLLSTEIN (Dresden) das DFG-Projekt Die Bedeutung der Stempel” stellung für die Interpretation römisch-republikanischer Münzen. Lokalisierung von Münzstätten, Datierungen, Deutung von Münzbildern“, aus dem die Tagung hervorgegangen ist, kurz vor. Dabei wird mit dem Zueinander von Vorderseiten- mit Rückseitenstempel ein bisher unbeachtetes Interpretationskriterium genutzt. Da Regelmäßigkeit (12h/6h) bzw. Unregelmäßigkeit der Stempelstellung im Mittelmeerraum eine stabile lokale Tradition darstellte, lässt sie Rückschlüsse auf das Prägegebiet, bisweilen gar den Prägeort, darüber hinaus aber auch auf die Datierung und die Bedeutung der Bilder römischrepublikanischer Münzen zu. tergrund scheint die Stempelstellung als Kriterium zur Lokalisierung von Münzstätten nicht zu greifen. Hier gilt es, organisationstechnische Erklärungsmodelle zu prüfen. PIERLUIGI DEBERNARDI (Turin) berichtete über Outcomes and challenges in die studies of the Second ” Punic war Roman silver series“. Eine Stempelstudie bedeutet einen enormen Gewinn für die Forschung und ist zugleich mit einem hohen Arbeitsaufwand verbunden. Debernardi stellte erstmals ein computerunterstütztes Verfahren vor, mit dem sich der Zeitaufwand bei dieser eintönigen Arbeit um etwa den Faktor 10 reduzieren lässt. Debernardi präsentierte erste Ergebnisse seiner Untersuchungen an 56 frühen Denartypen, wobei er einige bislang nicht gesehene Stempelverbindungen entdeckte, die Einfluss auf die in Michael Crawfords Standardwerk Roman Republican Coinage“ (RRC) vorgeschlage” ne Chronologie haben. Sodann präsentierte ANDREW BURNETT (London) die komplizierte Befundlage zur Die axis in Italy during ” the third century BC“. Nur die Münzen der Städte Cales, Teanum, Suessa und Fistelia“ weisen im Untersuchungs” zeitraum regelmäßige Stempelstellung auf. Auch die ersten römischen Didrachmen haben unregelmäßige Stempelstellung, was sich jedoch ab der dritten Serie (RRC 20) ändert. Die römischen Bronzemünzen folgen wiederum einem anderen Muster. Die letzte Didrachmenserie ( Quadrigati“) beginnt mit regelmäßiger und endet in” mitten des Zweiten Punischen Krieges mit unregelmäßiger Stempelstellung, ohne dass sich eine Verschiebung der Produktionsstätte nachweisen ließe. Vor diesem Hin- Den Abendvortrag mit dem Titel Memoria, Mo” numente und Münzprägung: Medien aristokratischer Selbstdarstellung – das Beispiel der Caecilii Metelli“ hielt KARL-JOACHIM HÖLKESKAMP (Köln). Die Caecilii Metelli waren eine der prominentesten Dynasti” en“ der Nobilität in der späten Republik – und mit nicht weniger als 15 Konsulaten, fünf Zensuren und acht Triumphen in gerade einmal vier Generationen die vielleicht erfolgreichste Familie überhaupt. In der hochgradig kompetitiven politischen Kultur der Republik, in der sich Jahr für Jahr die um die höchsten Ämter konkurrierenden Kandidaten einem scharfen Wettbewerb um nur 1 H-Net Reviews zwei Konsulatsstellen aussetzen mussten, ist dieser Erfolg besonders erklärungsbedürftig. Hölkeskamp widmete sich der Frage, welche Medien und Strategien des self’ fashioning‘ und der Selbstdarstellung vor ihren peers und dem populus Romanus insgesamt als Wahlvolk‘ zu die’ sem Erfolg beigetragen haben könnten, wobei er den Zusammenhang zwischen monumentalem Gedächtnis‘ des ’ populus Romanus und der Münzprägung veranschaulichte. den. DAVID BIEDERMANN (Berlin) behandelte das Thema: Sterne auf Münzen der römischen Republik – Zur ” Mehrdeutigkeit eines Symbols“. In der Zeit der ausgehenden römischen Republik, genauer nach dem Tod Caesars, treten in der Münzprägung vielfach Sterne in unterschiedlichen Kontexten auf. Nach dem übermächtigen Vorbild des sidus Iulium, das den Bildnissen des vergöttlichten Diktators beigegeben wurde, wird für die überwiegende Zahl dieser Sterne ein Bezug auf diesen Kometen vorgeschlagen, der nach der offiziellen Interpretation Caesars Deifikation kundgetan haben soll. Anhand des Auftretens von Sternen in der gesamten republikanischen Münzprägung vollzog Biedermann die Entwicklung und mögliche Bedeutungen des Symbols nach. Im Lichte dieses Vergleichsmaterials zog er den Schluss, dass die Identifikation der Sterne auf Münzen nach den Iden des März 44 v. Chr. mit dem sidus Iulium keineswegs immer so sicher ist, wie die moderne Forschung gerne angenommen hat. Am zweiten Tag eröffnete MARIA CRISTINA MOLINARI (Rom) die Sektion Römische Münzprägung des ” 2. und 1. Jh. v. Chr.“ mit dem Beitrag The rearrange” ment of the denarius-series in the years between the Sicilian slave revolt and the legacy of Attalus III“. Die Entdeckung eines hybriden Denars mit der Vorderseite von RRC 250 und der Rückseite von RRC 256/7 war der Ausgangspunkt für Molinaris Überlegungen zur Chronologie der Münzbeamten zwischen 132 und 130 v.Chr. PIERRE ASSENMAKER (Louvain La-Neuve) unternahm in seinem Vortrag Von der Bilderwelt der Münzprägun” gen zur politisch religiösen Gedankenwelt: Die ideologische Botschaft der stadtrömischen und imperatorischen Prägungen der Jahre 110–78 v. Chr.“ erstmals den Versuch, einzelne Münzbilder in einen größeren ikonographischen Kontext zu stellen. Entgegen einer Analyse isolierter Münzbilder stellte er ein quantitatives Verzeichnis der Typen vor, um die dominierenden Themen der numismatischen Bilderwelt dieser Zeit zu identifizieren. Unter diesen Hauptthemen unterschied er zwischen traditionellen Typen (Roma und Victoria) und selten dargestellten Szenen und Gottheiten (so etwa Apollo und Venus). Die Häufung bzw. das Erscheinen bestimmter Darstellungen brachte er in Verbindung mit der soziopolitischen Geschichte, wobei besonders die verstärkte Rolle Apolls unter Sulla hervortrat. Die Sektion zur Zeit der Bürgerkriege (49–31 v.Chr.) eröffnete BERNHARD WOYTEK (Wien) mit seinem Vortrag Die consularischen Denare RRC 445/3 aus dem Jahr ” 49 v. Chr.: eine Stempelstudie“. Anhand stilistischer und technischer Beobachtungen konnte er – ohne sich genau festzulegen – zwei verschiedene Prägestätten für die Typen 445/3a und 3b ausmachen und brachte letzteren Typ in Verbindung mit Truppenaushebungen durch L. Cornelius Lentulus Crus in Kleinasien. FLORIAN HAYMANN (Dresden) sprach Zur Münzprägung des Marcus ” Antonius im Jahr 41“, wobei der 12 Varianten umfassende Typ RRC 517 im Mittelpunkt stand. Anhand der Analyse der Stempelstellung nahm er neue Lokalisierungen und Feindatierungen der Subtypen vor, woraus sich Hypothesen zum Verwendungszweck ergaben. Unter Hinzunahme des Typs RRC 516, der klar in Italien zu verorten ist, ergab sich ein neues Bild über die Finanzen der Triumvirn in diesem Jahr. REINHARD WOLTERS (Wien) führte in seinem Beitrag Kontext und Publikum. Zur Entwicklung der Dar” stellungsformen in der Denarprägung der Römischen Republik“ zahlreiche Denartypen vor, die in einer chiastischen Verbindung zueinander stehen, die Vorderseite des einen Denars korrespondiert also inhaltlich mit der Rückseite eines anderen und umgekehrt. Da normale Nutzer von Geld nicht notwendig beide Münztypen gleichzeitig in der Hand hielten, waren diese Zusammenhänge überhaupt nur für ein kleines Publikum zu entschlüsseln. Wolters schlug vor, dieses Publikum in der stadtrömischen Aristokratie zu suchen, womit das Phänomen dem Adelswettstreit zuzuordnen wäre. Zudem stellte er weitere ähnliche Erscheinungen auf Münzen vor, die anschließend vom Publikum rege diskutiert wur- WILHELM HOLLSTEIN (Dresden) brachte in seinem Vortrag Zwischen Brundisium und Actium. Zur Lokali” sierung der Münzen des M. Antonius“ einige neue Vorschläge für Prägeorte und -regionen seiner zwischen September/Oktober 40 bis zur Schlacht bei Actium am 2. September 31 geprägten Münzen. Dabei wurde als neues Interpretationskriterium die Stempelstellung in die Diskussion eingeführt, was zu zuverlässigeren Lokalisierungen der Münzen des M. Antonius führt. Diese Prägestätten sind in erster Linie in Italien und Griechenland zu finden. CLARE ROWAN (Warwick) sprach über The visua” 2 H-Net Reviews lisation of the Roman Empire on Republican Provincial Coinage“. Ausgehend von der Beobachtung, dass Bilder das Selbstverständnis politischer Gebilde prägen können, fragte Rowan danach, wie Rom seine Herrschaft in Form von Münzbildern visualisierte und wie sich dies in der Münzprägung der Beherrschten widerspiegelt. Zahlreiche Wechselwirkungen kamen dabei ans Licht, die an einer strikten Trennung von römisch“ und provinzial“ ” ” zweifeln lassen. Zudem zeigte Rowan, dass den provin” zialen“ Bilderwelten eine aktive Rolle bei der Findung eines visuellen Ausdrucks römischer Macht zukam. ge nachzugehen, von vom römische Münzen verwendet wurden und wie sie lokales Geld verdrängten. Auch der Einbindung einer Region in die römische Herrschaft ließe sich mit dieser Methode auf den Grund gehen. Ebenso wurde die Möglichkeit, dass lokaler Geldgebrauch Rückwirkungen auf das römische Geldwesen hatte, erwogen. In der von KARL-JOACHIM HÖLKESKAMP moderierten Abschlussdiskussion wurde hervorgehoben, wie überfällig eine Tagung zur römisch-republikanischen Numismatik gewesen ist. Der Wunsch nach einem regelmäßigen Austausch der anwesenden Spezialisten wurMARTIN JEHNE (Dresden) ging in seinem Beitrag de betont, wobei angeregt wurde, den Referenten engeStempelstellung und wandernde Feldmünzstätten“ auf re Themenfelder vorzugeben. Das von vier Referenten ” das Crawfordsche Konzept provisorischen Münzstätten schwerpunktmäßig genutzte Kriterium der Stempelstelein, die sich mit den Heeren bewegten. Ausgangspunkt lung als Methode zur Lokalisierung von Münzen fand seines Zweifels an der Mint – moving with“ ist die Tat- allgemeine Akzeptanz, wobei wiederum davor gewarnt ” sache, dass bei den entsprechenden Münzen die Stempel- wurde, dieses Merkmal über andere Kriterien zu erheben. stellung manchmal wechselt. Jehne plädierte deshalb daSämtliche Beiträge werden in einem Tagungsband für, dass zumindest die Münzen mit regelmäßiger Stemveröffentlicht, der zudem weitere Ergebnisse aus dem pelstellung in fest lokalisierten Münzstätten hergestellt Dresdner DFG-Projekt enthalten wird. Darüber hinaus wurden, was er vor allem mit Hilfe von Schätzungen des Aufwands sowie mit dem Argument begründete, dass die hat Michael Crawford, der an der Veranstaltung als Ehrömischen Münzen der Zeit eigentlich in unregelmäßiger rengast und Chairman teilgenommen hat, einen Beitrag Stempelstellung geprägt waren und nicht anzunehmen zu den Tagungsakten angekündigt. ist, dass man im Lager eines römischen Heeres davon abKonferenzübersicht: wich. Sektion I: Münzprägung in Rom und Italien im 3. FRANÇOIS DE CALLATAŸS (Brüssel) Beitrag The Jahrhundert v. Chr. (Moderation: Martin Jehne) ” ‘pseudo-Greek’ coinages struck for the Romans in the Andrew Burnett (London): Die axis in Italy during the East: a general and quantified view“ verglich die Münzen third century BC der griechischen Welt, die unter römischem Einfluss geprägt wurden, quantitativ mit den übrigen Geprägen. Er Pierluigi Debernardi (Turin): Outcomes and challenkam zu dem Schluss, dass die letzteren Münzen einen ver- ges in die studies of the 2nd Punic War Roman silver segleichsweise marginalen Umfang aufwiesen. Elio Lo Ca- ries scio (Rom) ging der Frage nach Why did the issuing aut” Abendvortrag - Karl-Joachim Hölkeskamp (Köln): hority discontinue the production of bronze coins after Sulla? “. Der jüngsten Darlegung von Gilles Bransbourg, Memoria, Monumente und Münzbilder: Medien aristowonach der Wert von Kupfer aufgrund des hohen Silber- kratischer Selbstdarstellung - das Beispiel der Caecilii aufkommens aus Spanien gestiegen sei, stellte er die sozi- Metelli opolitische Argumentation an die Seite, wonach die VerSektion II: Römische Münzprägung des 2. und 1. Jahrordnung des Marius Gratidianus, schlechte Denare aus hunderts v. Chr.: Von den Gracchen bis zum Ausbruch dem Verkehr zu ziehen, von der plebs begeistert aufgedes Bürgerkriegs (ca. 133-50 v. Chr.) (Moderation: Fleur nommen wurde. Darüber hinaus spielte die vom Staat Kemmers) tolerierten nichtoffiziellen Imitationen als Kleingeld aber eine wichtige Rolle. Maria Cristina Molinari (Rom): The re-arrangement of the denarius-series in the years between the Sicilian Die Sektion Wirtschafts- und Finanzgeschichte“ ” slave revolt and the legacy of Attalus III wurde von dem Vortrag von FLEUR KEMMERS (Frankfurt) zu Coin use in the Roman Republic“ abgeschlosPierre Assenmaker (Brüssel): Von der Bilderwelt der ” sen. Sie präsentierte eine breit angelegte Übersicht von Münzen zur politisch religiösen Gedankenwelt: Eine UnMünzfunden im westlichen Mittelmeerraum, um der Fra- tersuchung der stadtrömischen und imperatorischen Prä3 H-Net Reviews gungen der Jahre 110-78 v. Chr. und ihrer ideologischen Botschaft Clare Rowan (Warwick): The visualisation of the Roman Empire on Republican provincial coinage Reinhard Wolters (Wien): Kontext und Publikum. Zur Entwicklung der Darstellungsformen in der Denarprägung der Römischen Republik Sektion IV: Wirtschafts- und Finanzgeschichte (Moderation: Michael Crawford) Martin Jehne (Dresden): Stempelstellung und wanSektion III: Die Zeit der Bürgerkriege (49-31 v. Chr.) dernde Feldmünzstätten (Moderation: Bernhard Weisser) François de Callataÿ (Brüssel): The ‘pseudo-Greek’ David Biedermann (Berlin): Sterne in der republikani- coinages struck for the Romans in the East: a general and schen Münzprägung - zur Mehrdeutigkeit eines Symbols quantified view Bernhard Woytek (Wien): Die consularischen Denare Elio Lo Cascio (Rom): Why did the issuing authority RRC 445/3 aus dem Jahr 49 v. Chr.: eine Stempelstudie discontinue the production of bronze coins after Sulla? Florian Haymann (Dresden): Zur Münzprägung des M. Antonius im Jahr 41 v. Chr. Fleur Kemmers (Frankfurt): Coin use in the Roman Republic Wilhelm Hollstein (Dresden): Zwischen Brundisium und Actium. Zur Lokalisierung der Münzen des M. Antonius Abschlussdiskussion (Moderation: Karl-Joachim Hölkeskamp) If there is additional discussion of this review, you may access it through the network, at: http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/ Citation: Florian Haymann. Review of , Neue Forschungen zur Münzprägung der Römischen Republik. H-Soz-u-Kult, H-Net Reviews. September, 2014. URL: http://www.h-net.org/reviews/showrev.php?id=42620 Copyright © 2014 by H-Net, Clio-online, and the author, all rights reserved. This work may be copied and redistributed for non-commercial, educational purposes, if permission is granted by the author and usage right holders. For permission please contact [email protected]. 4