Der Granit - 200 Jahre nach Goethe

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Sonderdrucke aus der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
WOLFHARD WIMMENAUER
Der Granit - 200 Jahre nach Goethe
Originalbeitrag erschienen in:
Tycho-de-Brahe-Jahrbuch für Goetheanismus (1994), S. 93 - 129
WOLFHARD WIMMENAUER
Der Granit — 200 Jahre nach Goethe
Zusammenfassung: Unter den Gesteinen, die die Erde gegenüber ihren Nach-
barplaneten auszeichnen, ist der Granit das bedeutsamste. Die Erdkruste der
Kontinente ist weithin von Granit dominiert, während in der ozeanischen
Kruste Basalt vorherrscht. Granit entsteht durch Kristallisation eines Magmas
in der Tiefe der Erdkruste; nicht selten tritt aber granitisches Magma auch
vulkanisch an der Erdoberfläche aus. Granitische Magmen sind verschiedener
Herkunft. Sie entstehen hauptsächlich durch Teilschmelzung von Gesteinen
der ozeanischen Kruste oder — in der kontinentalen Kruste — von metamorphen Sedimentgesteinen. Granite sind damit immer als Extrakte aus älteren
Gesteinen oder als Umwandlungsprodukte von solchen anzusehen. An den
Vorgängen ist Wasser als Agens, das die Aufschmelzung fördert, wesentlich
beteiligt. Granitische Zusammensetzung und ein kleiner Wasseranteil machen
es möglich, daß große mineralische Massen bei relativ niedrigen Temperaturen
und deshalb auch länger im magmatisch-beweglichen Zustand existieren als
andere Gesteine. Durch interne Differentiation granitischer Magmen entwikkeln sich «gereifte» Granite, in deren Gefolge sich Lagerstätten bestimmter
Metalle, z.B. Zinn und Wolfram, bilden können. Von hier an übernimmt
zunehmend das Wasser die Rolle des Transport- und Kristallisationsmediums.
— Die Masse der Granite und damit die der Kontinente haben im Lauf der
Erdgeschichte ständig zugenommen. Ihre gegenüber den Basalten und den
Gesteinen des Erdmantels geringere Dichte hat die Kontinente über den
Meeresspiegel aufsteigen lassen. Dadurch wurde eine dauerhafte Voraussetzung für die Ausbreitung des Lebens auf dem Land und in der Luft geschaffen.
Einführung
«Jeder Weg ins unbekannte Gebiirge bestätigt die alte Erfahrung, daß
das Höchste und Tiefste Granit sei, daß diese Steinart, die man nun
näher kennen und von anderen unterscheiden lernte, die Grundfeste
93
unserer Erde sei, worauf sich alle übrigen Gebürge hinauf gebildet
... Auf einem hohen nackten Gipfel sitzend und eine weite Gegend
überschauend kann ich mir sagen: Hier ruhst du unmittelbar auf
einem Grunde, der bis zu den tiefsten Orten der Erde hinabreicht
... Diese Gipfel haben nichts Lebendiges erzeugt und nichts Lebendiges verschlungen, sie sind vor allem Leben und über allem Leben.»
Ehrfürchtiger und authentischer ist über ein Gestein nicht wieder
gesprochen worden. Goethes Worte von 1785 haben über mehr als
zwei Jahrhunderte eine Vorstellung vom Granit geprägt, die unseren
Gedanken und Empfindungen gegenüber der Natur gleichermaßen
entgegenkommt und für viele, gerade auch gebildete Menschen, der
Wirklichkeit gemäß ist. Die Idee eines Urgesteins als der ältesten
mineralischen Bildung und — wie in späteren Arbeiten Goethes ausgeführt — auch als des stofflichen Ursprungs aller jüngeren Gesteine
findet hier ihren unvergeßlichen Ausdruck. An sie schließt sich in
späteren Aufsätzen und Entwürfen Goethes die Anwendung des Entwicklungsgedankens auf die Mannigfaltigkeit der anderen Gesteine,
die als Ausscheidungen des Urozeans und «Metamorphosen» des
Granitischen diesem im Laufe der Zeiten gefolgt sind.
Es ist nicht das Anliegen dieses Aufsatzes, die Ansichten Goethes
im einzelnen zu analysieren und kritisch Bleibendes von Vergänglichem zu trennen. Es geht hier vielmehr um eine kurze Darstellung
der seither entwickelten Vorstellungen über die Bildungsweise des
Granits, die Herkunft seiner Substanzen und deren weiteres Schicksal.,
wenn Granit an der Erdoberfläche verwittert und als solcher verschwindet. Es zeigt sich dabei, daß der Granit nicht Urgestein im
Sinne eines Ältesten und stofflich Ursprünglichsten ist. Die ihm damit
vielleicht genommene Würde wird aber durch eine andere, hier zu
begründende ersetzt: Granit ist das herausragende Ergebnis der be
sonderen Gesteinsentwicklungen, die die Erde von den anderen uns
bekannten Planeten unterscheiden — ein Erdengestein also, nicht Anfang, sondern eher Ziel, vergänglich zwar, aber doch auch in immer
noch zunehmender Masse angesammelt und das Antlitz der Erde
weithin prägend.
Die zum heutigen Verständnis des Granits führenden Befunde
betreffen
—sein Vorkommen in der Erdkruste,
—seine mineralische und chemische Zusammensetzung sowie seine
Gefüge,
94
—Gestalt und Größe der Granitkörper,
—das Verhältnis des Granits zu den angrenzenden Gesteinen,
—die Bildeprozesse des Granits, wie sie sich in Natur- und experimentellen Beobachtungen darstellen.
Granit im neuen Bild der Erde. Kontinentale und ozeanische
Erdkruste; der obere Erdmantel.
Zum Verständnis des Ursprungs der Granite ist ein kurzer Blick auf
die großen geologischen Strukturen an der Peripherie der Erde erforderlich. Nach neueren geologischen und geophysikalischen Erkenntnissen zeigt sich hier eine Gliederung in verschiedenartige Krusten-
platten. Nach Lage und Substanz sind kontinentale und ozeanische
Platten zu unterscheiden (Abb. 1). Ihre Dimensionen liegen in der
Größenordnung von Tausenden Kilometern seitlicher Erstreckung
und wenigen Kilometern bis mehreren Zehnern Kilometern Dicke.
Die Platten sind seit ihrem Entstehen in ständiger Bewegung, ihre
Größe und Lage haben sich im Lauf der Erdgeschichte vielfältig
verändert. Die heutige Konfiguration der Ozeane, der Kontinente
und der Gebirge auf ihnen sind die Folge dieser Bewegungen.
liSG
06 KRUSTE
Ko/v
01 0'
1bv6-/v
7-4z-
J--,T,
5(<s>
)
OBERER ERDMANTEL
..- •
Abb. 1: Die geologischen Großeinheiten der Peripherie des Erdkörpers, schematisch
und nicht maßstäblich.
Schwarze Pfeile: Ursprung und Aufstieg granitischer Magmen. Weiße Pfeile:
Bewegungstendenzen der Krustenplatten. A: Granitbildung durch Teilschmelzung gestapelter und versenkter ozeanischer Kruste. B: Granitbildung
durch Versenkung und Teilschmelzung ozeanischer Kruste bei der Kollision
mit einer kontinentalen Krustenplatte. C: Granitbildung bei der Kollision
zweier kontinentaler Krustenplatten.
In der kontinentalen Erdkruste spielen Gesteine granitischer oder
granitnaher Zusammensetzung eine beherrschende Rolle, besonders,
wenn man ihren Anteil an den tieferen Zonen der Kruste, die weithin
95
unter Sedimentgesteinen verborgen sind, berücksichtigt. Ganz anders
ist in dieser Hinsicht die ozeanische Erdkruste gestellt. Sie besteht
zum größten Teil aus Basalt und verwandten Gesteinen und trägt im
allgemeinen nur eine relativ dünne Sedimentdecke. Während Basalte
auch auf den Kontinenten verbreitet vorkommen, sind granitische
Gesteine im ozeanischen Bereich nur gering vertreten.
Unterlage der kontinentalen und der ozeanischen Kruste sind die
Gesteine des oberen Erdmantels, die mineralisch und chemisch von
den Basalten und erst recht von Graniten und Sedimentgesteinen
verschieden sind. In Tabelle 1 werden einige der wichtigsten Eigenschaften dieser drei Haupteinheiten des äußeren Erdkörpers einander
gegenübergestellt. Eine Hauptfrage unserer Betrachtung wird es sein,
in welchen Beziehungen die Granite zu den Gesteinen der ozeanischen Kruste und des oberen Erdmantels stehen und wie ihr Dominieren in der kontinentalen Kruste zu erklären ist.
Dicke
Mittlere Dichte
Hauptgesteine
Kontinentale
Kruste
Ozeanische
Kruste
etwa 25 - 50 km
etwa 6 - 8 km
etwa 400 km
2,7
3,1
>3,3
Sediment- und
Sedimentgesteine
Peridotite
vulkanische
Gesteine
Basalte
Granitische
und metamorphe
Gabbros
Oberer
Erdmantel
Gesteine
Häufigste
Minerale
Plagioklas,
Quarz, Alkalifeldspat, Glimmer
Hornblende, Ton- und
Olivin
Pyroxene
Spine 11
Plagioklas
Pyroxene
Olivin
Magnetit
Granat
Karbonatminerale
Chemische
Hauptkomponenten,
Mittelwerte
59,3
SiO,
Al203
15,0
FeO
7,7
CaO
7,2
MgO
4,9
2,5
Na 2 0
K20
2,1
TiO 20,7
SiO,
Al203
FeO
CaO
MgO
Na20
TiO2
K20
5 i02
49,4
15,4
10,0
12,5
7,6
2,6
1,4
0,3
MgO
FeO
Al203
CaO
Cr203
Na20
NiO
45,0
39,0
8,0
3,5
3,3
0,4
0,3
0,25
Tabelle 1: Mineralische und chemische Hauptkomponenten der Erdkruste und des
oberen Erdmantels (Zahlenangaben aus
96
FAURE
1991).
QUARZ
KALIFELDSPAT
PLAGIOKLAS
Abb. 2: Mineralische Zusammensetzung von Tiefengesteinen der weiteren Granitfamilie (Volumprozente). MSK = Muskovit.
Mineralische Zusammensetzung der Granite
Sucht man nach einer Definition dessen, was Granit seiner Zusammensetzung und seinem Gefüge nach ist, so zeigt sich bald, daß er
einen Bereich in der Mannigfaltigkeit der Gesteine einnimmt, der
sich gegen andere Gesteine nur willkürlich abgrenzen läßt. «Höchst
mannigfaltig in der größten Einfalt, wechselt seine Mischung ins
Unzählige ab.» (GOETHE 1785) Übergänge der mineralischen und
chemischen Zusammensetzung vermitteln vom Granit zu einer Mehrzahl anderer Gesteinstypen, wie Syenit oder Diorit und weiteren.
Die Welt der Gesteine ist, anders als etwa die der Minerale, der
Pflanzen und Tiere, nicht in eigentliche Arten zu unterteilen. Sie ist
ein Kontinuum, innerhalb dessen nur Gesteinstypen charakterisiert
und benannt werden können. Die Erfahrung zeigt allerdings, daß
manche Bereiche dieses Kontinuums weit reichlicher mit natürlichen
Gesteinen besetzt sind als andere. Gesteine mit Zusammensetzungen,
97
die besonders oft vorkommen, werden zweckmäßig als Haupttypen
charakterisiert; ihre Namen gelten dann auch für Gesteine, die innerhalb gewisser, konventionell festgelegter Grenzen von dem Typus
abweichen.
Granite sind demnach deutlich kristalline Gesteine mit Quarz und
Feldspäten als mineralischen Hauptbestandteilen; gewöhnlich kommen Glimmer oder auch Hornblende und weitere Mineralarten in
geringerer Menge hinzu (Abb. 2). In den häufigsten Graniten sind
die Feldspäte zweierlei Art: Kalifeldspäte (mit Anteilen von Natronfeldspat) und Plagioklase (Mischkristalle von Natron- und Calciumfeldspat). Granite, die aus etwa 30% Kalifeldspat, 30% Plagioklas,
30% Quarz und 10% Glimmer bestehen, sind besonders häufig und
repräsentieren den Typus «Granit im engeren Sinne» am besten. Auch
Gesteine, deren Zusammensetzung von der genannten deutlich abweichen, zum Beispiel durch starkes Vorherrschen des Plagioklases
gegenüber dem Kalifeldspat oder durch Zurücktreten der dunklen
Minerale (Glimmer, Hornblende), werden als «Granitoide» zur weiteren Granitfamilie gerechnet. Allen diesen granitartigen Gesteinen
ist aber gemeinsam, daß Quarz und Feldspäte Hauptminerale sind;
nach aller Erfahrung machen sie fast immer mehr als 60% des Gesteinsvolumens aus. Die Abbildung 2 zeigt in sehr vereinfachter Weise
die mineralische Zusammensetzung der hier gemeinten granitischen
Gesteine.
Nach allgemeiner Übereinkunft spielen Herkunft und Bildungsweise für die Benennung der granitischen Gesteine keine Rolle — eine
vorsichtige Einschränkung, die einer doch noch fortbestehenden Ungewißheit hinsichtlich der Genese Rechnung trägt.
Vielfalt der Granite als Folge regelmäßiger Entwicklungsprozesse?
Vielfach treten Granitmassive unterschiedlicher Zusammensetzung
gesellig und in eindeutig erkennbarer zeitlicher Abfolge auf. In den
meisten Fallen dieser Art zeigt sich, daß die älteren Glieder solcher
Gruppen reicher an dunklen Eisen-Magnesium-Mineralen und ärmer
an Quarz als die jüngeren sind. Auch die Zusammensetzung und die
Mengenanteile der beiden Feldspatarten ändern sich im Laufe der
Zeit zugunsten natronbetonter Plagioklase und eines höheren Anteils
der Kalifeldspäte. Die Unterschiede der Gesteine sind demnach wahr98
Abb. 3: Granit von St. Renan (Bretagne).
Anschliff, Breite des Bildausschnittes 3 cm. Plagioklas weiß, Kalifeldspat blaßrosa, Quarz hellgrau, Biotit schwarz. Typisches Gefüge eines massigen Tie-
fengesteins.
scheinlich die Folge regelmäßig ablaufender stofflicher Entwicklungen, an deren Ende helle Granite mit etwa gleichen Anteilen des
Quarzes und der beiden Feldspäte erscheinen. Auf diese Befunde
wird später nochmals einzugehen sein. Weniger verbreitet sind
Granitabfolgen, bei denen umgekehrte Verhältnisse vorliegen.
Die Gefüge der Granite
Die Gefüge der Granite variieren, ebenso wie die mineralischen Zusammensetzungen, in weiten Grenzen. Allgemein gilt, daß typische
Granite für das bloße Auge deutlich kristallin erscheinen; bei durch99
Abb. 4: Derselbe Granit im Dünnschliff (0,025 mm dick); durchfallendes Licht. Breite
des Bildausschnittes 3 cm. Quarz klar durchsichtig, Feldspäte zum Teil etwas
getrübt, Biotit braun in verschiedenen Tönen.
schnittlichen Kristallgrößen von einem Millimeter ist das schon der
Fall. Sehr verbreitet ist ein gleichkörniges Gefüge, bei denen alle
Hauptminerale etwa gleich groß entwickelt sind (Abbildungen 3 —
5). Ein solches Gefüge hatte Goethe vor Augen, wenn er 1784 den
Granit folgendermaßen charakterisierte: «Es unterscheidet sich diese
merkwürdige Gesteinsart dadurch von allen anderen, daß sie zwar
nicht einfach ist, sondern aus sichtbaren Teilen besteht ... Feldspat,
Quarz und Glimmer. Wenn wir diese Teile genau betrachten, so
kömmt es uns vor, als ob sie nicht, wie man es sonst von Teilen
denken mug, vor dem Ganzen gewesen sein, sondern zugleich mit
ihrem Ganzen, das sie ausmachen, entstanden seien.» Und weiter
1820: «Als Hauptkennzeichen aber ward festgehalten, daß er (der
Granit, Verf.) aus drei innig verbundenen, dem Gehalt nach ver100
Abb. 5: Derselbe Dünnschliff zwischen Polarisationsfiltern. Jeder einheitlich gefärbte, hellere oder dunklere Bereich ist jeweils ein kristallines Quarz-, Feldspatoder Glimmer-Korn. Verwachsungsbeziehungen und innere Strukturen der
Körner (z.B. Zwillingslamellierung der Plagioklase) sind hier deutlich zu
erkennen. Breite des Bildausschnittes 3 cm.
wandten, dem Aussehen nach verschiedenen Teilen bestehe, aus
Quarz, Feldspat und Glimmer, welche gleiche Rechte des Beisammenseins ausübten; man konnte von keinem sagen, daß er das Enthaltende, von keinem, daß er das Enthaltene sei.» In der von Goethe
erkannten «Gleichberechtigung» der Mineralarten drückt sich nach
unserem heutigen Verständnis das «mineralische Gleichgewicht» aus,
das bei der Kristallisation geherrscht hat — eine staunenswerte Vorwegnahme viel späterer Erkenntnisse.
Eine andere, sehr verbreitete Gefügeform von Graniten ist durch
bis zu mehrere Zentimeter große Kristalle von Kalifeldspat (Orthoklas, Mikroklin) gekennzeichnet, die sich auffällig von der wesentlich
101
.- --...
r:.'... • ...•
Abb. 7: Granit im Kartenbild: Anschnitt in der mittleren kontinentalen Erdkruste
Guyanas. Kuppelförmige und unregelmäßigere Granitkörper von bis zu 100
km Durchmesser nehmen den überwiegenden Teil des freigelegten Krustenbereiches ein. Nebengesteine (weiß) sind überwiegend Gneise und Migmatite. Nach CHOUBERT aus RAGUIN 1976.
steinskörper haben bei sehr gleichmäßiger Zusammensetzung eine
solche Kristallisation erlebt. Sehr häufig sind Granitkörper durch
bestimmte Besonderheiten ihrer Zusammensetzung und ihres Gefüges von ihren Nachbarn verschieden und damit als Individuen charakterisierbar.
Eine äußerst seltene, aber viel beachtete Gefügevariante granitischer Gesteine sind die Kugelgranite (Orbiculite). Sie bestehen aus
zentimeter- bis dezimetergroßen kugeligen, ellipsoidischen oder
mehr unregelmäßig-rundlichen Körpern, in denen Granitminerale,
besonders Hornblende, Biotit und Feldspäte, konzentrische Lagen
103
Abb. 8: Granit im Kartenbild: Die konzentrisch gebauten Granitensembles von Cauterets und Panticosa in den Pyrenäen. Die Signaturen deuten den Gehalt der
Teilmassive an dunklen Mineralen (Hornblende, Biotit) an. Die Variationsbreite der Gesteine reicht von Gabbro und Quarzdiorit über Tonalit, Granodiorit und Granit bis zu Leukogranit. Weiß: Ältere Nebengesteine. Nach
DEBON 1975, vereinfacht.
bilden. Die Zahl solcher Lagen, die millimeter- bis zentimeterdick
sein können, kann gelegentlich mehrere Zehner erreichen; in anderen
Fallen sind nur ganz wenige Lagen entwickelt. Die rundlichen Körper
liegen in einer mehr oder weniger normalen granitischen Matrix. Die
große Seltenheit dieser Gebilde zeigt, daß sie unter Bedingungen
zustandegekommen sind, die in den gewöhnlichen Graniten nicht
gegeben waren. Warum sich hier die von der normalen gleichmäßigkörnigen so verschiedene Struktur einstellt, ist noch nicht voll aufgeklärt. Auf den mit farbigen Abbildungen illustrierten Aufsatz von
W. Schad (1981) sei besonders hingewiesen.
Gestalt und Größe granitischer Gesteinskörper
So abwechslungsreich wie die Zusammensetzungen und die Gefüge
der granitischen Gesteine sind auch die Formen und Größen der
granitischen Gesteinskörper. Einzelne, in sich sehr homogene Granit104
Abb. 9: Modell des Rattlesnake-Granits in Idaho, nach McCoLL aus BEST 1982.
Günstige Aufschlußverhältnisse lassen die räumliche Gestalt dieses Granitkörpers nahezu vollständig erkennen. In der Darstellung ist das Nebengestein «wegpräpariert» und der Granitkörper längs aufgeschnitten. Der Aufstieg aus der Tiefe erfolgte im Südosten (im Bild rechts oben). Im Bereich
der sich flach nach Nordwesten ausbreitenden Zunge ist eine regelmäßige
Klüftung des Gesteins entwickelt. Der als Maßstab und Orientierungshilfe
gezeigte Würfel hat eine Kantenlänge von 1500 Metern.
massive («Plutone») können sich an der Erdoberfläche über mehrere
Zehner bis zu hundert Kilometer erstrecken; oft sind mehrere solcher
Körper zu noch größeren «Bath°&hen» gruppiert (Abbildungen 7
und 8). Bei sehr großen Plutonen muß angenommen werden, daß sie
sich auch mehrere bis Zehner Kilometer in die Tiefe fortsetzen. Häufig sind mehr oder weniger regelmäßige Dome, Kuppeln, längliche
Gewölbe, manchmal auch zungen- oder plattenförmige Gestalten
von Plutonen zu ermitteln (Abb. 9). Kleinere, unregelmäßige Granitkörper heißen «Stöcke»; steilstehende, plattenförmige Körper sind
«Gänge» (Abb. 10). Alle genannten Formen der Granitkörper sind
als aus der Tiefe aufgestiegene Massen («Intrusionen») interpretierbar.
Daß solche Granitintrusionen jünger als die Gesteinseinheiten sind,
in die sie eindringen, ist die offenkundige Konsequenz aus solchen
105
Abb. 10:
Granit im Kartenbild: Granitgänge bei Neukirch im mittleren Schwarzwald. Nebengesteine sind Gneise und
Migmatite. Nach Blatt Furtwangen der geologischen
Karte des Großherzogtums
Baden 1:25000, Heidelberg,
1893.
Verbandsverhältnissen. Die Granite müssen während ihres Aufdringens auch in einem wesentlich beweglicheren Zustand als die relativ
starren Rahmengesteine gewesen sein. Der Aufstieg solcher Granitmassen endete im allgemeinen kilometertief unter der damaligen
Erdoberfläche. Die unter diesen Umständen nur sehr langsam verlaufende Abkühlung erlaubte die vollständige Kristallisation und die
Bildung des körnigen Gefüges eines «Tiefengesteins». Höher aufgestiegene und schneller abgekühlte Granitmassen haben feiner körnige
Gefüge; gelegentlich lassen sich alle Übergänge zu den Gefügeformen
granitischer Laven verfolgen. Sehr viele, auch große Granitkörper
haben relativ scharfe Grenzen gegenüber ihrem Nebengestein. In
manchen Fällen werden aber auch diffuse Obergänge zwischen Granit
und Nebengestein beobachtet, die vermuten lassen, daß granitartige
Mineralbestände und -gefüge sich dort aus einem zuvor andersartigen
Gesteinssubstrat an Ort und Stelle, ohne bedeutende Massenbewegungen, entwickelt haben. Diese Art der Granitbildung wird weiter
unten nochmals angesprochen werden.
106
In einer Übersicht des Auftretens granitischer Gesteinskörper und
ihrer Verhältnisse zu angrenzenden Gesteinen ist schließlich der verbreiteten Fälle zu gedenken, wo Granit tatsächlich die Unterlage
anderer, besonders sedimentärer Gesteine ist und sich ihnen gegenüber unzweifelhaft als die ältere Bildung zeigt. Solche Verhältnisse
kommen dadurch zustande, daß die kilometerdicken Gesteinsformationen, welche den Granit während seiner Kristallisation überdeckten, abgetragen wurden; dadurch wurde der Granit an der Erdoberfläche bloßgelegt und konnte nun die Unterlage für spätere Ablagerungen bilden. Voraussetzung für ein solches Geschehen ist, daß der
betreffende Teil der Erdkruste um Kilometerbeträge gehoben wurde;
anders hätten die Erosionsvorgänge nicht wirksam werden können.
Wo große Flächen von Granit freigelegt sind, fehlen im allgemeinen
auch schon entsprechende Volumina der betroffenen Plutone; ihre
Substanz ist abgetragen und zu Komponenten von Sedimentgesteinen
geworden. Für diese endlich war Granit insoweit ein «Urgestein»,
als wesentliche Teile ihrer Substanz von ihm stammen. Je größer im
Laufe der Erdgeschichte der Anteil der Granite an der kontinentalen
Kruste wurde, desto mehr fiel ihnen diese — allerdings nur bedingte
— Rolle eines «Urgesteins» zu.
Die sich nach diesen Betrachtungen stellende Frage ist nun, woher
die sichtlich aus der Tiefe aufsteigenden Granite letztlich kommen.
Bevor indessen darauf näher eingegangen wird, soll das oben angesprochene Motiv der Beweglichkeit weiter verfolgt werden.
Granitbildung aus der Schmelze
Die Entstehung vulkanischer Gesteine aus einer Gesteinsschmelze
(Lava) und die Ablagerung von Sedimenten verschiedener Art im
Wasser sind Beispiele der Gesteinsbildung, die unserer unmittelbaren
Anschauung zugänglich sind. Die Bildung von Granit und metamorphen Gesteinen dagegen kann an der Erdoberfläche und auch in tiefen
Bohrungen nicht beobachtet werden. Diese Prozesse finden offenbar
in bisher nicht zugänglichen Tiefen statt. Ihr Verlauf kann nur aus
der Zusammensetzung und dem Gefüge der Gesteine erschlossen
werden, nachdem sie, erst lange Zeit nach ihrer Entstehung, durch
Heraushebung und Erosion allen überlagernden Gesteins an die Erdoberfläche gekommen sind. Für die Bildung der Granite aus Ge107
manchen Fallen enthalten die Auswurfsmassen zahllose Fragmente
granitischer Minerale und Mineralaggregate. Daraus kann geschlossen
werden, daß bei diesen vulkanischen Ereignissen schon teilweise kristallisiertes granitisches Magma auf sich nach oben öffnenden Spalten
sehr schnell bis an die Erdoberfläche aufsteigen konnte. In sehr kurzer
Zeit wurden dabei große Massen glühenden, großenteils noch
schmelzflüssigen Materials gefördert, versprüht und oft über große
Areale ausgebreitet. Die Vorgänge und ihre Produkte beweisen, daß
granitische Schmelzen bis auf den heutigen Tag im Untergrund vorhanden sind; ihre gewöhnlich sehr langsame Kristallisation in der
Tiefe wurde in solchen Fallen zugunsten des vulkanischen Ereignisses
unterbrochen. Die Temperaturen der hervorbrechenden granitischen
Schmelzen bewegen sich meist zwischen 800 und 900°C.
Die Temperaturen der Granitkristallisation
Der hier folgende Abschnitt behandelt die für die Erschmelzung und
Kristallisation von Granit ermittelten Temperaturbedingungen. Dabei ergibt sich, daß mineralische Massen granitischer Zusammensetzung bei niedrigeren Temperaturen und damit auch länger im Schmelzezustand bestehen können als die meisten anderen Gesteine. Es zeigt
sich also an ihnen eine besondere Begünstigung der beweglich-flüssigen Existenz, gewissermaßen ein Hinauszögern der Erstarrung. Für
die Gestaltung der kontinentalen Erdkruste ist dies Verhalten von
größter Bedeutung.
Die an granitischen Vulkaniten gemessenen Temperaturen liegen
deutlich unter den Schmelztemperaturen der einzelnen Granitminerale (Quarz bzw. 5i0 2 1710°C, Plagioklas je nach Zusammensetzung
1550 bis 1100°C, Alkalifeldspat zwischen 1530 und 1063°C). Die
experimentelle Untersuchung von Gemengen dieser Minerale — und
die Granite sind solche Gemenge — hat aber gezeigt, daß ihre Schmelztemperatur bei bestimmten Mengenverhältnissen der Minerale bis auf
950°C heruntergehen kann. Viele Granite haben gerade solche Zusammensetzungen, die sie erst in diesem Temperaturbereich aus der
Schmelze kristallisieren lassen. Ein weiterer Faktor, der die Kristallisationstemperatur noch drastisch herabsetzt, ist das in den Magmen
enthaltene Wasser. Es kann in granitischen Schmelzen in der Tiefe
mit Anteilen von bis zu 10% enthalten sein, ohne sich als eigene
109
Phase auszuscheiden. Je höher der auf der Schmelze lastende Druck
ist, desto höher ist auch der in ihr lösliche Wasseranteil. Bei optimalen
Verhältnissen der potentiellen Mineralkomponenten (Quarz, Feldspate) und Wassersättigung ist die Kristallisation erst bei etwa 650°C
vollendet. Allerdings ist unter natürlichen Bedingungen die Wassersättigung nur selten gegeben; die Hauptmasse der Granitschmelzen
war «trockener» und kristallisierte bei Temperaturen zwischen 900
und 800°C. Diese Temperaturen liegen aber deutlich unter denen von
Basaltlaven (etwa 1200 bis 1100°C).
Die Befunde sind unter umgekehrtem Vorzeichen auch für den
Verlauf der Aufschmelzung festen Gesteins interpretierbar. Gesteine,
die Quarz und Feldspäte nebeneinander enthalten, können besonders
in Gegenwart weniger Gewichtsprozente Wassers in demselben Temperaturbereich zu schmelzen beginnen, wie er für die Kristallisation
des wasserhaltigen Granitmagmas ermittelt wurde. Wieviel Granitschmelze letztlich erzeugt wird, hängt von der zugeführten Wärmemenge und davon ab, wie weit die Zusammensetzung des betroffener)
Ausgangsgesteins der eines Granits nahekommt. Bei vielen metamorphen Sedimentgesteinen macht der zu Granit schmelzbare Anteil
über die Hälfte oder gar mehr als drei Viertel ihrer Masse aus.
Die so gebildeten granitischen Magmen sind durch ihre Beweglichkeit und relativ geringe Dichte zum Aufstieg und zur Ansammlung
in den höheren Teilen der Erdkruste befähigt. Granite entgehen dadurch auch weitgehend dem Abbau von unten her, der sonst die
kontinentale Erdkruste über längere ,Zeit hin dezimiert. Alle diese
Verhältnisse haben die zunehmende Ansammlung von granitischen
Gesteinen in den Kontinenten begünstigt.
Die Herkunft der granitischen Magmen
Im allgemeinen ist der Herkunftsbereich eines Granits nicht zugleich
mit dem Bereich seiner endgültigen Platznahme aufgeschlossen, weil
diese, wie wir heute wissen, meist um Kilometer oder gar Zehner
von Kilometern voneinander entfernt liegen. Selbst in Gebirgen mit
großen Höhenunterschieden sind die Zusammenhänge nur selten
ganz zu übersehen.
Durch tiefe Erosion sind aber doch weithin Zonen der Erdkruste
aufgeschlossen, in denen Anfänge der Granitbildung an den Struktu110
Abb. 12: Anfang der Granitbildung durch Teilschmelzung: Migmatit von Todtnau
im Südschwarzwald, Bruchfläche eines etwa 1 Meter hohen Gesteinsblocks.
Aus dem Ausgangsgestein, einem biotitreichen Quarz-Feldspat-Gneis sedimentärer Herkunft, entwickeln sich durch Teilschmelzung quarz- und feldspatreichere Adern, deren Substanz sich zu einem hellen Nest mit granitischer Zusammensetzung und granitartigem Gefüge sammelt. Der nicht mit
mobilisierte Biotit reichert sich in dunklen Restitsäumen an.
ren und Mineralbeständen eines ganz besonderen Gesteinstyps, der
Migmatite, erkannt werden können. Typische Migmatite bestehen
aus helleren, quarz- und feldspatreichen Adern oder Schlieren und
dunkleren Anteilen mit höheren Gehalten an Biotit, fallweise auch
Hornblende oder Cordierit (Abb. 12). Die mineralischen Zusammensetzungen der hellen Anteile sind als «granitoid», ihre Gefüge als
«plutonitisch» zu kennzeichnen, während die dunklen Anteile gneis111
artige oder andere Gefüge metamorpher Gesteine zeigen. Die heterogene Beschaffenheit der Migmatite ist die Folge der Ausscheidung
der hellen, granitähnlichen Anteile aus ursprünglich homogeneren
Ausgangsgesteinen. Diese waren meist Gneise, die ihrerseits durch
Metamorphose aus Sedimentgesteinen (Grauwacken, Tonsteinen) oder
seltener auch aus älteren granitischen Gesteinen hervorgegangen sind.
Offenbar gewähren uns solche Migmatite Einblick in den Entstehungsprozeß granitischen Materials. Dadurch, daß der Prozeß nicht
überall vollendet, sondern gewissermaßen unterwegs angehalten wurde, haben wir die verschiedensten Stadien seines Verlaufs vor Augen.
Aus dem Verhältnis der Gesteinsanteile der Migmatite zueinander
läßt sich also schließen, daß die granitartigen Anteile durch eine Art
Segregation aus einem metamorphen Ausgangsgestein entstanden
sind. Ihre kompositionelle und strukturelle Analogie zu den «fertigen» Graniten und Experimente zeigen, daß diese Segregation Folge
einer teilweisen Aufschmelzung, der Anatexis, ist. In vielen tieferen
Anschnitten der kontinentalen Erdkruste können auch fortgeschrittenere Stadien der Granitentwicklung durch Anatexis gesehen werden.
Vielfach geht nicht der gesamte Stoffbestand der Ausgangsgesteine
in den Granitzustand über; es bleiben vielmehr sogenannte «Restite»
zurück, in denen die weniger leicht schmelzbaren Anteile angesammelt sind.
Bei weiter fortschreitender Anatexis entstehen zunehmend homogenere Gesteinsmassen mit granitischen Mineralbeständen und Gefügen. Sie bilden bei vollständiger Entwicklung kuppel- oder pilzförmige Massive mit granitischen Zentren und migmatitischen Randbereichen, die nach außen hin in nicht migmatitisch überprägte Gesteine
übergehen. Der weitere Aufstieg und die Individualisierung von Granitplutonen sind in Abbildung 13 schematisch dargestellt.
Granit zeigt sich also in diesen Zusammenhängen zunächst als
Extrakt, dann als vollständigeres Umwandlungsprodukt schon zuvor
existierender Gesteine, als ein abgeleitetes — und nicht ursprüngliches
— Material der kontinentalen Kruste. Die so gebildeten Granite tragen
auch dann, wenn ihr Ausgangsmaterial gar nicht mehr zu erkennen
ist, immer noch deutlich die Signatur ihrer Herkunft aus ehemaligen
Sedimentgesteinen, beziehungsweise der aus diesen hervorgegangenen metamorphen Gesteine. Bestimmte Mineralkomponenten, zum
Beispiel Cordierit, besonders aber geochemische und isotopengeochemische Kriterien sind kennzeichnend für diese Herkunft. Die
112
Abb. 13: Aufstieg und Platznahme von Granitplutonen in vertikalen Schnitten durch.
die Erdkruste, schematisch. Nach CASTRO 1987. Die Größen der dargestellten Strukturen liegen im Bereich von mehreren Kilometern bis zu wenigen
Zehnern Kilometern.
a: Aus der Zone anatektischer Mobilisation (A) in der mittleren Erdkruste
erheben sich kuppel- und glockenförmige Migmatitkörper.
b: Eine ballonartig nach oben aufgestiegene Granitmasse wird von ihrem
Ursprungsbereich (A) abgeschnürt.
c: Granit steigt auf mehreren Spalten gangartig auf und bildet oben eine
größere zusammenhängende Masse.
d: Durch Einsinken einer älteren plutonischen Gesteinsmasse werden Aufstiegswege für nachdringenden Granit geöffnet. Voraussetzung ist eine Dehnung des betroffenen Krustenbereiches.
gleichen Kriterien finden sich auch bei sehr vielen Granitplutonen
und -gängen, die sich, in der Erdkruste hoch aufsteigend, weit von
ihrem Ursprungsbereich entfernt haben. Auch bei ihnen kann angenommen werden, daß sie durch Anatexis metamorpher Sedimentgesteine in unzugänglichen Tiefen, aber im Prinzip in gleicher Weise,
wie an den Migmatiten der höheren Krustenanschnitte zu sehen ist,
gebildet haben. Im Sinne dieser Deutung werden sie als S-Typ-Granite (S von Sediment) gekennzeichnet. Große Massen solcher Granite
sind vor allem dort entstanden, wo infolge der Plattentektonik zwei
Kontinente miteinander kollidierten. Dabei werden bedeutende Volumina von Sedimentgesteinen, die zu granitbildender Anatexis geeig113
net sind, in die Temperaturzone der Aufschmelzung gebracht. Die
Mehrzahl der Granite in Deutschland ist so zu deuten.
Neben diesen S-Typ-Graniten kennt man aber auch verbreitet
granitartige Gesteine, deren Signaturen auf einen anderen Ursprung
hinweisen. Sie sind in ihrer Hauptmasse reicher an Plagioklas, oft
auch an Hornblende und meist ärmer an Quarz als die oben geschilderten 5 -Typ -Granite. Sie finden sich bevorzugt in den Randbereichen von Kontinenten, die an ozeanische Kruste grenzen, zum Beispiel entlang des Westrandes von Nord- und Südamerika. Ozeanische
Kruste ist (und wird) dort unter den Kontinent geschoben und tief
versenkt. Im Untergrund des Kontinentalrandes können sich dabei
granitische Magmen durch Teilschmelzung des im weitesten Sinne
basaltischen Materials der ozeanischen Kruste bilden. Die Teilschmelzung wird durch die Durchfeuchtung der ozeanischen Krustengesteine begünstigt. Durch Reaktion mit tief eindringendem Meerwasser
entstehen dabei wasserhaltige Minerale verschiedener Art. Auch bei
der Versenkung in größere Tiefe bleiben wasserhaltige Minerale, zum
Beispiel Hornblende, erhalten. Bei höheren Temperaturen zerfallen
sie und geben ihren Wasseranteil frei; dieser bewirkt eine Schmelzpunkterniedrigung des Gesteins. Wir begegnen damit ein weiteres
Mal dem Wasser als dem Vermittler wesentlicher Veränderungen im
Mineralischen, wiederum beim Übergang vom festen in den magmatisch-flüssigen Zustand.
Mineralische, geochemische und isotopengeochemische Kriterien
heben die aus diesem Ausgangsmaterial hervorgehenden Gesteine, die
1-Typ -Granite, deutlich von den oben genannten 5 -Typ-Graniten ab.
Die Unterschiede verwischen sich, wenn im weiteren Verlauf auch
kontinentales Material in die Schmelzprozesse mit einbezogen wird.
Für die Vielfalt der granitischen Gesteine ist neben diesen, vom
Ursprung bestimmten Unterschieden, noch ein weiterer Prozeß, die
magmatische Differentiation, von großer Bedeutung. Bei der Kristallisation größerer Massen basaltischen Magmas in der Tiefe kann es
zur Ansammlung von Restschmelzen kommen, aus denen granitartige
Gesteine mit Feldspäten, Quarz und dunklen Mineralen kristallisieren. Beispiele für diesen Vorgang sind die seltenen plagioklasreichen
Granitoide der ozeanischen Kruste und granitische Anteile in Plutonen und Lagergängen basaltischer Zusammensetzung im kontinentalen Milieu. Es wird angenommen, daß ähnliche Prozesse auch an der
kaum irgendwo aufgeschlossenen Basis der kontinentalen Kruste ab114
laufen. Wenn schon für die Granite aus ehemaligen Sedimenten und
aus umgewandelten ozeanischen Krustengesteinen ihr Charakter als
Extrakte hervorgehoben wurde, dann gilt auch für die Granite dieses
dritten Bildungsmodus, daß sie quantitativ eher untergeordnete Fraktionen von viel größeren, andersartigen Magmenkörpern sind.
Basaltische Gesteine des Mondes haben gelegentlich Restschmelzen entwickelt, die nach ihrer'chemischen Zusammensetzung als granitartig zu bezeichnen sind. Als Seltenheiten wurden auch Gesteinsstückchen mit granitischem Mineralbestand gefunden. Es kann aber
mit Sicherheit angenommen werden, daß größere Granitkörper nach
Art der irdischen auf dem Mohd nicht vorkommen. Auf der Venus
wurden an wenigen Stellen eigenartige, wie runde Brote geformte
Berge beobachtet, die als oberflächliche Austritte eines zähen Magmas
gedeutet werden können. Nach den Erfahrungen auf der Erde kann
dabei an granitische oder verwandte Magmen gedacht werden, die
wesentlich zäher sind als basaltische. Gegenüber den weitaus dominierenden Formen leichtbeweglicher, also basaltischer, Magmaergüsse auf der Venus sind diese Gebilde aber nur kleine und seltene
Ausnahmen.
Granitbildung im festen Zustand?
Wenn bis hierher die Granitbildung aus einem Magma als allgemeingültige und gut gesicherte Erkenntnis dargestellt wurde, soll doch
eine andere, in ihrer Bedeutung ganz unterschiedlich beurteilte Möglichkeit der Entstehung granitartiger Gesteine wenigstens kurz erwähnt werden. Metamorphe Gesteine, deren Zusammensetzung der
von Granit hinreichend nahekommt, können durch Umkristallisation
bei Temperaturen noch unterhalb des Schmelzminimums Gefüge entwickeln, die denen von Graniten sehr ähnlich sind. Fluide, aber nicht
eigentlich schmelzflüssige Medien sorgen dabei für die notwendigen
Stofftransporte und die mehr oder weniger vollkommen erreichte
Homogenisierung solcher Gesteine über größere Bereiche. Auch mit
der Zuwanderung bestimmter Stoffe von außerhalb, besonders des
Kaliums zur Bildung kalireicher Feldspäte, wird gerechnet. Die so
entstehenden granitartigen Gesteine werden als metasomatische, das
heißt durch Stoffwanderung geprägte in-situ-Bildungen an Ort und
Stelle gekennzeichnet.
115
Drei Haupttheorien zur Entstehung der Granite
Im Rückblick über zwei Jahrhunderte der Granitforschung begegnen
wir damit drei ganz unterschiedlichen Theorien zur Granitbildung.
Granite sind danach
—die ältesten kristallinen Ausscheidungen eines Urgewässers, denen
erst später die anderen Gesteinsarten in einer bestimmten Ordnung
folgten (A.G. WERNER 1787: Theorie des Neptunismus, der auch
Goethe lange Zeit anhing);
—Kristallisationen einer in der Tiefe gebildeten Gesteinsschmelze
(Theorie des Plutonismus: J. HUTTON 1785, H. ROSENBUSCH 1898,
J.J. SEDERHOLM 1907, O.F. TUTTLE und N.L. BOWEN 1958).
—Produkte einer Umkristallisation geeigneter Gesteine in ganz überwiegend festem Zustand (Transformismus, PERRIN und M. RouBAULT 1949, F.K. DRESCHER-KADEN und S.S. AUGUSTHITIS 1982).
Während die große Mehrheit der Bearbeiter heute der magmatischen Bildungsweise der allermeisten Granite den Vorzug gibt, hält
eine kleinere Gruppe von Forschern an der eben geschilderten transformistischen Deutung der Hauptmasse granitischer Gesteine fest.
Der Anfang der Granitbildung
Von den ersten Graniten und der ältesten kontinentalen Kruste der
Erde ist nichts mehr erhalten. Schon die ältesten datierten Gesteine
mit Altern um 3,8 Milliarden Jahre lassen erkennen, daß die Bildung
kontinentaler Kruste bereits begonnen hatte. Von den verschiedenen
Möglichkeiten der Entstehung granitischer Magmen kommen in ältesten Zeiten nur diejenigen in Betracht, bei denen Granit als Extrakt
aus basaltischem Ausgangsgestein entsteht. Vor allem die Teilschmelzung versenkter ozeanischer Kruste wird gegenwärtig als Vorgang
angesehen, der ausreichende Quantitäten granitischen Magmas liefern
kann. Die ältesten zur weiteren Granitfamilie gehörenden Gesteine
waren, dem angenommenen Aufschmelzprozeß entsprechend, Tonalite. Mit der fortschreitenden Entwicklung kontinentaler Kruste kamen allmählich auch die anderen Glieder der Granitreihe hinzu.
116
Granit als Ziel magmatischer Reifungsprozesse
Der oben erwähnte Prozeß der magmatischen Differentiation ist nicht
auf basaltische Magmen beschränkt, sondern kann sich auch in granitischen Magmen abspielen, die nach Art der 1 -Typ- oder S-TypGranite aus der Aufschmelzung (Anatexis) vorgegebener Gesteine
entstanden sind. Sehr häufig zeigt sich bei Abfolgen granitischer
Plutone solcher Abkunft, daß als Endglieder Granite besonderer Art
— mit viel Quarz, mehr Kalifeldspat als Plagioklas und nur geringen
Anteilen dunkler Minerale — auftreten. Vollständige Gesteinsserien
solcher Art können mit Tonaliten oder Granodioriten beginnen und
mit kalifeldspatreichen, an dunklen Mineralen armen «Leukograniten» enden. Das Diagramm (Abb. 2) zeigt die kompositionellen Beziehungen dieser Gesteinsarten zueinander. Mit der mineralischen ist
auch eine chemische Entwicklung verbunden, bei der die Anteile der
Kieselsäure, des Natriums und des Kaliums zunehmen, während Eisen, Calcium und Magnesium abnehmen. In vereinfachender Weise
kann der Vorgang mit der Kristallisationsfolge der beteiligten MineraJe in einem Magma erklärt werden. Hornblende, Biotit und calciumreicher Plagioklas kristallisieren in aller Regel vor Kalifeldspat und
Quarz; weil sie etwas schwerer als die verbleibende Schmelze sind,
können sie in dem Magmareservoir absinken, während die Schmelze
weiter aufsteigt. Sie ist an den für Kalifeldspat und Quarz bestimmten
Komponenten angereichert und läßt einen entsprechend zusammengesetzten hellen Granit kristallisieren. In der Natur vollzieht sich
dieser Vorgang stufenweise und nur mehr oder weniger vollständig,
so daß daraus oft eine ganze Anzahl unterschiedlicher Granit-Varianten entsteht. In den jüngsten so hergeleiteten Graniten ist Biotit als
das einzige dunkle Mineral mit nur noch wenigen Prozenten vertreten; charakteristisch ist aber, daß neben ihm ein heller Glimmer, der
Muskovit, auftritt. Als Endglieder plutonischer Gesteinsserien können solche Granite bildlich als «gereift», als Ziele einer regelmäßigen
Entwicklung angesehen werden. Mit ihrer Kristallisation ist dann der
größte Teil der im Magma enthaltenen Stoffe mineralisch festgelegt.
Der magmatische Granitprozeß ist damit im wesentlichen zu seinem
notwendigen Ende gekommen. Ober diesen Zustand hinausgehende
Vorgänge, die im folgenden Abschnitt besprochen werden, bewegen
wesentlich kleinere Stoffmengen und führen zu neuen, andersartigen
Mineralbildungen.
.
117
Granit und die Lagerstätten seltener Elemente
Eine Darstellung des Granits wäre unvollständig, wenn sie nicht die
ganz wesentlichen Zusammenhänge zwischen diesem Gesteinstypus
und den Lagerstätten seltener Elemente wenigstens kurz berühren
würde. Wichtige Gebrauchsmetalle wie Kupfer, Zinn, Blei, Quecksilber, Silber und Gold kommen in den gewöhnlichen Gesteinen der
Erdkruste und des Erdmantels nur in Spuren und ohne eigene Mineralbildungen vor. Sie sind dort gewissermaßen als «Gäste» in den
silikatischen Hauptmineralen dieser Gesteine verborgen; ihre Konzentrationen bemessen sich nach Hundertsteln oder noch geringeren
Fraktionen eines Prozentes. Damit sie dennoch gelegentlich bis zur
Sichtbarkeit und Verwertbarkeit mit eigenen Mineralen erscheinen
konnten, bedurfte es wirksamer Konzentrationsprozesse zugunsten
dieser Elemente. Solche Prozesse sind ganz überwiegend an das Auftreten von Wasser in überhitzter (überkritischer) oder flüssiger Form
gebunden. Daß Wasser an Gesteinsschmelzen beteiligt sein kann und
in Mineralen wie Glimmer oder Hornblende auch dauerhaft fixiert
wird, ist weiter oben schon hervorgehoben worden. Die genannten,
in Graniten gewöhnlichen Minerale enthalten einige Gewichtsprozente Wasser in fester chemischer Bindung und zeugen so von dem
Wassergehalt ihres Bildungsmilieus.
Bei der Kristallisation vieler, besonders der «gereiften» Granite
wird aber das vorhandene Wasser nicht ganz für die Bildung dieselMinerale verbraucht, sondern sammelt sich gegen Ende der Kristallisation des Magmas mehr und mehr an. Es entsteht dabei, zunächst
noch bei recht hohen Temperaturen um 600 bis 500°C, eine dünnflüssige silikatisch-wäßrige Restschmelze, aus der sich endlich das Wasser
als eigene Phase individualisiert. Charakteristische Mineralbildungen
in diesem Zustand sind Kali- und Natronfeldspäte, Glimmer, Quarz,
Beryll und Turmalin. Sie bilden oft dezimeter-, ja metergroße Kristalle; Gesteine dieser Beschaffenheit werden Pegmatite genannt. Bereits
in dieser Phase treten bis dahin «verborgene» Elemente mit eigener)
Mineralen hervor: das Lithium im Lithiumglimmer, das Bor im Turmaimn und das Beryllium im Beryll. Weitere leichtflüchtige Stoffe,
wie Flufisäure, Salzsäure, Schwefelwasserstoff und andere reichern
sich in unterschiedlichem Maße mit dem Wasser an. Eine frühzeitige
Festlegung des Fluors der Flufisäure geschieht im Topas Al 2 F 2 SiO 4 .
Als Minerale seltener Metalle sind hier der Zinnstein 5n0 2 und der
118
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Abb. 14: Schema der Wasserzirkulation an einem warmen Tiefengesteinskörper; nach
1982. Der dargestellte Bereich kann nach der Tiefe und nach den Seiten
mehrere Kilometer bis wenige Zehner Kilometer umfassen. Die Ausscheidung von Erzmineralen geschieht vor allem entlang der aufsteigenden und
sich abkühlenden Äste der Wasserströme.
BEST
Wolframit (Fe, Mn)W0 4 zu nennen. Die bedeutendsten Zinnlagerstätten der Erde sind auf diese Weise in eindeutigem Zusammenhang
mit Graniten gebildet worden. Große Glimmerkristalle pegmatitischer Entstehung hat R. Gehlig im letzten Tycho de Brahe-Jahrbuch
(1993) beschrieben.
Andere Metallagerstätten, die ebenfalls aus heißen Wässern gebildet wurden, bergen weitere Metalle vor allem in Form von Schwefelverbindungen (Sulfiden), wie Arsenkies FeAsS, Bleiglanz PbS, Kupferkies CuFeS 2 , Zinkblende ZnS, Zinnober HgS oder in gediegener
Form (Gold, Silber). Für viele der Vorkommen kann eine unmittelbare Herkunft aus dem Metall- und Wasservorrat von Graniten nicht
angenommen werden. Für sie kommen großräumige Kreisläufe von
Wasser in Betracht, das auch von der Erdoberfläche her in tiefere
Bereiche der Erdkruste gelangt. Es wird dort erwärmt und laugt aus
verschiedensten Gesteinen die Metalle aus und läßt sie beim Wiederaufstieg und der damit verbundenen Abkühlung in Gestalt eigener
Minerale auskristallisieren. Auch Granite werden in diese Vorgänge
119
mit einbezogen und können sie durch ihre Wärmewirkung mit verursachen. Kreisläufe solcher Art sind in Dimensionen von mehreren
Kilometern nach der Tiefe und noch größerer seitlicher Ausdehnung
vorzustellen (Abb. 14). Auch dieser Prozeß leistet unter günstigen
Umständen enorme Anreicherungen der bis dahin ja nur spurenhaft
im Gestein vorhandenen Elemente. Anders wären die oben genannten
Erzminerale nicht zustandegekommen. Die Bedeutung der Vorgänge
für die menschliche Kultur ist offenkundig.
Zusammenfassend kann nach diesen Erfahrungen gesagt werden,
daß Lagerstätten bestimmter Metalle, wie Zinn und Wolfram, sich
bei einer über den eigentlichen magmatischen Zustand hinausgehenden Weiterentwicklung granitischer Stofflichkeit bilden. Im Stadium
der Pegmatitbildung, das sich an die magmatische Granitkristallisation anschließt, findet das Wachstum besonders großer Kristalle statt.
Von da an wird das Wasser in seinen der Tiefe angemessenen Zuständen das dominierende Medium der Mineralbildung. Nicht nur für
die granitgebundenen Metallerze, sondern für die überwiegende
Mehrzahl der Lagerstätten seltener und seltenster Metalle gilt, daß
das Wasser als sammelndes, transportierendes und Kristallisationsmedium diesen dazu verhilft, mit eigenen Mineralen überhaupt zur Erscheinung zu kommen. Es ist ein interessantes Ziel der Erforschung
unserer Nachbarplaneten, ob dort ähnliche Vorgänge möglich sind
(oder waren) oder ob vielleicht dieses ganz besondere Verhältnis der
Metalle zum Wasser allein der Erde vorbehalten ist.
Granit an der Erdoberfläche. Die Auseinandersetzung mit dem
Wasser und der Luft.
Granite treten in der Landschaft oft mit markanten Felsformen hervor, die allein durch ihre Gestalt schon frühzeitig und auch außerhalb
wissenschaftlicher Aspekte das Interesse der Menschen erregt haben.
Die manchmal auffallend regelmäßige Gestaltung von Granitfelsen,
die Goethe besonders beschäftigt hat, ist die Folge einer Gliederung
der Granitmasse durch Klüfte, an denen sich bevorzugt der Zerfall
des Gesteins abspielt (Abb. 15). Goethe charakterisiert diese Zerklüftung als «Gitterwerk», das sich in unmittelbarem Zusammenhang mit
der «Solideszenz», also dem Festwerden des Granits, gebildet hat. In
homogenen Granitkörpern ist verbreitet eine über viele Kilometer
120
Abb. 19: Durch Verwitterung eines etwa acht Meter langen Granitblockes von innen
heraus ist eine Höhle mit mehreren Zugängen entstanden. Eyre Halbinsel,
Südaustralien. Nach TWIDALE 1982.
erklären. Interessant ist, daß hier auch die Hohlformen kugelartige
Gestalten anstreben, während bei den oben genannten «Wollsäcken»
der feste Körper diese Formtendenz hat.
Granite und das Wachstum der Kontinente
Die Zugehörigkeit der verschiedenen Typen granitartiger Gesteine
zu den unterschiedlichen Milieus einer plattentektonisch gegliederten
Erde ist in den letzten zwanzig Jahren mit zunehmender Deutlichkeit
erkannt worden. Ganz eindeutig ist die Produktion großer Granitmassen auf die Kontinente beschränkt; der Zunahme der granitischen
Massen im Lauf der Erdgeschichte läuft das Wachstum der Kontinente weitgehend parallel. Aus kleinen Anfängen (Mikrokontinenten)
sind allmählich die späteren Großkontinente zusammengewachsen;
ihre teils konvergierenden, teils divergierenden Bewegungen dauern
heute noch an. Wenn auch kontinentale Kruste unter bestimmten
Bedingungen wieder dem tieferen Untergrund — dem Erdmantel —
inkorporiert wird, bleibt ihr im Endergebnis doch die Wachstumstendenz erhalten. Demgegenüber hat der Flächenanteil der überwiegend
basaltischen ozeanischen Kruste im Laufe der Erdgeschichte abge124
nommen. Ihre gegenüber dem kontinentalen Material größere Dichte
bewirkt, daß sie weithin durch Plattenbewegungen unter die Kontinente gedrückt wird. Dort wird sie zum Teil wieder in die Substanz
des Erdmantels aufgenommen, durch partielle Aufschmelzung (Anatexis) werden aber auch neue Magmen erzeugt, die dem granitischen
Typ im weiteren Sinne angehören. Die relativ geringere Dichte dieser
Magmen läßt sie aufsteigen und in flacheren Tiefen als Plutonite
kristallisieren oder als Vulkanite an der Erdoberfläche austreten. Mit
dem Verschwinden ozeanischer Kruste ist so die Vermehrung kontinentaler (granitartiger) Kruste mittelbar verknüpft.
Der Auftrieb des relativ leichten kontinentalen Gesteinsmaterials
hat schon frühzeitig bewirkt, daß sich immer größere Festlandsbereiche über den Meeresspiegel herausheben konnten. Damit wurden die
Gesteine natürlich auch zunehmend dem Angriff der Verwitterung
und Erosion ausgesetzt; auch große Massen granitischer Gesteine
verschwanden. Ihre mineralischen Komponenten wurden teils aufgelöst, teils aber auch im festen Zustand abtransportiert und in Sedimenten, wie Grauwacken, Arkosen und Tonsteinen wieder abgelagert.
Gerade diese Sedimente sind aber wegen ihrer Zusammensetzung
befähigt, durch Anatexis neue granitische Schmelzen zu erzeugen, so
daß auf dem Wege eines Recyclings auch hier letztlich wieder Granit
gebildet werden kann.
Die globale Bilanz aller dieser Prozesse erweist sich letztlich als
positiv für die Entwicklung granitischer Gesteine und damit für die
Kontinente, während die ozeanische Kruste trotz ihrer Produktivität
eine Einbuße ihres Anteils an der Erdoberfläche hinnehmen mußte.
Für die äußere Konfiguration der Erde ist die zunehmende Ausbreitung der granitischen Gesteine der entscheidende Vorgang.
Granite, das Leben auf dem Lande und in der Luft
Die im Vergleich mit den Gesteinen des Erdmantels und der ozeanischen Basalte geringere Dichte der Granite hat bewirkt, daß sich im
Laufe der Zeit zunehmend größere Massen kontinentaler Kruste über
das Niveau des Meeresspiegels erhoben haben. Zwar wurden große
Bereiche der Kontinente auch wiederholt vom Meer überflutet; zugleich blieben aber große Flächen als «Land» erhalten. Heute sind
etwa zwei Fünftel der Erdoberfläche Land in diesem Sinne. Nur ein
125
sehr kleiner und eher vergänglicher Teil des «Landes» besteht aus
ozeanischer Kruste, zum Beispiel ozeanische Inseln wie Hawaii, Island und andere.
Die Bildung ständig wachsender Landflächen war eine entscheidende Voraussetzung dafür, daß das Leben, das lange Zeit auf die
Gewässer beschränkt war, nun auch auf dem festen Land Fug fassen
konnte. Dies geschah aber nicht bald nach dem Auftauchen der Kontinente; vielmehr vergingen mehr als drei Milliarden Jahre, bis zu Beginn des Devons, vor etwa 350 Millionen Jahren, die ersten Landpflanzen (Psilophyten oder Nacktfarne) erschienen. In verhältnismäflig kurzer Zeit entwickelten sich Bärlapp- und Schachtelhalmgewächse sowie die eigentlichen Farne. Die ersten Landtiere warm
Milben und Spinnen, im Oberdevon dann auch geflügelte und ungeflügelte Insekten. Damit wurde nun auch der Luftraum belebt. Als
älteste Wirbeltiere traten im Oberdevon die zwischen Fischen und
Amphibien stehenden Ichthyostegalier auf.
Voraussetzung dieser neuen Entwicklungen des Lebens war zweifellos, daß über den Meeresspiegel erhobenes Land dauerhaft zur
Verfügung stand — dies als Folge der massenhaften Bildung und Erhaltung leichter Gesteine, besonders der Granite. Daß aber das Leben
dem Auftauchen der Kontinente mit so großer Verzögerung folgte,
muß seinen Grund in ganz anderen Verhältnissen haben. Eine hier
in Betracht kommende Erklärung ist, daß bis zum Devon keine
Ozonschicht in der Stratosphäre vorhanden war und deshalb lebensfeindliche Ultraviolettstrahlung der Sonne ungedämpft bis zur Erdoberfläche gelangte und kein Leben an der freien Luft zuließ. Erst
gesteigerte Lebensprozesse grüner Algen im Meer erzeugten so viel
Sauerstoff, daß dieser sich auch in der Atmosphäre verbreitete und
die Möglichkeit der Ozonbildung eröffnete.
Was ist Urgestein?
Wenden wir uns nun noch einmal der Frage zu, wo und was denn
nun das eigentliche «Urgestein» der Erde ist, wenn dem Granit diese
Stellung nicht zugebilligt werden darf. In den vorausgegangenen Ausführungen wurde wiederholt auf Basalt und seine metamorphen Abkömmlinge als Muttergesteine granitischer Ausscheidungen hingewiesen. Granitische Differentiate basaltischen Magmas und mehr
126
noch die Aufschmelzungsprodukte metamorpher ozeanischer Kruste
sind als die wichtigsten Quellen ursprünglicher Granite anzusehen.
Aber auch die Basalte selbst sind als Extrakte aus noch ursprünglicheren Gesteinen erkannt worden. Die Teilschmelzung der Gesteine des
Erdmantels liefert basaltische Magmen in einer etwa analogen Weise,
wie die Teilschmelzung metamorpher Sedimentgesteine Granit erzeugen kann. Die Gesteine des Erdmantels sind, ebenso wie die Granite
und Basalte, silikatischer Natur. Magnesiumreich, aber relativ kieselsäurearm, unterscheiden sie sich wesentlich von den Basalten und
noch mehr von den Graniten und allen Sedimentgesteinen. Sie sind
dagegen stofflich den Steinmeteoriten und wohl auch der dominierenden Gesteinssubstanz der erdnahen Planeten nahe verwandt. Wenn
also nach «Urgestein » im eigentlichen Sinne gefragt wird, dann ist
auf diesen Gesteinstypus, der den tieferen Zonen der Erde und ihrer
planetarischen Nachbarn gemeinsam ist, zu verweisen. In ihm ist die
ursprünglichste, uns zugängliche Muttersubstanz für alle anderen
Gesteins- und Mineralbildungen an der Peripherie der Erde zu suchen. Diese Aussage gilt indessen nur für die allgemeine Stofflichkeit,
nicht für die Mineralkomponenten und Gefüge der Mantelgesteine
in ihrem jetzigen Zustand. Durch die fortwährenden Bewegungen
des gesamten Erdinneren sind die Gesteine langsamen, aber unablässigen Bewegungen und Veränderungen der Temperatur und des Drukkes ausgesetzt. Ihre mineralischen Zusammensetzungen und Gefüge
werden dadurch beständig verändert, so daß Urgestein im strengen
Sinne in der lebendigen Erde nicht erhalten bleiben konnte.
Die Hauptmasse der mineralischen Substanz an der Peripherie der
Erde ist demnach aus dem Stoffreservoir des Erdmantels, also aus
der Tiefe, abzuleiten. Basalte und Granite sind Extrakte aus diesem,
Reservoir, Sediment- und metamorphe Gesteine Weiterentwicklungen des extrahierten Materials. Im Rahmen der Gesteinsbildungen
aus der Schmelze sind die granitischen Gesteine gewissermaßen das
Ziel einer regelmäßigen Entwicklung, an deren Ende die «gereiften.
Leukogranite stehen.
Die Beteiligung des Wassers an diesen Prozessen zeigt sich in einer
Abstufung, die vereinfachend folgendermaßen gesehen werden kann:
—Ansatzweise zu Beginn der Erschmelzung von Basaltmagma aus
dem Gestein des Erdmantels;
—Wesentlich bei der Erschmelzung granitischer Magmen aus ozeanischen und kontinentalen Krustengesteinen;
127
—Beherrschend bei der Mineralbildung im pegmatitischen und hydrothermalen Milieu (c14bei auch Ansammlung und mineralisches
Erscheinen der bis dahin «verborgenen» Metalle);
—An der Erdoberfläche als ein Hauptagens der Verwitterung, Abtragung und Sedimentbildung.
Wie eine Hilfe von außen kann es gesehen werden, wenn Wasser
dem Mineralischen eine Beweglichkeit und die Artentfaltung ermöglicht, die ihm sonst nicht gegeben ist. Weit in die Tiefe reichende
Wirkungen des Wassers sind auch die Prozesse der Granitbildung —
Wirkungen des «Urgewässers» in einer gegenüber der Goetheschen
verwandelten, sie aber auch wieder bestätigenden Sicht.
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