Aufgemerkt ! Aber wie ? Mechanismen der Aufmerksamkeit Stefan Treue Deutsches Primatenzentrum, Göttingen Übersicht • Leistungsfähigkeit menschlicher visueller Wahrnehmung • Hypothese zur Aufgabe des visuellen Systems • Grenzen und Fehler der Wahrnehmung • Aufgabe des visuellen Systems • Rolle der Aufmerksamkeit • Vorgehen und Ergebnisse der Aufmerksamkeitsforschung Das visuelle System in Primaten Das visuelle System in Primaten ist ein hochentwickeltes Informationsaufnahmesystem • • • • Photorezeptoren: 125 Millionen pro Auge Sensitivität: 1 Photon Dynamischer Bereich: 106 Schärfe: – Zweipunktdiskrimination: 3mm auf 10m – Noniussehschärfe: 1mm auf 20m „Structurefrommotion“ „Biologische Bewegung“ Genaue und schnelle Bewegungswahrnehmung ist wichtig Hypothese: Das visuelle System dient dazu dem Organismus ein möglichst korrektes und vollständiges Bild der Umwelt zu liefern Fehlwahrnehmungen/Illusionen Die „WasserfallIllusion“ The Falls of Foyers Having steadfastedly looked for a few seconds at a particular part of the cascade, admiring the confluence and decussation of the currents formig the liquid drapery of waters, and then suddenly directed my eyes to the left, to observe the vertifal face of the sombre-age-worn rocks immediately contiguous to the water-fall, I saw the rocky face as if in motion upwards, and with a apparent velocity equal to that of the descending water. Robert Addams, 1834 Bewegungswahrnehmung ist nicht immer korrekt. Korrektes Bild ? Korrektes Bild ? Die visuelle Wahrnehmung versucht Unterschiede in Bildhelligkeiten zu korrigieren um Objekteigenschaften zu repräsentieren. Kanten sind die wichtigsten Elemente unserer visuellen Wahrnehmung Die visuelle Wahrnehmung versucht kein ‚korrektes‘ Bild, sondern ein für das Überleben nützliches Bild zu liefern • • • • Annahmen als Hilfe in uneindeutigen Situationen Kontrastverstärkung Kanten statt Flächen Objekteigenschaften statt Bildeigenschaften Vollständiges Bild ? 1 Besser im ‚wahren‘ Leben!? Die visuelle Wahrnehmung versucht keine komplette Repräsentation der visuellen Umwelt zu liefern, sondern „nützt die Realität als Gedächtnis“. • Sensitivität nur für die Helligkeitswechsel oder die Bewegung bei plötzlichen Änderungen • Eindruck einer kompletten Repräsentation ist ein Illusion • Intern repräsentiert werden nur Aspekte die die Aufmerksamkeit erregen oder auf die Aufmerksamkeit gerichtet wird „Everyone knows what attention is. It is the taking possession by the mind, in clear and vivid form, of one out of what seems several simultaneously possible objects or trains of thought. Focalization, concentration of consciousness are of its essence. It implies withdrawal from some things in order to deal effectively with others.“ „Jeder weiss was Aufmerksamkeit ist. Es ist die Besitzergreifung des Geistes, in klarer und lebendiger Form, durch eine von vielen scheinbar gleichzeitig möglichen Objekten oder Gedankengängen. Fokussierung, Konzentration des Bewusstseins sind seine Essenz. Aufmerksamkeit impliziert die Abwendung von einigen Dingen um mit anderen effektiver umgehen zu können.“ William James, The Principles of Psychology, 1890 Aufmerksamkeitsmodulation sensorischer Informationsverarbeitung Sensorische Signale Vigilanz Selektion Sensorische Signale Modulation Modulation Arbeitsdefinition: Aufmerksamkeit ist die selektive Modulation von Sinnessignalen auf Grund ihrer Verhaltensrelevanz Das visuelle System in Primaten Richtungsselektive Neurone sind die Grundlage von Bewegungswahrnehmung Rezeptives Feld 40 Tuning Kurve 30 20 10 -90 -60 -30 0 30 60 90 120 150 180 210 240 Selektive Modulation aufgrund von Stimuluseigenschaften Aufmerksamkeit erlaubt eine selektive Modulation aufgrund von Verhaltensrelevanz Rezeptives Feld Fixationspunkt Tuningkurven mit Aufmerksamkeit innerhalb oder ausserhalb des rezeptiven Feldes cell jfdpa 60 50 40 30 20 10 0 30 60 90 120 150 180 210 240 270 300 330 Stimulusrichtung innerhalb des rezeptiven Feldes Sehen mehr beachtete Stimuli stärker aus als weniger beachtete Stimuli ? Aufmerksamkeit erhöht den wahrgenommenen Kontrast eines Reizes Aufmerksamkeitsmodulation aufgrund räumlicher Selektion ? Aufmerksamkeit auf einen von zwei Reizen im rezeptiven Feld +80% Aufmerksamkeit auf der Nullrichtung im rezeptiven Feld Aufmerksamkeit auf der Vorzugsrichtung im rezeptiven Feld Kartierung des rezeptiven Feldes Kartierung des rezeptiven Feldes während einer Aufmerksamkeitsaufgabe Konsequenzen für die Wahrnehmung ? • Aufmerksamkeit zieht neuronale Ressourcen an. • Dies könnte eine Verzerrung der Wahrnehmung zur Folge haben. Aufmerksamkeit lässt einen Reiz grösser erscheinen Selektive Modulation aufgrund von Stimuluseigenschaften Zusätzliche Modulation aufgrund von räumlicher Aufmerksamkeit Zusätzliche Modulation aufgrund von nicht-räumlicher Aufmerksamkeit Schlussfolgerungen • Das visuelle System ist sehr leistungsfähig. • Seine Aufgabe scheint aber weniger in einer punktgenauen Abbildung der Umwelt zu liegen, als vielmehr darin eine interne Repräsentation der Umwelt aufzubauen in der relevante Informationen verstärkt sind. • Sehen ist also ein aktiver, konstruktiver Prozess. • Aufmerksamkeit ist die Fähigkeit die Informationsverarbeitung den momentanen Bedingungen anzupassen. • Dabei wird die Wahrnehmung unbeachteter Reize abgeschwächt und die beachteter Reize verstärkt. Besonders die abgeschwächte Wahrnehmung unbeachteter Reize wird dabei oft nicht bewusst. • Dies ermöglicht es dem System seine begrenzten Resourcen auf momentan besonders wichtige Informationen zu konzentrieren ohne uns zu disorientieren.