Vorlesung zur Arithmetik • V1 18./19.04. • V2 -./26.04. • V3 02./03.05. • V4 09./10.05. • V5 16./17.05. • • • • • V6 V7 V8 V9 V10 23./24.05. 30.05./31.05. 06./07.06. 20./21.06. 27./28.06. • • • V11 04./05.07. V12 11./12.07. V13 18. 07. Arithmetik in der Grundschule Die Entwicklung des Zahlbegriffs beim Kind/Konzepte für den Anfangsunterricht Natürliche Zahlen im Anfangsunterricht Die Grundrechenoperationen Addition und Subtraktion Die Grundrechenoperationen Multiplikation und Division Rechengesetze und Rechenstrategien Rechenfakten automatisieren Entwicklung von Zahlen und Zahlsystemen Schriftliche Rechenverfahren Rechenschwäche und Rechenbegabung Aufgabenformate und Übungsangebote Zusammenfassung und Überblick Klausur 1 V 8.1 Entwicklung der Zahlen und Zahlsystemen 1 Entwicklung von Zahlen und Zahlsystemen 2 Merkmale eines dekadischen Stellenwertsystems 3 Römische Zahlzeichen 2 1 Entwicklung von Zahlen und Zahlsystemen Was sind Zahlen? • Der menschliche Intellekt hat sie zum Zählen ersonnen. Erst allmählich emanzipierte sich der Begriff „Zahl“ von der jeweiligen Natur der Dinge. Dafür war ein langer Evolutionsprozess nötig. Quellen: Ifrah, Universalgeschichte der Zahlen; Kaiser/Nöbauer, Geschichte der Mathematik 3 Wie entwickelten sich die Zahlen? • „Für diesen Hirsch will ich drei Speerspitzen haben“, mit ähnlichen Worten mögen die ersten Menschen unserer Art, die vor rund 25 000 Jahren lebten, ein Geschäft eingeleitet haben. Und sie brauchten dafür nicht einmal Zahlen – nur ihre Hände. • Mit einem Finger deuteten sie auf das Wild, mit drei Fingern auf Speerspitzen. • Für tausende von Jahren war für die Menschen eine Anzahl, die über drei hinausging, eine Menge, die mit Worten nicht genau fassbar war. 4 • Die Informationen aus der Frühzeit der Menschen zeigt, dass die Zählreihe nicht fertig in die Wirklichkeit sprang, sondern sich von einer Zählgrenze zur nächsten verschob. • Ein Zwergvolk, das nur mit sich im Urwald lebt, musste nicht über ‚zwei‘ hinauszählen. Alles, was darüber war, war „viel“. • Den Viehzüchter aber zwingt seine Herde, Stück für Stück bis 100 oder darüber hinaus zu zählen. „Viel“ wird für ihn erst, was weit über die Anzahl seiner Herdentiere hinaus geht und damit den wirtschaftlichen Wert für ihn verliert. • Jäger und Sammler brauchten für ihr normales Leben keine größeren Zahlen, aber die Orientierung an Mondrhythmen und Jahreszeiten führte vermutlich zur Weiterentwicklung des Zahlbegriffs. 5 Der Stammeshäuptling hat einige seiner Leute um sich versammelt und hat sich, um das Vieh zu zählen, folgendes Verfahren ausgedacht... Wenn 627 Tiere vorbeigegangen sind, ergibt sich folgendes Bild: -Der erste Helfer hat 7 Finger ausgestreckt. -Der zweite Helfer hat 2 Finger ausgestreckt. -Der dritte Helfer hat 6 Finger ausgestreckt. 6 • Die Zeit dagegen ist etwas Flüchtiges - man kann sie nicht vor sich aufreihen und mit Hilfe der Finger zusammenzählen. • Unsere Ahnen haben dieses Problem wahrscheinlich auf die Weise gelöst, dass sie eine Kerbe (z.B. für einen Tag) in einen Baum, einen Stock oder einen Stein ritzten. • Mit den „Kerbhölzern“ hat man die ersten Zeugen für Zahlzeichen gefunden. • Es folgten in den frühen Hochkulturen (Mesopotamien, Ägypten, China, Indien) die Ideen der Bündelung und der Stufung, die es ermöglichten, auch größere Zahlen darzustellen. 7 Im 3. Jahrtausend v. Chr. haben die Sumerer (Südirak) die Keilschriftziffern entwickelt. Etwa im 18. Jahrhundert v. Chr. führten Babylonische Gelehrte für den wissenschaftlichen Gebrauch das älteste bekannte Stellenwertsystem ein, das auf der Basis 60 beruhte. Zahlzeichen aus Keil/Nagel und Winkel Zahlzeichen der Babylonier Die Babylonier verwendeten ein Sechzigersystem mit 59 Ziffern. 8 • Sowohl das Prinzip des Stellenwertsystems als auch das 60erSystem blieben dauerhafter Besitz der Menschheit. • Unsere heutige Einteilung der Stunde in 60 Minuten, der Minute in 60 Sekunden gehen auf die Sumerer und deren hoch entwickelte Astronomie zurück. Ebenso die Einteilung des Vollkreises in 360 Grad. • Vielleicht lag die Wahl der Basis 60 im Wunsch begründet, die Maßsysteme zu vereinheitlichen. Vielleicht hat auch eine Rolle gespielt, dass 60 viele natürliche Teiler hat. 9 Positionssysteme kamen in vier Zivilisationen mit geschriebener Sprache vor: – Mesopotamien – China – Indien – Ägypten • Unser dekadisches Positionssystem geht auf den indischen Kulturkreis zurück. 10 Weg unserer „arabischen“ Ziffern • Die ältesten bekannten Texte, in denen eine Zahlschrift mit 9 Ziffern und der Null vorkamen (Indien und Kambodscha), stammen aus dem Jahre 600 n. Chr. • Im Jahr 773 kamen die Zahlzeichen in astronomischen Schriften von Indien nach Bagdad. • Im Jahr 820 erklärte und verwendete ein arabischer Mathematiker (al-Khuwarizmi) indische Ziffern in einem Lehrbuch. • Im 12. Jahrhundert wurde dieses Lehrbuch in Spanien ins Lateinische übersetzt (allmähliche Verbreitung in Europa). • Um 1500 verdrängten die „figurae indorum“ dann auch im deutschen Raum die römischen Ziffern. 11 Siegeszug der arabischen Ziffern • vor allem, weil man mit ihnen leicht rechnen konnte („indische Positionsarithmetik“) • Entscheidend für unser Zahlsystem war die Verwendung der Null als Zeichen für unbesetzte Stellen. • Die Form der Ziffern wurde mehrfach verändert. • Ihre heutige Gestalt geht auf Albrecht Dürer (14711528) zurück. 12 Al-Khuwarizmi über die Null: „Wenn beim Subtrahieren nichts übrigbleibt, schreib dann einen kleinen Kreis, damit der Platz nicht leer bleibt. Der kleine Kreis muss den Platz einnehmen, weil es sonst weniger Stellen werden und zum Beispiel die zweite für die erste gehalten wird.“ Wahrscheinlich haben die Inder den kleinen runden Kreis als Zeichen für eine Leerstelle von den Griechen übernommen. 13 • Schon die Babylonier ließen für nichtbesetzte Stellen Lücken in ihren Zahldarstellungen • Im letzten Jahrtausend v. Chr. wurde ein Sonderzeichen für nichtbesetzte Stellen eingeführt, das aber noch nicht an das Ende eines Zahlwortes geschrieben wurde. 14 Entwicklung unserer heutigen Ziffernsymbole 15 Zwei große geschriebene Rechensysteme: 1. Additive Systeme: Jede Zahl entsteht durch direkte Addition (z.T. auch Subtraktion) der numerischen Werte einzelner Ziffern (Beispiel: Römische Zahlzeichen). 2. Positions- oder Stellenwertsysteme: Jede Ziffer einer Zahl hat zusätzlich zu ihrem Ziffernwert einen Stellenwert. 16 2 Merkmale eines dekadischen Stellenwertsystems (Dezimalsystems) deka (griech.) – zehn decem (lat.) – zehn 17 Das Dezimalsystem • Das am meisten verbreitete Zahlensystem beruht auf der Zahl 10. • Innerhalb dieses Systems erhalten alle ganzen Zahlen bis 10 einen eigenen Namen. Auch die Zehnerpotenzen (1, 10, 100, 1000, ...) werden eigenständig benannt. • Die Namen der übrigen Zahlen werden durch Addition der Namen der vorangegangenen Zahlen zusammengesetzt. 18 Würde es keinerlei Abweichungen geben, würde man auf diese Weise folgende Zahlennamen erhalten: Quelle: Georges Ifrah, Universalgeschichte der Zahlen. 1981 19 Grundidee: systematisches Bündeln kleinerer Einheiten zu größeren (Bündelungsverfahren mit der Zahl 10) – zehn Grundziffern: die ersten neun Zahlen und die Null für unbesetzte Stellen (1,2,3,4,5,6,7,8,9,0) – Jede natürliche Zahl lässt sich eindeutig als Folge von Grundziffern darstellen. Jeder Ziffer kommt zusätzlich zu ihrem Ziffernwert ein dekadischer Stellenwert zu. (123, 444, 603) – Stellenwerte im dekadischen Positionssystem sind die Potenzen der Grundzahl 10: • 100= 1; 101= 10; 102= 100; 103 = 1000; 104 = 10 000 usw. 20 „46 783“ • Die Stelle, an der eine Grundziffer steht, gibt an, mit welcher Potenz von 10 sie zu multiplizieren ist. • Demzufolge können mehrstellige Zahlen auch als Summe solcher Produkte aufgefasst werden: – 46 783 = 4 ∙ 104 + 6 ∙ 103 + 7 ∙ 102 + 8 ∙ 101 + 3 ∙ 100 – 46 783 = 4 ∙10 000 + 6 ∙ 1000 + 7 ∙ 100 + 8 ∙ 10 + 3 ∙ 1 21 An Stelle der 10 kann man auch jede andere Zahl als Basis eines Positionssystems wählen. z. B. für die Rechentechnik verwendet: • das Dualsystem: zwei Grundziffern 0 und 1; Stellenwerte sind Potenzen von 2 • • • • 12 = 13 = 15 = 128= • Hexadezimalsystem: 16 Grundziffern, die 10 Ziffern des Dezimalsystems und weitere sechs (A-10; B-11; C-12; D-13; E-14; F-15) 22 Übungsvorlage Zehnersystem • 10 Grundziffern: 0, 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9 • Potenzen von 10 (1, 10, 100, 1000, 10000, ...) Vierersystem • 4 Grundziffern: 0, 1, 2, 3 • Potenzen von 4 (1, 4, 16, 64, 256, 1024, ...) s. auch Padberg, S. 59 Zweiersystem • 2 Grundziffern: 0,1 • Potenzen von 2 (1, 4, 8, 16, 32, 64, 128, 256, ...) Fünfersystem • 5 Grundziffern: 0, 1, 2, 3, 4 • Potenzen von 5 (1, 5, 25, 125, 625, 3125, ...) 23 Bei kleinen Basiszahlen verlängert sich die Zahldarstellung: „dreihundert“ • Dezimalsystem: • Hexadezimalsystem: • Dualsystem: 300 12C 100101100 24 Verfahren zur Umrechnung einer im Dezimalsystem gegebenen Zahl in ein System mit einer Basis = 10 579 soll mit der Basis b=6 dargestellt werden. Vorgehen über Reste • 579 = 96 · 6 + 3 • 96 = 16 · 6 + 0 • 16 = 2 · 6 + 4 • 2= 0·6+2 • 579 = 24036 Darstellen als Summe von Vielfachen der Potenzen 579 = 2 · 216 + 147 579 = 2 · 216 + 4 · 36 + 3 579 = 2 · 216 + 4 · 36 + 0 · 6 + 3 · 1 579 = 2 · 63 + 4 · 62 + 0 · 61 + 3 · 60 579 = 24036 25 3 Römische Zahlzeichen (Additionssystem) Die römischen Zahlen bestehen aus 7 einfachen Zeichen. Padberg, S. 53-55 26 • Abwechselnd werden 5 und 2 Einheiten zu einer neuen Einheit zusammengefasst (alternierende Fünferund Zweierbündelung). • Zahlen ohne eigenes Zeichen werden durch Reihung gebildet. So bedeutet CCCXXIII 323. Quelle: Gorski/Müller-Philipp, Leitfaden Arithmetik 27 Kerbhölzer von Hirten Eine Kerbe an die andere gereiht, war zu unübersichtlich und so dachten sich die Römer etwas aus, dass die Ziffernreihe überschaubarer machte: Wenn sie bei der fünf angekommen waren, schnitzten sie zwei schräge Kerben ein und bei der zehn zwei Kerben, die sich überschnitten. Entwicklung des Zeichens für 50: Ifrah: Universalgeschichte der Zahlen 28 Römischer Abakus (Rechenbrett) Das Rechnen mit römischen Zahlen ist kompliziert. Deshalb nutzten die Römer ein Rechenbrett, welches ein Stellenwertsystem repräsentierte. Ifrah: Universalgeschichte der Zahlen 29 Regeln für den Gebrauch römischer Zahlen wurden immer wieder geändert oder ergänzt. 30 Einige („aktuelle“) Regeln für den Gebrauch der Römischen Zahlen • Aus den 7 Zahlzeichen I, V, X, L, C, D, M werden alle Zahlen durch Addition und Subtraktion zusammengesetzt. • I, X, C, M höchstens dreimal hintereinander verwenden • V, L, D nicht mehrfach hintereinander verwenden • Steht ein Zeichen mit einem geringeren Wert links von einem Zeichen mit einem höheren Wert, wird der kleinere Wert vom größeren subtrahiert. • I, X, C darf nur vom jeweils Fünf- oder Zehnfachen abgezogen werden. 31 Beispiele • XCV • MCMLXXIX • MMCMXLIII 32 Wo begegnen uns heute noch römische Ziffern? • • • • • als Nummerierungen auf alten Wegsteinen bei Königs- und Königinnennamen: Elisabeth II. bei Papstnamen: Pius XII., Johannes Paul XXIII. auf Ziffernblättern (sogar bei modernen Uhren) als Jahreszahlen auf alten Denkmälern und in manchen Büchern Quelle: Ch. Erichson, Von Giganten, Medaillen … 33 Studienaufgabe zur Übung Woche vom 20.06.11 Wählen Sie aus: • Schreiben Sie einen kleinen Text zur Entwicklung unserer Zahlen für Viertklässler. (Illustrieren Sie diesen.) oder • Erstellen Sie eine Lehrbuchseite zur Entwicklung unserer Zahlen für Klasse 4. oder • Entwickeln Sie ein Arbeitsblatt zur Geschichte der Zahlen (Kl. 4). 34