Gleichberechtigung der Geschlechter in der deutschen Entwicklungspolitik Übersektorales Konzept BMZ-Strategiepapier 2 | 2014 2 BMZ-STRATEGIEPAPIER 2/2014 Inhaltsverzeichnis Zusammenfassung 3 1. Einleitung 4 1.1 1.2 1.3 Funktion des übersektoralen Konzepts Definitionen und Grundlagen Der Gender-Ansatz und seine zentralen methodischen Elemente 4 6 8 2. Die Bedeutung von Frauenrechten und Gleichberechtigung in der finanziellen und technischen Entwicklungszusammenarbeit 2.1 Themenfelder deutscher Entwicklungspolitik zur Stärkung von Frauenrechten 10 3. Instrumente und Strategien für Gender-Mainstreaming in der Entwicklungszusammenarbeit 12 3.1 3.2 3.3 3.4 Politikinstrument Entwicklungspolitischer Dialog Strategiepapiere Instrumente zur Integration des Gender-Ansatzes in der Programm- und Projektgestaltung Monitoring und Evaluierung 12 13 13 16 4. Anforderungen an eine geschlechtergerechte Entwicklungsfinanzierung 18 4.1 4.2 4.3 Mobilisierung einheimischer Ressourcen durch geschlechtersensibles Finanzmanagement Mobilisierung internationaler Ressourcen Systematische Ansätze und kohärente Politik 18 18 19 5. Der Gender-Ansatz in der Entwicklungspolitik – Überblick und Ausblick 21 5.1 5.2 5.3 5.4 Vorgaben Voraussetzungen Herausforderungen Perspektiven 21 21 22 23 Abkürzungsverzeichnis Referenzdokumente Anhang: Literatur 25 26 27 Übersicht über VN-Konventionen und frauenpolitische Ergebnisse von internationalen Konferenzen und Initiativen 30 9 3 BMZ-STRATEGIEPAPIER 2/2014 Zusammenfassung Das vorliegende übersektorale Konzept stellt die Grundlagen und Leitlinien des aktuellen GenderAnsatzes der deutschen Entwicklungspolitik dar. Es schreibt die in früheren Konzepten verankerte Berücksichtigung geschlechtsspezifischer Belange in allen Maßnahmen und auf allen Politikebenen als ein verbindliches Prinzip der deutschen Entwicklungspolitik fort. Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit versteht die Gleichberechtigung der Geschlechter (gender equality) als einen möglichen Schlüssel zur Erreichung des Ziels eines menschenrechtsbasierten, sozial gerechten und nachhaltigen Entwicklung demokratischer Gesellschaften. Menchenrechte sind Leitprinzip deutscher Entwicklungspolitik. Das VN-Übereinkommen zur Beseitigung jeglicher Form der Diskriminierung der Frau (CEDAW) ist die internationale Rechtsgrundlage, um das Ziel der Gleichberechtigung der Geschlechter und die Achtung, den Schutz und die Stärkung der universell gültigen Frauenrechte einzufordern und zu erreichen. Das BMZ hat sich diesem menschenrechtsbasierten Ansatz verpflichtet. Daraus abgeleitet sind Frauenrechte und die gleichen Chancen, Verantwortlichkeiten und Einflussmöglichkeiten der Geschlechter für das BMZ ein eigenständiges Ziel und handlungsleitendes Prinzip. Mit dem vorliegenden Konzept verfolgt das BMZ einen neuen, dreigleisigen Ansatz, der auch Mehrfach-Diskriminierungen überwinden will. Den bisherigen beiden Elementen des Gender-Ansatzes, zum einen Gender Mainstreaming – als Integration einer Geschlechterperspektive in alle entwicklungspolitische Strategien und Vorhaben – zum anderen Empowerment, der gezielten Beseitigung von geschlechtsspezifischen Diskriminierungen und Benachteiligungen und spezifischen Stärkung von Frauenrechten – wird als drittes Element der Auftrag hinzugefügt, die Stärkung von Frauenrechten und Gleichberechtigung der Geschlechter im hochrangigen bi- und multilateralen entwicklungspolitischen Politikdialog, im Sektorpolitikdialog und in der Politikberatung zu verankern. Geschlechtsspezifische Datenerhebungen und Indikatoren sind dabei Voraussetzungen dafür, die Förderung der Gleichberechtigung der Geschlechter gezielt nachzuverfolgen und steuernd einzugreifen. Die deutsche Entwicklungspolitik wird sich konsequent für die Gleichberechtigung der Geschlechter und Frauenrechte insbesondere in den folgenden Themenfeldern einsetzen: Armutsbekämpfung, Zugang zu Recht und Gerichtsbarkeit, Mitbestimmung und politische Beteiligung, ländliche Entwicklung und Ernährungssicherheit, Gewalt gegen Frauen und Mädchen, bewaffnete Konflikte und Friedenssicherung, Bildung, Erwerbsarbeit und wirtschaftliches Empowerment, Klimawandel und nachhaltige Entwicklung, Gesundheit, inklusive sexuelle und reproduktive Gesundheit und Rechte. In einem Gender-Aktionsplan erfolgt die Konkretisierung der Handlungsfelder. Die Zusammenarbeit mit männlichen Akteuren soll eine neue Dimension in allen Handlungsfeldern schaffen. Zentrale Bezugspunkte für das Gleichberechtigungskonzept sind die bilateralen bzw. gebergemeinsamen Länderstrategien und Strategiepapiere der Partner. Für die Umsetzung des Konzepts nutzt die deutsche Entwicklungspolitik die Politikinstrumente bi- und multilateraler entwicklungspolitischer Politikdialog und Politikberatung sowie die Vorhaben der finanziellen und technischen Zusammenarbeit. Das Konzept zielt auf eine geschlechtergerechte Entwicklungsfinanzierung und eine transparente Rechenschaftslegung durch Monitoring und Evaluierung ab. 4 BMZ-STRATEGIEPAPIER 2/2014 1.Einleitung Die Gleichberechtigung der Geschlechter ist eine unabdingbare Voraussetzung sowohl für die Gesundheit und das Wohlbefinden der Menschen als auch für wirtschaftliche, sozial und ökologisch nachhaltige Entwicklung – für lokale wie für nationale Gemeinschaften. Das gilt in gleichem Maß für das neue globale Rahmenwerk, das die Milleniumsentwicklungsziele ablösen wird: Gleichberechtigung und starke Frauenrechte sind ein Schlüsselelement, um den bislang unvollendeten Auftrag der internationalen Staatengemeinschaft, die weltweite Armut zu bekämpfen, wirksam zu erfüllen. Die bisherigen Anstrengungen der internationalen Entwicklungszusammenarbeit und der Regierungen der Kooperationsländer müssen fortgesetzt werden, um Armut und Ungleichheit weltweit zu beenden. Darüber hinaus muss die Reichweite der bisherigen Erfolge, deren Nachhaltigkeit und Qualität verbessert werden. Für die zukünftige internationale Zusammenarbeit und Entwicklungspolitik sind besser aufeinander abgestimmte Ziele und Maßnahmen auf allen Ebenen nötig, die Investitionen in sozialen und politischen Sektoren (Gesundheit, Bildung, Soziale Sicherung, Good Governance) durch Investitionen in Schlüsselinfrastrukturen und produktive Sektoren ergänzen, um auch im Geschlechterverhältnis notwendige strukturelle Veränderungen zu bewirken. Für eine an menschlicher Entwicklung orientierte Entwicklungszusammenarbeit, die die Bedürfnisse und die Rechte aller Menschen, ihre unterschiedlich begründeten Interessen und ihre Verletzlichkeit in den Mittelpunkt ihrer Politik stellt, ist die Bekämpfung von geschlechtsspezifischer Diskriminierung und Ausgrenzung eine zentrale Aufgabe. Globale Armutsreduzierung, eine ökologisch und sozial nachhaltige Wirtschaft, der Erhalt natürlicher Ressourcen sowie Achtung, Schutz und Gewährleistung der Menschenrechte und gute Regierungsführung können nur erreicht werden, wenn die Verwirklichung der Gleichberechtigung der Geschlechter und die Durchsetzung der Rechte von Frauen und Mädchen ins Zentrum eines neuen globalen Zielsystems für nachhaltige Entwicklung nach 2015 rücken und dort umfassend und systematisch verankert werden. Die Gleichberechtigung der Geschlechter ist somit ein Meilenstein und Gradmesser im post-2015 Prozess. Das BMZ setzt sich in Abstimmung mit den Kooperationspartnern in der EU, dem OECD DAC und den Vereinten Nationen, insbesondere mit UN Women, im neuen Rahmenwerk für ein eigenständiges Ziel (stand-alone goal) zur Gleichberechtigung der Geschlechter ein. Vor dem Hintergrund der Wirksamkeit und der guten Erfahrungen, die mit dem dualen Ansatz aus Empowerment und Gender Mainstreaming gewonnen wurden, verfolgt die deutsche Entwicklungspolitik darüber hinaus das Ziel, die Geschlechterperspektive als Querschnittsaufgabe in allen weiteren Zielen, Zielvorgaben und Indikatoren zu berücksichtigen. 1.1 FunKtion des ÜberseKtoralen Konzepts Das vorliegende übersektorale Konzept verdeutlicht die zentrale Rolle der Gleichberechtigung der Geschlechter für die deutsche Entwicklungspolitik. Es ist die entwicklungspolitische Vorgabe des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) für die Gestaltung der deutschen staatlichen Entwicklungszusammenarbeit. Das Konzept stellt einen strukturellen Zusammenhang zwischen der Querschnittsaufgabe der gleichberechtigten Beteiligung von Frauen und Männern an Entwicklungsprozessen und den anderen Querschnittsthemen der deutschen Entwicklungszusammenarbeit her. Dabei bezieht es sich insbesondere auf das Menschenrechtskonzept des BMZ von 2011, das die systematische Ausrichtung deutscher Entwick- 5 BMZ-STRATEGIEPAPIER 2/2014 lungspolitik an den Menschenrechten als Leitprinzip vorgibt. Betont wird darin die strategische Förderung von Frauenrechten als ein zentrales Ziel entwicklungspolitischer Menschenrechtspolitik.1 Das BMZ setzt sich für eine kohärente Ausrichtung seiner Politik auf Armutsbekämpfung und eine ökologisch nachhaltige und sozial gerechte Entwicklung und Globalisierung ein. In Themen wie guter Regierungsführung, Korruptionsbekämpfung, ökologisches Wirtschaften, Ernährungssicherung und Privat wirtschaftsförderung werden Gender-Fragen bereits einbezogen. 2 Es ist ein Anspruch der deutschen Entwicklungspolitik, den hohen Stellenwert des Gleichberechtigungszieles in der ständigen Aktualisierung vorliegender und neuer Strategiepapiere zu berücksichtigen. VerbindlichKeit und adressaten Das Konzept ist für die Institutionen der staatlichen Entwicklungszusammenarbeit verbindlich. Für das Geschäft im eigenen Risiko von KfW-Entwicklungsbank und ihrer Tochter DEG bzw. der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH und ihren Geschäftsbereich International Services dient es als Richtschnur. Die Gleichberechtigung der Geschlechter und die Menschenrechte von Frauen und Mädchen zu stärken, ist somit eine durchgängige Verpflichtung für alle Politikfelder, Politikinstrumente und Strategien der staatlichen Entwicklungszusammenarbeit. Das übersektorale Konzept ist verbindlich für: — die Identifikation, Prüfung, Konzeption, Durch- 1 2 BMZ (2011): Menschenrechte in der deutschen Entwicklungspolitik, Bonn. Vgl. Förderung von Good Governance in der deutschen Entwicklungspolitik, BMZ-Konzept Nr. 172/Februar 2009; Sektorkonzept für Privatwirtschaftsförderung. Strategiepapier Nr. 9/2013; Ökologisches Wirtschaften. Informationsbroschüre Nr. 2/2011; Antikorruption und Integrität in der deutschen Entwicklungszusammenarbeit. Strategiepapier Nr. 4/2012; Strategie der Entwicklungsfördernden und strukturbildenden Übergangshilfe (ESÜH), BMZ-Strategiepapier 6/2013 führung, Steuerung und Evaluierung sektor- und themenrelevanter Programme und Module — die Entwicklung von Sektorkonzepten sowie Regionalkonzepten, Länderstrategien und ggfs. anderen Konzepten der bilateralen Entwicklungspolitik — die Positionierung der deutschen Entwicklungspolitik in der internationalen Diskussion und Erarbeitung unserer Beiträge zur multilateralen/ regionalen Kooperation bzw. europäischen Entwicklungszusammenarbeit — die Kommunikation mit der Öffentlichkeit in Deutschland, mit dem Deutschen Bundestag und mit anderen Bundesressorts Für zivilgesellschaftliche Organisationen (politische Stiftungen, Kirchen, private Träger, Sozialstrukturträger) und die Privatwirtschaft stellt das Konzept eine Orientierungshilfe dar. Wichtiges Ziel ist es auch, die Kooperationsländer des BMZ bei der Umsetzung internationaler, regionaler und nationaler Abkommen, Gesetze und Politiken zur Stärkung und Durchsetzung von Frauenrechten wirksam zu unterstützen. Dabei gilt weiterhin die Orientierung an der Eigenverantwortlichkeit (ownership) der Partner. Ein wichtiger Partner für das BMZ ist die Organisation UN Women. Sie bietet ein Forum für die Verhandlungen weltweiter Normen und Standards und unterstützt die Kooperationsländer bei der Umsetzung. Das übersektorale Konzept ersetzt das Konzept für die Förderung der gleichberechtigen Beteiligung von Frauen und Männern am Entwicklungsprozess von 2001. Es wird regelmäßig auf seine Anwendung und Umsetzung sowie auf Aktualisierungsanforderungen hin überprüft. Aufgrund der guten Erfahrungen mit früheren Strategien ist ein Aktionsplan zur Umsetzung des Konzeptes durch konkrete Maßnahmen geplant, der an die hier aufgeführten Grundsätze anknüpft. 6 BMZ-STRATEGIEPAPIER 2/2014 1.2 deFinitionen und GrundlaGen die Vn-Konventionen Zentraler Bezugspunkt für das Konzept ist das “Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau” (CEDAW, 1979), das Diskriminierung in allen Lebensbereichen verbietet und Staaten dazu auffordert, pro-aktiv Maßnahmen zu ergreifen, um rechtliche und tatsächliche Gleichberechtigung herzustellen. Das BMZ hat sich diesem menschenrechtsbasierten Ansatz verpflichtet und versteht die Stärkung der Geschlechtergleichberechtigung als eigenständiges Ziel und handlungsleitendes Prinzip seiner Arbeit. Weitere Bezüge sind die Pekinger Aktionsplattform (1995), die Konvention über die Rechte des Kindes (CRC, 1989), die VNSicherheitsratsresolution 1325 zu Frauen, Frieden und Sicherheit (2000) und die weiterhin gültigen DAC-Genderleitlinien (1998).3 Gleichberechtigung für Frauen und Männer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts begrenzt alle Menschen in ihren individuellen und kollektiven Möglichkeiten, sich als Akteure für eine menschenrechtsbasierte, ökologisch nachhaltige, sozial gerechte Wirtschaft und Sozialstruktur einzusetzen. Deshalb bezieht sich dieses Konzept nicht allein auf Frauen als “Zielgruppe”. Frauen und Mädchen sind während ihres gesamten Lebenszyklus die Hauptbetroffenen von geschlechtsspezifischer Diskriminierung. Männer und Jungen können jedoch ebenfalls, wenn auch in insgesamt geringerem Maße, von Diskriminierung betroffen sein. Der Missstand geschlechtsspezifischer Diskriminierung lässt sich aber nicht nur durch gezielte Stärkung von Rechten überwinden. Vielmehr muss sich das hierarchische Verhältnis der Geschlechter ändern. Entwicklungspolitische Maßnahmen sollten daher Veränderungen 3 Eine Übersicht über weitere relevante VN-Abkommen befindet sich im Anhang im Geschlechterverhältnis zueinander unterstützen. Durch verändertes Bewusstsein und Handeln von Männern und Frauen können eine gerechtere Verteilung von Mitbestimmung und Verantwortung sowie der Zugang zu Ressourcen und Arbeit auf Haushaltsund Gemeindeebene erreicht werden. T Ein transformativer Genderansatz bedeutet die kritische Auseinandersetzung mit den gängigen Männlichkeitsbildern (masculinity), ihre Hinterfragung in Projekten der Entwicklungszusammenarbeit, die zur Demokratisierung von Geschlechterverhältnissen beitragen wollen, sowie den Einbezug von Männern als change agents und die Berücksichtigung von Mehrfach-Diskriminierung (siehe Seite 7). Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit wird diesen erweiterten Ansatz vertiefen und fortsetzen. Gesellschaftliche normen Auf der Metaebene stehen Fragen der Geschlechterstereotypen und Normen eines Landes im Vordergrund. Diese spiegeln das Grundmuster einer gesellschaftlichen Geschlechterordnung wider und legitimieren über Bilder und Muster von Männlichkeit und Weiblichkeit das Geschlechtergefälle sowie die unterschiedlich großen Handlungsspielräume von Frauen und Männern. Die Ungleichheit zwischen Frauen und Männern ist diskriminierend und undemokratisch. Sie ist Teil patriarchalischer Machtstrukturen und wird von diesen geformt. Geschlechtersensible entwicklungspolitik Eine geschlechtersensible Entwicklungspolitik muss auf der Makroebene gesellschaftlicher Politik versuchen, einen Abbau von Geschlechterhierarchien und einen Machtausgleich (gender balance) zu fördern. Das setzt nicht nur eine Sensibilisierung der politischen, wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Entscheidungsträger voraus, die dabei Privilegien und exklusive Zugangsrechte aufgeben 7 BMZ-STRATEGIEPAPIER 2/2014 Gender: ein zweidiMensionales Konzept Gender als soziales Geschlecht Anders als frühere Frauenförderansätze, deren Hauptzielgruppe arme Frauen in Niedrigeinkommensländern waren, rückt der Gender-Ansatz der Entwicklungspolitik das Geschlechterverhältnis in den Mittelpunkt. Von der Ungleichheit zwischen Frauen und Männern ausgehend, ist das hierarchische Verhältnis zwischen ihnen als Teil gesellschaftlicher Machtstrukturen zu sehen. Dabei wird zwischen dem biologischen Geschlecht (engl.: sex) und dem sozialen Geschlecht (gender) unterschieden. Die Geschlechterrollen sind also gesellschaftlich erlernbar und erlernt sowie kulturell geprägt. Sie sind kontextabhängig, dynamisch und wandlungsfähig. Gender als analysekategorie gesellschaftlicher Machtverhältnisse Gender ist mit anderen Variablen sozialer, politischer, rechtlicher oder kultureller Marginalisierung eng verschränkt. Insbesondere Frauen und Mädchen sind durch Mehrfach-Diskriminierungen aufgrund von Geschlecht, Religion, ethnischer Zugehörigkeit, Hautfarbe, sexueller Orientierung, Behinderung und Alter besonders verletzliche Gruppen. Die Analyse der vielfältigen und spezifischen Rollen und Verantwortlichkeiten (roles & responsibilities), Positionen und Lebensbedingungen (positions & conditions) sowie Bedürfnisse und Interessen (gender needs & interests) von Frauen und Männern ist eine Grundvoraussetzung für entwicklungspolitische Programme, die sozialen Wandel und Demokratisierung unterstützen wollen. müssen. Es bedeutet auch, auf eine demokratische Transformation gesellschaftlicher Institutionen und Strukturen hinzuwirken, um mit dem Abbau bestehender Ungerechtigkeiten gezielt auch die Benachteiligung und den Ausschluss von Frauen und Mädchen zu überwinden, z.B. im Bildungs-, Sozialversicherungs- oder Gesundheitssystem eines Landes. Ferner hilft eine geschlechtersensible Herangehensweise, die Verschränkungen der verschiedenen Diskriminierungsformen zu verstehen. Geschlechterorientierung in der entwicklungspolitik Eine Geschlechterorientierung in der Entwicklungspolitik bedeutet, dass alle Ebenen eines gesellschaftlichen Gefüges einbezogen und die Zielgruppen bzw. beteiligten Akteure der Maßnahmen differenzierter als zuvor betrachtet werden. So müssen auch andere Formen der Diskriminierung berücksichtigt werden. Insbesondere Frauen können von einer MehrfachDiskriminierung betroffen sein. In vielen Staaten sind z.B. indigene Frauen von Ausgrenzung besonders hart betroffen, aber auch indigene Männer und Kinder werden marginalisiert. Behinderte und alte Menschen müssen viel gezielter in die Zusammenarbeit einbezogen werden. Ebenso sind Homophobie und die oftmals gewaltvolle Ausgrenzung von Lesben, Schwulen, Bi-, Trans- und Intersexuellen (LSBTI) häufig Ursache von Diskriminierungen. Diese strukturellen Zusammenhänge sind von großer Bedeutung für eine wirksame und ganzheitliche globale Entwicklungspolitik. Doch ist ihr Ziel, langfristig den sozialen, ökonomischen, politischen und rechtlichen Status von Frauen und Mädchen zu verbessern, nicht nur Mittel zum Zweck anderer oder übergeordneter Entwicklungsziele. Vielmehr gilt die Beseitigung der Geschlechterungleichheit und Diskriminierung von Frauen in der internationalen Gemeinschaft seit der Vierten VN-Weltfrauenkonferenz von 1995 als eigenständiges Entwicklungsziel. 8 BMZ-STRATEGIEPAPIER 2/2014 1.3 der Gender-ansatz und seine zentralen Methodischen eleMente dreiGleisiGer ansatz: politiKdialoG, eMpowerMent und Gender MainstreaMinG Die beiden Strategien Gender Mainstreaming und Empowerment wurden seit dem Jahr 2000 sowohl in der deutschen Entwicklungszusammenarbeit als auch in zahlreichen weiteren Mitgliedsstaaten des OECD DAC und der EU als dualer Ansatz (dual track) verfolgt. Doch in Anbetracht des langsamen Fortschritts auf dem Weg zur Gleichberechtigung der Geschlechter wird die deutsche Entwicklungspolitik zukünftig verstärkt Gender-Fragen und Frauenrechte bei Regierungsverhandlungen und Konsultationen, sowie im Sektorpolitikdialog thematisieren. Der Auftrag, Gleichberechtigungsthemen im Politikdialog sowie in der Politikberatung zu verankern, wird damit den beiden Elementen Gender Mainstreaming und Empowerment gleichwertig hinzugefügt. Das Ziel, in den Kooperationsländern deutscher Entwicklungspolitik die Geschlechtergerechtigkeit zu fördern, beruht somit fortan auf einem dreigleisigen Ansatz (three-pronged approach), wie ihn auch die EU Kommission propagiert.4 eMpowerMent Um Kooperationsländer darin zu unterstützen, geschlechtsspezifische Diskriminierung und gewaltvolle Ausgrenzung von Frauen und Mädchen zu bekämpfen, befürwortet das BMZ spezifische Maßnahmen, die zu einer deutlichen Stärkung von Frauenrechten beitragen. Der Empowerment-Ansatz wurde in der Aktionsplattform von Peking (1995) vereinbart. Er zielt darauf ab, Frauen vor allem durch Bewusstseinsbildung auf allen gesellschaftlichen Ebenen als Rechtsträgerinnen zu stärken und ihre Handlungsmöglichkeiten (agency) zu erweitern. Über Frauen4 European Commission (2010): EU Plan of Action on Gender Equality and Women’s Empowerment in Development, 2010 – 2015. Commission Staff Working Document. Brussels, SEC (2010) 265 final förderung hinausgehend, meint Empowerment von außen angestoßene, aber kollektiv getragene Prozesse des Machtgewinns, die sowohl zu einer individuellen Emanzipation als auch zum Wandel der patriarchalischen Gesellschaftsstrukturen führen. Anders als Gender Mainstreaming ist Empowerment ein gesellschaftspolitischer Prozess, der – ausgehend von den Gruppen der gesellschaftlich Benachteiligten – “von unten” getragen und von sozialen Bewegungen gestützt wird. Ein wichtiges Instrument für Empowerment ist die gezielte Weiterbildung von Frauen und Mädchen sowie eine auf die Stärkung von Frauenrechten ausgerichtete Organisationsentwicklung (capacity building). Gender MainstreaMinG Das Bundesgleichstellungsgesetz verpflichtet alle Ministerien, durch Gender Mainstreaming zur Beseitigung von geschlechtsbasierter Ungleichheit beizutragen. Dies bedeutet, bei allen politischen Vorhaben und Entscheidungen die unterschiedlichen Lebenslagen und Interessen von Frauen und Männern sowie von Mädchen und Jungen durchgehend zu berücksichtigen, da keine Maßnahme eine geschlechtsneutrale Wirkung hat. Ziel der deutschen Entwicklungspolitik ist es, durch Gender Mainstreaming zur gleichberechtigten Teilhabe von Frauen und Männern am Entwicklungsprozess beizutragen. Gender Mainstreaming ist in allen entwicklungspolitischen Strategien, Programmen und Projekten zu beachten. In der bilateralen staatlichen Entwicklungszusammenarbeit zieht sich die Mainstreamingaufgabe durch den Politikdialog und die Politikberatung auf der Makroebene sowie die Programmierung und die Durchführung aller Vorhaben (Projektidentifizierung, -planung, -implementierung, Monitoring und Evaluierung) auf der Meso- und Mikroebene. Alle beteiligten Akteure sind beauftragt, die Gleichberechtigung der Geschlechter als Querschnittsaufgabe in der Planung, Struktur, Steuerung, Durchführung sowie in der Berichterstattung und Auswertung von Vorhaben zu berücksichtigen. 9 BMZ-STRATEGIEPAPIER 2/2014 2.DieBedeutungvonFrauenrechtenund Gleichberechtigunginderfinanziellenund technischenEntwicklungszusammenarbeit Die Ziele, Methoden und Instrumente des entwicklungspolitischen Ansatzes für die Gleichberechtigung von Frauen und Männern haben in den vergangenen Entwicklungsdekaden konzeptionell und in der praktischen Umsetzung einen starken Wandel erfahren. Mit Menschenrechten als Leitprinzip deutscher Entwicklungspolitik haben Frauenrechte und die gleichen Chancen, Verantwortlichkeiten und Einflussmöglichkeiten der Geschlechter neue Impulse bekommen. Aber es stellen sich auch zahlreiche neue Herausforderungen, denn die Gleichberechtigung der Geschlechter ist bei weitem nicht erreicht. Globale trends der GeschlechterunGleichheit auF einen blicK > Im Weltentwicklungsbericht der Weltbank (2012) und Umsetzungsbericht der UN-Millenniumsziele (2013)5 werden Fortschritte in drei Bereichen dokumentiert: Der Zugang zu (Schul-) Bildung ist gewachsen, Mädchen und junge Frauen haben bezüglich der Einschreibquoten in Schulen und Universitäten aufgeholt. Auch nimmt die Lebenserwartung von Frauen in Niedrigeinkommensländern stetig zu. Zudem sind weltweit vier von zehn Erwerbstätigen weiblich. Diesen stetigen, aber sehr langsamen Fortschritten stehen jedoch andauernde Defizite auf dem Weg zu einem ausgeglichenen Geschlechterverhältnis entgegen: In vielen Ländern wird Mädchen noch immer das Recht auf Bildung verwehrt. Vor allem fällt die Dauer der Schulbildung oft weit hinter die der Jungen zurück. Zwei Drittel der erwachsenen Analphabeten sind Frauen (knapp 495 Millionen). Und obwohl junge Frauen zwischen 15 und 24 Jahren weltweit aufholen, bleibt die altersdurchschnittliche Analphabetisierungsrate von Frauen konstant bei 64 Prozent. 5 Vereinte Nationen (2013): Millenniums-Entwicklungsziele. Bericht 2013, New York, S. 18ff. > Trotz vermehrter Erwerbstätigkeit erhalten Frauen bei Weitem nicht den gleichen Zugang zu wirtschaftlichen Ressourcen wie Männer. Immer noch sind Frauen bis zu 80 Prozent für die unbezahlte Haus- und Fürsorgearbeit verantwortlich, aber nur zwischen zehn und 20 von 100 Landbesitzern sind weiblich. Ein weiterer Grund dafür, dass sich die Hierarchien zwischen den Geschlechtern so hartnäckig halten, sind fehlende Mitspracherechte und Entscheidungsmacht auf allen Ebenen: in Haushalten, in der Gemeinde und in der nationalen Politik sind vor allem arme und indigene Frauen de facto von politischen Entscheidungsprozessen ausgeschlossen. Der durchschnittliche Frauenanteil in den Parlamenten ist – aufgrund von Quotierungen in vielen Ländern – auf rund 20 Prozent angewachsen. Damit ist die Weltgemeinschaft immer noch weit von dem Ziel entfernt, dass Frauen mit mindestens 30 Prozent eine kritische Masse bilden, um Entscheidungen auch beeinflussen zu können. > Besonders gravierend wirkt sich Diskriminierung von Frauen und Mädchen im Bereich der Gesundheit aus: die in einigen Regionen extrem hohe Sterblichkeitsrate ist nicht nur bedingt durch fehlenden Zugang zu gesundheitlicher Versorgung während Schwangerschaft und Geburt, sondern vor allem auch durch die weltweit anwachsende, oft tödlich endende Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt. Diese erfahren Mädchen und Frauen besonders im häuslichen Bereich, aber auch auf der Flucht und in der Migration sowie in Ländern, deren Gesellschaften von kriegerischen Konflikten geprägt sind. Die massiven Verletzungen von grundlegenden Frauenrechten zeigen, dass der gleichberechtigte, ungehinderte Zugang zu Rechten und Chancen sowie zu Mitbestimmung und Teilhabe an sozialem Wandel in vielen Ländern immer noch eher ein Versprechen, denn ein angewandtes Recht ist. 10 BMZ-STRATEGIEPAPIER 2/2014 Angesichts dieser globalen Trends und des damit verbundenen Handlungsbedarfs setzt sich die deutsche Entwicklungspolitik insbesondere in den folgenden Themenfeldern für die Stärkung von Frauenrechten ein: 2.1 theMenFelder deutscher entwicKlunGspolitiK zur stärKunG Von Frauenrechten A In allen Themenfeldern der Entwicklungszusammenarbeit ist Armutsbekämpfung eine Kernaufgabe. Für alle armutsorientierten Programme der deutschen Entwicklungspolitik gilt es, den strukturellen Zusammenhang zwischen Armut und Geschlechterungleichheit zu berücksichtigen, denn: Armut ist nicht geschlechtsneutral. zuGanG zu recht und GerichtsbarKeit FÜr Frauen, politische beteiliGunG, MitbestiMMunG und repräsentation (participation, Voice, leadership) Die entscheidungsrelevante, gleichberechtigte Mitbestimmung von Frauen und Männern ist grundlegendes Menschenrecht und Voraussetzung für eine verantwortungsvolle, demokratische Regierungsführung. Um die Einflussmöglichkeiten von Frauen auf allen Ebenen zu stärken, müssen institutionelle Rahmenbedingungen und demokratische Verfahren verbessert werden. L Frauen und Mädchen kommt eine Schlüsselrolle in der kleinbäuerlichen Landwirtschaft, im Anbau von Nahrungsmitteln, in der Ernährungssicherung und im nachhaltigen Umgang mit Ressourcen zu. Es gilt, die Rechte von Frauen und Mädchen in der ländlichen Entwicklung und Ernährungssicherung zu stärken und einen gleichberechtigten Zugang zu Produktionsmitteln und Finanzdienstleistungen zu ermöglichen. Gewalt GeGen Frauen und Mädchen Gewalt gegen Frauen und Mädchen ist eine Menschenrechtsverletzung und ein globales Problem, das mit hohen Kosten – sozialen wie ökonomischen – für die Gesellschaft verbunden ist.6 Sie ist armutsverursachend und armutsvertiefend. In patriarchalischen Gesellschaften beruht sie auf einer tief verankerten Niedrigstellung des weiblichen Geschlechts, die nur durch strategische Initiativen und Interventionen auf allen gesellschaftlichen Ebenen überwunden werden kann. B Frauen und Mädchen sind besonders stark von Konflikten betroffen. Gewalt gegen Frauen und Mädchen, insbesondere sexuelle Gewalt, wird in vielen Konflikten als gezieltes Mittel der Kriegsführung eingesetzt. Auch als Flüchtlinge sind es besonders Frauen und Mädchen, die Opfer von Gewalt werden. Gleichzeitig wird ihnen die Partizipation an politischen Prozessen zur Konfliktprävention und zur Beilegung von Konflikten verwehrt. In Umsetzung der VN-Sicherheitsratsresolution 1325 und der Folgeresolutionen wird das BMZ auch in Zukunft spezifische Hilfs-, Schutz- und Wiedereingliederungsmaßnahmen leisten. B Bildung ist eine der zentralen Voraussetzungen für persönliches und politisches, für wirtschaftliches und rechtliches Empowerment. Zwar sind die Ein- 6 Eine Untersuchung der GIZ und der Peruanischen Universität USMP, Lima, hat die Kosten für Unternehmen errechnet, die die Gewalt gegen Arbeitnehmerinnen durch deren Partner verursacht (2013: Gewalt gegen Frauen und ihre finanziellen Folgen für Unternehmen in Peru, Eschborn). 11 BMZ-STRATEGIEPAPIER 2/2014 schulungsraten von Mädchen im vergangenen Jahrzehnt stark angestiegen, doch wird ihnen in vielen Ländern noch immer das Recht auf Bildung verwehrt. Zwei Drittel der erwachsenen Analphabeten sind Frauen. Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit setzt sich für eine hochwertige Bildung und berufliche Qualifizierung und den Abbau struktureller Hemmnisse von Mädchen und Frauen ein. erwerbsarbeit und wirtschaFtliches eMpowerMent Eine gleichberechtigte Beteiligung von Frauen am Wirtschafts- und Erwerbsleben trägt zur nachhaltigen Entwicklung eines Landes bei. Wirtschaftspolitische Programme in allen Regionen haben gezeigt, dass es sich gesamtgesellschaftlich rechnet, gleiche Chancen für Frauen auf wirtschaftliche Teilhabe zu ermöglichen (gender equality as smart economics). Die rechtlichen und sozialen Hürden gegenüber Frauen, die ihre wirtschaftliche Beteiligung einschränken, müssen abgebaut werden. Gesundheit, inKlusiVe sexuelle und reproduKtiVe Gesundheit und rechte (srGr) Gesundheit ist eine Grundvoraussetzung für nachhaltige Entwicklung. Sexuelle und reproduktive Gesundheit und Rechte (SRGR) sind elementar für die Chancengleichheit und gesellschaftliche Teilhabe von Frauen und Mädchen über den gesamten Lebenszyklus hinweg. Das BMZ wird sich weiterhin für einen uneingeschränkten Zugang von Frauen und ihren Partnern zu selbstbestimmten Familienplanungsmaßnahmen einsetzen, sowie die qualifizierte Betreuung bei Schwangerschaft und Geburt unterstützen. KliMawandel, KatastrophenrisiKoManaGeMent und nachhaltiGe entwicKlunG Führen Umweltzerstörung und Klimawandel zu einer Verknappung natürlicher Ressourcen wie Wasser und Land, erhöht sich für Frauen in ländlichen, aber auch in urbanen Gebieten der Zeitaufwand für die Überlebenssicherung der Familien. Ihre Anpassungsmöglichkeiten sind durch sozio-kulturell bedingte, wesentlich kleinere Handlungsspielräume begrenzt. Dadurch sind Frauen erheblich stärker den Auswirkungen von Klimawandel, Katastrophen und Umweltdegradierungen ausgesetzt und die Überlebenssicherung der Familie gefährdet. Das BMZ setzt sich daher für eine geschlechtersensible Klima-, Umwelt- und Entwicklungspolitik ein. Diese prioritären Themenfelder werden in einem entwicklungspolitischen Gender Aktionsplan des BMZ weitere Konkretisierung erfahren. Der Aktionsplan stellt das Umsetzungsinstrument des Gleichberechtigungskonzepts dar. Er zeigt die Schwerpunktsetzungen und konkreten Maßnahmen auf, mit denen die deutsche Entwicklungszusammenarbeit zukünftig den dreigleisigen Ansatz aus Politikdialog, Empowerment und Gendermainstreaming in der politischen Steuerung sowie in entwicklungspolitischen Maßnahmen umsetzen wird. 12 BMZ-STRATEGIEPAPIER 2/2014 3.InstrumenteundStrategienfürGender MainstreaminginderEntwicklungs­ zusammenarbeit 3.1 politiKinstruMent entwicKlunGspolitischer dialoG Im dreigleisigen Gender-Ansatz kommt dem Politikdialog besondere Bedeutung zu. Unter Bezugnahme auf die Prinzipien der Pariser Erklärung und die nachfolgenden Vereinbarungen zur Wirksamkeit der Entwicklungszusammenarbeit wird das BMZ zukünftig verstärkt die Geschlechterperspektive, wie z.B. die Wahrung und Stärkung von Frauenrechten, in bilateralen Regierungsverhandlungen und – konsultationen sowie in den Sektordialog einbringen. Dabei sind neben den menschenrechtlichen Grundlagen, insbesondere dem Übereinkommen zur Beseitigung jeglicher Diskriminierung der Frau (CEDAW) und der Konvention über die Rechte des Kindes (CRC), mit Zusatzprotokollen und Empfehlungen der Ausschüsse zu genderrelevanten Themen eines Landes, auch die regionalen Konventionen und die Positionspapiere der Kooperationsländer wichtige Referenzdokumente für die Verhandlungen, wie z.B. die AU Solemn Declaration on Gender Equality in Africa. Wenngleich nicht immer völkerrechtlich verbindlich, verdeutlichen sie oftmals eine progressive Haltung bezüglich Gender-Anliegen und menschenrechtsbasierten Positionen.7 Auf internationaler Ebene ist das BMZ in relevanten Gremien vertreten und wird seine geschlechterpolitischen Strategien und Positionen in die Institutionen wie auch in den gebergemeinsamen Politikdialog einbringen. Die wichtigste Institution 7 Im dritten Strategischen Plan der Kommission der Afrikanischen Union wird “Gender equality and women and youth employment” (2013) als einer von sechs strategisch wichtigen Bereichen ausgewiesen (African Union Commission’s Strategic Plan 2014 – 2017). Auch das Ergebnisdokument der Regionalen Konsultationen in Afrika (UNECA) für die 68. UN-Generalversammlung 2013 weist auf die zentrale Bedeutung der Gleichberechtigung der Geschlechter und dem Empowerment von Frauen hin. Ein weiteres Beispiel für ein regionales Referenzdokument ist das Ergebnisdokument der ersten regionalen ICPD-Überprüfungskonferenz in Mondevideo (2013; www.unfpa.org) der multilateralen Zusammenarbeit im Bereich Gender ist UN Women. UN Women hat das einzigartige Mandat, sowohl normativ als auch operativ im Bereich der Gleichberechtigung der Geschlechter tätig zu sein. Die Organisation berät Mitgliedstaaten, setzt Programme um und hat den Auftrag, die Gleichberechtigung der Geschlechter als Querschnittsthema in den Organisationen der Vereinten Nationen zu verankern. In den multilateralen Organisationen wird das BMZ bei Treffen mit deren Vertreter/innen dafür werben, dass die gender-relevanten Fonds und Programme der Vereinten Nationen, insbesondere von UN Women, durch verlässliche Beiträge unterstützt werden. Im Rahmen der G20 Global Partnership for Financial Inclusion (GPFI) setzt sich das BMZ in vielfältiger Weise für einen verbesserten Zugang zu einer breiten Palette an Finanzdienstleistungen (von Sparmöglichkeiten bis hin zu Versicherungen) für Frauen im Allgemeinen und Unternehmerinnen im Speziellen ein.8 Im Kontext internationaler Handelsvereinbarungen tritt das BMZ für eine größere Bedeutung von Menschenrechten und Geschlechtergerechtigkeit ein, etwa im Hinblick auf die Politikkohärenz. Bilateral erfolgreiche Maßnahmen zur Stärkung der kleinbäuerlichen Vermarktung dürfen beispielsweise nicht durch Agrarsubventionen der EU gefährdet werden. 8 2013 wurde die Onlineplattform “Womenʼs Finance Hub” aufgesetzt, um spezifisches Wissen und Erfahrungen zu sammeln und zu verbreiten, und so die bestehende Finanzierungslücke bei von Frauen geführten Unternehmen zu schließen (http://smefinanceforum. org/322200/womens-hub). 13 BMZ-STRATEGIEPAPIER 2/2014 3.2 strateGiepapiere länder- und seKtorstrateGien des bMz Länderstrategien sind das zentrale Managementinstrument und die Basis für die mittelfristige, direkte Zusammenarbeit mit einem Kooperationsland. In der Erstellung von Länderstrategien und der Ausrichtung des Kooperationsportfolios sollen in Zukunft Genderanalysen berücksichtigt werden. Ziele, Indikatoren und Zeitpläne in den Schwerpunkten werden genderdifferenziert festgelegt. Gleichberechtigung der Geschlechter hat auch in viele Sektorkonzepte und Strategiepapiere Eingang gefunden. Dabei zeigen gute Beispiele, dass es aufgrund des institutionellen Wissens auch gelingt, eine Geschlechterperspektive in hoch aggregierte Themen zu integrieren, die auf der gesellschaftlichen Makroebene verhandelt werden. Gleichwohl erfordert die deutlich komplexer gewordene Realität der Geschlechterverhältnisse immer wieder eine Überprüfung der Relevanz und Effektivität der anvisierten Maßnahmen, damit diese nicht nur kurzfristig praktische Bedürfnisse decken, sondern auch zum gezielten Abbau von Mehrfach-Diskriminierungen und strukturellen Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern beitragen. Diese Überprüfung ist zu belegen. Durch seine Unterstützung für UN Women setzt das BMZ sich auch dafür ein, dass die Gleichberechtigung der Geschlechter angemessen berücksichtigt ist in den gemeinsamen Länderstrategien der entwicklungspolitischen Organisationen der Vereinten Nationen, wie z.B. dem UN-Bevölkerungsfonds (UNFPA) oder dem UN-Entwicklungsprogramm (UNDP). S In den vergangenen Jahren haben übersektoral ausgerichtete Strategiepapiere der Kooperationsländer als wichtige Planungs-, und Steuerungsinstrumente an Bedeutung für die bi- und multilaterale Zusammenar- beit gewonnen. Zu den wichtigsten Grundsatzpapieren gehören neben nationalen Entwicklungsstrategien die nationalen Konzepte zur Gleichberechtigung der Geschlechter (gender equality policy) sowie zur Bekämpfung von geschlechtsspezifischer Gewalt. Im Rahmen der Politikberatung zu zukünftigen Strategiepapieren sollten aussagekräftige Genderanalysen herangezogen werden, die auf der Auswertung geschlechtsspezifisch disaggregierter Daten beruhen. Erfahrungen zeigen, dass Geschlechterfragen vor allem in den sozialen Sektoren (Bildung und Gesundheit) erhöhte Aufmerksamkeit zukommt. In anderen zentralen Bereichen, vor allem in Landwirtschaft, Umwelt, Wirtschaft, Handel, Transport und urbaner Entwicklung, wird ihnen jedoch meist zu wenig Relevanz beigemessen. Hier sind weitere Anstrengungen aller Akteure für ein umfassendes Gender Mainstreaming nötig. 3.3 instruMente zur inteGration des Gender-ansatzes in der proGraMM- und projeKtGestaltunG Genderanalyse Genderanalysen sind die Grundlage für eine situationsgerechte gleichberechtigte Beteiligung von Frauen und Männern an Entwicklungsprozessen. Ihre für alle verpflichtende Durchführung eröffnet Möglichkeiten, um spezifische Probleme, Zielvorstellungen und Potenziale von Frauen und Männern zu identifizieren und die entwicklungspolitischen Maßnahmen daran auszurichten und gendersensibel zu gestalten. Genderanalysen liefern wichtige Informationen für die gendersensible Gestaltung entwicklungspolitischen Vorhaben und erlauben bereits im Planungsstadium eine Aussage darüber, wie die Maßnahme zur Förderung der Gleichberechtigung beitragen kann. Wesentliche Beobachtungsfelder sind die Analyse der Geschlechterbedürfnisse und -interessen im Hinblick auf die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung und -belastung, Zugangsrechte 14 BMZ-STRATEGIEPAPIER 2/2014 erKenntnisGewinn einer Genderanalyse: was sind GeschlechtsspeziFische interessen? Frauen und Männer verfolgen jeweils unterschiedliche, geschlechtsspezifische Interessen (gender interests). Es werden praktische Bedürfnisse von strategischen Interessen (practical needs/strategic interests) unterschieden. Erstere zielen darauf ab, Lebensbedingungen unmittelbar zu verbessern und das Überleben zu sichern (Zugang zu sauberem Wasser, Einkommen, Saatgut). Dabei wird das bestehende Rollen- und Machtgefüge zwischen Männern und Frauen nicht in Frage gestellt. Hingegen wollen strategische Interessen mittel- oder langfristig strukturelle Veränderungen im Geschlechterverhältnis durchsetzen, indem Frauen Verfügungsrechte, Gewaltfreiheit und entscheidungsrelevante Mitbestimmung erreichen. Dabei werden auch gesamtgesellschaftliche Verbesserungen erzielt. Die geschlechtsspezifischen Bedürfnisse und Interessen zu ermitteln, ist eine zentrale Aufgabe der Genderanalyse. In der Realität sind sie keine trennscharfen Kategorien und – je nach Rahmenbedingung – beide von gleich hoher Wichtigkeit. So muss z.B. die Kinderversorgung gesichert sein, wenn Frauen aus den barrios populares einer lateinamerikanischen Großstadt eine Weiterbildung zum Umweltschutz besuchen wollen. Andererseits hat eine Bestandsaufnahme der Bedürfnisse und Interessen von Kleinbäuerinnen im südlichen Afrika gezeigt, dass es der kostenfreie Zugang zu Saatgutbanken und dem dadurch möglichen Saatguttausch ist, der sie unabhängiger von Ehemännern und Zulieferern, aber auch von belastenden Krediten macht. Aus einem überlebenssichernden Mittel wird somit eines, das den Handlungsspielraum vergrößert. und Verfügungsrechte bei materiellen und immateriellen Ressourcen sowie die Verantwortlichkeiten und Möglichkeiten von Frauen und Männern, ihre Interessen öffentlich zu artikulieren und auf politische Entscheidungsprozesse Einfluss zu nehmen. 9 Genderanalysen formulieren Empfehlungen für die Integration von Gender in das Zielsystem und den methodischen Ansatz von Programmen und Projekten. Sie sind damit eine wichtige Grundlage für die Vergabe der GG-Kennung. 9 Die Genderanalyse ist keine standardisierte Methode mit festgelegten Einsatzmöglichkeiten. Vielmehr zeigt sie auf, wie eine geschlechtsspezifische Dimension in alle Standardinstrumente des Projektmanagements im gesamten Projektzyklus einbezogen werden kann. KennunGen zur GleichberechtiGunG der Geschlechter (GG) Die übersektorale Kennung Gleichberechtigung der Geschlechter (kurz: GG-Kennung) wurde 1997 vom OECD DAC eingeführt, um zwischen seinen Mitgliedsstaaten eine Vergleichbarkeit der öffentlichen Entwicklungsmaßnahmen sowie eine verbesserte Koordination zu gewährleisten. Der “Gender Policy Marker” ist in der deutschen Entwicklungszusammenarbeit seit dem Jahr 2000 verbindlich anzuwenden. Die GG-Kennung gibt Auskunft darüber, inwieweit ein Vorhaben das Ziel verfolgt, die Gleichberechtigung der Geschlechter zu fördern und Diskriminierungen bzw. Ungleichheiten im Geschlechterverhältnis abzubauen. Die GenderKennung wird im deutschen System als statistische Erfassungsgröße verstanden, die zum einen der Qualitätssicherung dient, zum anderen wichtige In- 15 BMZ-STRATEGIEPAPIER 2/2014 die MassnahMenbezoGenen auspräGunGen des Gender policy MarKers > GG 2: Gleichberechtigung der Geschlechter ist – als Modulziel unter Berücksichtigung des Programmziels der Entwicklungszusammenarbeit – das Hauptziel (principal objective) der Maßnahme der Entwicklungszusammenarbeit, d.h. entscheidend für ihre Durchführung. Auch Männer und Jungen können Zielgruppe einer GG-2-Maßnahme sein. > GG 1: Gleichberechtigung der Geschlechter ist ein Nebenziel (significant objective), d.h. ein wichtiges, mit einem Indikator versehenes Ziel, aber nicht ausschlaggebend für die Durchführung der Maßnahme der Entwicklungszusammenarbeit. > GG 0: Die Maßnahme der Entwicklungszusammenarbeit ist nicht auf die Gleichberechtigung der Geschlechter ausgerichtet, Gleichberechtigung ist also weder Haupt- noch Nebenziel (not targeted to the policy objective). Aber die Einstufung einer Maßnahme in GG 0 entbindet nicht von der Aufgabe, mit den Partnern Möglichkeiten zu diskutieren, wie ggf. dennoch positive Wirkungen auf die Gleichberechtigung der Geschlechter mit vertretbarem Aufwand realisiert bzw. negative Auswirkungen gezielt vermieden werden können. Eine Genderanalyse ist im Rahmen der vorbereitenden Maßnahmen für alle Einstufungen verpflichtend durchzuführen (vgl. BMZ-Leitfaden “Gender equality” vom 18.08.2010). formationen für die politische Steuerung liefert. So kann die statistische Auswertung dazu führen, dass ein Rückgang in der Förderung von Programmen und Projekten, die Frauenrechte explizit stärken wollen, gegenüber einer Zunahme von Maßnahmen mit Gender Mainstreaming-Ansatz oder aber ein Rückgang beider Ansätze festgestellt wird. Ziel ist es, auch zukünftig GG-2-Projekte mit den BMZ-Kooperationsländern zu vereinbaren und gemeinsam mit den Durchführungsorganisationen umzusetzen. herausForderunG FÜr die zuKunFt: die Gender-KennunGen iM dreiGleisiGen ansatz Für programmorientierte Gemeinschafts-Finanzierungen und kooperative Maßnahmen (z.B. Budgethilfen, Korbfinanzierungen und Trust Funds) müssen im Rahmen des OECD DAC noch analoge statistische Kennungen entwickelt werden. Auch für andere Politikinstrumente der deutschen Entwicklungszusammenarbeit kann der Gender Policy Marker nur begrenzt angewendet werden. Der Politikdialog, den das BMZ im Einklang mit der EU zur Stärkung von Gender-Anliegen in Kooperationsländern verfolgt, sollte ebenfalls systematisch erfasst werden. Menschenrechtliche standards und prinzipien Mit dem BMZ Leitfaden zur Berücksichtigung von menschenrechtlichen Standards und Prinzipien, einschließlich Gender, bei der Erstellung von Programmvorschlägen der deutschen staatlichen Technischen und Finanziellen Zusammenarbeit (2013) ist eine gendersensible Ausgestaltung von bilateralen entwicklungspolitischen Vorhaben gefordert. Er konkretisiert, wie Programme auf relevante menschen- 16 BMZ-STRATEGIEPAPIER 2/2014 rechtliche Wirkungen und Risiken zu prüfen sind. So sollen negative Auswirkungen auf Menschenrechte – einschließlich Frauenrechte – vermieden und Menschenrechte sowie die Gleichberechtigung der Geschlechter gezielt gefördert werden. Die staatlichen Durchführungsorganisationen passen ihre internen Verfahren an die Vorgaben des Leitfadens an und bilden Personal entsprechend fort. Die im Leitfaden dargelegten menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten sind auch Grundlage für Berichte, Evaluierungen und Beschwerdeverfahren zum Thema. Gender-sensible projeKtplanunG und steuerunG Eine gender-sensible Projektplanung und Steuerung ist die Voraussetzung dafür, dass eine entwicklungspolitische Maßnahme optimal auf die geschlechtsspezifischen Bedürfnisse und Interessen abgestimmt ist. Die Projektplanung baut auf den Ergebnissen der Gender-Analyse auf. Sie umfasst die Entwicklung des methodischen Ansatzes und des Zielsystems. Hierzu gehört die Festlegung einer gender-sensiblen Ziel-, Strategie- und Aktivitätenplanung. Die Formulierung gender-sensibler (Wirkungs-)Indikatoren und der Aufbau eines gender-sensiblen Monitoringsystems erleichtern es, das Erreichen der angestrebten Ziele zu überprüfen. Weitere Elemente einer gendersensiblen Projektplanung und Steuerung sind die gender-sensible Budget- und Ressourcenaufstellung sowie ein gender-sensibles Personalkonzept. Auch die gleichberechtigte Beteiligung und Mitsprache von Frauen und Männern an Gestaltungs- und Entscheidungsprozessen sowie in Planungs- und Steuerungsgremien gilt es zu beachten. Gender traininG Das Gender Training ist ein wichtiges Instrument im Prozess des Gender Mainstreaming und dient der Sensibilisierung und dem Erwerb von Genderwissen über unterschiedliche Lebenswelten sowie die vorherrschenden Werte- und Rollenzuweisungen in einem spezifischen Sektor, einer Kultur, einem Land. Die internationale Gebergemeinschaft und viele Kooperationsländer haben in den letzten Jahren sehr positive Erfahrungen mit Gender Trainings im Zusammenhang mit der partizipativen und geschlechtersensiblen Erstellung nationaler Entwicklungsstrategien gemacht. Auch im BMZ und den Durchführungsorganisationen wurden mit Fortbildungen in den Kooperationsländern, aber auch in den eigenen Institutionen große Anstrengungen für eine institutionenübergreifende Gender-Fachkompetenz unternommen und wichtige Fortschritte zur Professionalisierung im Umgang mit dem GenderAnsatz erzielt. Diese Maßnahmen zum gezielten Aufund Ausbau des eigenen Genderwissens und einer institutionell verankerten Genderkompetenz setzt die deutsche Entwicklungszusammenarbeit fort. 3.4 MonitorinG und eValuierunG Um Wirkungen auf die Gleichberechtigung der Geschlechter erfassen und aus Erfahrungen lernen zu können, ist ein gendersensibles, altersdifferenziertes wirkungsorientiertes Monitoring notwendig. Dies gilt nicht nur für die vom BMZ und seinen Durchführungsorganisationen implementierten Maßnahmen, sondern auch für die Politikinstrumente der Entwicklungszusammenarbeit und die ihrer Kooperationsländer. Regelmäßig auf dem Prüfstand stehen auch die Politikleitlinien für Gender: das Gleichberechtigungskonzept und sein Umsetzungsinstrument, der entwicklungspolitische GenderAktionsplan des BMZ. GeschlechtsspeziFische daten und indiKatoren Geschlechtsspezifisch aufgeschlüsselte Daten sind zunächst für Bestandsaufnahmen im Vorfeld von Maßnahmen von hoher Bedeutung, um die verschiedenen Faktoren, die ein ungleiches Geschlech- 17 BMZ-STRATEGIEPAPIER 2/2014 terverhältnis begründen, frühzeitig in die Planung einzubeziehen. Doch eine vergleichbare und verlässliche Datenbasis ist vor allem auch bedeutsam, um den Fortschritt auf dem Weg zum Gleichberechtigungsziel zu erfassen. Die Forderung, in allen Politikbereichen, in allen Handlungsfeldern und auf allen Verantwortungsebenen geschlechtsspezifisch aufgeschlüsselte Daten zu erheben, zu sammeln und auszuwerten, ist bereits in der Pekinger Aktionsplattform (1995) verankert. Seit 2008 wurden die Daten zum Monitoring der MDGs geschlechtsspezifisch aufgeschlüsselt und erfasst. Im Abschlussdokument torensystems zur Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen.13 Anknüpfend an die Empfehlungen der UNSonderberichterstatterin zu Gewalt gegen Frauen wird sich das BMZ auch im Partnerdialog für ein verbessertes Monitoring von Anti-Gewaltmaßnahmen und Präventionsmaßnahmen einsetzen und seine Kooperationsländer entsprechend im Aufbau von Monitoring-Kapazitäten unterstützen.14 des 4. High-Level-Forums zu Aid Effectiveness in Busan (2011) bekräftigte die Gebergemeinschaft, ihre Anstrengungen zu verstärken und zu beschleunigen, um mit qualitativ hochwertigen Daten die Wirkungen gender-orientierter Maßnahmen und damit verbundene politische Entscheidungen überprüfen zu können.10 Unterstützt vom Gendernet des OECD-DAC, in dem sich auch das BMZ engagiert, hat die OECD umfangreiche statistische Instrumente und Indikatoren für eine geschlechtersensible Erfassung und Beobachtung von globalen Rahmen- und lokalen Lebensbedingungen entwickelt.11 Das BMZ unterstützt diese und andere Bemühungen, insbesondere den von UN Women entwickelten UN-weiten Aktionsplan, der die gender-relevanten Fortschritte im UN-System und in den Mitgliedsländern erfassen soll12 sowie die gemeinschaftlichen Anstrengungen der EU und UN Women zur Weiterentwicklung eines Indika10 11 12 Busan Partnership Agreement, § 20, S. 5 (http://www.oecd.org/dac/ effectiveness/49650173.pdf). Eine Auflistung der wichtigsten Neuerungen – vom Gender Daten Portal, über den Gender Index sozialer Institutionen (SIGI) und einem Überblick über finanzielle Alphabetisierung bis hin zu einer interaktiven globalen Gender-Website (Wikigender) – enthält: OECD and Post-2015 Reflections (2013) System-wide Action Plan (UN-SWAP) on gender equality and womenʼs empowerment. Vgl. www.unwomen.org/en/news/stories/2012/4/un-women-welcomes-a-landmark-action-plan-to-measure-gender-equality-across-the-un-system/#sthash.eMhGZ7Rv. dpuf 13 14 Vgl. das UN-Datenportal: http://sgdatabase.unwomen.org/home. action; die UN Women Website: http://www.un.org/womenwatch/ daw/vaw/index.htm sowie EIGE (European Institute for Gender Equality): http://eige.europa.eu/content/indicators-to-measureviolence-against-women. United Nations General Assembly (2012): Report of the Special Rapporteur on violence against women, its causes and consequences, by Rashida Manjoo. New York, May 2012 18 BMZ-STRATEGIEPAPIER 2/2014 4.Anforderungenaneinegeschlechtergerechte Entwicklungsfinanzierung Eine geschlechtergerechte Entwicklung braucht eine geschlechtergerechte Finanzierung. Doch nicht nur in den Niedrigeinkommensländern, auch seitens der internationalen Fördergemeinschaft klafft eine deutliche Lücke zwischen den politischen Ansprüchen und der Praxis der Ressourcenzuteilung für Frauenrechte und die Gleichberechtigung der Geschlechter. Mit dem übergeordneten Ziel, eine nachhaltige, geschlechtersensible und an den menschlichen Bedürfnissen orientierte Entwicklung zu fördern, gilt es aus Geschlechterperspektive, drei Hebel zu bewegen, um Geschlechtergerechtigkeit zu fördern: (1) die Mobilisierung einheimischer Ressourcen in den Kooperationsländern selbst, (2) die Mobilisierung internationaler Ressourcen sowie (3) systemische Ansätze und eine kohärente Politik. Das BMZ versteht entwicklungspolitische Politikkohärenz aus geschlechterpolitischer Sicht als das Zusammenwirken aller Politiken, um zum Erreichen des Ziels der Gleichberechtigung der Geschlechter und der Verwirklichung der Frauenrechte beizutragen.15 4.1 MobilisierunG einheiMischer ressourcen durch Geschlechtersensibles FinanzManaGeMent Die Finanzierung der öffentlichen Hand ist die wichtigste Quelle für eine geschlechtergerechte Entwicklung im Land. Mit dem Instrument des Gender Responsive Budgetings können Gender-Interessen in die staatliche Haushaltspolitik eingebracht werden. Geschlechtersensible Haushaltsansätze beruhen auf transparenten Genderanalysen der Einnahmen und Ausgaben: Wer trägt wie zum öffentlichen Haushalt bei, wie wirken sich die Ausgaben aus öffentlichen Haushalten auf die Lebensbedingungen der 15 Vgl. Ashoff, Guido (2005): Der entwicklungspolitische Kohärenzanspruch: Begründung, Anerkennung und Wege zu seiner Umsetzung. Studie, DIE, Bonn, S. 1 Bürgerinnen und Bürger jeden Alters aus, welche Maßnahmen zum Abbau geschlechtsspezifischer Diskriminierungen und Benachteiligung und Ausgleich unterschiedlicher Potentiale, Verpflichtungen und Beiträge zum Gemeinwohl werden getroffen, z.B. Berücksichtigung von Erziehungszeiten bei staatlichen Rentensystemen. Unterschiedliche Interessen und Bedürfnisse sowie notwendige staatliche Investitionen zur Förderung einer geschlechtersensiblen und ausgewogenen Entwicklungsfinanzierung können vor allem dann berücksichtigt werden, wenn sie in die mittelfristigen Finanzpläne nationaler Entwicklungspläne (Medium Term Expenditure Frameworks) übertragen werden. 4.2 MobilisierunG internationaler ressourcen B Auch wenn ODA-Mittel gegenüber privaten Kapitalund Devisenströmen nur noch einen kleinen Teil am Nord-Süd-Transfer ausmachen, sind sie für die Haushalte als Hebel für Geschlechtergerechtigkeit in armen Ländern weiterhin von großer Bedeutung. OECD DAC-Länder, inklusive Deutschland, können genderspezifische Fördermaßnahmen aufgrund der Anwendung der Gender-Kennungen nachvollziehen und dadurch gezielt steuern. Bei einem Anteil der gender-relevanten Programme von lediglich etwas mehr als einem Fünftel am jährlichen Gesamtaufkommen bilateraler ODA der 24 DAC-Mitglieder wird die Finanzierungslücke deutlich.16 Rund 60 Prozent dieser Mittel werden in Governance-, Bildungs- und Gesundheitsprojekte investiert. Hingegen werden Gender-Anliegen in den Sektoren Infrastruktur, Finanzen und Umwelt kaum gefördert. Auffallend gering sind bei DAC Mitgliedern außerdem die Investitionen in die Landwirtschaft sowie in dem für 16 OECD/DAC 2012, S. 2 19 BMZ-STRATEGIEPAPIER 2/2014 Frauenrechte zentralen Handlungsfeld der sexuellen und reproduktiven Gesundheit. Das BMZ wird sich auf bi- und multilaterale Ebene für die Reduzierung der Finanzierungslücke sowie eine Ausweitung der geförderten Sektoren einsetzen. GeMeinschaFtsFinanzierunG und neue architeKtur der hilFe Unter Bezugnahme auf die Paris Declaration on Aid Effectiveness (2005) haben sich die teilnehmenden Länder in der Accra Agenda for Action (2008) und im Busan Partnership Agreement (2011) unmissverständlich dafür ausgesprochen, die Wirksamkeit der Entwicklungspolitik in Orientierung an internationalen Vereinbarungen für Menschenrechte, menschenwürdige Arbeit, Gleichberechtigung der Geschlechter und nachhaltige Wirtschaft zu verbessern. Das Abschlussdokument des hochrangigen Forums in Busan (2011) enthält die Verpflichtung, öffentliche Ausgaben angemessen und zielgerichtet gleichermaßen zum Nutzen von Männern und Frauen zu verwenden. Die verstärkte Ausrichtung der Finanzierungsmodalitäten auf programmorientierte Gemeinschaftsfinanzierung, inklusive der Budgethilfe, muss folglich daraufhin überprüft werden, ob genug Mittel in Programme für Geschlechtergerechtigkeit fließen und die Finanzierungen ausreichend gender-sensibel gestaltet sind. Das BMZ unterstützt deshalb aktiv die neuen Initiativen nationaler und multilateraler Institutionen, die dazu beitragen, die geleisteten Investitionen der öffentlichen Hand in das Gleichberechtigungsziel transparent zu machen.17 17 www.unwomen.org/ca/what-we-do/governance-and-nationalplanning/tracking-investments 4.3 systeMische ansätze und Kohärente politiK Multilaterale FörderunG Effektive und geschlechtersensible multilaterale Organisationen sind unabdingbar für die Stärkung von Frauenrechten und die Beseitigung von Geschlechterungleichheiten. Deshalb sollten nicht nur die genderspezifischen ODA-Anteile, sondern auch die multilateralen Beiträge der UN-Mitglieder zugunsten der Gleichberechtigung signifikant erhöht werden. Deutschland hat die Zahlung fester Kernbeiträge unterstützt und hat zweckgebundene Beiträge, wie z.B. für den Fund for Gender Equality oder den Trust Fund to End Violence Against Women von UN Women, zur Verfügung gestellt.18 Es wird sich in der UN und EU sowie gegenüber den IFIs für eine stärkere Ausrichtung ihrer Politiken und Maßnahmen auf die Förderung der Gleichberechtigung der Geschlechter und für eine höhere und vorhersagbare Förderung, insbesondere der für Gleichberechtigung und Frauenrechte kämpfenden Organisationen UN Women, UNFPA und UNDP, stark machen. Das BMZ setzt sich auch dafür ein, Gender in der Safeguards Review der Weltbank stärker zu berücksichtigen. Globaler handel Internationale Handelsvereinbarungen haben erhebliche Auswirkungen auf Staaten, aber auch auf Privathaushalte in Entwicklungsländern. Zugleich sind die Möglichkeiten gering, auf die zentralen makroökonomischen Akteure in diesem Feld, multilaterale Organisationen, einzelne Staaten und die Privatwirtschaft , Einfluss im Hinblick auf die Wahrung ihrer menschenrechtlichen Verpflichtungen zu nehmen. Die bestehenden Rechtsnormen und verbindlichen multilateralen Regelwerken sowie ihre Anwendung lassen Menschenrechte und Ge- 18 Vgl. auch die “Eckpunkte für eine multilaterale Zusammenarbeit”; BMZ-Strategiepapier 07/2013, S.7 20 BMZ-STRATEGIEPAPIER 2/2014 schlechtergerechtigkeit allzu oft außen vor. Das BMZ wird sich basierend auf seiner Menschenrechts- und Gleichberechtigungspolitik dafür einsetzen, dass soziale, ökologische und menschenrechtliche Standards bei internationalen Handelsvereinbarungen systematisch berücksichtigt werden, und zwar sowohl im Vorfeld ihres Abschlusses als auch im Zuge ihrer Durchführung. Nur so können die globalen Handelsströme gerechter gestaltet werden. Z Unabhängige Frauenorganisationen kämpfen seit langem dafür, dass tiefe Disparitäten und ungleiche Lebenschancen von Mädchen und Frauen als eine Menschenrechtsverletzung anerkannt und beseitigt werden. Auch Menschenrechtsorganisationen mit einem breiteren Mandat, Organisationen im Bereich “Good Governance” und Gewerkschaften setzen sich gezielt zugunsten von Frauen ein, z.B. für Entgeltgleichheit. Internationale Hilfsorganisa- tionen leisten direkte Überlebenshilfe oder stellen umfangreiche Dienstleistungen zur Verfügung, die sowohl Empowermentprozesse von verletzlichen Gruppen unterstützen als auch langfristig positiv auf das Geschlechterverhältnis einwirken. Ihre internationale Advocacy-Arbeit leidet unter dem Rückgang der ODA.19 Das BMZ ist sich seiner politischen Verantwortung für die fortgesetzte Unterstützung der internationalen zivilgesellschaftlichen Frauenrechtsarbeit sowie den Schutz für Menschenrechtsverteidiger/innen bewusst. Für die deutsche Entwicklungspolitik ist die auf allen Handlungsebenen wirkungsvolle Arbeit der unabhängigen zivilgesellschaftlichen Akteure ein unabdingbares Element zukunftsorientierter, innovativer Frauenrechts- und Gleichberechtigungspolitik, die es zukünftig noch stärker zu fördern gilt. 19 Arutyunova, Angelika / Clark, Cindy (2013): Watering the leaves, starving the roots. AWID (Hg.), Toronto/Mexiko D.F./Kapstadt 21 BMZ-STRATEGIEPAPIER 2/2014 5.DerGender­AnsatzinderEntwicklungspolitik– ÜberblickundAusblick 5.1 VorGaben Für die Umsetzung des Gleichberechtigungskonzepts gilt – unter Beachtung spezifischer regionaler und sektoraler Bedingungen – folgender Grundsatz: Geschlechterdifferenzierung als Qualitätsmerkmal — Eine geschlechtersensible Perspektive ist ein Qualitätsmerkmal in der gesamten deutschen staatlichen Entwicklungszusammenarbeit, d.h. auch der Mitgestaltung internationaler Regelwerke und Rahmenbedingungen, sowie der entwicklungspolitischen Bildungsarbeit in Deutschland. — Die gleichberechtigte Beteiligung von Frauen und Männern an Entwicklungsprozessen ist eine für alle verbindliche Mainstreamingaufgabe, die in allen Vorhaben der deutschen Entwicklungszusammenarbeit, vom Politikdialog bis zur praktischen Umsetzung in ihren Kooperationsländern, zu beachten ist. — Frauen und Männer sollen gleichberechtigt Einfluss auf die Gestaltung von Maßnahmen der Entwicklungszusammenarbeit nehmen und entsprechenden Nutzen daraus ziehen. Bei möglichen Nachteilen und Risiken sind kompensatorische Maßnahmen durchzuführen. Um bestehende Geschlechterdisparitäten und weit verbreitete geschlechtsspezifische Benachteiligungen und Diskriminierungen abzubauen sind zusätzlich Maßnahmen wichtig, die eine spezifische Stärkung der Frauenrechte oder das vorrangige Ziel der Gleichberechtigung von Frauen und Männern vorsehen. — Die Geschlechterrollen müssen auf der Makroebene (Politikdialog, Politikberatung) und auf der Meso- und Mikroebene (Programme und Projekte) beachtet werden. — Die Bemühungen der Entwicklungszusammenarbeit zur Gleichstellung von Frauen und Männern setzen an den Initiativen in Politik und Gesellschaft in den Kooperationsländern an (ownership and alignment) und tragen zu deren Stärkung bei. 5.2 VoraussetzunGen Der Umsetzung des Gleichberechtigungskonzepts liegen nicht nur in den Kooperationsländern, sondern auch im eigenen Haus Voraussetzungen zugrunde. Für das BMZ sind dies: politischer wille Sowohl das Ziel der Förderung der Gleichberechtigung der Geschlechter und Stärkung von Frauenrechten als auch Gender Mainstreaming sind als Auftrag auf allen Führungs- und Arbeitsebenen als verbindliche Querschnittsaufgabe anerkannt. policy und orGanisationsKultur Gender Mainstreaming ist in den politischen und institutionellen Rahmen bzw. den Strukturen aller Organisationen der deutschen Entwicklungszusammenarbeit verankert. Im BMZ und in den Durchführungsorganisationen wird Gleichstellungspolitik durch eine/n Gleichstellungsbeauftragte/n und einen Gleichstellungsplan verfolgt und überprüft. Ein wichtiges Instrument sind Zielvereinbarungssysteme. rechenschaFtspFlicht, transparenz und beschwerdeMöGlichKeiten Dies sind wichtige Anliegen der deutschen Entwicklungspolitik. Um Wirkungen zur Gleichberechtigung der Geschlechter messen und aus Erfahrungen lernen zu können, ist ein gendersensibles, wirkungsorientiertes und transparentes Monitoring in allen Themen- und Handlungsfeldern notwendig. 22 BMZ-STRATEGIEPAPIER 2/2014 GenderKoMpetenzen und wissensManaGeMent Um eine hohe Programmqualität zu gewährleisten und die Institutionalisierung geschlechtergerechter Politiken und Organisationsprozesse langfristig zu verwirklichen, wird Gender-Fachwissen benötigt. Fähigkeiten, Qualifikationen, Fortbildungen und nicht zuletzt persönliches Engagement prägen die hohe sektorale und übersektorale Gender-Kompetenz (Wollen – Wissen – Können) der beteiligten Akteure in der deutschen Entwicklungspolitik. Sie werden im BMZ und den Durchführungsorganisationen gezielt gestärkt. entierung und deren Eigenverantwortung wichtige Bezugsgrößen deutscher Entwicklungspolitik, doch dürfen Soziokultur und Tradition die Missachtung von Frauenrechten nicht rechtfertigen. Grundlage und Bezugsrahmen des politischen Handelns des BMZ sind in erster Linie internationale Abkommen, die Frauenrechte als universell und allgemein gültige Menschenrechte anerkennen. Sie stehen daher über kulturell, religiös oder historisch begründeten, frauenfeindlichen Haltungen und Praktiken, wie z.B. der weiblichen Genitalverstümmelung und allen Legitimationsmustern für eine Ungleichheit der Geschlechter. 5.3 herausForderunGen Globale GeschlechterbeweGunG Die Zunahme der Migration von Frauen, auch unter Frauenrechte und sozio-Kulturelle disKriMinierunG Ein erweiterter Gender-Ansatz, der die Verschränkung mehrerer Diskriminierungsmuster in Gesellschaften einbezieht, muss soziokulturell begründete Rechte, Pflichten und Handlungsspielräume der Geschlechter in Planung und Durchführung von Vorhaben beachten. Die Erfahrung, dass Geschlechterrollen dynamisch und veränderbar sind, zeigt, dass die ungleiche Situation von Frauen und Männern auch von anderen sozialen Faktoren abhängig ist. Veränderungen sind möglich und nötig, können aber nur schrittweise herbeigeführt werden. Benachteiligungen sind jedoch nicht nur in traditionellen Werten und Normen begründet. In manchen Fällen hat auch der Prozess der Modernisierung Frauen in den Hintergrund gedrängt und sie älterer traditioneller Rechte beraubt. Des Weiteren können sich soziokulturelle Rollenerwartungen und darauf begründendes Verhalten über die Lebensspanne hinweg verändern. Eine differenzierte Analyse und kulturell sensible Herangehensweise sind ebenso wie die Partnerori- Zurücklassen ihrer Familien, stellt die Realitäten bisheriger Geschlechterverhältnisse in den Kooperationsländern vielfach in Frage. Sind in der Vergangenheit vor allem junge und gut qualifizierte Männer migriert, so liegt der Frauenanteil inzwischen bei nahezu 50 Prozent. Dies bedingt sich nicht nur durch Naturkatastrophen, Konflikt oder Armut, sondern auch durch die gestärkte Position der Frauen, die ihnen Perspektiven in der (Arbeits-) Migration und der finanziellen Unterstützung ihrer Familien eröffnet. Die vermehrte Ansiedlung von Migrantinnen im urbanen Raum schafft Möglichkeiten in der Gesundheitsversorgung, Bildung und Beschäftigung, die gefördert werden sollten. Die stärkere Teilnahme von Frauen an Migrationsströmen birgt jedoch auch viele Risiken. Frauen im Transit, in den Grenzgebieten oder auch auf der Flucht, bewegen sich häufig in einem rechtsfreien Raum und sind in einem oft weitaus höheren Ausmaß als Männer Gewalt und anderen Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt, insbesondere in Verbindung mit Menschenhandel, organisierter Kriminalität und Vertreibung. Hier braucht es solide, vergleichende Analysen, um multisektorale Antworten auf die damit verbundenen Potentiale, Herausforderungen und Probleme zu finden. 23 BMZ-STRATEGIEPAPIER 2/2014 einbezuG Von Männern und die arbeit Mit Geschlechterstereotypen Männer als Meinungsführer und Entscheidungsträger sind von zentraler Bedeutung für die Schaffung, aber auch Veränderung geschlechterspezifischer Normen und Wertevorstellungen, die das Verhältnis der Geschlechter zueinander und ihre Rollen in einer bestimmten Kultur und Gesellschaft prägen. Sie dominieren hierarchische Machtverhältnisse und Geschlechterordnungen (z.B. Männer erben das Land und sitzen in Vorständen – Frauen scheitern am Familien-/Erbrecht und der glass ceiling). Die Überwindung oft tief verwurzelter Stereotypen von Männlichkeit/Weiblichkeit und damit einhergehender geschlechtsspezifischer Diskriminierungen und Benachteiligungen ist eine geschlechterübergreifende Aufgabe, die gezielte Maßnahmen und das aktive Engagement und Zusammenwirken von Männern und Frauen erfordert. Hierbei kommt Männern und Jungen als change agents eine wichtige strategische Rolle zu. Gender-rhetoriK und politische praxis In der Ausrichtung der Vorhaben, die außerhalb des sozialen Sektors oder auf einer höheren Ebene entwicklungspolitischer Ziele ansetzen, kommt es oft zu einer “Verflüchtigung” genderpolitischer Ansprüche (policy evaporation). So werden zum Beispiel geschlechtsspezifisch aufgeschlüsselte Daten, die auf lokaler Ebene erhoben wurden und wichtige Erkenntnisse über geschlechtsspezifische Interessen liefern, für entwicklungspolitische Strategiepapiere auf höherer Ebene (national oder international) sehr häufig gar nicht genutzt. Diese Übertragungsverluste von der oftmals gender-sensiblen entwicklungspolitischen Praxis an der Basis bis zur Erstellung hochrangiger Politikinstrumente erfordern eine permanente Qualitätssicherung für die Integration einer Geschlechterperspektive auf allen Ebenen politischer Aktionen und Verhandlungen. Außerdem wird mit der zum Gender-Ansatz gehörenden Sprache vielfach der frühere, auf Frauen als Zielgruppe orientierte Förderansatz fortgeführt (targeting statt mainstreaming). Zwar erfordert die de facto immer noch weit verbreitete Diskriminierung von Frauen und Mädchen auch eine zielgruppenspezifische Stärkung von Frauenrechten. Doch geht der Gender-Ansatz weit darüber hinaus, wie im vorliegenden Konzept gezeigt wird. Gender rentiert sich, braucht aber inVestitionen Die hohen Ansprüche an eine komplexe Fragestellung erfordern eine vielfältige Gender-Fachlichkeit. Damit diese für die entwicklungspolitischen Programme und Strategien erhalten und mit den wachsenden Anforderungen an die Policy der deutschen Entwicklungszusammenarbeit weiterentwickelt werden kann, müssen zeitliche und finanzielle Ressourcen investiert werden – in die Fachkräfte im eigenen Haus, aber auch in die Programme und Projekte. 5.4 perspeKtiVen Die deutsche Entwicklungspolitik ist den internationalen Abkommen verpflichtet, die das Ziel der Gleichberechtigung der Geschlechter und die Achtung, den Schutz und die Gewährleistung der universell gültigen Frauenrechte bekräftigen. Mit einem breiteren dreigleisigen Gender-Ansatz, der auch Mehrfach-Diskriminierungen überwinden will, erweitert das BMZ sein Instrumentarium. Ziel ist es, alle entwicklungspolitischen Akteure für ein menschenrechtsbasiertes Engagement zu gewinnen, so dass die Geschlechterungleichheit nachhaltig bekämpft und überwunden wird. Eine global ausgerichtete Entwicklungspolitik, die ein starkes Ziel für die Gleichberechtigung der Geschlechter und Stärkung von Frauenrechten formuliert, 24 BMZ-STRATEGIEPAPIER 2/2014 braucht innovative Ansätze und neue Kooperationsformen. Internationale Frauenrechtsorganisationen sowie zivilgesellschaftliche Netzwerke und soziale Bewegungen in den Kooperationsländern und in Deutschland werden bei deren zukünftiger Gestaltung als wichtige strategische Partner einbezogen. In der gewachsenen Zusammenarbeit mit dem Privatsektor und der Wissenschaft wird das BMZ verstärkt für eine geschlechtersensible Ausrichtung der Maßnahmen in allen Sektoren arbeiten. Die deutsche Entwicklungspolitik wird dafür Sorge tragen, dass diese Kooperationen bei der Umsetzung des globalen Rahmenwerks nach 2015 auch für die Überwindung der Geschlechterungleichheit wirksam werden. 25 BMZ-STRATEGIEPAPIER 2/2014 Abkürzungsverzeichnis BMZ Bundesministerium für Zusammenarbeit und Entwicklung DAC Development Assistance Committee CEDAW Convention for the Elimination of all forms of Discrimination Against Women IFIs International Financial Institutions KfW Kreditanstalt für Wiederaufbau LSBTI Lesben, Schwule, Bi-, Trans- und Intersexuelle MDG Millennium Development Goal CRC Convention on the Rights of the Child EU Europäische Union ESÜH Entwicklungsfördernde und Strukturbildende Übergangshilfe FGM Female Genital Mutilation GIZ Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GG-Kennung Gleichberechtigung der Geschlechter, Gender-Kennung HIV/Aids Human Immunodeficiency Virus/Acquired Immune Deficiency Syndrome ICPD International Conference on Population and Development ODA Official Development Assistance OECD Organization for Economic Cooperation and Development SRGR Sexuelle und reproduktive Gesundheit und Rechte UN United Nations UNDP United Nations Development Programme UNECA United Nations Economic Commission for Africa UNFPA United Nations Population Fund UN Women Organisation der Vereinten Nationen für Gleichstellung und Geschlechtergerechtigkeit VN Vereinte Nationen 26 BMZ-STRATEGIEPAPIER 2/2014 Referenzdokumente BMZ (2011a): Menschenrechte in der deutschen Entwicklungspolitik. Konzept. BMZ-Strategiepapier Nr. 4/2011, Bonn BMZ (2011b): Junge Menschen in der deutschen Entwicklungspolitik – Beitrag zur Umsetzung der Rechte von Kindern und Jugendlichen. Positionspapier. BMZ-Strategiepapier Nr. 12/2011 Bundesregierung Deutschland (2012): Aktionsplan der Bundesregierung zur Umsetzung der Resolution 1325 des VN-Sicherheitsrats für den Zeitraum 2013 – 2016 (www.auswaertiges-amt.de/cae/servlet/ contentblob/633902/publicationFile/175250/121219_ Aktionsplan_download.pdf) European Commission (2010): EU Plan of Action on Gender Equality and Women’s Empowerment in Development, 2010 – 2015. Commission Staff Working Document. Brussels, SEC (2010) 265 final FAO (2011): The State of Food and Agriculture Report 2010 – 2011. Women in agriculture: Closing the gender gap for development. Rome (www.fao.org/sofa/ gender) OECD (2013): Post-2015. Gender Equality and Women’s Rights in the Post-2015 agenda: A foundation for sustainable development, Paris (www.oecd. org/dac/POST-2015%20Gender.pdf) OECD DAC Network on Gender Equality (2013): Unfinished Business – Women and girls front and centre beyond 2015, Paris (www.oecd.org/dac/ gender-development) The Worldbank (2012): WDR 2012. Gender Equality and Development, Washington UN (1979): Convention for the Elimination of all forms of Discrimination Against Women, CEDAW (www.un.org/womenwatch/daw/cedaw) UN (1995): Beijing Platform for Action (http://www.un.org/womenwatch/daw/beijing/ platform) UN (2000): Sicherheitsrats-Resolution 1325 27 BMZ-STRATEGIEPAPIER 2/2014 Anhang:Literatur African Union Commission (2013): Strategic Plan 2014 – 2017 Auswärtiges Amt (2014): Frauenrechte und deutsches Engagement. Berlin. Abrufbar unter: www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Menschenrechte/Frauenrechte/MR-Frauen_node.html Busan Partnership Agreement (2011), § 20, Abrufbar unter: http://www.oecd.org/dac/effectiveness/49650173.pdf BMZ (2008): Sexuelle, reproduktive Gesundheit und Rechte, Bevölkerungsdynamik. BMZ Spezial 148, Berlin BMZ (2009a): Förderung von Good Governance in der deutschen Entwicklungspolitik. BMZ-Konzept Nr. 172, Bonn BMZ (2009b): Entwicklungspolitischer GenderAktionsplan 2009 – 2012. BMZ-Konzepte 173, Bonn BMZ (2011a): Entwicklung ländlicher Räume und ihr Beitrag zur Ernährungssicherung. BMZ-Strategiepapier Nr. 1/2011, Bonn BMZ (2011b): Menschenrechte in der deutschen Entwicklungspolitik. BMZ-Strategiepapier Nr. 4/2011, Bonn BMZ (2011c): Junge Menschen in der deutschen Entwicklungspolitik – Beitrag zur Umsetzung der Rechte von Kindern und Jugendlichen. BMZ-Strategiepapier Nr. 12/2011 BMZ (2011d): Ökologisches Wirtschaften. BMZ-Informationsbroschüre Nr. 2/2011, Bonn BMZ (2011d): Gleichberechtigung konkret: Fact Sheets zur Gleichberechtigung in der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit. BMZ-Informationsbroschüre Nr. 3/2011, Bonn BMZ (2012a): Zehn Ziele für mehr Bildung. BMZBildungsstrategie 2010 – 2013. BMZ-Strategiepapier 1/2012, Bonn BMZ (2012b): Antikorruption und Integrität in der deutschen Entwicklungszusammenarbeit. BMZ-Strategiepapier Nr. 4/2012, Bonn BMZ (2013a): Leitfaden zur Berücksichtigung von menschenrechtlichen Standards und Prinzipien, einschl. Gender, bei der Erstellung von Programmvorschlägen der deutschen staatlichen Technischen und Finanziellen Zusammenarbeit. Bonn BMZ (2013b): Sektorkonzept für Privatwirtschaftsförderung. BMZ-Strategiepapier Nr. 9/2013, Bonn BMZ (2014): Weibliche Genitalverstümmelung. BMZ-Strategiepapier 1/2014, Bonn Bundesregierung (Hrsg.) (2012): Aktionsplan der Bundesregierung zur Umsetzung von Resolution 1325 des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen für den Zeitraum 2013 – 2016, Berlin, 19. Dezember 2012 EIGE (European Institute for Gender Equality): http://eige.europa.eu/content/indicators-tomeasure-violence-against-women European Commission (2010): EU Plan of Action on Gender Equality and Women’s Empowerment in Development, 2010 – 2015. Commission Staff Working Document. Brüssel, SEC (2010) 265 final. Abrufbar unter: http://ec.europa.eu/development/ icenter/repository/SEC_2010_265_gender_action_ plan_EN.pdf 28 BMZ-STRATEGIEPAPIER 2/2014 ECDPM, ODI, DIE (2013): Europäischer Entwicklungsbericht 2013, Post-2015: Global handeln für eine inklusive und nachhaltige Zukunft, Zusammenfassung. Brüssel. Abrufbar unter: http://www. erd-report.eu/erd/report_2012/documents/ERD summaryDE.pdf OECD (2013a): Post-2015. Gender Equality and Women’s Rights in the Post-2015 agenda: A foundation for sustainable development, Paris. Abrufbar unter: http://www.oecd.org/dac/POST-2015%20 Gender.pdf FAO (2011): The State of Food and Agriculture Report 2010 – 2011. Women in Agriculture: Closing the gender gap for development. Rom. Abrufbar unter: http://www.fao.org/docrep/013/i2050e/i2050e.pdf OECD (2013b): Aid in Support of Gender Equality and Women’s Empowerment – Donor Charts. Statistics based on DAC Members’ reporting on the Gender Equality Policy Marker, 2010 – 2011 Creditor Reporting System database, March 2013 FAO (2012a): The State of World Fisheries and Aquaculture, Rom OECD DAC Network on Gender Equality (2013): Unfinished Business – Women and girls front and centre beyond 2015, Paris FAO (2012b): The female face of farming, Rom GIZ (2012): Die Gender-Wissensplattform, www.gender-in-german-development.net GIZ/USMP (Hrsg.) (2013): Gewalt gegen Frauen und ihre finanziellen Folgen für Unternehmen in Peru. Eschborn, Lima Günther, Nadine (2013): Die Rolle von Frauen für ländliche Entwicklung und Ernährungssicherung, in: Franke, S./ Schmid, S. (Hrsg.): Ohne Frauen ist kein Staat zu machen. Hanns-Seidel-Stiftung, München, S. 63 – 72 KfW Entwicklungsbank (Hrsg.) (2011): Opening Doors. Empowering Women through microcredit in Sierra Leone. Abrufbar unter: https://www.kfwentwicklungsbank.de/migration/EntwicklungsbankStartseite/Entwicklungsfinanzierung/Themen/ Gender/Storyline-Sierra-Leone-Gender.pdf Medica Mondiale: www.medicamondiale.org/ themen/sexualisierte-gewalt-krie/fortsetzungsexualisierte-gewalt-krieg Prügl, Elisabeth; Razavi, Shaara; Reysoo, Fenneke (2013): Workshop Report: Gender and Agriculture after Neoliberalism. UNRISD, Genf Rodenberg, Birte (2009): Anpassung an den Klimawandel aus Geschlechterperspektive. Eine Querschnittsanalyse entwicklungs- und klimapolitischer Instrumente. Discussion Paper 21/2009, DIE, Bonn Rodenberg, Birte (2011): Von der Frauenförderung zur Geschlechtergerechtigkeit: Frauen-Menschenrechte als Meilenstein internationaler Entwicklungszusammenarbeit. In: Gunter Geiger (Hrsg.): Die Hälfte der Gerechtigkeit? Das Ringen um universelle Anerkennung von Menschenrechten für Frauen. Opladen & Farmington Hills, S. 15 – 30 Schäfer, Rita (2012): Gender und ländliche Entwicklung in Afrika: Eine kommentierte Bibliografie. 3. aktualisierte Auflage (2003), Lit-Verlag, Münster UN (2013): Millenniums-Entwicklungsziele. Bericht 2013, New York. Abrufbar unter: http://www.un.org/ depts/german/millennium/MDG%20Report%20 2013_german.pdf 29 BMZ-STRATEGIEPAPIER 2/2014 UNFPA/DSW (2013): Wenn Mädchen Mütter werden: Herausforderung Teenager-Schwangerschaft, New York/Hannover UN-Datenportal: http://sgdatabase.unwomen.org/ home.action UNDP (2013): Changing with the World: UNDP Strategic Plan 2014 – 2017. New York UN Women (2012): System-wide Action Plan on gender equality and womenʼs empowerment, New York. Abrufbar unter: http://www.unwomen.org/~/media/ Headquarters/Media/Stories/en/unswap-brochure. pdf UN Women Website: http://www.un.org/ womenwatch/daw/vaw/index.htm UN Human Rights Council (2011): Study on discrimination in the context of the right to food United Nations General Assembly (2012): Report of the Special Rapporteur on violence against women, its causes and consequences, by Rashida Manjoo. New York, May 2012 Worldbank (2012): WDR 2012: Gender Equality and Development, Washington. Abrufbar unter: http://siteresources.world-bank.org/INTWDR2012/ Resources/7778105-1299699968583/77862101315936222006/Complete-Report.pdf 30 BMZ-STRATEGIEPAPIER 2/2014 ÜbersichtüberVN­Konventionenund frauenpolitischeErgebnissevoninternationalen KonferenzenundInitiativen 1948: allgemeine erklärung der Menschenrechte (new york) Verabschiedung der universellen Menschenrechte, auf die “jeder Anspruch hat, ohne irgendeinen Unterschied, etwa nach Rasse, Hautfarbe, Geschlecht, Religion, Sprache, Herkunft” (Art 2/1) 1979: antidiskriminierungskonvention, cedaw (new york) Das Übereinkommen der Vereinten Nationen zur Beseitigung jeder Form der Diskriminierung der Frau (CEDAW) beinhaltet das Verbot jeder Form von Diskriminierung der Frau; es ist auf internationaler und nationaler Ebene rechtsverbindliche Grundlage für die Verwirklichung von Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen. 1992: Vn-Konferenz umwelt und entwicklung (rio de janeiro) WEDO (Women, Environment & Development Organisation) gelingt es, die “Vitale Rolle von Frauen in Produktion und Reproduktion für nachhaltige Entwicklung” im Abschlussdokument (Agenda 21) zu verankern; Forderungen nach Chancengleichheit und Zugang zu natürlichen Ressourcen erhoben (Kap. 24) 1993: Vn-Menschenrechtskonferenz (wien) Effektives Lobbying unter Führung vom Center for Women’s Global Leadership für die Anerkennung sexueller Gewalt gegen Frauen als Menschenrechtsverletzung. Öffentliches Bewusstsein für alltägliche, private Gewalt gegen Frauen und Mädchen gestärkt; VN-Sonderberichterstatterin eingesetzt (seit 1994). Festlegung der Menschenrechte von Frauen und Mädchen als ein unveräußerlicher, integraler und unteilbarer Bestandteil der universellen Menschenrechte 1994: Konvention bélem do pára Interamerikanisches Übereinkommen über die Prävention, Bestrafung und Beendigung von Gewalt gegen Frauen der OAS 1994: Vn-Konferenz bevölkerung und entwicklung (Kairo) Frauenpolitische Schlüsselbegriffe: Regierungen werden verpflichtet weltweit in “Sexualaufklärung” und “reproduktive Gesundheit” (freie Entscheidung über die Zahl der Kinder, freier Zugang zu Verhütungsmitteln, Schutz vor sexuell übertragbaren Krankheiten wie HIV/AIDS etc.) zu investieren 31 BMZ-STRATEGIEPAPIER 2/2014 1995: Vn-weltsozialgipfel (Kopenhagen) Breites Menschenrechtsverständnis verankert, das wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte einschließt und Frauenrechte als integralen Bestandteil der Menschenrechte stärkt; umfangreiches Maßnahmenbündel im Bereich Frauenarbeit (Anerkennung unbezahlt geleisteter Überlebensarbeit) und Frauenarmut (“Feminisierung der Armut”) verabschiedet 1995: Vierte Vn-weltfrauenkonferenz (peking) Empfehlungen für zwölf Handlungsfelder (Armut, Bildung, Gesundheit, Gewalt, bewaffnete Konflikte, Wirtschaft, Entscheidungsstrukturen, institutionelle Mechanismen, Menschenrechte, Medien, Umwelt, Mädchen); uneingeschränkte, universelle Gültigkeit von Frauenrechten bestätigt; kleinere Fortschritte bei der Verankerung des Erbrechts erzielt; Gender Mainstreaming-Prinzip verankert 1996: Vn-welternährungskonferenz (rom) Recht auf Nahrung und nachhaltige Ernährungssicherung eng mit der vollen Teilhabe von Frauen an produktiven Ressourcen (Land, Wasser, Kredite, Technologie) verknüpft; Entscheidungsmacht von Frauen als Ressourcenmanagerinnen soll gefördert werden 2000: Vn-Millenniumserklärung und MdGs (new york) Empowerment von Frauen als zentrales Entwicklungsziel bestätigt; Millenniumsziel (MDG 3) zur Förderung der Gleichstellung der Geschlechter und Empowerment der Frauen mit drei Zielvorgaben verabschiedet 2000: resolution 1325 des Vn-sicherheitsrats (new york) Friedenssichernde Rolle von Frauen in Post-Konfliktsituationen gestärkt: Resolution fordert für Frauen gleichberechtigte Teilnahme und vollständige Beteiligung an allen Bemühungen zur Erhaltung und Förderung des Friedens und der Sicherheit, insbesondere in Konflikt- und Postkonfliktsituationen sollen Frauen (-rechte) geschützt werden. 2003: Maputo-protokoll der afrikanischen union (lomé) Protokoll zum Schutz der Rechte der Frauen in Afrika 32 BMZ-STRATEGIEPAPIER 2/2014 2005: MdG+5-Vn-sondergeneralversammlung (new york) Erfolgreiches Lobbying durch Gender Monitoring Group: Beseitigung von Frauendiskriminierung im Abschlussdokument zu zentralen Werten und Prinzipien der Völkergemeinschaft erhoben; Ziel “Geschlechtergleichheit” wird ausdrücklich in Rechtskontext gestellt. 2008: resolution 1820 des un-sicherheitsrats (new york) Die Resolution erklärt, dass Vergewaltigungen und andere Formen sexualisierter Gewalt ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder eine die Tatbestandsmerkmale des Völkermords erfüllende Handlung darstellen können. Gegen Länder, in denen während bewaffneter Konflikte sexualisierte Gewalt verübt wird, können Sanktionen verhängt werden. 2008: accra aktionsagenda In der Accra Action Agenda zur Steigerung der Wirksamkeit der Entwicklungszusammenarbeit wird hervorgehoben, dass Gleichberechtigung der Geschlechter systematisch in der Entwicklungspolitik zu verankern ist. 2011: istanbul Konvention des europarats (istanbul) Konvention des Europarates zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt 2011: iV. hochrangiges Forum zur wirksamkeit der entwicklungszusammenarbeit (busan) Im Busan Outcome Document wird explizit betont, die Anstrengungen zur Erreichung von Gleichberechtigung und Empowerment von Frauen zu beschleunigen (Punkt 20). impressum Herausgeber Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), Öffentlichkeitsarbeit, digitale Kommunikation und Besucherdienst Redaktion BMZ, Referat Menschenrechte; Religionsfreiheit; Gleichberechtigung der Geschlechter; Kultur und Entwicklung Gestaltung BLOCK DESIGN Kommunikation & Werbung, Berlin Stand Mai 2014 Postanschriften der Dienstsitze BMZ Bonn Dahlmannstraße 4 53113 Bonn Tel. + 49 (0) 228 99 535 - 0 Fax + 49 (0) 228 99 535 - 3500 [email protected] www.bmz.de BMZ Berlin | im Europahaus Stresemannstraße 94 10963 Berlin Tel. + 49 (0) 30 18 535 - 0 Fax + 49 (0) 30 18 535 - 2501 www.bmz.de