Kapitel 1.4 Semantischer Folgerungsbegriff und Erfüllbarkeit

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Kapitel 1.4
Semantischer Folgerungsbegriff und Erfüllbarkeit
Mathematische Logik (WS 2010/11)
Kapitel 1.4: Semantischer Folgerungsbegriff
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Semantischer Folgerungsbegriff und Erfüllbarkeit
Für einzelne Formeln haben wir den Erfüllbarkeits- und Folgerungsbegriff
bereits eingeführt:
Eine al. Formel ϕ ist erfüllbar (erf [ϕ]), wenn es eine Belegung B der
in ϕ vorkommenden Variablen gibt, die ϕ wahr macht, d.h. für die
B(ϕ) = 1 gilt.
Eine al. Formel ϕ folgt aus einer al. Formel ψ (oder ψ impliziert ϕ:
ψ impl ϕ), wenn jede Belegung B, die ψ wahr macht, auch ϕ
wahrmacht.
Wir verallgemeinern diese Begriffe nun für Formelmengen.
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Erfüllbarkeit von Formelmengen: Definition
DEFINITION. Sei T eine (möglicherweise unendliche) MengeSvon Formeln, V
eine Menge von Aussagenvariablen, die die Menge V (T ) := {V (ψ) : ψ ∈ T }
der in den Formeln in T vorkommenden Aussagenvariablen umfasst, und
B : V → {0, 1} eine Belegung von V .
Dann macht B die Formelmenge T wahr (oder B erfüllt T ), falls B(ψ) = 1 für
alle ψ ∈ T gilt (d.h. B alle Formeln in T wahrmacht).
T heisst erfüllbar, wenn es eine Variablenmenge V ⊇ V (T ) und eine Belegung B
von V gibt, so dass die Belegung B die Formelmenge T wahrmacht.
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Erfüllbarkeit von Formelmengen: Bemerkungen
BEMERKUNGEN:
Die leere Formelmenge T = ∅ ist erfüllbar. Für nichtleeres T genügt es
wegen des Koinzidenzlemmas bei der Definition der Erfüllbarkeit von T
Belegungen von V (T ) zu betrachten.
Damit T erfüllbar ist, muss es eine Belegung B geben, die alle Formeln ϕ in
T wahrmacht. (Es genügt nicht, dass es für alle Formeln ϕ in T eine
Belegung B = Bϕ gibt, die ϕ wahrmacht.)
Ist T erfüllbar, so sind also auch alle Formeln ϕ in T erfüllbar.
Die Umkehrung gilt aber i.a. nicht (Gegenbeispiel: T = {A, ¬A}).
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Erfüllbarkeit von Formelmengen: Notation
NOTATION:
BT
:⇔ B(T ) = 1
⇔ B macht T wahr
(d.h. B(ψ) = 1 für alle ψ ∈ T )
Bϕ
:⇔ B(ϕ) = 1
erf [T ]
:⇔ T erfüllbar
erf [ϕ]
:⇔ ϕ erfüllbar
Für T 6= ∅ gilt also
erf [T ] ⇔ es gibt B : V (T ) → {0, 1} mit B T
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Folgerungen aus Formelmengen: Definition
DEFINITION. Sei T eine (möglicherweise unendliche) Menge von Formeln und ϕ
eine Formel. Dann folgt ϕ aus T , falls für jede Variablenmenge
V ⊇ V (T ) ∪ V (ϕ) und jede Variablenbelegung B von V mit B(T ) = 1 auch
B(ϕ) = 1 gilt.
NB. Wegen des Koinzidenzlemmas genügt es V = V (T ) ∪ V (ϕ) zu betrachten.
D.h. ϕ folgt aus T , falls
Für alle B : V (T ) ∪ V (ϕ) → {0, 1} gilt: B T ⇒ B ϕ.
SCHREIBWEISE:
T ϕ :⇔ ϕ folgt aus T
ϕ1 , . . . , ϕn ϕ statt {ϕ1 , . . . , ϕn } ϕ
ϕ statt ∅ ϕ
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Folgerungen aus endlichen Formelmengen
Nach Definition folgt ϕ aus der leeren Formelmenge ∅ genau dann, wenn jede
Belegung B von V (ϕ) die Formel ϕ wahrmacht, d.h. wenn ϕ allgemeingültig ist.
Also: ϕ ⇔ ag [ϕ].
Der Folgerungsbegriff für nichtleere endliche Mengen lässt sich ebenfalls auf den
Begriff der Allgemeingültigkeit zurückführen:
LEMMA. Folgende Aussagen sind äquivalent:
(i) ϕ1 , . . . , ϕn ϕ
(ii) ϕ1 ∧ · · · ∧ ϕn ϕ
(iii) ag [ϕ1 ∧ · · · ∧ ϕn → ϕ]
Beweisidee:
(i) ⇔ (ii): Folgt aus B(ϕ1 ) = · · · = B(ϕn ) = 1 ⇔ B(ϕ1 ∧ · · · ∧ ϕn ) = 1
(ii) ⇔ (iii): Dies haben wir bereits in allgemeinerer Form gezeigt: nämlich
ψ impl ϕ (was gerade ψ ϕ bedeutet) ist äquivalent zur Allgemeingültigkeit von
ψ → ϕ.
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Folgerung vs. Erfüllbarkeit
Der Folgerungsbegriff für beliebige (nicht notwendigerweise endliche) Mengen
lässt sich auf den Erfüllbarkeitsbegriff zurückführen. Umgekehrt lässt sich der
Erfüllbarkeitsbegriff durch den Folgerungsbegriff beschreiben:
LEMMA (ZUSAMMENHANG ZW. FOLGERUNG UND ERFÜLLBARKEIT).
Für beliebige Formelmengen T und beliebige Formeln ϕ gilt:
(a) T ϕ ⇔ nicht erfb[T ∪ {¬ϕ}]
(b) Folgende Aussagen sind äquivalent:
(i) erfb[T ]
(ii) Es gibt kein ϕ mit T ϕ und T ¬ϕ.
(iii) Es gibt ein ϕ mit T 6 ϕ.
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Folgerung vs. Erfüllbarkeit: Beweis der Aussage (a)
Übung!
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Folgerung vs. Erfüllbarkeit: Beweis der Aussage (b)
BEHAUPTUNG: Folgende Aussagen sind äquivalent:
(i) erfb[T ]
(ii) Es gibt kein ϕ mit T ϕ und T ¬ϕ.
(iii) Es gibt ein ϕ mit T 6 ϕ.
Da die Implikation (ii) ⇒ (iii) trivialerweise gilt, genügt es (i) ⇒ (ii)
und (iii) ⇒ (i) zu zeigen.
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Folgerung vs. Erfüllbarkeit: Beweis von (b) (Forts.)
BEHAUPTUNG: (i) erfb[T ] ⇒ (ii) Es gibt kein ϕ mit T ϕ und T ¬ϕ.
Beweis von (i) ⇒ (ii) durch Kontraposition:
Annahme: (ii) gelte nicht.
Dann gilt T ϕ und T ¬ϕ für geeignetes ϕ.
Für jede Belegung B von V (T ) ∪ V (ϕ) mit B T gilt also
B(ϕ) = B(¬ϕ) = 1.
Da es keine Belegung B mit B(ϕ) = B(¬ϕ) = 1 gibt, folgt B 6 T für alle
Belegungen B von V (T ) ∪ V (ϕ).
D.h. für jede solche Belegung B gibt es ein ΨB ∈ T mit B(ψB ) = 0.
Mit dem Koinzidenzlemma gibt es dann aber auch zu jeder Belegung B von
V (T ) ein ΨB ∈ T mit B(ψB ) = 0.
Also B 6 T für alle Belegungen von V (T ).
Das heisst aber gerade, dass T nicht erfüllbar ist.
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Folgerung vs. Erfüllbarkeit: Beweis von (b) (Ende)
BEHAUPTUNG: (iii) Es gibt ein ϕ mit T 6 ϕ ⇒ (i) erfb[T ].
Beweis von (iii) ⇒ (i):
Wähle ϕ mit T 6 ϕ.
Dann gibt es eine Belegung B von V (T ) ∪ V (ϕ) mit B T und B(ϕ) = 0.
Insbesondere gilt also B(ψ) = 1 für alle ψ ∈ T .
Ist B 0 die Einschränkung von B auf V (T ), so gilt daher nach dem
Koinzidenzlemma auch B 0 (ψ) = 1 für alle ψ ∈ T , d.h. B 0 T .
Also ist T erfüllbar.
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Semantische Korrektheit von Regeln
In Kapitel 1.2.7 haben wir bereits die Korrektheit von Regeln bzgl. der
Allgemeingültigkeit bzw. bzgl. Folgerungen definiert. Mit Hilfe der neuen
Definitionen und Notationen können wir dies nun wie folgt formulieren:
Eine Regel
(R)
ϕ1 , . . . , ϕn
——————
ϕ
ist korrekt bzgl. Allgemeingültigkeit, falls
ϕ1 , . . . , ϕn ⇒ ϕ
(oder: ϕ1 ∧ · · · ∧ ϕn ⇒ ϕ)
gilt, und R ist korrekt bzgl. Folgerungen, falls
ϕ1 , . . . , ϕ n ϕ
(oder: ϕ1 ∧ · · · ∧ ϕn ϕ)
gilt.
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