Beurteilung der Evidenz nicht-medikamentöser Maßnahmen zur Schmerzlinderung in Palliative Care Projektarbeit im interprofessionellen Basislehrgang Palliative Care Eveline Buchgraber, Armin Gerger, Hannelore Karlinger, Karl Schellnegger 20. Mai 2016 1 Inhaltsverzeichnis Einleitung TENS Funktion und Wirkungsmodalitäten Elektroden Stimulationsfrequenzen Niederfrequente Stimulation Hochfrequente Stimulation Mittelfrequente Stimulation Kombination aus hoch- und niederfrequenter Stimulation Anwendungsbereiche der TENS-Therapie Indikationen Kontraindikationen Nebenwirkungen und Kombination mit anderen Therapien Wissenschaftliche Studien über die TENS-Therapie Fazit Entspannungstechniken Progressive Muskelentspannung nach Jacobson Einleitung Durchführung Wissenschaftliche Studien zur Progressiven Muskelentspannung Fazit Beruhigende Maßnahmen zur Schmerzlinderung Fazit Wickel und Auflagen Definition Materialien Grundsätzliches zur Durchführung Gliederung in Gruppen Anwendungsdauer 2 Fazit Literaturverzeichnis Epilog 3 Einleitung (Armin Gerger) Entsprechend einem systematischen Review beträgt die Prävalenz von Schmerz 33% bei PatientInnen nach kurativer Krebsbehandlung, 59% bei PatientInnen unter tumorspezifischer Therapie und 64% bei PatientInnen mit metastasierter Krebserkrankung oder in der terminalen Phase (1). Trotz publizierter Guidelines und Ausbildungsprogrammen zur Beurteilung und Behandlung von Schmerz bei hämatoonkologischen Erkrankungen bleibt die nicht adäquate Schmerzbehandlung ein weltweites Problem im Gesundheitswesen (2). Die initiale und weiterführende Beurteilung von Schmerz in jeglichem Erkrankungsstadium soll eine umfassende Evaluierung und einen entsprechenden rationalen Behandlungsplan umfassen. Die Intensität von Schmerz und der Behandlungserfolg soll basierend auf den visual analogue scales (VAS) oder der „verbal rating scale“ (VRS) oder der „numeric rating scale“ (NRS) kontinuierlich beurteilt werden (Abbildung 1). Bei limitierenden kommunikativen Fähigkeiten der PatientInnen oder kognitiven Beeinträchtigungen sind selbstbeurteilte Schmerzangaben eingeschränkt nutzbar. Hier ist die Beurteilung des Schmerzbezogenen Verhaltens von PatientInnen wir z.B. Gesichtsausdruck, Körpersprache, Vokalisation, Veränderungen in interpersoneller Interaktion eine alternative Strategie. Unterschiedliche Observationsskalen sind diesbezüglich in der Literatur verfügbar, jedoch ist keine dieser Skalen validiert (3). PatientInnen müssen über das mögliche Auftreten von Schmerz in jeglichem Stadium der Krebserkrankung, bereits bei Diagnose, durch diagnostische und therapeutische Interventionen und unter einer tumorspezifischen Therapie informiert werden und in das Management von Schmerz eingebunden werden. PatientInnen sollen auch angehalten Schmerzintensität, den werden Effekt mit der den betreuenden Schmerztherapie sowie Personen die aufgetretene Nebenwirkungen zu kommunizieren. Im Rahmen der Schmerzbehandlung müssen die Bioverfügbarkeit, Medikamenten in die Betracht Halbwertszeit gezogen und werden. der Die Wirkmechanismus von Schmerzbehandlung von chronischem Schmerz sollte auf einer regulären Basis und nicht nur bei Bedarf erfolgen. Vorzugsweise sollen Schmerztherapien gewählt werden die einfach und von PatientInnen selbst oder durch Angehörige angewendet werden können. 4 Die orale Verabreichung von Schmerzmitteln scheint der unkomplizierteste und einfachste Weg zu sein. Durchbruchsschmerzen treten in der Regel innerhalb von wenigen Minuten auf Durchbruchschmerzen und müssen dauern im Median Bedarfsmedikamente 30 Minuten zusätzlich an. zur Bei basalen Therapie angewendet werden. Bereits 1986 hat die World Health Organization (WHO) eine Strategie basierend auf einer sequentiellen 3-Schritte Therapie vorgeschlagen. Diese umfasst die Behandlung beginnend mit Nicht-Opioiden, dann schwache und anschließend starke Opioide (4). Auch 30 Jahre später bleibt die WHO Publikation die Referenz für Schmerz Management. Leichter Schmerz sollte mit Nicht-Opioiden wie z.B. Paracetamol oder Nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) behandelt werden. Diese Medikamentengruppen sind als Basis in jeglicher Behandlungsstrategie im WHO Stufenplan akzeptiert. Ein kürzlich publizierter systematischer Review konnte zeigen dass die Anwendung von NSARs bei WHO Stufe III Opioide sowohl die Schmerzen als auch die Opioid Dosis reduzieren konnte (5). Es ist jedoch erforderlich die Langzeitnebenwirkungen von NSARs wie z.B. Gastrointestinale Blutungen, Thrombozyten Dysfunktion oder Nierenversagen zu monitorisieren. Bei mildem bis moderatem Schmerz werden Kombinationstherapien mit Acetaminophen, Aspirin oder NSARs plus schwache Opioide wie Codeine, Dihydrocodeine, Tramadol oder Propoxyphene eingesetzt. Die Verwendung von Medikamenten aus der Stufe II der WHO Leiter haben jedoch kontroversielle Aspekte. Der erste Kritikpunkt betrifft das Fehlen eines endgültigen Beweises der Wirksamkeit von schwachen Opioiden: in einer Meta-Analyse von Daten aus klinischen randomisierten kontrollierten Studien wurde kein signifikanter Unterschied in der Wirksamkeit zwischen Nicht-Opioid-Analgetika alleine und der Kombination dieser mit schwachen Opioiden gefunden. Unkontrollierten Studien zeigen auch, dass die Effizienz der zweiten Stufe der WHO-Leiter eine Zeitgrenze von 30-40 Tagen für die meisten Patienten hat und dass der Wechsel zur dritten Stufe hauptsächlich aufgrund unzureichender Analgesie und nicht wegen Nebenwirkungen durchgeführt wird (6). Eine weitere Einschränkung bei der Verwendung von schwachen Opioiden ist der „Decken-Effekt“, bei dem sich ab einer bestimmten Dosis eines Arzneimittels die Wirksamkeit nicht mehr erhöht, aber zunehmend 5 Nebenwirkungen auftreten. Viele Autoren haben die Abschaffung der zweiten Stufe der analgetische WHO Leiter für den frühen Einsatz von Morphinen in niedrigen Dosen vorgeschlagen. Die wenigen Studien zu diesem speziellen Thema (7) haben unklare Ergebnisse sowohl aufgrund der geringen Anzahl und Repräsentativität der untersuchten PatientInnen und der relativ geringen statistischen Aussagekraft. Eine randomisierte Studie wird diesbezüglich dringend benötigt, um die relevante Frage der Rolle der WHO Stufe II zu untersuchen. Starke Opioide sind die Hauptstütze der Schmerztherapie in der Behandlung von mittelstarken bis starken krebsbedingten Schmerzen. In einigen Ländern ist die Schmerzlinderung durch mangelnde Verfügbarkeit oder Hindernisse bezüglich Zugänglichkeit zu Opioid-Analgetika erschwert. Morphin, Methadon, Oxycodon, Hydromorphon, Fentanyl, Alfentanyl, Buprenorphin, Levorphanol und Oxymorphon sind die am häufigsten verwendeten starken Opioide in Europa. In den letzten Jahren hat in einigen Ländern der Gebrauch von Oxycontin und Pflaster mit Fentanyl und Buprenorphin deutlich zugenommen. Es gibt jedoch keine Hinweise aus hochwertigen vergleichenden Studien, dass andere Opioide Morphinen im Hinblick auf Wirksamkeit und Verträglichkeit überlegen sind. Neue Opioid-Analgetika sind zwischenzeitlich verfügbar, z.B. eine Oxycodon/ Naloxon-Kombination, die gezeigt haben, dass sie wirksam sind und möglicherweise weniger Nebenwirkungen haben. Jedoch ist weitere Forschungsarbeit in diesem Bereich erforderlich. Seit 1977 sind in vielen Ländern orale Morphine in Hospiz und Palliativstationen das Mittel der Wahl für die Behandlung von chronischen Tumorschmerzen von mittlerer bis schwerer Intensität, da sie eine effektive Schmerzlinderung versprechen, weitgehend gut toleriert werden und einfach zu handhaben sind. Darüber hinaus ist Morphin als einziges Opioid-Analgetikum in der WHO-Liste der unverzichtbaren Medikamente für Erwachsene und Kinder mit starken Schmerzen berücksichtigt. Viele PatientInnen entwickeln unter einer Opioid Therapie Nebenwirkungen wie Verstopfung, Übelkeit/ Erbrechen, Harnverhalten, Pruritus und Toxizitäten des zentralen Nervensystems (ZNS) wie Benommenheit, kognitive Beeinträchtigung, Verwirrung, Halluzinationen, Myoklonien und selten Opioid-induzierte Hyperalgesie/ Allodynie). Manchmal kann die Reduktion der Opioid-Dosis die Häufigkeit und/ oder 6 Schwere von Nebenwirkungen deutlich reduzieren. Dies kann durch Verwendung einer Ko-Analgesie oder eines alternativen Ansatzes, wie etwa eine Nervenblockade oder Strahlentherapie (RT) erreicht werden. Andere Strategien umfassen die kontinuierliche Verwendung von Antiemetika gegen Übelkeit, Laxantien bei Obstipation, Tranquilizer bei Verwirrung und Psychostimulanzien bei Abgeschlagenheit. Da jedoch einige der Nebenwirkungen durch Akkumulation von toxischen Metaboliten hervorgerufen werden, erlaubt der Wechsel zu einem anderen Opioid-Agonisten und/ oder auf eine andere Form der Verabreichung adäquate Analgesie ohne die selben einschränkenden Effekte. Dies gilt insbesondere für Symptome von ZNS-Toxizität, Opioid-induzierten Hyperalgesie/ Allodynie und Myoklonien. Es gibt wenig Evidenz für die Verwendung von Methylphenidat in der Behandlung von Opioid-induzierter Sedierung und kognitiven Störungen. Andere individuelle Medikamente für die Behandlung ZNS Nebenwirkungen können nicht empfohlen werden. Eine Dosisreduktion oder Opioid-Wechsel ist eine potenzielle effektive Möglichkeit, Delirium, Halluzinationen, Muskelkrämpfe und Hyperalgesie zu behandeln. Für die Behandlung von Opioid-bedingter Obstipation gibt es eine starke Empfehlung zum routinemäßigen Einsatz von Laxantien. Methylnaltrexon durch subkutane Injektion verabreicht, sollte bei der Behandlung von Opioid-bedingter Obstipation die auf traditionelle Laxantien nicht ansprechen verwendet werden. Naloxon ist ein kurz wirkender Opioid-Antagonist für die intravenöse Verwendung, um die Symptome einer eingetretenen schweren Opioid-Überdosierung umzukehren. Metoclopramid und antidopaminerge verwendeten Medikamente zur Medikamente sind die am häufigsten Behandlung von Opioid-bedingter Übelkeit/ Erbrechen. Etwa 10% der Krebspatienten haben Schmerzen, die nur schwer mit oralen oder parenteralen Analgetika behandelt werden können. Interventionelle Techniken wie Nervenblockaden und intrathekale Arzneimittelinfusion (ITDD) (spinal oder epidural) können bei PatientInnen Schmerzkontrolle erzielen, die auf alle gängigen Strategien refraktär sind, wenn sie als einzige Therapie eingesetzt werden oder, häufiger, in Kombination mit einer systemischen Therapie. Zunehmend werden auch nicht-medikamentöse Maßnahmen zur Schmerzlinderung in die klinische Routine implementiert. Im Rahmen dieser Projektarbeit wird die 7 Evidenz der gängigsten nicht-medikamentösen Anwendungsmethoden evaluiert und diskutiert. Abbildung 1 (Validierte und häufig benutzte Skalen zur Schmerzbeurteilung; Ripamonit et al. Annals of Oncology 23 (Supplement 7): vii139–vii154, 2012 doi:10.1093/annonc/mds233) 8 TENS (Karl Schellnegger) Die TENS (transkutane elektrische Nervenstimulation) bietet eine weitere Möglichkeit zur nicht-medikamentösen Schmerztherapie. Sie findet Einsatz bei chronischen und akuten Schmerzen und hat den Vorteil, von Patienten oder Angehörigen nach einer kurzen Einschulung selbstständig angewendet werden zu können. Im Folgenden wird näher auf Funktion, Wirkung und Relevantes zur Anwendung der TENS eingegangen und auszugsweise über Studien zu diesem Thema berichtet. Funktion und Wirkungsmodalitäten Das TENS Gerät erzeugt elektrische Impulse und gibt diese über Hautelektroden an den Körper ab. Einerseits werden dadurch afferente Nervenbahnen des ZNS (Reizleitung von der Peripherie ins Gehirn) an der Weiterleitung des Schmerzreizes ins Gehirn gehemmt, andererseits werden absteigende Nervenbahnen angeregt. Es erfolgt eine Ausschüttung verschiedener Neurotransmitter, welche das Schmerzempfinden verändern (8). Elektroden Die Hautelektroden werden in positive Elektrode (Anode, rotes oder weißes Kabel) und negative Elektrode (Kathode, blaues oder schwarzes Kabel) unterschieden. Da die Anode eine stärkere schmerzlindernde Wirkung erzielt, wird sie direkt am schmerzenden Ort angebracht und die Kathode im Ausstrahlungsgebiet oder gegenüber der Anode platziert. Je nach Anwendung gibt es verschiedene Elektrodentypen, die entweder selbstklebend sind oder mit Gel bestrichen und fixiert werden müssen. Entscheidend ist auch deren Größe: je tiefer der Schmerz lokalisiert ist, desto kleiner soll die Elektrode aufgrund der größeren Stromdichte sein (9, Seite 326ff) Stimulationsfrequenzen Der Erfolg einer TENS-Therapie ist maßgeblich abhängig von der Frequenz, der Stromstärke (Intensität) und der Impulsbreite. Während die Impulsbreite in den meisten Geräten vorgegeben ist und zwischen 0,1–0,2 msec liegt, ist die Stromstärke selbst wählbar. So soll bei einer hochfrequenten Therapie ein kräftiges, aber angenehmes Kribbeln wahrnehmbar sein; bei der niederfrequenten Stimulation 9 jedoch wird eine stärkere Intensität benötigt, um leichte Muskelzuckungen zu provozieren (9, Seite 326). Niederfrequente Stimulation Diese Frequenz (2 – 10 Hz) eignet sich besonders bei chronischen Schmerzen und bedarf pro Sitzung einer länger wiederholten Stimulation. Die Wirkung tritt nicht sofort ein, kann dafür aber länger anhalten. Ziel ist es, Muskelzuckungen hervorzurufen, um analgetisch wirkende Neurotransmitter freizusetzen. Allerdings ist dafür das Vorhandensein einer gewissen Muskulatur Voraussetzung. Die Behandlungsdauer beträgt durchschnittlich 30 Minuten, eine Dauerstimulation ist aufgrund von Gewöhnungseffekten nicht ratsam. Die Anwendungshäufigkeit erstreckt sich auf einbis mehrmals täglich, bei Besserung können die Intervalle ausgedehnt werden (9, Seite 325 und 328). Hochfrequente Stimulation Hier liegt die Spannbreite zwischen 50–100 Hz und wird bevorzugt bei akuten Schmerzen verwendet. Die Wirkung kann schon nach wenigen Minuten eintreten, wahrgenommen wird ein deutliches, aber nicht schmerzhaftes Stromgefühl. Behandlungsdauer und Anwendungshäufigkeit sind mit jenen der niederfrequenten Stimulation gleichzusetzen (9, Seite 325 und 328). Mittelfrequente Stimulation Dieser Bereich (10–50 Hz) beinhaltet sowohl nieder- als auch hochfrequente Charakteristika, zeigt sich aber weniger effektiv (8, Seite 246). Kombination aus hoch- und niederfrequenter Stimulation Diese Stimulation ist nach seinem Erfinder, dem chinesischen Neurophysiologen J.S. Han benannt (Han-Stimulation). Die Frequenz wechselt hier alle 3 Sekunden zwischen 2Hz und 100Hz, in deren Folge Muskelzuckungen und Kribbeln ausgelöst werden. Es kann aufgrund der Wirkungsbreite beider Frequenzbereiche eine verstärkte Analgesie erreicht werden (9, Seite 325) und eignet sich für fast alle Schmerzindikationen (8, Seite 248). 10 Anwendungsbereiche der TENS-Therapie In der angeführten Literatur gibt es zahlreiche Auflistungen über Indikationen, Kontraindikationen, Nebenwirkungen und Kombination der TENS mit anderen Therapien. Nur sehr spärlich wird die Verwendung der TENS-Therapie im Bereich der Palliative Care beschrieben; schließlich konnten drei Studien eruiert werden, die sich des Themas annehmen. Diesen ist ein eigenes Kapitel gewidmet. Indikationen Dr. Disselhoff Bertram bezeichnet die TENS-Therapie als sinnvollen Behandlungsversuch für akute und chronische, leichte bis starke Schmerzen (9, Seite 321). Dazu zählen: Kopfschmerzen, Rückenschmerzen, traumatische und postoperative Schmerzen, Arthrosen, Sehnenüberlastungen Karpaltunnelsyndrom, Neuralgien, (Epikondylitiden, Tendinopathien), Amputationsschmerzen, Myalgien, Polyneuropathie, Dysmenorrhoe (8, Seite 260) Kontraindikationen Derselbe Autor beschreibt, wann von einer TENS-Anwendung abzusehen ist (9, Seite 330): Träger von Herzschrittmachern und anderen elektronischen Implantaten, Metallimplantate bei Impulsen mit Gleichstromanteil, Schwangere, Epileptiker, Wunden und Hautirritationen im Bereich der Elektroden. Nebenwirkungen und Kombination mit anderen Therapien Als Nebenwirkung kann es zu Auftreten von Hautirritationen, Verstärkung des Schmerzes, epileptischen Reaktionen und - bei Anlegen der Elektroden im Halsbereich - zu Reaktionen des Larynx und des Karotissinus kommen. Ein Einsatz des TENS, kombiniert mit anderen Therapien, ist an sich problemlos möglich. Es gilt allerdings zu beachten, dass sich durch Besserung der Schmerzsituation der Bedarf an Analgetika reduzieren kann. Und: um eine Kreuztoleranz zwischen der niederfrequenten TENS-Stimulation und den Opiaten zu vermeiden, sollte nur die hochfrequente und Han-Stimulation verwendet werden (9, Seite 330f)! 11 Wissenschaftliche Studien über die TENS-Therapie Die Literatursuche über die TENS-Anwendung speziell im Bereich der Palliative Care erwies sich aufgrund mangelnder Studien und Publikationen als relativ schwierig und aufwendig. Schlussendlich wurden zwei Reviews in englischer Sprache und die Publikation einer Studie deutscher Krankenhäuser hervorgehoben, deren Aussagekraft in diesem Kapitel näher erläutert wird. Am Ende werden die Ergebnisse in einer Schlussfolgerung zusammengefasst. “A systematic review: non-pharmacological interventions in treating pain in patients with advanced cancer” Inhalt dieser finnischen Studie ist, Literaturrecherche zu diesem Thema der Jahre 2000–2013 aus verschiedenen Datenbanken (CINAHL, MEDIC, MEDLINE) zu eruieren und in einem Review zusammenzufassen. Die Autoren stellten sich der Frage, ob nicht-medikamentöse Therapien für erwachsene Patienten mit fortgeschrittener Krebserkrankung in der Schmerzbehandlung wirksam und generell ungefährlich sind. Der Studienerfolg war eher ernüchternd: aus 444 Studientitel fielen 433 den Auswahlkriterien zum Opfer (z.B. Patienten waren teilweise unter 18 Jahre, Studien waren eher auf medikamentöse Therapie fixiert, Studien waren nicht in englischer, schwedischer oder finnischer Sprache, etc.); lediglich 11 Studien konnten für den Review verwendet werden. In Summe wurden 1047 Personen aus verschiedenen Kontinenten, davon 74% Frauen und 26% Männer, inkludiert. Auch das Ergebnis der TENS-Therapie ließ eher zu wünschen übrig: die Patienten erhielten die Therapie zweimal aber hauptsächlich bei Teilnehmern Schmerzen konnte eine täglich für die Dauer einer Woche; mit durch Knochenkrebs verursachten Schmerzreduktion erzielt werden. Auch bei Bewegungsschmerzen konnten im Gegensatz zum Ruheschmerz Besserungen verzeichnet werden. Der TENS-Therapie wurde zwar das Potential bescheinigt, Tumorschmerzen zu erleichtern und gut verträglich zu sein; aber überzeugende Schlussfolgerungen waren aus Mangel an Ergebnissen nicht möglich. Dies galt auch für die anderen nicht-medikamentösen Maßnahmen, die Inhalt dieses Review waren. (10) 12 “Transcutaneous electric nerve stimulation (TENS) for cancer pain in adults (Review)” Die Autoren machten es sich zum Ziel, mit diesem im Jahre 2015 aktualisierten Review die Effektivität der TENS-Therapie in der Behandlung von Tumorschmerzen zu untersuchen und daraus folgend Anwendungsrichtlinien für ein optimales Outcome zu erstellen. Als Basis dienten wieder Recherchen in zahlreichen Datenbanken der Jahre 2008–2011. Als eines der Auswahlkriterien setzten sie randomisierte Studien fest, welche auch die TENS-Therapie zum Inhalt hatten. Sie fanden 43 potentielle Studien, wovon nur drei alle Eignungskriterien erfüllten. Die Teilnehmer mussten älter als 18 Jahre und die letzte Anti-Tumortherapie seit mindestens drei Monaten beendet sein. Da es letztlich nur auf 88 Teilnehmer zutraf, ist auch dieser Review als nicht aussagekräftig einzustufen. Dennoch wird auch hier wieder der TENS-Therapie eine positive Auswirkung auf Bewegungsschmerzen attestiert; eine Reduzierung der durch Knochenkrebs verursachten Schmerzen konnte aber nicht eindeutig angezeigt werden. Die Interventionen wurden allgemein gut vertragen. Auch in diesem Review weisen die Autoren deutlich darauf hin, dass eine überzeugende Aussagekraft nur durch weitere Studien gewährleistet werden kann. (11) “Nicht-medikamentöse Maßnahmen in der Schmerztherapie. Anwendung in 25 deutschen Krankenhäusern“ Diese Studie beinhaltet nur die Daten von Pflegepersonen, da nicht-medikamentöse Schmerztherapie laut Deutschem Expertenstandard in den Bereich pflegerischen Handelns fällt. Die Studie war Teil des Projekts „Schmerzfreies Krankenhaus“, welches zwischen 2003–2007 in Deutschland durchgeführt wurde. Die Pflegenden wurden über Art, Häufigkeit, Hindernisse und eigene Kenntnisse der nichtmedikamentösen Schmerztherapie befragt. Insgesamt wurden 4170 Pflegepersonen mittels Fragebögen oder Interviews in 25 freiwillig teilnehmenden Krankenhäusern kontaktiert. Aber auch diese Studie kann nicht durch Aussagekraft überzeugen, weil kein repräsentatives Abbild der Gesamtheit gegeben war (nur freiwillige Spitäler, Datenerhebung nur auf allgemeinen Pflegestationen, nur 68% der Fragebögen konnten ausgewertet werden, etc.). Die TENS-Therapie wurde durchschnittlich von nur jedem 20. Pflegenden angewendet, bevorzugt wurden Kälte-/ 13 Wärmeanwendungen und Positionsänderungen. Über Wirkung und Verträglichkeit wurden generell keine Angaben gemacht. Zusammenfassend betrachtet werden von der Mehrheit der Pflegenden Methoden der nicht-medikamentösen Schmerztherapie implementiert, es gibt aber noch mangelnde Kenntnisse der Anwender über Nutzen und potentielle Risiken zu diesen Therapieformen. Zudem besteht Unklarheit, ob diese ärztlich verordnet werden müssen (12). Fazit Die Wirkung und Verträglichkeit der TENS-Therapie ist derzeit nicht ausreichend durch wissenschaftliche Studien belegt. Bisherige Ergebnisse weisen darauf hin, dass diese Therapieform aufgrund der einfachen Handhabung von den Anwendern positiv angenommen wird. Nach kurzer Einschulung kann das Gerät auch selbstständig bedient werden und ist somit häufig nicht von anderen Personen abhängig. Schmerzreduzierung konnte hauptsächlich bei Knochenkrebs bedingten und bewegungsabhängigen Schmerzen erzielt werden, es wurden nur wenige Nebenwirkungen beschrieben. Wenn die TENS-Therapie in der Palliative Care zur Behandlung von Tumorschmerzen einen permanenten Berechtigungsanspruch stellen will, kommen wir nicht umhin, weitere Forschungen dahingehend anzustellen. Bis dahin können wir uns nur auf persönliche oder vermittelte Erfahrungswerte verlassen. Außerdem sind noch jede Menge Fragen offen, die die Verwendung des TENS im häuslichen Bereich der Palliative Care betreffen: Welche Patienten sind geeignet? Wer verordnet das Gerät? Wer zeigt sich für die Einschulung verantwortlich? Wer bestimmt die Frequenz und Einstellung? Wer evaluiert und adaptiert? Wird diese Therapie von allen Krankenkassen subventioniert? Durch meine bisherige Tätigkeit als DGKP kann ich bereits auf jahrelange Erfahrung in der Verwendung der TENS-Therapie verweisen. Diese Erfahrung ist allerdings begrenzt auf neurologische Patienten im Rahmen eines stationären Aufenthaltes, deren Feedbacks aber durchaus positiv waren. Ob dies auch für TumorSchmerzpatienten in häuslicher Umgebung gilt, wird erst zu ermitteln sein. 14 Entspannungstechniken (Hannelore Karlinger) Neben der schon beschriebenen medizinischen/ pharmazeutischen Schmerzbehandlung, sollte die mögliche Anwendung von Entspannungstechniken nicht vergessen werden. Das Wissen um die Körper-Seele-Beziehung ermöglicht uns, eine positive Veränderung im Körper hervorzurufen und möglicherweise: Schmerzen zu lindern psychische Belastung zu reduzieren das Gefühl der Hoffnungslosigkeit und Hilflosigkeit zu minimieren zur Steigerung der Lebensqualität beizutragen Der Patient erfährt dadurch, dass er seinem Schmerz wirksam begegnen kann und ihm nicht hilflos ausgeliefert ist (13, Seite 46). Mögliche Entspannungstechniken, um nur einige zu nennen, die dabei zum Einsatz kommen sind (14, Seite 123f): Progressive Muskelentspannung nach Jacobson Autogenes Training - Meditation Fantasiereisen/ Körperreisen Musik Atementspannung Hypnose Positive Imagination Sensorische Imagination Da für unsere Patienten in Palliative Care die Kräfte und die Zeit, solche Techniken zu erlernen, begrenzt sind, habe ich die Progressive Muskelentspannung nach Jacobson ausgewählt. Die Übungen sind leicht nachzuvollziehen und schnell und relativ einfach zu erlernen (9, Seite 250f). 15 Progressive Muskelentspannung nach Jacobson Einleitung Schmerz kann als physiologischer Stressor gesehen werden, da er auf längere Sicht auch zu psychosomatischen Beschwerden führen kann, wie zum Beispiel einem Anstieg des Muskeltonus (13, Seite 47f). Progressive Muskelentspannung ist als Entspannungstraining oder TiefenmuskelEntspannungstraining bekannt und wurde von dem Arzt und Wissenschaftler Edmund Jacobson 1938 entwickelt. Er hat beobachtet, dass bei einer kurzzeitige Anspannung und einer anschließenden Entspannung einer Muskelgruppe mit der Zeit eine vertiefte Entspannung bzw. Ermüdung erfolgt. Dies bewirkt eine Aktivierung des Parasympathikus, wodurch es zu einer Blutdrucksenkung, Senkung der Herzfrequenz und zu einer Senkung der Atemfrequenz kommt. Der Patient kann dadurch erlernen, sich in bestimmten Situationen zu entspannen. Die Progressive Muskelentspannung wirkt somit direkt auf die Befindlichkeit einer Person. Bei regelmäßiger Anwendung kann Entspannung und Ausgeglichenheit in Stresssituationen erreicht werden (9, Seite 249f). Der Patient wird angehalten, die Progressive Muskelentspannung mindestens 1x täglich durchzuführen (15, Seite 107). Durchführung Sorgen Sie dafür, dass Sie 20 bis 30 Minuten nicht gestört werden. Die Muskelanspannung sollte ca. 5 bis 10 Sekunden andauern, die Entspannung etwa 30 bis 50 Sekunden, jede Übung sollte 3x hintereinander durchgeführt werden. Sie liegen entspannt auf dem Rücken oder Sie sitzen locker auf einem Stuhl, die Arme ruhen neben dem Körper oder auf der Armlehne; lassen Sie die Arme jedoch nicht hinunter hängen, die Handflächen zeigen nach oben. Schließen Sie die Augen, bei ängstlichen Patienten können die Augen am Anfang auch offen bleiben. Die Unterarme anspannen, indem Sie eine Faust ballen, danach wieder locker lassen. Die Arme beugen und dabei den Bizeps anspannen, dann wieder entspannen. Die Arme ausstrecken und dabei des Triceps anspannen, die Handrücken drücken nach unten, danach wieder entspannen. Die Schultern hochziehen und die Schultermuskulatur anspannen, danach 16 wieder locker lassen. Den Hinterkopf auf den Boden drücken und die Nackenmuskeln anspannen, dann wieder entspannen. Die Gesichtsmuskeln anspannen durch Zusammenbeißen der Zähne, zukneifen der Augen, danach wieder entspannen. Die Schulterblätter nach hinten zur Wirbelsäule ziehen und dabei die Rückenmuskeln anspannen, dann wieder locker lassen. Den Bauch einziehen, Bauchmuskeln anspannen, dann wieder entspannen. Die Pobacken zusammenkneifen und dann wieder locker lassen. Die Oberschenkel anspannen, dann wieder entspannen. Die Fußsohlen nach unten drücken, dabei die Wadenmuskeln anspannen, dann wieder entspannen. Die Zehen nach oben ziehen, dabei die Schienbeinmuskulatur anspannen und wieder locker lassen. Wissenschaftliche Studien zur Progressiven Muskelentspannung Bei meinen Recherchen über die Wirksamkeit der Progressiven Muskelentspannung bin ich auf eine Metastudie gestoßen, die Studien untersucht, die bis 1985 publiziert wurden (16, Seite 580ff). Die progressive Muskelentspannung ist laut dieser Metastudie die am besten untersuchte Entspannungsmethode und wird international am häufigsten angewendet. In der klinischen Praxis werden Entspannungsmethoden häufig nicht alleine angewendet, sondern sind Teil eines umfassenden Behandlungskonzeptes. Anwendungen dieser Art sind jedoch nicht für die Bewertung der Wirksamkeit der Entspannungsverfahren geeignet, weil der Anteil nicht vom gesamten Therapieeffekt getrennt werden kann. Daher wurden für diesen Ergebnisbericht nur solche Studien berücksichtigt, wo Entspannungsmethoden als eigenständiges Therapieverfahren untersucht wurden (16, Seite 580). Die Progressive Muskelentspannung wurde in 66 Studien mit insgesamt 3254 Patienten angewandt und auf ihre Wirkung untersucht. 17 Es wurden meist ambulante Einzeltherapien von kurzer Dauer (bis 10 Wochen) durchgeführt. Die Anwendungen erstreckten sich über einen vielfältigen Bereich von Störungen, vor allem Patienten mit Hypertonie, Kopfschmerzen und Schlafstörungen. Bei ungefähr drei Viertel der Patienten kam es während der Therapie zu einer Verbesserung der beschriebenen Symptome und bei etwa 60% kam es zusätzlich zu einer Verbesserung der allgemeinen Befindlichkeit. Als besonders gut gesichert gesehen werden kann die spezifische Wirksamkeit der Progressiven Muskelentspannung bei Angst und Spannungsgefühlen und bei verschiedenen körperlichen Beschwerden, die mit Anspannung und Schmerzen verbunden sind. Es ergaben sich auch relativ deutliche Hinweise darauf, dass Progressive Muskelentspannung bei unterschiedlichen Patienten unterschiedlich gut wirkt. Am besten gesichert ist der Einfluss des Alters, der Schweregrad der Störung und die Erfolgserwartung des Patienten. Patienten, die von Beginn an die Wirksamkeit der Progressiven Muskelentspannung glaubten, schnitten besser ab. Weniger gesicherte Konzentrationsfähigkeit Hinweise und gibt eine es geringe darauf, dass eine Beeinflussbarkeit geringe schlechte Indikationskriterien für eine Behandlung durch Progressive Muskelentspannung sein können. Fazit Insgesamt ist die Progressive Muskelentspannung als ein Therapieverfahren zu bewerten, dessen Anwendung in der klinischen Praxis empfohlen werden kann. Es ist relativ leicht erlernbar, Aufwand und Wirkung stehen in einem guten Verhältnis zu einander. In der klinischen Praxis kommt die Progressive Muskelentspannung jedoch nur selten zur alleinigen Anwendung sondern in Kombination einer umfassenden Behandlung. Beruhigende Maßnahmen zur Schmerzlinderung Als zweites Thema habe ich mir beruhigende Maßnahmen zur Schmerzlinderung angesehen. Hier einige Anwendungen, die dabei zum Einsatz kommen können: 18 Beruhigende Handstreichungen, beruhigende Fußstreichungen und atemstimulierende Einreibungen (ASE). Genauer möchte ich auf beruhigende Handstreichungen eingehen. Diese beruhigenden Maßnahmen haben ich deshalb gewählt, da es auch darum geht, ein Hilfsmittel bzw. Werkzeug für den Angehörigen bereit zu stellen, der oft ratund hilflos am Patientenbett sitzt. Berührungen haben etwas Tröstendes. Es soll für den Patienten das Wohlbefinden steigern, man nimmt sich für den Patienten Zeit. Die Angehörige möchten etwas tun, wollen nicht hilflos daneben stehen, es geht um körperliche Nähe, Zuwendung, darum Zeit miteinander zu verbringen und Gespräche zu führen, da zu sein für den Patienten. Die Anwendung ist einfach zu erlernen und mit wenig Aufwand jederzeit zu praktizieren. Streichungen an Händen oder Füßen sind eine besondere Art der Berührung, die mit einer rhythmischen Abfolge einhergeht. Streichungen werden auf trockener Haut angewandt, dadurch wird die Anwendung erleichtert (17, Seite 28f). Bei einer Streichung wird ein weiträumiges glattes Ausstreichen mit der flachen Hand durchgeführt. Es gelingt mit einfachen Methoden, auf einfache Art und Weise Wohlbefinden hervorzurufen. Vorbereitung 1-2 Esslöffel Pflanzenöl (z.B. Johanniskrautöl, Mandelöl oder Olivenöl) in eine Untertasse geben und mit 1- 2 Tropfen des gewünschten naturreinen ätherischen Öles (z.B. Lavendelöl oder Rosenöl) vermischen. Grundsätzlicher Ablauf Der Pflegende nimmt etwas Öl auf seine Hände und führt die nachfolgenden angeführten Übungen nacheinander an beiden Händen des Patienten aus, beginnend mit der rechten Hand. Beginn: Die pflegende Person beginnt mit der Integrationsstreichung. Dazu 19 umschließt sie mit beiden Händen das Handgelenk des Patienten und streicht in ruhigen Bewegungen vom Handgelenk ausgehend bis zum Ellbogen und wieder zurück. Nach oben hin sollte der Druck fester und nach unten sanfter sein (den Druck anpassen, wie es der Patient als angenehm empfindet). Dies wird drei mal wiederholt Handrücken: Danach nimmt die pflegende Person die Hand des Patienten mit der Handfläche nach unten und streicht den Handrücken mit dem Daumen herzförmig aus, dies wird mehrmals wiederholt. Finger: Beginnend mit dem Daumen des Patienten wird jeder Finger von der Fingerspitze ausgehend zum Fingergrundgelenk hin mit leichtem Druck ausgestrichen, dies wird dreimal wiederholt. Mit Daumen und Zeigefinger werden die Schwimmhäute der Finger des Patienten leicht nach außen gezogen, auch dies wird dreimal wiederholt. Handinnenfläche: Die pflegende Person führt zunächst wieder eine dreimalige Integrationsstreichung durch, dreht dann die Hand des Patienten um und führt mit dem Daumen insgesamt dreimal kreisende Bewegungen entlang der Handkante und an den Fingerballen durch. Anschließend den Handteller des Patienten mit dem Daumen dreimal herzförmig streichen. 20 Abschluss: Die pflegende Person nimmt die Hand des Patienten zwischen beide Hände und führt dreimal eine pumpende Bewegung aus. Mit dreimaliger Ausführung der oben angeführten Integrationsstreichung wird die Handstreichung abgeschlossen. Während der Streichung sollte die pflegende Person immer Körperkontakt halten, eine Hand bleibt immer an der Hand des Patienten. Ebenso sollte die pflegende Person sich während des gesamten Ablaufs z.B. durch Rückfragen immer wieder versichern, dass die Maßnahme vom Patienten als angenehm empfunden wird (18). Ich hoffe dass meine beiden beschriebenen Maßnahmen in der täglichen Routine Fuß fassen und zu einer Verbesserung des Wohlbefindens und einer Steigerung der Lebensqualität des Patienten beitragen können. Fazit Evidenzbasierte Studien zu Handstreichungen im Rahmen der Schmerztherapie wurden nicht gefunden. Die Anwendung ist ohne großen Aufwand zu bewerkstelligen, die Erfolgsbeurteilung richtet sich nach dem Feedback der Patienten. 21 Wickel und Auflagen (Eveline Buchgraber) In meinem Tätigkeitsbereich bin ich sehr oft mit Spannungs- und Druckschmerz im Bauchbereich, der meist aus einem multifaktoriellen Zusammenspiel der Grunderkrankungen entsteht, konfrontiert. Hierbei erhielt ich von Patienten sehr viele positive Rückmeldungen bei der Anwendung einer feucht-heißen Bauchauflage sodass es für mich ein wichtiges Thema für die Schmerzlinderung ist. Definition Wickel. Zirkuläres Anlegen eines oder mehrerer Tücher um den ganzen Körper (Ganzkörperwickel) oder einen Körperteil (Teilwickel); Das innerste Tuch besteht aus 4-6 Stofflagen und ist meist in einer Flüssigkeit getränkt oder bestrichen. Auflage, Kompresse oder Umschlag. Das Innentuch ist auf eine bestimmte Körperpartie begrenzt (z.B. Bauch, Brust oder Rücken). Auflagen, Umschläge oder Kompressen werden jedoch meist zirkulär mit einem Außentuch um den ganzen Körper oder einen Körperteil gewickelt. Des Weiteren wird zwischen Auflagen und Kompressen in Bezug auf deren Größe unterschieden: Auflagen bedecken etwas größere Flächen (z.B. Bauchauflage oder Nierenauflage), während Kompressen nur kleine Flächen bedecken (z.B. Augenkompressen, Ohrenkompressen oder Herzkompressen) (19). Ein Teil der Wirkung entsteht durch den physikalischen Effekt von Kälte oder Wärme der den Stoffwechsel der Haut beeinflussen. Hinzu kommt die spezielle Wirkung von Inhaltsstoffen aus Kräutern und Ölen. Zudem erhält die Person Zuwendung, Nähe und Zeit zur Ruhe zu kommen. Materialien Als Außentücher eignen sich Badetücher, welche sowohl im stationären als auch im privaten Bereich immer vorhanden sind. Für den zirkulären Leibwickel (bzw. Brustwickel) sollte das Außentuch auf eine Breite von ca. 40 cm zusammen gefaltet werden und mindestens die 1,5–fache Länge des Körperumfanges haben. Zu Hause kann man auch verfügbare breite Wollschals oder Wolltücher anwenden sofern keine Unverträglichkeit besteht. Ebenfalls dafür geeignet sind Bettdeckenbezüge aus Flanell. 22 Als Innentücher sollten nur Stoffe aus natürlichen pflanzlichen Fasern wie Baumwolle und Leinen eingesetzt werden. Stoffwindeln wären hierfür eine gute Möglichkeit, da sie sowohl im stationären Bereich aber auch meist im häuslichen Bereich vorzufinden sind. Im privaten Bereich könnte man auch Leintücher verwenden die dementsprechend zugeschnitten werden. Ideal für Auflagen im stationären Bereich sind Mullkompressen welche anschließend entsorgt werden können. Im heimischen Bereich wären alte Stofftaschentücher aber auch wie zuvor erwähnt zugeschnittene Tücher aus Bettlaken. Als Zwischentücher kann man Flanell-, Biberbettwäsche- oder Frotteestoffe verwenden, diese werden in der gleichen oder doppelten Größe angewendet. Einerseits werden sie für Dampfkompressen benötigt, aber auch um bei gewissen Anwendungen einer Verfärbung des Außentuches vorzubeugen. 1 bis 2 Thermophor können dazu verwendet werden um die Wärmeeinwirkung zu verstärken, zu verlängern oder zum Anwärmen bestimmter Auflagen (z.B. die Ölkompresse). Arbeitshandtücher oder Gerstenkorntücher eignen sich zum Auswringen der Innentücher bei feucht-heißen Anwendungen. Fettdichtes Butterpapier oder auch Alufolie wird beim Anwärmen von einigen Auflagen (z.B. Ölauflage, Bienenwachskompresse) zwischen 2 Thermophoren verwendet. Im stationären Bereich stehen zur Befestigung von Teilwickel an Armen, Beinen und dem Kopf elastische Binden und Pflaster zur Verfügung, im häuslichen Bereich falls vorhanden ausrangierte elastische Binden, gestrickte Schals oder Pullover, Mützen, Stirnbänder usw. Grundsätzliches zur Durchführung Die Anwendung von Wickeln und Auflagen sollte immer zuvor mit dem Arzt abgesprochen und dokumentiert werden. Die Patienten müssen über die Anwendung in Kenntnis gesetzt werden, bzgl. Allergien und Unverträglichkeiten befragt und anschließend deren Einverständnis eingeholt werden. Förderlich ist eine 23 optimale Tageszeit zu wählen damit anschließend genügend Zeit für Nachruhe bleibt. Lüften sie zuvor den betreffenden Raum, sorgen sie aber auch anschließend für eine angenehme Zimmertemperatur. Das Vorwärmen von Bett oder Wickeltücher wäre eine weitere Möglichkeit, ein angenehmes Umfeld zu schaffen. Das Anlegen einer Anwendung sollte mit Ruhe aber doch zügig durchgeführt werden. Sie sollte so lange erfolgen, wie es vom einzelnen Patienten als angenehm empfunden wird. Bei Auftreten von Missempfindungen und Schmerzen jedoch sollte die Anwendung sofort abgebrochen werden. Unmittelbar nach dem Entfernen soll der Bereich gut abgetrocknet und warm Flüssigkeitssubstitution eingehüllt sollte werden. geachtet Auf werden. eine entsprechende Wünschenswert ist eine Nachruhezeit von mindestens 15 Minuten. Gliederung in Gruppen Heiße Wickel und Auflagen (intensive Wärmeanwendungen) Beispiele: Feucht-heiße Bauchauflage, feucht-heißer Gelenkwickel, feuchtheiße Brustauflage, Dampfkompresse. Temperierte Wickel und Auflagen (milde Wärmeanwendungen) Beispiele: Ölkompresse, Körperwarme Quarkauflage, Bienenwachskompresse, Kompressen mit Salben und Pasten Kälteanwendungen Beispiele: Quarkauflage, Wadenwickel, Kalte Wickel nach Kneipp, Prießnitz-Halswickel, Eisanwendungen (z.B. Gelkissen). Sonstige Wickel und Auflagen Beispiele: Kirschkernsäckchen (trockene Wärme), Kräutersäckchen und kissen. Da ich nachfolgend Wärmeanwendungen eine Anwendung erläutere sind hier aus die der Gruppe der intensiven allgemeinen Indikationen und Kontraindikation für diesen Bereich angeführt. Indikationen für intensive Wärmeanwendungen sind Verspannungen, Schmerzen an deren Lokalisation eher ein Kältegefühl überwiegt und sich Wärme angenehm und lindernd anfühlt. 24 Kontraindikationen für intensive Wärmeanwendungen sind akute Entzündungen, Verdacht auf innere Blutungen, Durchblutungsstörungen, ausgeprägte Krampfadern Bewusstseinseintrübung, und arterielle Lähmungen und Sensibilitätsstörungen und Kreislaufinstabilität, frische traumatische Geschehen, Kinder und Säuglinge. Feucht-heiße Bauchauflage Indikation: Bauchschmerzen Blasenentzündung, Gallenkolik, durch Blähungen Menstruationskrämpfe, und Verkrampfungen, Verstopfung, Unruhe, Nervosität, Schlafstörungen (20). Materialien vorbereiten Als Außentuch ein Frotteebadetuch auf Unterleibsbreite zusammenfalten Als Innentuch eine Mullwindel mindestens 4-6 lagig auf die gewünschte Größe falten und zusammenrollen Ein Geschirr- oder Arbeitshandtuch das als Wringtuch verwendet wird auflegen, das zusammengerollte Innentuch darin einwickeln Zwischentuch (z.B. Frotteehandtuch), Schüssel, Krug mit 1 Liter kochend heißem Wasser Thermophor flach gefüllt eventuell Haushaltshandschuhe Durchführung Das Außentuch in Bauchhöhe ins Bett geben sodass sich die Person anschließend mit dem Rücken darauf legen kann und eine für sich bequeme Lage einnimmt, eventuell einen kleinen Polster unter die Knie legen. Das vorbereitete Wringtuch in die Schüssel legen, die beiden Enden über den Schüsselrand geben, 1 Liter heißes Wasser über das eingewickelte Innentuch gießen, Haushaltshandschuhe bieten hierbei einen Schutz vor einer Verbrühung. Anschließend die im Wringtuch befindliche Rolle bestmöglich auswringen; hierbei kann man sich auch gut die Umgebung zu Nutze machen in dem man das Tuch um einen Haltegriff oder Wasserhahn wickelt (Zubereitung sollte in Küche oder Arbeitsraum erfolgen, anschließend Haushaltshandschuhe wieder ausziehen). 25 Eingewickelte Innentuch-Rolle zum Bett bringen und herausnehmen; anschließend die Temperatur an der Handgelenksinnenseite kontrollieren. Fühlt sich diese verträglich an, legen sie zuerst einen Teil des Innentuches auf den Bauch und erfragen die Verträglichkeit bei der behandelten Person. Ist diese nicht gegeben entfernen sie das Innentuch und falten es wie ein Buch, wiederholen sie den Vorgang nach kurzer Zeit wieder. Hat das Innentuch die passende Temperatur kann es vollständig auf den Bauch aufgelegt werden. Nun flinkes Anlegen des Zwischentuches (es soll mindestens 2,5 cm über den oberen und unteren Rand des Innentuches reichen) und beiderseits zur Mitte hin das Außentuch einschlagen. Der Thermophor wird nun auf das Außentuch gelegt (es verlängert die Wärmewirkung), die Person wird gut zugedeckt wenn es als angenehm empfunden wird. Den Thermophor niemals direkt auf das Innentuch geben da es lokal Brandblasen verursachen kann. Falls die Wärmeflasche als zu schwer empfunden wird, lassen sie diese weg. Im stationären Bereich Rufglocke in Reichweite bringen, die Person informieren das der Wickel entfernt werden sollte wenn er nicht mehr als angenehm empfunden wird. Es genügt ein durch das Innentuch erzeugter Wärmereiz von 5-15 Minuten. Wickel entfernen, gleich abtrocknen und die Person wieder einhüllen und bedecken (trockenes Außentuch kann bleiben) und mindestens 15 Minuten nachruhen lassen. Anwendungsdauer Die Anwendung kann 1-mal täglich für mehrere Tage stattfinden. 26 Fazit Es gibt keine evidenzbasierten Studien über Wickel und Auflagen die den klinischen Nutzen hinsichtlich Schmerzlinderung belegen. Aus eigener Erfahrung geben jedoch viele Patienten eine sehr positive Rückmeldung nach Anwendung von Wickel oder Auflagen. Des weiteren ist die Methode einfach anzuwenden und kostengünstig. 27 Literaturverzeichnis 1) Van den Beuken-van Everdingen MHJ, De Rijke JM, Kessels AG et al. Prevalence of pain in patients with cancer: a systematic review of the past 40 years. Ann Oncol 2007; 18: 1437–1449 2) Frankish H. 15 million new cancer cases per year by 2020, says WHO. Lancet 2003; 361: 1278 3) Van Herk R, van Dijk M, Baar FPM et al. Observational scales for pain assessment in older adults with cognitive impairments or communication difficulties. Nurs Res 2007; 56(1): 34–43 4) World Health Organization. Cancer Pain Relief. 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Eigenverlag, ohne Ortsangabe, 2010. (Mlineritsch 2001) 15) Buess-Kovács, Heike und Kaltenthaler, Birgit: Chronische Schmerzen natürlich behandeln. Schlütersche Verlagsgesellschaft, Hannover, 2013. 16) Grawe K., Donati R., Bernauer F.: Psychotherapie im Wandel. Von der Konfession zur Profession. Hogrefe, Göttingen, 1994. 17) Deutsch, Evelyn und Buchmayr, Bärbel und Eberle, Marlene: Aromapflege Handbuch: Leitfaden für den Einsatz ätherischer Öle in Gesundheits-, Krankenflegeund Sozialberufen. Verlag Aromapflege, ohne Ortsangabe, 2013. 18) Waldner, Vortragsunterlage. Alexandra: Abgerufen Phyto-Aromapflege aus dem Internet in am der 21. Sterbebegleitung. 2. http://www.ahop.at/images/intern/KMT_3_Aromapflege_Waldner.pdf. 29 2016 unter 19) Annegret Sonn, Brigitte Best, Ute Baumgärtner. Wickel und Auflagen. Georg Thieme Verlag, 2. Auflage, 2004 20) Annegret Sonn. Wickel und Auflagen. Georg Thieme Verlag. 1998 30 Epilog Wir haben dieses Thema bearbeitet, da unsere berufliche Aufmerksamkeit der Betreuung von Menschen mit onkologischen Erkrankungen gilt. In Ausübung unserer Tätigkeiten werden wir häufig mit dem Symptom „Schmerz“ konfrontiert. Durch das kontinuierliche Fortschreiten der Entwicklung medikamentöser Schmerztherapien sind Mediziner in der Lage, sehr individuelle Betreuungskonzepte zu erstellen. Auch spezifische pflegerische Therapieformen werden immer häufiger als Ergänzung in die Schmerzbehandlung integriert. Die Erfahrungen zeigen, dass bevorzugt die Summe aus alldem von Patienten als sehr willkommen angenommen wird. Mit diesem Hintergrund erweist es sich durchaus vorteilhaft, dass sich im Verfassen dieser Projektarbeit drei diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegepersonen und ein klinischer Onkologe verantwortlich zeigen. Für beide Professionen ist diese Niederschrift das Ergebnis gemeinsamer Recherchen, Besprechungen, Erfahrungsaustausch, gegenseitiger Wertschätzung und Toleranz. Die in dieser Arbeit enthaltenen pflegerischen Ergebnisinhalte spiegeln die in der Praxis am häufigsten verwendeten Pflegemaßnahmen wieder. Die Erkenntnis, dass zu diesem Thema in der professionellen Pflege kaum wissenschaftlich fundierte Veröffentlichungen vorliegen, haben zum Einen die Recherchen erschwert, zum Anderen kann/soll sie aber auch als Ansporn für künftige Studien gesehen werden. Dennoch hat sich erwiesen, dass „alte Hausmittel“ – in modernisierter Form – durchaus ihren Platz in der Schmerzbehandlung Platz finden und auch angewendet werden. Aus der Summe der Erkenntnisse und Erfahrungen lässt sich schließen, dass ein Konglomerat aus wissenschaftlich fundierten medizinischen Maßnahmen, professionellen pflegerischen Therapien und das Miteinbeziehen alter Hausmittel sich in der Behandlung von Schmerzpatienten als durchaus sinnvoll erweisen können. Frau Dr. Petra Wagner herzlichen Dank für die Projektbegleitung. 31