B.3 Klassische Freiheitsgrade B.3.1 Geschwindigkeitsverteilung

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Prof. Dr. H.-H. Kohler, WS 2004/05
PC1 Kapitel B.3 - Klassische Freiheitsgrade
B.3
Klassische Freiheitsgrade
B.3.1
Geschwindigkeitsverteilung (Maxwell-Botzmann-Verteilung)
B.3-1
Die Maxwell-Boltzmann-Geschwindigkeitsverteilung beschreibt die bei einer
Temperatur T im Gleichgewicht vorliegende Wahrscheinlichkeitsverteilung des
Betrags v der Geschwindigkeit eines Teilchens, wobei v gegeben ist durch
v x2
v
v y2
v z2
v x , v y und v z sind die Geschwindigkeitskomponenten in den drei Raumrichtungen. Die Maxwell-Boltzmann-Geschwindigkeitsverteilung gilt für jede klassisch
beschreibbare 3-dimensionale Bewegung eines Teilchens (also nicht nur für
Translationsbewegungen im idealen Gas).
Die differentielle Wahrscheinlichkeit dP(v ) , ein Teilchen im Geschwindigkeitsintervall ( v,v dv ) anzutreffen, ist angebbar durch
(1a)
dP(v )
w (v ) dv
Dabei ist w (v ) die Wahrscheinlichkeitsdichte1.
Für w (v ) gilt nach Maxwell-Boltzmann im Gleichgewicht (ohne Ableitung)
(1b)
w (v )
mo
2 kT
3
2
4 v2 e
mo v 2
2 kT
Dabei ist m o die Teilchenmasse. Der von v unabhängige Vorfaktor folgt aus der
(für Wahrscheinlichkeiten verbindlichen) "Normierungsbedingung", wonach die
Summe der Wahrscheinlichkeiten aller Elementarereignisse2 Eins sein muss:
v
(1c)
v
d P (v )
v 0
w(v)d v
1
v 0
Die prinzipielle Abhängigkeit der Wahrscheinlichkeitsdichte von v wird deutlicher,
wenn man Gl.(1b) mit den Konstanten A und B umschreibt in
(1d)
w (v )
Av2 e
Bv 2
1
Die Wahrscheinlichkeit ist eine dimensionslose Größe, d. h. eine reine Zahl. Dagegen ist die
Wahrscheinlichkeitsdichte im Allgemeinen dimensionsbehaftet, im vorliegenden Fall ist sie eine reziproke Geschwindigkeit.
2
Eine Menge von Elementarereignissen ist dadurch gekennzeichnet, dass bei jedem Versuch
(jeder Messung) genau eines von ihnen eintritt (womit sich die Ereignisse untereinander ausschließen). Im vorliegenden Zusammenhang besteht ein Elementarereignis darin, dass ein
Teilchen in einem der (dicht liegenden) Geschwindigkeitsintervalle ( v,v dv ) angetroffen wird.
Die Wahrscheinlichkeit eines solchen Ereignisses ist d P(v ) . Die Summe d P(v ) ist das Integral auf der linken Seite der Gl.(1c).
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B.3-2
Bei kleinem v dominiert der quadratische Faktor, bei großem v die abfallende
Exponentialfunktion. Daraus ergibt sich ein glockenförmiger Verlauf von w als
Funktion von v. Die Abhängigkeit von T wird deutlich, wenn man w (v ) nach
Gl.(1b) mit den neuen Konstanten a und b darstellt in der Form:
(1e)
a v2 e
3/2
w (v )
bv 2
T
T
Angesichts der Temperaturabhängigkeit des Faktors vor v 2 steigt w (v ) mit zunehmender Temperatur bei kleinem v langsamer an, angesichts der Temperaturabhängigkeit des Exponenten des Exponentialausdrucks fällt es bei großen v
aber auch langsamer ab. Das wird durch die nachfolgende graphische Darstellung illustriert, in der w (v ) für zwei um den Faktor 10 auseinander liegende Temperaturen dargestellt ist (der genaue Wert von m o ist hier unwichtig):
w(v)
T = 100 K
v2
w (v ) d v =
v1
T = 1000 K
Wahrscheinlichkeit, dass v
(bei 1000 K) zwischen v1
und v 2 liegt.
v
v1
v2
Aus der Darstellung ergibt sich der (später für das Verständnis der Entropie
wichtige) Schluss:
Die Breite der Gleichgewichtsgeschwindigkeitsverteilung nimmt mit zunehmender Temperatur zu.
Aus Gl.(1b) ergeben sich die Mittelwerte (Erwartungswerte, s. Abschnitt B.2.4):
(2a)
v
v w (v )d v
0
(2b)
v2
8kT
mo
v 2 w (v )d v
0
1,60 kT
mo
3kT
mo
1,73 kT
mo
"mittlere Geschwindigkeit"
(mittlerer Geschwindigkeitsbetrag)
"mittlere quadratische
Geschwindigkeit"
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B.3-3
Zum Vergleich gilt für die Schallgeschwindigkeit in einem Gas aus zweiatomigen
Teilchen:
(2c)
1,4 kT
mo
vSchall
1,18 kT
mo
345 m s
Luft, 25°C, mit M
1
N L mo
29 g mol
Nach Gl.(2b) ergibt sich für die mittlere kinetische Energie der Translation eines
Teilchens
kin
1 m v2
1 m v2
3 kT
ETransl
(2d)
2 o
2 o
2
Dies deckt sich mit Gl.(B.2-9a), wenn man bedenkt, dass wegen der Gleichwertigkeit der 3 Raumrichtungen v x2
v y2
v z2 und somit
v2
B.3.2
v x2
v y2
v z2
3 v x2
Gleichverteilungssatz
Unter einem Freiheitsgrad (FG) eines Systems versteht man eine eindimensionale Bewegungsmöglichkeit der Teilchen des Systems (wobei diese Bewegungsmöglichkeit einem Satz unabhängig voneinander existierender Bewegungsmöglichkeiten angehört).
Für jeden klassischen FG gilt im thermodynamischen Gleichgewicht, unabhängig vom Aggregatzustand (gasförmig, flüssig, fest) und unabhängig davon, ob es
sich um einen FG der Translation, Rotation, Schwingung oder dergl. handelt, in
Verallgemeinerung von Gl.(B.2-9a) und Gl.(2d)
kin
E FG
(3)
kin
E FG
1 kT
2
= mittlere kinetische Energie der Bewegung in einem FG
Erläuterung:
Aus quantentheoretischer Sicht liegt ein klassischer FG vor, wenn sich die
betreffende Bewegung über viele Quantenzustände erstreckt (d.h. voll angeregt
ist). Dies ist umso eher gegeben,
je größer die in diesem FG bewegte Masse ist
je größer die in diesem FG gegebene Bewegungsfreiheit ist (im Sinne eines für die Bewegung effektiv zur Verfügung stehenden Längenintervalls)
je höher die Temperatur ist (vergl. Gl.(3)).
z.B. ideales Gas:
unter Umgebungsbedingungen gibt es i.A.
voll angeregte FGe der Translation
und Molekülrotation. FGe der Molekülschwingung (kleine Bewegungsfreiheit) und
der Elektronenbewegung (kleine Masse) sind i.A. nicht angeregt. Diese eingefrorenen FGe liefern einen konstanten (d.h. temperaturunabhängigen) Beitrag eo
zur Teilchenenergie.
1
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speziell:
einatomiges Gas:
3 (Translation), mit Gl.(3):
E0
(4a)
"Innere Energie" U
eo
3
1
kT
2
E0 = mittlere
Teilchenenergie
N E0 ; Wärmekapazität CV
CV
(4b)
B.3-4
zweiatomiges Gas:
3 Nk
2
3
2
dU dT (N = const):
3 nR
2
5 (3 FGe der Translation, 2 FGe der Mole-
külrotation)
Schwingung längs Bindungsachse
hart: (geringe Bewegungsfreiheit,
nicht angeregt)
(5a)
E0
eo
(5b)
CV
5 Nk
2
5 1 kT
2
5 nR
2
Ein Anwendungsbeispiel findet sich in
Anhang 2, Beispiel B3
Kommentare:
Molekülfreiheitsgrade ergeben sich, wenn die Atome des Moleküls als
Punktmassen betrachtet werden. Bei NM Atomen im Molekül ergeben sich
3NM Molekülfreiheitsgrade. Bei NM 2 und einem linear gebauten Gasmolekül kann man sie wie folgt aufteilen (Zahlen in Klammern für nicht linear gebautes Molekül):
3
FGe der Translation
2(3)
FGe der Rotation
3NM - 5(6) FGe der Schwingung
Elektronische Freiheitsgrade: Wegen der kleinen Masse des Elektrons sind
elektronische Freiheitsgrade bei Umgebungsbedingungen in der Regel eingefroren (siehe Atom- bzw. Molekülmodelle).
Merke: Beim idealen Gas gegebener Zusammensetzung (Teilchenzahlen N i )
hängen die mittleren Teilchenenergien E0i und damit auch die innere EnerNi E0i nur von der Temperatur ab:
gie U
i
(5c)
U
U (T )
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