Fachbereich Erziehungswissenschaft und Psychologie Diplomstudiengang Psychologie Diplomarbeit Wie integrieren Berufstätige buddhistische Praxis in den Arbeitsalltag? Eine explorative Interviewstudie mit Personen in Führungsverantwortung und ohne Führungsverantwortung. von Joachim Wetzky Danica Wetzky Erstgutachter: Prof. Dr. Peter Schmuck Zweitgutachter: Prof. Dr. Morus Markard Berlin, den 10. 09. 2010 Eidesstattliche Erklärung Ich erkläre an Eides Statt, dass ich diese Diplomarbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen nicht benutzt und die den benutzten Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe. Mir ist bekannt: Bei Verwendung von Inhalten aus dem Internet habe ich diese zu kennzeichnen und mit dem Datum sowie der Internet-Adresse (URL) ins Literaturverzeichnis aufzunehmen. Diese Arbeit hat keiner anderen Prüfungsbehörde vorgelegen. Ich bin mit der Einsichtnahme in der Bibliothek und auszugsweiser Kopie einverstanden. Alle übrigen Rechte behalte ich mir vor. Zitate sind nur mit vollständigen bibliographischen Angaben und dem Vermerk „unveröffentlichtes Manuskript einer Diplomarbeit“ zulässig. Joachim Wetzky Danica Wetzky Berlin, den 10.09.2010 Berlin, den 10.09.2010 2 Danksagung Zunächst gilt unser ganz besonderer Dank Prof. Dr. Peter Schmuck für seine Betreuung unserer Arbeit. Auch Guido Fiolka und Ursula Wagner möchten wir danken für die vielen unersetzlichen Einblicke in das integrale Führungsgeschehen. Mögen alle Wesen Glück erfahren und die Wurzeln des Glücks. 3 Inhaltsverzeichnis 0 Vorwort: Fragen an den Dalai Lama und Guido Fiolka....................................................9 1 Einleitung..............................................................................................................................14 1.1 Autorenangabe................................................................................................................16 2 Der Integrale Ansatz - gesellschaftliche Einbettung des Themas....................................17 2.1 Geschichte der Integralen Theorie......................................................................................18 2.2 Prämoderne, Moderne & Postmoderne...............................................................................19 2.2.1 Die Prämoderne........................................................................................................................19 2.2.2 Die Moderne.............................................................................................................................22 2.2.3 Die Postmoderne.......................................................................................................................23 2.3 Die Post-Postmoderne.........................................................................................................24 2.3.1 Holons und Quadranten............................................................................................................24 2.3.2 Ebenen und Linien....................................................................................................................27 2.3.3 Spiral Dynamics.......................................................................................................................30 2.3.3.1 Die Bedeutung der einzelnen Stufen.....................................................................................32 2.4 Die Bedeutung der Religionen............................................................................................35 2.5 Integraler Buddhismus........................................................................................................37 2.6 Kritik am Integralen Ansatz................................................................................................39 3 Theorieteil.............................................................................................................................40 3.1 Die historische Person Buddha...........................................................................................40 3.2 Geschichte Buddhismus......................................................................................................42 3.2.1 Die Post-Buddha-Ära...............................................................................................................42 3.2.2 Theravada-Buddhismus............................................................................................................43 3.2.3 Mahayana-Buddhismus............................................................................................................45 3.3 Buddhistische Konzepte......................................................................................................46 3.3.1 Die vier edlen Wahrheiten........................................................................................................46 3.3.2 Der achtfache Pfad....................................................................................................................49 3.3.3 Achtsamkeit..............................................................................................................................50 3.3.4 Die sechs Paramitas..................................................................................................................52 3.3.5 Das Nicht-Selbst.......................................................................................................................53 3.4 Westlicher Buddhismus.......................................................................................................54 3.4.1 Meditation und Achtsamkeit.....................................................................................................55 3.4.2 Das MBSR-Programm..............................................................................................................56 3.4.3 Entheiligung der Achtsamkeit..................................................................................................59 3.4.4 Kritische Überlegungen zu buddhistischer Praxis....................................................................60 4 3.4.4.1 Kritische Gedanken über einen Westlichen Buddhismus......................................................61 3.5 Der Berufsalltag im 21. Jahrhundert...................................................................................62 3.5.1 Allgemeine Belastungen im Berufsalltag.................................................................................63 3.5.2 Belastungsfolgen......................................................................................................................64 3.5.3 Belastungsbewältigung im Berufsalltag...................................................................................65 3.5.3.1 Integral-buddhistische Belastungsbewältigung.....................................................................67 3.6 Neue Führungsansätze........................................................................................................68 3.6.1 Führungsansätze.......................................................................................................................69 3.6.1.1 Die Transaktionale- und die Transformations-Führerschaft..................................................70 3.6.1.2 Der konventionelle und der postkonventionelle Leader........................................................71 3.6.2 Ziele und Werte.........................................................................................................................73 3.6.2.1 Sinnhaftigkeit.........................................................................................................................73 3.6.2.2 Visionen.................................................................................................................................74 3.6.3 Kritische Bemerkungen............................................................................................................75 3.7 Die Fragestellung................................................................................................................75 4 Qualitative Explorationsstudie von Joachim Wetzky: Methodisches Vorgehen............77 4.1 Forschungsansatz.........................................................................................................................77 4.2 Begründung der Methodenwahl..................................................................................................77 4.3 Datenerhebung: Das problemzentrierte Interview.......................................................................78 4.4 Datenauswertung nach der „Grounded Theory“.........................................................................79 4.5 Gütekriterien qualitativer Forschung...........................................................................................82 4.6 Auswahl der Interviewpartner......................................................................................................83 4.7 Reflektionen zum Forschungsprozess.........................................................................................84 4.7.1 Datenauswertung......................................................................................................................84 4.7.2 Persönliche Reflektion..............................................................................................................85 5 Ergebnisdarstellung: Joachim Wetzky...............................................................................86 5.1 Vorstellung der Interviewpartner.................................................................................................86 5.2 Das Kategorienschema................................................................................................................94 5.3 Übersicht der Achsenkategorien..................................................................................................95 5.4 Ergebnisdarstellung nach Kategorien.................................................................................97 5.4.1 Achsenkategorie „Vorausgehende Bedingungen: Zufluchtnahme“.................................97 5.4.1.1 „Spirituelle Grundwerte“ (in-vivo-Kategorie; Me, 45ff)......................................................97 5.4.1.2 Weisheit...............................................................................................................................100 5.4.1.3 Hingabe und Vertrauen........................................................................................................101 5.4.1.4 Zufluchtnahme.....................................................................................................................104 5.4.2 Achsenkategorie „Handlungsstrategien“........................................................................106 5.4.2.1 Akzeptanz und Offenheit.....................................................................................................106 5.4.2.2 „Spiegelung des eigenen Musters“ (in-vivo-Kategorie, La, 66).........................................108 5.4.2.3 Ethisch handeln....................................................................................................................110 5 5.4.2.4 Buddhistische Techniken anwenden....................................................................................113 5.4.3 Achsenkategorie „Intervenierende Variablen“...............................................................118 5.4.3.1 Innere Suche........................................................................................................................118 5.4.3.2 Äußere Umstände................................................................................................................120 5.4.3.3 Erfahrung der buddhistische Praxis.....................................................................................122 5.4.4 Achsenkategorie „Effekte“.............................................................................................125 5.4.4.1 Herz öffnen..........................................................................................................................125 5.4.4.2 Innere Stärken......................................................................................................................126 5.4.4.3 Sinnhaftigkeit und Selbstreflexion......................................................................................129 6 Diskussion: Joachim Wetzky.............................................................................................133 6.1. Achsenkategorie „Vorausgehende Bedingungen: Zufluchtnahme“.................................133 6.1.1 „Spirituelle Grundwerte“........................................................................................................133 6.1.2 Weisheit..................................................................................................................................137 6.1.3 Hingabe und Vertrauen...........................................................................................................138 6.1.4 Zufluchtnahme........................................................................................................................139 6.2 Achsenkategorie „Handlungs- und interaktionale Strategien“..........................................140 6.2.1 Akzeptanz & Offenheit...........................................................................................................140 6.2.2 „Spiegelung des eigenen Musters“ (in-vivo-Kategorie, La, 66)............................................141 6.2.3 Ethisch handeln.......................................................................................................................144 6.2.4 Buddhistische Techniken anwenden.......................................................................................145 6.3 Intervenierende Variablen.................................................................................................146 6.3.1 Innere Suche...........................................................................................................................147 6.3.2 Äußere Umstände...................................................................................................................148 6.3.3 Erfahrung der buddhistischen Praxis......................................................................................149 6.3.3.1 Stufen des Integralen Buddhismus......................................................................................150 6.4 Effekte...............................................................................................................................152 6.4.1 Herz öffnen.............................................................................................................................152 6.4.2 Innere Stärken.........................................................................................................................153 6.4.3 Sinnhaftigkeit und Selbstreflexion.........................................................................................155 6.5 Zentrale Kategorie „In Verbindung gehen“.............................................................................157 7 Abschließende Gedanken: Joachim Wetzky....................................................................162 8 Zusammenfassung: Joachim Wetzky...............................................................................164 9 Qualitative Explorationsstudie von Danica Wetzky: Methodisches Vorgehen............166 9.1 Forschungsansatz.......................................................................................................................166 9.2 Begründung der Methodenwahl................................................................................................166 9.3 Datenerhebung: Das problemzentrierte Interview.....................................................................166 9.4 Datenauswertung nach der Grounded Theory...........................................................................168 9.5 Gütekriterien qualitativer Forschung.........................................................................................171 6 9.6 Feldzugang und Auswahl der Interviewteilnehmer...................................................................172 10 Ergebnisdarstellung: Danica Wetzky.............................................................................173 10.1 Vorstellung der Interviewpartner.............................................................................................173 10.2 Das Kategorienschema............................................................................................................181 10.3 Übersicht der Achsenkategorien..............................................................................................180 10.4 Achsenkategorie „Vorausgehende Bedingungen“................................................................184 10.4.1 „Bereitschaft nach innen zu kucken“ (in-vivo-Kategorie, Ha, 505).....................................184 10.4.2 Integration eigener Werte ....................................................................................................188 10.4.3 „Überpersönliche Einstellung“ (in-vivo-Kategorie, Ha, 562)..............................................194 10.5 Achsenkategorie „Handlungs- und interaktionale Strategien“........................................197 10.5.1 Reflektiertes Handeln...........................................................................................................197 10.5.2 „Das gemeinsame Sein“ (in-vivo-Kategorie, Ma, 776)........................................................207 10.5.3 Achtsame und empathische Führung....................................................................................209 10.6 Achsenkategorie „Intervenierende Variablen“......................................................................212 10.6.1 Buddhistische Praxis.............................................................................................................212 10.6.2 Dringlichkeit des Wandels....................................................................................................218 10.6 Achsenkategorie „Effekte“..............................................................................................223 10.6.1 „Persönliche Integrität“ (in-vivo-Kategorie, Al, 493)..........................................................223 10.6.2 „Radikale Eigenverantwortung“ (in-vivo-Kategorie, Ha, 517)............................................229 10.6.3 Potentiale erkennen und fördern...........................................................................................233 10.6.4 Orientierung geben ..............................................................................................................235 11 Diskussion: Danica Wetzky.............................................................................................239 11.1 Achsenkategorie „Vorausgehende Bedingungen“...........................................................239 11.1.1 „Bereitschaft nach innen zu kucken“ (in-vivo-Kategorie, Ha, 505).....................................239 11.1.2 Integration eigener Werte......................................................................................................241 11.1.3 „Überpersönliche Einstellung“ (in-vivo-Kategorie, Ha, 562)..............................................244 11.2 Achsenkategorie „Handlungs- und interaktionale Strategien“........................................246 11.2.1 Reflektiertes Handeln...........................................................................................................246 11.2.2 „Das gemeinsame Sein“ (in-vivo-Kategorie, Ma, 776)........................................................248 11.2.3 Achtsame und empathische Führung....................................................................................250 11.3 Achsenkategorie „Intervenierende Variablen“................................................................251 11.3.1 Buddhistische Praxis.............................................................................................................251 11.3.2 Dringlichkeit des Wandels....................................................................................................252 11.4 Achsenkategorie „Effekte“..............................................................................................255 11.4.1 „Persönliche Integrität“ (in-vivo-Kategorie, Al, 493)..........................................................255 11.4.2 „Radikale Eigenverantwortung“ (in-vivo-Kategorie, Ha, 517)............................................257 11.4.3 Potentiale erkennen und fördern...........................................................................................258 11.4.4 Orientierung geben...............................................................................................................261 7 11.5 Zentrale Kategorie „ Ganzheitliche Perspektive “..........................................................262 12 Abschließende Gedanken: Danica Wetzky....................................................................267 13 Zusammenfassung: Danica Wetzky................................................................................269 14 Literaturliste.....................................................................................................................271 15 Anhang..............................................................................................................................294 8 0 Vorwort Es war für uns eine glückliche Gelegenheit, dem Friedensnobelpreisträger und geistlichem Oberhaupt der Tibeter, dem Dalai Lama, anlässlich einer viertägigen Vortragsreihe in Deutschland, eine Frage zukommen zu lassen, die für unsere Diplomarbeit hohen Stellenwert besaß. Unsere Frage an den Dalai Lama, die von Sabine Thielow, der Vorsitzenden der Deutschen Buddhistischen Union, an seine Heiligkeit überreicht wurde, lautete: „Wie lassen sich buddhistische Praktiken in den Berufsalltag übertragen?“ S.H. Dalai Lama: „Bei der buddhistischen Praxis geht es einerseits vor allem darum positive Emotionen zu entwickeln, wie liebevolle Zuneigung, oder Anteilnahme gegenüber den Anderen, Mitgefühl mit den Anderen, eine positive Haltung und Emotionen zu entwickeln und eher negative, destruktive Emotionen zu verringern wie Hass, Feindseligkeit, Neid und Missgunst, Arroganz, etc. und diese zumindest zu reduzieren wenn nicht sogar ganz zu überwinden, was das letztliche Ziel ist. Es geht also darum, auch im täglichen Leben die Praktiken anzuwenden mit denen wir diese positiven Emotionen stärken und die negativen reduzieren können. Ein anderer Punkt der Praxis bezieht sich auf die Sichtweise der Realität. Und da hilft es sehr, wenn wir immer wieder diese Sicht des Abhängigen Entstehens uns vor Augen führen. Dinge 9 die gut oder schlecht sind, existieren auf relative Art und Weise, nicht aus sich selbst oder absolut. Es ist auch gut, wenn wir die Kausalität bedenken, dass alle Ereignisse von vielen Ursachen und Umständen abhängig sind. Dadurch können wir eine mehr ganzheitliche Sicht der Realität entwickeln und das hilft uns ganz immens auch im Berufsalltag. Die Religionen haben verschiedenen Ansätze um eine ganzheitliche Sicht zu entwickeln. Die theistischen Religionen glauben an einen Schöpfergott, der die Welt geschaffen, der den Menschen aber auch gleichzeitig einen freien Willen gegeben hat, das so auch eine größere Verantwortung für den Menschen selbst entsteht. Die Buddhisten glauben nicht an einen Schöpfergott, sondern erklären, dass die Welt aus vielfältigen Ursachen und Umständen entstanden ist. Das heißt, man hat die Verantwortung für die entsprechenden Ursachen und Umstände für eine positive Entwicklung selbst zu setzen. Das sind verschiedene Konzepte, die aber eine starke praktische Relevanz haben.“ --- 10 Auch sind wir sehr dankbar dafür, dass wir im Rahmen eines Volontariats im Coaching Center Berlin, dem Geschäftsführer Guido Fiolka eine Frage zu diesem Thema stellen konnten. Dipl.-Ing. Guido Fiolka ist Consultant für Managemententwicklungsprojekte mit langjähriger Führungserfahrung. Er ist zudem Begründer und Geschäftsführer der ELA European Leadership Academy, die Programme zur Entwicklung von Führungsfähigkeiten und der Führungspersönlichkeit durchführt. Im Führungsansatz der Akademie vereinen sich dabei praktische Führungserfahrungen mit Erkenntnissen aus Wissenschaft und Weisheitstraditionen. Unsere Frage lautete: „Wie passen Buddhismus und Leadership zusammen?“ Guido Fiolka: „Für die Beantwortung dieser Frage kann es hilfreich sein, zu betrachten, was Führung dem Wesen nach ist. Wir lehren das an unserer Leadership Academy so: Führung ist ein systemisches Phänomen, das bei einzelnen Menschen und in Gruppen auftritt. Es ist gekennzeichnet dadurch, dass Menschen einer Sache aus eigener Überzeugung folgen, indem sie kontinuierlich ihre Ressourcen dafür einsetzen. Mit der Sache sind Ziele verbunden, die von den Beteiligten als sinnvoll, d.h. ihren Werten entsprechend und außerdem als anspruchsvoll, lohnend und machbar angesehen werden. Führen als Funktion und Rolle (Leadership) heißt, sich dieser Sache zur Verfügung zu stellen und dafür Führung in einer Gruppe/Organisation zu bewerkstelligen. Führung erzeugt dann 11 eine kontinuierliche Bewegung in Richtung der Ziele und einen kohärenten Zusammenhalt innerhalb der Gruppe/der Organisation. Um führen zu können braucht es eine bestimmte innere Haltung, eine entwickelte Persönlichkeit und besondere Führungsfähigkeiten. Führung beginnt also mit der Selbstführung. Der Buddhismus bietet hier sowohl ein Orientierungssystem, als auch einen Praxisweg. Die Entwicklung einer rechten Haltung, rechter Ansicht, positiver Emotionen, verbunden mit der Überwindung von Abhängigkeiten von äußeren Bedingungen sind für erfolgreiche und sinnvolle Führung unabdingbar. Nur eine in allen Aspekten weit entwickelte Persönlichkeit kann und sollte andere Menschen und Organisationen führen. Hier besteht ein großes Defizit in der heutigen Gesellschaft. Man könnte fast sagen ein regelrechtes Debakel. Nur wenige Führungskräfte heute arbeiten bewusst an ihrer persönlichen Entwicklung und haben demzufolge hier große Defizite, die sich dann in den Organisationen und bei den Mitarbeitern sehr negativ auswirken. Ein Mensch und eine Organisation sind weiterhin komplexe Systeme, die ganzheitlich wahrgenommen werden müssen, um die einzelnen Wirkmechanismen zu verstehen. Die meisten Führungskräfte haben jedoch eine fragmentierte und wenig ganzheitliche Realitätssicht. Die buddhistische Praxis zielt darauf ab, eine Wahrnehmung jenseits der Verzerrungen und Verfremdungen zu entwickeln, die von unseren Konditionierungen und dem fehlenden Verständnis des Prinzips des abhängigen Entstehens geprägt sind. Die Herausbildung einer objektiveren Wahrnehmung ist für Führungskräfte unabdingbar, wenn Entscheidungen getroffen werden sollen, die auf einer klaren, ungetrübten Sicht auf die Realität beruhen. Im kollektiven Bereich der Führung, in Teams und ganzen Organisationen ist die im Buddhismus praktizierte Haltung des Mitgefühls, verbunden mit der Realisierung der Verbundenheit (Einheit) aller Subjekte und Objekte essenziell. Wäre dieses Bewusstsein bei mehr Führungskräften vorhanden, könnte es kaum noch Ziele und Handlungen in Wirtschaft, Politik und anderen gesellschaftlichen Bereichen geben, die den Menschen und der Umwelt zum Nachteil gereichen würden. Der Buddhismus ist eine der wichtigen Weisheitstraditionen der Menschheit und Führung heute und in Zukunft braucht neben modernen wissenschaftlichen Erkenntnissen und Methoden vor allem Weisheit. Weisheit und Führung bedingen einander und bilden eine notwendige Einheit. 12 Der Buddhismus ist einer der möglichen Praxiswege, der Menschen ermöglicht zu „weisen“ Führungspersönlichkeiten heranzureifen – zu Führungspersönlichkeiten die das Prinzip unbedingter Verantwortung für sich selbst, andere und das Umfeld übernehmen und danach handeln – jetzt und für die kommenden Generationen.“ 13 1 Einleitung Der Wandel der sich momentan in der Arbeitswelt vollzieht ist gewaltig und vielschichtig. Schlagwörter wie Massenarbeitslosigkeit, Demographischer Wandel, Mini-Jobs, ManagerBoni und Hartz IV verdeutlichen die Brisanz des Themas. Immer mehr Menschen fällt es zunehmend schwerer, in dieser veränderten Arbeitswelt zurechtzukommen. Und auch viele Führungskräfte, die vermehrt nur noch in Zusammenhang mit Personalabbau und Restrukturierungsmaßnahmen erwähnt werden, erleben eine neue Unsicherheit. An dieser Stelle möchten wir eine Passage des Potsdamer Manifests zitieren, einer von HansPeter Dürr, J. Daniel Dahm und Rudolf zur Lippe verfassten Denkschrift, die ein neues Denken fordert, um mit den Krisen der heutigen Zeit fertig zu werden und die von 131 renommierten Wissenschaftlern und Persönlichkeiten aus aller Welt unterzeichnet worden ist. Sie beschreibt unserer Auffassung nach sehr gelungen, an welchem Punkt wir als Gesellschaft gerade stehen: „Diese vielfältigen Krisen, mit denen wir heute konfrontiert sind und die uns zu überfordern drohen, sind Ausdruck einer geistigen Krise im Verhältnis von uns Menschen zu unserer lebendigen Welt. Sie sind Symptome tiefer liegenden Ursachen, die wir bisher versäumten zu hinterfragen und aufzudecken. Sie hängen eng mit unserem weltweit favorisierten materialistisch-mechanistischen Weltbild und seiner Vorgeschichte zusammen.“ Mit dieser Diplomarbeit wollen wir dazu beitragen herauszufinden, welche Möglichkeiten bestehen, diese vielfältigen Krisen, mit denen wir tagtäglich konfrontiert werden, zu überwinden. Aus diesem Grund widmen wir uns in dieser Diplomarbeit der Fragestellung wie Berufstätige mit und ohne Führungsverantwortung buddhistische Praxis in den Arbeitsalltag integrieren. Die Begegnung des Buddhismus und der westlichen Psychologie steckt noch in den Kinderschuhen. Auch wenn vermehrt Forschungen betrieben werden, die die Auswirkungen von Meditation und Achtsamkeit beschreiben, gibt es bislang noch nicht viele wissenschaftliche Untersuchungen zu diesem Thema. Auch aus diesem Grund wird im folgenden Kapitel ein Rahmen erläutert, in dem die Verbindung zwischen Spiritualität und Wissenschaft als möglich erscheint. Unserer Meinung nach braucht die Wissenschaft heute mehr denn je einen ethischen Rahmen, innerhalb derer sie ihre Forschung betreibt. Und die Religion benötigt die Wissenschaft, um ihre zum Teil prämodernen Auffassungen überprüfen und gegebenenfalls revidieren zu können. Wir haben 14 uns deshalb entschlossen einen integralen Rahmen vorzustellen, da dieser die Möglichkeit bietet, alle vorhandenen Positionen und Theorien zu vereinen. Im ersten Teil des anschließenden Theorieteils werden dann die Geschichte des Buddhas und des Buddhismus dargestellt, sowie grundlegende Konstrukte aus der buddhistischen Lehre. Des weiteren wird das Konstrukt eines westlichen Buddhismus vorgestellt. Im zweiten Teil des Theorieteils werden die modernen Arbeitsbedingungen unter die Lupe genommen, sowie die Herausforderungen, die damit für die Führungsebenen entstehen. Mit Hilfe eines explorativen Forschungsstils untersuchen wir anschließend wie sich die Integration buddhistischer Praxis in den Berufsalltag auswirkt. Dazu führen wir sechs Interviews mit buddhistisch Praktizierenden ohne Führungsverantwortung und sechs Interviews mit buddhistisch Praktizierenden mit Führungsverantwortung. Anschließend werden die Interviews mit Hilfe der Grounded Theory ausgewertet und in einem Kategorienschema systematisiert dargestellt. Abschließend werden die Ergebnisse der Untersuchung diskutiert und zusammengefasst. 15 1.1 Autorenangabe Gemeinsam wurden erarbeitet: 0 Vorwort.....................................................................................................................................9 1 Einleitung..........................................................................................................................14-16 3.7 Die Fragestellung...........................................................................................................75-76 Joachim Wetzky erarbeitete: 2 Der Integrale Ansatz - gesellschaftliche Einbettung des Themas.....................................17-39 3.5 Der Berufsalltag im 21. Jahrhundert..............................................................................62-67 4 Qualitative Explorationsstudie von Joachim Wetzky: Methodisches Vorgehen...............77-85 5 Ergebnisdarstellung: Joachim Wetzky............................................................................86-132 6 Diskussion: Joachim Wetzky........................................................................................133-161 7 Abschließende Gedanken: Joachim Wetzky.................................................................162-163 8 Zusammenfassung: Joachim Wetzky............................................................................164-165 Danica Wetzky erarbeitete: 3.1 Die historische Person Buddha......................................................................................40-42 3.2 Geschichte Buddhismus................................................................................................42-46 3.3 Buddhistische Konzepte................................................................................................46-54 3.4 Westlicher Buddhismus.................................................................................................54-61 3.6 Neue Führungsansätze...................................................................................................68-75 9 Qualitative Explorationsstudie von Danica Wetzky: Methodisches Vorgehen.............166-172 10 Ergebnisdarstellung: Danica Wetzky..........................................................................173-238 11 Diskussion: Danica Wetzky........................................................................................239-266 12 Abschließende Gedanken: Danica Wetzky.................................................................267-268 13 Zusammenfassung: Danica Wetzky............................................................................269-270 16 2 Der Integrale Ansatz - gesellschaftliche Einbettung des Themas Ein gemeinsames Merkmal der Moderne und der Postmoderne ist die Verleugnung jeglicher Metaphysik. Jedoch führte diese Ausblendung der Bewusstseinsebenen, Erkenntnissen und spirituellen Erfahrungen zu einer inneren Verflachung der Welt, etwas, dass Wilber (2000a) Flachland nennt. Er meint damit die Überbetonung der Beschäftigung mit den „sichtbaren“ Dingen der Welt, den objektiven, äußeren Anschauungen, wie etwa Gehirnforschung oder Soziologie und die Vernachlässigung der „unsichtbaren“ Dinge, den subjektiven, inneren Anschauungen, wie etwa Introspektion oder Kontemplation. Ein integrales Modell nun bringt diese Einseitigkeit wieder in ein Gleichgewicht. Warum diese Einseitigkeit in ein Gleichgewicht gebracht werden muss, zeigt sich an den massiven Problemen unserer Zeit, sei es die Ölpest im Golf von Mexiko, die Umweltzerstörung, versagende Bildungssysteme oder die Zusammenbrüche von Finanz- und Wirtschaftssystemen. Nach Mitchell (2008, S. 9) muss „unsere Sicht auf die Welt deren Komplexität und Kontingenz widerspiegeln (...). Unsere Auffassung muss berücksichtigen, wie die Welt sich konstituiert, welche Art von Erkenntnis wir gewinnen können, wie wir die Welt untersuchen sollen und wie wir auf der Grundlage der Ergebnisse dieser Untersuchungen handeln sollen.“ Führungssysteme müssen sich heute Herausforderungen stellen, auf die sie nicht vorbereitet waren und für viele Menschen ist das Berufsleben ein Ort der Unsicherheit und Angst geworden, da sie zum einen mit dem Gespenst der Arbeitslosigkeit und zum anderen mit neuen, komplexen Arbeitsbelastungen konfrontiert werden. Um diese Probleme zu lösen bedarf es eine Sicht auf die Welt, die dieser neuen Komplexität gerecht wird. Wie könnte dieses Sicht aussehen? Unserer Meinung nach stellt der Integrale Ansatz 1 eine große Chance dar, die Komplexität der Welt, so wie wir sie heute vorfinden, zu erfassen und darauf aufbauend geeignete Möglichkeiten zu finden, damit umzugehen. Ein Integraler Ansatz versucht die größtmögliche Anzahl von Perspektiven, Stilen und Methodologien in eine zusammenhängende Sicht des Gegenstandes einzubeziehen. Integrale Ansätze können so auch als „Meta-Paradigmen“ bezeichnet werden, die eine bereits existierende Anzahl verschiedener Paradigmen in ein wechselbezügliches Netzwerk sich gegenseitig bereichernder Ansätze zusammen bringen (Wilber, 2007). Das Wort „Integral“ stammt ursprünglich vom lateinischen integrare ab, was soviel wie „wiederherstellen“ bedeutet. 17 1 In Kapitel 3 werden wir sehen, dass sich durch die Globalisierung die Welt der Arbeit radikal wandelt. Immer mehr Arbeitende, sowie Führungskräfte blicken auf einen ökonomischen Markt, den sie nicht mehr verstehen. Deshalb wird es immer notweniger neue Ansätze zu erarbeiten, die eine neue Perspektive auf diese Probleme und Herausforderungen bieten. Es geht darum, neue Unternehmensformen zu finden, die gleichzeitig die individuellen Rechte eines Menschen anerkennen und fördern und zugleich das kollektive Wachstum und das gesellschaftliche Wohl im Auge behalten. So erklären zum Beispiel der Soziologe Giddens (1999) und der ehemalige US Präsident Clinton, dass die Rechte eines Individuum einher gehen müssen mit einer Verantwortung für die Gemeinschaft. Unternehmer wie Einzelpersonen stehen dabei meiner Meinung nach heute in der Pflicht, kollektive und individuelle Verantwortung zu übernehmen. Der Integrale Ansatz bietet dafür einen geeigneten Rahmen. 2.1 Geschichte der Integralen Theorie Die Integrale Theorie speist sich aus zwei unterschiedlichen Strömungen. Auf der einen Seite sind es Philosophen, von Hegel angefangen, über Bergson, Chardin, Gebser und Habermas, die dazu führten, dass Wilber schließlich die Integrale Theorie formulierte. Auf der anderen Seite ist es maßgeblich die Entwicklungspsychologie mit ihren Vertretern Baldwin, Piaget und Gardner, die diesen Ansatz vervollständigten. So war es Hegel, der zeigte, „dass die Geschichte sich in einem dialektischen Prozess entfaltet, in dem Konflikte die Transformation zu einem höheren Zustand ermöglichen. (...) Hegel war (zudem) der Erste, der in vollem Ausmaß erkennte, dass sich das Bewusstsein durch eine Reihe bestimmter Stufen entwickelt und dass das Bewusstsein selbst durch seine Interaktion mit der Gesellschaft konstruiert ist“ (McIntosh, 2009, S. 167f). Baldwin konnte darstellen, dass die Entwicklung des Bewusstseins durch spezifische Stufen hindurch erfolgt und dass es zudem getrennte Linien der Entwicklung gibt, die jedoch alle ebenfalls durch diese spezifischen Stufen der Entwicklung erfolgen. Auch wenn die empirische akademische Welt diesen Ansatz nicht weiter aufgriff, wurde er doch von Psychologen wie Piaget, Kohlberg, Loevinger, Gilligan und Kegan weiter entwickelt (McIntosh, 2009). Gebser (1953) war es dann, der den Begriff „Integral“ in seinem Werk „Ursprung und Gegenwart“, in dem er auch Stufen der kulturellen Entwicklung vorhersah, vorstellte. Ken Wilber schließlich führte die Integrale Theorie ein, in der er die Stärken und Schwächen der verschiedenen psychologischen und philosophischen Richtungen aufzeigte 18 und darauf aufbauend einen theoretischen Rahmen entwickelte, in dem alle Anschauungen einen Platz fanden. Für Wilber (2007) sind die meisten Theorien oder Ansätze zum einen wahr, zum anderen jedoch auch Teil einer größeren Wahrheit. Damit ist gemeint, dass es objektive wie subjektive Wahrheiten gibt, die jeweils mit verschiedenen Messinstrumenten deutlich gemacht werden können, die sich in der heutigen Welt jedoch antagonistisch gegenüber stehen, wie zum Beispiel die Naturwissenschaften und die Geisteswissenschaften oder die Wissenschaft und Religion. Wilbers Denken gründet zudem unter anderem auf den Ideen von Plotin, Sri Aurobindo, dem deutschen Idealismus, dem Tibetischen Buddhismus und der Theosophie. Die Forschung und Umsetzung des Integralen Ansatzes steht dabei noch am Anfang ihrer Entwicklung. Ein erster Schritt wurde 1999 mit der Gründung des „Integralen Instituts“ getan, dass sich als ein internationales Netzwerk von Theoretikern aus unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen versteht mit Abteilungen für integrale Medizin, integrale Psychologie, integrales Geschäftsleben, integrale Erziehung, integrale Politik und vielen weiteren mehr. Ein Ziel des Instituts ist die akademische Anerkennung integraler Theorien sowie die Etablierung an den Universitäten., die unter anderem von Professoren aus Harvard und Yale wie Howard Gardner, Robert Kegan, Kurt Fischer oder Carol Gilligan voran getrieben wird. 2.2 Prämoderne, Moderne, Postmoderne - und was kommt dann? Integrales Denken bedeutet die Vernetzung verschiedenster wissenschaftlicher und spiritueller Denk- und Entwicklungsmodelle. Oder wie es Wilber (2001a, S. 21) ausdrückt: Ein wirklich integrales Denken „würde die gültigen Einsichten prämoderner, moderner und postmoderner Quellen umfassen.“ 2.2.1 Die Prämoderne Die gültigen Einsichten der Prämoderne findet man am leichtesten im gemeinsamen Kern der großen spirituellen Traditionen. Er besteht aus der Erkenntnis, dass die Wirklichkeit vielschichtig ist, da sie sich aus physischen, emotionalen, mentalen und spirituellen Dimensionen zusammenfügt. Wirklichkeit ist demnach keine einfache eindimensionale Angelegenheit, vielmehr muss man jeder Dimension adäquat gegenüberstehen, um sie erfassen zu können. So kann die Seele nicht mit den Werkzeugen der Biologie gefunden werden, sondern nur durch Innenschau und Kontemplation. Und umgekehrt können die 19 dass wir Wahrheit und Sinn brauchen, aber nicht wissen, wie wir Wissenschaft und Religion auf eine Weise zusammenführen können, die von beiden Seiten akzeptiert wird. (Wilber, 1998, S. 17) Wissenschaft und Technik haben ein weltweites Netz industrieller, wirtschaftli- Geheimnisse der biologischen Dimension nicht durch Kontemplation durchdrungen werden, cher, medizinischer, naturwissenschaftlicher und informationstechnischer Systeme geschaffen. Vielesnur davon sehrWerkzeugen nutzbringend,der aberBiologie, alles ist als und wertfrei. Dieses sondern mit istden alsosolches zum sinnBeispiel durch Mikroskope. enorme Vakuum gern aus.als Prämoderne den modernen Traditionell stelltfüllt sichReligion dieser Vorgang die „GroßeReligionen Kette des bestreiten Seins“ daroft(Wilber, 1997). Wie naturwissenschaftlichen Rahmen dem sie UndWeisheitstraditionen auch die Wissenschaftfünf verwirft prak- der in Abbildung 1 zu sehen ist, in haben alleleben. großen Ebenen tisch alle Grundaussagen der Religionen, obwohl diese Milliarden Menschen Wert und Sinn Wirklichkeit entdeckt. Dies sind die Ebene der Materie, die Ebene des Körpers, die Ebene des geben. Wilber (1998, S.19) hält dies für einen schwerwiegenden Riss in den inneren Organen Geistes (mind), die Ebene der Seele und die Ebene des GEIST 2. der heutigen Weltkultur, der die Zukunft der Menschheit unsicher erscheinen lässt. Abbildung. 1. Die Grosse Kette in den verschiedenen Weisheitstraditionen (Smith, 1976) Abb. 1: Die große Kette in den verschiedenen Weisheitstraditionen (Smith, 1976). Diese große Kette des Seins kann auch als Großes Nest des Seins gesehen werden, da jede höhere Ebene über die untere Ebene hinausgeht, sie jedoch umschließt und integriert. Dies wird in Abbildung 2 verdeutlicht als (A), (A+B), (A+B+C), (A+B+C+D) und (A+B+C+D +E). Dies bedeutet, dass jede höhere Ebene Elemente enthält, die emergent und nicht reduzierbar sind. „Wenn beispielsweise das biologische Leben (A+B) „aus“ der Materie emergiert, enthält es bestimmte Qualitäten (wie sexuelle Reproduktion, innerliche Emotionen, Autopoiesis, élan vital, usw. - alle durch das „B“ repräsentiert), welche in den rein materiellen Begriffen von „A“ nicht erklärt werden können. Ähnlich verhält es sich wenn der Geist (A+B Es gibt in der deutschen Sprache nicht die Unterscheidung zwischen mind und spirit. Deshalb wird dies nach Wilber (2007) dargestellt als Geist und GEIST. 20 2 Um Religion bzw. Spiritualität mit der Wissenschaft zu versöhnen, muss das Religiöse zunächst einmal definiert werden. Nach Ansicht vieler vergleichender Religionswissenschaftler S.21) istLeben der Kern aller großen Weltreligionen die Große Kette des Seins. Die+C)(Wilber, aus dem1998, biologischen emergiert. Der Geist enthält emergente Charakteristiken se Auffassung dass die Leben Wirklichkeit Gewebe ineinander ist, die („C“) die nicht aufbesagt, das biologische oder dieein Materie alleine reduziertgreifender oder durchEbenen sie vomwerden Stoff über denWenn Körper den(„A+B+C+D“) Geist zur Seele und zum GEIST reichen. Jede höhere erklärt können. dieund Seele emergiert, transzendiert sie Geist, Ebene umschließt niedrigeren in 83). einerWie Aufeinanderfolge Verschachtelungen biologisches Leben unddie Körper“ (Wilber,Ebenen 2001b, S. in Abbildung 2 zuvon sehen ist, ist Seins.mit Da einem jede Ebene gewissermaßen eine der andere besitzt, istEbene jede Ebene der jededesEbene Wissenszweig dargestellt, sichArchitektur mit der jeweiligen Wirklichkeit So mitbeschäftigt einem anderen Wissenszweig verbunden: DiediePhysik befasst sich mit der auseinandersetzt. sich Physik mit der Ebene der Materie, Biologie mit dem Materie, die Biologie mitGeist belebten die mit Psychologie unddiePhilosophie Leben, die Psychologie mit dem (mind),Körpern, die Theologie der Seele und Mystik mit mit dem demmenschlichen GEIST (spirit).Geist, die Theologie mit der Seele und die Mystik erkundet die formlose Gott- heit und Leerheit des GEISTES. 2: Die Große (Verschachtelung) Abb. 2: Das Große Nest des Seins. Geist in sowohl dieAbbildung höchste Ebene (kausal) als Kette auch der nichtduale Grund allerAlle Ebenen (Wilber, 2001a). Dinge und Ereignisse des Seins in der Welt sind so mit allen anderen verwoben und alles ist letzt- endlich vom GEIST, von Gott, von der Göttin, vom Dao, von Brahman, Allah, vom Absolu- Eine Schwierigkeit der Prämoderne lag nun darin, dass die Religion die Kontrolle über alle ten umfangen. Der Abstieg vom GEIST zur Materie nennt sich Involution und der Aufstieg Sphären besaß und somit bestimmte, was Wahrheit und Moral war. Zudem bestimmte sie vom Materiellen zum GEISTIGEN Evolution. Die Reinkarnation des Menschen wäre in die- aufgrund eines Machtanspruches auf Grund des Zugangs zu höheren Ebenen des Seins, was sem Sinne eine ständige Folge von Evolution (Geburt bis Sterben) und Involution (Sterben bis das Selbst des Menschen war und was nicht und benutzte diese Vorstellung oft, um Millionen Geburt). Damit soll natürlich nicht gesagt werden, dass jede einzelne Tradition genau dieses von Menschen zu unterdrücken (Wilber, 2007). Ein weiteres Problem liegt in der Definition Schema verwendete. Es gibt hier vielfältige Abwandlungen. Manche benutzen weniger Ebe- von Seele und GEIST. Beide Begriffe sind mit dem modernen und postmodernen Weltbild nen (Erde, Mensch, Himmel) oder andere mehr (7 Chakren, 10 Sefirot der Kabballa). nicht vereinbar, vor allem da sie in der westlichen Kultur einzig zur kirchlichen Machtausübung benutzt wurden. Gibt es eine Seele? Gibt es den Spirit, den großen GEIST? 21 Vielleicht hilft da ein Blick auf die Ergebnisse der Neuropsychologie. Wie Untersuchungen zeigen, kann man bei langjährig Meditierenden mit mindestens 10.000 Stunden Meditationspraxis, trotz eines wachen Bewusstseins, Theta- und Delta-Wellen im Gehirn feststellen. Alpha-Wellen entsprechen dem wachen Bewusstsein, während Beta-Wellen dem analytischen Denken entsprechen. Theta-Wellen dagegen entstehen im Traumzustand und Delta-Wellen sind nur im Zustand des traumlosen Tiefschlafs zu finden. Nach Wilber (2001b) korrelieren die Theta-Wellen mit den Seelenzuständen und die Delta-Wellen mit dem GEIST Zuständen. Diese messbaren Wellen korrelieren nun auch mit erfahrbaren Gefühlen und Gedanken. So erlebt sich ein Mensch als konzentriert und analytisch, wenn gleichzeitig BetaWellen messbar sind. Befindet man sich dagegen in einem Zustand des bewussten Entspanntseins, kann man Alpha-Wellen feststellen. Die getesteten Mönche berichteten davon, von einer tiefen Liebe und einem allumfassenden Mitgefühl durchflutet zu werden, sowie eine überwältigende Erfahrung der Verbundenheit mit allen anderen Menschen zu erleben, während bei ihnen Theta- und Delta-Wellen gemessen wurden. Durch Meditation ist es also möglich, bestimmte Zustände bewusst zu erfahren, die im Gegensatz von nicht meditierenden Menschen nur erahnt werden können. Dies könnte ein wichtiger Punkt bei der Geist und Seele Diskussion werden, da es nun konkret messbare Daten gibt, die interpretiert werden können. 2.2.2 Die Moderne Wilber (2007) begreift den Prozess der Moderne als Ausdifferenzierung der Wertsphären von Kunst, Moral und Wissenschaft. Forscher konnten nun wissenschaftliche Entdeckungen machen, ohne dass sie mit den Ideologien der Kirche zusammenstießen und verboten wurden. Kunst und Moral durften sich frei ausdrücken, Menschenrechte und Demokratien haben sich vielerorts durchgesetzt und das Individuum bekam Rechte zugesprochen, in welche weder Staat noch Kirche eingreifen durften (Wilber, 2001a). Diese Dezentrierung der Weltbilder, dieser Prozess der Entzauberung der Welt führte zu einem rasanten Aufstieg der empirischen Wissenschaften, aber auch zu einer Zerstörung eines einheitlichen Sinngefüges des prämodernen Weltverständnisses (Habermas, 1994). Diese Unübersichtlichkeit und das Fehlen einer Einheit führten nun dazu, dass die Differenzierung der Moderne sich zu einer Dissoziierung und Fragmentierung entwickelte (Wilber, 2001a). Als die verschiedenen Sphären begannen, sich zu dissoziieren, konnte die Wissenschaft in die anderen Sphären eindringen und sie beherrschen. So kam es, dass Kunst und Moral aus jeder ernsthaften 22 Beachtung beim Herangehen an „Wirklichkeit“ verdrängt wurden. Aus der Wissenschaft wurde ein wissenschaftlicher Materialismus und wissenschaftlicher Imperialismus und zudem die herrschende Weltsicht der Moderne (Wilber, 2001a). Wilber (1997, S. 88) nennt dies das Repräsentations-Paradigma: „Dies ist die Vorstellung, dass man auf der einen Seite das Selbst oder das Subjekt und auf der anderen Seite die empirische oder sinnliche Welt hat und dass alle gültige Erkenntnis in der Anfertigung von Landkarten der empirischen Welt besteht, der einzigen und schlicht `vorgegebenen´ Welt. Wenn die Landkarte genau ist, wenn sie die empirische Welt richtig abbildet oder mit ihr übereinstimmt, dann ist dies `Wahrheit´.“ Mit wachsender Distanz zur Moderne wird deutlich, dass mit der extremen Verneinung der Prämoderne durch die Moderne, ein Stück Weisheit und Nachhaltigkeit verloren gegangen ist, wie etwa die Wahrheiten der großen Weltreligionen, bevor sie klerikal entstellt wurden (Wilber, 2007). 2.2.3 Die Postmoderne Die Katastrophe der Moderne liegt in dem Kampf der Gegensätze, wie etwa der Kampf der Kultur gegen die Natur, der Kampf der Wissenschaft mit der Religion, der Kampf der Technik mit der Ethik und der Kampf des Geistes mit der Seele. Die Postmoderne nun begegnet den Unzulänglichkeiten der Moderne, indem sie die Absolutheit der Naturwissenschaften in Frage stellt, den reinen Materialismus anprangert und verdeutlicht, dass die Wirklichkeit konstruiert und konzeptualisiert erscheint und dass wir sozial geprägte Wesen sind (Wilber, 2007). Die Position der Postmoderne weist also das Repräsentations-Paradigma zurück, indem es darauf hinweist, dass es den Kartographen nicht mit einbezieht (Wilber, 1997). „Das Subjekt ist keine abgelöste, isolierte, vorgegebene und voll ausgestattete kleine Entität, die einfach vom Himmel zur Erde fällt und dann unschuldig beginnt, dasjenige zu kartographieren, was sie draußen in der `wirklichen´ Welt vorfindet, das `wirkliche´ Gelände, die vorgegebene Welt (Wilber, 1997, S. 90). Aus dieser Position heraus entwickelte sich der Konstruktivismus, der in seiner radikalen Form nihilistische Formen annimmt und jegliche Wahrheit auf der Erde negiert (Wilber, 1997). Eine Form der extremen Postmoderne ist also der pluralistische Relativismus, in dem jede Hierarchie von Werten abgelehnt wird, aber auch das Prinzip der Dekonstruktion, das jede Möglichkeit einer gültigen Bedeutung in Frage stellt, weil Bedeutung kontextabhängig ist und Kontexte sich immer weiter ausdehnen lassen (Wilber, 2000a). 23 2.3 Die Post-Postmoderne Mit der Ablehnung aller Dogmen und unhinterfragter Annahmen und Machthierarchien hat die westliche Aufklärung auch die religiösen Mythen abgeschafft, die jedoch ein spirituelles Vakuum hinter lassen haben. In der Postmoderne wurde dieses Vakuum von einem esoterischen Markt gefüllt, der keinen ausreichenden Qualitätsstandards genügt. Nach Wilber (2001b) geht es nun darum die Essenz der Prämoderne, also das Wissen um die Vielschichtigkeit der Wirklichkeit, mit der Essenz der Moderne, also der Differenzierung der Wertsphären und mit der Essenz der Postmoderne, also den Impulsen der Freiheit und der Toleranz und einer aperspektivische Haltung, zu verbinden und in einem integralen Modell zusammen zu fügen. Der Begriff Integral verweist dabei auf eine „vollständige Sicht“, das heißt, es geht hier um die Aufhebung der Spaltung von Natur-, Sozial- und Geisteswissenschaften, von Wirtschaft und Sozialität und von Materie und Geist. Im Folgenden skizziere ich die wesentlichen Elemente der Integralen Theorie. 2.3.1 Holons und Quadranten Nach Wilber (1995) besteht die Realität nicht ausschließlich aus Materie, Energien oder Prozessen, sondern aus Holons. Ein Holon ist ein Ganzes, das zugleich Teil einer größeren und umfassenderen Ganzheit ist. So ist ein Molekül ein Holon, ein Ganzes und in sich abgeschlossen. Nun besteht ein Molekül selbst aus Atomen, wovon jedes Atom wiederum ein Holon ist. Mehrere Moleküle können sich nun zu einem übergeordneten Holon verbinden, also zu einer Zelle. Holons finden sich überall. So ist der Mensch ein Ganzes, zugleich aber auch Teil einer größeren Ganzheit, also einer Nation oder Gemeinschaft. Wilber postuliert hier die Existenz einer Wachstumshierarchie. Diese findet sich zum Beispiel in Abfolgen wie Atome-Moleküle-Zellen-Organismen, wie in Abbildung 3 zu sehen ist. Atome werden von Molekülen transzendiert und umfasst und diese wiederum werden von Zellen transzendiert und umfasst und diese werden wieder von Organismen transzendiert und umfasst. 24 sind, reduzierten sie diese höheren Bereiche der großen Kette auf Funktionen des Körpers und schafften alle höheren Ebenen wie Seele und GEIST und somit alle spirituellen Bereiche (wie die Reinkarnation) gleich mit ab. (Dabei ist es genauso plausibel, dass der Körper eine Funktion des Geistes ist.) 2.4. Die vier Quadranten Nach Wilbers (1998, S.43) Ansicht lassen sich Wissenschaft und Religion nur zusammenführen, wenn die Große Kette des Seins und die großen Differenzierungen der Moderne (Wertsphären) integriert werden. Darüber hinaus muss diese Integration auch die Spaltung zwischen dem empirischen äußeren Es-haften und dem transzendenten inneren Wir- und Ichhaften überwinden. Diese Integration müsste die Ebenen der Großen Kette in die Wertsphären der Moderne differenzieren. Danach sollte es eine Kunst, eine Ethik und eine Wissenschaft der materiellen, der geistigen der spirituellen (seelischen, GEISTIGEN) Ebene geben. Abb. 3: Eine einfache Holarchie und von Ebenen (Wilber, 1995). Wilbers Vorschlag ist ein Modell von vier Quadranten. Die beiden rechten Quadranten stehen Nun besitzt jedes Inneneine Außenperspektive zudem für objektive und die Holon beideneine linken für und subjektive Wirklichkeiten.und Alles aufeine der individuelle rechten Seite und eine kollektive Wilber (1998) ordnet diese Perspektiven seinauf Modell der hat einen einfachen OrtPerspektive. in der senso-motorischen und empirischen Welt; in alles der linken ein, wie sondern in Abbildung 4 zu sehen ist. Sokognitiven, ist die oberementalen Hälfte desoder Diagramms Seitevier hatQuadranten keinen einfachen, einen emotionalen, transzenindividuell untere Hälfte desäußerlich Diagramms Zudem dentalen Raum.und Wiediedie rechte Seite undgemeinschaftlich. die linke innerlich, so ist ist die dielinke obereHälfte Hälfte innerlich und subjektiv, während die Hälfte äußerlich und also objektiv ist (Wilber, 2000a). individuell und die untere kollektiv. Dierechte vier Quadranten zeigen die intentionalen, verhal- tensmäßigen, kulturellen und sozialen (systemischen) Aspekte der Realität. Abbildung 3: Die 4 Quadranten nach Wilber Abb. 4: Die vier Quadranten (Wilber, 2007). Der obere linke Quadrant (OL) stellt das Innere des Individuums dar, also den subjektiven Aspekt, seine Gedanken und Gefühle, während im Gegenzug der obere rechte Quadrant (OR) die objektiven und äußeren Entsprechungen dieser inneren Bewusstseinszustände darstellt. Diese zwei Quadranten korrelieren sehr eng miteinander (Wilber, 2000b), wie 25 Forschungsergebnisse über Langzeitmeditierende gut verdeutlichen. So weisen langjährig Meditierende eine bis zu fünf Prozent dickere Gehirnrinde auf, als die der Versuchspersonen (Hein, 2008). Zudem war bei buddhistischen Mönchen mit mehr als 10.000 Stunden Meditationserfahrung, eine höhere Aktivität in der Hirnregion die für Ausgeglichenheit und Gemütsruhe sorgt, dem linken Frontalcortex, zu beobachten, als bei Nicht-Buddhisten (Kraft, 2005). Nun existieren Menschen nicht getrennt von ihrer Umwelt, Individuen sind immer Teil einer Gemeinschaft, eines Kollektivs. Dieses Kollektiv weist nun ebenfalls ein „Innen“ und ein „Außen“ auf. Das „Innere“ eines Kollektivs findet sich im unteren linken Quadranten (UL), der die Werte, Weltsichten, Moralvorstellungen und Ethik, die jede Gruppe von Individuen gemeinsam haben, darstellt. Damit Individuen sich verständigen können, müssen sie über gemeinsame Wahrnehmungen, Semantik und Weltanschauungen verfügen. Diese kulturellen Komponenten sind nun aber auch in äußeren, materiellen, institutionellen Formen verankert, wie etwa Formen der Informationsübertragung wie Buchdruck, Telekommunikation und Mikrochips, oder gesellschaftliche Strukturen, wie diktatorische oder demokratische Staaten oder Nationen, dem unteren rechten Quadranten (UR). Und auch hier korrelieren diese Quadranten eng miteinander. So weisen Menschen in Diktaturen andere Weltanschauungen auf, wie zum Beispiel Menschen in Demokratien (Wilber, 2000a, 2001a). Anhand des Beispiels des Gedankens „in einem Supermarkt einkaufen gehen“ kann man gut die Interdependenz und Wechselwirkung der vier Quadranten verdeutlichen. Dieser Gedanke wird erstmal als ein innerlich-individuelles Phänomen erlebt und erzeugt eine unmittelbare, symbolisch-konzeptuelle Bedeutung im Geist des Individuums (OL). Während das Individuum diesen Gedanken hat, laufen beobachtbare Abläufe in dessen Gehirn ab. Diese sind empirisch beobachtbar und wissenschaftlich nachweisbar, wie zum Beispiel eine vermehrte Dopaminausschüttung oder Zunahme der Beta-Wellen (OR). Nun ist dieser Gedanke jedoch nur möglich und sinnvoll mit einem entsprechendem kulturellen Hintergrund, das heißt, der Gedanke ist eingebettet in kollektiv-innerliche Strukturen (UL), wie zum Beispiel in kollektive ethische Maßstäbe und geteilte kulturelle Überzeugungen. Vor einer Million Jahren wäre dieser Gedanke nicht in einem Individuum aufgekommen, es hätte wohl eher gedacht „heute gehe ich einen Bären jagen“. Gedanken tauchen also nicht aus dem Nichts auf, sondern entstehen vor einem kulturellen Hintergrund. Da eine Kultur nun ebenfalls materielle und sichtbare Komponenten aufweist, gibt es für diese innerlichkollektiven Strukturen auch ein äußeres sichtbares Gegenüber, den äußerlich-kollektiven 26 Quadranten (UR). So wie der der Gedanke sichtbare Spuren im Gehirn aufweist, zeigen sich auch kulturelle Ereignisse in sozialen Entsprechungen, das heißt es gibt konkrete Institutionen, geopolitische Orte, Infrastruktur und Technikformen. Für den Gedanken „ich gehe in einen Supermarkt“ gibt es also auch entsprechende Räumlichkeiten, wie etwa den Supermärkten und der damit verbunden Logistik. „Mein angeblich individueller Gedanke hat also mindestens diese vier Facetten, diese vier Aspekte: den intentionalen, den verhaltensmäßigen, den kulturellen und den sozialen. Und weiter geht es im Kreis: Das soziale System hat einen starken Einfluss auf die kulturelle Weltsicht, die den individuellen Gedanken, die ich haben kann, Grenzen setzt, die wiederum physiologische Reaktionen im Gehirn auslösen. Diesen Kreis kann man in jeder Richtung durchlaufen. Die Quadranten sind alle miteinander verwoben und determinieren einander. Sie sind die Ursache aller anderen Quadranten und werden durch diese verursacht“ (Wilber, 1997, S. 115). Das Problem der Moderne ist nach Wilber (1998), dass sie sich auf die rechtsseitigen Quadranten konzentriert und die Existenz der subjektiven, innerlichen Quadranten verleugnet. Ein Integraler Ansatz versucht deshalb alle Ebenen des Seins mit allen Quadranten zu integrieren. So muss die objektive empirische Wissenschaft die Wirkungsweise spiritueller Praktiken nicht mehr ignorieren oder anzweifeln, da sie nun mittels neurologischer Untersuchungen an Meditierenden ihre äußerlichen Korrelate feststellen kann. Sie kann zwar nicht erklären, was ein tibetischer Mönch in der Meditation erlebt und fühlt, aber sie kann die neurologischen Veränderungen feststellen und ihre Schlüsse daraus ziehen. Als weiteres Beispiel lassen sich vier sozialwissenschaftliche Schulen anführen, die den vier Quadranten zuzuordnen sind. Im ersten Quadrant untersucht die Psychoanalyse das Innenleben des Menschen. Im zweiten Quadranten beobachtet der Behaviorismus das Verhalten des Menschen, Im dritten Quadranten interpretiert die Hermeneutik das kollektive Bewusstsein einer Gesellschaft. Im vierten Quadranten untersuchen ökonomische Theorien das sichtbare Verhalten einer Gesellschaft (Wilber, 2007). 2.3.2 Ebenen und Linien Nach Dalai Lama (1997a, 2002) ist es von übergeordneter Wichtigkeit, dass wir Menschen ein stärkeres Gefühl von der immensen Bedeutung unserer gegenseitigen Abhängigkeit entwickeln. All unsere Probleme resultieren daraus, dass wir uns als isolierte Wesen betrachten, die sich in Existenzkämpfen verlieren. Doch das Geheimnis des Lebens liegt nicht darin am erfolgreichsten und stärksten zu sein, sondern am besten zu kooperieren. Deshalb ist 27 es für die Menschen unabdingbar, dass sie lernen, wieso sie andere Menschen und ihre Werte ablehnen und wieso sie oftmals nur bedingt in der Lage sind, andere Standpunkte zu verstehen. Hilfreich dafür ist die Erkenntnis, dass jeder Mensch verschiedene Entwicklungsstufen durchläuft. Viele namhafte Psychologen wie Lawrence Kohlberg, Jean Piaget, Jane Loevinger oder Abraham Maslow fanden heraus, dass „die Bewusstseinsentwicklung sich durch eine Abfolge kulturübergreifender Eben oder Wellen vollzieht“ (McIntosh, 2009, S. 40). Wilber (2001a) sammelte die Schlussfolgerungen von über hundert Forschern und kam zu dem Ergebnis, dass sich die Stufenfolgen dieser Theoretiker „in einem gemeinsamen Entwicklungsraum miteinander zur Deckung bringen. Die weitgehende Deckungsgleichheit deutet auf die Möglichkeit einer Versöhnung dieser Theorien hin.“ (…) Natürlich gibt es Dutzende von Meinungsverschiedenheiten und Hunderte von widersprüchlichen Einzelheiten. Doch erzählen all diese Forscher eine in den Grundzügen ähnliche Geschichte vom Wachstum und der Entwicklung des Geistes als eine Aufeinanderfolge sich entfaltender Stufen oder Wellen“ (Wilber, 2001a, S. 17). So verläuft die moralische Entwicklung in drei Ebenen, von einer egozentrischen Moral, zu einer ethnozentrischen und schließlich zu einer weltzentrischen Moral. Auf der ersten Ebene, der egozentrischen Moral, beschäftigt sich der Mensch hauptsächlich um seine persönlichen Belange, er ist mit der Perspektive der ersten Person identifiziert. Auf der zweiten Ebene, der ethnozentrischen Ebene, identifiziert sich der Mensch mit einer bestimmten Gruppe oder Nation, er hat seine Moral zwar erweitert, sie ist aber immer noch auf einen bestimmte Gruppe beschränkt, er ist mit der Perspektive der zweiten Person identifiziert. Auf der dritten Ebene, der weltzentrischen Ebene, erweitert der Mensch seine moralische Anschauung und macht sie unabhängig von Rasse, Nation oder Glaubensrichtung, er ist mit der überparteilichen Perspektive der dritten Person identifiziert. Wie in Abbildung 5 zu sehen ist, schließt die nächst höhere Ebene die Inhalte und Fähigkeiten der vorübergehenden Ebene mit ein. So fand auch Carol Gilligan (1984) heraus, dass Frauen bei ihrer moralischen Entwicklung sich durch drei Wachstumsstufen hindurch entwickeln. Diese drei Stufen sind selbstbezogen (egozentrisch), fürsorgend (ethnozentrisch) und universell fürsorgend (weltzentrisch). Selbstbezogen heißt, dass Frauen nur für sich selbst sorgen, während fürsorgend bedeutet, dass nahe Menschen, wie zum Beispiel Familie in die Fürsorge mit einbezogen werden. Die dritte Stufe universell fürsorgend beinhaltet schließlich Mitgefühl und Fürsorge für andere 28 ganz allgemein. In der ersten Stufe gibt es nur eine Person die sich um sich selbst kümmert, während auf der zweiten Stufe die Person eine Erweiterung ihrer Grenzen vornimmt und beginnt Fürsorge für Andere zu empfinden. Schließlich durchbricht man auch diese Grenze und ist in der Lage Mitgefühl für immer mehr Menschen zu empfinden. Abb. 5: Drei Stufen moralischer Entwicklung (Wilber, 2007). Diese Entwicklung der Ebenen findet nun nach Wilber (2007) auf verschiedenen Entwicklungslinien statt. Damit sind die emotionalen, kognitiven, moralischen, künstlerischen, interpersonellen oder kinästehtischen Kompetenzen eines Menschen gemeint, die sich innerhalb der verschiedenen Stufen der Gesamtentwicklung entwickeln und das relativ unabhängig voneinander. So kann ein Mensch auf der kognitiven Entwicklung sich auf der weltzentrischen Ebene befinden, in der moralischen Ebene jedoch noch auf der ethnozentrischen Ebene stehen, wie in Abbildung 6 zu sehen ist. Ein Beispiel dafür wäre ein Arzt in einem Konzentrationslager, der kognitiv weit vorangeschritten ist, in seinem moralischen Befinden jedoch auf einer ethnozentrischen oder egozentrischen Ebene stehen geblieben ist. 29 Abb. 6: Das integrale Psychogramm (Wilber, 2000a). 2.3.3 Spiral Dynamics Ein Beispiel für die Entwicklung von Bewusstsein ist das kultursoziologisches Modell der Entwicklung des Menschen und der Menschheit welches von Clare Graves entwickelt und von Don Beck weiterentwickelt wurde. Graves ging mit seiner Arbeit der Entwicklung von Bewusstsein noch einen Schritt weiter und zeigte, wie die nacheinander entstehenden Entwicklungsstufen selbst „in einem größeren dynamischen System organisiert sind. Mit anderen Worten, Graves´ Forschung zeigte nicht nur bestimmte, kulturübergreifende Bewusstseinsstufen, sie zeigte auch, wie diese Stufen in einer dialektischen Spirale der Entwicklung miteinander in Beziehung stehen - einem dynamischen System der Evolution (McIntosh, 2009, S. 41). Nach Beck (1995) befinden sich Menschen auf unterschiedlichen Seinszuständen, innerhalb derer sie eine spezifische Psychologie aufweisen, die für diesen Seinszustand oder Seinsebene charakteristisch ist. So sind die Werte und Motivationen des Menschen, sein Glaubenssystems, seine Biochemie und seine ethischen Überzeugungen jeweils der Stufe angemessen, auf der er sich befindet. Insgesamt gibt es etwa acht Ebenen der menschlichen Existenz, welche bislang bei über fünfzigtausend Menschen geprüft wurden und wobei keine signifikanten Abweichungen von der Theorie gefunden wurden (Wilber, 2001b). Mithilfe der Spiral Dynamics gelingt das, was Wilber als endgültiges Kriterium einer integralen Synthese bezeichnet: „Um wahrhaft integral zu sein, muss eine integrale Synthese einen Weg finden zu zeigen, dass alle großen Weltanschauungen grundsätzlich wahr sind (wenn auch nur teilweise). Es ist nicht so, dass die höheren Ebenen zutreffendere Anschauungen liefern, die niedrigeren Ebenen 30 dagegen Unwahrheiten, Aberglauben oder primitiven Unsinn. Es muss einen Sinn geben, in dem selbst „kindliche“ magische und Nikolaus-Mythen war sind. Denn diese Weltanschauungen sind einfach die Art, wie man die Welt auf dieser Ebene oder von dieser Welle aus sieht, und alle Wellen sind wesentliche Bestandteile des KOSMOS. Auf der mythischen Ebene sind der Nikolaus (oder Zeus oder Apollo oder Astrologie) eine phänomenologische Wirklichkeit. Wir können nicht einfach sagen: „Nun ja, wir haben uns über dieses Stadium hinaus entwickelt, und deshalb wissen wir jetzt, dass der Nikolaus nicht wirklich existiert.“ Denn wenn das wahr ist – und alle Stadien haben sich im Licht weiterer Evolution als primitiv und falsch erwiesen -, dann werden wir zugeben müssen, dass unsere eigenen Anschauungen, hier und jetzt, ebenfalls falsch sind (weil die künftige Evolution über sie hinausgehen wird). Es ist jedoch nicht so, dass es nur eine Ebene der Wirklichkeit gibt, und jene anderen Anschauungen sind primitive und falsche Versionen dieser einen Ebene. Jede einzelne dieser Anschauungen ist eine richtige Anschauung einer niedrigeren, jedoch fundamental wichtigen Ebene der Wirklichkeit – und nicht eine falsche Anschauung der einen realen Ebene. Der Begriff der Entwicklung erlaubt es uns, verschachtelte Wahrheiten zu erkennen, nicht primitiven Aberglauben“ (Wilber, 2001a, S. 128ff). Um ein Grundverständnis dieser Stufen zu geben, folgt eine Verallgemeinerung in die verschiedenen Ebenen der Spiral Dynamics (Beck, 1995, Wilber, 2000a, 2001a). Dabei ist zu bemerken, dass die Idee der Bewusstseinsstufen als ein Muster von Beziehungen zu verstehen ist, das systemische Merkmale zum Ausdruck bringt. In der nun folgenden „Reinform“ sind diese Stufen nur schwer zu finden und sie sollen auch weniger als Klassifizierung von Menschen verstanden werden, sondern vielmehr als Formen des Bewusstseins in Menschen. Diese Formen des Bewusstseins, die sich in bestimmten Weltsichten äußern, sind von fließenden Übergängen gekennzeichnet und breit gefächert. Oftmals verwenden Menschen zudem unterschiedliche Wertesysteme in verschiedenen Aspekten ihres Lebens (McIntosh, 2009). Es ist noch anzumerken, dass sich das Modell der Spiral Dynamics immer größer werdender Beliebtheit in Wirtschaft und Politik erfreut. So stehen Politiker wie Bill Clinton und Nelson Mandela in engen Kontakt zu Don Beck, um Strategien der Versöhnung und des Friedens auf der Basis der Spiral Dynamics zu entwickeln. Auch Barack Obama und Al Gore zitieren Ken Wilber bei einigen ihrer Veranstaltungen. 31 Abb. 7: Die Spirale der Entwicklung. (Beck & Cowan, 1995). Jede Bewusstseinsstufe entsteht gewissermaßen als Erwiderung auf die Anforderungen der jeweiligen Zeit. In einer modernen Gesellschaft gibt es andere Herausforderungen als in einer prämodernen Stammesgesellschaft. So ist eine Entwicklungsstufe immer auch als Antwort auf die vorherige Stufe zu sehen, da jede Stufe Probleme hervor bringt, die mit dem Erkenntnisstand der jeweiligen Stufe nicht gelöst werden können. Wie in Abbildung 7 zu sehen ist, wird die Spirale der Entwicklung in Farben und in Form eines Tornados dargestellt. Der Grund dafür ist, dass Beck (1995) ein einfaches und greifbares Modell der menschlichen Natur entwickeln wollte, in dem in einer leicht zugänglichen Form die Darstellung von auftauchenden menschlichen Systemen zu erkennen ist. 2.3.3.1 Die Bedeutung der einzelnen Stufen Beige: Archaisch-instinktiv. Das Grundthema dieser Ebene ist überleben. Alles muss getan werden um zu Überleben, deshalb haben Wasser, Nahrung, Sexualität und Sicherheit absolute Priorität. Ein eigenständiges Selbst ist so gut wie nicht vorhanden. Anzutreffen bei den ersten menschlichen Gemeinschaften, Alzheimerkranken im letzten Stadium, hungernden Massen oder Menschen mit Bombentrauma. Etwa 0,1% der erwachsenen Weltbevölkerung gehören dieser Ebene an, dabei besitzen sie 0% Macht. 32 Purpur: Magisch-animistisch. Das Grundthema dieser Ebene ist die Stammesbindung und die Besänftigung magischer Geister. Blutsverwandtschaft und Riten bestimmen das Leben, ein eigenständiges Selbst ist nicht erlaubt. Auf dieser Ebene der Entwicklung ist der menschliche Verstand stark mit Zauberei, Fruchtbarkeitsriten, Aberglauben und Mythen identifiziert. Anzutreffen in Bereichen der dritten Welt, bei Blutrache, magischen Banden, Sportmannschaften und so genannten „verschworenen Gemeinschaften“. Historisch: Vor etwa 50.000 Jahren war dieses Bewusstseinsstufe „gewissermaßen die Speerspitze der Evolution. Seine außerordentliche Sensitivität und Fähigkeiten erlaubten es den Menschen, sich von Überlebensgruppen zu ethnischen Stämmen weiterzuentwickeln und damit zu beginnen, hoch entwickelte Kulturen von beeindruckender Schönheit und Anmut zu erbauen“ (McIntosh, 2009, S.87). Etwa 5% der erwachsenen Weltbevölkerung gehören heute dieser Ebene an, dabei besitzen sie 1% Macht. Rot: Mächtige Götter. Das Grundthema dieser Ebene ist Selbstbestimmung. Das „Ich“ muss sich entwickeln und reißt sich los vom Stamm; es lebt rücksichtslos seine Bedürfnisse aus. Das „Ich“ nimmt die Welt als einen James-Bond-Ort wahr: Entweder man erobert und beherrscht oder geht gnadenlos unter. Es gibt keine Gefühle von Schuld, man lebt das „Ich“ aus bis zum Äußersten. Anzutreffen in der „Trotzphase“ bei Kindern, in der rebellischen Jugend und ausufernden Rockstars. Der Herr der Fliegen demonstriert sehr anschaulich die Macht von Rot. Historisch: Vor etwa 10.000 Jahren führte diese Bewusstseinsstufe dazu, dass sich die versprengten Stämme zu Stadtstaaten und ersten Reichen zusammen schlossen, wie zum Beispiel bei den Ägyptern, den Azteken, den Mongolen oder den Mayas. Etwa 20% der erwachsenen Weltbevölkerung gehören heute dieser Ebene an, dabei besitzen sie 5% Macht. Blau: Mythische Ordnung. Das Grundthema dieser Ebene zeigt sich im Glauben an einen höheren Sinn des Lebens, man wird von einer höheren und allmächtigen Ordnung bestimmt. Nachdem die verheerenden Folgen des wilden, roten „Ichs“ klar geworden sein, gliedert man sich ein in eine gerechte Ordnung, dessen Befolgung Belohnung und Anerkennung mit sich bringt. Der religiöse Fundamentalismus beruht auf dieser Ebene und auch die Glaubenskriege wurden von der blauen Ebene aus geführt. Anzutreffen bei den Pfadfindern, der „moralischen Mehrheit“ und den großen politischen Parteien (die sich gerade auf Orange weiterentwickeln). Historisch: Vor etwa 3.000 Jahren konnte durch die Kraft einer gemeinsamen Mythologie, ein breiter sozialer Zusammenhalt geschlossen werden. Durch die Mythologie war es möglich, den Sprung von einer egozentrischen zu einer ethnozentrischen Bewusstseinsstufe zu 33 schaffen. Etwa 55% der erwachsenen Weltbevölkerung gehören heute dieser Ebene an, dabei besitzen sie 30% Macht. Orange: Errungenschaften der Wissenschaft. Das Grundthema dieser Ebene ist erfolgreiches und strategisches Handeln um eine Gewinnsituation zu erzielen. Das Herden-Ich der blauen Ebene individualisiert sich. Das Denken und Verhalten ist wissenschaftlich geprägt, man lernt die Ressourcen der Erde auszubeuten, Wettbewerb und Technologie lassen den Kapitalismus sich auf ungeahnte Höhe entwickeln. Anzutreffen in der Aufklärung, Wall Street, im säkularen Humanismus und im liberalen Selbstinteresse. Historisch: Vor etwa 250 Jahren wurde dem nicht-wissenschaftlichen Charakter der Mythen ein Ende gesetzt und damit auch der Unterdrückung vieler Menschen durch die ethnozentrischen Religionen. Es wurden universelle Rechte für die Menschheit eingeführt - so wurde zum Beispiel innerhalb von 100 Jahren die Sklaverei von jeder Industrienation auf der Erde rechtlich abgeschafft und moderne Ideologien tauchten auf. Etwa 15% der erwachsenen Weltbevölkerung (und ca. 30% der amerikanischen und europäischen Bevölkerung) gehören heute dieser Ebene an, dabei besitzen sie 60% Macht. Grün: Das sensible Ich. Das Grundthema dieser Ebene ist der innere Frieden und der Dialog mit der Gemeinschaft. Das materialistische Ich entwickelt sich weiter, befreit sich von seiner Gier und entdeckt Werte wie Gefühle, Fürsorge und Multikulturalismus. Menschenrechte werden verwirklicht und Spiritualität neu entdeckt. Anzutreffen im Postmodernismus, Menschenrechtsbewegung, humanistische Psychologie, Tiefenökologie und der gemeinschaftlichen Suche nach neuen, nachhaltigeren Wegen. Historisch: Vor etwa 60 Jahren begann ein weiterer grundlegender Bewusstseinswandel, der dazu führte, dass Fürsorge, Einfühlungsvermögen und ein Sinn für die Gemeinschaft, sowie ein ökologisches Bewusstsein Einzug in die Gesellschaft hielten und sich dem rationalen Paradigma wiedersetzten. Etwa 5% der erwachsenen Weltbevölkerung (und ca. 24% der amerikanischen und europäischen Bevölkerung) gehören heute dieser Ebene an, dabei besitzen sie 10% Macht. An diesem Punkt in der Geschichte ist es nun möglich einen weiteren Bewusstseinswandel zu vollziehen. Bei all den vorherigen Stufen ist es so, dass jede Stufe von sich behauptet, im Recht zu sein und alle anderen Stufen ausschließen möchte. Mit dem Sprung in das integrale Bewusstsein ist es jedoch möglich, alle vorherigen Bewusstseinsstufen zu integrieren und deren Wert anzuerkennen. 34 Gelb: Integrativ. Das Grundthema dieser Ebene ist es, ein verantwortungsvolles Leben auf der Basis der eigenen Stärken zu leben. Das Leben wird integral gesehen – es wird erkannt, dass alle anderen Ebenen lebensnotwendig für die Entwicklung des Menschen sind. Wissen und Kompetenz treten an die Stelle von reiner Macht und Status - natürliche Hierarchien entstehen. Anzutreffen bei sehr wenigen Menschen auf dieser Erde, vornehmlich visionäre Denker und Entwickler. Etwa 1% der erwachsenen Weltbevölkerung gehören dieser Ebene an, dabei besitzen sie 5% Macht. Eine empirische Arbeit aus dem Jahre 1995, in der 100.000 Fragebögen und Hunderte von Schwerpunktgruppen ausgewertet wurden, ergab, dass es in den USA drei klar bestimmbare Gruppen gab, die als „Traditionelle, Moderne und Kulturell-Kreative“ betitelt wurden (Ray, 1995). Diese drei Gruppen korrelieren eindeutig mit den Ergebnissen der Spiral Dynamics. So entsprechen die „Traditionellen“ der blauen Empfindung gegenüber bürgerlichen Pflichten, also der „moralischen Mehrheit“, die für Werte einsteht wie etwa Loyalität gegenüber Regeln und zentralisierten politischen Autoritäten. Die „Modernen“ entsprechen der orangen Wirtschaftskultur, also dem Streben nach Wohlstand und Status und dem demokratischen Kapitalismus und die „Kulturell-Kreativen“ entsprechen der grünen weltzentrischen Moral, also dem postmodernen Bewusstsein, das die Benachteiligten mit einbeziehen möchte sowie Werte wie Multikulturalismus und Werterelativismus verkörpert (McIntosh, 2009). 2.4 Die Bedeutung der Religion Nach Wilber (2007) kommt nun der Religion eine besondere Rolle zu. Sie ist die Rutschbahn, die die Menschheit durch die verschiedenen Entwicklungsstufen von einer egozentrischen Ich-Identifikation, über eine ethnozentrische Wir-Identifikation zu einer weltzentrischen Identifikation von „wir alle“ führt und dessen muss sie sich bewusst sein. In der heutigen Zeit gibt es nur wenige Institutionen, die durch die magischen und mythischen Entwicklungsstufen führen, da die meisten von ihnen von dem rationalen und pluralistischen Paradigma dominiert sind. Wilber (2007) nennt die Ergebnisse einer Studie, nach der drei von vier amerikanische Studenten beten, sie sich jedoch in der misslichen Lage befinden, entweder ihren christlichen Glauben zu verleugnen, da die Professoren (die sich vornehmlich auf der Entwicklungsstufen des Relativismus und Pluralismus befinden) sich über ihren Glauben lustig machen oder sich dem naturwissenschaftlichen Paradigma zu beugen. Wilber 35 (2007) nennt dies auch die Antriebskraft der Terroristen: In einer technologischen Welt des maximalen Gewinns ist kein Platz mehr für fundamentale, konventionelle Glaubenssätze. Nur entscheiden sich Terroristen anders als die Studenten, die angaben, eben heimlich zu beten. Die Lösung besteht nach Wilber (2007) darin, die Religionen als Förderband für das menschliche Wachstum zu erkennen. In jeder Religion gibt es eine rote (egozentrische) Version von Christus oder Buddha, eine blaue (ethnozentrische) und eine gelbe (weltzentrische) Version von Buddha, Christus oder Mohammed. Die Entwicklungsstufen sind da, jedes Kind durchläuft eine Entwicklung von archaischen Instinkten über magischen Glauben zu mythischen Weltbildern. Doch diese Entwicklungsstufen können nicht in einem rationalen System entwickelt werden, dazu braucht es mythisch-religiöse Systeme, die dazu noch in der Lage sind, die weitere Entwicklung zu Orange (Rationalität) und Grün (sozialer Konstruktivismus) zu sanktionieren, ohne dabei ihre Frühform zu verlieren. Terroristen akzeptieren das westliche orange-rationale Denken nicht, weil es die Stufen von purpur-mystisch zu blau-mythisch verleugnet und ins lächerliche zieht. Durch die Analyse von Huntington (2002) lässt sich jedoch erkennen, dass sich 70% der Weltbevölkerung auf den Stufen einer egozentrischen bis ethnozentrischen Weltsicht befindet. Diese 70% der Weltbevölkerung werden von den Religionen erreicht, sie hüten sozusagen das prärationale Erbe der Menschheit. Diese 70% der Weltbevölkerung reagieren nicht auf die Sprache der Wissenschaft, der Rationalität und der Aufklärung. Für Führungskräfte, die immer mehr global und international agieren müssen bedeutet dies eine Erweiterung ihres strategischen Denkens: Die Probleme der Welt, der Klimawandel, der fortschreitende Hunger und die wachsende Armut machen es vermehrt unumgänglich, dass eine Sprache gefunden wird, mit der man Kontakt zu allen Teilen der Weltbevölkerung aufnehmen kann. Der Klimagipfel in Kopenhagen scheiterte unter anderem auch daran, keine gemeinsame Sprache gefunden zu haben. Wenn sich Menschen mit rationalen Werten auf der einen Seite und mythischen Werten auf der anderen Seite gegenübersitzen und sie sich der Tatsache nicht bewusst sind, dass sie verschiedene Werte haben, die aber alle ihre Berechtigung haben, wird es schwer, einen gemeinsamen Nenner zu finden. Im Gegensatz zu den modernen Wissenschaften wie Medizin, Jura, Physik oder Biochemie, die alle ihre mythische und mystische Frühformen, wie etwa Astrologie oder Geisterbeschwörungen abgelegt haben, sind die Religionen in der Lage die Stufen der Rationalität und der Multikulturalität in die Gesellschaft zu integrieren (Wilber, 2005). 36 Zu ähnlichen Schlussfolgerungen kommt auch das Forschungsprogramm des WorldwatchInstituts, das mit seinen Berichten „Zur Lage der Welt“ zu den renommiertesten Beobachtern globaler Entwicklung und Trends gehört. So bilden sich seit einigen Jahren neue Bündnisse zwischen Religion, Wissenschaft und Politik. Das Worldwatch-Institut geht davon aus, dass der Kurswechsel zu einer nachhaltigen, globalen Entwicklung nur gelingen kann, wenn Religionen Mitverantwortung übernehmen. Es gibt verschiedene Qualitäten und Machtfaktoren der Religionen, die als unverzichtbare Quelle der Zukunftsverantwortung gesehen werden. So benennt Gardner (2003) die Fähigkeit zur Sinnstiftung durch Gestaltung und Interpretation von Weltanschauung als einen Punkt. Zudem besitzen die Religionen eine moralische Autorität außerhalb der säkularisierten westlichen Gesellschaften, sowie die Fähigkeit zur Bildung von Gemeinschaften. Auch die materiellen Mittel dürfen nicht unterschätzt werden, da Religionsgemeinschaften 7% der bewohnbaren Erdoberfläche in ihren Besitz wähnen. Habermas (2001) sieht in unserer postsäkularen Zeit eine starke Renaissance von Ethik und Religion, die sich unter anderem in einem deutlichen Erwartungsdruck an die Kirchen und ihre ethische und spirituelle Kompetenz äußert. Dabei steht außer Frage, dass sich die Kirchen in einem offenen interdisziplinären und interreligiösen Gespräch über das Naturverständnis und Menschenbild stellen müssen. Ansonsten kann es leicht geschehen, dass wieder nur kirchliche Worthülsen von sich gegeben werden, die nicht zu einer kritischen Analyse der Situation führen. 2.5 Integraler Buddhismus Abschließend möchte ich noch meine Meinung bezüglich eines Integralen Buddhismus darstellen. Auch Religionen müssen sich weiter entwickeln. Gerade der Buddhismus, der gerade dabei ist, seinen Platz in der westlichen Gesellschaft zu finden, könnte von einer inhaltlichen und strukturellen Veränderung immens profitieren. Wie in Kapitel 3 zu sehen sein wird, hat sich die buddhistische Lehre bislang immer der Kultur des Landes angepasst, in die er sich integriert hat. So entwickelte sich in Tibet aus dem Zusammenschluss der buddhistischen Lehre und der ursprünglichen Bön Religion der tibetische Buddhismus. Und in China fanden die buddhistische Lehre und der Daoismus zusammen und formten den ZEN Buddhismus. Wie könnte demnach eine westliche Form des Buddhismus aussehen? Ein Integraler Buddhismus würde die Errungenschaften der Moderne, vorrangig der Wissenschaften, integrieren. Dies könnte einen großen Vorteil gegenüber der traditionellen 37 Kirche darstellen, die sich in großen Teilen immer noch in einem prämodernen Weltverständnis bewegt und damit immer weniger Menschen erreicht. Auch stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, ob die Kirchen überhaupt in der Lage sind, in den hochkomplexen, postmodernen Strukturen wirksam Verantwortung übernehmen zu können Schramm (2000). Welche Eigenschaften also würden einen Integralen Buddhismus charakterisieren? 1) Ein Integraler Buddhismus wäre in der Lage, das Bedürfnis einer breiten Bevölkerungsschicht nach einer mythischen Ordnung zu erfüllen, in dem er zum Beispiel auf seine Wiedergeburtslehre und seine mythischen Archetypen verweist. 2) Ein Integraler Buddhismus würde sich den Anforderungen einer rationalen Wissenschaft stellen und seine Konzepte auf einer soliden theoretischen Grundlage formulieren und empirische, qualitative wie quantitative Forschung betreiben. 3) Ein Integraler Buddhismus würde einen Dialog mit den verschiedensten kulturellen Gemeinschaften suchen und sich mit ihnen gemeinsam auf die Suche nach neuen und nachhaltigeren Wegen machen. 4) Und ein Integraler Buddhismus würde ganz entschieden die Notwenigkeit anderer Glaubenssysteme, wie etwa den Naturwissenschaften oder anderer Religionen anerkennen mit ihnen zusammen arbeiten. Die integrale Theorie ist vielseitig anwendbar und theoretisch in allen Bereichen des Lebens anwendbar. Gerade bei der Beschäftigung mit dem Buddhismus bietet es sich an, einen erweiterten Standpunkt einzunehmen, da sonst einige Stolpersteine übersehen werden können. Ein Stolperstein ist zum Beispiel die einseitige Beschäftigung mit sich selbst. Der Buddhismus bietet viele Methoden an, um das individuelle Bewusstsein kennen zu lernen und positiv zu verändern. Dadurch kann es geschehen, dass andere wichtige Bereiche des Lebens vergessen werden. Wenn die Aufmerksamkeit dahin geht, sich nur noch mit sich selbst auseinander zu setzen und die Belange der Gesellschaft dabei aus den Augen verloren werden, kann der Buddhismus in negativer Weise systemstützend wirken (Zizek, 2002). Gerade wenn man durch einen zu einfältigen Karma-Glauben nur mehr die Schuld für die individuellen Schwierigkeiten bei sich sucht, anstatt auch die äußeren Umstände in Betracht zu ziehen, ist äußerste Vorsicht angebracht. Eine integrale Perspektive kann dieser Entwicklung entgegensteuern, da diese die Ausgewogenheit der individuellen und kollektiven Sphären betont. 38 Ein weiterer Punkt ist die Entdeckung der Entwicklungsstufen und der Entwicklungslinien. Wie Wilber (2007) betont, ist es nicht möglich allein durch die buddhistische Praxis, die verdrängten und unbewussten Anteile eines Menschen zu entdecken und zu integrieren. So kann es durch die buddhistische Praxis vorkommen, dass manche Entwicklungslinien, wie zum Beispiel die ästhetische, die soziale oder die spirituelle Entwicklungslinie besonders gefördert und entwickelt werden. Andere Entwicklungslinien wiederum befinden sich dagegen noch auf einer präkonventionellen oder egozentrischen Stufe, wie zum Beispiel die psychosexuelle oder die moralische Entwicklungslinie. Dies könnte sich dann so äußern, dass zum Beispiel ein profunder buddhistischer Lehrer ein unangemessenes Sexualverhalten an den Tag legt. 2.6 Kritik am Integralen Ansatz Der Integrale Ansatz hat den Anspruch, Lösungsansätze für komplexe Problemstellungen zu ermöglichen. dabei werden eine Vielzahl von Theorien integriert und in einem neuen Rahmen zusammen geführt, um die Begrenztheit der einzelnen Theorien zu durchbrechen. Diese Herangehensweise wird von Vertretern einzelner Theorien und Fachdisziplinen kritisiert, da die Einbeziehung in größere Gesamtzusammenhänge zum Teil beliebig seien und somit nur von einer Teilkenntnis der einzelnen Disziplin ausgegangen werden kann. Auch die Kombination von westlichen und östlichen Ansätzen stößt vielerorts auf Ablehnung. Da jedoch der Integrale Ansatz noch am Anfang seiner Entwicklung und seiner empirischen Sicherung steht, bleibt abzuwarten, ob sich diese Kritik bewahrheiten wird. Auf einen anderen Punkt weist Entwicklungspsychologe Kegan (1994), einer der Professoren des Integralen Instituts und der Harvard Universität selbst hin. Manche Ergebnisse der Entwicklungspsychologie können berechtigtes Misstrauen hervorrufen, da sie ja postulieren, es gibt etwas, dass entwickelter oder fortgeschrittener ist als etwas anderes. Hier ist es tatsächlich wichtig zu überprüfen, ob dies der Realität entspricht, oder ob diese Theorie eventuell von einer Gruppe benutzt wird, um missbräuchlich Macht anzuwenden oder sich vorteilhafte Positionen zu sichern. 39 3 Theorieteil 3.1 Die historische Person Buddha Der historische Buddha wurde etwa 560 v. Chr. in Lumbini, Nordindien, als Sohn eines wohlhabenden Fürsten des Adelsgeschlecht Gautama, geboren. Der Fürstensohn mit dem Namen Siddhartha Gautama wuchs in verhältnismäßig luxuriösen Umständen auf und wurde mit 16 Jahren mit der Prinzessin Yashodhara vermählt (Schumann, 1976, Goldstein, 2002). Obwohl er mit seiner Frau viele spirituelle Einsichten teilen konnte, fühlte Siddhartha sich immer unbehaglicher und unbefriedigter von dem Palastleben (Hanh, 1991). Mit 29 Jahren, nach der Geburt seines einzigen Sohnes, begegnete er der Legende nach, auf verschiedenen Ausflügen in die Umgebung, einem Greis, einem Kranken, einem Sterbenden und einem Asketen. Schmerzhaft wurde ihm die Vergänglichkeit und das unüberwindbare Leiden des Lebens bewusst, vor dem ihm selbst sein Reichtum und unbeschwertes Leben nicht schützen konnte. Einzig die gleichmütige Haltung des Asketen schien ihm eine adäquate Haltung dem Leben gegenüber zu sein (Schumann, 1976, Goldstein, 2002). Diese Erfahrungen mit Alter, Krankheit und Tod erweckten in Siddhartha Fragen über das Leben und das Leiden und erweckten zugleich tiefes Mitgefühl für alle Menschen in ihm, so dass er beschloss, das Leben eines Asketen zu führen, um Antworten auf seine Fragen zu finden (Bechert & Gombrich, 1989). Er schloss sich der religiösen Freiheitsbewegung an, einem friedlichen, spirituellen Aufbruch, „der die vedische Opfertheologie links liegen ließ und die Wahrheit auf neuen Wegen, darunter etlichen Holzwegen, suchte. Tausende Menschen aller Kasten, vorwiegend Nicht-Brahmanen, brachen mit dem bürgerlichen Leben, verließen ihre Bambushütten und wurden Samanas: besitz- und lastenlose, zölibatäre, sich allein durch ihre Ernsthaftigkeit legitimierende Bettelmönche, die in Spekulationen und Übungen außerhalb des orthodoxen Rahmens ihr Heil suchten“ (Schumann, 1976, S.19). Siddhartha wurde zuerst Schüler zweier Lehrer, einmal von Alara Kalama, der eine Art YogaTrance lehrte und dann von Uddaka Ramaputta, der ihm ebenfalls tiefe Trance- und Meditationszustände beibrachte. Nachdem er diese meditativen Stufen und auch die philosophischen Systeme seiner Zeit jedoch gemeistert hatte, ohne die ersehnte Erlösung zu finden, wandte er sich von seinen Lehrern ab und unterzog sich in den nächsten sechs Jahren einer extremen, weit verbreiteten Askese. Nachdem er sich fast bis zum Tode gehungert hatte und noch immer keine Antworten auf seine Fragen über das Leben und das Leiden gefunden hatte, erkannte er, dass Fanatismus nicht der Weg sein könne (Schumann, 1976). 40 Da Siddhartha nun realisierte, dass weder ein rein weltliches Leben, noch ein rein weltabgewandtes Leben zu Leiderlösung führten, beschritt er fortan den so genannten „Mittleren Weg“: „Beide Extreme, so führte er (Buddha, Anm. d. A.) aus, sind gleichermaßen von Übel: Die Hingabe an Sinnesfreuden einer- und die Kasteiung andererseits; die richtige Methode liegt zwischen diesen Verhaltensweisen im „Mittleren Wege“ (Schumann, 1976, S. 23). Siddhartha erkannte, dass alles Entstandene dem Wandel und der Vergänglichkeit unterworfen ist und dass er, wie alle anderen Menschen auch, von einer falschen Sichtweise beherrscht worden ist, nämlich der eines eigenständigen und inhärenten Selbst. Stattdessen entstehen die Dinge in Abhängigkeit voneinander, keines kann ohne das andere sein und das ganze Leid dieser Welt entspringt der Tatsache, dass die Menschen dieser Illusion eines selbstständigen, eigenständigen Selbst nachhängen und sich daran klammern und es mit aller Kraft verteidigen (Hanh, 1991; Hart, 1996). Und „dieses Anhaften an eine nichtreale Vorstellung, die man von sich selbst hat, an etwas, das sich in Wirklichkeit fortwährend verändert, ist Leiden“ (Hart, 1996, S.59). Im Alter von 35 Jahren erlangte Siddharta die Erleuchtung, wurde ein „Buddha“ (s.u.), ein „Erwachter“ und begann den „Dharma“ 3 zu lehren: „Er lehrte die Wahrheit vom Leiden, seinen Ursachen, seiner Beendigung und vom Weg dorthin. In 84000 Lehrreden (eine Zahl, die im alten Indien symbolisch für „sehr viele“ steht) legte Buddha teils in einfacher, teils in subtiler Weise die tiefere Bedeutung des Dharma dar. Seine Belehrungen richteten sich immer an die Menschen, die gerade vor ihm saßen und passten sich deren Temperament und geistigen Fähigkeiten an. Daher findet sich in Buddhas Lehren eine unendliche Zahl von „geschickten Mitteln“, die wir auf unserer spirituellen Reise gebrauchen können“ (Goldstein, 2002, S.31). Der Begriff „Buddha“ bezeichnet einen Geisteszustand, den jeder Mensch erreichen kann. Jeder Mensch hat das Potential einen Geisteszustand zu erlangen, der frei von emotionalen und kognitiven Trübungen ist. Das tibetische Wort für Buddha „Sangye“ bedeutet deshalb auch „völlig frei und mit allen Qualitäten“ (Jigme Rinpoche, 2006). Der Begriff „Buddhismus“ ist dagegen eine europäische Erfindung aus dem 18. Jahrhundert, der geschaffen wurde, um diesem Phänomen einen Namen zu geben. In Asien bezeichnete Buddhisten sich als „Dharma Praktizierende“, also Praktizierende nach der Lehre Buddhas (Lopez, 2005). 3 Dharma lässt sich übersetzen mit „Naturgesetz von Geist und Körper“ (Goldstein, 2002). 41 3.2 Geschichte Buddhismus Der Buddhismus entstand in einem kulturellen Raum, der hauptsächlich vom Brahmanismus mit einem ausgedehnten Opferkult ausgefüllt war und sowohl das familiäre, als auch das staatliche Leben beherrschte. Der Buddhismus zeigte dabei von Anfang an reformierende Tendenzen, die das Opferritual4 , sowie den magischen Götterglauben negierten. Buddha verglich zudem die Herrscher und Könige eines Landes mit Giftschlangen, von denen man sich fern zu halten habe. Außerdem erteilte er dem Kastensystem eine Absage, indem er das Wertesystem der altindischen Gliederung der Gesellschaft in soziale Hierarchien aufhob. Er tat das jedoch nicht, um den ausgebeuteten Massen der Bauern und Handwerkern eine Stimme zu sein, vielmehr ergaben sie sich logisch aus den Inhalten der buddhistischen Lehre. Auch lag es Buddha fern, eine Philosophie zu schaffen, da er das Nachdenken über die Ewigkeit und der Weltschöpfung ablehnte. Seiner Meinung nach konnte man diese Fragen nicht befriedigend erklären und sie lenkten die Menschen davon ab, einen irdischen Frieden erlangen zu wollen. Daher lehrte Buddha ausschließlich, wie man die Leidhaftigkeit, die das Leben in der Welt bestimmen würde, überwinden könne. Der Erfolg der buddhistischen Lehre gründete sich auch in der damaligen wirtschaftlichen Entwicklung Indiens. Immer mehr Menschen setzten sich mit der priesterlichen brahmanischen Orthodoxie auseinander und lehnten den Machtmissbrauch der priesterlichen Kaste ab. 3.2.1 Die Post-Buddha-Ära „Alle Phänomene sind vergänglich. Übet ohne unterlass“ (vgl. Schumann, 1976) waren die letzten Worte des Buddhas, als er nach 45 Jahren des Lehrens in Kushinagar, dem heutigen Bundesstaat Uttar Pradesh verstarb. Mit diesen Worten wollte er den Praktizierenden verdeutlichen, dass sie nicht ihm, sondern der Lehre folgen sollten. Aus diesem Grund bestimmte Buddha auch keinen Nachfolger, einzig die Lehre, den Dharma, ließ er als alleinige Autorität gelten (Schumann, 1976, Hanh, 1991). So wurde es nach seinem Tod notwendig, seine Lehren schriftlich festzuhalten. 4 Es wurden hauptsächlich Tiere geopfert. 42 In drei Mönchskonzilen5 wurden die vielen Lehrreden Buddhas geordnet und in so genannte Körbe6 (Tipitaka) eingeteilt. Der erste Korb (Vinaya-Pitaka) enthält die Ordensregeln und historisches Material über den Buddha, der zweite Korb (Sutta-Pitaka) umfasst die Lehrreden Buddhas, der dritte Korb (Abhidhamma-Pitaka) analysiert alle Hauptbegriffe des Buddhas und enthält Schematisierungen der Lehre (Schumann, 1976; Gruber, 1999). Bis zum dritten Konzil kann man von einer buddhistischen Urgemeinde sprechen, die sich dann jedoch spaltete, zum einen in die Gruppe der Theravada7 Buddhisten, welche für sich beanspruchten, die unverfälschte Tradition des Buddhismusses zu vermitteln und zum anderen in die Gruppe der Mahasanghikas 8, die sich gegen das Ideal des weltüberlegenden Heiligen wandten. Sie bevorzugten die Vorstellung des weltzugewandten Bodhisattvas, der auch weltlichen Versuchungen ausgesetzt war (Schumann, 1976). Ein Bodhisattva gilt als ein Wesen, dass sich dem Pfad der Erleuchtung verpflichtet hat, und dem Wohle aller fühlenden Wesen dient (Khema, 1997, 1998). Aus dieser Spaltung heraus entstanden letztendlich die in den westlichen Ländern bekannten buddhistischen Richtungen Hinayana und Mahayana Buddhismus. 3.2.2 Theravada-Buddhismus Das Befreiungsziel des Theravada ist die Erkenntnis und Wahrnehmung der „Drei Daseinsmerkmale“: 1) Dukkha: Das Leben ist leidhaft, da alles dem Wandel unterworfen ist, nichts kann uns wirklich und dauerhaft glücklich und zufrieden machen, da alle Dinge vergänglich sind. 2) Anicca: Das Leben ist wie ein Fluss, unbeständig und fortwährend in Bewegung. 3) Anatta: Das einzelne Selbst ist lediglich ein Phantom. Ausdrücke wie Seele und Ich sollen dem Menschen das Gefühl einer dauerhaften Existenz vermitteln, die jedoch nicht gegeben ist (Chopra, 2007). Eine der zentralen Lehren des Theravada-Buddhismus ist dabei die Lehre von Anatta, die man mit „Nicht-Selbst“ übersetzen kann. Diese Lehre besagt, dass nichts am Menschen die Das erste Konzil fand vier Monate nach Buddhas Tod, etwa 483 v. Chr., das zweite Konzil 383 v. Chr. und das dritte Konzil im Jahre 253 v. Chr. statt. 5 „Der Ausdruck rührt daher, daß die auf getrockneten Palmblätter geritzten oder geschriebenen Texte in Körben aufbewahrt wurden, welche die zusammengehörigen Bücher in sich vereinigten“ (Schumann, 1976, S. 57). 6 „Anhänger der Lehre der Alten“, d.h. sie beziehen sich auf die ursprünglichen, überlieferten Worte des historischen Buddha. 7 „Die Große Gemeinde“, welche Neuerungen im Korb der Ordenszucht vornehmen wollte, welche jedoch abgelehnt wurden. 43 8 Merkmale einer festen Seele aufweist. Das Phänomen des Erlebens eines Geistes entsteht durch fünf Aggregate, so genannte Skandhas. Diese fünf Aggregate unterteilen sich in Körper, Empfindung, Wahrnehmung, Geistesregungen und Bewusstsein (Schumann, 1976). Mit Körper ist der materielle Körper, sowie die sechs Sinnesorgane9 gemäß der buddhistischen Lehre gemeint. Empfindungen werden unterteilt in angenehme, unangenehme und neutrale Empfindungen, die durch die Berührung des Körpers mit der äußeren Welt entstehen. Wahrnehmungen entstehen zwar ebenfalls durch die Berührung des Körpers mit der äußerlichen Welt, sind aber komplexer und aktiver als Empfindungen. Sie umfassen dabei die Wahrnehmungen, die man als Farben, Töne oder Bilder aufnimmt. Geistesregungen entwickeln sich durch die Interpretation der Wahrnehmungen und Empfindungen. Hier entstehen die menschlichen Vorstellungen, die Begierden, Sehnsüchte und Tatabsichten. Das Bewusstsein ist eine Reaktion auf die Wahrnehmung und Interpretation der Erscheinungen. Hier ist es wichtig anzumerken, dass Bewusstsein, oder das „Selbst“ nicht dadurch entsteht, dass die äußere Welt erfasst wird, sondern vielmehr dadurch, dass die Außenwelt in einem selbst entsteht. Die Skandhas bedingen sich gegenseitig und sind, wie alle Phänomene, dem Wandel und der Vergänglichkeit unterworfen (Gruber, 1999). Sie besitzen keine Eigennatur, vielmehr erzeugen sie durch ihre Kombination die Illusion eines abgetrennten, greifenden und begehrenden Ich oder Selbst (Wilber, 1995). Die Praxis der Meditation „soll dem Meditierenden zeigen, dass die Skandhas, obgleich sie für sich genommen, durchaus real sind, kein reales und dauerhaftes Ich bzw. Selbst darstellen oder hervorbringen, sondern lediglich einzelne und augenblickliche Elemente der Erfahrung sind. Diese Entdeckung befreit gleichzeitig von dem Schmerz oder Leiden (Dukkha), das daraus entsteht, ständig eine Wesenheit zu verteidigen, die gar nicht vorhanden ist“ (Wilber, 1995, S. 750). Die fünf Skandhas sind ihrer Natur nach nicht leidvoll, sie werden jedoch zur Quelle des Leidens, wenn man sich zu stark mit ihnen identifiziert. Zusammengefasst kann man also sagen, dass nicht das Leben leidhaft ist, sondern das Ergreifen des Lebens (Gruber, 1999). Das Befreiungsziel zu erreichen, bedeutet nach Wilber also die Erkenntnis, dass die Skandhas einzelne und augenblickliche Elemente der Erfahrung sind. Um diese Erkenntnis zu vertiefen, empfiehlt sich im Buddhismus ständige Achtsamkeit (sati) zu praktizieren. 9 Auge, Ohr, Nase, Zunge, Tastsinn und Denkorgan sind die sechs Sinnesorgane der buddhistischen Philosophie. 44 Da der Theravada-Buddhismus sich intensiv auf Theorien und Übungen konzentriert, die dem einzelnen Menschen helfen sollen, wird er auch als „Pfad der persönlichen Befreiung“ bezeichnet (Dalai Lama, 1992). Es ist noch anzumerken, dass Buddha selbst keinerlei spekulative Aussagen über die Existenz einer Seele von sich gab. Die Lehre des Nicht-Selbst ist weder eine Leugnung der subjektiven Erfahrung eines Selbst, noch bedeutet es, dass es überhaupt kein Selbst gibt. Vielmehr verweist Buddha auf die Tatsache des steten Wandels und der Bedingtheit der Phänomene (Gruber, 1999). 3.2.3 Mahayana-Buddhismus Die zweite Strömung des Buddhismus, der Mahayana-Buddhismus, der als Fortsetzung des Theravada-Buddhismus verstanden werden kann, entwickelte sich unter anderem als Reaktion auf den Glauben an die Existenz der Skandhas. Nagarjuna, die nach Buddha einflussreichste Person des Buddhismus, widerlegte jedoch deren Existenz, indem er auf die Tatsache der „Leerheit aller Phänomene“ verwies (Wilber, 1995). Die Lehre des Theravada fußt ja unter anderem auf der Erkenntnis, dass jeder Mensch aus sich ständig wandelnden Skandhas zusammengesetzt ist. Nun argumentierte Nagarjuna, dass die Skandhas selbst keine eigenständige Existenz aufweisen können, da sie ebenfalls aus lauter sich wandelnden und vergänglichen Elementen zusammengesetzt seien müssen (Gruber, 1999). „Die absolute Realität (Leere) ist für Nagarjuna vor allem auf radikale Weise nichtdual (advaya) – sie ist weder Selbst noch Nicht-Selbst, weder Atman, noch Anatman, weder dauerhaft noch augenblicklich bzw. fließend. Seine dialektische Analyse versucht zu zeigen, dass alle derartigen Kategorien, da sie zutiefst dualistisch sind, nur als Gegensätze einen Sinn haben und dass sie somit an und für sich betrachtet nichts beinhalten (die Leerheit aller Sichtweisen und aller Phänomene). Diese dialektische Analyse bezieht sich auf alle Dinge, alle Gedanken und alle Kategorien: Sie alle sind wechselseitig voneinander abhängig und somit an und für sich nichtig. Deshalb kann man ihnen eine relative oder phänomenale, jedoch keine absolute oder bedingungslose Wirklichkeit zusprechen“ (Wilber, 1995, S. 752). Aus diesem Grund entwickelte sich im Mahayana-Buddhismus das Bodhisattvaideal. Da alle Phänomene leer von eigenständiger Existenz und somit vollkommen voneinander abhängig sind, macht es keinen Sinn, nur für sich alleine die Erleuchtung anstreben zu wollen. Erst wenn alle Menschen glücklich sind, kann man als Einzelner ebenfalls vollkommen glücklich sein. Darum geht es im Mahayana-Buddhismus darum, Weisheit und Mitgefühl zum Wohle 45 aller Wesen zu entwickeln. Um dies zu erreichen, wird der Zustand der Erleuchtung angestrebt, da man am besten anderen Menschen helfen kann, wenn man nicht mehr in den Fallstricken der Welt verwickelt ist. Der Mahayana-Buddhismus teilt sich nun wiederum in zwei Hauptpfade auf. Der erste Pfad ist der Sutrayana-Pfad, in dem das Studium der buddhistischen Schriften und Meditation die Hauptelemente bilden. Der zweite Pfad ist der Vajrayana-Pfad, der Königspfad im tibetischen Buddhismus (Varela, 2001), der auch als dritte Strömung des Buddhismus und als Fortsetzung des Mahayana-Buddhismus gesehen werden kann. Die Praxis des Vajrayana leitet sich vom tibetischen Schamanismus ab, beinhaltet yogische und tantrische Übungen und konzentriert sich auf feinstoffliche Energiekanäle. Praktiziert werden komplexe Meditations- und Visualisierungstechniken und das Rezitieren von heiligen Silben (Schneider, 1987). Dabei bilden Visualisierungen von Gottheiten, die jeweils verschiedene Aspekte des Buddhas darstellen und die schließlich auch als Form des eigenen Selbst betrachtet werden, eine bedeutende Rolle. Während der Sutrayana-Pfad als ein „Pfad des Weges“ beschrieben wird, da durch das Praktizieren der Sechs Paramitas, Schritt für Schritt der Pfad zur Erleuchtung beschritten wird, nennt man den Vajrayana-Pfad auch „Pfad des Ziels“, da das Ziel, also die Buddhaschaft, schon vorweggenommen wird durch die Visualisationen, in denen man sich als Buddha oder als ein Aspekt des Buddhas erlebt (Dalai Lama, 1991). 3.3 Buddhistische Konzepte Im folgenden geht es darum buddhistische Konzepte vorzustellen, die in allen buddhistischen Traditionen einen zentralen Stellenwert besitzen und daher für jeden Praktizierenden von hoher Bedeutung sind. 3.3.1 Die Vier Edlen Wahrheiten Buddha begann „das Rad des Dharmas zu drehen“ 10, indem er die Vier Edlen Wahrheiten lehrte: „Wer die Erlösung sucht, muss die „Vier Edlen Wahrheiten durchschauen: Vom Leiden; von der Gier (Tanha) als der Ursache des Leidens; von der Aufhebung der Gier als Methode zur Beendigung des Leidens; und vom Achtfachen Pfad der Selbstzucht (Schumann, 1976, S.23). Das Rad des Dharmas, das der Buddha dreimal „drehte“, ist ein Sinnbild der vom Buddha verkündeten Lehren: 1. Die Lehren, denen die Anhänger des Hinayana folgen. 2. Die Lehren, denen die Anhänger des Mahayana folgen und 3. Die Lehren, denen die Anhänger des Vajrayana folgen (Dalai Lama, 1997). 46 10 Die erste edle Wahrheit besagt, dass Leiden existiert. Krankheit, Altern und Tod sind Faktoren denen jeder Mensch unterworfen ist. Unruhe, Angst, Verzweiflung und Sorge keimen zeitweise in jedem Menschen auf. Das liegt daran, dass alle Phänomene einem ständigen Wandel unterworfen sind, Geburt und Tod existiert in jedem Moment, kaum ist etwas entstanden, beginnt es auch schon wieder zu vergehen. Nichts Angenehmes währt ewig (Hanh, 1991). Nach s. H. dem Dalai Lama (1992) gibt es vier Merkmale der Welt: Unbeständigkeit, Leidhaftigkeit, Leerheit und Selbstlosigkeit. Als Beispiel für Unbeständigkeit kann der menschliche Körper dienen, der krank werden und sterben kann, und somit unbeständig ist. Auch Emotionen oder Beziehungen tauchen auf und vergehen wieder. Hier lassen sich viele Beispiele finden, denn die Welt kennzeichnet sich durch ihre Unbeständigkeit. Leidhaftigkeit kann u. a. als mangelnde Selbstbestimmung verstanden werden, der Mensch steht unter dem Einfluss von Faktoren, die sich seiner Kontrolle entziehen. So muss er in der Regel arbeiten, um zu überleben und kann sich dabei nicht immer aussuchen, wie viel oder was er arbeiten möchte. Aus diesem Grund weisen viele Textstellen aus den Lehrreden des Buddhas auch immer wieder auf die glücklichen Umstände unserer Existenz hin, wenn wir einen gesunden Körper haben und in einer Gesellschaft leben, die es uns ermöglicht relativ frei zu leben. Leerheit und Selbstlosigkeit kennzeichnen den Umstand, dass es kein eigenständiges Selbst gibt, beziehungsweise, dass dieses Selbst in einem ständigen Wandel begriffen ist, wie auch die naturwissenschaftliche Psychologie darauf hinweist, „dass das übliche Selbstbild der Menschen als illusionär bezeichnet werden muss“ (Grepmair, 2007, S. 6). Auch Grawe (2004) spricht davon, dass es nicht unser bewusstes Ich sei, welches fühlt, denkt oder sich entscheidet. Vielmehr seien dies Prozesse, die zuvor ohne unser Bewusstsein passiert sind. Die zweite Wahrheit beschäftigt sich mit der Ursache des Leidens. Nach der buddhistischen Psychologie entsteht Leiden, weil wir an etwas „anhaften“. Damit ist gemeint, dass der Mensch sich dem unausweichlichen Wandel aller Dinge nicht stellt, sondern etwas festhalten möchte. Dazu ist es wichtig, den Unterschied zwischen Schmerz und Leid zu erklären. Wir alle erleiden Verluste und verlieren Dinge, die uns sehr lieb und teuer sind. Wir erleben Einsamkeit und Ungewissheit und das schmerzt. Wir weigern uns mit diesem Schmerz in Verbindung zu treten, das ist der Grund für unser Leiden. Wir versuchen den Schmerz aus unserem Leben zu verbannen und verlieren uns in Nebensächlichkeiten. Wir versuchen das 47 Leben zu kontrollieren, damit wir uns gut fühlen können und nicht vom Schmerz heimgesucht werden. Doch alles ist im Wandel, nichts lässt sich festhalten und aus dieser Diskrepanz zwischen der Tatsache des Vergehens aller Dinge und unserem Widerstand dagegen entsteht Leid. (Kornfield, 2008). „In seiner ersten Lehrrede nach seinem Erwachen kennzeichnete der Buddha den Menschen als ein Wesen, das von „Durst“ (Trisna) getrieben ist. Er meinte damit nicht nur den physischen Nahrungsbedarf aller Lebewesen, sondern auch den Durst nach Sein oder Nichtsein, nach Haben-wollen (Gier) und Nicht-haben-wollen (Hass); vor allem aber den Durst nach Ich-sein, nach Abgrenzung, Bestätigung, Verewigung eines Selbst. Buddha nahm damit bereits eine Einsicht vorweg, die auch die moderne Ökonomie und Psychologie leitet. Hier wird der Mensch als ein „Mängelwesen“ beschrieben, als ein Wesen, das durchgehend angetrieben wird von „Bedürfnissen“ und „Trieben“, vom Verlangen nach Nahrung, Kleidung, Behausung und Sexualität“ (Litsch, 2004, S.33). Aus diesem Grund wird in diesem Zusammenhang von den „Drei Wurzelgiften“ gesprochen, mit denen der Mensch auf das Leben im Allgemeinen reagiert: Da ist einmal die Gier (Anhaftung), durch die der Mensch kontinuierlich damit beschäftigt ist, Sachen anzuhäufen und festzuhalten und die ihm dazu dienen sollen, die Illusion eines Selbst aufrecht zu erhalten. Dann ist da der Hass (Abneigung), mit dem wir auf alles reagieren, was eben diese Illusion in Frage stellt. Und zu guter Letzt gibt es die Illusion, die Unfähigkeit des Menschen, die wahre Beschaffenheit der Natur zu erkennen, den ständigen Wandel und die Vergänglichkeit (Kornfield, 2008). Die dritte Wahrheit lehrt dass es einen Weg gibt, der das Leiden aufhebt. Es geht darum, die Wahrheit des Lebens zu verstehen. Den Schmerz können wir nicht aus unserem Leben bannen, aber wir können ihn akzeptieren und annehmen. „Die Wahrheit des Lebens zu verstehen führt zur Aufhebung jeden Kummers, jedes Leids und lässt Frieden und Freude entstehen“ (Hanh, 1991, S.140). Die vierte Wahrheit schließlich zeigt den Weg auf, wie wir das Leiden verhindern können: „Der Weg, den ich entdeckt habe, das ist der Mittlere Weg, der beide Extreme vermeidet, und der die Eigenschaft besitzt, uns zu Einsicht, Befreiung und Frieden zu führen. Dies ist der Edle Achtfache Pfad von Rechtem Verstehen, Rechtem Denken, Rechter Rede, Rechtem Handeln, Rechtem Lebenserwerb, Rechtem Bemühen, Rechter Achtsamkeit und Rechter Konzentration. Diesem Edlen Achtfachen Pfad bin ich gefolgt, und ich habe Weisheit, Befreiung und Frieden verwirklicht“ (Hanh, 1991, S.139). 48 Zusammenfassend kann man die Lehre der Vier Edlen Wahrheiten dahingehend interpretieren, dass die Erste Wahrheit die Krankheit und deren Symptome beschreibt, die Zweite Edle Wahrheit die Diagnose, die Dritte Edle Wahrheit die Möglichkeit einer vollständigen Genesung und die Vierte Edle Wahrheit die zu nehmende Medizin (Buchheld & Walach, 2006). 3.3.2 Der achtfache Pfad Dem Buddhismus zufolge lässt sich der achtfache Pfad in drei Komponenten gliedern (Abb. 8). Die erste Komponente bildet das ethische Verhalten und beinhaltet die Rechte Rede, das Rechte Handeln und den Rechten Lebenserwerb: 1) Rechte Rede bedeutet gewaltfrei zu kommunizieren und dabei auf üble Nachrede und beleidigende Worte zu verzichten. 2) Rechtes Handeln bedeutet, nicht zu töten und keinen Geschlechtsverkehr zu praktizieren, der Leiden auslöst, beispielsweise Geschlechtsverkehr mit einem verheirateten Menschen. 3) Rechter Lebenserwerb heißt, dass man einen Beruf ausübt, der nicht gegen ethische und moralische Regeln verstößt. Die zweite Komponente bildet die Grundlage dafür, einen konzentrierten und gesammelten Geist zu entwickeln und beinhaltet das Rechte Üben, die Rechte Achtsamkeit und die Rechte Vertiefung. 4) Rechtes Üben bedeutet die persönliche Anstrengung, die man täglich unternehmen sollte, um unheilsame Taten zu vermeiden, wie zum Beispiel etwas zu stehlen oder zu lügen. Statt dessen, sollte man eine mitfühlende Haltung kultivieren, die Gutes in die Welt bringt. 5) Rechte Achtsamkeit bedeutet, ein ständiges Gewahrsein über seine Gefühle, Gedanken und Körper. Die Rechte Achtsamkeit wird auch als Herzstück der buddhistischen Praxis bezeichnet und wird deshalb später noch weiter ausgeführt. 6) Rechte Sammlung bedeutet zu meditieren. Denn nur durch tägliche Meditation ist es möglich, den zerstreuten Geist zu bändigen. Als Beispiel für den zerstreuten Geist wird an dieser Stelle oft das Bild eines wilden Affen verwendet, der ruhelos von Ast zu Ast springt und an keiner Stelle verweilen kann. Durch die Meditation wird der Geist von seiner Ruhelosigkeit befreit und kann wieder in Ruhe verweilen. Die dritte Komponente bildet die Weisheit und beinhaltet die Rechte Anschauung und die Rechte Absicht. 49 7) Rechte Anschauung bedeutet, dass man in der Lage ist, die Wahrheit der Vier Edlen Wahrheiten zu erkennen. 8) Rechte Absicht bedeutet, ein friedfertiges Denken zu pflegen, denn nur in einem friedvollen und ruhigen Geist kann Weisheit entstehen. Der achtfache Pfad kann als zeitloses und kulturunabhängiges Geistestraining verstanden werden, das dem Menschen helfen soll, sein Leiden und die Ursachen des Leidens aufzulösen (Gruber, 1999; Hart, 1996). Das Hauptmittel um das Leiden aufzulösen ist dabei die Achtsamkeit. Durch Achtsamkeit ist es möglich, die Unwissenheit zu durchbrechen und Einsicht in die drei Daseinsmerkmale Vergänglichkeit, Ungreifbarkeit und Nichtselbstheit aller Dinge zu erhalten. Achtsamkeit ist in dieser Hinsicht mehr als eine Beobachtungs- oder Konzentrationsfähigkeit, da sie es ermöglicht, die wahre Natur der Dinge zu erkennen (Gruber, 1999). Abb. 8: Der Achtfache Pfad (Wikipedia, keine Autorenkennzeichnung nötig). 3.3.3 Achtsamkeit Die Praxis der Achtsamkeit (engl. „mindfulness“) ist ein Kernelement der buddhistischen Lehre (Nyanaponika, 1980). Die früheste Nennung der Achtsamkeit findet sich in der Vierten Edlen Wahrheit, als Teil des Achtfachen Pfades (Reuster, 2007). Im Westen finden wir Ansätze der Achtsamkeit in Traditionen wie der christlichen Mystik (Buchheld & Walach, 2006). Aber auch Freud (1912) integrierte Elemente, die der Achtsamkeit gleichen. So entspricht die „gleichschwebende Aufmerksamkeit“ des Analytikers der traditionellen Achtsamkeitshaltung. Durch verschiedene Therapieansätze, wie etwa der Mindfulnes-based Stress Reduction, der Acceptance and Commitment Therapie oder der Dialektisch Behavioralen Therapie, vollzieht sich seit einigen Jahren auch eine Integration von 50 Achtsamkeit in unserer modernen Gesellschaft (Heidenreich & Michalak, 2004; Hayes, 2004; Linehan 1993a; 1993b). Dabei findet Achtsamkeit auch immer mehr Beachtung in wirtschaftlichen Organisationen (Walach et al., 2007; Williams, 2006). Gerade bei Führungskräften ist eine Begegnung mit den Grundlagen der Achtsamkeit im Rahmen der ZEN Praxis zu finden (Jäger, 2006; Marquardt & Hummel, 2006). Achtsamkeit bedeutet, sich auf den gegenwärtigen Moment auszurichten und wahrzunehmen, was ist und nicht was sein könnte oder sein soll (Anderssen-Reuster, 2007). Buchheld & Walach (2006) betonen, dass spirituelle Achtsamkeit mehr bedeutet, als die Definition des Duden, der Achtsamkeit als „achtsam sein“ oder „achtsames Verhalten“ bezeichnet. Vielmehr gehe es um „eine bestimmte Art von Aufmerksamkeit - bezogen auf die Erfahrungen des gegenwärtigen Moments, ohne sie bewerten zu wollen oder sich mit ihnen zu identifizieren“ (Buchheld & Walach, 2006, S. 26). Neuropsychologische Erkenntnisse besagen, dass unser Gehirn im Wesentlichen eine eigene Vorstellungswelt aufbaut, die mit dem äußeren Geschehen der Welt nur lose zusammenhängt und überwiegend mit sich selbst beschäftigt ist (Grepmair & Nickel, 2007). Wir nehmen zwar Reize und Informationen auf, aber nur sehr selektiv und interpretativ. Dass was ich sehe, ist nicht das, was tatsächlich ist. Die Aufgabe unseres Gehirns besteht unter anderem darin, aus der Fülle der uns umgebenden Informationen, eine Realität zu konstruieren. Achtsamkeit bedeutet nun, die Fülle von Gedanken, Emotionen und Empfindungen, die sich bei jeder Reizkonfrontation ergeben, einfach nur wahrzunehmen und nicht an ihnen festzuhalten. Es sind nicht die Wahrnehmungen, die uns das Leben schwer machen, sondern die darauf folgenden Gedanken (Grossman, 2006; Hanh, 2001a). Das Festhalten an den Gedanken zeigt sich im Alltagsbewusstsein in einer ständigen Beurteilung und Interpretation der Geschehnisse. Durch bloßes Wahrnehmen und Annehmen der Realität ist man dagegen im Stande, diesen inneren Zensor abzubauen (Hanh, 2001a; Goldstein, 2003). Eine wissenschaftliche Begriffsbeschreibung versuchen Bishop et al. (2004) mit einem ZweiKomponenten-Modell vorzunehmen, indem sie die spezifischen Verhaltensmerkmale und impliziten psychologischen Prozesse der Achtsamkeit beschreiben. Achtsamkeit zeichnet sich demgemäß durch die Selbstregulierung der Aufmerksamkeit und der Einnahme einer bestimmten Haltung gegenüber der momentanen Erfahrung aus. Durch diesen selbstregulierenden Prozess wird die Aufmerksamkeit immer wieder auf den gegenwärtigen Moment gelenkt, wobei auftretende Reize wie Gedanken oder Gefühle nur wahrgenommen werden, ohne an ihnen festzuhalten. 51 Nach Walach (2005) wächst durch die Achtsamkeitsmeditation die kognitive Fähigkeit, mit Belastungen besser umzugehen. Die Entwicklung eines inneren Beobachters, der das Geschehen einfach nur wahrnimmt, ohne vorschnell zu reagieren verhilft dem Meditierenden zu mehr Gleichmut, um auch mit schwierigeren Lebenssituationen besser umgehen zu können. Buddha benennt vielfältige positive Ergebnisse der Achtsamkeitspraxis, einige davon sind: Überwindung von Traurigkeit, Verschwinden von Leiden, Angst und Unzufriedenheit, Auflösung von Verlangen und Abneigung, Unermüdlichkeit, stabiler Körper, Empfindungen von Frieden und Glück (Gruber, 2002). Letztendlich ist das Ziel der Achtsamkeitspraxis die Beendigung des Leidens (Nyanaponika, 2000). Buddha lehrte zu keiner Zeit eine Glaubensreligion oder Philosophie, es ging ihm einzig darum, Mittel zu finden, um das Leid aller fühlenden Wesen zu überwinden (Hart, 1991). 3.3.4 Die Sechs Paramitas Alle Menschen sehnen sich nach Glück und wollen Leid vermeiden (Dalai Lama, 1992, 1997a). Wie durch die Vier Edlen Wahrheiten ersichtlich wird, geht der Buddhismus davon aus, dass Leid durch den Geist und den damit verbundenen Handlungen verursacht wird. „Der Buddha lehrte, dass es keinen mächtigeren Feind gibt als den Geist. (…) Ebenso sagte er, dass der disziplinierte Geist alle vorzüglichen Qualitäten hervorbringt. Quelle und Ursache von Frieden und Glück ist der Geist. Glück entsteht aus heilsamem Handeln, Leid entsteht aus negativem Handeln. Also hängen Leid und Glück davon ab, ob ihr Geist umgewandelt ist oder nicht“ (Dalai Lama, 1997a, S.117). Nachdem Siddhartha Gautama nach langer Meditation die wahre Natur der Wirklichkeit offenbar wurde und er die Ursache allen Leidens verstand und zudem auch wusste, wie man diesem Leiden ein Ende setzen konnte, musste er lachen. Jahre später fragte ihn ein Schüler, warum er denn damals gelacht habe. Siddhartha Gautama, der nun der Buddha genannt wurde, antwortete, „dass er so lange nach der Erleuchtung gesucht hatte und schließlich feststellen musste, dass sie immer schon da gewesen war. Nach all den Bemühungen, Versuchen und Schmerzen erkannte er, dass sich die Welt des Leidens von der Welt der Erleuchtung nur durch einen Wandel in seinem Bewusstsein unterschied“ (Za Rinpoche, 2008). Buddha identifizierte sechs Eigenschaften, die dafür verantwortlich waren diesen Bewusstseinswandel zu erreichen. Diese Eigenschaften benannte er als Selbstlosigkeit, Sittlichkeit, Geduld, Streben, Meditation und Weisheit. Diese sechs Eigenschaften, die auch 52 die sechs Vollkommenheiten (Paramitas) genannt werden, stellen keine Eigenschaften dar, die der Buddha entwickelte oder irgendwie erworben hatte. Vielmehr existierten sie die ganze Zeit in ihm als eine angeborene Eigenschaften, die wir alle besitzen. 1) Selbstlosigkeit oder Großzügigkeit bezeichnet die Bereitschaft materielle und geistige Dinge zu spenden. Zu den materiellen Dingen zählen Geld oder andere materiellen Zuwendungen. Zu den geistigen Zuwendungen zählen anderen Vertrauen zu schenken, sowie freundlich und mitfühlend anderen Menschen gegenüber zu sein. 2) Sittlichkeit oder Rechtes Verhalten kann in fünf ethischen Grundregeln wiedergegeben werden: kein Lebewesen töten oder verletzen, nicht stehlen, kein sexuelles Fehlverhalten, keine Drogen nehmen und nicht lügen. 3) Geduld und Nachsicht bedeutet einzusehen, dass Menschen sich nicht falsch verhalten, weil sie schlechte Menschen sind, sondern aus Unwissenheit. Sie suchen ihr Glück häufig in materiellen Dingen, wo es nicht zu finden ist. Desweiteren hilft es wenn den Menschen bewusst wird, dass nicht nur sie selbst, sondern alle Menschen nach Glück streben. Geduld bedeutet hier, den Fehlern anderer Menschen gegenüber nachsichtig zu sein, da sie nur so handeln, weil sie eigentlich nach Glück streben. 4) Streben oder Ausdauer kann man auch übersetzen mit „ohne Fleiß kein Preis“. Es ist die Erkenntnis, dass nur durch entschlossenes und beharrliches Üben die gewünschten Ziele erreicht werden können. 5) Meditation ist der Weg, die Ich-Illusion aufzuheben und zu erkennen, dass alle Menschen in gegenseitiger Abhängigkeit zueinander stehen. 6) Weisheit schließlich bedeutet, dass man die wahre Natur der Phänomene erkennt. Alle Phänomene werden durch andere Phänomene hervor gebracht und nichts existiert für sich alleine. 3.3.5 Das Nicht-Selbst Vielen Menschen fällt es leicht, Buddhas Lehre der Leidhaftigkeit des Lebens und der Unbeständigkeit aller Dinge anzunehmen. Schwieriger wird es jedoch bei einem zentralen Punkt seiner Lehre, nämlich dem des Nicht-Selbst. Alles was wir sehen, hören, fühlen und erleben ist eine Illusion, nichts ist wirklich, alles Wahrnehmbare ist vergleichbar mit einer Seifenblase, einem Traum (Gendün Rinpoche, 1999). Doch was ist dann die Wirklichkeit? Nach Chopra (2007) erkannte Buddha, dass die Wirklichkeit sich nicht als Ding, als Gefühl oder als Gedanke erfassen lässt. „Die Wirklichkeit ist nichts als die Wirklichkeit. Sie ist die 53 Grundlage des Daseins, die Quelle, aus der alles entspringt. In ganz wenigen Worten: Der Buddhismus tauscht eine Welt unendlicher Projektionen gegen den einzigen Zustand des Seins aus, eine Freiheit, die so vollkommen ist, dass sie ihren Namen weder zu denken noch auszusprechen braucht“ (Chopra, 2007, S. 305). Damit kommen wir meiner Meinung nach zu einer zentralen Herausforderung der die Psychologie und die moderne Wissenschaft gegenübersteht, nämlich der des Bewusstseins. Noch immer hat die Wissenschaft keine Ahnung, was Bewusstsein eigentlich ist. Wenn Materie in bestimmter Form zusammengesetzt ist, taucht urplötzlich Geist auf und Bewusstsein emergiert (Kabat-Zinn, 2006). Doch bedeutet das Vorhandensein von Bewusstsein, dass es ein „Ich“, ein eigenständiges Selbst gibt? Buddha selbst forderte die Menschen auf herauszufinden, ob sie ein individuelles Selbst entdecken können, oder ob das Wahrnehmen eines Selbst nicht nur eine Fehlwahrnehmung ist, ähnlich einer Fata Morgana. Diesem Standpunkt nähern sich auch moderne Biologie und Kognitionswissenschaften an (Kabat-Zinn, 2006). In uns lässt sich kein Selbst finden und wir handeln auch nicht unabhängig. Im Gegenteil ist unser Leben und Erleben durch äußere Einflüsse determiniert (Ouspensky 1991). Nach Kabat-Zinn (2006) wird das „Ich“ von einem Augenblick zum nächsten konstruiert und dekonstruiert. Buddha zufolge ist diese falsche Wahrnehmung nun der Schlüssel zu unserem Leiden und wird deshalb auch als erstes der drei Wurzelgifte genannt. Das Anhaften an dem illusorischen Ich bringt uns dazu, alles daran zu setzen, dass diese Illusion nicht unterbrochen wird. Ständig müssen wir einen Schutzwall errichten, der dieses fragile Selbst schützt. Aus buddhistischer Sicht dagegen beinhaltet das Bewusstsein des Menschen die Qualitäten von Stabilität, Klarheit und Stärke. Der Grund, warum der Mensch diesen natürlichen Zustand nicht erfahren kann ist, dass er durch Emotionen wie Leidenschaft, Aggression oder Ängsten gestört wird, die wiederum aus dem Versuch resultieren, das nicht vorhandene Selbst behaupten und beschützen zu wollen (Khema, 1998). 3.4 Westlicher Buddhismus Die Lehre des Buddha fasst „heute auch im Westen Fuß, und der Prozess der Adaption und Integration hat bereits begonnen. Ähnliche Adaptionsprozesse haben vor einigen Jahrhunderten auch in vielen asiatischen Ländern stattgefunden (Kalu Rinpoche, 1997). Nach Sogyal Rinpoche (2004) stellen sich dem Buddhismus bei diesem Adaptionsprozess einige Herausforderungen. Wie schafft man es, die Essenz des Buddhismus zu erhalten und sie gleichzeitig an das westliche Denken anzupassen? 54 Goldstein (2002) sieht dank der Globalisierung die große Chance, dass die verschiedenen Traditionen sich im Westen gegenseitig befruchten und der westliche Buddhismus schließlich die großen buddhistischen Traditionen vereinen wird. Neben den drei bekannten Richtungen innerhalb des Buddhismus11 könnte sich nach Williams & Queens (1999) eine neue Richtung etablieren, die als Navayana (neues Fahrzeug) oder Lokayana (Weltfahrzeug) bezeichnet werden könnte. Dies ist umso einleuchtender, wenn man berücksichtig, dass der Buddhismus sich bislang in jedem Land den kulturellen Gegebenheiten angepasst hat (Schumann, 1976). Buddhistische Lehrer wie Thich Nhat Hanh oder der Dalai Lama betonen bei jeder Gelegenheit, die Wichtigkeit eines westlichen „angewandten Buddhismus“, der soziale und gesellschaftliche Verantwortung übernimmt (Dalai Lama, 2002, Hanh, 2009). Vor allem in den USA entwickelt sich das Konzept des „engagierten Buddhismus“, der eine gemeinschaftsorientierte und verantwortungsbewusste Position vertritt (Jones, 1993). Chögyam Trungpa (2005) vertrat die Ansicht, dass der Buddhismus als Psychologie in den Westen kommt und ähnlich sieht dies auch William Hart (1996), der den Buddhismus im Westen als eine Art Psychologie begreift. Allione (2009, S. 32) beschreibt ihren Respekt vor der buddhistischen Tradition, „aber in dem Moment, wo sie in den Westen kommt, muss sie sich wandeln, damit ihre Weisheit uns wirklich erreicht und wir nicht einfach nur eine fremde Religion importieren. Die Essenz dieser Tradition muss in unsere eigene Psychologie eindringen, damit sie für Wandel und Erwachen effektiv sein kann.“ Goldstein (2002) vertritt die Ansicht, dass es darum geht, die wesentlichen Punkte zu entdecken, die allen buddhistischen Traditionen gemeinsam sind: „Im einen Dharma des beginnenden westlichen Buddhismus ist Achtsamkeit die Methode, Mitgefühl der Ausdruck und Weisheit die Essenz“ (Goldstein, 2002, S. 27). 3.4.1 Meditation und Achtsamkeit Mit dem Aufkommen der humanistischen Psychotherapien fand auch asiatisches Gedankengut seinen Weg in die westliche Psychologie (Kriz, 2001). Gerade Rogers (1961) betonte die Existenz und Bedeutsamkeit spiritueller Erfahrungen, die er Gipfel- oder Grenzerfahrungen nannte. Ähnliches formulierte Frankl (1987), indem er auf die Notwendigkeit eines spirituellen Sinns wies. Mit der zunehmenden Hinwendung zur subjektiven Erfahrung in den sechziger Jahren begann ein Umdenken in der Psychologie 11 Die drei Richtungen des Buddhismus: Hinayana, Mahayana und Vajrayana (siehe Kapitel 3.2) 55 (Valera, Thompson & Rosch, 1991). Mit der Gründung der Transpersonalen Psychologie hat sich dann auch die so genannte „vierte Kraft“ neben dem Behaviorismus, der Psychoanalyse und der Humanistischen Psychologie gebildet (Quekelberghe, 2005; Walsh & Vaughan, 1985). Die Positiven Psychologie schließlich zeigt heute einen neuen Weg auf, der sich durch die Erforschung von positiven Gefühlszuständen wie Glück und Erfüllung auszeichnet, anstatt sich einzig den dysfunktionalen und pathologischen Aspekten der menschlichen Psyche zuzuwenden (Seligman & Csikszentmihalyi, 2000). In den letzten Jahren ist das Interesse an der Meditation in der Psychologie und den Neurowissenschaften stark gewachsen. Meditation kann dabei als eine Praxis der Selbstregulation verstanden werden, die dabei hilft, mentale Prozesse unter Kontrolle zu bringen. Die geistige Entwicklung, sowie spezifische Fähigkeiten wie Klarheit und Konzentration werden dadurch nachweislich gefördert (Walsh & Shapiro, 2006). Meditation kann deshalb auch als eine Form mentalen Trainings mit Auswirkungen auf kognitiver und emotionaler Ebene verstanden werden. Zudem lassen sich die Veränderungen durch Meditation in nachweisbaren Veränderungen der Hirnfunktionen wahrnehmen (Barinaga, 2003). Meditation hilft dabei Emotionen zu regulieren, beziehungsweise positive Emotionen wieder wahrzunehmen (Ekman et al., 2005; Davidson, 1992). Darüber hinaus können geübte Meditierende im Vergleich zu Nicht-Meditierenden ihre mentalen Vorgänge differenzierter wahrnehmen und darüber berichten. Sie sind in der Lage, eine präzise Auskunft über ihr inneres Erleben zu geben (Lutz & Thompson, 2003). In der Psychotherapie hat Meditation, insbesondere die Form der Achtsamkeit großen Anklang gefunden (Heidenreich & Michalak, 2003). Insbesondere die Entwicklung des Programms der achtsamkeitsbasierten Stressreduktion (MBSR) bringt immer mehr Menschen in Kontakt mit buddhistischen Elementen. 3.4.2. Das MBSR-Programm Um auch nicht-konfessionellen Menschen einen Zugang zu buddhistischen Methoden zu ermöglichen, entwickelte Jon Kabat-Zinn 1979 das verhaltensmedizinische Programm „Mindfulness-Based-Stress-Reduction (MBSR), welches anfänglich Menschen mit chronischen körperlichen Erkrankungen angeboten wurde (Walach, 2005; Kabat-Zinn, 1991, 2006). Heute wird es zudem als Prävention von stressbedingten Erkrankungen und als Hilfe bei der Entwicklung einer gesundheitsförderlichen Lebensführung, auch vermehrt im nicht56 klinischen Kontext angeboten (Kabat-Zinn, 2006). Das MBSR-Programm verbindet verschiedene Übungen wie Sitz- und Gehmeditation aus der buddhistischen Tradition mit einfachen Yoga-Übungen. Auch psychoedukative Elemente sind Bestandteil des Trainings, um damit Achtsamkeit im alltäglichen Handeln zu schulen und das Wohlbefinden zu erhöhen (Meibert et al., 2006a). Auch wenn die Wirkungsweise der Achtsamkeitsmeditation noch nicht genau geklärt ist (Lutz et al. 2004), so belegen mittlerweile zahlreiche Studien die Wirksamkeit eines Achtsamkeitskurses nach Kabat-Zinn, zum Beispiel bei chronischen Schmerzsyndromen, Fibromyalgie, Stress und Bluthochdruck (Bishop, 2002; Carlson, 2004; Shapiro et al. 2005; Grossman et al. 2007). MBSR ist keine Technik um Stress zu vermeiden oder unangenehme Gefühle zu reduzieren (Dunn et al. 1999). Im Gegenteil geht es darum, den momentanen Augenblick so wahrzunehmen, wie er gerade ist. Daraus ergibt sich, dass sich durch das nicht-wertende Wahrnehmen des Augenblicks, unangenehme Gefühle oder Schmerzen deutlich reduzieren (Meibert et al. 2006b). Leiden entsteht, wenn wir versuchen, ungewolltes Erleben zu reduzieren. Dieser Versuch jedoch führt dazu, dass das Leiden aufrechterhalten und dessen Bedeutsamkeit erhöht wird. Diese Erkenntnis führt in der Verhaltenstherapie zu einem neuen Paradigma, der so genannten „Dritten Welle der Verhaltenstherapie“. Es geht nun nicht mehr allein darum, dysfunktionale Schemata und Gedanken zu ändern, sondern die Haltung zu den subjektiven Erfahrungen (Soeder, 2007; Roemer & Orsillo, 2003). Im Allgemeinen beginnt die Achtsamkeitspraxis mit einem Fokus auf die Atmung. „Der Atem ist in jedem Augenblick präsent und ermöglicht es dem Praktizierenden, sich immer wieder im Hier und Jetzt zu verankern. Im Kontakt mit der Atmung zu sein und den Atem zu spüren, kultiviert zunächst Ruhe und Beständigkeit“ (Lehrhaupt, 2007, S. 142). Verankert im gegenwärtigen Moment kann man nun dazu übergehen, die entstehenden Gefühle und Gedanken zu betrachten, ohne sie jedoch zu bewerten. Da es nicht die Situation ist, die den Stress verursacht, sondern die innere Haltung, mit der wir auf die Situation reagieren, können durch Achtsamkeitsmethoden, die ständig ablaufenden Reiz-Reaktions-Muster durchbrochen werden. Viele MBSR-Teilnehmer sprechen von einer enormen Entlastung in ihrem Arbeitsalltag, wenn sich dieser Effekt in ihrem Leben zeigt. So sind sie nicht mehr in ihren festgefahrenen Ansichten und Gewohnheiten gefangen, sondern können sich ihren üblichen Zwängen stellen (Lehrhaupt, 2007). Ein MBSR-Kurs dauert in der Regel acht Wochen. Wöchentlich findet eine drei Stunden dauernde Sitzung statt, in der 6. Woche findet ein ganzer Praxistag statt. Dazu gibt es 57 Hausaufgaben, die täglich etwa eine Stunde in Anspruch nehmen. Zu den Hausaufgaben gehört unter anderem das Schreiben eines Tagebuches, in das die Teilnehmer täglich vorher definierte Erfahrungen notieren und diese Erfahrungen dann unter verschiedenen Aspekten analysieren. Das ermöglicht den Teilnehmern sich selbst und ihre Reaktionen auf eine sensible Weise wahrzunehmen (Lehrhaupt, 2007). Eine weitere formelle Übung ist der BodyScan. Hier wird gelernt, wie man ganz gezielt in Körperteile hineinspürt und ein tiefes Gewahrsein des eigenen Körpers erfährt (Hart, 1996; Kabat-Zinn, 1991). Aufbauend auf dieser körperlichen Wahrnehmung werden Yoga Übungen erlernt. Dabei lernen die Teilnehmer, „ihre Grenzen bewusst zu spüren und die gewohnheitsmäßigen Gedankenmuster wahrzunehmen, die auftauchen, wenn man an eine Grenze stößt, wie z.B. `Streng dich mehr an!´ oder `Das schaffst du nie´ oder `Das kannst du nicht so gut wie die anderen´. Während man die gedanklichen Bewertungen während des Übens wahrnimmt, wird die Achtsamkeit konstant aufrechterhalten. Durch die Achtsamkeit werden Yoga und jede andere Form der Körperarbeit zur Meditation“ (Meibert et al., 2006, S. 170). Schließlich gelangt man zum Kernstück der formalen Achtsamkeitspraxis, der Sitzmeditation. Der Übende kann mit fortschreitender Praxis erkennen, wie alle inneren Empfindungen einem natürlichen Prozess der Vergänglichkeit unterliegen. Dies fördert die Entwicklung eines tiefen inneren Friedens der dazu verhelfen kann, Weisheit und Erkenntnis in sein tägliches Leben zu integrieren (Meibert et. al., 2006). Nach Kabat-Zinn (1991) benötigt der Praktizierende eine bestimmte innere Haltung, um mit den auftauchenden Schwierigkeiten während seiner Achtsamkeitspraxis zurecht zu kommen. Hindernisse wie mangelnde Disziplin, Ungeduld, Erwartungsdruck und Angst machen es notwendig, bestimmte Übungen im Laufe eines Kurses zu entwickeln wie zum Beispiel Nicht-Beurteilen, Geduld, Vertrauen und Nicht-Greifen. Mit Nicht-Beurteilen ist die Fähigkeit gemeint, die Position eines neutralen Beobachters einzunehmen und nicht reflexhaft andere Menschen und Situationen als gut oder schlecht zu kategorisieren. Durch das ständige Einordnen der Phänomene in gut oder schlecht ist man die ganze Zeit damit beschäftigt, Unangenehmes zu vermeiden, sowie Menschen und Situationen aufzusuchen, die einem angenehme Erfahrungen verschaffen. Man ist also abhängig von äußeren Situationen, die sich zumal die ganze Zeit verändern. Geduld ist eine weitere wichtige innere Haltung, die im Rahmen eines MBSR-Programms entwickelt wird. Gerade in Situationen, in denen die Unruhe des Geistes offensichtlich wird ist es wichtig zu wissen, dass alles seine Zeit braucht, um sich zu entwickeln. Viele Teilnehmer eines MBSR-Kurs sind 58 erstaunt, wie viele unangenehme Gefühle und Gedanken während einer Meditation auftauchen können. Vertrauen beinhaltet das Wissen darüber, dass man die Fähigkeiten, die man benötigt, um diesen Herausforderungen stand zu halten, in sich trägt. Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten zu bekommen, bedeutet, sich nicht mehr abhängig von äußeren Autoritäten zu machen, sondern zu lernen, sich selbst wieder mehr zu vertrauen. So lernt man durch Yoga und den Body-Scan die Signale des eigenen Köpers wahrzunehmen und auf die Weisheit des eigenen Körpers zu hören. Nicht-Greifen bedeutet, zu lernen etwas zu tun, ohne etwas zu wollen. Gerade als westliche Menschen sind wir darauf konditioniert, Ziele zu erreichen und etwas erreichen zu wollen. Dadurch wird es für viele Menschen immer schwieriger im Moment zu leben, da sie von einem ständigen Handlungs- und Erfolgsdruck gejagt werden. Im Moment des „NichtGreifens“ kann man lernen, in die Erfahrung des unmittelbaren Augenblicks zu kommen. (Meibert et al., 2006; Shapiro & Schwartz, 1999). 3.4.3 Entheiligung der Achtsamkeit Wenn das westliche Menschenbild als determinierter Roboter definiert wird, dem nicht die Möglichkeit zu einem freien selbstreflektierenden Denken inne wohnt, wie es Hirnforscher wie Gerhard Roth oder Wolf Singer behaupten, hat diese Sichtweise weitreichende Auswirkungen. „Die Entheiligung der Welt hat destruktive Folgen in der Gesellschaft durch einen achtlosen Umgang mit der Welt und den Menschen bis hin zur Zerstörung unserer aller Lebensgrundlagen mit vergifteter Nahrung, Wasser, Luft, mit Klimaänderung, horriblen genetischen Experimenten und wirtschaftlicher Ausbeutung der Welt und der Menschen usw. Wir nehmen auch an, dass die Entheiligung der Welt und des Menschen psychische Störungen herausfordert und den Einzelnen leer zurücklässt (Grepmair et al., 2007, S. 150). Nach Maslow (1943) ist jedoch das Bedürfnis nach Selbstverwirklichung von zentraler Bedeutung und auch Holzkamp (1985) spricht von der Handlungsfähigkeit als erstes menschliches Lebensbedürfnis. Es braucht einen ganzheitlichen Blick, um die Achtsamkeit in das Leben oder in andere psychologische Ansätze zu integrieren. Grossman (2004) gibt zu bedenken, dass ein begrenztes Konzept der Achtsamkeit und eine zu simple Übertragung von Achtsamkeit in westliche Behandlungsansätze die wesentlichen Aspekte der ursprünglichen buddhistischen Achtsamkeit vernachlässigt. Es bedarf einiges mehr, Achtsamkeit erleben zu können, als die 59 bloße, mechanistische Anwendung einiger weniger Achtsamkeitsübungen. Im Gegenteil ist vielmehr die „Förderung eines bestimmten affektiven Geisteszustands unerlässlich. In der buddhistischen Psychologie bedeutet dies die Absicht zu kultivieren, Freundlichkeit, Geduld, Toleranz, Sanftmut, Mitgefühl, nicht-Streben, Akzeptanz und Offenheit zu entwickeln (Grossman, 2004, S. 75). Dann kann als Folge der achtsamen Lebensweise der Alltag gelassener gelebt werden und das Leben Stück für Stück selbstbestimmt zurück gewonnen werden (Meibert et al., 2006a). 3.4.4 Kritische Überlegungen zu buddhistischer Praxis Meditative Techniken können durchaus einen missbräuchlichen Charakter aufweisen. Es gibt Techniken aus der asketischen Form des Theravada Buddhismus, die von Menschen mit zwanghaften Strukturen dazu benutzt werden können, ihre Zwänge in dieser Form auszuleben, anstatt sich mit ihnen konstruktiv auseinanderzusetzen (Petersen, 1997). Der ZEN Buddhismus, mit seinem Fokus auf Rückzug und nicht-verbalisierte Meditation, kann dagegen Menschen mit sozialen Rückzugstendenzen anziehen und ihr unsoziales Verhalten verstärken. Auch ist die Gefahr einer sektenhaften Ausgrenzung gegeben, gerade wenn Menschen mit einem instabilen Selbstwertgefühl ihren Selbstwert damit auffüllen möchten, Teil einer besonderen Gruppe zu sein, die besser ist als andere. Ein weiterer wichtiger Punkt ist der Narzissmus, der von Walach (2000) als der Schatten der Transpersonalen Psychologie bezeichnet wird, also einer Psychologie, die sich mit der Transformation des „Ich“ beschäftigt. Gerade buddhistische Techniken, in denen man sich als Buddha oder als eine Gottheit visualisiert, können von Menschen mit narzisstischen Tendenzen missbräuchlich benutzt werden, um ihr geringes Selbstwertgefühl zu kompensieren (vgl. Lowen, 1984). Unterstützt wird dieser Prozess dadurch, dass in den westlichen Ländern der Narzissmus sich zu einem immer weiter verbreiteten Persönlichkeitsmuster entwickelt (Kernberg, 1996). Rubin (2001) sieht die Gefahr der Abstumpfung der Empfindungen, die zu einer Gleichgültigkeit gegenüber dem Weltgeschehen führen kann, sowie zu psychopathologischen Entwicklungen. So verweist auch Hanh (2001b) darauf, dass Meditation keine Droge sein sollte, die uns unsere konkreten Probleme vergessen lässt. 60 3.4.4.1 Kritische Gedanken über einen Westlichen Buddhismus Wenn westliche Menschen sich buddhistisches Wissen, oder buddhistische Techniken aneignen, können sie das nicht, ohne ihre innere, westliche Kultur mitzunehmen. Das von vielen westlichen Menschen erlebte Schuldgefühl spielt beispielsweise in asiatischen Ländern eine andere Rolle, da die karmische Perspektive diesem Gefühl die Bedeutung nimmt. Ein weiteres Beispiel könnte die Leistungsorientierung, mit der manche westlichen Buddhisten an die Meditation herangehen, sein. „Viele Menschen im Westen eignen sich heute mit großer Hingabe asiatisch-buddhistische Sicht- und Verhaltensweisen an, ja wandern geradezu innerlich in östliche Kulturen aus, ohne die eigene Kultur wie auch die andere ernsthaft zu kennen. Umgekehrt denken, fühlen, handeln dieselben weiter in der abendländisch griechisch-jüdisch-christlichen Kultur, ohne sich dessen bewusst zu sein und sich damit auseinander zu setzen. Ohnehin sind sich die allermeisten Menschen ihrer tiefgreifenden Kulturgeprägtheit kaum bewusst“ (Litsch, 2006, S.3). Auch Vogd (1999) weist darauf hin, dass die buddhistische Praxis bei westlichen Menschen von den traditionellen buddhistischen Normen abweicht und eher zur Selbstfindung benutzt wird. Nach Litsch (2006) hat die unglückliche Vermischung des Buddhismus mit Esoterik und New Age dazu beigetragen, dass der Buddhismus vielerorts mehr als exotischer Life-StyleTrip verstanden wird, denn als ernstzunehmende Psychologie und Philosophie. Viele Menschen benutzen so den Buddhismus, um sich Zeiten der Wellness-Verwöhnung zu gönnen. So sieht auch Zizek (2001) die Gefahr, dass ein westlicher Buddhismus einem Raubtierkapitalismus die nötige Metaphysik liefern kann, indem er sich als Heilmittel gegen die gefährliche Dynamik des Kapitalismus anbietet. Anstatt nun gegen soziale Ungerechtigkeiten vorzugehen kann ein missbräuchlicher Umgang mit dem Buddhismus dazu führen, einen absurden Zustand von inneren Frieden und Gelassenheit zu kultivieren, obwohl die äußeren Umstände eigentlich ein soziales Engagement erfordern. Es ist also deutlich zu sehen, dass ein westlicher Buddhismus erst noch im Entstehen begriffen ist. 61 3.5 Der Berufsalltag im 21. Jahrhundert Es kann davon ausgegangen werden, dass sich die Welt im 21. Jahrhundert grundlegend verändern wird und zwar von einer Industriegesellschaft zu einer mobilen, globalisierten Gesellschaft. Stichworte wie Enttraditionalisierung, Multioptionalität, Individualisierung, Beschleunigung, Flexibilisierung und Deregulierung deuten auf eine Umbruchsphase hin, die vieles verändern wird. Organisatorische Strukturen und regulierte Prozessabläufe sind dabei sich zu verflüssigen und werden teilweise abgelöst durch so genannte „global flows“, also einer andauernden Bewegung von Menschen, Kapital, Gütern und Ideen (Urry, 2000). Den Menschen wird dabei ein enormes Maß an Anpassungsbereitschaft abverlangt. „Gefragt ist das `mobile Subjekt´, der Mensch, der möglichst frei ist von privaten Bindungen und Obligationen und bereit, sich offen und flexibel auf immer neue Anforderungen einzustellen“ (Schneider, et al., 2002, S. 13). Auch nach Voß (1998) befinden sich viele Bereiche der Arbeitswelt in einem tiefgreifenden Strukturwandel. „Ganz egal, ob es um die Deregulierung von Arbeits- und Beschäftigungsverhältnissen auf gesellschaftlicher Ebene geht, um Outsourcing-Strategien, Profitcenter-Konzepte und Hierarchieausdünnungen auf betrieblicher Ebene oder um die Nutzung von Gruppenkonzepten, Projekarbeitsformen und entstandardisierten Arbeitszeiten auf der shop-floor-Ebene, Ziel ist immer, etablierte Strukturen aufzubrechen und mehr oder weniger dauerhaft zu dynamisieren und zu verflüssigen“ (Voß, 1998, S. 474). Bislang verbindliche Regelungen und Begrenzungen werden aufgelöst, hin zu einer größeren Verantwortung des Einzelnen, was zu einer immer größeren Entgrenzung zwischen Arbeit und Privatleben führt, was neue Chancen, aber auch enorme Risiken mit sich bringt (Voß, 1998). Die Balance zwischen den Hauptlebensbereichen Familie und Beruf gilt zwar für immer mehr Menschen als erstrebenswert, erscheint aber immer weniger erreicht werden zu können (Hoff et al., 2005). Die Öffnung von starren Arbeitsstrukturen, Hierarchieabbau, Dezentralisierung und Netzwerkbildung bieten dem Menschen jedoch auch eine Chance für mehr Autonomie, Selbstorganisation und Selbstkontrolle. Die veränderten Arbeitsanforderungen führen zudem zu einer Chance eines lebenslangen Lernens, wodurch sich neue Lerngewohnheiten und neue Formen der Selbstmotivierung bilden können (Plath, 2000). Auf der anderen Seite ist jedoch zu sehen, dass das Aufbrechen der etablierten Strukturen ein enormes Risiko der Überforderung und Demotivierung des Einzelnen in sich birgt. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn nicht mehr über ausreichend Ressourcen verfügt werden kann, wenn durch die 62 Unberechenbarkeit des Arbeitsmarktes keine Fernziele mehr angestrebt, bzw. erreicht werden können und wenn durch Angst vor Kündigung, die Arbeitszeit beträchtlich überschritten wird (Plath, 2000). Diese „Entgrenzung der Arbeitszeit“ bei „exzessiver unregelmäßiger Mehrarbeit“ (vgl. Voß, 1998, S. 480) stellt zudem eine Risikoquelle für ein chronisches Schlafdefizit, dem Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom und dem Burnout dar (Plath, 2000). Es ist also zu sehen, dass immer mehr haltgebende Strukturen, die durch den sozialen Nationalstaat errichtet wurden wegfallen. Zugleich bekommt das Individuum aber auch bislang ungeahnte Optionsspielräume zugewiesen. Sennett (1998) sieht in der Demontage institutioneller Strukturen einen Verlust von langfristigen Bindungen, sowie einer wachsenden Hinnahme einer Fragmentierung. Damit geht der Verlust des Sinnzusammenhangs der beruflichen Tätigkeit einher. Ständig muss das Individuum befürchten in ein Nichts zu fallen, beziehungsweise die vielen Optionen nicht nutzen zu können und somit daran zu scheitern. Das Fehlen von haltenden Systemen und die Oberflächlichkeit der schnelllebigen Teamzusammensetzungen unterstützen diesen Prozess. Beck et al. (1996) sprechen von der Freisetzung des Individuums aus Strukturen und Traditionen, aus denen er bislang seine Identität gebildet hat. Baerwald & Domack (2004) sehen durch den Verlust komplexitätsreduzierender Routinen und Konventionen, also dem Wegfall von haltenden Traditionen, dass das Individuum zunehmend zu eigenverantwortlichen Entscheidungen gezwungen wird. Eine Konsequenz daraus ist die verstärkte Selbstorganisation der Bereiche Arbeit und Nicht-Arbeit. 3.5.1 Allgemeine Belastungen im Berufsalltag Nach Bamberg et al. (2003) lassen sich Belastungen im Beruf systematisieren, in dem Arbeitsstressoren in vier Gruppen eingeteilt werden: 1) Belastungen der Handlungsregulation, wenn zum Beispiel eigene Ziele nicht entwickelt werden können, oder wenn das Wertesystem des Arbeitenden in einen Konflikt mit der Firma gerät, 2) psychosoziale Belastungen, wenn zum Beispiel ein Missverhältnis zwischen geleisteter Arbeit und mangelnder Wertschätzung vorhanden ist, 3) emotionale Belastungen, wenn zum Beispiel Emotionen nicht ausgelebt oder gezeigt werden können und 4) b e d i n g u n g s - u n d p e r s o n e n b e z o g e n e B e l a s t u n g e n , w e n n z u m B e i s p i e l Umgebungsbelastungen wie Lärm auftreten oder sich Ermüdungszustände zeigen. 63 Um die Belastungen im Berufsalltag zu verdeutlichen, lässt sich auch hier das Integrale Modell anwenden. Im individuell-innerlichen Quadranten (OL) bedeutet eine Berufsbelastung, dass zum Beispiel Emotionen nicht ausgelebt oder gezeigt werden können. Im individuell-äußerlichen Quadranten (OR) kann es eine Diskrepanz zwischen den Anforderungen oder dem Handlungsziel und den Kapazitäten oder Kompetenzen des Menschen geben. Im kollektiv-innerlichen Quadranten (UL) können die Werte des Individuums mit den Werten des Unternehmens kollidieren. Und im kollektiv-äußerlichen Quadranten (UR) können die Umgebungsfaktoren wie Lärm oder drohende Arbeitslosigkeit eine starke Belastung darstellen. 3.5.2 Belastungsfolgen Neben kurzfristig auftretenden Belastungsfolgen wie erhöhte Herzfrequenz und Blutdruck, Schlafstörungen, Anspannung, Nervosität, innere Unruhe, Ärger, Wut, Resignation und Frustration (vgl. Reimer, 1994; Udris & Frese, 1999) zeigen sich infolge der Belastungen im Arbeitsalltag auch langfristige Belastungsfolgen. Diese reichen von psychosomatischen Beschwerden bis hin zu Depressivität, Alkohol- und Medikamentenabusus und der so genannten „inneren Kündigung“, einer psychischen Leistungsverweigerung am Arbeitsplatz (Bamberg et al., 2003, Udris & Frese, 1999). Eine weitere berufsspezifische Reaktion auf eine Überforderung am Arbeitsplatz, stellt das Phänomen des „Burnout“ dar (Enzmann & Kleiber, 1989). Burnout kann sich als psychosomatische Störung äußern die sich in Magengeschwüren oder Kopf- und Rückenschmerzen bemerkbar macht. Burnout kann sich jedoch auch bemerkbar machen in einer desinteressierten Haltung Neuem gegenüber, an übertriebenen Selbstzweifel, Ängstlichkeit, Hoffnungslosigkeit, Einsamkeit, Hilflosigkeit, sowie Wut und Ärger (Schmelzer & Pfahler, 1991). Laut dem DAK-Gesundheitsreport 2010 werden über 10 Prozent der krankheitsbedingten Fehltage mittlerweile durch eine psychische Krankheit verursacht. Epidemiologischen Studien zufolge gehören psychische Erkrankungen zu den kostenintensivsten Erkrankungen (DAK, 2010). Trotzdem nimmt nur jeder zehnte Betrieb psychische Erkrankungen wirklich ernst. Dementsprechend wenig finanzielle Mittel werden für entsprechende Frühwarnsysteme oder Präventionsmaßnahmen verwendet, obwohl durch die Ausfalltage enorme wirtschaftliche Kosten entstehen (TÜV SÜD Umfrage, 2010). Der Bundesverband der Betriebskassen veröffentlichte eine Studie, in der der finanzielle Schaden durch psychische Krankheit am Arbeitsplatz auf jährlich 6,3 Milliarden Euro beziffert wurde. 64 In zehn Jahren sollen Depressionen weltweit und in allen Bevölkerungsschichten die zweithäufigste Krankheitsursache sein. Laut Kickbusch (2006) können immer mehr Menschen das Gleichgewicht zwischen Belastungs- und Bewältigungspotentialen nicht mehr aufrecht erhalten und sind davon bedroht, ernsthaft krank zu werden. Nach Santorelli (2002) ist zudem der Stress im Leben eines Menschen deutlich mehr geworden. Dies liegt an den erlebten Gefühlen von Ängstlichkeit, Depressivität und Hilflosigkeit, die angesichts der Beschleunigung von Lebensprozessen auftauchen. Auch die Arbeit selbst ist zum Stressfaktor geworden. Lange Perioden der Rationalisierung und Fusionierung führen zu immer höheren Verlusten von Arbeitsplätzen, dabei verdichten sich Gefühle von Angst und Ungewissheit bei den Einzelnen, da die Zukunft immer mehr als ein unsicherer und bedrohlicher Ort angesehen wird. Zudem wird die innere Anspannung ständig größer, da neben der Notwendigkeit Geld zu verdienen, auch die Bedürfnisse der Partner und Kinder befriedigt werden möchten. Chronischer Stress kann in dieser Phase nicht nur die Arbeitskraft gefährden, sie kann auch zu psychischen und physischen Erkrankungen führen. Dabei ist zu beachten, dass nicht jede Art von Stress gesundheitsschädigend ist (Meibert, et al., 2006b). Wie wir auf Situationen reagieren und wie wir Stress-Situationen verarbeiten, ist abhängig von der Art, wie wir Situationen bewerten und welche Ressourcen wir haben, um mit einer Situation umgehen zu können (Schwarzer, 1993). Erst wenn wir das Gefühl von Bedrohung oder Angst erleben, kann es zu einer Stressreaktion kommen. Stress entsteht demnach als eine Reaktion auf einen auslösenden Moment (Lazarus, 1981). Nach Kaluza (1996) sind es die alltäglichen Probleme und Situationen, die das größte Gesundheitsrisiko darstellen. Dies geschieht letztlich dadurch, dass der moderne Mensch es nicht gelernt hat, sich ausreichend Entspannungsmomente zu verschaffen und es somit zu einer andauernden Stressreaktion kommt. 3.5.3 Belastungsbewältigung im Berufsalltag Wie gut man die modernen Anforderungen im Berufsalltag bewältigen kann, hängt im Wesentlichen von den Ressourcen eines Menschen ab (Frese, 1991; Lazarus & Folkmann, 1984). Ressourcen sind dabei als Faktoren zu verstehen, die Entwicklungspotentiale und Gesundheit fördern und die Handlungsregulation, Selbstorganisation und den Umgang mit Stress unterstützen oder erleichtern (Bamberg et al., 2003). Sind Ressourcen vorhanden, werden komplexe Situationen mehr als Herausforderung erlebt und weniger als tatsächliche Bedrohung. 65 Ressourcen können eingeteilt werden in situative und personale Ressourcen. Zu den situativen Ressourcen zählen äußere Faktoren wie materielle Sicherheit, soziale Unterstützung oder eine intakte Umwelt (Bamberg et al., 2003; Fresse, 1991). Personale Ressourcen hingegen sind innere Faktoren wie etwa Selbstwirksamkeitserwartungen, Kohärenzgefühl, soziale Fertigkeiten, Gesundheit oder Problemlösekompetenzen (Antonovsky, 1997; Bamberg et al., Schwarzer, 1996). Nach Altner (2004) ist die Fähigkeit der achtsamen Selbstwahrnehmung eine Voraussetzung für die bewusste Regulation des Körper-Geist-Organismus. Diese Fähigkeit kann durch gezielte Trainings erworben und ausgebaut werden. So zeigten Roth und Stanley (2002) in einer Studie, dass Teilnehmer eines Achtsamkeitsprogramms weniger medizinische Leistungen in Anspruch nahmen als im Jahr zuvor. Dies kann auf eine nachhaltige Erhöhung der Fähigkeit zur Selbstregulation auf körperlicher und psychischer Ebene hinweisen. Auch konnte nachgewiesen werden, dass durch ein Achtsamkeitstraining eine Steigerung des Selbstwertgefühls stattfindet, also eine Entwicklung der personalen Ressourcen (Roth & Creaser, 1997). Eine weitere wichtige personale Ressource beschreibt Antonovsky (1997) in seinem Konzept des „Sense of Coherence“. Dieses Konzept umfasst drei Fähigkeiten, die dazu beitragen auch bei hohen Belastungen Gesund zu bleiben: Die erste Fähigkeit beinhaltet das Vertrauen darin, dass die Stimuli, die sich im Laufe des Lebens ergeben, strukturiert, vorhersehbar und erklärbar sind. Die zweite Fähigkeit ist das Vertrauen darauf, dass man die notwenigen Ressourcen besitzt, um den Anforderungen, die sich aus diesen Stimuli ergeben, begegnen zu können. Die dritte Fähigkeit schließlich ist das Vertrauen darauf, dass es sich lohnt, diesen Herausforderungen mit Engagement zu begegnen. Auf die Postmoderne übertragen bedeutet dies, dass man sich persönliche Fertigkeiten aneignet, um der ungeheuerlichen Fülle von Informationen und den potenziellen Möglichkeiten die sich daraus ergeben, auf eine gesunde Art begegnen kann. Sack und Lamprecht (1998) zeigen, dass Antonovskys Modell der Stressbewältigung über die Beschränkungen der auf angemessenes Coping-Verhalten abzielenden Modelle hinausgeht. „Der erweiterte salutogenetische Blick schenkt vielmehr auch den weitgefassteren Themen von Bedeutsamkeit und Sinnhaftigkeit Beachtung, die nicht nur bewahrend und sichernd im Falle von Belastung und Anforderung eine Rolle spielen, sondern auch für Entfaltung und Entwicklung der Persönlichkeit sorgen“ (Altner, 2004, S. 603). 66 3.5.3.1 Integral-buddhistische Belastungsbewältigung Zum Abschluss möchte ich noch eine eigene Anschauung einer integral-buddhistischen Belastungsbewältigung darlegen. Es zeichnet sich meiner Meinung nach immer deutlicher ab, dass neue Belastungbewältigungsstrategien integriert werden müssen. Eine integrale Belastungsbewältigung im Berufsalltag zielt darauf ab, den Menschen in seinen individuellen Facetten und Bedürfnissen zu erfassen, sowie seine Verortung im kollektiven Bereich. Im individuellen Bereich bedeutet dies eine Stärkung der persönlichen Kompetenzen, also den schon erwähnten personalen Ressourcen wie Gesundheit, Kohärenzgefühl, Steigerung der Selbstwirksamkeitserwartung und der sozialen Fähigkeiten. Es geht im individuellen Bereich darum, dass sich der Mensch bewusst wird, wo er beruflich steht und wohin er gehen möchte, dass er also realistische Ziele oder Aussichten besitzt und diese verfolgt. Dazu gehört auch die Aneignung der nötigen Kompetenzen und Fähigkeiten in allen relevanten Bereichen des Lebens. Im kollektiven Bereich geht es darum, sich darüber bewusst zu werden, in welcher Gesellschaft man lebt, welche positiven und negativen Ausprägungen diese besitzt und wie man damit umgehen kann und möchte. Wie schon dargestellt, leben wir in einer Zeit der Veränderung, in der etablierte Strukturen aufgebrochen werden, verbindliche Regelungen immer mehr aufgelöst werden und in der er Einzelne immer mehr Verantwortung zu tragen hat. Hier ist es hilfreich, sich klar zu machen, wie man auf diese Veränderung reagieren kann. Immer öfter hört man von der Notwendigkeit, sich in Netzwerken zu engagieren, um auf diese Weise eine Veränderung im kollektiven Bereich zu erzielen. Dazu muss man auch gegen die Trägheit der Masse angehen. Ein Beispiel hierfür ist das Ergebnis einer Studie für die GrünenFraktion im Bundestag (Strauss, 2010), in der aufgedeckt wird, dass die deutschen Stromkonzernen im Jahr 2010 Jahr eine Milliarde Euro zu viel von ihren Kunden kassiert haben. Die stellvertretende Fraktionschefin der Grünen, Bärbel Höhn meinte darauf hin, dass die Bereitschaft der Kunden zum Anbieter-Wechsel einfach nicht groß genug ist und die Kunden somit die Monopolstellung der Stromkonzerne unterstützen. Ein Anbieter-Wechsel ist in der Regel eine Sache von einigen Minuten. Trotzdem reagieren nur relativ wenige Menschen auf solche Nachrichten. Integral betrachtet ist es so, dass eine Verbesserung der Lebenssituation nur dann gelingen kann, wenn die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung die Verantwortung im individuellen und kollektiven Bereich des Lebens übernimmt. 67 Aus buddhistischer Perspektive ist zu sagen, dass eine Belastungsbewältigung auf rein individueller Basis nicht den Kern der buddhistischen Lehre trifft, da die kollektive Dimension ebenso bedeutend ist. Vogd (1999. S. 4) kritisiert, dass „in einer Gesellschaft, in der Individualität und persönliche Leistung zu dem zentralen Wert geworden ist, der gesellschaftlichen Erfolg und Anerkennung garantiert, zu vermuten ist, dass anstelle der nährenden Vergemeinschaftung von Religion nun der Wunsch nach psychotherapeutischer Unterstützung der Individuierung in den Vordergrund tritt. Das Ego muss gestärkt werden, um den Selbstdarstellungszwängen der Postmoderne gerecht zu werden.“ Ähnlich formuliert es der tibetische Buddhist Trungpa (1989) der nach seiner Ankunft in den Westen bemerkte, dass einige der westlichen Menschen, die sich für den Buddhismus interessieren, praktizieren um ihr Ego zu stärken, anstatt es zu transzendieren. Aus dieser Perspektive ist es verständlich, wenn Vogd (1999) zu dem Ergebnis kommt, dass im Westen die buddhistische Praxis grundlegend missverstanden worden ist, indem sie zu einer Art Selbstregulationstechnik, vergleichbar dem Autogenen Training, vereinfacht wurde. Eine buddhistische Belastungsbewältigung bedarf also ebenso einer kollektiven wie individuellen Dimension, wenn sie der Tiefe des Buddhismus gerecht werden will. 3.6 Neue Führungsansätze Unsere Welt befindet sich in einem Übergangsprozess. Eine neue Gesellschaft entsteht mit neuen Spielregeln und Formen. Organisationen und Unternehmen die sich dieser „Revolutionierung“ der Welt nicht anpassen können und nicht in der Lage sind, sich den neuen Problemen und Sichtweisen anzupassen, scheitern gnadenlos. Zugleich nehmen politische Handlungsunfähigkeit und Defizite auf allen Ebenen, wie zum Beispiel dem Haushaltsdefizit ständig zu. Die Post-Industrielle Gesellschaft besteht aus „zunehmend komplexer werdenden Rollen, aus dem Fehlen klar definierter Aufgabenbereiche, aus wechselnden Funktionen, aus fließenden Übergängen, unscharfen Trennungen, aus dem Wechsel der Verantwortlichen von Einzelpersonen zu Teams, aus einem allmählichen Verabschieden von einem Organisationsplan der anhand von `Kästchen und Zuordnungslinien´ die Organisationsstruktur und die Aufbauorganisation des Unternehmens zeigt“ (Weinert, 1998, S.4). Wie sich dieser gesellschaftliche Wandel auch im Führungsverhalten widerspiegelt ist Inhalt dieses Kapitels. Zuvor möchte ich persönlich anmerken, dass die Thematik des Führens durchaus mit Spannung geladen ist. In meiner Zeit als Studentin erlebte ich, wie es in Seminaren hoch her 68 ging, wenn dieses Thema aufkam. Bilder von habgierigen Bankenchefs und millionenschweren Boni wurden vorgebracht und Führung allgemein wurde eher als durchweg unangenehm betrachtet. Meiner Meinung lohnt es sich die Dinge etwas differenzierter zu betrachten. Führung bedeutet nicht nur der Chef einer habgierigen Bank zu sein, wie etwa Richard Fuld, ehemaliger Chef der Lehman Brothers, der in zehn Jahren 500 Millionen Dollar verdiente und dabei durch wilde Spekulationen den internationalen Finanzmarkt erschütterte. Jeder Leiter einer psychotherapeutischen Klinik ist ein Leader und auch jeder mittelständige Unternehmer mit mehreren Angestellten ist in einer Führungsposition. Organisationen und Unternehmen brauchen eine Führung, sonst können sie nicht funktionieren. 3.6.1 Führungsansätze Die Entwicklungsgeschichte der Führungstheorien lässt sich in drei Phasen erläutern. Zum einen gibt es den den Eigenschaftstheoretischen Ansatz, nach dem der Erfolg des Führenden von seinen Eigenschaften abhängt, wie zum Beispiel Sozialkompetenz, Flexibilität, Kreativität und Entscheidungsfreude. Der Verhaltenstheoretische Ansatz, der die Führer-Geführten-Beziehung genauer untersucht, rückt die soziale Interaktion in den Mittelpunkt der Führungsanalyse. Der dritte Ansatz ist der Situationstheoretische Ansatz, bei dem die Frage nach dem Einfluss der Unternehmensumwelt beachtet wird, dass heißt, es geht darum, die Umweltveränderungen bewusst und rechtzeitig wahrzunehmen und daraus dann langfristige Gestaltungsziele abzuleiten (Bea, 2002; 2005). Aus integraler Sicht finde ich es interessant, wie sich hier das Wechselspiel von individuellen und kollektiven Faktoren zeigt. Mittlerweile ist davon auszugehen, dass sich aufgrund der komplexen Aufgaben, derer sich Führungskräfte heute gegenüberstehen, die eigenschaftstheoretischen Ansätze allein nicht mehr ausreichen, da sie keine Aussagen über gemeinsame Ziele und Aufgaben treffen. So wird vermehrt ein Führungskonzept gefordert, das eine ganzheitliche Sichtweise und eine starke Mitarbeiterorientierung pflegt (Schuster, 1986). Um den Anforderungen der heutigen Zeit gerecht zu werden, tauchen also vermehrt die so genannten „Neuen Führungsmodelle“ auf (Bryman, 1996). Die Führungskraft im Informationszeitalter weist andere Charakteristika auf als die Führungskraft im Industriezeitalter. So sieht Tauber (2006), dass die neue Führungskraft ein ständiges Vorbild für seine Mitarbeiter sein und die Dinge persönlich verkörpern muss, die sie von seinen 69 Mitarbeitern verlangt. Das umfasst Eigenschaften wie Integrität, Wahrhaftigkeit und Authentizität, sowie die Fähigkeit eigenverantwortlich zu handeln und nicht die Schuld bei anderen zu suchen. Neue Führungskräfte wollen ihre Mitarbeiter inspirieren, anstatt lediglich Leistung von ihnen zu erwarten. Sie erkennen die Potentiale und Talente ihrer Mitarbeiter und verstehen es, diese zu fördern. Als Schlüsselqualifikation wird sich die Kommunikationskompetenz erweisen, das heißt, der neue Führende kommuniziert wert- und vorurteilsfrei, er achtet die Würde und Gefühle seines Gegenübers und handelt gewaltfrei. Um dies zu bewerkstelligen, muss die innere Bereitschaft gegeben sein, sich selbst zu führen. Die neue Führungskraft muss also zu lernen, sich selbst wahrzunehmen und dabei die eigenen Muster und die eigenen Unzulänglichkeiten erkennen können. Dies erfordert den Mut Schwäche zuzugeben, etwas, dass bei Managern des Industriezeitalters undenkbar schien. 3.6.1.1 Die Transaktionale- und die Transformations-Führerschaft Führerschaft kann in zwei Kategorien unterteilt werden, in den Transaktionsführer und in den Transformationsführer. Der Transaktionsführer verspricht Belohnung für gute, geleistete Arbeit und legt die Rollenerwartungen an den Geführten und die Erfordernisse der Aufgabenstellung fest, er führt sozusagen auf ein Ziel hin. Die Führungskraft der Zukunft jedoch muss in der Lage sein, über die eigenen Selbstinteressen hinaus zu blicken und eine klare Vision davon zu besitzen, wie eine Organisation verbessert werden kann. Er muss seine Mitarbeiter dabei überzeugen können, dass es sinnvoll ist, mit dem Wandel zu gehen und nicht stehen zu bleiben. Für diese Aufgabe eignet sich der Transformations-Führer, der seinen Mitarbeitern das Gefühl einer Vision vermittelt und sie dazu anleitet, selbstständig und kreativ neue Lösungen zu finden. Er muss ein Coach sein, um seinen Mitarbeitern dabei zu helfen, ihre Sichtweisen gegenüber Problemen und Themen zu ändern und neue Perspektiven einzunehmen (Weinert, 1998). Der Transformations-Führer sollte auch in der Lage sein, eigene eingefahrene Sichtweisen zu hinterfragen, sowie die Sichtweisen des Vorgesetzten. Während also der Transaktionale-Führer Leistung und Gegenleistung verlangt und geradlinig Ziele verfolgt, müssen Transformations-Führer mehr Kompetenzen entwickeln, um ihre Ziele zu erreichen. Sie müssen als Vorbilder wahrgenommen werden und das Vertrauen der Mitarbeiter besitzen. Sie müssen zeigen, dass man sich auf sie verlassen kann und sie hohen moralischen Ansprüchen gerecht werden. Dabei motivieren und fördern sie ihre Mitarbeiter durch anspruchsvolle Ziele und vermitteln ein Gefühl von Zuversicht und Teamgeist. Transformations-Führer erwecken die kreativen Seiten ihrer Mitarbeiter zum Leben und 70 hinterfragen gleichzeitig deren Gewohnheiten. Zudem fungieren sie als Coach und gehen somit auf die individuellen Bedürfnisse ihrer Mitarbeiter ein, was bedeutet, dass sie gut zuhören können und die Fähigkeiten und Stärken der Mitarbeiter ständig weiterentwickeln (Bass & Avolio, 1994; Bass, 1999). Bass und Alolio (1994) zeigten, dass TransformationsFührerschaft einher geht mit hoher Arbeitszufriedenheit und niedriger Kündigungsrate im Vergleich zu einer transaktionalen Führung. 3.6.1.2 Der konventionelle und der postkonventionelle Leader „Die zentrale Aufgabe von Führung ist es, unterschiedliche Teilnehmer (Mitarbeiter, Abteilungen etc.) einer Organisation zu gemeinsamem, zielgerichteten Handeln zu bewegen. An dieser Aufgabe scheitern viele Organisationen und Führungskräfte“ (Schieffer, 2006, S. 52). Das dies in der Tat nicht sonderlich gut gelingt, zeigen auch die Umfragen zur Mitarbeiterzufriedenheit, die das Gallup-Institut jedes Jahr erhebt. Gemäß der Studien von 2005 und 2009 sind in deutschen Unternehmen nur 13% der Mitarbeiter engagiert am Arbeitslatz, während 67% ihren Dienst nach Vorschrift erledigen und 20% sogar schon innerlich gekündigt haben (Keller, 2006). Als Hauptgrund für das fehlende Engagement, wird schlechtes Management gesehen: Mitarbeiter fühlen sich nicht wertgeschätzt, der Inhalt der Arbeit wird nicht den Menschen angepasst und die Erwartungen des Managements an die Mitarbeiter werden nicht erklärt (Keller, 2006). Die Kosten, die aus geringen emotionalen Engagement resultieren, werden dabei auf 260 Milliarden Euro jährlich veranschlagt (Wielens, 2006). Doch woran liegt es, dass ein großer Teil des Managements nicht den Anforderungen der heutigen Zeit gerecht wird? Noch immer dominiert bei vielen Führungskräften das Bedürfnis des Bewahrens, also der Verbesserung ihres Systems und nicht auf einer Logik der Veränderung im Sinne von Innovation (Hinterhuber & Friedrich, 1999). Ein gesunder Kapitalismus jedoch ist durchdrungen von Phasen der Innovation und „kreativer Zerstörung“, das heißt, neue Produkte verdrängen die alten und neue Verfahren ersetzen veraltete Produktionsstrukturen. Es ist demnach ein normaler Vorgang, dass alte Firmen und Organisationen von der Bildfläche verschwinden und neue, innovative Unternehmen den Markt erobern (Losse, 2009). Der momentane Führungsstil ist jedoch überwiegend an Effizienzkriterien festgemacht. Führung wird dadurch auf Beeinflussungsmanagement reduziert (Wiswede, 1990). 71 Nach Harbig & Klug (2009) müssen sich Führungspersönlichkeiten neu definieren. Sie müssen sich weiter entwickeln vom Weg des Beherrschens, hin zu einer Kompetenz und Verantwortlichkeit, die die Beschäftigten fördert. Letztlich ist damit ein Paradigmenwechsel gefordert, bei dem der klassische Manager, der in der Regel „topdown exekutiert“ ersetzt wird, durch eine Führungskraft, die in der Lage ist, „die richtigen Handlungsoptionen zu identifizieren, Lösungen zielgerichtet umzusetzen und mit Mitarbeitern und Kunden ständig Innovationen zu generieren“ (Harbig & Klug, 2009, S.15). Der klassische CEO (Chief Execute Officer) ist diesem Verständnis nach nur zukunftsfähig, wenn er nicht nur aus seinen früheren Erfahrungen heraus handelt, sondern sich den veränderten Aufgaben der heutigen Zeit stellt. Dabei müssen Führungskräfte zu neuen Werten gelangen und innerlich bereit sein für Innovationen durch gemeinsames und nachhaltiges Handeln (Käufer & Ott, 2009). Nach Cloke und Goldsmith (2009, S. 39) verkörpern die neuen Führungspersönlichkeiten einen „eindeutigen Einsatz für Werte, Ethik und Integrität. Sie fördern Authentizität und Integrität, leben die Werte und Prinzipien vor, denen sie verpflichtet sind, verpflichten sich und die Organisation diesen Werten. Sie unterstützen ehrliche Interaktionen, bauen vertrauenswürdige Beziehungen auf, ermutigen zu Selbstmanagement und strategischer Integration über organisationale Grenzen hinweg“. Fiolka (2010) unterscheidet dabei zwischen dem „alten“ konventionellen Manager, dem es um eher kurzfristige Ziele und hohen Renditen geht und dabei Nachhaltigkeit, zukunftssichernde Produktstrategien und soziale Belange missachtet. Auf der anderen Seite steht der „neue“ postkonventionelle Leader, der sich an gemeinschaftlichen Werten orientiert und an langfristigen Zielen und Strategien interessiert ist. „Postkonventionelle Leader sind empathisch und einfühlsam, entscheiden umsichtig und auf der Basis systemischwerteorientierter Denkweisen. Er/ sie bloggt und twittert mit Gleichgesinnten in aller Welt, nimmt an Selbsterfahrungsworkshops und freiwillig an Führungstrainings teil“ (Fiolka, 2010, S. 70). Eine weitere Gegenüberstellung verdeutlich gut das neue Paradigma: So besitzen Führungspersönlichkeiten eine langfristige Perspektive, während Manager einer kurzfristigen Perspektive vertrauen. Manager sind zudem immer auf das Endergebnis fokussiert, während Führungspersönlichkeiten auch das im Auge haben, was hinter dem Endergebnis liegt und welche Konsequenzen ihr Handeln hat. Man kann den klassischen Manager auch als guten Soldaten sehen, der ausübt, während Führungspersönlichkeiten ihre eigene Person sind und das große Ganze im Auge behält (Cloke & Goldsmith, 2009). 72 3.6.2 Ziele und Werte Noch immer sind viele Führungskräfte Gefangene eines eindimensionalen Fortschrittsglaubens, der auf einer mechanistisch - materialistischen Weltanschauung beruht. So weigerte sich zum Beispiel Lawrence Summers, der Präsident der Harvard Universität und der spätere Finanzminister unter Präsident Clinton, ein Schaubild in seinem Buch-Manuskript zu ändern, in dem er die natürliche Umwelt als ein Subsystem innerhalb des Wirtschaftssystems dargestellt hatte (von Uexküll, 2004). Doch immer mehr Unternehmen generieren eine Kultur der Werte, in der Sinnhaftigkeit und Visionen eine große Rolle spielen. 3.6.2.1 Sinnhaftigkeit Nach Frankl (1995; 1996) strebt jeder gesunde Mensch nach einem sinnerfüllten Leben und dieses kann jeder Mensch nur soweit verwirklichen, in dem er einen Sinn erfüllt, der über sich selbst hinausreicht. Dies bedeutet, wenn wir ein sinnerfülltes Leben erfahren wollen, müssen wir uns einer sinnvollen Sache hingeben oder einem sinnvollen Werk oder Gemeinschaft angehören. Wenn es für Unternehmen wirtschaftlich gut läuft, bieten sie auch oftmals einen Raum für Entwicklungen an. Zum Beispiel können in einem kreativen Klima neue Produkte entwickelt werden, neue Formen der Dienstleistung integriert und neue Vermarktungsstrategien erprobt werden. Die Mitarbeiter und Führende des Unternehmens befinden sich in einem sinnvollen und gemeinsamen Gestaltungsraum. Wenn es für Unternehmen wirtschaftlich weniger gut läuft und Themen wie Personalabbau und Downsizing diskutiert werden müssen, kann ein gemeinschaftlicher Sinn eine andere Bedeutung bekommen. So konnte Simon (2004) beobachten, dass Mitarbeiter auch ungünstige Bedingungen in Kauf nehmen, wenn die Sache um die es geht, sinnhaft und wertvoll ist und zudem das Unternehmen es wert ist, gerettet zu werden. Sinnhaftigkeit resultiert aus Einsichten und Haltungen eines Individuums, die eingebettet sind in einen unternehmensspezifischen und gesellschaftlichen Kontext. Die zunehmende Individualisierung der Gesellschaft führt neben der Stärkung des Einzelnen oftmals auch zu einem größer werdenden Gefühl der Einsamkeit. Das Bedürfnis in einer Gemeinschaft eingebunden zu sein wächst und die Befriedigung dieses Bedürfnis fällt mangels Alternativen auch immer öfter den Unternehmen zu (Fischer-Ledenice, 2006). 73 3.6.2.2 Visionen Wie Bailom & Anschober (2008) darstellen, sind die meisten Firmenpleiten auf mangelnde Visionskraft zurückzuführen. Im Gegensatz dazu verfügen die erfolgreichsten Unternehmen über eine ganzheitliche Unternehmensvision, die den Sinn und Zweck der Firma bestimmt. Es scheint also, dass Visionen den Erfolg eines Unternehmens tiefgreifend prägen. Unternehmen mit Visionskraft sind Unternehmen, die ihre Mitarbeiter dazu ermutigen, sich mit innovativen Veränderungen auseinander zu setzen. Das bedeutet, dass sich Mitarbeiter inhaltlich und emotional mit dessen Zielvorstellungen und Werten ihres Unternehmens identifizieren können. Henzler (1988) beschreibt folgende Leitsätze, die einer Vision angehören sollten: 1. Eine Vision muss realistisch sein. 2. Eine Vision muss der Überzeugung des Unternehmens entsprechen. Sie darf nicht konstruiert sein. 3. Die Veränderungen die durch diese Vision geschehen, müssen nachhaltig sein. 4. Eine Vision entsteht und wächst innerhalb einer Wettbewerbssituation. Jaworski & Zurlino (2007) sehen in einer Innovationskultur den stärksten Magneten, wenn es darum geht, die Talente und High Potentials 12 in ein Unternehmen zu holen. Eine Innovationskultur entsteht, wenn ein Unternehmen es schafft gemeinsame Ziele, hohe Kreativität, ein außergewöhnliches Engagement und eine große Leidenschaft für das Neue zu entwickeln und zu integrieren. Diese Eigenschaften reichen in der Regel aus, um die Zukunft eines Unternehmens zu sichern. Beispiele für innovative Unternehmen sind Apple, Microsoft oder Google. Gemeinsam ist ihnen, dass sie Freiräume anstatt Beschränkungen schaffen. Ein Beispiel dafür wäre der Trend weg von festen Büros und Arbeitszeiten, hin zu einem zeitlich und räumlich hoch flexiblen zusammenarbeiten. So schuf vor kurzem das milliardenschwere Unternehmen Netflix die Urlaubsregelung ab. Das bedeutet, die rund 600 Mitarbeiter können so viel Urlaub nehmen wie sie wollen und werden dabei nicht kontrolliert. Zudem gibt es keine festen Arbeitszeiten, jeder Arbeitnehmer kann entscheiden wann und wie lange er arbeiten möchte. Das Unternehmen begründet diese Schritte damit, dass sich die Mitarbeiter dadurch ernster genommen fühlen und bereit sind, mehr Verantwortung zu tragen (Menke, 2010). 12 Gemeint ist eine Nachwuchskraft mit großem Entwicklungspotenzial. 74 3.6.3 Kritische Bemerkungen Wir können mit gutem Gefühl über Sinnhaftigkeit und Visionen diskutieren, laut eines Artikels von Spiegel Online ist es jedoch so, dass in den USA das Problem der Ernährungsunsicherheit immer massiver wird. 50 Millionen Amerikaner haben zeitweise nicht genügend zu essen und jeder achte erwachsene Amerikaner und jedes vierte Kind leben mittlerweile von staatlichen Essensmarken. Ein Prozent der Amerikaner verfügt über 37 Prozent des gesamten Volksvermögens. 1950 verdiente ein Firmenchef ungefähr 30-mal mehr als ein Durchschnittsamerikaner. Im Jahre 2010 verdient ein Firmenchef 300-mal soviel (Schulze, 2010). Ist es angesichts solcher Zahlen überhaupt möglich, visionäre Elemente in die Führungsebenen eines Unternehmens zu integrieren? Aus integraler Sicht leben wir in einer entscheidenden Übergangszeit, die große Ähnlichkeiten mit der von Karl Jaspers bezeichneten Achsenzeit von 800 bis 200 v. Chr. aufweist. In dieser Achsenzeit wurden gleichzeitig in vier voneinander unabhängigen Kulturräumen gewaltige technologische und philosophische Fortschritte erzielt. Nach Wilber (2007) stehen wir heute ebenfalls an einem entscheidenden Übergang in der Geschichte der Menschheit, in dem wir den Übergang von einem rationalen und pluralistischen Denken hin zu einem integrierenden Denken vollziehen können. Hierbei besteht auch die Möglichkeit des Scheiterns. Noch nie stand der gesamte Planet so nahe vor einer globalen Katastrophe. Aus diesem Grund ist es mir wichtig herauszufinden, ob es Optionen gibt, durch buddhistische Praxis einen sinnhaften und nachhaltigen Führungsstil zu fördern. 3.7 Die Fragestellung Die buddhistische Praxis zieht immer mehr Menschen in den westlichen Ländern an (Gruber, 1998) und auch die Wissenschaft beschäftigt sich zunehmend mit den Auswirkungen buddhistischer Praxis in der Psychotherapie und im Gesundheitswesen (Meibert, et al., 2006b). In der vorliegenden Studie wollen wir nun erforschen, wie langjährig buddhistisch Praktizierende mit und ohne Führungsverantwortung, ihre buddhistische Praxis in ihr Berufsleben integrieren. Bislang beschäftigen sich die derzeitigen Studien vorrangig um quantitative Fragen und weniger um die Weltanschauungen und persönlichen Konzepte der Betroffenen. Aus diesem Grund beschlossen wir langjährig buddhistisch Praktizierende zu befragen, um diesbezüglich ihr Innenleben und ihr Weltbild kennen zu lernen und wie sie die Integration ihrer 75 buddhistischen Praxis in ihren Berufsalltag erleben, welche Erfahrungen sie damit machen und welche Konsequenzen sie daraus ziehen. Zu Beginn steht also eine offene Fragestellung nach den persönlichen Erfahrungen der Praktizierenden. Innerhalb dieser Fragestellung ist ausreichend Flexibilität wichtig, um dieses Phänomen in seiner Tiefe ergründen zu können. Auf dieser Basis sollten dann, im besten Falle, neue Erkenntnisse ans Tageslicht kommen. Wir betrachten diese Arbeit als eine explorative Studie, in der wir ein Bild entwerfen wollen, dass die Integration der buddhistischen Praxis im Arbeitsalltag abbildet. Folgende Leitideen dienen uns dabei zu einer genaueren Bestimmung des Forschungsgegenstandes: ➡Welche Auswirkungen hat buddhistische Praxis im beruflichen Erleben? ➡Wie verändert sich das Führungsverhalten? ➡Wie werden andere Menschen wahrgenommen? ➡Wie nehmen sich die Praktizierenden selbst wahr? ➡ Inwiefern hat buddhistische Praxis einen positiven Einfluss auf den Berufsalltag? ➡Welche Bereiche des Arbeitslebens können (positiv) verändert oder erlebt werden? ➡ Wie und wodurch erlangt man buddhistische Praktiken? Zu diesen Fragen gibt es bisher kaum wissenschaftliche Untersuchungen. Diese Diplomarbeit soll dazu beitragen, ein möglichst umfassendes Bild vom Wirken solcher buddhistischen Praxis zu gewinnen. 76 4 Qualitative Explorationsstudie von Joachim Wetzky: Methodisches Vorgehen In diesem Kapitel werden der Forschungsansatz, die angewandten Verfahren, sowie das methodische Vorgehen erläutert. Als erstes möchte ich die Annahmen und Ziele qualitativer Forschung umreißen und darauf aufbauend die von mir benutzten Methoden der Datenerhebung vorstellen und auch reflektieren. 4.1 Forschungsansatz Nach Wilber (1997) bietet sich für die Untersuchung über die inneren Zustände des Menschen die so genannte „weite“ Wissenschaft an, welche auf einem hermeneutischen Wissenschaftsverständnis gegründet ist und lange Zeit in einem Clinch mit dem Wissenschaftsparadigma der „engen“ Wissenschaft lag. Die „enge“ Wissenschaft strebt das Auffinden objektiv gültiger Gesetzmäßigkeiten an und verwendet dafür quantitative Methoden, in denen Phänomene in messbare Variablen zerlegt werden und kausale Zusammenhänge zwischen diesen Variablen gesucht werden (vgl. Bortz & Döring, 2002). Zu dieser Gruppe zählen die Naturwissenschaften und empirische Sozialwissenschaften, bei denen das Repräsentationsparadigma zur Anwendung kommt: Hier beobachtet ein Wissenschaftler das Äußere eine Objekts, um es anschließend zu klassifizieren. Zur „weiten“ Wissenschaft zählen die Geisteswissenschaften und verstehenden Sozialwissenschaften, die vorrangig das Interpretationsparadigma anwenden: Hier ergründet ein Wissenschaftler durch Kommunikation mit einem Subjekt und anschließender Interpretation, das Innere eines Objekts (Weinreich, 2005). Dieser Forschungsstil gründet sich dabei auf einem hermeneutischen Wissenschaftsverständnis, da die Erkenntnisse dieser Forschung an einen bestimmten Ort, einer bestimmten Zeit oder einer bestimmten Kultur gebunden sind. Diese zwei Wissenschaftsparadigmen nehmen unterschiedliche Aspekte der Wirklichkeit wahr und sind somit in einem integralen Ansatz auf einander angewiesen (Wilber, 2002). 4.2 Begründung der Methodenwahl Bislang wurde der konkreten Anwendung buddhistischer Praxis in Beruf und Wirtschaft kaum wissenschaftliche Aufmerksamkeit gewidmet. So sind mir keine repräsentativen Studien bekannt, die sich mit diesem Ansatz beschäftigen. Aus diesen Gründen bietet sich eine 77 explorative Studie an, da man damit zu einem höheren Verständnis der Effekte von buddhistischer Praxis gelangen kann. Deshalb ist die vorliegende Untersuchung eine empirisch-qualitative Explorationsstudie, die nach Bortz (2002, S. 386) dazu beiträgt „bislang vernachlässigte Phänomene, Wirkzusammenhänge, Verläufe etc. erkennbar zu machen.“ Den forschungstheoretischen Rahmen dieser Untersuchung bildet die Auswertung nach der Grounded Theory. Die Datenerhebung erfolgte mit Hilfe des Problemzentrierten Interviews nach Witzel (1989). 4.3 Datenerhebung: Das problemzentrierte Interview Mit Hilfe des Problemorientierten Interviews nach Witzel (1989) ist es möglich, die subjektiven Erfahrungen, sowie die sich daraus ergebenden Sinn- und Handlungsmuster der untersuchten Personen zu erfassen. Mit diesem Forschungsansatz können Problemstellungen untersucht werden, die mit einer quantitativen Datenerfassung nicht erfassbar sind. Die drei Merkmale des problemzentrierten Interviews sind Problemzentrierung, Gegenstandsorientierung und Prozessorientierung. Problemzentrierung bedeutet, dass das Interview sich auf ein eingegrenztes Problemfeld fokussiert. Dies ermöglicht dem Befragten seine subjektive Sichtweise darzustellen. Gegenstandsorientierung bedeutet, dass sich die Methode dem Forschungsgegenstand anpasst. Und Prozessorientierung bedeutet, dass die Theoriebildung nicht schon im Vorfeld des Forschungsprozess geschieht, sondern erst im Verlauf der Datenauswertung. Zur Durchführung des Problemzentrierten Interviews werden in der Regel vier Instrumente verwendet, nämlich Kurzfragebogen, Leitfaden, Tonaufzeichnung und Postscriptum. Mittels des Kurzfragebogens werden die Sozialdaten ermittelt, was auch eine Entlastung des Interviews bedeutet, da diese Fragen nicht mehr im Interview gestellt werden müssen. Zudem dient der Fragebogen, eventuell zusammen mit einer offenen Frage, als sanfter Einstieg in das Interview. Durch die Tonbandaufzeichnung ist es dem Interviewer möglich konzentriert dem Gespräch und den situativen Bedingungen zu folgen, da er sich sicher sein kann, dass eine präzise Erfassung des Kommunikationsprozesses erfolgt und er sich daher keine Notizen während des Gesprächs machen muss. Der Leitfaden dient dem Forscher als Gedächtnisstütze und Orientierungsrahmen zur Sicherung der Vergleichbarkeit der Interviews. Er sollte jedoch als eine Art Hintergrundstütze 78 betrachtet werden, da der Gesprächsprozess im Vordergrund steht. Nach der Aufzeichnung des Interviews werden die Gespräche transkribiert. Nach dem Gespräch werden sogenannte Postskripte erstellt, in dem Eindrücke und Situationskomponenten festgehalten werden. Damit können Informationen die im Interview gewonnen werden, besser verstanden werden. Dies dient der Validierung des Datenmaterials. Die Gestaltung des Gesprächs beginnt in der Regel mit erzählungsgenerierenden Kommunikationsstrategien, allgemeinen Sondierungen und Ad-hoc-Fragen. Die allgemeinen Sondierungen dienen dazu, den Inhalt zu entdecken, der implizit in den Ausführungen enthalten ist. Zudem werden durch das Nachfragen die angesprochenen Thematiken detaillierter beschrieben und abstrakte oder fehlende Begriffe können konkret zu den Kontextbedingungen des Handelns hergestellt werden. Ad-hoc-Fragen ergeben sich, wenn bestimmte Bereiche bei dem Interviewten ausgelassen oder nicht zufrieden stellend behandelt wurden. Die spezifischen Sondierungen haben anschließend einen verständnisgenerierenden Charakter. Es geht darum den Inhalt des Interviews thematisch zu zentrieren. Zudem wird durch eine Spiegelung von Äußerungen der Befragten deren Selbstreflexion unterstützt, um eventuelle Unterstellungen des Interviewers zu korrigieren und die eigene Sichtweise tiefer darstellen zu können. Des weiteren können klärende Verständnisfragen, sowie bei Hinweisen auf Widersprüchlichkeiten auch konfrontative Fragen eingesetzt werden, um etwa Alltagsselbstverständlichkeiten zu durchbrechen und so zu einer gehaltvolleren Darstellung der Situation zu gelangen. 4.4 Datenauswertung nach der „Grounded Theory“ Grounded Theory bedeutet soviel wie gegenstandsverankerte Theorienbildung. Das Ziel der Grounded Theory ist die Entwicklung einer gegenstandsverankerten Theorie, die sich induktiv aus dem Phänomen ableitet, welches sie abbildet (vgl. Strauss & Corbin, 1996). Das Ziel ist es somit nicht, universal gültige Theorien oder Modelle zu entwerfen, da diese nicht immer in der Lage sind, soziale Wandlungsprozesse und unerforschte Bereiche zu verstehen. Neues Wissen lässt sich in der Auseinandersetzung mit der Empirie entdecken und somit steht auch die Beziehung von Theorie und Empirie im Zentrum der Überlegungen von Strauss und Glaser. Der Forschungsprozess vollzieht sich bei der Grounded Theory nicht gewohnt linear, also von der Hypothesengenerierung zur Methodenprüfung, zur Datenerhebung und zur Datenauswertung bis zur Verifikation der Hypothese. Vielmehr geht es hier um einen Dialog 79 zwischen den theoretischen Annahmen und den gewonnenen Daten, der sich wechselseitig durch den gesamten Prozess zieht (Alheit, 1999). Auswertungsverfahren Das grundlegende Verfahren zur Auswertung ist das Theoretische Kodieren. Damit wird der Prozess der Analyse und Interpretation der Daten bezeichnet. Sukzessive werden anhand der Daten Konzepte entwickelt, die in Schlüsselkategorien gebündelt werden, die wiederum ein sinnhaftes Netz von Konstrukten bilden sollen. Die Konzepte, Kategorien und Konstrukte werden aus den Texten entwickelt und anschließend an den Texten wieder überprüft. Kodieren Der Kodierprozess beginnt mit dem offenen Kodieren. Mit dieser Methode wird der Text „aufgebrochen“, das heißt, es werden mit Hilfe des Kontextwissens und der Analyse des Materials, aussagekräftige Textpassagen gefunden und anschließend neuen Begriffen zugeordnet. Damit werden aus den Texten die sogenannten Kodes entwickelt, mit denen schrittweise ein Kategorienschema aufgebaut wird. Oftmals können die Kategorien direkt vom Datenmaterial abgeleitet werden, sogenannte in-vivo-Kodes, sie können jedoch auch vom Forscher selbst treffend benannt werden. Die zweite Phase des Kodierprozesses ist das axiale Kodieren. Nun werden die gefundenen Kategorien in zentrale Achsenkategorien eingeteilt und diese anschließend in Beziehung zueinander gesetzt. In der dritten Phase des Kodierprozesses wird dann eine Kernkategorie heraus gearbeitet, auf die alle bislang entdeckten Kategorien bezogen werden können. So entsteht ein Beziehungsnetz, in dem alle Achsenkategorien systematisch mit der zentralen Kategorie verknüpft sind. Um dieses Beziehungsnetz in eine logische Ordnung zu bringen, wird dabei das Kodierparadigma von Strauss und Corbin (1996) verwendet. Das Kodierparadigma Mit Hilfe des paradigmatischen Modells, kann eine abstrakte Zuordnung von Kategorien in ein Schema erfolgen. Dieses lässt sich folgendermaßen beschreiben: ‣ Die ursächlichen Bedingungen, sind Ereignisse die zum Auftreten des Phänomens führen. 80 ‣ Das zentrale Phänomen, ist diejenige Kategorie, zu der andere Kategorien als „Subkategorien“ innerhalb des Kodierschemas in Beziehung gebracht werden. Damit wird eine Vernetzung des Kategoriensystems erreicht. Das zentrale Phänomen ist dabei die zentrale Idee, auf die eine Reihe von Handlungen zurückzuführen sind. ‣ Den Kontext stellt spezifischen Satz von Eigenschaften dar, die zu einem Phänomen gehören. ‣ Die intervenierenden Bedingungen beschreiben die strukturellen Bedingungen, wie zum Beispiel den kulturellen Hintergrund oder die individuelle Biografie der Beteiligten. ‣ Die Handlungs- und Interaktionsstrategien sind ein Satz von Eigenschaften, die darauf abzielen, ein Phänomen zu bewältigen oder darauf zu reagieren. ‣ Die Konsequenzen sind schließlich die Resultate von Handlungen und Interaktionen ‣ Wenn es im Forschungsprozess um Themenanalyse und Konzeptentwicklung geht, kann der Forschungsprozess abgeschlossen werden, wenn das Kodierparadigma erstellt worden ist (vgl. Strauss & Corbin, 1996). Memos und Diagramme Hilfreich für den Forschungsprozess hat sich das Anlegen von sogenannten Memos erwiesen, in das neben Pläne und Abläufe der Forschung auch Einfälle und Ideen eingetragen werden. Diese Memos bilden eine solide Grundlage für ein reflektiertes und systematisches Forschen, da sie an verschiedenen Sichtweisen, Zusammenhänge und Ideen erinnern, die während des Forschungsprozess auftauchen können. Dabei werden zwischen drei Memo-Typen unterschieden: ‣ Kode-Notizen werden meist am Anfang der Auswertung verfasst. Sie beinhalten konzeptuelle Begriffe und Kodes und Kategorien. ‣ Theoretische Notizen dienen dazu sich klar zu werden über relevante Kategorien, ihre Eigenschaften und Zusammenhänge. Auch können damit Beziehungen zwischen den Kategorien innerhalb des Kodierparadigmas weiterentwickelt und ergänzt werden. ‣ Planungsnotizen erinnern an weiterzuverfolgende Ideen. 81 4.5 Gütekriterien qualitativer Forschung Die Kriterien zur Überprüfbarkeit dieser Untersuchung orientieren sich an dem von Steinke (2007) vorgeschlagenen Katalog qualitativer Gütekriterien. Steinke lehnt die Übernahme von Kriterien ab, die für die quantitative Forschung entwickelt wurden. Diese Kriterien wurden für standardisierte Methoden entwickelt, die auf einer anderen Wissenschaftstheorie basieren. Da nun die qualitative Forschung nicht in diesem Maße standardisierbar ist, werden folgende Gütekriterien zur Überprüfbarkeit qualitativer Untersuchungen angewandt. Intersubjektive Nachvollziehbarkeit Durch die Dokumentation des Forschungsprozesses als zentrales Kriterium wird die Möglichkeit gegeben, die Schritte der Untersuchung nachzuvollziehen. Dadurch ist man in der Lage, den Forschungsprozess und die daraus resultierenden Ergebnisse zu bewerten. Die Dokumentation beinhaltet die Dokumentation des Forschungsprozesses, wie die Überlegungen zur Auswahl der Interviewpartner und der Erhebungs- und Auswertungsmethoden, Kurzfragebögen, Transkriptionsregeln, sowie die Transkripte der Interviews, Informationsquellen, die Auswertungen aller Interviews sowie die Diskussion der Interviews. Des weiteren soll durch die Interpretation in Gruppen die Möglichkeit hergestellt werden, die Intersubjektivität in Form eines Diskurses zu sichern. Zu guter Letzt soll die Anwendung kodifizierter Verfahren die Kodifizierung qualitativer Forschungstechniken ermöglichen und damit auch eine Gelegenheit zur Kontrolle geben (Steinke, 2007). Indikation des Forschungsprozesses Steinke (2007) meint hier die Offenlegung des gesamten Forschungsprozesses: Ist die Angemessenheit des qualitativen Vorgehens durch die Fragestellung nahe gelegt? Sind die Auswertungsmethoden angemessen? Sind die transkribierten Texte lesbar und interpretierbar? Sind die Untersuchungsfälle gut ausgewählt? Empirische Verankerung Die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit müssen empirisch, das heißt, in den Daten begründet sein. Deshalb erfolgte die Untersuchung dicht an den Daten und auf der Grundlage systematischer Datenanalyse. Die vorliegende Arbeit wurde dabei mittels der Grounded Theory systematisch ausgewertet. 82 Reflektierte Subjektivität Es ist zu prüfen und zu beobachten, welchen Einfluss der Untersuchende auf den Forschungsprozess hat. Die Subjektivität des Forschers der vorliegenden Arbeit wurde durch die Selbstbeobachtung reflektiert. Sehr geholfen haben dabei die erstellten Memos, die den Forschungsprozess begleiteten und eine konsequente kritisch-integrale Position den herausgearbeiteten Kodes und Kategorien gegenüber. So wurde mir mehrmalig in der Untersuchung klar, welchen persönlichen Fokus ich vorziehe und wie ich diesen Blickwinkel korrigieren kann. Relevanz Zum Schluss stellt sich die Frage nach dem Nutzen dieser Arbeit. Diese Untersuchung beschäftigt sich mit der Integration buddhistischer Praxis in den Berufsalltag. Dabei werden Erkenntnisse angestrebt, die es ermöglichen, den Belastungen der modernen Arbeitswelt etwas entgegenzusetzen, ohne dabei eine Religion praktizieren zu müssen. 4.6 Auswahl der Interviewpartner Im Rahmen der Grounded Theory sieht sich der Forscher als einen aktiven Sammler der Daten, die er als relevant erachtet (Glaser & Strauss, 1998). Dies steht im Kontrast der Zufallsstichproben, die bei der quantitativen Forschung erhoben werden. Wenn also im Rahmen einer Grounded Theory Probanden gesucht werden, fließt bei der Suche das Vorwissen des Forschers mit ein. Eine Besonderheit dabei ist, dass nach jeder Auswertung eines Interviews neu ausgewählt werden kann, welche Art von Proband für den weiteren Verlauf der Untersuchung befragt werden soll. Die Auswahl der Interviewpartner ist also prozessorientiert und richtet sich nach dem jeweiligen Erkenntnisstand des Forschers. Dieser Prozess wird theoretisches Sampling genannt. „Theoretisches Sampling meint den auf die Generierung von Theorie zielenden Prozess der Datenerhebung, währenddessen der Forscher seine Daten parallel erhebt, kodiert und analysiert sowie darüber entscheidet, welche Daten als nächstes erhoben werden sollen und wo sie zu finden sind. Dieser Prozess der Datenerhebung wird durch die im Entstehen begriffene – materiale oder formale – Theorie kontrolliert“ (Glaser & Strauss, 1998, S.53). Beendet ist dieser Prozess, wenn genügend Kategorien erstellt sind. Dieser Punkt der Untersuchung wird theoretische Sättigung genannt. Ab diesem Zeitpunkt können keine weiteren Daten mehr gefunden werden, die für die Untersuchung relevant sind. Als Forscher 83 weiß man, dass man an diesem Punkt der Untersuchung angekommen ist, wenn trotz neu erhobener Daten keine neuen relevanten Ergebnisse erzielt werden können. Auf diese Untersuchung bezogen, bedeutet dies, dass sich zu Beginn der Untersuchung die Auswahl der Interviewpartner an der Dauer ihrer buddhistischen Praxis festmachte. Nach einigen Gesprächen mit Leitern buddhistischer Zentren, dessen Ergebnisse nicht mit in die Untersuchung einflossen, entschied ich mich für eine ungefähre Mindestdauer von zehn Jahren. Anschließend wurde es mir wichtig, die verschiedenen buddhistischen Richtungen zusammen zu bekommen und auch ein breites Altersspektrum zu erreichen. Den Interviewpartnern wurde selbstverständlich Anonymität und ein vertraulicher Umgang mit den persönlichen Daten zugesichert. 4.7 Reflektionen zum Forschungsprozess Um eine größtmögliche Objektivität beziehungsweise Reliabilität im Sinne Flicks (2002) zu gewährleisten, wurde die Auswertung der Interviews getrennt dargestellt in einen Ergebnisteil, in dem die reinen Aussagen der Befragten dargestellt wurden und in eine Diskussion, in der diese Aussagenanschließend interpretiert wurden. Mir ist klar, dass die von mir herausgestellten Aussagen meiner Gesprächspartner durchaus unter anderen Gesichtspunkten interpretiert und anderen Kategorien zugeordnet werden können. Nach Kelle (2005) kann jedes empirisches Phänomen in verschiedenen Wegen beschrieben werden und jedes Objekt kann unter verschiedenen Gesichtspunkten und Theorien analysiert werden. 4.7.1 Datenauswertung Die Interviews wurden nach Fertigstellung mehrmals gehört und anschließend transkribiert. Nach jedem Interview wurde zudem ein Kontextprotokoll geschrieben, um relevante Stimmungen oder Vorfälle während des Interviews festzuhalten. Vor dem eigentlichen Auswerten der Daten wurden Profile der Teilnehmer erstellt, um einen ersten Punkt der Auseinandersetzung zu finden. Anschließend wurde in langer Arbeit das Kategorienschema erstellt, wobei mehrmals Kategorien und Kodes gefunden und wieder verworfen wurden, bis schließlich das endgültige Schema gefunden wurde. Die prägnantesten Zitate wurden unter Angabe der Zeilennummer und der ersten zwei Anfangsbuchstaben des Synonyms im Ergebnisteil aufgeführt. 84 „Im Namen des Respekt“ (Bourdieus, 1997, S.799) den Gesprächspartnern gegenüber wurden in den Zitaten Füllsilben wie „hm“ oder ähm“ usw. nicht wiedergegeben. Die Bezeichnungen Interviewpartner, Gesprächspartner, Befragte oder Interviewte werden synonym verwendet. Die Transkription erfolgte nach den Transkriptionsempfehlungen von Legewie und PaetzoldTeske (1996). 4.7.2 Persönliche Reflektion Da ich wie die Befragten ebenfalls buddhistische Praktiken ausübe, stellte sich die Frage, inwieweit dies die Forschung beeinträchtigen könnte. Würde ich nur das hören, was ich hören wollte? War es mir möglich eine objektive Sicht zu wahren? Meiner Meinung nach ist es mir gelungen, einen objektiven Standpunkt zu wahren. Das lag daran, dass die Befragten in der Regel sehr viel älter waren als ich und auch längere Zeit meditierten, so dass sich genügend Distanz entwickelte während des Gesprächs und in der Auswertung. Ein wichtiger Punkt war zudem die integrale Perspektive, die es mir ermöglichte, einen anderen Standpunkt einzunehmen, als die Befragten, die auf einer rein buddhistischen Basis praktizierten. Einen Vorteil konnte ich durch meine buddhistische Praxis jedenfalls erkennen: Durch die gemeinsame inhaltliche Nähe hatte ich das Gefühl, dass sich einige der Interviewten besonders gut öffnen konnten und auch Dinge über sich erzählten, die sie in einem anderen Kontext unter Umständen nicht von sich preisgegeben hätten. 85 5 Ergebnisdarstellung: Joachim Wetzky 5.1 Vorstellung der Interviewpartner Im Folgenden werden die einzelnen Interviewpartner vorgestellt. Die Vorstellungen wurden mit dem Ziel geschrieben, die Menschen in ihrem subjektiven und biographischen Rahmen sichtbar zu machen. Alle Informationen beruhen auf den Kurzfragebogen und den in den Interviews vermittelten Informationen und sind daher ohne Erklärungen oder Interpretationen von Seiten des Verfassers. Aaron Aaron ist 58 Jahre alt und arbeitet als Gynäkologe in eigener Praxis. Er lebt in einer Beziehung und hat drei Kinder. Er ist zudem Leiter eines buddhistischen Zentrums der Theravada Tradition. Aaron ist seit 18 Jahren Buddhist, er meditiert täglich circa zwei Stunden, dazu kommen zahlreiche Dharma-Vorträge und mehrtägige Retreats, die er in seiner Funktion als buddhistischer Lehrer hält. Die Hingabe an eine höhere Kraft ist für Aaron von zentraler Bedeutung. Indem er sich hingibt, verbindet er sich mit dieser Kraft, die stärker ist als der persönliche Wille. Dies erlebt er als Kraftquelle und Energiegewinn. Deutlich hat er dies erfahren, nachdem er viele Jahre Zen-Meditation praktizierte und nicht weiterkam in seiner Entwicklung. Schließlich wechselte er zu einer anderen Meditationsrichtung, der Metta-Meditation, in der es zunächst um die Kultivierung von liebender Güte sich selbst gegenüber und später auch um die Entwicklung von Nächsten-Liebe allen Menschen gegenüber geht, seien es nun Freunde oder Feinde. Diese Erfahrung teilt Aaron nun in seiner Funktion als buddhistischer Lehrer, indem er in seinem Zentrum einen großen Fokus auf die Entwicklung von Mitgefühl legt. Aarons Leben und Praxis ist sehr nach der Lehre Buddhas orientiert. Die Basis für ein gesundes Berufsleben sieht er in einer gebenden Haltung und tugendhaftem Verhalten. Aaron ist es sehr wichtig, ganz für seine Patienten da zu sein und seine Fachkompetenz mit Gefühl und Weisheit zu verbinden. Nur so sieht er sich in der Lage, seinen Patienten optimal zu helfen. Auf dieser Basis entwickeln sich dann gute Arzt-Patienten-Beziehungen, die sich durch Vertrauen und Stabilität auszeichnen. Manche Patienten kommen seit 20 Jahren zu ihm, dies sieht er als Resultat dieser guten Beziehung. Aaron versucht seine Vorstellung einer guten Arzt-Patienten-Beziehung mit dem herrschenden Medizinsystem zu vereinbaren, da dieses ihn dazu nötigt, immer mehr und damit auch oberflächlichere Patientenkontakte zu haben, damit er seinen Betrieb am laufen halten und 86 seine Mitarbeiter gut bezahlen kann. Zudem erfordert dieses Medizinsystem von ihm, sich ständig auszubalancieren, damit er langfristig mit dem schnellen Tempo mithalten kann. Dabei hilft ihm die buddhistische Praxis achtsam und authentisch zu bleiben. Gerade die Achtsamkeit ist in diesem Zusammenhang ein Thema für Aaron, da er bemerkt hat, dass bei zunehmender Zerstreuung des Geistes, die Verbindung zum Patienten verloren geht. Diese Zerstreuung geht auch einher mit einer Verschlossenheit des Herzens und der Fokussierung auf die eigenen Gedanken, was dazu führt, dem Patienten weniger Raum zu geben. Als ganz wesentlich erachtet es Aaron, aktiv zu werden und zu lernen, wie man ein großzügiges Herz entwickelt. Dies kommt sogar vor der eigentlichen Meditation, da eine Meditation mit geschlossenem Herzen nicht sehr effektiv ist. Es geht also seiner Meinung nach darum, zu lernen wie man anderen hilft. Dies kann sich in Form von materieller Hilfe zeigen, aber auch in Form von nicht-materiellen Dingen, wie zum Beispiel, dass man anderen hilft, ihre Kompetenz zu entwickeln oder Vertrauen aufzubauen. Lara Lara ist 50 Jahre alt und arbeitet als Assistentin für selbstbestimmtes Leben. Ihr Beruf sieht so aus, dass sie Menschen betreut, die durch einen Unfall oder Krankheit sehr stark behindert sind. Aufgrund einer Lebenskrise, sowie einer spirituellen Neugier, die sie schon seit ihrer Kindheit besitzt, kam sie vor zwölf Jahren zum Buddhismus. In dieser Zeit ist ihr auch der eklatante Mangel an Ethik in der Gesellschaft, aber auch in ihr selbst aufgefallen. Nach einiger Zeit der buddhistischen Praxis findet Lara einen tieferen Sinn in ihrem Leben, da sie für sich begriffen hat, dass alles, was ihr widerfährt, eine Spiegelung ihres eigenen inneren Musters ist. Das führte dazu, dass sie nun weniger bei anderen die Schuld sucht, beziehungsweise dass sie nicht mehr schaut, wo bei anderen die Fehler liegen, sondern bei sich selbst ansetzt. Außerdem ist Lara nach einiger Zeit der Praxis immer besser in der Lage, eigene Grenzen zu setzen, was ihr in der Arbeit sehr zu gute kommt, da ihre Arbeitsschichten von bis zu zwölf Stunden sehr herausfordernd sein können. Ein weiterer wichtiger Punkt ist für Lara, die Erfahrung des Gebets. Durch die Anrufung zum Beispiels eines weiblichen Buddhas, erfährt sie konkret spürbare Erleichterungen in beruflichen Situationen. Kognitiv kann sie dies nicht erklären, vielmehr ist es ein tiefes Gefühl, dass es da eine Instanz gibt, die für sie sorgt. Hingabe ist dabei ein wichtiges Thema, denn für Lara ist es entscheidend, dass man die eigenen Vorstellungen, wie etwas zu laufen 87 hat, aufgibt und sich einer größeren Ordnung hingibt. Lara betont, dass die Gebete auch nur funktionieren, wenn sie wirklich zu 100% möchte, dass diese oder jene Veränderung eintritt. Im Laufe der Jahre hat sich für Lara durch die buddhistische Praxis auch die Ansicht über ihren Beruf geändert. Anfänglich war der Beruf für sie nur ein Job, den sie nur widerwillig aus Geldschwierigkeiten angefangen hat. Mittlerweile ist es nun aber so, dass sie eine Dankbarkeit für diesen Beruf empfindet, da sie durch diesen sehr viel lernt, zum Beispiel wie sie mit verschiedenen herausfordernden Situationen umgehen und mehr Humor entwickeln kann und vor allem, wie sie ihre buddhistische Theorie auch in der Praxis umsetzen kann. Diese veränderte Sicht auf ihren Beruf erlangte Lara zum einen dadurch, dass sie ihr Arbeitsfeld erweiterte, indem sie sich nicht mehr nur auf einen Patienten konzentriert und dadurch mehr Distanz gewinnen kann und nicht mehr so emotional in ein persönliches Schicksal involviert wird. Zum anderen erfuhr sie durch einen Kontakt mit ihrem buddhistischen Lehrer eine Vertiefung ihrer buddhistischen Praxis und Weltsicht. Für Lara ist diese Schüler-Lehrer-Beziehung das Wichtigste in ihrem Leben, da sie das Gefühl hat, dass ihr Lehrer sie auf einer sehr tiefen emotionalen Ebene erreicht. Dies führte dazu, dass sie nun vermehrt in der Lage ist, echtes Mitgefühl für die Patienten zu entwickeln und Anteil an ihren persönlichen Kämpfen zu nehmen. Lara führt dies auf die Öffnung ihres Herzens zurück, der dadurch zustande kam, als sie entdeckte, dass ein weltliches Leben immer voller Leiden ist und sie deshalb begann, nicht mehr soviel vom materiellen Leben zu erwarten. In ihrem Berufsalltag äußert sich diese Schüler-Lehrer-Beziehung, dass sie eine Öffnung ihres Herzens verspürt, dass mit einem erweiterten Mitgefühl ihrer Patienten gegenüber zum Ausdruck kommt. Dabei merkt Lara an, dass sie nicht mehr zwischen beruflicher und Lebenszeit unterschiedet. Ihre berufliche Zeit ist im Gegenteil gleichbedeutend mit ihrer Lebenszeit und aus diesem Grund gestaltet sie ihre berufliche Zeit nun auch kreativer und spielerischer. Diese Einstellung, zusammen mit ihrer spirituellen Praxis helfen ihr dabei, einen achtsamen Umgang mit sich und anderen zu schaffen. Meret Meret ist 46 Jahre alt und arbeitet als Heilpraktikerin in eigener Praxis. Zum Buddhismus kam sie, als sie nach einer Form von spiritueller Sterbebegleitung gesucht hatte und dabei auf die Arbeit von Sogyal Rinpoche stieß. Da sie es in der Sterbebegleitung immer wieder erlebte, dass die Sterbenden oftmals intensive Prozesse der Trauer und Angst durchleben, war es ihr ein Anliegen, eine Möglichkeit zu finden, diese extremen emotionalen Zustände zu lindern. 88 Zudem war sie schon seit längerer Zeit Reiki Praktizierende und suchte auch da nach spirituellen Wurzeln. Buddhistische Praxis ist das zentrale Element in Merets Leben, da sie ihr Handeln komplett nach spirituellen Grundwerten ausrichtet. Meret spricht in diesem Zusammenhang auch von einer spirituellen Verpflichtung. Damit meint sie, dass sie sich durch die Zufluchtnahme für eine Grundlebenshaltung entschieden hat, die zum Wohle aller Wesen ausgerichtet ist. Diese Lebenshaltung bringt laut Meret eben auch eine gewisse Verpflichtung mit sich. Ein Punkt der Zufluchtnahme ist, dass man die innere Quelle, oder den inneren Buddha in sich entdeckt, sei es durch buddhistische Praxis, oder aber dadurch, dass man sich einem Lehrer verbunden und verpflichtet fühlt. Auf den Berufsalltag bezogen findet Meret die Integration von Ethik ganz entscheidend. Meret setzt alles daran, nicht zu töten oder zu stehlen, und versucht stattdessen ihre spirituellen Werte zu verkörpern. Meret merkt an, dass es dabei keine Trennung gibt zwischen Berufs- und Privatleben. Jeder Lebensbereich steht gleichwertig neben dem anderen und in jedem möchte Meret die buddhistische Praxis leben. Durch die buddhistische Praxis ist es ihr möglich, einen Geisteszustand zu erlangen, in dem sie einen klaren Geist und ein offenes Herz besitzt. Dieser Geisteszustand überträgt sich oftmals auf den Sterbenden und hilft ihm dabei, ebenfalls einen klareren Geisteszustand zu erlangen. Die von ihr bevorzugten buddhistischen Praktiken sind dabei verschiedene Formen der Meditation, sowie das Gebet und die Rezitation von Mantren. Ihre Motivation sich ganz entschieden für andere Menschen einzusetzen, entsteht aus der Erkenntnis, dass man nicht als getrenntes Wesen existiert, sondern jederzeit in ein sich gegenseitig beeinflussendes System eingebunden ist. So ist es nur ein logischer Schritt für Meret dafür zu sorgen, andere Menschen und ihre Befindlichkeiten genauso wichtig zu nehmen, wie ihre eigenen Bedürfnisse. Meret findet die Integration der buddhistischen Lehre in die westliche Psychologie als sehr inspirierend, da diese dann auch in anderen Institutionen anwendbar sind, wie zum Beispiel in Krankenhäusern. Tara Tara ist 60 Jahre alt und arbeitet als Publizistin und Meditationslehrerin. Mit Ende Dreißig, als sie gerade das Examen als Gymnasiallehrerin gemacht hatte, kam sie auf einer Indienreise dem Buddhismus näher. Der Grund für diese Indienreise lag in einer gewissen 89 Orientierungslosigkeit, da sie nicht wusste, was sie mit ihrem Leben anfangen soll. Tara, die sich in dieser Zeit in der linken Frauenbewegung engagierte, suchte Zeit eine Möglichkeit anderen Menschen zu helfen, ohne dabei anderen Menschen oder Gruppierungen aggressiv begegnen zu müssen. Da zu dieser Zeit in den späten 70ern gerade viele junge Menschen Richtung Asien unterwegs waren, entschied sich Tara, ebenfalls dorthin zu reisen, erstmal nach China, dann nach Indien. In Indien traf sie mit tibetischen Mönchen zusammen, die dort im Exil lebten. Sie stieß dabei auf die Lehren des Mahayana Buddhismus und war sogleich angetan von dem Weltbild, in dem man sich für die Menschen engagiert, dabei eine Wertschätzung aller Menschen beibehält. Tara erlebte die Philosophie des Mahayana Buddhismus wie eine Verbindung von Psychologie und politischer Arbeit und Wertschätzung aller Menschen. Gerade die buddhistische Psychologie, die dazu aufforderte sich darüber klar zu werden, wie der Geist eigentlich funktionierte, hinterließ bei Tara einen bleibenden Eindruck. Durch das Übungssystem des tibetischen Buddhismus, also der Analyse der eigenen Handlungen, Motivationen und Konditionierungen, lernte Tara dabei eine Möglichkeit kennen, diese Philosophie bei sich anzuwenden. Tara bleib zwei Jahre in Indien. Als sie wieder nach Deutschland zurück kehrte, beschloss sie, sich ganz dem buddhistischen Weg zu widmen und gründete ein buddhistischen Zentrum in Bayern, in dem sie ungefähr acht Jahre blieb. In dieser Zeit fand Tara einen tieferen Sinn in ihrem Leben, da sie hier die Möglichkeit entdeckte, ein ethisches Leben zu führen. So um die Mitte der achtziger Jahre fing Tara an Kurse mit buddhistischen Inhalten in Berlin anzubieten, die sehr gut ankamen. Vertrauen ist für Tara eine sehr elementare Angelegenheit. Wenn man den Buddhismus nur aus theoretischer Distanz kennen lernt entsteht kein Vertrauen, erst wenn man am eigenen Leib erfährt, dass die Früchte buddhistischer Praxis hochreal sind, entsteht ein unerschütterliches Vertrauen für diesen Weg. Im Berufsleben findet Tara, dass ein ethisches Verhalten absolut wichtig ist. Ethik ist die Grundregel des beruflichen Miteinanders und ist dabei sehr vielschichtig. So ist es eine ethische Grundregel, andere Menschen nicht zu verletzen. Dieses verletzen fängt für Tara aber schon dadurch an, wenn man jemanden einen bösen Blick zuwirft oder beleidigt. Die Ethik ist für Tara auch die Brücke für einen interreligiösen Dialog, da dies eine Ebene darstellt, auf der man gut zusammen kommt. Letztendlich ist es für Tara gleichgültig, aus welcher Quelle man sein ethisches Handeln schöpft. Es geht einfach darum, ein Verhalten zu 90 entwickeln, dass anderen Menschen nicht schadet, sondern im Gegenteil dazu beiträgt, dass alle Menschen Glück erfahren können. Leo Leo ist 63 Jahre alt und Diplom Psychologe. Er arbeitet als selbstständiger Yogalehrer, Autor und Ausbildungsleiter für einen tibetischen Heilyoga. Mit Anfang Zwanzig geriet Leo in eine tiefe Sinnkrise, die sich auch in einer tiefen Depression zeigte. Leo fühlte sich in dieser Zeit völlig am Ende. Auch entwickelte sich in ihm eine Unzufriedenheit gegenüber der 68er Zeit. Vor allem der aggressive Aspekt dieser Bewegung stieß ihn ab. Nach einigen Gesprächen mit einer Therapeutin, die ihm erläuterte, dass seine Probleme aus der Kindheit kämmen, es jedoch momentan keinen freien Therapieplatz gäbe, beschloss Leo auf eigene Faust einen Sinn in seinem Leben zu finden. In der Unibibliothek stieß er auf einige buddhistische Bücher, die er anziehend fand, da sie ihm eine komplexe Psychologie und zugleich einen sinnvollen Übungsweg vermittelten. Leo beschloss, die buddhistische Praxis auszuprobieren und begann in einem buddhistischen Zentrum zu praktizieren. Nach einer Weile verspürte er die Zunahme von Glück und Zufriedenheit. Dadurch intensivierte sich seine buddhistische Praxis, so dass er nach einiger Zeit auch buddhistische Zuflucht nahm. Da er nun noch mehr über die buddhistische Lehre wissen wollte, beschloss er nach Amerika in ein buddhistisches Institut zu gehen, wo er dann auch sechs Jahre lang blieb. Dort lernte er auch den tibetischen Heilyoga kennen und praktizieren. Leo beschreibt die Auswirkungen, die sich für ihn durch die buddhistische Praxis ergeben mit einer Zunahme von Geduld, emotionaler Stabilität und einem Lebenssinn. Auch die Zunahme von Selbstwirksamkeit ist für ihn ein ganz zentrales Moment. Leo findet es wichtig, Verantwortung zu übernehmen. So spricht er sich dagegen aus, den Eltern die Schuld für die persönliche Entwicklung zu geben, sondern zu versuchen, zu schauen, was kann jetzt tatsächlich konkret verändert werden, damit es einem wieder besser geht. Ein weiteres wichtiges Prinzip ist für Leo die Erkenntnis, dass er mit seinem Geisteszustand einen Teil dazu beiträgt, Frieden in die Welt zu tragen. Indem er einen stabilen und friedlichen Geisteszustand entwickelt, kann er anderen Menschen dabei helfen, ebenfalls einen zufriedenen und stabilen Geisteszustand zu erlangen. Dabei hilft ihm die Entwicklung von Geduld und Mitgefühl, da er es innerhalb seiner Yogakurse oft erlebt, wie Menschen beginnen 91 ihren inneren Schmerz zu fühlen und mit diesem Schmerzerleben erst einmal nicht klar kommen. Dies führt bisweilen sogar dazu, dass Aufgrund der inneren Verletzung einige Gruppenteilnehmer beginnen, ihn als Kursleiter verbal anzugreifen. Mittlerweile kann er diesen Angriffen mit Mitgefühl und Geduld begegnen, da er deutlich sehen kann, dass diese Übergriffe aufgrund innerer Verletzungen der Teilnehmer geschehen. Früher gelang ihm das nicht so gut und es konnte passieren, dass er sich ablehnend gegenüber den Kursteilnehmern verhielt. Leo hält die meisten Menschen unserer Kultur für ziemlich krank, da sie die ganze Zeit versuchen vor sich selbst zu fliehen, in dem sie sich in Medien flüchten, wie etwa dem Fernsehen, sinnloser Unterhaltung oder dem Lesen von Klatschblättern. Leo sieht aber die Möglichkeit, durch eine authentische, aufrichtige buddhistische Praxis stabiler und klarer im Geist zu werden. Für Leo ist es wichtig, sich mit seiner Kultur auseinander zu setzen, mit seinen positiven und negativen Inhalten, da diese den Menschen sehr stark beeinflussen würden, auch wenn man sich dieser Tatsache nicht immer bewusst ist. Dies bewahrt auch davor, blind die buddhistische Kultur zu idealisieren. In diesem Zusammenhang ist es Leo auch wichtig, direkt an die Wurzel des Buddhismus zu gehen und zu schauen, was der Buddha tatsächlich gesagt hat und dies zu vergleichen mit den vielen Interpretationen der buddhistischen Lehre. Leo sieht im Westen viele autoritätsgläubige Menschen, die sich von buddhistischen Titeln blenden lassen und dabei gar nicht an sich selbst überprüfen, ob das Gehörte tatsächlich der Wahrheit entspricht. So wie es der Buddha vor 2.500 Jahren formuliert hat: Glaubt nicht das was ich sage, nur weil ich es bin, der es sagt. Überprüft es an auch selbst und findet eure eigene Wahrheit heraus. Christian Christian ist 44 Jahre alt und arbeitet als Erzieher. Zum Buddhismus kam er durch eine Sinnkrise, die er mit Anfang Zwanzig hatte. Nach seinem Abschluss als Erzieher arbeitete er in einem Heim mit „schwer erziehbaren Kindern“ wie Christian sich ausdrückt. Als es sich abzeichnete, dass ihn die Arbeit überfordert und zudem eine Beziehung in die Brüche ging, schlitterte Christian in eine heftige Sinnkrise. Diese Sinnkrise bewegte Christian dazu, sich neuen Inhalten zu öffnen, die er in „esoterischen“ Büchern wie Osho fand. Auch wenn ihn die Inhalte dieser Bücher nicht restlos überzeugt hatten, so sah Christian doch einen neuen Ansatz für sein Leben darin. Gefestigt 92 wurde dieser Ansatz, als er im Fernsehen den Dalai Lama sah und es ihn „im tiefsten Grund seiner Seele“ gepackt hatte. Danach begann er buddhistische Bücher zu lesen. Die Schwierigkeit in dieser Zeit beschreibt Christian damit, dass er zu dieser Zeit auf dem Land gelebt hatte und es dort keinerlei Meditationsgruppen oder ähnliches gab und er auch aus diesem Grund, den Buddhismus wieder aus den Augen verlor. Christian beschloss, einige Zeit als „Aussteiger“ zu leben. Dies machte er, indem er in einen Bauwagen zog und zweimal in der Woche in eine größere Stadt fuhr, um dort mit Musik seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Mit Dreißig beschloss Christian dann in eine größere Stadt zu ziehen, da es für ihn an der Zeit war zu entscheiden, was er mit seinem Leben anfangen soll. In dieser Phase kam er auch wieder mit dem Buddhismus in Berührung und er schloss sich einem buddhistischen Zentrum an. Die Begegnungen mit dem Leiter dieses Zentrum empfand Christian als sehr bewegend und er beschloss regelmäßig zu meditieren, was er seit dieser Zeit nun auch täglich macht. Gleichzeitig fing Christian in dieser Zeit in einem Kinder- und Jugendheim an zu arbeiten, da auch der Lehrer des buddhistischen Zentrums meinte, dies sei ein guter Ort, um Mitgefühl und Standfestigkeit dem Leben gegenüber zu entwickeln. Christian berichtet von vielen Momenten, in denen er die Auswirkungen buddhistischer Praxis im Berufsalltag spürt. Er sieht sich in der Lage, sich nicht von den Stimmungen innerhalb der Arbeit negativ beeinflussen lassen, da er es gelernt hat zu beobachten, wenn Stimmungen oder Emotionen in ihm auftauchen. Dieses beobachten hilft ihm sich nicht mit dieser Stimmung oder Emotion zu identifizieren. Des weiteren ist die Fähigkeit des absichtslosen Beobachtens im Kontakt mit den Kindern und Jugendlichen sehr hilfreich, da diese es merken, wenn man ihnen offen und ehrlich, also ohne Vorurteile und Konzepte begegnet. Selbst wenn sie ein zerstörerisches Verhalten an den Tag legen, kann dies Christian annehmen und beobachten, ohne die Jugendlichen abwerten oder bewerten zu müssen. Wichtig ist es für ihn, einen Kontakt herzustellen mit dem was gerade im Moment passiert. Schwierig wird es für Christian, wenn er sich nur in seinem Kopf befindet.. Damit meint er seine Tendenz, alles durchdenken und kritisieren zu müssen. Dadurch ist er nicht in der Lage, sich hinzugeben und loszulassen. Hilfreich erweist es sich in solchen Situationen, wenn er sich innerlich bereit dazu erklärt, anderen Menschen zu helfen oder für andere da zu sein. Dadurch bekommt er wieder Kontakt zu seinem Herzen und es kann eine Einheit zwischen Kopf- und Herzenergie entstehen, die sich dann in einer Form von Weisheit ausdrückt. Die Bereitschaft anderen zu helfen entstand in Christian, als er eines Tages feststellte, dass er noch 93 nie einen wahrhaft glücklichen Menschen in seinem Leben getroffen hat, jeder Mensch sich aber nach Glück sehnt. 5.2 Das Kategorienschema Am Ende der Datenanalyse nach der Grounded Theory steht das Kategorienschema. Die Auswertung des Datenmaterials ergab vier Achsenkategorien Zufluchtnahme, Intervenierende Variablen, Handlungs- und Interaktionale Strategien und Effekte, die sich um die Zentrale Kategorie „In Verbindung gehen“ gruppieren. Dabei setzen sich die Intervenierende Variablen zusammen aus „Kontext“ und „intervenierende Bedingungen“, die Handlungsstrategien entsprechen den „Handlungs- und interaktionalen Strategien“, die Zufluchtnahme entspricht den „vorausgehenden Bedingungen“ und Effekte entsprechen den „Konsequenzen“. Die Kategorien wurden nach dem Kodierparadigma von Strauss und Corbin entwickelt. 94 5.3 Übersicht der Achsenkategorien Für einen ersten Überblick werden hier die einzelnen Achsenkategorien dargestellt. ZUFLUCHTNAHME HANDLUNGSSTRATEGIEN 1) Spirituelle Grundwerte 2) Weisheit 3) Hingabe und Vertrauen 4) Zufluchtnahme 1) Akzeptanz und Offenheit 2) „Spiegelung des eigenen Musters“ 3) Ethisches Handeln 4) Buddhistische Techniken anwenden ZENTRALE KATEGORIE: „IN VERBINDUNG GEHEN“ INTERVENIERENDE VARIABLEN EFFEKTE 1) Herz öffnen 2) Innere Stärken 3) Sinnhaftigkeit und Selbstreflexion 1) Innere Suche 2) Äußere Umstände 3) Erfahrung der buddhistischen Praxis 95 Vorausgehende Bedingungen: Zufluchtnahme Die Auswertung des Datenmaterials ergab, dass die Zufluchtnahme eine entscheidende Bedeutung für die Befragten darstellt. Die Zufluchtnahme führt zu der Entscheidung, konsequent das Leben nach der Lehre des Buddha auszurichten. Dies verändert das Weltbild der Befragten ganz entscheidend. Durch die Analyse der Daten ist deutlich zu sehen, dass die Interviewten das materielle Weltbild der Moderne ablehnen und sich stattdessen anhand ihrer gefunden buddhistischen Grundwerte neu orientieren. Intervenierende Variablen Die intervenierenden Variablen haben einen großen Einfluss auf das „In Verbindung gehen“ und beeinflussen merkbar den Zugang zur Zufluchtnahme. Es sind auf der einen Seite die äußeren Umstände, die dazu führten, eine neue Orientierung beziehungsweise ein neues Weltbild zu finden. Auf der anderen Seite sind es individuelle Variablen, die die entscheidenden Impulse dazu gaben, dass die Interviewten sich tatsächlich auf die Suche begaben, um neue Wege zu entdecken. Handlungsstrategien Durch die Erfahrung des ständigen Austauschs mit einer Außenwelt, die zudem konträr zu dem isolierten Menschenbild der Moderne steht, entwickelten sich bei den Befragten bestimmte Handlungs- und Interaktionsstrategien. Die Handlungsstrategien setzen dabei eine Bereitschaft des „In Verbindung gehens“ voraus und fördern im Gegenzug tiefere und nachhaltigere Verbindung. Effekte An dieser Stelle werden die inneren Veränderungen der Befragten beschrieben, die sie durch den Prozess des „In Verbindung gehens“ und den daraus resultierenden Handlungs- und Interaktionsstrategien erfahren. Des Weiteren werden die Veränderungen dargestellt, die die Interviewten durch die buddhistische Praxis im Berufsalltag erfahren. Die zentrale Kategorie „In Verbindungen gehen“ Der Ausgangspunkt dieser Untersuchung ist die Kategorie „In Verbindung gehen“. Dieses „In Verbindung gehen“ ist als ein Prozess zu verstehen, der sich aus den Konsequenzen der Zufluchtnahme ableitet. Dieser Prozess wird durch die tägliche Praxis und inhaltliche 96 Beschäftigung mit dem Buddhismus ständig erneut in Gang gesetzt. „In Verbindung gehen“ steht zudem in einem intensiven Rückkopplungsverhältnis mit den Handlungs- und interaktionalen Strategien, sowie den Effekten. 5.4 Ergebnisdarstellung der Kategorien Im Folgenden werden die relevanten Aussagen der Interviewpartner dargestellt, wobei jeweils die Interviewpassagen zitiert werden, die am zutreffendsten erscheinen. Die Interpretation und Diskussion der Aussagen erfolgt im nächsten Kapitel. Zitierte Fragen des Interviewers sind fettgedruckt. Die jeweiligen Subkategorien sind unterstrichen. 5.4.1 Achsenkategorie „Vorausgehende Bedingungen: Zufluchtnahme“ Die erläuterten Phänomene in dieser Kategorie beschreiben die wesentlichen Inhalte des Weltbildes der Befragten. Es wurden dabei vier Subkategorien gefunden. 5.4.1.1 „Spirituelle Grundwerte“ (in-vivo-Kategorie; Me, 45ff) Allen Interviewten ist gemeinsam, dass sie neue und spirituelle Grundwerte gefunden haben und ihr gesamtes Leben danach ausrichten. Diese inneren Werte dienen den Interviewten im Berufsalltag als Stütze und Bezugspunkt ihres Handelns. Also diese Lebensweise, der ich mich verpflichtet fühle, oder die ich fühle und die ich lebe, die sich auf spirituellen Grundwerten halt ausrichtet oder aufbaut, die man in der buddhistischen Wissenschaft oder auch Religion finden kann. Das ist also das, was mich im Beruf natürlich, bei jeder Begegnung mit jemanden, bestimmt. Also so ist mein Weltbild. Mein ganzes Weltbild ist so davon geprägt. (Me, 45ff) Und das Andere ist, ja, so was wie Werte in meinem Leben zu sehen. Ich bin nicht einfach so ins Leben reingeworfen und versuch dann irgendwie so rumzuwurschteln und hoffentlich geht alles irgendwie gut. (Le, 113ff) Die Entstehung neuer Werte entstand auch aus der Bewusstwerdung der eigenen Defizite. Genau, und dann hat es noch damit zu tun, ja, mit Ethik, das ich gesehen habe, dass meine Ethik, ich möchte es jetzt nicht weiter ausführen, so im weitesten Sinne, also zeitgeistgemäß, also am Boden war. Also Ethik heutzutage oder damals vor 10 Jahren, da wo ich war – man ist besondern gut angesehen, wenn man irgendwie es besonders klug anstellt, sich zu bereichern. Oder so was. Und das wurde mir auch total bewusst [...]. (La, 25ff) 97 Das ist so ein Punkt, ich mein, als ich gesehen hab, wie leer ich innerlich bin, da ist dann ganz schnell die Bereitschaft gewachsen, diese Leere mit was Positivem zu füllen. (Ch, 348ff) Buddhistische Grundwerte bedeuten auch eine erweiterte Perspektive auf die Welt. Viele Interviewten berichteten davon, dass das Bedürfnis zu helfen eine zentrale Position einnimmt in ihrem Leben. Und dann hab ich durch die buddhistischen Lehrer, Lehren, ein Weltbild kennen gelernt, wo man schon auch was tut für Andere, es war ja Mahayana Buddhismus, ich tu was für die Welt, zum Wohle der Wesen. Aber eben mit einer Wertschätzung aller Menschen, aller Beteiligten. Das hat mir einfach besser entsprochen. (Ta, 52ff) Na, ich kann jetzt einfach nicht mehr so tun, als ob die Welt um mich herum mich nichts angeht, ich seh die Welt da jetzt doch anders, weil wenn es anderen schlecht geht, dann geht es mir auch schlecht. (Ch, 123ff) Der Weg heißt halt, also kann Studium bedeuten, kann Meditationspraxis bedeuten, kann aber auch die Lebensweise bedeuten, dass ich mich also auf dem spirituellen Weg befinde, der ein bestimmtes Ziel hat, bestimmte Ausrichtung, ja. Zum Wohle aller Wesen, einschließlich meiner Selbst, so. Ist eine Grundlebenshaltung, ist der Dharma, der Weg. (Me, 91ff) „Also er ist wirklich das Wichtigste“ (in-vivo-Kode; La, 45) Für alle Interviewten nimmt der Buddhismus eine zentrale Position in ihrem Leben ein. Und als ich mich mehr mit dem Buddhismus beschäftigt hab, war ich nach gar nicht langer Zeit, ganz tief davon überzeugt, dass das ein Weg ist, den ich gehen muss. Nicht weil mich jemand zwingt, sondern weil das echt ist. Wenn ich das nicht machen würde, dann würde ich irgendeinen Teil in mir verleugnen. (Le, 429ff) Also das der Weg, der spirituelle Weg das Zentralste und Wichtigste ist, alles andere… wird Inhalt dessen oder ordnet sich dem unter, also Privatleben oder Beruf. So, das ist wichtig [...]. (Me, 410ff) Also er (der Buddhismus, Anm. d. A.) ist wirklich das Wichtigste. Also, ja. Also auch, wenn ich eine Beziehung, also ich hab zwei Söhne, zwei erwachsene Söhne, klar, die bedeuten mir ganz viel, aber, also so wie ich mein Leben führe, oder wofür ich mein Geld ausgebe, das ist Buddhismus, der steht immer an erster Stelle. (La, 45ff) 98 Also ich glaube, wenn man wirklich Buddhist ist, dann ist es das ganze Leben, ich meine, man kann nicht nur am Abend Buddhist sein, oder wenn man in ein Zentrum geht. (Ch, 87f) Also das heißt, das Dharma fließt in allen Aspekten ein, in das Gespräch, in den Ablauf einer Untersuchung und auch in die Therapie, die ich dann vorschlage. (Aa, 51ff) Gesetz von Ursache und Wirkung Die Interviewten reflektieren über das Karma-Prinzip, also dem Wissen von Ursache und Wirkung. Lara zum Beispiel kann besser mit ihren persönlichen Schwierigkeiten umgehen, wenn sie einen tieferen Sinn in ihnen erkennt. Also es hat auf einmal alles einen Sinn bekommen, es hat einfach einen Sinn bekommen, also auch negative Erfahrungen, sie sind natürlich noch immer da, also ich bin nicht immer glücklich und Schwierigkeiten tauchen auf, einfach durch Karma, ich sehe, alles was mir widerfährt, hat im Grunde was mit mir zu tun, also nicht als Strafe, sondern es ist ne Spiegelung des eigenen Musters, was ich wieder erfahre [...]. (La, 62ff) Das Wissen um das Prinzip von Ursache und Wirkung hat auch im Berufsleben tiefgreifende Folgen. Weil, eigentlich ist es so sonnenklar, wenn ich es schaffe, einen klaren und friedlichen Geist zu haben, dann wird die Welt genau darauf reagieren, ebenfalls klar und friedlich und wenn ich ein konstruktives und harmonisches Arbeitsleben haben möchte, dann muss ich daran arbeiten, innerlich konstruktiv und harmonisch zu werden. (Ch, 361ff) Meret hat gelernt, dass sie mit ihrer Stimmung einen erheblichen Einfluss auf ihre Sterbepatienten hat. Und du lernst einfach, dass du keine Angst haben musst und das ist total wichtig für einen Begleiter, weil die Sterbenden sind so kräftig. Wenn du unvorbereitet bist, hauen die dich vom Sockel, mit dem was da an Emotionen und zuständen kommen kann. Wenn du unvorbereitet bist, kannst du es vielleicht gar nicht aushalten, aber wenn du es halt trainierst und Tonglen führt halt dazu, dass man den Schmerz und Wahnsinn, der da ist, dass man den aushalten kann. Und wenn du das schaffst als Begleiter, dahin zu kommen, dass du ruhig und liebevoll wirst, trotz des Wahnsinns, dann geht das in Resonanz. Dann hat der Sterbende die Möglichkeit, im besten Fall geht es in Resonanz, dann kann der es übernehmen. Es hilft ihm wirklich. Nicht weil man den jetzt was an 99 Leid wegnimmt, sondern weil man selber sich verändert. Das hilft dann den anderen. (Me, 449ff) Für Tara bedeutet das Prinzip von Ursache und Wirkung auch, dass man darüber nachdenkt, wie das eigene Verhalten das Leben der nachfolgenden Generationen beeinflusst. Ich mach was, damit jetzt meine Firma Geld verdient, aber ich denk nicht mehr, dass das in der Zukunft gut ist, für die Kinder, für die nachfolgenden Generationen, das ist auch so was. (Ta, 12f) 5.4.1.2 Weisheit Weisheit bedeutet, den Menschen und den gesellschaftlichen Kontext in all seinen Facetten zu sehen. Es ist eine Haltung, die dem integralen Ansatz entspricht. Man würdigt jeden Menschen an dem Punkt seiner Entwicklung. Gleichzeitig ist man in der Lage, über seine eigenen konditionierten Anschauungen und Vorurteile hinaus zu blicken. Und überhaupt, dieses müssen und sollen und so. Das ist ja im Buddhismus überhaupt nicht vorhanden, sondern,da wird unterteilt in, ist es heilsam oder ist es nicht heilsam. Das ist was ganz anderes, als ist es gut oder schlecht oder das mag ich, das mag ich nicht, das ist so eine subjektiv orientierte Haltung, eben egozentrisch. Geht alles von, ich mag es oder ich mag es nicht. Das Heilsam, oder Nicht-Heilsam ist, die ganze Situation zu betrachten als dynamisches Ganzes, hier bewegt sich was, bewegt es sich in die Richtung von Heilsein, von Ganzheit, oder Zersplitterung, Unheilsein. (Le, 14ff) Eine erweiterte Perspektive einzunehmen bedeutet auch, die bisher verinnerlichten Anschauungen zu hinterfragen. Weltbild. Menschenbild. Bild auf Krankheit, Heilung. Was ist Krankheit, was ist Heilung? Was ist der Prozess? Um was geht es eigentlich? (Me, 53f) Ich versuch halt den Menschen und mich im gesamten Bild zu sehen, nicht nur meine eigenen, na, Vorlieben oder die Interessen einer bestimmten Gruppe. Was ist der ganze Mensch? Was macht ihn aus? (Ch, 365ff) Tara beschreibt die Einseitigkeit ihrer politischen Wurzeln, die ihr zu aggressiv waren... Es fehlte eine Dimension, wo man alle Menschen wertschätzt und nicht nur die eigene Partei, die eigene Gruppe und dann gegen die Feinde, ich dachte immer, das stimmt nicht, dass man Feinde hat. Also Klassenkampf und diese ganzen Bilder, da muss man ankämpfen, man muss zerstören, damit man was Neues aufbauen kann. (Ta, 48ff) ... und wie sie im Buddhismus einen ganzheitlichen Ansatz findet. 100 [...] aber ich hatte das Gefühl, da ist eine Verbindung zwischen Psychologie und politischer Arbeit und Wertschätzung der Menschen und so. (Ta, 63f) Für Tara ist es klar, dass man eine Verantwortung trägt, die über das individuelle Wohl hinausgeht. Wir haben Verantwortung für die Welt, wir haben Verantwortung für die anderen Menschen [...] (Ta, 141) Im Buddhismus findet Tara ein Weltbild, indem sie sich für die Menschen einsetzen kann. Und dann hab ich durch die buddhistischen Lehrer, Lehren, ein Weltbild kennen gelernt, wo man schon auch was tut für Andere, es war ja Mahayana Buddhismus, ich tu was für die Welt, zum Wohle der Wesen. (Ta, 52ff) Das Prinzip der Weisheit stellt das Fundament von Aarons Arbeitsalltag dar. Das Dharma ist aufgebaut in Sila-Samadhi-Panna13, also der Samadhi Aspekt in der Arzt-Patienten Begegnung wäre, dass ich mich auch wirklich auf die Leute ausrichte, also nicht dabei noch telefoniere [...] ich trete den Menschen entgegen mit einer Haltung von Sila, so hat der Buddha begonnen. Dana und Sila. Das ist die Basis, das Fundament der Praxis. Dana und Sila. [...] Geben und tugendhaftes Verhalten. [...] Der Panna Aspekt, also der Weisheitsaspekt ist im Grunde genommen dann die Fachkompetenz mit der Herzenskompetenz zu verbinden [...]. Also das heißt, das Dharma fließt in allen Aspekten ein, in das Gespräch, in den Ablauf einer Untersuchung und auch in die Therapie, die ich dann vorschlage. (Aa, 53ff... 45ff... 59ff) Für Aaron ist das eine Herangehensweise, die sich deutlich von dem leistungsorientierten Weltbild unserer Gesellschaft unterscheidet. Und das ist für den Westen neu. Im Westen sind wir konditioniert ganz schnell in Dingen etwas zu machen, zu beurteilen, etwas damit zu machen. (Aa, 33f) 5.4.1.3 Hingabe und Vertrauen Aufbauend auf neuen und spirituellen Grundwerten wurde ein inneres Vertrauen und Hingabe entwickelt. Das Vertrauen entwickelte sich aufgrund eigener buddhistischen Praxis und stellt einen sehr wichtigen Aspekt für die Interviewten dar. Durch die Erfahrung der buddhistischen Praxis und ihren persönlichen Erfahrungen konnten sie einen unerschütterlichen Bezugspunkt finden. 13 Ethik - Meditation - Weisheit 101 Durch die Entwicklung von Vertrauen sehen sich die Interviewten in der Lage, eine Hingabe zu entwickeln, die dazu führt, Aspekte wie Mitgefühl und Liebe in den Berufsalltag zu integrieren. Ja, diese Gewissheit eben, dass durch den buddhistischen Weg, der eben auch viel und harte Arbeit ist, weil die innere Arbeit doch die schwerste Arbeit ist, also dass man da den Schriften oder dem Dalai Lama oder so, na, vertrauen kann. (Ch, 167) Wenn ich nur sage, toll, Französisch ist eine tolle Sprache und nix lerne, nützt nicht viel. Also wenn es mich dazu inspiriert, etwas auszuprobieren und einfach immer wieder zu machen oder von der Person was zu lernen, mich einzusetzen, dann entsteht ein Vertrauen, ein faith-based-reasoning, also ein Vertrauen, was begründet ist. Also ich lern eine Person kennen, ich lern französisch, ist wirklich eine schöne Sprache, oder meditieren, klasse, toll, wirklich, das tut echt gut. Aber da ist natürlich auch viel Konzeptionelles dabei und man ist halt ein paar Schritte gegangen und ich sag, wenn man dann weiter macht, dann entsteht Vertrauen durch eigene Erfahrungen. Durch tiefe Erfahrungen. Und dann können 100.000 Leute kommen und mir erzählen, weißt du, Meditation ist gefährlich. Das wird dann zu einem Vertrauen, das ist unerschütterlich, selbst wenn schwere Zeiten kommen. (Ta, 422ff) Die eigene Erfahrung spielt für Leo dabei eine wichtige Rolle. Ich meine, es kann nur auf eigener Erfahrung beruhen und nicht auf äußeren Druck und Kommando. (Le, 475) Also ist Vertrauen ganz wichtig, aber kein dummes Vertrauen. Sondern informier dich, kuck dir die Leute genau an und glaub einfach nicht, weil jemand sagt, ich bin Buddhist, er ist ein toller Mensch. (Le, 446ff) Tara erläutert die sozialen Bedingungen, die es braucht, um Vertrauen im Berufsalltag zu erfahren. Und wie könnte sich das im Berufsalltag auswirken? Da sind wir an einem wichtigen Punkt. Vertrauen braucht Kontinuität. Und wenn wir so oberflexible Arbeitssituationen haben, wo jeden Tag das Team anders zusammengesetzt ist, oder ich in eine andere Abteilung komme oder in ein anderes Projekt. Das ist sehr schwer. Also Vertrauen braucht Kontinuität. Das braucht auch soziale Bedingungen, sonst klappt das nicht. Ich mein, auch Meditation, das Vertrauen in Meditation wächst, indem man es tut. Das erfahr ich nicht in vierzehn Tagen, so. Und Vertrauen entsteht auch nicht durch strukturierte Kontakte alleine, das braucht einfach unstrukturierte Zeit miteinander. 102 Und Vertrauen entsteht, wenn man nicht nur zeigt von sich, was man kennt. Also wenn ich immer nur meine bekannten Seiten zeige, entsteht kein Vertrauen. Es entsteht, wenn wir uns, wenn wir in den Papierkorb reden, einfach drauf losreden und sozusagen ohne Netz und doppelten Boden mal miteinander reden. Eben Seiten zeigen, wo man selber nicht so genau weiß, wie das funktioniert. Dann entsteht auch Vertrauen. (Ta, 436ff) Buddhistische Praxis kann dabei helfen, diese sozialen Bedingungen herzustellen, da man durch die buddhistische Praxis lernt, ein mitfühlendes Herz zu entwickeln. Und in meinem Beruf wirkt sich das natürlich aus, dass die Erfahrung, wenn du es schaffst, Hingabe und Vertrauen zu praktizieren, sich das Herz immer weiter öffnet. Also die Fähigkeit zu lieben und aufzunehmen und da zu sein. Im Augenblick zu sein, also präsent zu sein. Dass sich das natürlich positiv auswirkt auf meine Beziehungen zu meinen Klienten. Das ist also Kern, das ist wichtig. Ja. (Me, 321ff) Durch das Erkennen der Auswirkungen der buddhistischen Praxis kann eine Form der Hingabe entstehen. Und wenn ich allmählich diese heilenden Kräfte entdecke, die durch das Üben entwickelt werden, steigt meine Hingabe. Meine Bereitschaft, mich noch weiter rein zu begeben. (Le, 473ff) Na, ganz klar, weil ich schnell gemerkt habe, wenn ich richtig tief praktiziere, dann ist das Ego einfach nicht mehr der stärkste Teil in mir und das erfahren alle im Job. Dann fließe ich einfach so mit, voller Mitgefühl und nicht mehr im Kampf und nur auf meine eigenen Interessen bedacht. (Ch, 343ff) Wichtig dabei ist eine bestimmte innere Haltung: Das Wichtige ist natürlich die innere Haltung. Die innere Haltung ist im Grunde genommen keine wesentlich andere Haltung als im christlichen Gebet, das heißt also, ich geb mich Höherem hin, der Buddhanatur hin, einer höheren Kraft wenn du so willst, einer Kraft die natürlich nicht sinnlich erlebbar ist, die erlebbar ist umso mehr ich mich öffne für diese Kraft, umso mehr ist sie zu spüren. (Aa, 124ff) Das Gegenteil von Ego ist ja das Hingeben und dieses hingeben, also das erfahr ich durch eine innere Bereitschaft, also eigentlich dann, wenn ich bereit bin, anderen zu helfen, für andere da zu sein. (Ch, 327ff) Christian beschreibt die Schwierigkeit, sich hinzu geben: 103 Das Schwierige ist der Kopf, immer und immer wieder der Kopf, der alles durchdenken und kritisieren will und es nicht zulassen kann, sich einfach mal hinzu geben, na, das Ego halt. (Ch, 325ff) 5.4.1.4 Zufluchtnahme Die intensive Beschäftigung mit den Lehren des Buddhismus münden schließlich in der Zufluchtnahme. Also in der Zufluchtnahme gehe ich ja in Verbindung und die Zuflucht zum Buddha ist für mich Kraftquelle oder die Zuflucht zu meinen Lehren. Und das hilft mir mich auszubalancieren, sozusagen mich, in dem ich Zuflucht nehme gebe ich ein Stück mich hin und meine nicht, dass ich das alles auf meine Schultern nehmen muss. Ich nehme mich als Persönlichkeit nicht so besonders wichtig und das ist wiederum auch Teil meiner Praxis, das heißt, also ich richte mich aus und gebe mein Bestes und der Rest liegt nicht mehr in meiner Verantwortung. (Aa, 111ff) Ich hab Zuflucht in diesem Zentrum genommen und ja, da habe ich gemerkt, dass ich Teil einer Gemeinschaft bin, die schon seit 2000 Jahren besteht und ernsthaft daran arbeitet, sich weiter zu entwickeln, ohne jetzt egoistischen Eigennutz, oder so was. Einfach, um sich und andere voran zu bringen, geistig und seelisch. Das habe ich da so begriffen und dass es wirklich mein Weg ist, denn ich gehen will, 100% gehen will. (Ch, 109ff) Aaron erlebt die Zufluchtnahme als tägliche Kraftquelle: Und das erlebst du sozusagen auch als Kraftquelle? Das erlebe ich als Kraftquelle, klar, weil immer dann wenn man sich hingibt, geht man mit mehr Energie aus der Situation wieder hervor und weil man sich mit einer tieferen Kraft verbindet, die weitaus stärker ist als die persönliche Kraft. (Aa, 138ff) Zusammenfassend lassen sich die vorausgehenden Bedingungen und die Intervenierenden Variablen schön anhand einer längeren Textpassage von Leo darstellen: Und ich fuhr dahin, die trafen sich zweimal im Monat, kam da so zu einem Treffen und, ja, da war da dieser Schreinraum, mit dem Buddha und den Kerzen und den Räucherstäbchen, einige hatten sich solche Kutten angezogen und murmelten dann irgendwelche Mantras. Und ich dachte, mein Gott, wer ist jetzt eigentlicher verrückter, diese Leute, die da diesen Zirkus abziehen oder ich, der ich, der sich da so reinsetzt. Und plötzlich kam mir der Gedanke, ist aber ganz schön arrogant, keine Ahnung von 104 dem was geschieht, aber verurteilen. Und dann fuhr ich wieder nach Hause und auf dem Heimweg merkte ich, wie eine ganz tiefe Freude in mir war. Und ich dachte, hatte ja lange Zeit keine Freude mehr verspürt, was ist das? Vorher, nachher, ein bisschen wissenschaftliches Denken war noch übrig geblieben. Dass kann vielleicht von da gewesen sein. Und ich fuhr dann wieder hin und da war dann ein ähnliches Phänomen wieder, dass ich so zufrieden, gelöst zurückkam, ohne irgendwelche Gründe zu haben. Und dann fuhr ich eben immer wieder hin und wieder hin und nach einiger Zeit interessierte mich, wie ich mich fühlte, die Lehre hat mich interessiert. Und, was praktizieren die da? So fing ich dann an, selber zu üben, mir ging es so dreckig, dass ich dachte, entweder ich mach jetzt was oder ich geh vor die Hunde und ich hab nichts mehr zu verlieren. Und so fing ich dann also an, konsequent zu üben, zu praktizieren, zu meditieren und gleichzeitig Schriften über den Buddhismus zu lesen. Hab ganz viel auch die ursprünglichen Lehrreden Buddhas gelesen, also die im Palikanon und es faszinierte mich mehr und immer mehr und hab nach einiger Zeit dann auch Zuflucht genommen. (Le, 61ff) Die Zufluchtnahme geht einher mit dem Wunsch anderen Menschen zu helfen, unabhängig von Rasse, Geschlecht oder Herkunft. Und dann hab ich durch die buddhistischen Lehrer, Lehren, ein Weltbild kennen gelernt, wo man schon auch was tut für Andere, es war ja Mahayana Buddhismus, ich tu was für die Welt, zum Wohle der Wesen. (Ta, 52ff) Also nicht nur hinsetzen und konsumieren, sondern selber aktiv werden, für andere etwas tun. Es muss ja nicht dieses Zentrum sein, kauf für jemanden ein oder kümmer dich um die Kinderbetreuung oder mach Babysitting für umsonst. Also mach was für Andere. (Aa, 226ff) Der Wunsch allen Menschen zu helfen schließt auch die eigene Person mit ein. Zum Wohle aller Wesen, einschließlich meiner Selbst, so. Ist eine Grundlebenshaltung, ist der Dharma, der Weg. (Me, 93f) Das führt zu dem Punkt, an dem man sich nicht mehr so wichtig nimmt als Person, beziehungsweise das Wohl der anderen Menschen immer mehr in den Blickpunkt rückt. Ich nehme mich als Persönlichkeit nicht so besonders wichtig und das ist wiederum auch Teil meiner Praxis [...] (Aa, 133f) Aber alleine dadurch, dass ich ruhiger bin, werd ich auch so ein bisschen, oder gelassener oder freudiger, werd ich auch so was ähnliches um mich herum verbreiten. 105 Und ich bin ja nicht ganz alleine, ich bin ja nicht im sozialen Vakuum. Also, wenn Menschen sich um mich herum glücklicher fühlen, wird es auch mich glücklicher machen, mich beeinflussen. Wenn ich mich unglücklich fühle, werden die anderen Menschen um mich herum, auch irgendwie ein dumpfes Gefühl haben. (Le, 180ff) Ich merke schon, wie meine Bedürfnisse immer weniger werden, also wie ich mich selbst nicht mehr so wichtig nehmen muss, meine Gefühle und Gedanken. Es macht mich so zufrieden und glücklich, wenn ich anderen Menschen helfen kann, kein Vergleich zu dem Glück, wenn ich mir nur selber helfe. (Ch. 356ff) 5.4.2 Achsenkategorie „Handlungsstrategien“ 5.4.2.1 Akzeptanz und Offenheit Offenheit ist ein Rückkoppelungsmechanismus. Zum einen wird Offenheit durch die buddhistische Praxis generiert, zum anderen hilft Offenheit am Arbeitsplatz, nach den selbstgewählten Grundwerten zu leben. [...] dann hilft das, dass ich nicht so empfindlich reagiere, das mehr Humor reinkommt, also dass ich mich aus einer anderen Warte aus betrachten kann, also das ich selber und meine Bedürfnisse für den Augenblick nicht mehr so im Vordergrund sind. (La, 127ff) Lara berichtet von einem ihrer Patienten, den sie elf Jahre lang betreut hatte und den sie teilweise sehr „eklig“ fand, da er viel Alkohol trank und oftmals keine Körperpflege betrieb. Ich arbeite ja in so einem Verein für selbstbestimmtes Leben, also ich komm jetzt nicht rein und sag, so jetzt wird gewaschen, sondern wenn der er sagt „nein“, dann kann ich versuchen zu argumentieren und wenn er sagt „nein“, dann stinkt er halt. Also ich fand ihn dann manchmal richtig widerlich und hatte da ganz viel mit Ekel zu tun. Und dann hab ich meinen Lehrer gefragt und der hat mir das Mantra von Avalokiteshvara genannt, OM MANI PEDME HUM, was jetzt eigentlich gar nicht so mein Spezial Mantra ist. Und das hab ich einfach versucht, in mir, so wenn ich merkte, ich hab keine Lust an das Bett von dem zu gehen und irgendwas für den tun. Dann einfach so für mich rezitiert und das hat wirklich gewirkt. Ich kann dir nicht erklären wodurch. Also ich hab auch gar nicht groß visualisiert. Dann, ja, es war einfach totale Nähe, genau und dann, der merkt das dann natürlich auch. Wenn bei mir eine Offenheit ist, dann merkt der das auch und dann entspannt sich gleich alles. Ich hab natürlich immer wieder so Leute und neulich hab ich es auch wieder gemacht und man entspannt sich dann gleich, 106 das kann man glaub ich gar nicht erklären, wie es kommt, dass diese paar Silben OM MANI PEDME HUM, so was auslösen, dass sich ne Situation, ja so öffnet und weicher wird. (La, 142ff) Offenheit bezieht sich auch darauf, wie man die Menschen wahrnimmt, mit denen man im Arbeitsalltag zu tun hat. Also es geht darum, dass sie schon so kommen, wie sie sind, na. Aus völlig verschiedenen Zusammenhängen, also der erste Schritt ist, dass ich das akzeptiere und respektiere. (Me, 213f) Ich meine, wenn du den Jugendlichen offen und ehrlich begegnest, dann hat das eine Auswirkung, ganz klar. Die merken das, wenn du schon Konzepte oder Urteile über sie hast, die kriegen das voll mit und genauso, wenn du ein offenes Herz hast und die buddhistische Praxis, sie macht einfach dein Herz weicher und deinen Geist offener [...]. (Ch, 200ff) Wenn das Herz selber verschlossen ist, ist es immer schwieriger sich auf den anderen einzulassen, also wenn ich selber besetzt bin von Gedanken, Gefühlen, dann hat der Andere erstmal nicht viel Raum. Umgekehrt kann ich das sozusagen mit einem Schnips loslassen und sagen, ich bin jetzt für dich da. Und das nicht nur sagen, sondern auch mit einer inneren Qualität füllen, sozusagen. Dann sind zehn Minuten manchmal schon sehr viel. (Aa, 188ff) Es geht auch darum, den anderen Menschen wertzuschätzen und nicht höher oder geringer einzuschätzen als sich selbst. Also ich steh niemals auf einer anderen Stufe als der andere, wenn du das verstehst. Aber es ist immer gleich, also was den anderen trägt, wir sagen dazu Buddhanatur. Die Buddhanatur ist bei ihm dieselbe wie bei mir. Es gibt kein oben und unten. Das ist ganz wichtig [...]. (Me, 227ff) [...] und da auch genauso, einfach Wertschätzung für den Menschen [...] (Ta, 183) Tara erklärt, dass sie mehr Respekt für andere Menschen entwickelt hat: Und mich mehr über kleine Dinge gefreut, wo ich das Gefühl hab, die tun was, die können was, also weniger für selbstverständlich gehalten, mehr Respekt für das, was Leute tun, mehr hinkucken auf das Positive. (Ta, 186ff) Geduld ist für Leo eine gute Handlunsgsstrategie, die es ihm ermöglicht Mitgefühl für sich und andere zu generieren. 107 Was sich unendlich weiter zu entwickeln scheint, ist einmal Geduld mit mir selber und anderen. Und Mitempfinden, mit mir selbst und anderen, mit meinen eigenen Schwächen, mit den Schwächen anderer, sich nicht so schnell zu verurteilen. Und verstehen zu lernen, selbst wenn sie auf irgendeine Weise, sehr negativ oder gehässig reagieren, dass das Ausdruck ihrer inneren Verletzung ist und Ausdruck ihrer Hilflosigkeit, auch wenn es mich trifft. Ist eigentlich nicht so persönlich zu nehmen. (Le, 508ff) 5.4.2.2 „Spiegelung des eigenen Musters“ (in-vivo-Kategorie, La, 66) Die Interviewten berichten davon, wie sehr es ihnen hilft, sich selbst zu reflektieren. Diese Reflektion hilft ihnen dabei, weder sich noch andere unangemessen zu behandeln. Also man beobachtet sich ja sehr stark, also der Blick ist ja nicht so sehr auf den Anderen, der macht das und das und das, sondern wie geht es mir, was ist jetzt mein Muster, so na? Und was kann ich ändern? (La, 84ff) [...] ich sehe alles was mir widerfährt, hat im Grunde was mit mir zu tun, also nicht als Strafe, sondern es ist ne Spiegelung des eigenen Musters, was ich wieder erfahre und im Buddhismus gibt es so vielfältige Methoden um mit allem umzugehen, also sich zu üben, [...] es ist einfach alles ein Übungsfeld, also wie gehe ich jetzt damit um, was mach ich denn jetzt? (La, 65ff... 70f) Auch wenn die alten Reaktionsmuster gleich geblieben sind, sind sie doch beobachtbar. Diese Beobachtung der eigenen Muster führt dazu, dass man sie loslassen kann. Also die Muster selber sind alle geblieben. Was die Reaktionsmuster angeht. Ich bin ne Schnelle, ich erwarte viel von Leuten, also bestimmte Sachen sind einfach geblieben. Aber ich merk es schneller, dass ich was erwarte und wenn es nicht erfüllt wird, steig ich wieder aus. Und das ist beobachtbar. (Ta, 250ff) Würden Sie sagen, ihre Mitmenschen, das Team oder ihre Arbeitskollegen, kriegen die das so mit, dass sie buddhistisch praktizieren? [...] Das hat mir geholfen, in dem Sinne, dass er (der Buddhismus, Anm. d. A.) mir hilft, bewusster zu werden. Das ist der wichtigste Punkt. Und das bemerke ich auch bei denen, mit denen ich zusammen arbeite, dass alle ihre Muster besser mitkriegen, das heißt wir können auch auf einer Metaebene. Wir können einfach sagen, okay, du liebst die Konfrontation, du kriegst Angst bei Konfrontation, du magst keinen Druck haben, ja, so. Also in dem Sinne, haben wir alle unsere Muster weiterhin, wir sind alle die gleichen Persönlichkeiten, aber das 108 Bewusstsein, die zunehmende Bewusstheit über die eigene Strukturen, macht die Zusammenarbeit sehr viel einfacher. Das ist eindeutig. Und es ist weniger, es ist nicht so psychologisch festgezurrt, weil es nicht nach einer bestimmten Schule geht, sondern es ist relativ offen, das System. Das System der Bewusstwerdung und da ist natürlich Achtsamkeit unglaublich hilfreich, das ist toll. (Ta, 267... 294ff) Christian beschreibt, wie er lernt, mit seiner Wut umzugehen: [...] also manchmal bringen mich die Jugendlichen einfach auf die Palme und dann ist es einfach die Kunst, sich innerlich so zurück zu nehmen und zu kucken, warum bringt mich das auf die Palme, weil das ja einen anderen Menschen eben nicht wütend macht. Na, und dann total wütend zu sein und zu erkennen, diese Wut hat nur was mit mir zu tun, also die Momente, in denen mir das gelingt, da fühl ich schon deutlich irgendwie, dass der Buddhismus so greift in mir. (Ch, 256ff) Tara erläutert, welche Techniken der Buddhismus ihr bietet, um diese Selbstreflexion zu lernen: Also man kriegt Übungen und die Tibeter [...] machen sehr viel thematische Übungen auch. Also nicht nur Gottheitenpraxis oder nur Atempraxis oder so, sondern die machen ganz viel Analyse der Motivation, Analyse meiner Handlungen, Analyse der Rede, also wie rede ich mit anderen. Und wenn man so die analytischen Übungen macht, also man kuckt sich so Situationen an, wie hab ich mich verhalten, ich hab mich geärgert über X, was hat mich eigentlich geärgert, was war der Aufhänger? Wie war mein Muster? Wie hab ich reagiert? Was hat das Muster bewirkt? Ist es besser geworden durch meine Reaktion? Hat meine Wut abgenommen? Ist die Situation klarer geworden oder nicht? Das heißt, sie haben auch die ethischen Empfehlungen in viele kleine, praktischen Übungen übersetzt und das war für mich ein ganz, ganz guter Zugang. Weil es war wie so eine Mikroanalyse von Verhalten. (Ta, 212... 213ff) Das Erkennen der eigenen Muster, also der Art und Weise wie man auf Situationen oder Menschen reagiert, hilft dabei, Situationen einfach wahrzunehmen, ohne gleich darauf reagieren zu müssen. Mmh, also geduldiger vielleicht oder eher Ungeduld erkennen und das einfach wahrnehmen und Geschehen lassen. Ich lerne einfach immer eher nicht zu reagieren, sondern in dem Gefühl zu bleiben, es wahrzunehmen, es vorbei gehen zu lassen, zu merken, oh, ich bin jetzt gereizt, ich bin ungeduldig, ich bin müde. Und nicht irgendwie 109 also im übertragenen Sinne zurück zu hauen. Doch, das ist sehr hilfreich. Also im Grunde genommen, besser zu kommunizieren, ja. (La, 86). Also ich krieg mehr meine Stimmung mit und reagier nicht so unbewusst, sondern ich reagiere, ganz klar, also das kann man, glaub ich, nicht verändern, also ich hab ne Kindheit, ich hab ne Biografie, ich hab bestimmte Muster, Konstellationen, Charakter, kann man astrologisch definieren, wie man will. Introvertiert, extrovertiert, ich bleib extrovertiert, so. Aber ich krieg meine Haltung besser mit und das ist eine ganz große Hilfe. Des merk ich, also das ist merkbar. (Ta, 257ff) Weil ich mir einfach durch meine Übungen mehr bewusst darüber bin, wie ich funktioniere und so, also was mich antreibt und warum es mich antreibt. Da würde ich schon sagen, dass ich mich kennen gelernt habe, einfach weil ich mein Verhalten oder was ich so treibe eben, na, dass kann ich einfach nicht mehr so blind ausleben oder ignorieren. (Ch, 249ff) Wenn ich merke, mein Geist fängt an zu flattern – tiefer Atemzug, kuck es dir noch mal an, reagier jetzt nicht schnell. Lass dich von deinen Impulsen nicht überwältigen. Ungeduld verengt den Geist, während Geduld ihn weicher und offener werden lassen kann und dann können wir mehr Zusammenhänge erkennen. (Le, 533ff) 5.4.2.3 Ethisch handeln Für alle Interviewten ist das Einhalten ethischer Richtlinien maßgebend für ihre innere Zufriedenheit im Arbeitsalltag. Für mich selber finde ich es ganz wichtig. Weil es die Grundlage für einen klaren Geist ist. Wenn ich meinetwegen andere Leute belüge und schlecht über sie rede, oder Verleumdung, negative Rede, unheilsame Rede, dann erzeugt dass in mir ja immer Spannung, „hoffentlich kriegt er das nicht raus“ und ich muss immer so ein bisschen Versteck spielen, genauso bei Betrug oder so was. Das ist ein Widerspruch zur Entwicklung eines ruhigen, offenen Geistes. (Le, 409ff) Und wie spürt oder wie erlebst du das in deiner Arbeit? Na, die Ethik, dem Menschen der zu mir kommt gegenüber, die Ethik mir selbst gegenüber. Die Ethik nicht zu töten, nicht zu verletzen, wahrhaftig zu sein, nicht zu lügen, nicht zu stehlen, all diese Dinge, die auch eine Rolle spielen. Die Werte die man hat – es geht um Erleuchtung, der Weg zur Erleuchtung. Dementsprechend trainiere ich mich, dementsprechend verhalte ich mich auch und das spielt natürlich eine Rolle dann im Alltag wenn ich mit jemanden 110 zusammen bin, auch mit dir gegenüber logischerweise, du bist ja kein Patient, in allen Beziehungen die ich eingehe, na. (Me, 103ff) [...] ich trete den Menschen entgegen mit einer Haltung von Sila (Die 5 Silas sind die grundlegende Übungsregeln zur Entwicklung von Sittlichkeit, Anm. d. A.), so hat der Buddha begonnen. Dana und Sila. Das ist die Basis, das Fundament der Praxis. (Aa, 43ff) Dana und Sila gehören im Grunde genommen zusammen. Geben und tugendhaftes Verhalten. Du kannst das Ganze auch überschreiben mit Freundlichkeit, das ist ein sehr trivialer Begriff, beinhaltet aber die Silas, das heißt ich gehe freundlich auf die Menschen zu, ich bin ehrlich zu ihnen, ich bin darum bekümmert, sie nicht zu verletzen, weder körperlich noch emotional zu verletzen [...] (Aa, 45ff) Das Einhalten ethischer Richtlinien beinhaltet für Tara, auch selbst geringfügige Verfehlungen zu vermeiden. Ein einwandfreies Verhalten ist für sie die Basis eines Vertrauensverhältnis. Oder dass ich andere nicht beklaue. Das hab ich auch gemerkt. Als ich zu meinem alten Arbeitgeber zurückkam, nach Indien, hab ich nicht mehr kostenlos telefoniert, ich hab nicht mehr kostenlos Kopien gemacht, sondern ich hab einfach gefragt, ich würd gern fünf Kopien machen, privat; die haben mich angekuckt wie ein Auto. Könnt ich mal kurz privat telefonieren? Ja, tu was in die Kaffeetasse. Und das war aber richtig gut. Also ich hab gemerkt, mir tut es gut und es hat wie so ein ganz tiefes Vertrauensverhältnis geschaffen. (Ta, 481ff) Und ansonsten, ich bemühe mich, nicht zu töten, nicht zu stehlen und sexuell keinen Druck auszuüben oder zu verführen. Aber bei der Arbeit ist es am deutlichsten mit der rechten Rede und eben mit dem Stehlen, also nicht kopieren, Papier mitnehmen. Fragen, das kriegt man immer. Es ist also Vorbild. Das was ich an Rückmeldungen kriege, reicht schon. Kleine Sachen, einfach ethisch Verhalten und jedes Team merkt das, jedes. Man wird vielleicht auch mal angepflaumt, man, sag doch mal was, tu doch nicht immer so heilig. Ne, ich mag nicht über andere reden, ich mag auch nicht, dass über mich geredet wird. Das sehen sie alle ein. Das ist ja auch klar. Das machen dann andere über einen selber auch. Ganz wichtig. Ganz wichtig im Alltag. (Ta, 514ff) Also ethisches Leben, ich bemühe mich, niemanden bewusst und gezielt zu verletzen, das heißt, weder durch die Rede, noch durch mein Verhalten, also jemanden schon blöd ankucken ist eine Verletzung, ich muss ja nicht mal was Böses sagen. So, das ist, denke ich, ganz wichtig. (Ta, 470ff) 111 Die buddhistische Praxis hilft Christian dabei, ein Gespür für ein angemessenes ethisches Verhalten zu entwickeln. Na und jetzt würde ich sagen, dass ich doch ein Gefühl dafür entwickelt habe, was gut ist und was schädlich ist, für mich, aber auch für die anderen Menschen, also dass ich mit meinen Handlungen auch anderen Menschen entweder nützlich oder schädlich sein kann. (Ch, 241) Nach Leo entwickelt sich ein ethisches Verhalten nicht durch äußere Gebote, sondern durch die innere Erkenntnis, dass unethisches Verhalten nicht zum Glück führt. Also die Ethik beruht nicht auf, du musst oder du sollst, sondern auf Erkenntnis, auf wahrnehmen, verstehen und das bestimmte Handlungsweisen nicht dazu beitragen, dass Glück zu vermehren. (Le, 399ff) Für Tara zeigt sich, dass das Einhalten ethischer Werte im Arbeitsalltag für eine größere Zufriedenheit und Zusammenhalt sorgt. Ich finde rechte Rede auch unglaublich wichtig für den Arbeitszusammenhalt. Wenn man sich bemüht um rechte Rede, also ich lüge nicht, ich bemühe mich nicht zu lügen, nicht mit groben Worten zu verletzen, nicht zu hintertragen, nicht hinter dem Rücken zu reden und nicht einfach dumm rumzuschwätzen, endloses Zeug zu labern. Sondern einfach auch mir ein bisschen bewusst zu sein, wie ich rede. Und dazu muss man noch sagen, zu hören. Das ist die fünfte Sila der Rede, dass man zuhört, ab und zu mal zuhört. Und das ist ein Bemühen, dass macht man nicht perfekt und dann ist man halt mal schlecht gelaunt und dann kann man sich entschuldigen. In dem Sinne ist Ethik absolut tragend für die Beziehung. (Ta, 473ff) Und von daher, ich sag, der Einstieg in die Praxis im Alltag ist einmal zu Hause ein bisschen inne halten, eine einfache Übung zu machen, gehen oder atmen, oder so, einfach dass man mal inne hält. Aber im Berufsleben ist es Ethik. Einfach diese Ethik der rechten Rede. (Ta, 509ff) Für Tara ist Ethik der zentrale Punkt der buddhistischen Praxis: Wenn man jetzt mal so einen Vergleich anstellt, zwischen buddhistischpraktizierenden und nicht-praktizierenden, wo könnte der Unterschied im Arbeitsverhalten oder im Berufsalltag zu finden sein? Also ich würde den Unterschied machen zwischen Leuten, die Ethik praktizieren und die keine praktizieren, dass ist ein viel größerer Unterschied. (Ta, 590) Für viele der Interviewten ist Ethik auch eine Konfrontation mit den Werten der Gesellschaft. 112 Also Ethik heutzutage oder damals vor 10 Jahren, da wo ich war – man ist besondern gut angesehen, wenn man irgendwie es besonders klug anstellt, sich zu bereichern. Oder so was. Und das wurde mir auch total bewusst. (La, 27ff) Also ich fand schon im Studium das Gros meiner Studiumkollegen, Kolleginnen, ja Geld verdienen, ich will Karriere machen. Da hab ich mir gesagt, natürlich will ich Geld verdienen und leben, aber das ist doch nicht der Sinn des Lebens, Karriere zu machen und einen Status zu kriegen. (Ta, 135ff) Weil es ist schon so, dass die Gesellschaft Werte vertritt, die ich zutiefst unmoralisch finde und ich mich dem entgegenstelle. (Ch, 360f) Genau, und dann hat es noch damit zu tun, ja, mit Ethik, das ich gesehen habe, dass meine Ethik, ich möchte es jetzt nicht weiter ausführen, so im weitesten Sinne, also zeitgeistgemäß, also am Boden war. (La, 25ff) Ich mach auch eine Ausbildung in Kum-Nye, da komm ich auch auf Ethik zu sprechen, nach einiger Zeit. Mit welcher inneren Haltung unterrichten wir? Was ist wichtig? Aber dass mach ich erst ziemlich zum Schluss, wenn sie schon viel Verständnis entwickelt haben. Wir sind so in unserer Kultur durch das moralisieren so geschädigt und immer müssen und sollen und Strafe und Belohnung und das hat mit Ethik überhaupt nichts zu tun, mit Sila. (Le, 415ff) 5.4.2.4 Buddhistische Techniken anwenden Alle Interviewten wenden buddhistische Techniken an. Interessant ist es zu sehen, dass buddhistische Praxis einerseits als Intervenierende Variable gesehen werden kann, die Raum bereitet für die Zufluchtnahme. Andererseits ist sie ab einem gewissen Punkt auch eine Strategie, um das Arbeitsleben entsprechend den eigenen Wertvorstellungen zu führen. Meditation Und ich meine, die Klarheit und Ruhe die durch Meditation sich entwickelt, kann mir dabei sehr helfen. Ist ein ganz praktisches Ding. Was ich früher lange nicht so konnte. (Le, 219f) Lara beschreibt, wie ihr Meditation dabei hilft, mit bedrückenden Situationen am Arbeitsplatz umzugehen. [...] oder irgendwie so Lichtmeditation zur Reinigung zum Beispiel, das kann ja ganz schnell gehen, so wenn ich in der Situation oder eine Wohnung bin wo ich die 113 Atmosphäre als sehr bedrückend empfinde und ich denke, oh ich soll hier jetzt fünf, sechs, sieben Stunden sein, halt ich nicht aus, erste Reaktion, aber ich weiß, ich bin jetzt nun mal hier und muss das Beste draus machen, ja, also so dieses einfach sich drauf einlassen und dann so ein bisschen mit Vorstellungskraft zum Beispiel, also tantrische Methoden haben ja was ganz spielerisches, mit Licht aussenden und reinigen und so weiter und so fort. Es ist sehr wirksam, auch die anderen Leute merken es. (La, 97ff) Meditation hilft Meret, eine Ruhe zu empfinden, die es ihr ermöglicht, Patienten sehr gut wahrzunehmen. Also meditative Techniken, Meditationstechniken zum Beispiel die Praxis der inneren Ruhe, Shine, die dazu führt, dass der Geist in sich beruhigt wird, führt dazu, dass ein Raum entsteht, so und diesen Raum brauche ich, wenn dann ein Patient eintritt, um ihn wahrzunehmen. Also es nützt mir unglaublich, grundsätzlich, zum Beispiel. (Me, 59ff) Aaron gibt ein Beispiel dafür, wie eine Meditationspraxis aussehen kann. [...] der Buddha hat ja gelehrt, dass man ein beständiges Meditationsobjekt, das könnte zum Beispiel Achtsamkeit sein, sich drin schulen soll und ein wechselndes Meditationsobjekt und das wechselnde Meditationsobjekt, das könnte zum Beispiel eine der Paramis sein und das mach ich auch so. Also ich nehm mir immer für einen Monat da etwas vor, meinetwegen einen Monat wo ich ein besonderes Schwergewicht auf Geduld lege. In diesem Monat möchte ich Khanti (Geduld) praktizieren als Beispiel. Oder einen Monat wo ich besonders Wahrhaftigkeit praktizieren möchte, oder Gebefreudigkeit. (Aa, 106ff) Anwendung von Mantren Viele der Befragten geben an, dass sie durch die Anwendung von Mantren mehr Liebe und Mitgefühl sich selbst und anderen gegenüber empfinden. Was passiert mit dir, wenn du dieses Mantra rezitierst? Na, ich öffne mich dafür, für die Liebe, die das eigentlich bedeutet. Und damit öffne ich den Raum. (Me, 400ff) Wenn ich merke, ich werde eng in mir, also dass sich meine Gefühle verengen und mein Blickwinkel, dann rezitier ich Mantren, ganz still, für mich und dass öffnet mich wieder und bringt mich in die Spur, oder so. (Ch, 266ff) Das Herz öffnet sich auf jeden Fall. Also es wird, ja, es ist wirklich gut. Ich mache ja alles für die Leute, Körperpflege, also alles und das ist wirklich manchmal grenzwertig, so die Stuhlproblematik, also wenn ich dann bei mir merke, ich komm jetzt in so eine 114 Abwehr und denk, Ach ne. Oder komm in so eine Gegenposition und ich rezitiere das für mich, das wird dann wieder so eine Einheit und nicht das gegeneinander. (La, 160ff) Lara schildert, wie sie ein Mantra im Berufsalltag angewendet hat. Ich arbeite ja in so einem Verein für selbstbestimmtes Leben, also ich komm jetzt nicht rein und sag, so jetzt wird gewaschen, sondern wenn der er sagt nein, dann kann ich versuchen zu argumentieren und wenn er sagt nein, dann stinkt er halt. Also ich fand ihn dann manchmal richtig widerlich und hatte da ganz viel mit Ekel zu tun. Und dann hab ich meinen Lehrer gefragt und der mit das Mantra von Avalokiteshvara genannt, OM MANI PEDME HUM, was jetzt eigentlich gar nicht so mein Spezial Mantra ist. Und das hab ich einfach versucht, in mir, so wenn ich merkte, ich hab keine Lust, ich will da an das Bett von dem gehen und irgendwas für den tun. Dann einfach so für mich rezitiert und das hat wirklich gewirkt. Ich kann dir nicht erklären wodurch. Also ich hab auch gar nicht groß visualisiert. Dann, ja, es war einfach totale Nähe, genau und dann, der merkt das dann natürlich auch. Wenn bei mir eine Offenheit ist, dann merkt der das auch und dann entspannt sich gleich alles. Ich hab natürlich immer wieder so Leute und neulich hab ich es auch wieder gemacht und man entspannt sich dann gleich, das kann man glaub ich gar nicht erklären, wie es kommt, dass diese paar Silben OM MANI PEDME HUM, so was auslösen, dass ich ne Situation, ja so öffnet und weicher wird. (La, 142ff) Gebet Auch das Gebt hilft eine innere Verbindung aufzunehmen, die zu einem ruhigeren und offenen Geisteszustand führt. Gebet heißt, sich mit dem Lehrer oder Buddhanatur zu verbinden, oder zu bitten auch, so um Heilung zu bitten für jemanden. Das gehört ja ganz stark dazu, zur Energiearbeit, ganz egal welche Art man macht. Und was erlebst du dabei? Meistens ganz selbstverständlich Verbindung und manchmal wenn es notwendig ist, wenn ich sehr aufgeregt bin oder zornig bin oder irgendwas, dann hilft es unglaublich, sich wieder runter zu beamen oder hoch zu beamen [...] (Me, 358ff) Wie würdest du sagen, wirkt sich das aus, das Gebet oder das Mantra, wenn du das anwendest im Kontakt oder vor dem Kontakt mit Patienten. Wie ist das spürbar für den Patienten? Im besten Falle, dass sich mein offener und ruhiger Geisteszustand überträgt. Und das passiert. Das hilft den anderen einfach. (Me, 378ff) 115 Ich bete dann einfach. Ich sag, oh bitte, ich schaff das jetzt nicht, ich bin völlig fertig, ich weiß nicht wie ich das überstehen soll, hilf mir, dass musst du jetzt machen, also eigentlich sehr naiv irgendwo. Also wenn ich das jetzt gerade so intellektuell mir betrachte, aber das wirkt, das wirkt, das wirkt, das wirkt. (La, 181ff) Atemmeditation Anapanasati heißt, ich richte die Achtsamkeit auf den Atem, indem ich die Achtsamkeit auf den Atem richte, beruhigt sich der Atem, das kann ich zum Beispiel jedem raten [...] so dass es ihm im Alltag dann auch einfällt, wenn er, was weiß ich, im Stau steht oder vor einer schwierigen Besprechung steht. Zwei Minuten Achtsamkeit auf den Atem. Indem der Atem sich beruhigt, beruhigt sich der Körper. (Aa, 204... 208ff) Leo beschreibt sehr anschaulich, wie durch eine konfrontative Situation aufwühlende Gefühle und Gedanken in ihm hochkommen und wie er der Tendenz, sich für diese aufwühlenden Gefühle zu verurteilen, begegnen kann, indem er sich auf den Atem fokussiert. Gut zu sehen ist auch, wie der innerliche Vorgang der Aufregung zugleich als Verhalten ausgedrückt werden möchte. Dieses impulsive Verhalten kann durch buddhistische Praxis verhindert oder bewusst gemacht werden. Ja, wenn mich was belastet, bedrückt, beengt, aufregt, erstmal ganz bewusst ein paar Atemzüge holen, so einfach ist es. Und zu versuchen zu verstehen, was ist jetzt wirklich notwendig zu tun. Und wenn ich mich sehr aufgeregt, aufgewühlt fühle, dann wie so ne Warnglocke, mach jetzt nichts. Reagier jetzt nicht. Wenn du die Möglichkeit hast, nicht sofort reagieren zu müssen und in den meisten Fällen, muss man nicht unbedingt sofort reagieren. Warte, bis dein Geist ein kleines bisschen wieder klarer geworden ist und dann kuck wie du am besten reagierst. Und verurteile dich deswegen nicht. Ja, dein Geist ist völlig aufgewühlt, der ist aufgewühlt, ja. Deswegen bist du kein schlechter Mensch, kein böser Mensch, deswegen hast du nicht versagt. Sondern manchmal ist der Geist ruhig, manchmal ist er unruhig. Kannst du das annehmen, akzeptieren? Das finde ich ungeheuer befreiend. (Le, 205ff) Körperübungen Tara beschreibt, wie ihr Übungen mit dem Körper und den Sinnen helfen, bewusster und achtsamer zu werden. 116 Und dann kann man Üben, eben mit hören üben. Hören, hören, hören, hören, hören, hören, hören. Oder in der Bewegung ist es sehr häufig mit dem Gehen. Ich merke einfach Fuß heben, senken, heben, senken, ich merke sitzen, ich merke den Atem. Und das sind eigentlich nur Techniken, die uns helfen, bewusst zu werden, dass die Achtsamkeit immer da ist [...]. (Ta, 327ff) Körperübungen sind für Christian wichtig, weil sie dazu verhelfen, präsent im Augenblick zu verweilen. Oder auch Körperübungen, wie Yoga oder Qi Gong, dass wird ja auch im buddhistischen Kontext verwendet, weil wenn man nicht im Körper lebt, dann kann man auch nicht präsent und klar sein. (Ch, 268) Studium der buddhistischen Literatur Auch das Studium der buddhistischen Literatur zählt zu den anwendbaren buddhistischen Techniken, da durch eine achtsame Analyse der Situation ein anderer Blickpunkt eingenommen werden kann. Wenn ich in der Arbeit reinkomme und das Team hat ne schlechte Stimmung und ich mach da nichts, dann hab ich auch bald ne schlechte Stimmung drauf, weil das eben so krass abfärbt, diese Emotionen. Und durch das meditieren, aber auch das Studium der Schriften [...] na, da lernt man eben, wie man mit seinen Gefühlen und Stimmungen umgehen kann. (Ch, 133ff... 136f) Tara betont, dass reine Meditation, ohne eine Anbindung an einen größeren kulturellen Kontext schwierig sein kann. Man kann auch den Buddhismus so was in den falschen Hals kriegen, wenn man nur Achtsamkeit macht, nur Präsenz, nur Gegenwart ohne den ethischen Kontext, ohne eine Tradition, ohne Anbindung, wie so eine Technik. (Ta, 14ff) Bodhicitta Die Entwicklung von Bodhicitta, dem grenzenlosen Mitgefühl allen Menschen gegenüber, ist ein zentrales Element der buddhistischen Lehre. Und dann hab ich durch die buddhistischen Lehrer, Lehren, ein Weltbild kennen gelernt, wo man schon auch was tut für Andere, es war ja Mahayana Buddhismus, ich tu was für die Welt, zum Wohle der Wesen. (Ta, 52ff) 117 Buddhistisches Weltbild Der Buddhismus betont die gegenseitige Abhängigkeit aller Menschen und Phänomene. Oder ich fühle mich abgetrennt vom Rest der Welt. Ich mein, dass kann man denken, aber es stimmt natürlich nicht. Wenn ich immer auf dem Boden steh, ich bin immer von Eltern geboren, ich bin immer abhängig von allem, was ich zu mir nehme, von anderen Menschen, die diesen Tee geerntet haben und so weiter. Also Achtsamkeit kann hinlenken, oder kann uns helfen zu merken, dass wir verbunden sind, körperlich, emotional, geistig, sozial, kulturell, auf der Erde, global. (Ta, 383) Meret beschreibt, wie sie durch die buddhistische Praxis eine größere Klarheit über ihr Weltund Menschenbild erlangt. Ganz zu schweigen, dass natürlich meditative Praxis einfach ganz unglaublich gut ist für den Beruf. Also die vielen Techniken, die man lernt, wenn man meditiert und wenn man lernt, wenn man praktiziert. Die wirken sich natürlich aus. Weltbild. Menschenbild. Bild auf Krankheit, Heilung. Was ist Krankheit, was ist Heilung? Was ist der Prozess? Um was geht es eigentlich? (Me, 50ff) Achtsamkeitsglocke Christian erzählt, wie er Elemente der Achtsamkeit strukturell in seinen Alltag integriert. Also ich hab da ganz viel von Thich Nhat Hanh gelernt, der sagt, dass man sich so Achtsamkeitsglocken schaffen soll in seinem Umfeld. Und so mach ich das auf Arbeit, also wenn das Telefon klingelt oder mein Handy oder meine Armbanduhr, ich hab mir extra jetzt eine Digitaluhr gekauft, die stündlich piept, na, dass sind meine Achtsamkeitsglocken für mich, weil ich dann innehalte für fünf Atemzüge und schaue, wo bin ich gerade, bin ich in der Gegenwart mit meinen Gedanken, was fühle ich [...] (Ch, 276ff) 5.4.3 Achsenkategorie „Intervenierende Variablen“ 5.4.3.1 Innere Suche Die Meisten der Befragten waren auf einer inneren Suche, bevor sie auf den Buddhismus trafen. Viele betonen, dass sie dabei nach einem tieferen Sinn in ihrem Leben suchten. Und dann hab ich gemerkt, ich will noch nicht richtig in Beruf rein, weil ich noch gar nicht weiß was ich mit meinem Leben machen will, ich war auf der Suche. (Ta, 25ff) 118 Ich war so Anfang zwanzig und konnte in nicht mehr irgendwie Sinn oder Werte erkennen, ja, Sinn und Werte, das war das. (Le, 26ff) Und ich bin da angekommen, dachte, bin ich an einem Ort, wo man sich für meine Fragen interessiert. Was ist der Sinn des Lebens, was kann man für andere Menschen tun, außer der materiellen Ebene. (Ta, 40ff) [...] und hab dann nach Wurzeln gesucht dafür. (Me, 14f) Und suchte nach irgendwelchen Sinn und Werten in meinem Leben. Und eben in der Hippiezeit, dann fingen eben auch so spirituelle Sachen an irgendwie und ich hatte keine Ahnung von Spiritualität. Ich war völlig rational erzogen worden. (Le, 60ff) Und ich bin da angekommen, dachte, ich bin an einem Ort, wo man sich für meine Fragen interessiert. Was ist der Sinn des Lebens, was kann man für andere Menschen tun, außer der materiellen Ebene. (Ta, 40ff) Krise Christian, Leo und Klara durchliefen eine Lebenskrise, durch die es unumgänglich wurde, nach neuen Lebensinhalten Ausschau zu halten. Und, ja, aufgrund einer Lebenskrise [...] (La, 25) [...] mir ging es so dreckig, dass ich dachte, entweder ich mach jetzt was oder ich geh vor die Hunde und ich hab nichts mehr zu verlieren. (Le, 83f) [...] ich denke, dass hatte mit einer heftigen Sinnkrise zu tun, das war so vor zwanzig Jahren, glaube ich. Oder 25 Jahren. Irgendwie ging da alles den Bach runter und mir ging es echt schlecht. (Ch, 12ff) Leiden erkennen und die Ursachen des Leidens Das Erkennen der Leidhaftigkeit der Welt ist für viele der Interviewten ein wichtiger Grund sich den buddhistischen Lehren zuzuwenden. Und irgendwann hab ich dann mal geschnallt, dass es mir einfach nicht gelingen wird, vollkommen glücklich zu sein, hier, auf dieser Erde. Weil, also ich mein, ich hab noch nie einen Menschen getroffen, der vollkommenes Glück erlangt hat. Du etwa? Ich mein, jeder leidet. Und da wurde mir klar, ich muss da in einer anderen Richtung suchen. (Ch, 335ff)) Damit einher geht eine tiefergehende Beschäftigung mit dem Umgang mit Leiden: 119 Entsagung im tibetischen Buddhismus heißt ja nicht, ich zieh mich so aus der Welt zurück und ich will mit allem nichts zu tun haben. Sondern heißt ja im Grunde, ich weiß, dass ich mich in Samsara befinde, nicht als Ort, sondern als Zustand. Und Samsara bedeutet Leben, Alter, Tod. Samsara heißt einfach, es gibt Schwierigkeiten und indem ich das anerkenne, das ist eigentlich Entsagung. Das ich mir nicht mehr soviel von Samsara, dem samsarischen Zustand erwarte. Genau. Das ist dieses Ding wo mir gesagt hab, dass ich noch mal ganz auf Anfang zurückgekehrt bin. Weil das ist ja im Grunde genommen so die Ausgangsposition um überhaupt Buddhist zu sein. (La, 344ff) Leo und Christian beschrieben die logischen Konsequenzen ihrer analytischen Betrachtungsweise des Leidens: Aber warum reagieren eigentlich Menschen aggressiv? Weil sie sich unglücklich fühlen. Wie kann ich also Frieden in die Welt bringen? Indem ich versuch zu verstehen, was bedrückt andere Menschen und wie kann ich ihnen helfen? (Le, 193ff) Weil Menschen eigentlich nur Dinge machen, weil sie glauben, dass sie das glücklich macht. das ganze Leid und Elend ist so gesehen nur da, weil wir alle glücklich sein wollen. Na, und da kann man ansetzen. Wie kann man da ansetzen? Na, indem man die Gründe für das Leiden erkennt und vermittelt. Jetzt nicht so in abstrakter buddhistischer Sprache oder so. Aber wenn wer deinen Rat sucht, kannst du ja mal schauen, warum leidet er, was steckt dahinter, was sieht er nicht, so in der Richtung halt. (Ch, 346ff) 5.4.3.2 Äußere Umstände Zeitgeist Auch der Zeitgeist spielt bei einigen Interviewten eine bedeutende Rolle. „Hippie Zeit“ (in-vivo-Kode, Le, 37) Und in der Zeit sind Freunde von mir in Indien gewesen. Haben ja viele gemacht, manche sind ja nach Puna zum Baghwan gegangen, zu dem Rashnish und die ist halt bei den Tibetern gelandet durch tausend Zufälle. Und des gefiel mir, was sie mir erzählt hat. (Ta, 29ff) Da waren lauter Hippies und Leute aus dem Westen und man konnte jede Frage stellen und es gab keine Zensuren. (Ta, 56f) [...] weil wir ja alle so Hippie mäßig unterwegs waren damals. (Ch, 35f) 120 Und dann kam ich eben in die Hippie Zeit und es war alles Flower Power und Musik und schön und vorher war ich völlig rational. (Le,37f) Ethikrahmen gesucht Lara und Christian suchen neue ethische Werte: Genau, und dann hat es noch damit zu tun, ja, mit Ethik, das ich gesehen habe, dass meine Ethik, ich möchte es jetzt nicht weiter ausführen, so im weitesten Sinne, also zeitgeistgemäß, also am Boden war. Also Ethik heutzutage oder damals vor 10 Jahren, da wo ich war – man ist besondern gut angesehen, wenn man irgendwie es besonders klug anstellt, sich zu bereichern. Oder so was. Und das wurde mir auch total bewusst (La, 25ff) Weil, na früher, in meiner Aussteigerzeit, da hab ich schon so nach dem Motto „mir gehört die Welt“ gelebt, und wenn ich nichts zu essen hatte oder keinen Wein oder so was, dann hab ich das halt geklaut auch. Ich hab da nichts Verwerfliches dran gesehen. Na, und jetzt würde ich sagen, dass ich doch ein Gefühl dafür entwickelt habe, was gut ist und was schädlich ist, für mich, aber auch für die anderen Menschen, also dass ich mit meinen Handlungen auch anderen Menschen entweder nützlich oder schädlich sein kann. (Ch, 238ff) Politische Motivation Zentral für Tara und Leo ist die Verknüpfung buddhistischer Inhalte mit gesellschaftlichen Themen: Also, ich war ja auch in der Linken, in der Frauenbewegung, ich wollte ja auch was Gutes tun für die Welt. Aber ich hatte schon so gemerkt, das reicht nicht materiell, das haben wir ja gesehen, ich hab da China besucht, ich hab Russisch studiert, ich war mehre Male in der Sowjetunion gewesen, habe gesehen was da alles schief ging. Wenn da irgendwas, was ich noch nicht wusste, fehlt, und das hab dann sozusagen in Dharamsala entdeckt, also eine Beantwortung, eine Antwort war, es fehlt die spirituelle Dimension. Es fehlt eine Dimension, wo man alle Menschen wertschätzt und nicht nur die eigene Partei, die eigene Gruppe, und dann gegen die Feinde, ich dachte immer, das stimmt nicht, dass man Feinde hat. Also Klassenkampf und diese ganzen Bilder, da muss man kämpfen, man muss zerstören, damit man was Neues aufbauen kann. Und dann hab ich durch die buddhistischen Lehrer, Lehren, ein Weltbild kennen gelernt, wo man schon 121 auch was tut für Andere, es war ja Mahayana Buddhismus, ich tu was für die Welt, zum Wohle der Wesen. Aber eben mit einer Wertschätzung aller Menschen, aller Beteiligten. Das hat mir einfach besser entsprochen. (Ta, 42ff) Hatte auch einige Drogenerfahrungen, also Haschisch und LSD hinter mir und politische, 68er Generation hab ich noch mitgekriegt und dann die Hippie Zeit und ich konnte nirgends mehr, also, in der politische Zeit nach einiger Zeit, da konnte ich bei mir selber und anderen erkennen, wie unglaublich aggressiv wir waren und ich dachte, um Himmels willen, wenn diese Leute an die Macht kommen, dass ist ja fast fürchterlicher als das, was im Augenblick schon ist. Vor allen Dingen, als dann so eine Wiederbelebung des Stalinismus dran kam und die Rote Armee Fraktion anfing und Bomben… wir hatten so lange Diskussionen, Gewaltfreiheit, Gewalt nicht, Gewalt gegen Sachen ja, aber gegen Menschen nein und die ging eben auch gegen Menschen. (Le, 29ff) „Esoterikwelle“ (in-vivo-Kode, La, 14) Lara und Christian berichten von dem allgemeinen Interesse an Esoterik: Und dann kam diese ganze Esoterikwelle, wo ich einfach nirgendwo mitgemacht hab, aber halt gelesen, so das Übliche, Astrologie und so weiter und so fort. (La, 14f) Na, ich hab dann begonnen so esoterische Bücher zu lesen, Osho zum Beispiel und so ein Zeugs. Das hat mich zwar nicht restlos überzeugt, weil da so viel, na soviel esoterisches mit dran hing, wie die halt alle aussahen und sich gaben, dass war irgendwie nichts für mich. Aber die Grundrichtung stimmte [...] (Ch, 24ff) 5.4.3.3 Erfahrung der buddhistische Praxis Alle Interviewten praktizieren täglich buddhistische Übungen. Gerade die tägliche Praxis, einhergehend mit einem Studium der buddhistischen Schriften, wird als die Basis für ein positives Leben gesehen. Zufriedenheit Für Leo war die Meditation der Start in eine neue Erfahrungsdimension: Und ich fuhr dahin, die trafen sich zweimal im Monat, kam da so zu einem Treffen und, ja, da war da dieser Schreinraum, mit dem Buddha und den Kerzen und den Räucherstäbchen, einige hatten sich solche Kutten angezogen und murmelten dann 122 irgendwelche Mantras. [...] Und dann fuhr ich wieder nach Hause und auf dem Heimweg merkte ich, wie eine ganz tiefe Freude in mir war. Und ich dachte, hatte ja lange Zeit keine Freude mehr verspürt, was ist das? Vorher, nachher, ein bisschen wissenschaftliches Denken war noch übrig geblieben. Dass kann vielleicht von da gewesen sein. Und ich fuhr dann wieder hin und da war dann ein ähnliches Phänomen wieder, dass ich so zufrieden, gelöst zurückkam, ohne irgendwelche Gründe zu haben. Und dann fuhr ich eben immer wieder hin und wieder hin und nach einiger Zeit interessierte mich, wie ich mich fühlte, die Lehre hat mich vielmehr interessiert. Und, was praktizieren die da? So fing ich dann an, selber zu üben, mir ging es so dreckig, dass ich dachte, entweder ich mach jetzt was oder ich geh vor die Hunde und ich hab nichts mehr zu verlieren. Und so fing ich dann also an, konsequent zu üben, zu praktizieren, zu meditieren und gleichzeitig Schriften über den Buddhismus zu lesen. (Le, 70ff... 76ff) „Emotionale Erfüllung“ (In-Vivo-Kode, Ch, 118) Christian findet einen reichhaltigen Zugang zu seinen Gefühlen durch die Meditation: Also durch das Meditieren selbst, weil ich da einfach merke, wie ich da ruhiger werde und auch so eine tiefe emotionale Erfüllung finde. Ich fühl einfach, na, dass ich mit allem, was mich umgibt, was zu tun habe und das lässt mich die Dinge einfach anders sehen. (Ch, 117ff) Selbstkontrolle und Selbstsicherheit Zudem beschreibt Christian, wie er durch Meditation zu einer Form der Selbstkontrolle, aber auch der Selbstsicherheit findet. Weil wenn ich handle, wenn ich aufgewühlt bin, dann bringt das nichts Gutes irgendwie, weil ich dann auch kopflos bin und gar nicht bei mir. Na, und durch die Meditation kann ich das immer besser beobachten und sagen, jetzt reagier ich nicht, jetzt warte ich erstmal. Ich hab jetzt einfach die Gewissheit, egal, was kommt, ich werde damit umgehen können und das macht mich sicher und stabil, würde ich sagen. (Ch, 162ff) „Raum entsteht“ (In-Vivo-Kode, Me, 65) Meret findet durch die Meditation einen Weg, ihren Geist zu beruhigen. Dadurch sieht sie sich in der Lage, anderen Menschen offener zu begegnen. 123 Zum einen den Geist zu beruhigen und ein Raum entsteht und zum anderen zu schauen, zu betrachten, worum geht´s. Also den Menschen da einzulassen. Die beiden Dinger um überhaupt zu erfahren, was braucht der Andere, was will er, was nehm ich wahr, worum geht es. (Me, 65ff) „Gefühle, sie dürfen sein“ (In-Vivo-Kode, Aa, 26) Meditation hilft Aaron, einen Zugang zu seinen Gefühlen zu finden, ohne sie dabei zu verurteilen oder verändern zu wollen. [...] dann gehe ich in Kontakt mit den Gefühlen, die in mir sind und die Gefühle dürfen sein. Ich richte mein Gewahrsein auf Gefühle, sie dürfen sein, ich mach aber nichts mit ihnen, ich beurteile sie nicht, ich vergleiche sie nicht, ich will sie nicht anders haben, ich brauchte nicht andere Gefühle, wenn Ärger da ist, ist Ärger da. Das heißt, ich werde in keiner Weise manipulativ [...] (Aa. 25ff) Inhaltlich angetan Viele der Interviewten berichten von einer inhaltlichen Ebene, die sie anfangs anziehend fanden: Ich ging dann zur Unibibliothek und hab mir ein paar Bücher ausgeliehen, unter anderem auch von Lama Govinda „Grundlagen tibetischer Mystik". Und ich las dieses Buch und war unglaublich fasziniert und es ist nicht leicht zu lesen. Aber ich hatte das Gefühl, da ist ein ganz tiefes, gediegenes Wissen und zwar einmal ein theoretisches Wissen, eine ganz komplexe Psychologie und gleichzeitig ein ganz konsequenter Entwicklungsweg, dass mit Praxis zu verbinden. Und das hat mich fasziniert, davon wollte ich mehr wissen. (Le, 61ff) Und dann hab ich durch die buddhistischen Lehrer, Lehren, ein Weltbild kennen gelernt, wo man schon auch was tut für Andere, es war ja Mahayana Buddhismus, ich tu was für die Welt, zum Wohle der Wesen. Aber eben mit einer Wertschätzung aller Menschen, aller Beteiligten. Das hat mir einfach besser entsprochen. (Ta, 52ff) Tara findet die Kombination von Theorie und Praxis als sehr anziehend: Und es gab Übungen, das hab ich auch vermisst hier. Ich hab viel Psychotherapie gemacht, Gestalttherapie und dann hat ich immer das Gefühl, das Wochenende war toll, aber was mach ich jetzt daheim? Und das war so was, ich kriegte ein Übungssystem, wo ich jeden Tag kucken konnte, wie ist meine Motivation? Wie tick ich, also wie 124 funktioniere ich? Da haben wir natürlich auch psychologisch interpretiert und gedacht, das tun wir ja alle, aber ich hatte das Gefühl, da ist eine Verbindung zwischen Psychologie und politischer Arbeit und Wertschätzung der Menschen und so. (Ta, 58ff) Für Christian ist die Logik des Buddhismus sehr wichtig: Das Faszinierende beim Buddhismus ist doch die inhaltliche Ebene, also nicht so wie im Christentum, wo ich was glauben muss, an einen Herrgott und ein Paradies, nein, hier geht es um überprüfbares, also, dass ich nur anwenden und glauben kann, wenn es auch der rationalen Logik stand hält. Das ist eine wichtige Ebene des Buddhismus würde ich sagen. (Ch, 317ff) Lara empfindet den Aspekt des Mitgefühls als sehr bedeutsam für ihr Interesse an den Buddhismus: [...] und dann dieser Film von Dalai Lama, Kundun. Und der hat mich so mitgenommen, also dieser Mitgefühlsaspekt, das wusste ich nicht, dass dies im Buddhismus so vertreten ist, das war mir einfach nicht bekannt, das hat mich so angerührt und dann hab ich mir erstmal ganz viel Bücher gekauft. Über tibetischen Buddhismus. (La, 18ff) 5.4.4 Achsenkategorie „Effekte“ 5.4.4.1 Herz öffnen Fast alle Interviewten berichten davon, wie sich ihnen „das Herz öffnet“. Das Herz öffnet sich auf jeden Fall. (La, 160) Also du beruhigst den Geist durch Shamatha, du lernst zu hören und zu sehen ohne zu werten durch Vipassana und was dann da drin entsteht ist Liebe [...]. (Me, 326ff) Und in meinem Beruf wirkt sich das natürlich aus, dass die Erfahrung, wenn du es schaffst, Hingabe und Vertrauen zu praktizieren, sich das Herz immer weiter öffnet. Also die Fähigkeit zu lieben und aufzunehmen und dazu sein. (Me, 321ff) Das bedeutet, ich richte auch Aufmerksamkeit auf etwas, ich finde etwas wichtig, ich bin mit dem Herzen bei der Sache. Aber ich schenke auch mich irgendwie, so. (Ta, 407ff) [...] das hat auch was mit Sammlung zu tun, mit dabei sein, mit dem Herzen bei der Sache sein. (Ta, 415f) [...] und die buddhistische Praxis... sie macht einfach dein Herz weicher und deinen Geist offener [...]. (Ch, 203) 125 Wenn ich merke, mein Herz ist verschlossen, sich dann Mittel zu wissen, wie kann ich mein Herz wieder öffnen – das ist die Voraussetzung. (Aa, 251ff) Der Panna-Aspekt, also der Weisheitsaspekt ist im Grunde genommen dann die Fachkompetenz mit der Herzenskompetenz zu verbinden und dann dir eine Therapie anzubieten und die Herzensqualität sagt dann eben, welche Therapie hilft und wie ich sie dir dann vermittle, wenn es eine schwierige Therapie ist. (Aa, 57ff) 5.4.4.2 Innere Stärken Geduld Die Entwicklung von Geduld ist eine der Erfahrungen der buddhistischen Praxis. Und insgesamt wusste ich einfach durch die Meditation, wie langsam Entwicklung geht. Und da wird man halt geduldiger. (Ta, 189f) Also beim meditieren, das lernt man. Veränderungen sind so, so, so subtil und langsam. Also Muster zu verändern, das geht fast gar nicht. Man geht besser damit um, oder man sieht ein bisschen mehr die Stärken oder macht nicht mehr soviel Unsinn. (Ta, 194ff) Was sich unendlich weiter zu entwickeln scheint, ist einmal die Geduld, mit mir selber und anderen. (Le, 508f) Selbstwirksamkeit Viele der Interviewpartner berichten von einer selbstsicheren Art, mit der Welt umgehen zu können: Eins der ganz zentralen Sachen für mich war, ich hab einen Einfluss darauf, wie mein Leben verläuft. Vorher dachte ich, ich reagier nur, ich wär von irgendwelchen Ereignissen hin und her geworfen und versuch damit irgendwie umzugehen und darauf zu reagieren. Und ich hatte das Gefühl, ich kann Einfluss darauf nehmen, in welche Richtung ich mich entwickle, in welche Richtung ich mich bewege und brauch nicht einfach nur zu reagieren. Und das war für mich ganz wertvoll. Und so ein Bild dass mir kam, was für mich ganz wichtig war, ist der von einem Künstler, in meinem Fall war das ein Künstler, der an einer Skulptur arbeitet, ein Bildhauer oder so was ähnliches. Und das, woran er arbeitet, war mein eigenes Leben, das ich also mein eigenes Leben formen kann. (Le, 118ff) Wenn ich aber in Verbindung bin, dann bin ich da, wachsam, präsent, voller Mitgefühl und in dem Moment, also ich weiß dann einfach, ich bin sicher, egal welche Situation 126 auch da ist, egal was, ich meine, ich weiß einfach, ich komme mit allem klar, so von innen heraus, weißt du. (Ch, 265ff) Und jetzt geh ich irgendwie spielerischer damit um, sag, ach ne, ich geh da nicht so oft hin, weil dreimal im Monat reicht und so. Ich kann mir die Leute auch aussuchen und achte darauf auch. Zu manchen geh ich hin, weil es eine Herausforderung ist, weil ich dann das andere wieder besser schätzen kann. Ja, ich spiele mehr und ja, gestalte eigentlich mein Lernen mehr. Das ist schon gut. Ja. (La, 291ff) Wahrnehmung anderer Menschen Die meisten Interviewten berichten davon, dass sie durch die buddhistische Praxis andere Menschen besser wahrnehmen können. Damit einher geht eine größere Akzeptanz gegenüber der Andersartigkeit der Mitmenschen. Und einfach durch das meditieren hab ich das mehr sehen gelernt, das ist halt eine Fähigkeit, aber andere Leute ticken anders. Das heißt, da bin ich geduldiger geworden, dass ich besser zuhöre und sag, gut, dann machen wir es jetzt mal so, wie du es willst, und ich halt mich jetzt mal zurück. So. Also wie auch den anderen mehr Raum lassen, aber auch Sachen besser ansprechen können, weil ich sie genauer sehe, aufmerksamer. Ich kuck einfach genauer hin, wie ticken sie, wie ticke ich und dann wird es leichter. So, also nicht so 08/15, so ist es richtig, sondern ich mein, es gibt einfach verschiedene Perspektiven, auf jede Situation. Das ist gut, das zu berücksichtigen. (Ta, 201ff) Es zeigt sich bei den Patienten natürlich dadurch, dass eine menschliche Ebene entsteht. Wenn mir das möglich ist, so möglich ist, sind das gute Arzt-PatientenBeziehungen, die, glaube ich, den Menschen auch helfen, was sich darin auch äußert, dass ich viele Patienten habe, die über viele Jahre schon zu mir kommen. (Aa, 67ff) Zum einen den Geist zu beruhigen und ein Raum entsteht und zum anderen zu schauen, zu betrachten worum gehts. Also den Menschen da einzulassen. Die beiden Dinger um überhaupt zu erfahren, was braucht der Andere, was will er, was nehm ich wahr, worum gehts. (Me, 65ff) Durch die veränderte Wahrnehmung empfindet Lara immer mehr Mitgefühl und auch Bewunderung für ihre Patienten. Und jetzt ist es so, dass ich eher auch so Anteil nehmen kann, ja, Herz ist offener und ich bewunder auch, wie tapfer die sind. Ich denke, ich wüsste nicht, ob ich so tapfer bin in so einer Situation. Ich betreue zur Zeit viele MS Patienten und die waren alle mal so 127 wie du und ich und auf einmal wurden sie halt krank. [...] Und ging auch einher mit buddhistischen Vertiefungen? Ja, auf jeden Fall. Ja, ja, auf jeden Fall. (La, 321ff... 334ff) Für Meret besteht die Kunst darin, die geeignete Hilfe für jeden Menschen zu finden. Dafür muss sie die Einzigartigkeit jedes Menschen wahrnehmen können. Also es geht darum, dass sie schon so kommen, wie sie sind, na. Aus völlig verschiedenen Zusammenhängen, also der erste Schritt ist dass ich das akzeptiere und respektiere, soweit es mir schon bekannt ist und ich das verstehen kann, na. Und dann sehe ich es grundsätzlich, wenn jemand Hilfe sucht oder Heilung sucht oder Entwicklung sucht, dass es tatsächlich um seinen Prozess geht, na, in dem er sich befindet. Und dass es meine Aufgabe ist, ihm dabei zu helfen, dass er den so gehen kann wie es ihm entspricht. Also ich würde niemals irgendwem was aufoktroyieren oder sagen, was du sollst, oder so. Es ist ein ganzheitlicher Ansatz, na. (Me, 213ff) Wertschätzung von anderen [...] einfach Wertschätzung für den Menschen, einen Respekt dafür, dass die was lernen wollen und ich hab immer gemerkt, dass meine Geduld größer wird durchs meditieren, meine Wertschätzung für Menschen, also ich hab weniger für selbstverständlich gehalten. (Ta, 183ff) Positive Auswirkungen auf das zwischenmenschliche Arbeitsumfeld Für Meret ist es wichtig, präsent und liebevoll im Kontakt mit anderen Menschen zu sein. Dadurch ist es für sie möglich, anderen Menschen offen begegnen zu können. Zudem überträgt sich ihr ausgeglichener Geisteszustand auch auf andere Menschen. Also die Fähigkeit zu lieben und aufzunehmen und da zu sein. Im Augenblick zu sein, also präsent zu sein. Dass sich das natürlich positiv auswirkt auf meine Beziehungen zu meinen Klienten. Das ist also Kern, das ist wichtig. Ja. Das ist eigentlich das, was den Raum füllt. Also du beruhigst den Geist durch Shamatha, du lernst zu hören und zu sehen ohne zu werten durch Vipassana und was dann da drin entsteht ist Liebe und Hingabe und Verbindung. Ja, es ist so. Das kann man dann gut anwenden natürlich. Und man merkt es auch, wenn man es nicht kann. (Me, 323ff) Weil du da durch Tonglen lernst, präsent zu sein und lernst ausgeglichen zu sein, ganz egal was geschieht und immer im Austausch zu sein. Und du lernst einfach, dass du 128 keine Angst haben musst und das ist total wichtig, für einen Begleiter, weil die Sterbenden sind so kräftig. Wenn du unvorbereitet bist, hauen die dich vom Sockel, mit dem was da an Emotionen und Zuständen kommen kann. Wenn du unvorbereitet bist, kannst du es vielleicht gar nicht aushalten aber wenn du es halt trainierst und Tonglen führt halt dazu, dass man den Schmerz und den Wahnsinn, der da ist, dass man den aushalten kann. Und wenn du das schaffst als Begleiter, dahin zu kommen, dass du ruhig und liebevoll wirst, trotz des Wahnsinns, dann geht das in Resonanz. Dann hat der Sterbende die Möglichkeit, im besten Fall geht es in Resonanz dann kann der es übernehmen. Es hilft ihm also wirklich. Nicht weil man den jetzt was an Leid wegnimmt, sondern weil man selber sich ändert. Das hilft dann dem anderen. Das ist der Trick von Tonglen. (Me, 448) 5.4.4.3 Sinnhaftigkeit und Selbstreflexion Viele der Interviewten haben durch die buddhistische Praxis einen tieferen Sinn im Leben gefunden. Und ich fühle mehr, ja so was wie Sinn und Werte in meinem Leben. (Le, 135f) Und ein Sinn, ein deutlich formulierter Sinn, der darüber hinausgeht, dass man Geld verdient und… das man einfach was tut. (Me, 126ff) Also es hat auf einmal alles einen Sinn bekommen, es hat einfach einen Sinn bekommen, also auch negative Erfahrungen, die sind natürlich noch immer da, also ich bin nicht immer glücklich und Schwierigkeiten tauchen auf [...]. (La, 62ff) Persönlich geändert… Ich hab einfach einen Sinn gefunden. Also ich denke ja, wir brauchen in irgendeiner Weise eine religiöse Dimension. Einen Maßstab, der größer ist als wir selber. Also einen Maßstab, der größer ist als – ich will haben oder nicht haben. (Ta, 104f) Und ja, jetzt weiß ich, was ich mit diesem Leben anfange, war schon sehr wichtig für mich, weil, ich meine, diese Konsumgesellschaft ist schon was durchgeknalltes finde ich. Und da so was Tieferes finden, was Halt gebendes, das hat mir schon sehr geholfen. (Ch, 70ff) Tara beschreibt sehr anschaulich, wie sich das für sie anfühlte: Also ich fand schon im Studium das Gros meiner Studiumkollegen, Kolleginnen, ja Geld verdienen, ich will Karriere machen. Da hab ich mir gesagt, natürlich will ich Geld verdienen und leben, aber das ist doch nicht der Sinn des Lebens Karriere zu machen 129 und einen Status zu kriegen. Ich will einen Sinn und ich wollte auch nicht sagen, ich will ein guter Christ werden und das passte irgendwie auch nicht. Aber ich hatte fast ne säkulare Definition von einem ethischen Leben, mit Verantwortung für die anderen Menschen, also dieser Mahayana Gedanke hat mich sehr angesprochen, als alte Linke. Wir haben Verantwortung für die Welt, wir haben Verantwortung für die anderen Menschen, wir lernen aus jeder Situation das Beste zu machen, die Anderen sind nicht schuld, ich trage auch was bei und es geht langsam und es braucht Respekt. Also ich hatte auch einen anderen politischen Kontext plötzlich, also ethischen, würde ich heute sagen, ethischen, politischen Kontext und Zugleich ein Instrumentarium mich selber und die anderen besser zu verstehen, durch diese Meditationsübungen. Ja, so. So in der Richtung. (Ta, 135ff) Vertrauen in das Leben Lara und Christian berichten von dem Gefühl einer Kraft oder Präsenz, auf die sie vertrauen können: [...] weißt du, es ergeben sich auf einmal Lücken wo ich das Gefühl hab, es wird total für mich gesorgt und ich fühl mich heute richtig fit, obwohl ich sechs Tage, wo ich schon dachte, ich muss eine schwere Krankheit haben, weil ich so schlapp bin. Das ist wirklich verrückt, ja. (La, 190ff) Und dann, wie soll ich sagen, also es ist wirklich so, dass da eine Kraft ist, die sich um dich kümmert, wenn du dafür bereit bist und diese Kraft, sag ich jetzt mal, die kannst du von innen und aber auch von außen heraus erfahren. (Ch, 315ff) Analyse der eigenen Person Lara beschreibt, wie sie durch eine bewusste Form der Wahrnehmung besser kommunizieren kann: Mmh, also geduldiger vielleicht oder eher Ungeduld erkennen und das einfach wahrnehmen und Geschehen lassen. Ich lerne einfach immer eher nicht zu reagieren, sondern in dem Gefühl zu bleiben, es wahrzunehmen, es vorbei gehen zu lassen, zu merken, oh, ich bin jetzt gereizt, ich bin ungeduldig, ich bin müde. Und nicht irgendwie also im übertragenen Sinne zurück zu hauen. Doch, das ist sehr hilfreich. Also im Grunde genommen, besser zu kommunizieren, ja. (La, 86ff) 130 Tara bringt diesen zentralen Punkt sehr schön und deutlich in einer längeren Passage zum Ausdruck: [...] ganz viel Analyse der Motivation, Analyse meiner Handlungen, Analyse der Rede, also wie rede ich mit anderen. Und wenn man so die analytischen Übungen macht, also man kuckt sich so Situationen an, wie hab ich mich verhalten, ich hab mich geärgert über X, was hat mich eigentlich geärgert, was war der Aufhänger? Wie war mein Muster? Wie hab ich reagiert? Was hat das Muster bewirkt? Ist es besser geworden durch meine Reaktion? Hat meine Wut abgenommen? Ist die Situation klarer geworden oder nicht? Das heißt, sie haben auch die ethischen Empfehlungen in diele kleine, praktischen Übungen übersetzt und das war für mich ein ganz, ganz guter Zugang. Weil es war wie so eine Mikroanalyse von Verhalten. Fast ein bisschen wie, manchmal in der Verhaltenstherapie wird das so gemacht, was sind die Stressoren und was passiert dann? Was machen sie dann? Und was auch ganz viel gefragt wird: Was hast du erwartet? Was hast du gedacht über die Situation, was hast du erwartet, was ist tatsächlich passiert? Was hast du da gemacht, als du gemerkt hast, deine Erwartung wird nicht erfüllt? Bist du dann sauer geworden, hast den Druck erhöht? Oder vielleicht deine Erwartung verändert? Wär ja auch eine Möglichkeit. Also so was hat mir unglaublich viel geholfen. Weil das so ein Instrumentarium war mit Lebenserfahrungen, mit Alltagserfahrungen umzugehen und eben offener, fand ich das, als die Psychotherapie, die dann immer ein bestimmtes Bild dahinter, das ist verdrängt und das ist dies und das ist das und das ist wegen der Kindheit. Und das fand ich manchmal etwas geschlossen, weil die Thesen so fest standen und dann halt letztlich auch wieder mit Schuldzuweisungen gearbeitet worden war. Dann ist halt die Mama schuld, oder der Papa schuld oder die Kindheit, oder… das fand ich, das hat mir früher auch nicht so gut gefallen. Meine Mutter konnte auch nicht besser… so, und das gefiel mir, so immer auch die Erwartungen anzukucken. Und in dem Sinne hab ich meinen Alltag anders ankucken gelernt und das verändert die Erwartungen. Und wenn man des mal rauskriegt, dass veränderte Erwartungen, das emotionale Leben verändert, dann ist man natürlich schon motiviert, da weiter zu kucken. (Ta, 214ff) Leo und Lara sehen sich nun in der Lage, die Dinge mit mehr Abstand wahrzunehmen: [...] dann hilft das, dass ich nicht so empfindlich reagiere, das mehr Humor reinkommt, also dass ich mich aus einer anderen Warte aus betrachten kann [...] (La, 127f) 131 Das gelingt mir nicht immer, aber es gelingt mir manchmal, zumindest kann ich danach noch mal darüber reflektieren und den Wunsch in mir entwickeln, wenn mir wieder so etwas passiert, dass ich dann etwas sinnvoller reagieren kann. Okay, dass ist jetzt geschehen, deswegen bist du auch nicht schlecht. Auch dieses ganze sich verurteilen und bewerten ständig, dass das zumindest leichter geworden ist. (Le, 228ff) 132 6. Diskussion: Joachim Wetzky Das Ziel dieser Arbeit ist es zu untersuchen, wie langjährige buddhistisch Praktizierende ihre Praxis in ihren Berufsalltag integrieren. In diesem Kapitel werden nun die Ergebnisse der gefundenen Kategorien diskutiert, das heißt, die Kernaussagen werden interpretiert und in Beziehung zu bestehenden Theorien gesetzt. Da die buddhistische Kultur in ein anderes Interpretationssystem eingebettet ist, ist es unter Umständen unzureichend, die beobachteten Phänomene allein mit westlichen und wissenschaftlichen Konzepten in Verbindung zu setzen. Schließlich geht es in dieser Arbeit auch darum, herauszufinden, wie sich die Aneignung kulturfremder Konzepte auf den Arbeitsalltag in unserer Kultur auswirkt. 6.1. Achsenkategorie „Vorausgehende Bedingungen: Zufluchtnahme“ 6.1.1 „Spirituelle Grundwerte“ In allen Interviews ist deutlich eine Suche nach neuen Grundwerten zu erkennen. Die Befragten geben an, sich konsequent buddhistisch auszurichten. Gründe dafür waren zum einen persönliche Lebenskrisen und zum anderen eine wachsende Unzufriedenheit mit einer Gesellschaft, die auf rein materiellen Grundwerten basiert. Schmidthausen (1999) sieht die Wurzeln in der Zuwendung zum Buddhismus in einem Wertewandel innerhalb der westlichen Gesellschaft. Eine wachsende Unzufriedenheit mit der materialistisch orientierten Konsumgesellschaft, führt demnach zu einem Bedürfnis nach einer „spirituellen“ Sinngebung. Nach Maslow (1943) ist der Mensch von Natur aus gut und darauf ausgerichtet, sich selbst zu entfalten. Dabei wird er von strukturierten Bedürfnissen geleitet, die sich in einem Pyramidenmodell darstellen lassen (Abb. 9). 133 Abb. 9: Bedürfnispyramide nach Maslow (1943). An der Basis der menschlichen Bedürfnisse stehen grundlegende körperliche Grundbedürfnisse wie Trinken, Schlafen und Essen. Auf der zweiten Stufe sucht der Mensch grundlegende Sicherheiten, wie etwa berufliche Sicherheit, Versicherungen oder Kündigungsschutz. Die dritte Stufe kennzeichnet sich durch soziale Bedürfnisse, wie Partnerschaft, Freundschaft oder Gruppenzugehörigkeit. Auf der vierten Stufe sucht der Mensch schließlich soziale Anerkennung. Dabei geht es ihm um Werte wie Anerkennung, Macht, Einfluss oder Selbstachtung. Die Spitze der Pyramide erreicht der Mensch mit der fünften Stufe, in der es um die Selbstverwirklichung geht. Werte wie Individualität und Gerechtigkeit treten in den Vordergrund, aber auch Werte wie Selbstlosigkeit und Mitgefühl. Die Auswertungen der Interviews legen nahe, dass sich die Interviewten sehr mit dem Thema Selbstverwirklichung auseinandersetzen. Rein existentielle Bedürfnisse werden nur am Rande erwähnt, auch egozentrische Werte, wie persönliche Macht oder das Erreichen eines bestimmten Status werden nicht angesprochen. Stattdessen geht es um die innere Öffnung des Menschen, mit dem Ziel eine Art universelle Liebe zu entwickeln, das so genannte „Bodhicitta“. Damit ist der Wunsch gemeint, eine hohe Vervollkommnungsstufe zu erreichen, um anderen Menschen effizient helfen zu können. Die buddhistische Vervollkommnungsstufe des Nirvana14 , das Erlöschen aller negativen Geistesregungen, ist letztendlich nur mit dieser Haltung zu erreichen. Nur wenn es der größte Wunsch eines Menschen ist, anderen zu helfen, 14 Nirvana beschreibt einen Zustand den man erreicht, wenn man sich von allen seinen Konstrukten befreit hat und somit auch von den damit verbundenen Faktoren wie Ich-Sucht, Gier oder Abneigung. Jeder ist in der Lage diesen Zustand zu erreichen. 134 wird er in der Lage sein, sich grundlegend zu transformieren und zu „erwachen15“. So zeigte sich bei buddhistischen Meditationsmeistern während des Praktizierens des „vorbehaltlosen Mitgefühls“ ein eklatanter Unterschied der EEG-Messwerte zu normalen Versuchspersonen. Dabei stiegen die Gehirnwellen, die einher gehen mit kognitiven Höchstleistungen, nicht nur signifikant an, sie breiteten sich auch über das ganze Gehirn aus. Da so starke Werte bei Menschen üblicherweise nicht auftreten, scheint die Gehirnforschung die buddhistischen Erkenntnisse bestätigen, wonach mentale Disziplin einen Menschen von Grund auf verändern kann (Meier-Rust, 2005). „Also er ist wirklich das Wichtigste“ (in-vivo-Kode; La, 45) Die Interviewten berichten, dass der Buddhismus eine zentrale Position in ihrem Leben einnimmt. Nach dem Dalai Lama (1997b) ist das Ziel des Buddhismus die Befreiung von der Last störender Emotionen, die wir aufgrund eines undisziplinierten Geisteszustandes erfahren. Will man einen Geisteszustand von Glück und Zufriedenheit erfahren, bedarf es einer tiefgründigen Wandlung. Diese Wandlung beinhaltet die Transformation von einer ichzentrierten Perspektive, zu einer wir-zentrierten Perspektive die Anteil nimmt an dem Schicksal und Leiden anderer Menschen. Betrachtet man die gegenseitige Abhängigkeit aller Phänomene, kommt man schließlich an dem Punkt, an dem die Existenz eines stabilen und kohärenten Ich als illusionär erkannt wird. Stattdessen wird einem bewusst, wie sehr das eigene Glück von dem Glück der anderen Menschen abhängt und wie relativ unbedeutend das eigene Glück im Vergleich zu dem Leiden der gesamten Welt ist. Diese Auffassung steht im Widerstreit zu den Prämissen unserer Gesellschaft, die die Existenz des Ich und damit die Freiheit des Willen als tragende Kulturpfeiler ansieht. Aus neurobiologischer Sicht ist es jedoch so, dass die Untersuchungen tatsächlich nahe legen, dass weder ein Ich noch ein freier Wille in dieser Form existieren (Grepmair & Nickel, 2007). Nachdem die Interviewten begonnen haben, die positiven Auswirkungen ihrer buddhistischen Praxis zu erleben, begannen sie, sich tiefer damit zu beschäftigen. Die Erkenntnis, dass man sich tiefgreifend wandeln und ein leidvolles oder sinnentleertes Leben in ein positives und konstruktives Leben transformieren kann, führt schließlich dazu, der buddhistischen Praxis eine hohe Priorität einzuräumen. Leo formuliert dies so: „Und als ich mich mehr mit dem Buddhismus beschäftigt hab, war ich nach gar nicht langer Zeit, ganz tief davon überzeugt, dass das ein Weg ist, den ich gehen muss. Nicht weil mich jemand zwingt, sondern weil das 15 „Erwachen“ beschreibt den Prozess und Erkenntnisvorgang den man auf dem Weg zum Nirvana durchläuft. 135 echt ist. Wenn ich das nicht machen würde, dann würde ich irgendeinen Teil in mir verleugnen.“ (Le, 429ff) Nach Ricard (2010) ist es eine der großen Tragödien unserer Zeit, dass die Menschen ihre Fähigkeit zur Veränderung unterschätzen. Dabei weisen Neurowissenschaftler deutlich nach, dass sich bis zum Tode nicht nur die Gehirnstrukturen verändern können, sondern dass sich auch ständig neue Neuronen ausbilden. Damit aber der Geist sich wandeln kann, ist viel Übung und Disziplin erforderlich, genau so wie das Erlernen eines Instruments viel Zeit in Anspruch nimmt. So haben buddhistische Meditationsmeister mindestens 10.000 bis 15.000 Stunden meditierend verbracht. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass dieser Prozess bei allen Befragten in der Zufluchtnahme mündet. Zuflucht zu nehmen, bedeutet für die Interviewten, sich voll und ganz der buddhistischen Praxis hinzugeben. „Nur dadurch, dass wir hart arbeiten und über lange Zeit Entbehrungen auf uns nehmen, können wir erleuchtet 16 werden“ (Dalai Lama, 1997b, S. 12). Gesetz von Ursache und Wirkung Das im Buddhismus zentral stehende Konzept des Karmas prägt auch die Handlungsgewohnheiten der Befragten. Karma bedeutet, dass alle Wirkungen und alles Erleben auch eine Ursache hat. Oftmals denken Menschen nicht folgerichtig an die Auswirkungen ihres Handelns und sind dann überrascht, wenn sie Leid und unglückliche Zustände erfahren. Ein Beispiel wäre der langjährige Genuss von Süßigkeiten und ungesundem Essen. Da die Folgen dieses Essverhaltens nicht unmittelbar zu spüren sind, machen sich viele Menschen keine Gedanken darüber. Erst wenn sie nach einigen Jahren über körperliche Beschwerden leiden, wie etwa Fettleber oder Übergewicht, sind sie bereit über die Ursachen und Folgen ihres Handelns nachzudenken. Auch die Finanzkrise kann unter diesem Blickwinkel betrachtet werden. Der Kleinanleger macht sich keine Gedanken darüber, woher das Geld eigentlich kommen soll, wenn ihm hohe Rendite17 versprochen werden. Erst wenn ein Finanzsystem zusammenbricht, sind einige Menschen bereit darüber nach zu denken, wie finanzielle Kreisläufe entstehen und was es für Menschen in der Dritten Welt bedeutet, wenn ihre Nahrungsmittel auf der Börse gehandelt werden. In diesem Zusammenhang kritisierte der „Erleuchtung“ bedeutet, dass alle Ursachen des Leids überwunden sind und der Zustand des Nirvana erreicht wurde. 16 17 Der Gesamterfolg einer Kapitalanlage. 136 ehemalige Wirtschaftsminister Glos auch die Gier von zehntausenden Kleinanleger, die sich via Internet Anlagen in Island kauften, ohne sich das überdurchschnittliche Risiko vor Augen zu halten (Heckel & Poschardt, 2008). Tara beschreibt diesen Zustand so: „Ich mach was, damit jetzt meine Firma Geld verdient, aber ich denk nicht mehr, dass das in der Zukunft gut ist, für die Kinder, für die nachfolgenden Generationen, das ist auch so was.“ (Ta, 12f) Das Gesetz von Ursache und Wirkung lehrt den Menschen letztendlich die Folgen ihres Handelns, mit dem Ziel, sich darüber bewusst zu werden, was es bedeutet, Verantwortung für das eigene und auch das gesellschaftliche Leben zu übernehmen. Viele der Interviewten berichten, dass sie versuchen zu verstehen, wie sich ihr Handeln auf andere Menschen auswirkt. Leo berichtet, wie er gelernt hat, Angriffe seiner Kursteilnehmer nicht mehr persönlich zu nehmen, sondern als Ausdruck ihres inneren Schmerz zu sehen. Er praktiziert Übungen mit den Teilnehmern, die dazu führen, unbewusste Inhalte wieder ans Tageslicht zu bringen und auch wenn es ihm nicht immer gelingt, so bemüht er sich doch, diesen Angriffen mit Mitgefühl zu begegnen. Ursache und Wirkung kann auch im direkten Kontakt mit anderen Menschen erlebt werden. Meret schildert, wie wichtig es in der Sterbehilfe ist, während eines Sterbeprozess selber ruhig und liebevoll zu bleiben, da diese Gefühle sofort in Resonanz mit dem Sterbenden gehen. Dies schafft Meret, in dem sie die begleitenden Gefühle von Schmerz und Wahnsinn bei den Sterbenden durch buddhistische Praxis aushalten lernt und sich davon nicht anstecken lässt. 6.1.2 Weisheit Weisheit bedeutet, dass eigene Denken und Wirken zu vertiefen und zu erweitern. Anstatt sich nur mit einigen Bereichen des Lebens zu identifizieren und viele andere Bereiche des Lebens abzulehnen, bedeutet Weisheit, sich der Vielfalt der menschlichen Existenz bewusst zu werden und dementsprechend zu handeln. So arbeitet Aaron nach dem ganzheitlichen Aspekt des Sila-Samadhi-Panna. Sila kann man übersetzen mit Tugend oder Ethik und stellt das Fundament des Arbeitsalltages von Aaron dar. Dies bedeutet neben den Tugenden nicht zu lügen oder zu stehlen, auch keine verletzenden Worte von sich zu geben und sich auch nicht am „Tratsch und Klatsch“ zu beteiligen (Tara, 514). Panna bedeutet Weisheit und Aaron setzt diesen Aspekt in seinem Berufsalltag um, in dem er seine Fachkompetenz mit Mitgefühl und Liebe verbindet. Alleiniges Wissen erzeugt noch keine Weisheit, erst die Verbindung mit dem 137 Herzen, lässt Weisheit entstehen. Diesen Ansatz verfolgt auch die Dialektisch-BehavioraleTherapie, die davon ausgeht, dass jede Person Weisheit in Bezug auf ihr persönliches Leben besitzt und somit jeder Mensch auch das Potential zu einer positiven Veränderung in sich trägt (Linehan, 1996). Samadhi, das man mit Konzentration übersetzen kann, wendet Aaron an, wenn er sich vollständig auf sein Gegenüber konzentriert und seine Gedanken nicht abschweifen lässt. Im gesellschaftlichen Sinn bedeutet Weisheit sich nicht nur mit seiner Berufsgruppe oder einem System zu identifizieren, sondern konträre Meinungen zulassen zu können. Letztendlich zeigt sich Weisheit in der Wertschätzung von anderen Menschen und Systemen, auch wenn sie nicht in das persönliche Wertesystem passen. 6.1.3 Hingabe und Vertrauen Hingabe und Vertrauen sind im Buddhismus elementare Größen, weil sie den Menschen eine Chance geben, sich von den Idealen einer Konsumgesellschaft, also dem Jagen nach materiellen oder sinnlichen Glück, zu lösen. Die Lehre des Buddha zielt darauf ab, eine Befreiung von dem ständigen Begehren nach Phänomen zu erlangen. Dies steht im Gegensatz zu den Leitbildern der westlichen Länder, in denen es vermehrt um die grenzenlose Erfüllung aller Begierden, Träume und Wünsche geht (Litsch, 2006). Aus buddhistischer Sicht bedarf alles der Hingabe, unabhängig davon, ob wir eine Aufgabe als angenehm oder unangenehm empfinden. Selbst die kleinste, alltäglichste Handlung ist es Wert, mit Bedacht und voller Hingabe ausgeführt zu werden. Warum das aus buddhistischer Sicht notwendig ist, erklärt sich mit einem Blick auf die westliche Gesellschaft. Hier werden häufig die Dinge mit Hingabe ausgeführt, die Glück versprechen und „Spaß“ machen. Andere Tätigkeiten werden eher flüchtig umgesetzt und als lästig empfunden. Hingabe wird so bestimmt von oberflächlichen Bedürfnissen und sofortiger Lustbefriedigung (Dalai Lama, 1997a). Schulze (1996) nennt dies die Erlebnisgesellschaft, in der es nur noch darum geht, die persönlichen Erlebnisansprüche zu befriedigen. Jedoch ergeben sich aus dieser Gesellschaftsform einige negativen Begleiterscheinungen wie Einsamkeit und Orientierungslosigkeit, die wiederum von noch mehr sinnlichen Erlebnissen überdeckt werden wollen. Meret berichtet, dass sich Hingabe im Berufsleben positiv auf ihre Beziehung zu ihren Klienten auswirkt, da „sich das Herz immer weiter öffnet. Also die Fähigkeit zu lieben und aufzunehmen und dazu sein. Im Augenblick zu sein, also präsent zu sein“ (Me, 322f). 138 Christian fasst das zusammen, wenn er sagt, „das Gegenteil von Ego ist ja das Hingeben“ (Ch, 327). Aus buddhistischer Sicht ist es die falsche Vorstellung eines „ich“, die den Menschen dazu veranlasst, Dinge zu begehren. Wird dieses Greifen nach einem „ich“ gelockert, entsteht die Möglichkeit, sich in einem umfassenderen, größeren Kontext wahrzunehmen, es entsteht ein Raum, der mit Hingabe gefüllt werden kann (Gendün Rinpoche, 1999). Ein weiterer wichtiger Punkt ist die individuelle Bewältigung des raschen ökonomischen Wandels, der eine immer flexiblere Mobilität verlangt. Durch den Wegfall langfristiger Sicherheiten, wie etwa durch die Einführung der befristeten Arbeitsplätze ohne Ansprüche, sowie Kündigungen ohne Schutzfristen und finanzielle Abfindungen, kommen immer mehr Menschen an die Grenzen ihrer Belastbarkeit (Wintels, 2000). Tara beschreibt, dass Vertrauen im Berufsleben soziale Bedingungen wie etwa Kontinuität bedarf: „Und wenn wir so oberflexible Arbeitssituationen haben, wo jeden Tag das Team anders zusammengesetzt ist, oder alle drei Wochen oder ich in eine andere Abteilung komme oder in ein anderes Projekt. Das ist sehr schwer“ (Ta, 437ff). Aus psychoanalytischer Sicht braucht der Mensch eine stabile Zugehörigkeit für seine seelische Gesundheit. Er braucht Anerkennung und Wertschätzung und eine soziale Einbildung (Wintels, 2000). Die buddhistische Ausrichtung ist in der Lage, dem Menschen eine stabile Zugehörigkeit zu geben. Leo (Le, 490) spricht von „heilenden Kräften“, die er in sich entdeckt und die durch Üben weiter entwickelt werden. 6.1.4 Zufluchtnahme Nach Palmo (2003) nimmt der Mensch ständig zu etwas Zuflucht. Damit meint sie, dass wir uns immer Dingen zuwenden, die uns eine gewisse Erlösung, ein gewisses Glück versprechen, sei es nun ein akademischer Grad, ein Fernseher, Sexualität oder Shoppen. Die Schwierigkeit liegt nun aus buddhistischer Sicht darin, dass all diese Dinge kein dauerhaftes Glück spenden können. Nach einer Phase des Erlebens, wird das durch äußere Umstände erfahrene Glück entweder schal oder uninteressant, so dass wir uns auf eine neue Suche nach dem Glück machen müssen. Der akademische Grad führt vielleicht dazu, sich im universitären Konkurrenzkampf behaupten zu müssen, fernsehen wird nach zwei Stunden langweilig, die wechselnden Sexualpartner hinterlassen ein Gefühl der inneren Leere und der verflüchtigte Kaufrausch nach dem Shoppen führt dazu, noch mehr Geld verdienen zu müssen, um ihn bald wieder genießen zu können. 139 Die Interviewten berichten, dass sie nach eingehender Prüfung und Erfahrung mit der buddhistischen Praxis ihre Zuflucht von der weltlichen Welt abgewandt und dem Buddhismus entgegen gebracht haben. Dieser Schritt wird als logische Konsequenz ihrer persönlichen Erfahrungen gesehen. Aaron berichtet, dass er die Zuflucht als Kraftquelle erlebt, durch die er Energie gewinnt. Dies geschieht durch die Verbindung mit einer tieferen Kraft, die stärker ist als sein individuelles Empfinden. Leo erzählt, wie er durch konsequente buddhistische Praxis zufriedener und gelöster wurde. Nach einiger Zeit nahm er dann Zuflucht, auch weil er merkte, das dies ein Weg ist, um mit seinen persönlichen Schwierigkeiten zurecht zu kommen. Laut WHO (2001a, 2001b) umfasst die psychische Gesundheit eines Menschen sein subjektives Wohlbefinden, sowie Aspekte wie zum Beispiel die wahrgenommene Selbsteffizienz, die Entfaltung des eigenen intellektuellen und emotionalen Potentials, sowie die Fähigkeit mit Gefühlen umzugehen und einen Beitrag in der Gemeinschaft zu leisten. Wie Studien zeigen gibt es einen immer deutlicheren Zusammenhang zwischen der buddhistischen Praxis der Achtsamkeit und dieser Definition von Gesundheit. So geht Achtsamkeit mit einer geringeren psychopathologischen Symptombelastung einher (Baer et al., 2006), sowie mit einer Steigerung des Selbstwertgefühls (Brown & Ryan, 2004). Auch der Umgang mit Emotionen verändert such durch die Praxis der Achtsamkeit, das heißt, durch die Praxis der Achtsamkeit kommt man in die Lage, die eigene Stimmung gezielt zu beeinflussen, sowie eine größere Klarheit von Gefühlen zu bekommen (Brown & Ryan, 2003; Hayes & Feldman, 2004). Eine Studie von Lazar (et al., 2005) zeigt, dass durch regelmäßige Meditation diejenigen Hirnregionen stärker entwickelt werden, die mit Aufmerksamkeit, Körperempfindung und sensorischer Verarbeitung assoziiert sind. Es zeigt sich zudem immer deutlicher, dass durch Meditation strukturelle Veränderungen im Gehirn geschehen. Ein wichtiger Punkt ist hierbei die tägliche Praxis, da diese entscheidend zu anhaltenden Veränderungen beiträgt, wie psychotherapeutische und neuropsychologische Forschungen berichten (Atkinson, 2004). 6.2 Achsenkategorie „Handlungs- und interaktionale Strategien“ 6.2.1 Akzeptanz & Offenheit Buddha unterscheidet zwischen normalen und zusätzlichen Leiden. Zu den normalen Leiden gehören Dinge wie altern und krank werden, etwas geliebtes zu verlieren, etwas ersehntes 140 nicht zu bekommen. Diese Leiden kann man nicht umgehen, sie können nur gelindert werden, zum Beispiel durch eine gesunde Ernährung und ausreichend Bewegung. Zu altern und krank zu werden, kann nicht aufgehalten werden, ebenso wenig die Tatsache, dass nicht all unsere Wünsche in Erfüllung gehen. Diese normalen Leiden stellen aus buddhistischer Perspektive rund fünf Prozent unserer körperlichen und seelischen Schmerzen dar. Die restlichen fünfundneunzig Prozent dagegen sind Leiden, die aus einer inneren Haltung heraus entstehen. Diese innere Haltung resultiert daraus, dass sich der Mensch als eigenständiges Selbst erlebt, das vom Rest der Welt getrennt existiert (Wetzel, 2001). Aus dieser Wahrnehmung heraus ist der Mensch ständig auf der Suche nach Dingen, die diese Wahrnehmung festigen, hier entspringt die Gier nach Macht, Wohlstand und anderen Begehrlichkeiten, die die Illusion des eigenständigen Selbst sichern sollen. Da jedoch alles dem ständigen Wandel unterworfen ist und nichts auf Dauer festgehalten werden kann, befindet sich der Mensch in einem ständigen Zustand des Ungenügens und ständigen HabenWollens (Dalai Lama, 1992). Der Mensch versucht nun diesem Zustand des Ungenügens und des Mangels dadurch zu entgehen, indem er nach weltlichen Belangen trachtet, also nach Besitz, Status, Zuwendung und angenehmen Gefühlen und indem er vor dem Gegenteil flüchtet, also dem Verlust von materiellen und geistigem Besitz, Status und unangenehmen Gefühlen. Dies führt aber aber auch dazu, dass der Mensch hauptsächlich mit sich selbst beschäftigt ist, mit seinen persönlichen Problemen und Herausforderungen (Wetzel, 2005). Durch die buddhistische Praxis sind die Befragten in der Lage, sich weniger wichtig zu nehmen. So berichtet Lara, dass sie am Arbeitsplatz nicht mehr so empfindlich reagiert und Herausforderungen nun mit mehr Humor begegnen kann. Ein weiterer Aspekt ist die Akzeptanz von anderen Menschen im Berufsleben. Lara schildert, wie sie durch buddhistische Praxis ihre Unlust und ihren Ekel vor bestimmten Patienten abbauen und ihnen nun mit Offenheit begegnen kann. Aaron stellt fest, dass, wenn er zuviel mit sich selber beschäftigt ist, seine Patienten weniger Aufmerksamkeit von ihm bekommen. Es geht also für ihn auch darum, seine Gedanken und Gefühle loslassen zu können, um sich wirklich auf sein Gegenüber zu konzentrieren und seine Patienten mit Offenheit und Akzeptanz begegnen zu können. 6.2.2 „Spiegelung des eigenen Musters“ (in-vivo-Kategorie, La, 66) Aus Sicht der Verhaltenstherapie wird Leid durch eine fehlerhafte Informationsverarbeitung erzeugt, das heißt, seelische Störungen und Krankheit können als gestörtes Verhalten 141 aufgefasst werden, das durch Lernprozesse angeeignet wurde und somit auch wieder veränderbar ist. Aus kognitiver Sicht führen in der Regel in Kindheit und Jugend erworbene Wertvorstellungen zu bestimmten Verhaltensmustern, die im weiteren Lebensverlauf infolge ihrer Unangemessenheit zu Störungen führen können. Es geht also darum, sich dieser Zusammenhänge bewusst zu werden und durch eine gezielte Verhaltensänderung die Störungen aufzuheben (Jaeggi, 1983, Fliegel et al., 1989). Aus Sicht der buddhistischen Psychologie geht es ebenfalls darum, negative Denkmuster zu überwinden. Nach Thich Nhat Hanh (2003) gibt es mehrere Formen oder Arten des Bewusstseins. Die ersten fünf basieren dabei auf den physischen Sinnen. Es sind die Bewusstseinsaspekte, die entstehen, wenn unsere Augen Formen sehen, unsere Ohren Klänge hören, unsere Nase Gerüche riecht, unsere Zunge etwas schmeckt oder unsere Haut ein Objekt berührt. Eine weitere Bewusstseinsform ist das sogenannte Speicherbewusstsein (alayavijnana). Im Speicherbewusstsein sind alle Erfahrungen und Eindrücke die je erlebt, getan oder wahrgenommen werden, in Form von „Samen“ gespeichert. Samen ist eine Bezeichnung für sämtliche Eindrücke und Erfahrungen, die als Potential in dieser Bewusstseinsform gespeichert sind. Da man nun in der Regel positive wie negative Erfahrungen und Wahrnehmungen macht, sind auch die Samen im Speicherbewusstsein entweder positiver, negativer oder neutraler Natur. Das Speicherbewusstsein ist in der Regel nicht zugänglich, es entspricht am ehesten dem Konzept des Unbewussten, der durch führende Neurowissenschaftler so ausgedrückt wird18: „Wir haben herausgefunden, dass im menschlichen Gehirn neuronale Prozesse und bewusst erlebte geistig-psychische Zustände aufs Engste miteinander zusammenhängen und unbewusste Prozesse bewussten in bestimmter Weise vorausgehen.“ Die buddhistische Psychologie ist somit Freuds Vorstellung vom Unbewussten als dem Schlüssel des Leidens ähnlich, allerdings teilt sie nicht seine Schlussfolgerungen und gibt der Erforschung vergangener Ereignisse nicht den Vorzug gegenüber einer Transformation in der Gegenwart (Hanh, 2003). Aus Sicht der buddhistischen Psychologie liegt es zu einem großen Teil an uns, ob wir ein glückliches Leben führen oder nicht. Da in unserem Speicherbewusstsein eine nahezu unendlich großes Anzahl verschiedenster Samen liegt, können wir entscheiden, welche Samen wir „gießen“ wollen und dadurch zum wachsen Das Manifest: Elf führende Neurowissenschaftler über Gegenwart und Zukunft der Hirnforschung. In Gehirn & Geist 6, 2004, S. 36. 142 18 bringen und welche nicht. Dabei ist es aber wichtig zu beachten, dass alle Phänomene eine individuelle und eine kollektive Natur besitzen. „Leiden ist nicht nur eine individuelle, sondern ebenso eine kollektive Manifestation vieler Generationen und der gegenwärtigen Gesellschaft. Daher gibt es niemanden, der nicht für alles, was in mir vorgeht, mitverantwortlich ist. Der Anteil an der Verantwortung kann größer oder kleiner ausfallen, je nach Person und Umständen und aus denselben Gründen bin ich mitverantwortlich für das, was in den Menschen meiner Umgebung vorgeht“ (Hanh, 2003, S. 264). Nach dieser Sichtweise befindet sich der Mensch in einem untrennbaren Wechselspiel zwischen individuellen und kollektiven Phänomenen. Einerseits werden durch die kollektive Dimension positive wie negative Samen gewässert und kommen dadurch in das Bewusstsein, zum Beispiel durch das Miterleben eines öffentlichen Streits oder das Erleben von Großzügigkeit im gesellschaftlichen Rahmen. Andererseits liegt es an mir, welche Samen der Einzelne in anderen Menschen wässert, es hat also durchaus große Auswirkungen, ob man die Verkäufer an der Kasse freundlich anlächelt oder anschnauzt, wenn sie einen Fehler machen. Dies bringt Lara zum Ausdruck, wenn sie davon berichtet, dass alles was „ich sehe alles was mir widerfährt, hat im Grunde was mit mir zu tun, also nicht als Strafe, sondern es ist ne Spiegelung des eigenen Musters“ [...] (La, 65f). Es kommt also darauf an, die eigenen Prägungen zu erkennen und zu wissen, nach welchen gewohnheitsmäßigen Mustern man handelt. Wenn diese Muster erkannt werden, kann man mit der Zeit lernen, einen anderen Blickwinkel einzunehmen. Weiterhin kommt hier auch die kollektive Dimension zum Vorschein in der Erkenntnis, dass es allen Menschen so geht wie mir und ich dann am glücklichsten bin, wenn andere Menschen meine positiven Samen wässern. Dies geschieht am besten dadurch, dass ich bei anderen Menschen ihre positiven Seiten wahrnehme und fördere. Tara berichtet, dass nach jahrzehntelanger buddhistischer Praxis ihre Reaktionsmuster auf Dinge in ihrem Arbeitsleben zwar die gleichen geblieben sind, sie aber schneller aus ihnen wieder aussteigen kann, da sie sofort bemerkt, wie sie reagiert. Lara fasst dies schön zusammen: „Ich lerne einfach immer eher nicht zu reagieren, sondern in dem Gefühl zu bleiben, es wahrzunehmen, es vorbei gehen zu lassen, zu merken, oh, ich bin jetzt gereizt, ich bin ungeduldig, ich bin müde. Und nicht irgendwie also im übertragenen Sinne zurück zu hauen. Doch, das ist sehr hilfreich. Also im Grunde genommen, besser zu kommunizieren, ja“ (La, 87). 143 6.2.3 Ethisch handeln Für alle Interviewten ist es von entscheidender Bedeutung, einen ethischen Rahmen und ethische Richtlinien in ihr Leben zu integrieren. Dabei stellte sich heraus, dass ethische Richtlinien das Fundament ihrer buddhistischen Praxis darstellen. „Wenn man jetzt mal so einen Vergleich anstellt, zwischen buddhistisch-praktizierenden und nicht-praktizierenden, wo könnte der Unterschied im Arbeitsverhalten oder im Berufsalltag zu finden sein? Also ich würde den Unterschied machen zwischen Leuten, die Ethik praktizieren und die keine praktizieren, dass ist ein viel größerer Unterschied“ (Ta, 590). Litsch (2004) unterscheidet dabei zwischen „alter“ und „neuer“ Ethik. Die „alte“ Ethik war die Ethik einer gesellschaftlichen Minderheit, die der Bevölkerung auferlegt wurde in Form von Gesetzen, Normen und ethischen Regeln. Diese autoritäre Ethik war eine äußere Ethik, das heißt, sie agierte in Gegensätzen von „Gut“ und „Böse“ und führte zu Feindbildern, die besiegt werden mussten. Als Beispiel seien zu erwähnen die Heiligen Kriege aller Religionen, aber auch geistige Haltungen wie etwa die des ehemaligen amerikanischen Präsidenten George W. Bush, der mit einer klaren Trennlinie definierte, was gut und was böse sei und mit welcher Haltung man gegen das Böse vorzugeben habe. Die „neue“ Ethik hingegen ist als eine freiwillige und innerliche Ethik anzusehen. Sie findet sich unter anderem in den Lehren Buddhas wieder und beruht auf Erfahrung, kritischer Prüfung und tiefem Verstehen. Sie wird nicht gewonnen durch die blinde Übernahme von Gesetzen und Normen und trennt nicht zwischen „Gut“ und „Böse“. Buddha ermahnte eindringlich seine Schüler, nicht blind seinen Ausführungen zu folgen, sondern Selbstverantwortung zu übernehmen und nur das zu glauben, was sie selbst überprüft und als richtig erkannt haben. Die „neue“ Ethik ist eine Ethik des Mitfühlens und der Gewaltlosigkeit, die die Ursachen des so genannten „Bösen“ erkennt und versucht zu transformieren. Leo fasst diese Unterscheidung so zusammen: „Also die Ethik beruht nicht auf, du musst oder du sollst, sondern auf Erkenntnis, auf wahrnehmen, verstehen und das bestimmte Handlungsweisen nicht dazu beitragen, dass Glück zu vermehren“ (Le, 399ff). Tara erwähnt, dass Achtsamkeit in diesem Prozess absolut notwendig ist, damit man immer deutlicher wahrnehmen lernt, wenn man sich unethisch verhält: „Ich lüge auch, wenn ich nicht aufpasse. Wenn ich nicht hinkucke, verdrehe ich so ein bisschen. Oder ich sag was, wo ich nicht 100% sicher bin, ob es war ist. Weil ich nur denke, es ist war. Also das braucht alles 144 Achtsamkeit, damit man immer subtiler merkt, wie man sich immer in die Tasche lügt“ (Ta, 628ff). Nach Litsch (2004) stehen wir am Anfang eines gewaltigen und einzigartigen gesellschaftlichen Transformationsprozesses und somit auch am Beginn einer neuen Ethik. Aus dieser Perspektive betrachtet, bieten die Fünf Silas19 eine gute Übungsfläche, um diese neue Ethik zu verinnerlichen. Die Fünf Silas, die als ethische Orientierungspunkte zu betrachten sind, beinhalten eine Achtung vor dem Leben, Großzügigkeit, was auch Solidarität und Sozialbewusstsein umschließt, sexuelle Verantwortung, aufmerksames Zuhören und mitfühlendes Sprechen, sowie achtsamen Konsum, das heißt, es wird darauf geachtet, welche Dinge man in welchem Maße zu sich nimmt (Hanh, 1991). Tara berichtet ganz konkret von Auswirkungen eines ethisches Verhaltens am Arbeitsplatz, wenn sie sagt, „mir tut es gut und es hat wie so ein ganz tiefes Vertrauensverhältnis geschaffen“ (Ta, 484). Leo berichtet, dass die Anwendung der Silas für ihn die Grundlage eines ruhigen und offenen Geistes ist, da unheilsame Rede, also etwa Lüge oder üble Nachrede, eine Spannung erzeugt, die die Entwicklung eines ruhigen und offenen Geistes verhindert. Aaron, Tara, Christian und Meret sehen den Nutzen der Silas auch darin, eine menschliche Ebene entstehen zu lassen, denn ein berufliches und privates Miteinander kann nur auf der Grundlage von Verpflichtungen gelingen. Das fängt damit an, freundlich zu anderen Menschen zu sein, beinhaltet aber auch, sie nicht zu verletzen, zu belügen oder zu bestehlen. 6.2.4 Buddhistische Techniken anwenden Mittlerweile gibt es eine ganze Bandbreite von Untersuchungen, die sich mit den Auswirkungen von buddhistischen Techniken beschäftigen. So konnte fundiert heraus gearbeitet werden, dass sich mit der Methode der Achtsamkeitsbasierten Stressverminderung (MBSR) zahlreiche Stresssymptome wie Ärger, Wut, Angst, Depression, Reizbarkeit und Schlafstörungen deutlich verringern lassen. Zudem wurde festgestellt, dass Meditation die Muster neuronaler Aktivitäten verändert. So konnte bei langjährig Praktizierenden eine erhöhte Aktivität der Bereiche des Gehirns festgestellt werden, die mit Empathie korrelieren (Roeser, 2009). Die Interviewten berichteten, dass sie durch die buddhistische Praxis in der Lage sind, individuelle Qualitäten wie geistige Klarheit und innere Ruhe in ihren Arbeitsalltag 19 Die fünf Silas sind die grundlegenden Übungsregeln zur Entwicklung von Ethik. 145 integrieren können. Meret schildert zum Beispiel, dass sie durch die gezielt Anwendung der Meditationstechnik „Shine“ einen ruhigen Geisteszustand bekommt, mit dem sie Patienten auf eine ganz andere Art wahrnehmen kann. Lara, Christian und Meret berichten, dass sich durch die buddhistische Praxis ihre Herzen öffnen, was sich positiv auf die Interaktion mit ihren Patienten und Arbeitskollegen auswirkt. Lara erzählt, dass sie des öfteren mit Patienten arbeitet, die sie an ihre Grenzen führen, sei es durch einen strengen Körpergeruch oder einer schwierigen Verhaltensweis. In solchen Fällen rezitiert sie oftmals ein buddhistisches Mantra20 , das ihr hilft, Mitgefühl gegenüber den kranken Menschen zu entwickeln und diese Situation anzunehmen. Dieses annehmen können der Situation verändert nach Lara, ganz entschieden die Interaktion mit dem Betroffenen. Die Situation wird spürbar weicher und offener. Die buddhistische Praxis beinhaltet neben der meditativen und ethischen Praxis, auch die Praxis des Verstehens und der Entwicklung von Weisheit. So macht es nicht viel Sinn zu meditieren, wenn man nicht weiß, wie und warum man überhaupt meditiert. Genauso wenig bringt einem die bloße Generierung von Wissen weiter, wenn man sie nicht durch eine meditative Praxis ergänzt, da das Wissen sonst nur im Kopf existiert, jedoch keine Verkörperung in der Welt erfährt (Dalai Lama, 1997b). Durch das Studium der buddhistischen Lehre kam es bei den Befragten auch zu einer Veränderung ihres Weltbildes. Hauptsächlich durch die Lehre des abhängigen Entstehens, also der Erkenntnis, dass alle Phänomene dieser Welt voneinander abhängig sind, fällt es den Befragten leicht, eine offene und mitfühlende Haltung gegenüber anderen Menschen einzunehmen. Dieser Punkt wurde schon im Theorieteil dargestellt, deshalb wird an dieser Stelle auf eine weitere Ausführung verzichtet. 6.3 Intervenierende Variablen Im Verlauf der Auswertung dieser Arbeit zeigte sich, dass die vorausgehenden Bedingungen der zentralen Kategorie „In Verbindung gehen“ natürlich auch von weiteren Variablen beeinflusst wurden. Zu diesen Variablen zählen individuelle Einflüsse, wie etwa persönliche Leidenserfahrungen die dazu führten, etwas neues auszuprobieren, aber auch kollektive Einflüsse, wie etwa der Zeitgeist, der eine gewisse Experimentierfreudigkeit mit sich brachte. 20 Ein Mantra ist ein Spruch, der der buddhistischen Lehre zufolge energiestimulierend wirkt. 146 6.3.1 Innere Suche In der christlichen Mystik wird das Leiden als Geschenk Gottes betrachtet, da es den Menschen veranlasst, sein bisheriges Lebenskonzept neu zu überdenken und neue Wege zu gehen (Wilber, 1991). So erfuhren die meisten Teilnehmer persönliche Leiden oder Krisen, die dazu führten, sich neu auszurichten. Auf der Suche nach einer Lösung, mit diesen Leiden oder Krisen umgehen zu können, stießen sie dabei auf den Buddhismus. So fragte sich Tara beispielsweise, ob es denn einen anderen Sinn des Lebens gäbe, als materielle Erfüllung zu finden. Christian, Lara und Leo sprechen ganz direkt von einer heftigen Lebenskrise, die sie regelrecht dazu zwang, die gewohnten Wege zu verlassen. Um es mit den Worten von Leo zu sagen: „mir ging es so dreckig, dass ich dachte, entweder ich mach jetzt was oder ich geh vor die Hunde und ich hab nichts mehr zu verlieren“ (Le, 83f). Leiden erkennen und die Ursachen des Leidens Das Leiden verhalf vielen Befragten dazu, sich und ihr Leben zu hinterfragen. Christian beschreibt es so, dass er auf einmal merkte, dass er noch nie jemanden getroffen hat, den er als vollkommen glücklich beschreiben würde. Diese Erkenntnis stellte den Punkt dar, an dem er beschloss, auf eine andere Art und Weise sein Glück zu suchen. Für Lara bot sich im Buddhismus die Erkenntnis, dass ihr das materielle Leben immer ein gewisses Maß an Schwierigkeiten bereiten würde, sei es durch das persönliche Altern, oder durch die mit Sicherheit kommenden Krankheiten. Die buddhistische Perspektive bot ihr eine Möglichkeit, sich einfach nicht mehr soviel von der materiellen Welt zu erwarten. Im Buddhismus nimmt der Begriff Dukkha eine zentrale Position ein. Dukkha bedeutet soviel wie leidhaft und bezeichnet den Umstand, dass Menschen dazu neigen, dass Leben als leidhaft zu erfahren (Gruber, 1999). Dies liegt nach Buddha daran, dass im gesamten menschlichen Leben nichts Dauerhaftes zu finden ist und selbst die Persönlichkeit des Menschen ständig in Wandlung begriffen ist, wie Untersuchungen der Neurowissenschaften mittlerweile belegen (Beckermann, 2000; Chalmers, 1996). Das subjektive Empfinden von Leiden rührt nun daher, dass man nicht mit dieser ständigen Wandlung mitgehen kann, sondern an einem Phänomen festhält. Beispiele für die ständige Wandlung sind der Alterungsprozess des Körpers, das Auseinanderbrechen einer Freundschaft, der Verlust eines Arbeitslatzes oder die Erfahrung von Krankheit. Eine Möglichkeit, um dieses subjektive Empfinden von Leiden zu beenden besteht darin, Gleichmut zu entwickeln. Gleichmut bedeutet in diesem Kontext, weder an erfreulichen noch unerfreulichen Phänomenen 147 festzuhalten, sondern es als vorübergehendes Phänomen zu betrachten. Wenn man es verstanden hat, dass nichts in dieser Welt von Dauer ist und sich alles jederzeit wandeln kann, ist es möglich, einen gelassenen Blick auf die Dinge der Welt zu werfen (Dalai Lama, 2002). An dieser Stelle ist es wichtig anzumerken, dass der Buddhismus keine Philosophie der Resignation oder Demotivation bietet. Es geht nicht darum, individuelle Erlebnis- und Einflussmöglichkeiten des Individuums zu negieren und somit den Bürger zu einem selbstgenügsamen und bescheidenen Schaf der Gesellschaft zu erziehen, dass alles abnickt und jede Ungerechtigkeit von Seitens des Staates oder der Wirtschaft hinnimmt. An dieser Stelle weisen etliche buddhistische Lehrer auf die Notwendigkeit hin, Verantwortung in der Gesellschaft zu tragen und aktiv an den Veränderungen beteiligt zu sein. Gerade die Bürger der westlichen Zivilisation tragen eine besondere Verantwortung für diese Welt, da diese über ein höheres Maß an Bildung, politischer Freiheit und Möglichkeiten zur Gestaltung besitzen, als die meisten anderen Weltbewohner (Dalai Lama, 2002). 6.3.2 Äußere Umstände Der Buddhismus betont die Rolle des abhängigen Entstehens aller Phänomene. Damit ist gemeint, dass immer mehrere Faktoren bei der Entstehung eines Phänomens eine Rolle spielen. In diesen Fall vollzog sich die persönliche Entwicklung der Befragten ebenfalls nicht in einem luftleeren Raum. Kollektive Faktoren nehmen bei den Befragten eine entscheidende Position ein. „Hippie Zeit“ (in-vivo-Kode, Le, 37) Christian, Tara und Leo berichteten von ihren Erlebnissen in der sogenannten „Hippie Zeit“, also den 68er Jahren, in denen mannigfaltige, gesellschaftliche Veränderungen geschahen. Hollstein (1969) schreibt dazu, dass die 68er geprägt waren von jungen Menschen, die gegen geistige Armut und eine Gesellschaft aus Glücklosigkeit und Nicht-Sinn rebellierten. Für Leo war diese Zeit eine Möglichkeit, sich von seiner rationalen Perspektive zu befreien und einmal zu schauen, was eigentlich jenseits seines kulturellen Horizontes passierte. Tara lebte eine Zeitlang in Indien, wo sie wie viele andere auch auf der Suche nach neuen Lebensinhalten war. In diesem Klima der Offenheit begegnete sie einigen Exiltibetern und begann sich auf einer inhaltlichen Ebene mit dem Buddhismus auseinanderzusetzen. Hier gibt es gleich zwei interessante kollektive Faktoren, zum einen die schon erwähnte „Hippie Zeit“ und zum anderen die Flucht tausender tibetischer Mönche, die nun in Indien begannen zu 148 praktizieren und zu meditieren. So ist das Aufblühen des Buddhismus im Westen auch maßgeblich durch den Umstand der Vertreibung der Tibeter aus ihrem Land durch die Chinesen entstanden. Ethikrahmen gesucht Lara beschreibt wie sie „zeitgeistgemäß, also am Boden war. Also Ethik heutzutage oder damals vor 10 Jahren, da wo ich war – man ist besondern gut angesehen, wenn man irgendwie es besonders klug anstellt, sich zu bereichern. Oder so was. Und das wurde mir auch total bewusst“ (La, 26ff). Ähnlich wie Tara fragte sich auch Lara, ob eine rein materielle Ausrichtung der Sinn ihres Lebens sein konnte, vor allem als sie bemerkte, wie angesehen es in der Gesellschaft war sich zu bereichern, selbst wenn es nicht immer auf eine ganz korrekte Art und Weise geschieht. Politische Motivation Tara entdeckte im Buddhismus etwas, dass sie in der linken Frauenbewegung vermisst hatte. Da ihr Zitat alles wesentliche ausdrückt, möchte ich es gerne so stehen lassen: „Es fehlt die spirituelle Dimension. Es fehlt eine Dimension, wo man alle Menschen wertschätzt und nicht nur die eigene Partei, die eigene Gruppe, und dann gegen die Feinde, ich dachte immer, das stimmt nicht, dass man Feinde hat. Also Klassenkampf und diese ganzen Bilder, da muss man kämpfen, man muss zerstören, damit man was Neues aufbauen kann. Und dann hab ich durch die buddhistischen Lehrer, Lehren, ein Weltbild kennen gelernt, wo man schon auch was tut für andere, es war ja Mahayana Buddhismus, ich tu was für die Welt, zum Wohle der Wesen. Aber eben mit einer Wertschätzung aller Menschen, aller Beteiligten. Das hat mir einfach besser entsprochen“ (Ta, 47ff). 6.3.3 Erfahrung der buddhistischen Praxis Alle Interviewten praktizieren verschiedenste buddhistische Methoden und Techniken. Wie die Auswertung der Interviews ergab, beeinflusste die Qualität der praktizierten Methoden die Integration der Erfahrungen in das persönliche Weltbild und Verhalten. Auch wenn die neuropsychologische Meditationsforschung noch am Anfang steht, vermeldet sie doch bislang interessante Ergebnisse. So korreliert nach Bergomi (2007) Meditation negativ mit der psychopathologischen Symptombelastung und Inkongruenz und positiv mit den Emotionsregulationskompetenzen. Untersuchungen von Lazar (et al., 2000; 2005) 149 ergaben, dass die Hirnrinde bei regelmäßig Meditierenden bis zu fünf Prozent dicker ist als die bei nicht Meditierenden und dass die Hirnareale für Aufmerksamkeit und Sinneswahrnehmungen bei Meditierenden wesentlich mehr neuronale Verknüpfungen aufweisen als bei nicht Meditierenden. Vereinfacht gesagt führt regelmäßige Meditation also zu einer Zunahme des Bewusstseins (Wilber, 2001b). Die Interviewten berichteten von Erfahrungen der Zufriedenheit und des Glücks, vor allem nach einer Phase der Lebenskrise. Für Christian und Leo sind Selbstkontrolle und Selbstsicherheit wichtige Gewinne durch die Meditation. Auch die Auseinandersetzung mit Gefühlen spielt eine Rolle. Die Erfahrung, dass Gefühle sein und erlebt werden dürfen wird betont. Bei allen Interviewten ist eine deutliche Selbstreflektion zu vermerken, die in Zusammenhang mit der täglichen Meditationspraxis steht. 6.3.3.1 Stufen des Integralen Buddhismus Aus integraler Perspektive betrachtet, gibt es verschiedene Stufen, auf denen der Buddhismus erfahren und praktiziert werden kann. Um einen ersten Einblick zu verschaffen wie die Stufen eines Integralen Buddhismus aussehen könnten, versuche ich in Abbildung 10 darzustellen, wie unterschiedlich der Buddhismus verstanden und praktiziert werden kann. Angelehnt habe ich mich dabei an den Theorien von Wilber (2007), Beck (1995) und McIntosh (2009). Vervollständigt wurde diese Tabelle durch die Auswertung der Interviews, sowie durch persönliche Besuche vieler buddhistischen Zentren und Veranstaltungen, sowie durch Gespräche mit den dort teilnehmenden Praktizierenden. Wie in Tabelle 10 zu sehen ist, praktizieren die Interviewten hauptsächlich auf den Stufen des Magischen, des Traditionellen und des Postmodernen Bewusstseins. Gemeinsam ist diesen Stufen, dass sie stark an dem Wohlbefinden einer Gruppe, Nation oder Interessengemeinschaft interessiert sind. Bezogen auf diese Forschungsarbeit komme ich zu der Feststellung, dass die meisten der Befragten noch keine integrale Perspektive einnehmen. Dies ist nicht weiter verwunderlich, da sich nach McIntosh (2009) und Beck (1996) gerade mal 2% der Bevölkerung auf der Stufe des Integralen Bewusstseins befinden. Mir ist es sehr wichtig zu betonen, dass eine Einordnung von Menschen in ein System nur auf einer abstrakten Ebene möglich ist und unter Umständen nicht die tatsächlich vorhandene Situation widerspiegelt. Wie im Kapitel 2 dargestellt ist es zudem möglich gleichzeitig auf verschiedenen Ebenen gegründet zu sein. Diese Darstellung soll nur dazu dienen, die Komplexität des Integralen Buddhismus zu verdeutlichen. 150 Stufe Beschreibung Praktiken Vertreter Magisches Bewusstsein Mit Hilfe von buddhistischschamanischen Praktiken in die Sphären der Buddhas und Bodhisattvas eindringen. Glaube an Segnungen durch buddhistische Meister. Stark vorhanden im westlichen Buddhismus, vor allem bei tibetisch orientierten Buddhisten. Schamanische Praktiken: Visualisierungen, Anwendung von Mantren, Geistreisen, tibetische Astrologie. Lara und Meret geben an, durch die Rezitation von Mantren berufliche Situationen beeinflussen zu können IchBewusstsein Vergötterung und Idealisierung einiger buddhistischer Lehrer. Glaube an Segnungen durch buddhistische Meister, dabei jedoch Ablehnung von Disziplin und Gruppenordnungen. Kaum vorhanden im westlichen Buddhismus. Schamanische Praktiken: Visualisierung als Gottheit, alles durch das man die eigene Kraft und Macht verspürt, kein traditioneller Kontext. Traditionelles Bewusstsein Erlernen und Anwenden der buddhistischen Lehre. Oftmals intensiver Kontakt zu einem östlichen Lehrer oder einem westlichen Lehrer mit Lehrerlaubnis. Stark vorhanden im westlichen Buddhismus, Rein östliche Techniken, die seit Jahrtausenden überliefert sind: Vipassana Meditation, Anwendung von Mantren, Visualisierungen, Studium der buddhistischen Schriften. Aaron, Meret, Christian und Lara sind sehr stark in eine buddhistische Tradition eingebunden. Modernes Bewusstsein Fokus liegt mehr auf den wissenschaftlich gesicherten Auswirkungen der buddhistischen Praxis, als auf traditionellen Überlieferungen. Wird auch viel von „Nicht-Buddhisten“ praktiziert. Mäßige Akzeptanz im westlichen Buddhismus, da Gefahr eines Wellnes-Buddhismus besteht. Wissenschaftlich basierte Techniken wie MBSR & Yoga. Wissenschaftliche Studien über Achtsamkeit und Meditation. Leo überträgt die buddhistischen Inhalte logisch auf die westliche Gesellschaft, er gehört dabei keiner spezifischen buddhistischen Linie an. Postmodernes Bewusstsein Entwicklung des Bodhicitta: Man möchte allen Menschen helfen. Ablehnung rein traditioneller Werte, da diese als zu einengend empfunden werden. Buddhistischer Lehrer wird als Freund empfunden und nicht als hierarchisch höher stehendend. Sehr stark vorhanden im westlichen Buddhismus. Gleichberechtigung von traditionell-buddhistischen und westlichpsychologischen Praktiken: Es werden weniger vorgegebene Übungen praktiziert, vielmehr das, „wonach man sich fühlt“. Bei allen Befragten ist deutlich zu erkennen, dass der Wunsch anderen Menschen zu helfen ein zentrales Thema in ihrem Leben darstellt. Integrales Bewusstsein Weiterentwicklung des Bedürfnis, der Menschheit dienen zu wollen. Anerkennung aller buddhistischen Formen. Man ist in der Lage für jeden Menschen, die passende Form zu finden. Dabei sieht man sich selbst als aktiven Teil der Evolution. Verlust von Angst- und Schuldgefühlen. Weitreichende und komplexe ethische und philosophische Weltsicht. Kaum vorhanden im westlichen Buddhismus. Integration von westlichen und östlichen Ansätzen: Die Tiefenpsychologie des Westens wird integriert (Arbeit mit dem Unbewussten und Verdrängten), sowie die „Höhenpsychologie“ des Ostens (Bewusstseinsentwicklung in non-duale Stufen). Tara beschreibt ihren Wunsch helfen zu wollen und dabei alle Menschen wert zu schätzen. Abb. 10: Die Stufen des Integralen Buddhismus. 151 6.4 Effekte Durchgängig beschreiben die Befragten vielfältige Veränderungen in ihrem Leben. Sie alle nehmen sich selbst und ihre Beziehungen zur Umwelt erheblich konstruktiver und offener wahr. Alle finden einen tiefen Sinn in ihrem Leben und beschreiben die Entwicklung von sozialen Kompetenzen, die sie erfolgreich im Berufsalltag einsetzen können. Letztendlich zeigte sich eine veränderte Weltsicht und ein dementsprechend geändertes Verhalten. Bei allen steht neben einer intensiven Beschäftigung und Arbeit an sich selbst, die konkrete Beziehung zu anderen Menschen im Mittelpunkt ihres Handelns. 6.4.1 Herz öffnen „Das Herz aller spirituellen Praxis ist das Entwickeln von Liebe und Mitgefühl. das Ausmaß, in dem diese beiden entwickelt sind, prägt die Art und Weise, wie jemand dem spirituellen Weg folgt, und zeigt, wieweit sich sein Geist geöffnet hat“ (Gendün Rinpoche, 1999, S. 63). In der buddhistischen Psychologie gibt es das Prinzip der Vier Unermesslichen Qualitäten. Diese sind liebende Güte, Mitgefühl, Freude und Gleichmut. Nach Kornfield (2008) stellen die Vier Unermesslichen Qualitäten die Qualitäten eines offenen Herzens dar. Sie sind das Herzstück menschlicher Beziehungsfähigkeit und zudem die Grundlage von Gesundheit, Wachstum, Entfaltung und Reife (Weber, 2010). Aus buddhistischer Sicht ist Liebe die wahre Natur des Menschen, die jedoch unter einer schützenden Angstschicht verborgen liegt. Buddhistische Praxis zielt nun darauf ab, diese Liebe mittels besonderen Übungswegen zu stärken und wieder erlebbar zu machen (Kornfield, 2008). Die Befragten geben an, dass sie durch ihre buddhistische Praxis im beruflichen Kontext vermehrt in der Lage sind, mit einem offenen Herzen zu agieren. Dabei ist es wichtig, erst einmal zu lernen festzustellen, wann das Herz verschlossen ist und mit welchen Methoden es wieder geöffnet werden kann. Das offene Herz ermöglicht den Interviewten offen auf ihr Gegenüber zuzugehen und zu reagieren. Lara berichtet davon, wie sich ihre Sicht auf Patienten geändert hat, als sie lernte, mit einem offenen Herzen auf sie zuzugehen. Auch für Meret bedeutet ein offenes Herz die Fähigkeit, emphatisch auf andere zugehen zu können „um überhaupt zu erfahren, was braucht der Andere, was will er, was nehm ich war, worum gehts“ (Me, 66f). Diese Haltung führt auch dazu, Unterschiede zu anderen Menschen akzeptieren zu lernen und mehr wertzuschätzen. 152 Meret berichtet zudem von ihren Erfahrungen in der Sterbehilfe, wo das Prinzip der Spiegelnervenzellen deutlich zum Ausdruck kommt. Die neurobiologische Entdeckung der Spiegelnervenzellen (Bauer, 2005) gibt einen Einblick in die grundlegende Fähigkeit des Menschen, andere Menschen emphatisch wahrzunehmen. Immer wenn sich Menschen begegnen, imitieren sie intuitiv den anderen und sind deshalb in der Lage, ihn zu verstehen. Dies gibt Verhaltenssicherheit und ermöglicht ein gemeinsames und koordiniertes Handeln. Nach Rizzolatti und Sinigaglia (2008) leben wir in einem intersubjektiven Bedeutungsraum, das heißt, Menschen sind nicht voneinander zu trennen, weil sie sich gegenseitig spiegeln. Aus spiritueller Sicht sind sie „eins“ und nicht voneinander getrennt. In diesem Zusammenhang berichtet Meret, dass wenn sie innerlich ausgeglichen und ohne Angst den Sterbenden begegnen kann, sich dieser innere Zustand auf den Sterbenden überträgt, „dann kann der es übernehmen. Es hilft ihm wirklich. Nicht weil man den jetzt was an Leid wegnimmt, sondern weil man selber sich ändert. Das hilft dann dem Anderen“ (Me, 457f). 6.4.2 Innere Stärken Die Befragten schildern die Entwicklung von inneren Stärken. Tara und Leo geben an, geduldiger mit sich und anderen geworden zu sein. Die Erkenntnis, dass man eine Biografie besitzt und gelernt hat in bestimmten Richtungen zu denken und die Einsicht darüber, wie schwer es ist, diese konditionierten Bahnen zu verlassen, gibt ihnen die Gelegenheit eine Perspektive der Geduld zu entwickeln. Selbstwirksamkeit Auch die Entdeckung, einen Einfluss auf das eigene Leben zu haben, ist für viele Befragten von zentraler Bedeutung. Leo formuliert ein schönes Bild von dieser Entdeckung: „Eins der ganz zentralen Sachen für mich war: Ich hab einen Einfluss darauf, wie mein Leben verläuft. Vorher dachte ich, ich reagier nur, ich wär von irgendwelchen Ereignissen hin und her geworfen und versuch damit irgendwie umzugehen und darauf zu reagieren. Und ich hatte das Gefühl, ich kann Einfluss darauf nehmen, in welche Richtung ich mich entwickle, in welche Richtung ich mich bewege und brauch nicht einfach nur zu reagieren. Und das war für mich ganz wertvoll. Und so ein Bild dass mir kam, was für mich ganz wichtig war, ist der von einem Künstler, in meinem Fall war das ein Künstler, der an einer Skulptur arbeitet, ein 153 Bildhauer oder so was ähnliches. Und das, woran er arbeitet, war mein eigenes Leben, das ich also mein eigenes Leben formen kann“ (Le, 118ff). Auch Lara beschreibt, wie sie durch die buddhistische Praxis gelernt hat, berufliche Herausforderungen anzunehmen und spielerischer mit ihren umgehen zu können. Ein weiterer Punkt ist, dass nicht mehr alles so ernst nimmt, was ihr im beruflichem Umfeld passiert. Christian formuliert diese Stärke so, dass er sich mittlerweile sicher ist, jede berufliche Situation meistern zu können, da er einen konstanten Geisteszustand von Wachsamkeit, Präsenz und Mitgefühl etabliert hat. In der Psychologie wird „heute allgemein angenommen, dass unser Verhalten von unseren Gedanken und Emotionen gesteuert wird. Gelingt es, schwierige Situationen günstig zu interpretieren, dann fühlt man sich besser und handelt auch wirksamer. Natürlich soll man sich dabei nicht „in die eigene Tasche lügen“, sondern durchaus realistisch die positive Seite der Situation in den Vordergrund rücken“ (Schwarzer & Jerusalem, 2002, S. 31). Die Berichte der Befragten legen nahe, dass durch die buddhistische Praxis diese Form der Selbstwirksamkeit in ihr berufliches Leben integriert wird. Wahrnehmung anderer Menschen Die Wahrnehmung von und die Beziehungen zu anderen Menschen spielt bei den Interviewten eine große Rolle. Durch die buddhistische Praxis ist es vielen möglich geworden, emotionalen Anteil am Leben anderer Menschen zu nehmen, seien es Teamkollegen, Patienten oder Kunden. Lara berichtet, dass sie durch ihre Praxis gelernt hat, ihren Ekel vor bestimmten Arbeitssituationen zu überwinden, zum Beispiel, wenn ein Pflegefall zu einer extremen körperlichen Verunreinigung neigt. Dies geht so weit, dass sie beginnt Bewunderung für ihre Pflegefälle zu entwickeln: „Und jetzt ist es so, dass ich eher auch so Anteil nehmen kann, ja, Herz ist offener und ich bewunder auch, wie tapfer die sind. Ich denke, ich wüsste nicht, ob ich so tapfer bin in so einer Situation“ (La, 321ff). Tara und Meret schildern, dass sie gelernt haben, geduldiger mit anderen Menschen zu sein, dass sie besser zuhören können und damit einen Weg gefunden haben, andere Menschen und ihre Bedürfnisse besser wahrnehmen zu können. 154 6.4.3 Sinnhaftigkeit und Selbstreflexion Die eudämonistische Perspektive, die auf Aristoteles zurück geführt werden kann, sieht den Sinn des Lebens darin, nach Selbsterfüllung zu streben und seinen Handlungen einen tieferen Sinn zu geben. „Nur wer auf seine innere Stimme hört (von Sokrates Dämonium genannt), kann diesen tieferen Sinn entdecken und glücklich werden. Glücklich sein bedeutet in diesem Zusammenhang das Gefühl des völligen Aufgehens im Tun, einem Tun, das von der inneren Stimme geleitet wird“ (Aellig, 2004, S. 13). Dieser Sicht widmet sich auch vermehrt die Psychologie. Durch die Forschungen von Seligman (2005), der die positiven Aspekte des menschlichen Miteinander erforscht, wurde ein wertvoller Beitrag dazu geleistet, wie man die eigenen Stärken entdecken kann. In diesem Zusammenhang geben die meisten Befragten an, einen tieferen Sinn im Leben gefunden zu haben, der sie zudem befähigt, auch negativen Erfahrungen und Wahrnehmungen einen Sinn zuzusprechen. Es wird zudem deutlich, dass mit dieser Sinnfindung auch eine Gesellschaftskritik verbunden ist, da eine rein materialistischkonsumistische Orientierung im Widerspruch zu einem sinnerfüllten Leben liegt. Die postmoderne Entgrenzung der Handlungsfreiheit, gerade bezogen auf den Konsum, hat zu e i n e r Ve r s c h l e c h t e r u n g d e s Wo h l b e f i n d e n s g e f ü h r t . „ Z u m e i n e n f ü h r e n Orientierungsprobleme der Konsumenten tendenziell zu einer Verschlechterung reflektierter, das heißt aufgeklärt gewollter Konsumentscheidungen. Zum anderen kann die Aufklärung des Wollens selbst empfindlich gestört werden. Darin liegt vermutlich das gewichtigere Problem, denn dadurch wird die Willensfreiheit unmittelbar berührt. Die Entgrenzung der Wahlfreiheit kann Konsumenten absorbieren, verunsichern und sie immer öfter über ihre Wünsche, Bedürfnisse und die angemessenen Bedürfnismöglichkeiten im Unklaren lassen“ (Neuner, 2005, S. 202). Christian gab an, „und ja, jetzt weiß ich, was ich mit diesem Leben anfange, war schon sehr wichtig für mich, weil, ich meine, diese Konsumgesellschaft ist schon was durchgeknalltes finde ich. Und da so was Tieferes finden, was Halt gebendes, das hat mir schon sehr geholfen“ (Ch, 70ff). Lara und Tara betonen, dass sie durch die spirituelle Orientierung einen Sinn im Leben gefunden haben, der äußerst wichtig für sie war. Selbstreflexion Buddha legte einen großen Wert auf die persönliche Selbstreflektion. Er ermunterte die Menschen zu prüfen, ob eine Handlung positive oder negative Folgen nach sich zieht. Ist anzunehmen, dass eine Handlung negative Folgen haben könnte, ist es ratsam, von ihr 155 abzulassen und statt dessen eine positive Handlung auszuführen. Natürlich ist es sehr schwer, die Folgen einer Handlung immer genau abzuwägen, vor allem wenn tiefe Emotionen und Leidenschaften mit im Spiel sind (Kornfield, 2008). In diesem Zusammenhang äußern die Interviewten, dass sie durch die buddhistische Praxis gelernt haben, bewusster durch das Leben zu gehen und sich und ihre Denk- und Handlungsstrukturen besser wahrnehmen können. Lara erzählt, dass sie gelernt hat, nicht mehr instinktiv emotional zu reagieren, zum Beispiel wenn sie ungeduldig oder müde ist, sondern diesen Umstand einfach nur wahrzunehmen ohne dabei ihre Ungeduld an ihrem Gegenüber auslassen zu müssen. Tara übt sich bewusst in der Analyse ihres Verhaltens. Wenn sie sich über einen Menschen ärgert hat, fragt sie sich zum Beispiel, warum hat sie sich geärgert, welches inneres Muster wurde bei ihr aktiviert, war dieser Ärger förderlich und ist die Situation klarer geworden dadurch? Dadurch kommt sie an einen Punkt, an dem sie beginnt, Verantwortung für ihr Leben und ihre Handlungen zu übernehmen. Zum Abschluss möchte ich noch eine Erkenntnis des Psychologen Carl Rogers einknöpfen. Nach Rogers (1961, S. 37f) entwickelt sich ein Mensch positiv, wenn ihm eine Atmosphäre von Wärme, Transparenz, Akzeptanz und Verständnis angeboten wird: “If I can create a relationship characterized on my part: by a genuineness and transpareny, in which I am my real feelings; by a warm acceptance of and prizing of the other person as a seperate individual; by a sensitive ability to see his world and himself as he sees them: Then the other individual in the relationship: will experience and understand aspects of himself which previously he has repressed; will find himself becoming better integrated, more able to function effectively; will become more similar to the person he would like to be; will be more self-directing and self-confident; will become more of a person, more unique and more self-expressive; will be more understanding, more acceptant of others; will be able to cope with the problems of life more adequately and more comfortably.“ Rogers (1961) führt weiter aus, dass diese Zustände sich in den verschiedensten Kontexten entwickeln und nicht nur im therapeutischen Setting. Auch innerhalb der Familie, mit den eigenen Kindern, mit anderen Studenten, Teammitgliedern oder Gruppen können sich diese 156 Qualitäten entfalten, wenn man sich darum bemüht. Den Aussagen der Befragten zufolge können diese Qualitäten durch die buddhistische Praxis generiert werden. 6.5 Zentrale Kategorie „In Verbindung gehen“ Abschließend möchte ich die Zitate und die Diskussion der zentralen Kategorie gemeinsam darstellen. Die Erfahrung von Verbindung zwischen Herz und Geist Wenn ihr über Achtsamkeit schreibt, bitte bezieht mit ein, dass Achtsamkeit sich immer zu verbinden hat mit Güte, also Herz und Geist. (Aa, 14f) Ja, weißt du, es ist einfach dieses Zusammentreffen von Herz- und Kopfenergie und dann entsteht Weisheit, dass wird auch in den buddhistischen Schriften immer und immer wieder erläutert. (Ch, 333f) Verbindung als Ausgangspunkt Gebet heißt, sich mit dem Lehrer oder Buddhanatur zu verbinden, oder zu bitten auch, so um Heilung zu bitten für jemanden. [...] Und was erlebst du dabei? Meistens ganz selbstverständlich Verbindung und manchmal, wenn es notwendig ist, wenn ich sehr aufgeregt bin oder zornig bin oder irgendwas, dann hilft es unglaublich, sich wieder runter zu beamen oder hoch zu beamen [...] (Me, 358f... 362ff) Verbindung durch den buddhistischen Lehrer Was hat das für einen Stellenwert, deine Schüler-Lehrer-Beziehungen? Das ist das Wichtigste, also wirklich das Wichtigste. Warum? Naja, weil sie für mich die größte Inspirationsquelle sind. Es ist eigentlich der Motor, na. [...] wie ich das fühle? Ja. Das mir die Worte total ins Herz gehen und dass ich weinen muss. Einfach weil ihre Worte so eine tiefe Ebene ansprechen in mir [...] (La, 383ff... 393ff) Also es klingt für mich immer komisch, wenn ich sage, ich bin der Schüler von einem buddhistischen Lehrer, weil das in unserer Kultur nicht vorhanden ist. Für mich ist es aber der Weg, diese Verbindung zu den tiefsten Schichten meines Seins und damit auch zu meinen Mitmenschen zu lernen und zu erfahren. Durch den Kontakt mit meinem Lehrer erfahre ich wie ich diese Liebe und Vertrauen in das Leben entwickeln kann, Und nur wenn ich diese Qualitäten entwickle, kann ich mit dieser Haltung auch anderen 157 Menschen gegenübertreten kann. Ich meine, wenn ich nicht in Verbindung bin, also wie soll ich da voller Liebe und Weisheit während meiner Arbeit sein? (Ch, 304ff) Die Erfahrung von Verbundenheit mit der Welt Und verbunden mit der Welt zu sein...ich leb nicht in einem sozialen Vakuum. Kein Mensch lebt isoliert. Selbst ein Einsiedler in der berühmten Höhle im Himalaya, auf viertausend Meter Höhe, der wurde mal geboren und erzogen. Und irgendwann und wenn er noch so kläglich was essen muss, aber irgendwann muss er mal was essen. Ob das nun eine Handvoll Tsampa ist, aber die muss irgendwo herkommen und die muss irgendwer angebaut haben. Und die Luft die er atmet, wo kommt die her. Also die Idee von der völligen Isolation und Getrenntsein ist ne Illusion. (Le, 432ff) Na, wenn wir es schaffen, unsere ich-bezogene Vorstellung von der Welt und wie alles zu sein hat, einmal loslassen und uns der ständigen Verbundenheit mit unserer Umwelt bewusst werden, also dann verändert sich ja alles. Ich meine, wenn mir klar wird, dass alle Dinge in wechselseitiger Abhängigkeit bestehen, dann hat das ganz klare Auswirkungen auf mein Verhalten. (Ch, 285ff) Die Erfahrung von Verbundenheit im Berufsalltag Alles läuft über verbinden. Ich kann nur dann was tun, selbst wenn ich ein Erstgespräch am Telefon hab, wenn ich mich mit demjenigen verbinde, also ihm Platz gebe. Verbinden heißt, den Raum aufmachen. Ja, und auch immer wieder spüren, dass es da diese Gleichheit gibt, diese grundlegende Gesundheit, die uns verbindet, auch wenn wir es nicht wissen, in dem Moment nicht erinnern. (Me, 313ff) Und was ich gelernt habe ist, dass ich die Wahl hab, ob ich mein gegenüber als jemanden wahrnehme, der mir sehr ähnlich ist, also dass der ganz ähnliche Leiden erfährt wie ich und auch genauso glücklich werden möchte, wie ich es anstrebe. Oder ob ich ihn als fremdes, isoliertes Ding ansehe, dass ich manipulieren kann, damit es dem entspricht, was mir wichtig ist. (Ch, 293ff) Und wenn ich dann meine Grenzen nicht mehr so eng setzen muss, dann bin ich berührbarer, offener, einfach mehr in Kontakt,na, Verbindung eben auf meiner Arbeit. Das ist eine ganz andere Qualität. (Ch, 297ff) Und wie könnte das in Berufsalltag aussehen? Im Berufsalltag? Dass ich davon ausgehen, dass ich mit allen Menschen, denen ich begegne, was zu tun hab. Dass ich 158 mit denen schon verbunden bin. [...] Und wenn man das, denke ich, wertschätzt, kann man jemanden nicht schlecht behandeln. Also wenn man davon ausgeht, wir sind schon verbunden, einfach dadurch, dass wir hier jetzt neben einander sitzen, dann muss man jetzt nicht irgendwie ein großes Ding machen, sondern wir sind schon verbunden und wir wertschätzen das. Respekt für Menschen. (Ta, 364ff... 370ff) Und wie kannst du diese Lehrer-Schüler-Beziehung mit in die Arbeit nehmen? Oder wie nimmst du die mit in die Arbeit? Dass ich an sie denke, also in Situationen die schwierig sind, an sie denke. Ich denke, dass ist auch eine Methode. Und auch wieder um Hilfe bitten, das kann man auch machen. Ja. Und auch daran denke, was sie mir gesagt haben. Was passiert denn da mit dir, wenn du daran denkst? Herz öffnet sich, genau. Oder ich hab halt den Kontakt in mir, fühl mich nicht so isoliert, genau, mir fällt schneller was ein, oder ich nehm sie dann nicht so ernst (die Patienten, Anm. d. A.) oder ich nehm mich nicht so ernst. (La, 406ff) [...] und ich merke aber auch, umso achtsamer ich bin und je mehr ich in mir selber bin, umso authentischer ich auch bin, umso leichter, umso schneller geht das auch. Weil wenn du selber zerstreut bin, braucht es eine ganze Zeitlang bist du in Verbindung bist mit dem Anderen. Wenn das Herz verschlossen ist, ist es immer schwieriger, sich auf den anderen einzulassen, also wenn ich selber besetzt bin von Gedanken, Gefühlen, dann hat der Andere erstmal nicht viel Raum. Umgekehrt kann ich das sozusagen mit einem Schnips loslassen und sagen, ich bin jetzt für dich da. Und das nicht nur sagen, sondern auch mit einer inneren Qualität fühlen, sozusagen. (Aa, 185ff) Und jetzt ist es auch so, dass ich das Gefühl hab, ich hab mich damit richtig verbunden. Aber wirklich erst seit diesem Jahr, dass ich auch rückblickend so eine Dankbarkeit empfinde, dass ich diesen - ich sprech jetzt auch von einem Beruf, vorher war es ein Job - dass ich diesen Beruf machen kann, weil ich einfach soviel für mich, über mich dabei lerne einfach. [...] Und was hat sich in dir verändert und warum hat sich da was verändert? [...] Entsagung im tibetischen Buddhismus heißt ja nicht, ich zieh mich so aus der Welt zurück und ich will mit allem nichts mehr zu tun haben. sondern heißt ja im Grunde, ich weiß, dass ich mich in Samsara befinde, nicht als Ort, sondern als Zustand. Und Samsara bedeutet Leben, Alter, Tod. Samsara heißt einfach, es gibt Schwierigkeiten und indem ich das anerkenne, das ist eigentlich Entsagung. Das ich mir nicht mehr soviel von Samsara, dem samsarischen Zustand erwarte. [...] Genau des und.. ja, ich 159 glaub, das ist das wesentliche. Dass die Verzweiflung nicht mehr so groß ist, wenn es einfach schrecklich ist. (La, 284ff... 311... 344ff... 354f) In sehr großer Variation zeigt sich das Bedürfnis und die Einsicht der Interviewpartner in Verbindung mit sich selbst und anderen zu gehen. An erster Stelle steht die Verbindung mit sich selbst zu finden, bevor sie auf andere und anderes angewandt werden kann. Die meisten Teilnehmer beschreiben die innere Verbindung als eine Erfahrung von Verbindung zwischen Herz und Geist: „Ja, weißt du, es ist auch so ein Zusammentreffen von Herz- und Kopfenergie und dann entsteht Weisheit“ (Ch, 333). Grundlegend für unsere Existenz ist eine Identifikation. Wenn wir uns nicht mit etwas identifizieren, können wir nicht sagen, wer wir sind und was wir wollen. Diese Identifikation ist stark geprägt von unserer Kultur und der Art und Weise wie wir aufgezogen wurden. Aus buddhistischer Sicht besteht die Schwierigkeit unserer Kultur darin, dass sie sich so stark mit dem rationalen Denken identifiziert. Im Buddhismus wird das Denken als sechste Sinnesfunktion betrachtet, mit der Aufgabe, die äußeren Objekte als angenehm, unangenehm oder neutral zu erkennen und sie im Rahmen unserer Erfahrungen zu unterscheiden und einzuordnen. Je mehr wir vom Denken, von rationalen Gedankenkonstrukten dominiert sind, desto stärker leben wir in Vorstellungen. Unser „Selbst“ ist, genau genommen, eine Vorstellung von uns selbst, die letztlich bestimmt, welche Erfahrungen wir machen. „In Verbindung gehen“ bedeutet für die Befragten auch, ihre Identifikation mit dem „postmodernen Selbst“ zu erkennen und zu reflektieren. Dies bedeutet unter anderem auch zu erkennen, dass man nicht als isolierter Mensch existiert, sondern jederzeit in ein Geflecht von Beziehungen und Abhängigkeiten eingebunden ist. So formuliert Tara: „Oder ich fühle mich abgetrennt vom Rest der Welt. Ich mein, dass kann man denken, aber es stimmt natürlich nicht. Wenn ich immer auf dem Boden steh, ich bin immer von Eltern geboren, ich bin immer abhängig von allem, was ich zu mir nehme, von anderen Menschen, die diesen Tee geerntet haben und so weiter“ (Ta, 383ff). Die Befragten schildern, dass durch die Erkenntnis der Verbundenheit viele Veränderungen in ihnen stattfinden. Die Ergebnisse reichen von der Generierung von Selbstwirksamkeit, über die Entwicklung eines offenen und mitfühlenden Herzens, bis hin zu einem achtsamen Umgang mit sich und anderen im Arbeitsalltag. Wie zum Beispiel Lara, die durch das buddhistische Gebet erstaunliche Resultate erzielt: „Und wenn ich jetzt merke, oh, ich bin eigentlich, irgendwie bin ich unfähig, da jetzt hinzufahren, ich hab schlecht geschlafen, ich 160 muss da jetzt acht Stunden arbeiten, das ist körperliche Arbeit, vielleicht raucht er auch noch. Und ich muss aber dahin, hier Tara, Grüne Tara, sagt dir vielleicht was. Weiblicher Buddha, bringt schnelle Hilfe. Ich bete dann einfach, Ich sag, oh bitte, ich schaff das jetzt nicht, ich bin völlig fertig, ich weiß nicht, wie ich das überstehen soll, hilf mir, dass musst du jetzt machen, also eigentlich sehr naiv irgendwo. Also wenn ich das jetzt gerade so intellektuell mir betrachte, aber das wirkt, das wirkt, das wirkt“ (La, 177ff). „In Verbindung gehen“ ist als ein Prozess zu verstehen. Es ist eine bewusste Entscheidung, sich seiner Konditionierungen und Verhaltensweisen bewusst zu werden und über sie hinaus zu gehen. Diese Entscheidung muss dabei immer wieder neu getroffen und reflektiert werden. 161 7 Abschließende Gedanken Gesellschaftlich betrachtet leben wir in einer Zeit des massiven Wandels, der auch in der Arbeitswelt deutlich spürbar ist. Massenarbeitslosigkeit bei gleichzeitig steigender Arbeitsbelastung bei den verbliebenden Arbeitenden erzeugen in immer mehr Menschen ein massives Gefühl der Unzufriedenheit. Gleichzeitig erleben wir eine scheinbare Handlungsunfähigkeit der zuständigen Politiker und der verantwortlichen Unternehmen, die einen Teil der Verantwortung für die Entwicklung dieser Probleme tragen. Und auch viele der Bürger in den westlichen Gesellschaften sehen sich noch nicht in der Lage, die nötige Verantwortung zu übernehmen, die benötigt wird, um eine nachhaltige gesellschaftliche Veränderung zu erzielen. Eines scheint also klar zu sein: neue Werte sind gefragt. Doch wie können diese entwickelt und integriert werden? Und können sie überhaupt in dieser schnelllebigen und materiell-orientierten Leistungsgesellschaft integriert werden? Nach Sloterdijk (2009) herrscht angesichts des katastrophalen Zustands dieser Welt eine ungeheure Spannung in den Menschen. Denn wenn die moderne Zivilisation überleben möchte steht nichts weniger als eine absolute Änderung der Lebensweise des Homo Sapiens auf dem Programm. Doch wie kann diese absolute Änderung geschehen? Die Lösung liegt wohl darin, dass die Menschheit eine neue moralische Integrität entwickelt und ein Klima der Nachhaltigkeit schafft. Der Buddhismus kann bei dieser Entwicklung behilflich sein. Die wachsende Skepsis in der Gesellschaft gegenüber der Konsumgesellschaft, die Unzufriedenheit mit einer Lebensgestaltung, die als alleiniges Ziel den Besitz und Konsum von Dingen proklamiert, hat zu einem stillen Wertewandel eingesetzt (Schmithausen, 2005). Durch Frankl (1996) wissen wir, dass der Mensch einen tieferen Sinn im Leben braucht, um sich ganz und gesund zu fühlen und auch, um das Dasein zu bewältigen. In diesem Sinne wird mit dieser Arbeit versucht neue Wege zu bahnen und Ansätze dafür zu finden, wie der Einzelne den „großen Wandel“ mit gestalten kann. Da der Arbeitsplatz eine zentrale Rolle für das Wohlempfinden des Menschen in der westlichen Gesellschaft spielt, wurde versucht herauszufinden, welche zentralen Werte buddhistisch Praktizierende auf ihrem Arbeitsplatz verkörpern. Mit der Bestimmung der zentralen Kategorie wurde versucht darzustellen, welche zentrale Rolle es spielt, einen Kontakt mit sich selbst herzustellen und daraus resultierend in einen vertieften Kontakt mit anderen Menschen zu kommen. Aus buddhistischer Perspektive ist es dieses Gefühl des Getrenntsein von sich und den anderen, das für soviel Leid auf der Welt sorgt. Erst wenn wirklich verstanden wird, dass diese empfundene Isolation nur eine selbst 162 auferlegte Illusion ist, kann eine nachhaltige Veränderung stattfinden und eine Kultur des Miteinanders geschaffen werden. Meiner Meinung nach muss jedoch darauf geachtet werden, dass der Buddhismus nicht vom gierigen Entertainment Bedürfnis der westlichen Gesellschaft geschluckt wird und als oberflächlicher „New-Age-Wohlfühlbuddhismus“ verkommt. Nach Vogd (1999) stellt der Buddhismus ursprünglich ein universalistisches, sich auf alle Lebensbereiche beziehendes System dar. Ein ursprünglicher Buddhist in Asien war in einem umfassenden soziokulturellen Kontext eingebettet. Buddhist zu sein war also nicht etwas, dass nur partiell möglich war, es beeinflusste das ganze Leben und das ganze Umfeld. Ein ursprünglicher Buddhist praktiziert somit nicht nur für sich selbst, sondern auch für seine Gemeinschaft, die durch seine Praxis eine Stärkung erfährt, sei es durch sein ethisches Verhalten oder durch seine sich entwickelnde humanistische Weltsicht. In Japan stellt beispielsweise eine Meditation in der Mittagspause ein normales Verhalten dar und in Thailand ist ein mehrmonatiger Aufenthalt in einem Kloster ein normaler Bestandteil im Leben eines heranwachsenden Mannes. Nun kann man berechtigt einwenden, dass wesentliche Teile der westlichen Gesellschaft den Inhalten des Buddhismus antagonistisch gegenüberstehen, da zum Beispiel der kulturelle Untergrund einer sexualisierten und konsumverrückten Gesellschaft keinen geeigneten Nährboden bildet, in dem ein ethisches und mitfühlendes Verhalten kultiviert werden kann. Doch ich möchte anmerken, dass wir in einer besonderen Zeit leben. Immer mehr Menschen verspüren die Notwendigkeit eines drastischen Sinneswandels auf allen gesellschaftlichen Ebenen. Aus diesem Grund halte ich es für denkbar, dass in den nächsten Jahrzehnten ein vermehrtes Bedürfnis nach einer tiefgreifenden Veränderung geschieht. Meiner Meinung nach kann der Buddhismus dabei eine Orientierung geben, auf welchen Grundpfeilern eine solche Veränderung statt finden könnte. 163 8 Zusammenfassung Der Ausgangspunkt dieser Arbeit war es, zu untersuchen, wie praktizierende Buddhisten ihre buddhistische Praxis in den Berufsalltag integrieren. Da diese Frage bisher kaum wissenschaftlich untersucht worden ist, wurde im Rahmen einer explorativen Studie versucht herauszufinden, wie diese Integration buddhistischer Praxis in den Berufsalltag aussehen könnte. Begonnen wurde der Prozess mit sechs problemzentrierten Interviews, die die subjektive Sicht der Befragten wiedergeben sollten. Darauf aufbauend wurden die gewonnenen Daten mit der Methode der Grounded Theory ausgewertet. Im Verlauf dieser Auswertung wurde ein Kategorienschema herausgearbeitet, das die Phänomene dieses Integrationsprozess darstellt. An dieser Stelle wird jedoch kein Anspruch der Vollständigkeit, beziehungsweise der wissenschaftlichen Verallgemeinerung erhoben, da es im Rahmen dieser Arbeit vermutlich nicht möglich war, alle relevanten Phänomene zu berücksichtigen und zu erfassen. Zusammenfassend werden hier die wichtigsten Momente der Untersuchung wiedergegeben. ‣ Bei den Befragten entstand durch Krisen oder der Suche nach einem tieferen Sinn in ihrem Leben eine Bereitschaft, etwas in ihrem Leben verändern zu wollen. ‣ Unterstützt von gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, wie etwa dem Zeitgeist der 68er Jahre, näherten sich die Befragten dem Weltbild des Buddhismus an. ‣ Durch das individuelle Erleben der positiven Auswirkungen der buddhistischen Praxis, entwickelten die Interviewten ein großes Vertrauen in den Buddhismus. ‣ Darauf aufbauend nahmen alle Befragten Zuflucht zum Buddhismus, das heißt, sie begannen ernsthaft sich mit der buddhistischen Philosophie und Psychologie auseinanderzusetzen, sowie täglich zu praktizieren. ‣ Als zentrales Phänomen stellte sich heraus, dass alle Interviewten dem „In Verbindung gehen“ einen zentralen Stellenwert beimessen. Dies bedeutet, dass die Befragten sich mehr und mehr von einer materiellen und konsumorientierten Weltsicht abwenden und das Prinzip der gegenseitigen Abhängigkeit in ihr Leben integrieren. ‣ Die aus den Interviewpassagen gewonnenen Ergebnisse zeigen zudem, dass die Befragten viele Elemente ihrer buddhistischen Praxis in den Berufsalltag integrieren. So zeigt sich, dass die Interviewten eine ständige Bereitschaft zeigen, ihre Handlungen zu hinterfragen. Besonders wenn Emotionen wie Wut auftauchen, zeigen die Teilnehmer eine große Einsicht in das Entstehen dieser Emotionen, sowie der Handhabe derselben. 164 Auch betten sich die Interviewten in einen ethischen Kontext ein, das heißt, dass das ethische Handeln einen ganz zentralen Stellenwert in ihrem Denken und Handeln einnimmt. Zudem werden bei ganz konkreten Situationen innerhalb des Berufsalltages, buddhistische Techniken eingesetzt, die dazu führen, dass eine Verbesserung der individuellen wie auch kollektiven Situation eintritt. ‣ Die Teilnehmer erleben diese Integration buddhistischer Praxis in den Berufsalltag als eine Quelle der inneren Stärke, aus der sie schöpfen können. Sie sind auch vermehrt in der Lage, ein mitfühlendes Verhalten sich selbst und anderen gegenüber zu zeigen. Vermehrt zeigt sich, dass ein größerer Sinn für das Leben gefunden wird, der einher geht, mit einer konstanten Selbstreflexion. Diese Arbeit stellt einen erkundenden Schritt in die Thematik eines angewandten Buddhismus im Berufsalltag dar. Die Ergebnisse dieser Untersuchung ermutigen dazu, diese Erkundung fortzuführen, sowie bestimmte Einzelphänomene genauer zu untersuchen. Gerade da, wo bereits bestehende psychologische Konstrukte, wie zum Beispiel die Selbstwirksamkeit bestehen, lohnt es sich, einer tiefergehende empirische Forschung zu betreiben. 165 9 Qualitative Explorationsstudie von Danica Wetzky: Methodisches Vorgehen 9.1 Forschungsansatz Im Gegensatz zu Methoden der quantitativen Sozialforschung sind qualitative Methoden von einer offenen Vorgehensweise geprägt. Als Ziel der qualitativen Forschung kann man die Entdeckung neuer Phänomene und Hypothesen nennen, um daraus empirisch begründete Theorien zu entwickeln. In der qualitativen Forschung geht es nicht darum, im Vorfeld formulierte Hypothese zu überprüfen, sondern mit einer offenen Fragestellung an einen Forschungsgegenstand heran zu treten, mit der Absicht, dieses Phänomen unvoreingenommen kennen lernen und untersuchen zu wollen. Als Basis dient dabei die Erfassung der subjektiven Sicht der Untersuchten und gleichzeitig das Miteinbeziehen der Subjektivität des Forschenden. Der Forscher und seine Wahrnehmungen werden in der qualitativen Forschung nicht als Störvariablen, wie in der quantitativen Forschung gesehen, sondern können im Gegensatz dazu, eine wichtige Quelle der Erkenntnis darstellen (Flick, 2006). 9.2 Begründung der Methodenwahl Da zu meinem Forschungsthema bislang keine Untersuchungen bekannt sind, bietet sich eine explorative Studie an. Diese trägt nach Bortz (2002, S. 386) „durch besondere Darstellung und Aufarbeitung der Daten dazu bei, bislang vernachlässigte Phänomene, Wirkungszusammenhänge, Verläufe etc. erkennbar zu machen“. Dabei halte ich mich an die Aussage von Mayring (1995, S.33), der sagt: „Menschen denken, fühlen und handeln immer auch auf der Grundlage subjektiver Bedeutungen. die Psychologie kann an diesen subjektiven Sinnstrukturen nicht vorbei“. Ein wesentliches Merkmal qualitativer Forschung ist es ja, subjektive und soziale Bedeutungen zu berücksichtigen. Die Datenerhebung erfolgte mit Hilfe des Problemzentrierten Interviews nach Witzel (1989). Die Auswertung der Daten erfolgte gemäß dem Theoretischen Kodieren nach der Grounded Theory (Strauss & Corbin, 1996). 9.3 Datenerhebung: Das problemzentrierte Interview Für meine Fragestellung, „wie integrieren Berufstätige ihre buddhistische Praxis in ihren Berufsalltag“, ist das Problemzentrierte Interview (PZI) zur Erfassung individueller Daten meiner Meinung nach ein gut geeignetes Instrument. Das „problemzentrierte Interview“ (PZI) bietet sich an, da sich die Zusammenhänge zwischen der subjektiven Erfahrung und der 166 Integration buddhistischer Praxis in das Berufsleben beispielsweise durch Beobachtungsverfahren kaum erfassen lassen. Jedoch ist durch ein problemfokussiertes Interview eine gute Datengewinnung gewährleistet. Das Problemzentrierte Interview beginnt in der Regel mit einem einleitenden Gespräch, in dem der Rahmen des Interviews besprochen wird. Anschließend wird in einer allgemeinen Sondierung dem Befragten Raum gegeben in seiner Art und Weise zu berichten. Dabei wird er durchaus aufgefordert, seine Erzählung durch Beispiele zu ergänzen. In der Phase der spezifischen Sondierung gibt es dann die Möglichkeit der aktiven Verständnisgenerierung, indem Aussagen des Befragten widergespiegelt werden oder Verständnisfragen gestellt werden. Abschließend können dann direkt noch Fragen zu ausgelassenen Bereichen gestellt werden. Dabei wurden vier Instrumente eingesetzt: der Kurzfragebogen, die Tonträgeraufzeichnung, der Leitfaden und die Postskripte (vgl. Witzel (1989). Der Kurzfragebogen wird dabei vor dem eigentlichen Interview ausgefüllt und dient der Erhebung soziodemographischer Daten. Er dient auch dazu, in Ruhe in das Interview zu kommen und sich gegenseitig kennen lernen zu können. Der Leitfaden wurde gemäß der Prinzipien der „theoretischen Sensibilität“ entwickelt. Dies bedeutet, dass die Fragen auf der Basis meines bereits erworbenen Vorwissens und meiner langjährigen eigenen buddhistischen Praxis entwickelt wurden. Nach Strauss und Corbin (1996, S. 25) wird die theoretische Sensibilität definiert als eine „Fähigkeit des Forschers, nämlich Bewusstsein für die Feinheiten in der Bedeutung der Daten. Fähigkeit, Einsichten zu haben, den Daten Bedeutung zu verleihen, Fähigkeit, zu verstehen und das Wichtige vom Unwichtigen zu trennen.“ Die Tonbandaufzeichnung, beziehungsweise das mp3 Recording ist dazu da, damit sich der Forscher vollständig auf das Interview konzentrieren kann, ohne dabei die Befürchtung zu haben, dass es ihm nicht gelingt, wichtige Interviewpassagen zu notieren. Dazu kamen noch die Kontextprotokolle, die nach jedem Interview geschrieben wurden, um die persönlichen Eindrücken und Gedanken festzuhalten, da diese eventuell bei der Auswertung einen bedeutsamen Hinweis geben konnte. Nach Witzel (1989) gibt es drei grundlegende Positionen des Problemzentrierten Interviews: 1. Problemzentrierung 2. Gegenstandsorientierung 3. Prozessorientierung 167 Die Problemzentrierung bezeichnet die Ausrichtung an einer gesellschaftlich relevanten Problemstellung. Das heißt, im Interview soll das zu untersuchende Problem aus der subjektiven Sicht des Interviewpartners erfasst werden. In diesem Fall handelt es sich dabei um die Integration buddhistischer Praxis in den Berufsalltag einer Führungskraft. Eine Gegenstandsorientierung bedeutet, dass das Problemzentrierte Interview methodisch flexibel ist und dem Forschungsgegenstand entsprechend angepasst werden soll. In meinem Fall bat ich meine Interviewpartner vor dem Interview einen Kurzfragebogen auszufüllen, in dem ich das Alter, die berufliche Qualifikation und die buddhistische Ausrichtung erfassen konnte. Die Prozessorientierung beinhaltet die Analyse des wissenschaftlichen Problemfeldes. Dabei wird die Erhebung und Auswertung der Daten als ein aufeinander bezogener Prozess verstanden. Vor dem eigentlichen Interview wurde mit dem Befragten ein Datenschutzvertrag geschlossen, der im Anhang beigefügt ist. Die Transkription wurde vollständig von mir durchgeführt. Sie erfolgte nach den Transkriptionsempfehlungen von Legewie und PaetzoldTeske (1996). Jedoch wurden die im Ergebnisteil verwendeten Zitate ohne längere Pausen und ohne Füllsilben wie „ähm“ dargestellt, um einen besseren Lesefluss zu gewährleisten. 9.4 Datenauswertung nach der Grounded Theory Die Methodik der Grounded Theory nach Strauss und Corbin (1996) eignet sich sehr gut zur Bearbeitung von Forschungsprozessen, in denen die subjektiven Sichtweisen des Menschen und ihre Interaktionsprozesse in verschiedenen Kontexten untersucht werden (Schäfer, 1995). Es ist dabei das Ziel, „auf der Basis empirischer Forschung in einem bestimmten Gegenstandsbereich eine dafür geltende Theorie zu formulieren, die aus vernetzten Konzepten besteht und geeignet ist, eine Beschreibung und Erklärung der untersuchten sozialen Phänomene zu liefern“ (Böhm, 2007, S. 476). Strauss & Corbin (1996) führen aus, dass es dabei wichtig ist, neben fundierten Kenntnissen und Wissen über den zu untersuchenden Gegenstandsbereich auch über die Bereitschaft zu verfügen, dem zu untersuchenden Phänomen in einem offenen und induktiven Vorgehen zu begegnen. In meinem Fall lagen die Quellen für das fundierte Wissen zum einen in einer intensiven und auch praktischen Auseinandersetzung mit dem Buddhismus, das heißt, ich nahm regelmäßig an Meditationskursen teil und suchte den Austausch mit buddhistisch Praktizierenden. Flick 168 (2002) betont in diesem Zusammenhang, dass innerhalb der qualitativen Forschung eine reflektierte Subjektivität als Bestandteil des Forschungsprozesses anzusehen ist und somit als legitime Informationsquelle gilt. Zum anderen sicherte ich mir das fundierte Wissen durch eine intensive Auseinandersetzung mit der Forschungsliteratur zu den Thematiken des Buddhismus und den Führungstheorien. Auch wenn aus zeitlichen Gründen im Rahmen dieser Diplomarbeit nicht der Anspruch erhoben wurde, eine gegenstandsverankerte Theorie zu entwickeln, so denke ich doch, dass der Versuch unternommen wurde aus den mir vorliegenden Daten die subjektive Sichtweisen der Befragten zu erfassen, dafür entsprechende Kategorien entwickelt und diese miteinander in Beziehung gesetzt zu haben. Offenes Kodieren In einem ersten Schritt werden die transkribierten Interviews „aufgebrochen“, das heißt, es geht hier um das finden von bedeutsamen Textpassagen, die dann jeweils einem Überbegriff zugeordnet werden. Auf diese Weise werden die sogenannten Kodes entwickelt, die letztendlich zu theoretischen Konzepten in Bezug auf die in den Interviews gefundenen Phänomene führen (Strauss & Corbin, 1996). Folgende Fragen helfen dabei, die Kodes zu entwickeln: „Was? Worum geht es hier? Welches Phänomen wird angesprochen? Wer? Welche Personen, Akteure sind beteiligt? Welche Rollen spielen sie dabei? Wie interagieren sie? Wie? Welche Aspekte des Phänomens werden angesprochen (oder nicht angesprochen)? Wann? Wie lange? Wo? Zeit, Verlauf und Ort Warum? Welche Begründungen werden gegeben oder lassen sich erschließen? Wozu? In welcher Absicht, zu welchem Zweck? Womit? Mittel, Taktiken und Strategien zum Erreichen des Ziels.“ (Böhm 2007, S.477-478, zitiert nach Flick 2002, S.264). Axiales Kodieren Anschließend werden die gefundenen Kodes miteinander verglichen und in verschiedenen Gruppen zusammen gestellt. Dabei bilden sich Kategorien, die in einem weiteren Prozess zu Achsenkategorien verfeinert werden, die miteinander in Beziehung stehen. Dabei steht eine Kategorie als zentrales Phänomen des Forschungsprozesses im Mittelpunkt der Untersuchung. Die anderen Achsenkategorien werden mit dieser zentralen Kategorie verknüpft, so dass die 169 Beziehungen unter den verschiedenen Kategorien sichtbar werden. Hierbei empfiehlt sich das Kodierparadigma von Strauss & Corbin (1996). Dieses untersucht: • die ursächlichen Bedingungen, die zum Auftreten des zentralen Phänomens führen, • das zentrale Phänomen selbst, • den Kontext, • die intervenierenden Variablen, • die Handlungs- und interaktionale Strategien sowie • die Konsequenzen oder Effekte von den Handlungen und Interaktionen Selektives Kodieren Anschließend wird das axiale Kodieren auf einer abstrakteren Ebene der Analyse durchgeführt. Es geht letztendlich darum eine kohärente Grounded Theory zu entwickeln. Nach Herman & Schürmann (2000) ist dieses Ziel im Rahmen einer Diplomarbeit nicht zu erreichen. Das zu erreichende ziel dieser Diplomarbeit ist es daher, eine potentielle Kernkategorie zu erforschen und diese in Beziehung zu anderen bedeutsamen Kategorien zu setzen. Theoretical Sampling Beim Sampling oder der Stichprobengewinnung geht es darum, geeignete Interviewpartner auszuwählen. Dies geschieht in der vorliegenden Arbeit durch ein induktives Verfahren der Stichprobenziehung, die vor allem im Rahmen der Grounded Theory verwendet wird. Zu Beginn der Untersuchung ist noch nicht exakt festgelegt, welche Personen untersucht werden. die Befragung beginnt mit einer Person, die aufgrund des derzeitigen Theoriestandes ausgewählt wurde. Anschließend werden die gewonnenen Informationen interpretiert und gegebenenfalls zu theoretischen Annahmen verdichtet. Nun wird auf dieser Basis entschieden, welche weiteren Personen interviewt werden sollen. Abgeschlossen ist die Stichprobenerhebung, wenn weitere Interviews keine Maximierung der Befunde erwarten lassen. Dieses Vorgehen wird theoretical Sampling genannt (Strauss & Corbin, 1996). Im Rahmen einer Diplomarbeit ist dieser Anspruch aus zeitlichen Gründen jedoch nur schwer zu erreichen. 170 9.5 Gütekriterien qualitativer Forschung Damit die Qualität der Untersuchung gewährleistet bleibt, ist es wichtig, einige Gütekriterien zu beachten. Zum einen geht es um die Objektivität, also der genauen Beschreibung des methodischen Vorgehens, so dass es möglich ist, diese Untersuchung nach zu vollziehen und gegebenenfalls zu wiederholen. Zum anderen ist die Validität bedeutsam, die durch eine Überprüfung der Interviewqualität überprüft werden kann. Allgemein lässt sich sagen, dass qualitative Forschung den Kriterien quantitativer Forschung nicht entsprechen kann und soll. Nach Steinke (2007) müssen die Untersuchungsergebnisse intersubjektiv nachvollziehbar sein. Das bedeutet, dass der Forschungsprozess dokumentiert werden muss, die Ergebnisse des Prozesses müssen in Gruppen diskutiert werden und kodifizierte Verfahren müssen angewendet werden. Damit die Untersuchungsergebnisse der vorliegenden Arbeit intersubjektiv nachvollziehbar sind, wurden folgende Punkte beobachtet: In Kapitel 3 wurde das theoretische Vorwissen dargelegt, in diesem Kapitel werden die Methoden der Datenerhebung und der Interviewsituation dargestellt und im Anhang befindet sich das dazu gehörige Datenmaterial. Des weiteren werden in diesem Kapitel die Methoden, nach denen das Datenmaterial ausgewertet wird, beschrieben, sowie die Gütekriterien qualitativer Forschung vorgestellt. Die Ergebnisse des Forschungsprozess wurden mit anderen Diplomanden kritisch diskutiert. Das kodifizierte Auswahlverfahren, das für diese Arbeit verwendet wurde, ist die Auswertung nach der Grounded Theory nach Glaser und Strauss (1996). Die Indikation der Forschung ist nach Steinke (2007) ein weiteres Gütekriterium qualitativer Forschung. Die qualitative Methode ist für diese Forschungsarbeit angemessen, da es darum ging, einen detaillierter Einblick in die subjektiven Sichtweisen der buddhistisch Praktizierenden zu erhalten. Das problemzentrierte Interview erwies sich daher als geeignete Methode, da dadurch die persönlichen Sichtweisen der Befragten deutlich zum Vorschein kommen konnte und den Befragten dabei zum Experten seines subjektiven Erlebens machte. Das Gütekriterium der empirischen Verankerung der Daten wurde gewährleistet, indem die herausgearbeiteten Ergebnisse aus den Interviewdaten hergeleitet worden sind. Dabei wurden die Ergebnisse, die aus den Interviews gewonnen wurden, durch Zitate belegt. Um die Zitate nicht zu sehr aus einem größeren Sinnzusammenhang zu reißen, habe ich mich dazu entschlossen, größere Passagen zu zitieren. Das Gütekriterium der reflektierten Subjektivität wurde gewährleistet, indem ich den Prozess der Auswertung in Memos und Eintragungen in ein Forschungstagebuch dokumentiert habe. 171 Natürlich bestand die Gefahr, dass ich mich zu sehr mit den Aussagen der Befragten zu sehr identifizieren konnte, da ich selbst buddhistisch praktiziere. Da ich jedoch dem Thema „Führung“ jedoch eher kritisch gegenüberstehe denke ich, dass ich dadurch die notwendige Distanz wahren konnte. 9.6 Feldzugang und Auswahl der Interviewteilnehmer Im Rahmen dieser Arbeit führte ich sechs Interviews mit buddhistisch Praktizierenden, die zudem Führungsverantwortung innerhalb eines beruflichen Kontextes trugen. Vier der sechs Teilnehmer ermittelte ich durch eine Internetrecherche. Zwei der Teilnehmer konnten über eine persönliche Empfehlung gewonnen werden. Als Kriterium für die Auswahl der Teilnehmer diente die tägliche Ausübung buddhistischer Praxis seit mindestens 5 Jahren, sowie praktische Erfahrung als Führungskraft. 172 10 Ergebnisdarstellung Danica Wetzky Im Folgenden werden zunächst die Interviewpartner vorgestellt. Dabei beruhen alle Informationen auf den Kurzfragebogen, den in den Interviews vermittelten Informationen, sowie den Postskripten. Die im Text genannten Deutungen und Erklärungen entsprechen denen der Interviewpartner und sind rein deskriptiv und ohne Interpretationen von Seiten des Verfassers. Anschließend folgt die graphische Darstellung der ermittelten Kategorien, sowie die Ergebnisdarstellung und Diskussion dieser Untersuchung. Alle Namen, auch von Städten oder Organisationen werden anonymisiert wieder gegeben. 10.1 Vorstellung der Interviewpartner Martin Martin wurde 1960 geboren, ist Vater eines erwachsenen Sohnes und lebt mit seiner Frau in Frankfurt. Er wurde christlich erzogen, wandte sich aber 1971 vom Christentum ab und hatte anschließend eine „spirituelle Pause“ bis 1998. Martin war wegen persönlicher Erfahrungen enttäuscht von der Kirche, außerdem gab ihm das Gebet nichts mehr. Martin suchte nach spirituelle Techniken, mit der an seinem Bewusstsein arbeiten konnte, die er dann auch fand zum Beispiel in Form von automentalem Training und geistigen Übungen. 1985-2001 verbrachte er in verschiedenen Führungspositionen in der IT Branche. Innerhalb seiner Führungspositionen etabliert er in dieser Zeit moderne Formen der Unternehmens- und der Teamentwicklung. In einer Führungsposition zu sein übte früher eine große Faszination auf Martin aus: „Boah, ich bin Vorstand, erste Führungsebene, und ich habe zwei Sekretärinnen, und zig Mitarbeiter... und überhaupt dieses Gefühl: Ich darf mitspielen und an den großen Hebeln sitzen, das hat dann ne absolute Faszination auch“ (Ma, 680). Das hat sich aber mittlerweile völlig geändert: „Und das ist völlig weggegangen, von diesen motivierenden Elementen ist so gut wie nichts mehr da... ich weiß nicht, aber da ist überhaupt keine Leidenschaft mehr.“ Stattdessen hat ein neues Gefühl Einzug gehalten: „Teil des Veränderungsprozesses zu sein. Da hat ne Entwicklung stattgefunden... ich bin Teil eines Veränderungsprozesses“ (Ma, 684). Seit 2001 arbeitet er als Exekutive Coach mit Menschen in Führungspositionen. Er ist Mitbegründer und Geschäftsführer eines Unternehmens, in dem Coaches ausgebildet werden. Im Jahre 2008 gründete er schließlich eine Akademie, die Führungskräfte ausbildet. Hier lebt er seine Vision Teil eines Veränderungsprozesses zu sein und mithilfe dieser Akademie zu 173 einer „guten und wirksamen“ Führungskultur in Deutschland einen Teil beizutragen. Außerdem hält Martin Vorträge und publiziert zum Thema Coaching, Weisheit und Führung. Seit 2004 praktiziert er mit gleichbleibender hoher Intensität und bindet dabei seine Spiritualität mehrmals täglich in seinen Tagesablauf mit ein. Er nutzt dazu verschiedene Formen der Meditation, wie Sitz,- Gehmeditationen und Kin Hin. 3-4 Mal im Jahr meditiert er in der Gruppe und in regelmäßigen Abständen nutzt er auch Retreaterfahrungen. Die Meditation in einer Gruppe gibt ihm immer wieder neuen Antrieb seine eigene Praxis zu vertiefen. Seit kurzem versucht er sich im Kyudo Zen, eine Form des japanisches Bogenschießens. Seit 2001 praktiziert Martin eine Form des „intensiven, spirituellen Lesens“. Dabei beeinflussen ihn Werke von Meister Eckart, Krishnamurti, den Upanishaden, oder das Tao Teh King. Martin versucht diese Erkenntnisse in sein Leben einfließen zu lassen, indem er über die gelesenen Texte in der Meditation kontempliert. Er empfindet dadurch einen Kontakt mit dem Geist des Verfassers. Er schreibt während er die Bücher liest, und empfindet das als sehr Co- kreativen Prozess. Martin integriert auch Formen der Achtsamkeit in sein Unternehmen. Er und seine Mitarbeiter nutzen die Möglichkeit mit dem Schlagen eines Gongs zurück zur Achtsamkeit zu kehren. Er schafft zudem für seine Mitarbeiter Rückzugsräume und animiert sie, meditative Pausen zu nehmen, sich zurückzuziehen und zu meditieren oder zu kontemplieren. Auch versucht Martin die Praktiken, die er als hilfreich empfindet bei seinen Mitarbeitern anzuwenden und bekommt dafür überwiegend positives Feedback. Sebastian Sebastian wurde 1945 geboren und ist Initiator eines buddhistischen Netzwerks und Mitbegründer und Vorsitzender einer buddhistischen Vereinigung. Er arbeitet als Autor, Übersetzer und Referent zu buddhistischen Themen beteiligt sich intensiv am interreligiösen und interkulturellen Dialog. Er beschäftigt sich seit 1962 mit der Lehre und Praxis des Buddha. Auf seinen Reisen durch Asien besuchte er Klöster und Meditationszentren aller Linien und hatte verschiedene buddhistische Lehrer. Sebastian wuchs in einer stark katholisch geprägten Familie an der Schweizer Grenze auf. Die Leidenschaft seines Vaters für Berge und Bergsteigen, insbesondere das Himalaya Gebirge, hatte zur Folge, dass viele Bücher die diese Themen berührten in der hauseigenen Bibliothek 174 vorhanden waren. Über diese Literatur über das Himalayagebirge, Tibet, Indien und China erschloss sich ihm der Buddhismus. Mit 16 verkündete er zu Hause, „ich bin Buddhist“ und blieb es seit dem. Sebastians Form der buddhistischen Praxis entwickelte sich, in dem er über die Jahre verschiedene Richtungen ausprobierte. Er stellt rückblickend fest, dass er buddhistische Menschen zunächst idealisiert hat und es eine ganze Weile gedauert hat, bis er gemerkt hat, dass Buddhisten auch nur Menschen sind. Eine Weile interessierte sich Sebastian für den Zen Buddhismus, besonders die künstlerischen Aspekte, wie die Malerei und die Dichtung faszinierten ihn, aber auch die Architektur des Zen begeisterte und prägte ihn, weil sich dadurch sein Wunsch formte, Architektur zu studieren. Als er jedoch feststellte, dass auf dem Markt kein Bedarf für zengeprägte Architektur bestand, wechselte er in den Umweltbereich, der ihm ebenfalls schon lange ein Anliegen war, auch geprägt durch seinen Vater, den er als einen Vorreiter für ökologisches Bewusstsein sieht. Sebastian war lange Zeit Schüler von Thich Nhat Han und 1989 Mitbegründer des Netzwerkes engagierter Buddhisten, welches in Thailand gegründet wurde. In dieser Zeit bekam er Kontakt zu den Ländern des Theravada Buddhismus wie Thailand, Laos, Burma oder Sri Lanka. Dort fing er an sich für den Theravada Buddhismus zu interessieren. Diesen studiert er seit dem und hält auch viele Vorträge dazu und verfasst Artikel für buddhistische Zeitschriften. Mittlerweile hat er sich aus dem politischen, ökologischen, humanitären Engagement etwas zurückgezogen. Sebastian legt er heute seinen Schwerpunkt auf die berufliche Tätigkeit im Umweltbereich. Sebastian praktiziert seit 14 Jahren die Vipassanameditation. Diese tägliche Praxis hat ihn verändert und bringt ihm Ruhe und Gelassenheit, es hilft ihm, den Stress des Tages loszulassen. Auch die Retreats, die er jährlich besucht prägen ihn, er verbringt jährlich 14 Tage in einem Seminarhaus und praktiziert Sitzmeditationen, Gehmeditationen und Achtsamkeitsübungen. Dadurch, dass Sebastian ein beschäftigtes Leben führt und viel reist, hat er es sich angewöhnt auch zwischendurch zu praktizieren. Gehmeditationen, während er auf einen Zug wartet oder Atemmeditationen im Zug helfen ihm, Stress loszulassen und zur Ruhe zu kommen. Am Meisten prägt ihn innerhalb des Buddhismus der kritische Geist und die Nachhaltigkeit. Sich bewusst zu sein, bei dem was man tut und die Auswirkungen seines eigenen Handelns zu sehen, sind für ihn zentrale Pfeiler der buddhistischen Lehre. 175 Tim Tim wurde 1967 geboren und lebt derzeit mit seiner Frau und seinem Sohn in Berlin. Tim durchlief zunächst einen klassischen Karriereweg Er studierte Betriebswirtschaft an der Wirtschaftsakademie Hamburg sowie an der Universität St. Gallen und ist Doktor der Sozialwissenschaften. Er führte ein erfolgreiches Leben, hatte einen gut bezahlten Job in einer angesehenen Firma im Bereich der Unternehmensberatung und alles was er anpackte war von Erfolg gekrönt. Mit dem Buddhismus kam er 1999 durch eine persönliche Sinnkrise in Berührung. Durch eine Reportage über spirituelle Führer wurde er auf den vietnamesischen Zen Lehrer und Friedensaktivisten Thich Nhat Han aufmerksam. In dieser Reportage war auch die spirituelle Gemeinschaft um Thich Nhat Hanh, der sogenannte Sangha, zu sehen. Tim fühlte sich durch diese Reportage sehr berührt, denn der Sangha verkörperte etwas so Authentisches und Wahres, was er bis dahin in seinem Leben vermisste. Ihm mangelte es materiell an nichts und dennoch gab es da ein Gefühl innerer Leere, was ihm durch diesen Film bewusst wurde. In der darauffolgenden Zeit las er zunächst einige Bücher von Thich Nhat Han und verbrachte dann insgesamt zwei Jahre in Plum Village. 2002 wurde er in einem internationalen Zen Orden ordiniert. Mittlerweile ist Tim tätig als Dharmalehrer, Trainer, Meditationslehrer und Lehrbeauftragter an Berufsschulen und Universitäten, außerdem ist er Coach und führt Einzelberatungen durch. Er hält Vorträge und Seminare für Führungskräfte zum Thema Buddhismus und Coaching. Tim bringt als Autor in seinen Werken einerseits seine achtsame Weltanschauung zum Ausdruck und prüft andererseits verschiedene Möglichkeiten, sie in die Wirtschaft zu integrieren. Er bietet Achtsamkeitstage in Unternehmen an und initiierte ein buddhistisches Netzwerk. Er praktiziert täglich verschiedene buddhistischen Methoden die seiner Tradition entstammen, wie beispielsweise Sitzmeditationen, Gehmeditationen oder Tiefenentspannung. In seiner Tradition ist es üblich die Meditation nicht als eine Insel im Alltag zu sehen, sondern permanent zu praktizieren, in dem man versucht ständig achtsam zu sein in Gedanken, Worten und Taten. Tim streut in seinen Alltag bewusst Phasen der Muße ein, in denen er keine „ToDo-Listen“ abarbeitet. Er singt bestimmte buddhistische Lieder und rezitiert die Achtsamkeitsübungen. Tim versucht auch im Alltag mit verschiedenen Möglichkeiten Momente zu integrieren, in denen er innehält und versucht achtsam im gegenwärtigen Moment zu sein. 176 Das Thema Führung beschäftigt ihn, weil er die Einflussmöglichkeiten eines guten Leaders sieht. Er möchte deshalb Zugang zu Menschen haben, die anderen etwas vermitteln, weil es manchmal nur eine gute Führungskraft braucht, um hunderte von Mitarbeitern positiv zu beeinflussen. Sein Publikum in den Seminaren besteht häufig aus Unternehmern und Führungskräften, die eine Sinnkrise haben oder unter einem Burn Out leiden. Diese Menschen ermöglicht Tim dann durch eine Achtsamkeitspraxis das Ausmaß ihres persönlichen Leidens zu erkennen und darauf aufbauend Wege aus ihrer Krise zu finden. Führung ist für Tim Führung auf ein Ziel hin. Gute Führung zeichnet sich demnach aus, wenn den Führenden ihr eigenes Ziel und die Zielqualität klar ist. Das Ziel muss dabei kritisch überprüft werden. Dabei geht es Tim nicht so sehr um die Frage was eine Führungsperson auszeichnet, sondern was eine weise Person auszeichnet, die in der Regel ja viele Menschen führt, aber auf andere Art und Weise. Diese Art von Führungsperson kann in Kontakt bleiben mit anderen, verbunden bleiben, auch wenn sie gegenteilige Auffassungen in verschiedenen Situationen haben. Einer guten Führungsperson geht es um die Sache, nicht um die eigene Karriere. Hanna Hanna wurde 1969 geboren und lebt mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern in Berlin. Sie hat in ihrer Funktion als Diplom- Psychologin und Diplom-Musiktherapeutin bis 2005 im stationären und ambulanten Bereich eine therapeutische Tätigkeit ausgeübt. 2007 hat sie eine Coachausbildung absolviert und arbeitet seither freiberuflich als Coach. Sie ist Gründungsmitglied und Ausbildungsleiterin eines Bildungsunternehmens für Führungskräfte aus Wirtschaft und Politik und Lehrbeauftragte für klinische Psychologie. Nach ihrem Studium und einer abgeschlossenen Therapieausbildung, beschloss sie, dass sie die emotionalen Hochs und Tiefs ihres Lebens beenden möchte. Sie verspürte eine starke Motivation mehr Stabilität in ihr Leben zu bringen. Innerhalb dieses Prozesses entdeckte sie den Buddhismus und fing an, ihn intensiv zu praktizieren. Eine wesentliche Erkenntnis aus dieser Zeit war es, dass sie gemerkt hatte, dass es nicht nur darum geht aus dem eigenen Leid herauszukommen, sondern auch einen dauerhaften Zugang zu dem eigentlichen inneren Potential zu bekommen. 177 Hanna gibt an, dass sie mit der Zeit ihrem Wunsch nach einer emotionalen Stabilität deutlich näher gekommen ist. Auch wenn es noch immer gewisse Hoch und Tiefs gibt in ihrem Leben, fühlt sie sich deutlich sicherer und stabiler als vor Beginn ihrer buddhistischen Praxis. Der Buddhismus strahlt auch in andere Bereiche ihres Lebens aus. So arbeitet sie nun als ressourcenorientierter Coach, was für sie eine wichtige Bereicherung ihres Lebens darstellt, vor allem wenn sie dies mit der leidvollen Schwere der therapeutischen Arbeit vergleicht. Auch ihr Beziehungsleben hat sich durch die buddhistische Praxis verändert. Sie lebt mit ihrem Mann, der auch Buddhist ist, eine Beziehung in der sie sich gegenseitig nach unterstützen und fördern. Auch bei der Begleitung ihrer Kinder hat Hanna das Gefühl dass die buddhistische Praxis sie verändert und die Beziehung erleichtert. Hanna lernt dabei gerade ihre Sicht zu verändern, zum Beispiel, dass sie durch ihre Kinder in der beruflichen und persönlichen Entwicklung nicht aufgehalten wird, sondern das diese ganz im Gegenteil ihr „Königsweg“ sind, um sich zu entwickeln, um Geduld zu lernen und ihre ganzen anderen Störgefühle mikroskopisch jeden Tag unter der Lupe betrachten zu können. Wenn Hanna das Gefühl hat, nicht weiter zu kommen und durch die Kinder aufgehalten zu werden im Leben, macht sie sich immer wieder bewusst, dass das letztendlich nur egozentrierte Gedanken sind. Hannas Arbeit zeichnet sich durch den „ Bodhisattva“ Aspekt aus, dem Wunsch also, dass das, was sie tut zum Wohle aller Menschen sein möge. Wenn sie also zum Beispiel ein Seminar leitet, geht sie vorher in sich und wünscht sich, dass das was sie nun machen wird zum Besten aller Anwesenden geschieht. Es geht ihr nicht mehr länger um ihren kleinen persönlichen Erfolg, da durch die buddhistische Praxis ihre Perspektive weiter geworden ist. Konkret sieht das so aus, dass sie versucht, sich dauerhaft bewusst zu machen, aus welcher Motivation heraus sie handelt, also ob es mehr persönliche oder überpersönliche Interessen sind, die ihr Handeln bestimmen. Sie sieht den größten Unterschied zwischen einer praktizierenden und einer nichtpraktizierenden darin, dass eine buddhistische Führungskraft immer wieder inne hält und versucht einen inneren wie äußeren Abstand zu den Phänomenen zu bekommen. Dadurch kann eine Führungsperson feststellen, dass das, was sie im Äußeren wahrnimmt nicht die absolute Wahrheit ist, sondern oftmals nur Spiegelungen der eigenen, konditionierten Sichtweise. 178 Alexander Alexander ist 40 Jahre alt, lebt mit seiner Frau in Frankfurt und ist Geschäftsführer eines kleinen Unternehmens. Alexander ist Diplom Psychologe und hat zudem einen Magister in Sozialwissenschaften und in Religionswissenschaften. Er arbeitet als systemischer Organisationsberater, Trainer und Coach in einem mittelständischen Unternehmen. Alexander ist seit 23 Jahren Buddhist und zudem erster Vorsitzender einer Zen Schule in Deutschland. Er wurde zum Zen Meister ernannt und erhielt damit eine Lehrerlaubnis. Alexander fühlte sich zunächst dem tibetischen Buddhismus nahe und wechselte dann zum koreanischen Zen, den er nun seit 19 Jahren ausübt. Er praktiziert täglich morgens eine Stunde lang in Form von Sitzmeditation, Niederwerfungen und Yoga. Seine Meditationszeit nutz er, um immer wieder am „wahren Selbst“ anzudocken, um immer wieder zu spüren, dass er nicht seine Gedanken und Gefühle ist. Das „wahre Selbst“ befindet sich für Alexander in der Stille, die hinter den eigenen Gedanken und Gefühlen steht. Wenn er aus Zeitgründen auf das volle Programm verzichten muss, macht er zumindest die Bewegungsmeditation morgens und besucht ein oder zwei Mal die Woche ein Zen Zentrum, in dem er auch Lehrer ist. Alexander kam durch persönliche Leidenserfahrungen zum Buddhismus. Seine Mutter starb, als er 18 Jahre alt war und diese Tatsache löste bei ihm einen tiefen Schmerz aus, den er nur schwer aushalten konnte. Im Rahmen des Zivildienstes lernte er einen evangelisch christlichen Pfarrer kennen, der ihn in die Meditation einwies. Dies stellte für ihn angesichts des tiefen Schmerzes den er fühlte, eine große Hilfe dar. Er studierte anschließend vermehrt buddhistische Lektüre und beschloss nach Indien zu gehen, wo ihm der tibetische Buddhismus begegnete. Als er diese Richtung einige Jahre praktizierte erlebte er einen Zen Vortrag und wurde daraufhin Zen Buddhist. Alexander hat sich gleich nach Beendigung des Studiums selbständig gemacht und arbeitet seitdem als Geschäftsführer, Unternehmensberater und Coach. Er bietet kein explizit buddhistisches Coaching an, aber vermittelt viele buddhistische Werte, ohne sie so zu nennen. Ein wichtiges Prinzip in seiner Arbeit ist das buddhistische Konzept des Karma. Innerhalb des Coachings findet er andere Begriffe, die den Klienten schneller einleuchten, weil sie ihnen vertrauter sind. Er beschreibt das karmische Prinzip beispielsweise mit „wie es in den Wald hinein ruft, so schallt es hinaus.“ Dieser alte Spruch unseres Kulturkreises ist leichter nachvollziehbar für seine Klienten. Wenn man das Konzept des Karma versteht, kann es 179 helfen, nachhaltige Entscheidungen zu fällen und es kann auch die Art beeinflussen, wie man sich anderen Menschen gegenüber verhält. Alexander zieht oft die Erkenntnisse der Neuropsychologie heran, die feststellen wie prägend unsere Gedanken auf unsere Umwelt sind. Somit kann er auch einen wissenschaftlichen Weg nutzen, um buddhistische Sichtweisen zu vermitteln, ohne buddhistische Begriffe zu gebrauchen. Es geht ihm in seiner Arbeit darum, seinen Klienten zu helfen eigene Werte zu entdecken und nicht Werte zu leben, die ihnen vielleicht vermittelt worden sind, die aber nicht ihren eigenen Werten entsprechen. Im beruflichen Kontext wendet er verschiedene Techniken des Buddhismus an. Er nutzt mit seinen Teilnehmern die Erfahrungen der Stille und versucht mit ihnen nur wahrzunehmen und nicht zu bewerten, damit die Gedanken zur Ruhe kommen. Ihm ist es nicht wichtig als Buddhist wahrgenommen zu werden, wichtig ist ihm nur, dass die Kunden wertvolle Hilfe bekommen und das Gefühl haben, er und seine Arbeit sind hilfreich und wirksam. Die Werte, die er lebt, decken sich mit den Werten, die der Buddhismus verkörpert, daher steht auf seiner Homepage seine Religionszugehörigkeit, aber ihm ist es nicht wichtig zu missionieren. Stefan Stefan ist 51 Jahre alt und arbeitet als Unternehmensentwickler und Berater. Durch eine Lebenskrise mit Anfang Zwanzig entdeckte er den Buddhismus. Stefan beschreibt, wie er dabei eine Welt entdeckte, die ein Stück weit normaler schien, als die konsumorientierte westliche Welt. Für Stefan ist der Buddhismus keine Religion, sondern stellt eine pragmatische Möglichkeit dar, sich und anderen zu helfen. Für Stefan spielen die momentan Zustände in dieser Welt eine große Rolle. Die wachsende Armut in der Welt sieht er als unnötig an, da genügend Ressourcen vorhanden wären, um jeden Menschen ein humanistisches Leben zu ermöglichen. Buddhismus und Führung passen für Stefan gut zusammen, da es ihm nicht so sehr darum geht, was ein Mensch macht, sondern wie er es macht. Jeder Beruf lässt sich auf einer ethischen und mitfühlenden Basis ausüben. Die buddhistische Praxis hilft ihm, seine Handlungen als Führungskraft in einem breiteren Kontext zu sehen. Es geht ihm darum, die Auswirkungen seines Handelns genau zu reflektieren um auf dieser Basis Entscheidungen zu treffen, die der Welt nützen. Seiner Meinung nach sind viele Menschen in den Führungsetagen nicht in der Lage, die Folgen ihrer Entscheidungen zu reflektieren, da es ihnen nur um eine schnelle Profitmaximierung geht. 180 Er sagt, dass zwei Punkte eine wichtige Rolle spielen, um zu dieser Art der Reflexion zu gelangen. Einmal hilft ihm die integrale Theorie, mit der er sich in der Lage sieht, die Dinge in einer weiteren Perspektive zu sehen. Der andere Punkt ist die Meditation. Durch die Meditation kann das Wissen auch wirklich erfahren werden. Stefan sieht die Gefahr, dass nur durch die theoretische Aneignung von Wissen nicht viel hängen bleibt und keine wirkliche Transformation der Persönlichkeit geschieht. Neue Wertvorstellungen und Ideale lassen sich demnach erst realisieren, wenn sie tief verinnerlicht worden sind. Ansonsten bleiben sie nur als nette Ideen im Kopf hängen. Stefan ist der Meinung, dass die Missstände in dieser Welt sehr schnell bereinigt werden können, wenn die Kompetenz und das Potential der Menschen sinnvoll eingesetzt werden. Gerade in den Führungsetagen sieht Stefan viele kreative und kompetente Menschen, die jedoch nur einen Bruchteil ihres Potentials nutzen, da sie sich einer primitiven Machthierarchie beugen müssen, in der es einzig darum geht, erfolgreich zu sein. Viele Bereiche der Wirtschaft sieht Stefan schon im Wandel. Da es jedoch nicht sicher ist, ob sich dieser Wandel rechtzeitig bemerkbar machen wird, ist es für ihn wichtig, jede Denkrichtung, Philosophie oder Psychologie zu integrieren, die dabei hilft, diesen Prozess des Wandels zu unterstützen. Der Buddhismus ist für Stefan eine dieser Möglichkeiten, die den Prozess des Wandels unterstützen können, da der Buddhismus ein breites Spektrum an Möglichkeiten bietet den Geist zu schulen. Damit meint Stefan die Integration einer neuen Ethik, sowie Methoden, die den Geist befähigen, zu einer tiefen Eigenreflektion zu kommen. Stefan sieht sich als einen dienenden Chef, der durch seine Arbeit dazu beitragen möchte, dass es vielen anderen Menschen besser geht. Er weiß, dass dies hohe Ideale sind, aber er ist der Meinung, dass Ideale sich durchaus umsetzen lassen. Stefan argumentiert, dass weder der Glaube an Gott, noch der Glaube an die Wissenschaft ausreichen, um ein menschenwürdiges Leben auf diesem Planeten zu gestalten. Erst wenn ein ethischer Rahmen gelegt wird, können menschenwürdige Bedingungen entstehen. Dieser ethische Rahmen kann jedoch nicht von außen gelegt werden, sondern muss von innen heraus entstehen. Dazu braucht es Vorbilder, die durch ihre Handlungen zeigen, dass ein Leben möglich ist, dass ethische und ökonomische Faktoren gleichermaßen berücksichtigt. 10.2 Das Kategorienschema In diesem Kapitel werden die einzelnen Kategorien des Kategorienschemas vorgestellt, die nach dem Kodierparadigma von Strauss und Corbin entwickelt wurden. Es wurden dabei vier 181 Kategorien gefunden: Vorausgehenden Bedingungen, Intervenierende Variablen, Handlungsstrategien und Effekte, die sich um die Zentrale Kategorie „Ganzheitliche Perspektive“ gruppieren. Die Intervenierenden Variablen setzen sich dabei zusammen aus „Kontext“ und „intervenierende Bedingungen“, die Handlungsstrategien entsprechen den „Handlungs- und interaktionalen Strategien“ und Effekte entsprechen den „Konsequenzen“. VORAUSGEHENDE BEDINGUNGEN: HANDLUNGSSTRATEGIEN: 1) Reflektiertes Handeln 2) „Das gemeinsame Sein“ 3) Achtsame und emphatische Führung 1) „Bereitschaft nach innen zu kucken“ 2) Integration eigener Werte 3) „Überpersönliche Einstellung“ Zentrales Phänomen: „Ganzheitliche Perspektive“ INTERVENIERENDE VARIABLEN: EFFEKTE: 1) „Persönliche Integrität“ 2) „Radikale Eigenverantwortung“ 3) Potentiale erkennen und fördern 4) Orientierung geben 1) Buddhistische Praxis 1) Dringlichkeit des Wandels 182 10.3 Übersicht der Achsenkategorien Um einen ersten Überblick zu verschaffen, stelle ich an dieser Stelle kurz die einzelnen Kategorien des Kategorienschemas vor. Vorausgehende Bedingungen Durch die buddhistische Praxis entwickelte sich bei den Befragten zunehmend eine Bereitschaft, sich mit ihren persönlichen Mustern und Wertvorstellungen kritisch auseinanderzusetzen. Dabei entwickelten sie neue Werte, die sie in ihr Leben integrierten. Auf dieser Basis konnten die Interviewten eine innere Einstellung entwickeln, die über eine egozentrische und ethnozentrische Sichtweise hinausweist. Intervenierende Variablen Die unter den Achsenkategorien versammelten Aspekte haben einen entscheidenden Einfluss auf die Bildung und Umsetzung eigener Werte bei den Befragten. Zudem stellen sie die Basis für die Entwicklung überpersönlicher Werte und Einstellungen dar. Handlungsstrategien Die Handlungsstrategien zeigen konkrete Verhaltensweisen auf, mit der die Befragten ihre „Ganzheitliche Perspektive“ umsetzen können. Effekte Die Effekte geben eine bedeutsame Auskunft darüber, wie sich die buddhistische Praxis im Führungsalltag widerspiegelt. Die zentrale Kategorie „Ganzheitliche Perspektive“ Die „Ganzheitliche Perspektive“ stellt für die Befragten eine aktive Möglichkeit dar, ihren Führungsanspruch auf einer ethischen und nachhaltigen Basis zu leben. Die „Ganzheitliche Perspektive“ ist dabei als Prozess zu sehen, der durch die intervenierenden Variablen beeinflusst wird, da die Intensität der buddhistischen Praxis, sowie die Wahrnehmung einer hilfebedürftigen Umwelt, die Sichtweise der Befragten nachhaltig prägt. 183 10.4 Achsenkategorie „Vorausgehende Bedingungen“ Die erläuterten Phänomene in dieser Kategorie beschreiben die wesentlichen Inhalte des Weltbildes der Befragten. Es wurden dabei drei Subkategorien gefunden. 10.4.1 „Bereitschaft nach innen zu kucken“ (in-vivo-Kategorie, Ha, 505) Die Befragten berichteten durchgehend davon, dass eine kontemplative Innenschau einen zentralen Stellenwert einnimmt. Die Innenschau ermöglicht eine Öffnung des Bewusstseins, das Durchdenken der der jeweiligen Möglichkeiten wird weniger und dafür öffnet sich in der subjektiven Wahrnehmung ein Zugang zu einem tieferen Wissen. (...) für mich ist einfach Meditation auch ein Stück für Kreativität, Energiegewinnung, auch einfach eine Arbeitstechnik, die ich ganz bewusst verwende. Also zum Beispiel ist es so, dass ich in der Meditation an andere Quellen komme, als wenn ich jetzt rein im Wachbewusstsein, mental unterwegs bin, ich hab dann einfach einen anderen Zustand in der Meditation, kann dann anders wahrnehmen und Entscheidungen treffen. Wichtige, berufliche Entscheidungen treffe ich nie außerhalb einer Meditationsübung. Also nie. Das ist eine Bedingung um an meine individuellen und aber auch kollektiven Ressourcen zu kommen für so einen Prozess. (Ma, 22ff) Der Schwerpunkt bei der Bereitschaft nach innen zu schauen liegt bei vielen Beteiligten in der Wahrnehmung der Gedanken. Die Hoffnung besteht dabei darin, dass die reine Beobachtung der Gedanken, die üblicherweise automatisch ablaufen, das Potential in sich birgt im zweiten Schritt die Gedanken zu verändern. Die zugrundeliegende Annahme ist hierbei, dass Gedanken nicht verändert werden können, wenn uns nicht bewusst ist, was wir denken. Wenn es uns aber bewusster wird, erweitert sich unser Handlungsspielraum. Oder auch die moderne Psychologie oder Neuropsychologie, die deutlich macht wie stark das, was wir im Außen wahrnehmen mit dem zu tun hat, was unsere Gedanken sind und wir sozusagen unseren Wahrnehmungsapparat prägen und damit die Wahrnehmung extrem filtern. So dass man tatsächlich deutlich machen kann, wie stark meine Gedanken Grundlage für das sind, wie ich meine Umwelt wahrnehme, seien es Mitarbeiter, Kunden, Zulieferer. (Al, 77ff) Hanna hebt die Bereitschaft der Innenschau hervor: Also so zentral ist ja, auch erstmal zu kucken, was ist in mir drin? Welche Konzepte und so weiter leben da in mir? Und das erfährt man gut durch, ich sag mal, bewusste 184 Meditation, also in dem man sich beobachtet auch, bei dem was man tut. Das ist sehr zentral eben, neben dem Weg in die Gemeinschaft. (Ha, 59ff) Atmosphäre der Reflektion schaffen Das Beobachten der Gedanken geht häufig mit Achtsamkeit einher, wir nehmen wahr, was wir denken, daraus leitet sich ab, dass wir bemerken welche Gedanken welche Emotionen fördern und damit hat es auch Auswirkungen auf unsere Handlungen. Wenn wir mit Achtsamkeit unsere Handlungen ausführen wird deutlich, ob diese Handlung mir oder anderen gut tut und damit förderlich ist, oder ob das eher nicht der Fall ist. Gerade beim Umgang mit Wissenserwerb oder im Umgang mit dem Internet erlebt Tim Achtsamkeit als hilfreich, um den Überblick zu behalten. Aber ich gehe dann eher so ran, dass ich sage, am meisten lernst du wie du anders mit Wissen und Information umgehst, wenn du Achtsamkeit kultivierst, in dem du siehst, wie bestimmte Medien auf deinen Geist wirken und dann gebe ich ihnen Tools, wie man das macht, dann unterbrechen wir und atmen, oder wir machen die Gehmeditation und dann entsteht so eine Atmosphäre und in dieser Atmosphäre merken sie auf einmal wie die Kommunikation sich verändert, wie man tiefer miteinander... wie man anders zuhört, wie es ruhiger wird, oder sie merken auf einmal, wie ihre Gedanken so schnell rotieren und dass das natürlich eine der zentralen Themen ist, wie sie mit Informationen umgehen, oder wie sie überhaupt was aufnehmen können, wie sie offen sind. (Ti, 754ff) Die Bereitschaft nach innen zu schauen, sich selbst zu beobachten und sich zu reflektieren wird von Hanna als innere Haltung zusammengefasst. Und die Konsequenz daraus ist die Bereitschaft, nach innen zu kucken und deshalb, ist es für mich immer wieder zentral, die Haltung mit der Menschen das tun, was sie tun. Das ist eine innere Haltung und die innere Haltung beeinflusst wiederum auch dass wie sie sich äußerlich verhalten. (Ha, 505ff) Die eigenen Gedanken weniger ernsthaft zu betrachten, bietet Tim die Möglichkeit sich von vielem zu befreien, was von ihm als negativ erlebt wurde. Er betrachtet die positiven Auswirkungen: Also dieses... was mir vorher nicht bewusst war, dass es mich ständig gedacht hat und wie mein Denken mich unbewusst bestimmt hat, dass ich jetzt viel höhere Bewusstheit darüber habe, was ich denke und dass ich es genieße nicht zu denken und dass ich sehe dass ich viel höhere Klarheit habe, wenn ich Spreche ohne zu denken. Dass das 185 überhaupt möglich ist, dass ich eine viel größere Klarheit habe, wenn ich wahrnehme ohne zu denken, wenn ich zuhöre ohne zu werten oder ständig zu denken, ich fühle mich viel verbundener mit der Natur, mit anderen Menschen, und erlebe auch meine Beziehungen ganz anders. (Ti, 621ff) Alexander berichtet von seiner Praxis, die ihm dabei hilft zu verstehen, wie er seine eigene Wirklichkeit konstruiert. Er hebt die Erkenntnis hervor, dass er seine Wirklichkeit verändern kann, dass er nicht Opfer seines Weltbildes ist. (...) was ich schon merke über die Jahre ist, das mir die Praxis wirklich hilft schneller zu merken, wann ich jetzt wieder meinen Gedanken folge und damit auch den Gefühlen, Gedanken lösen ja Gefühle aus, wenn ich Dinge bewerte und denke. Mein Gott, das ist jetzt aber wahnsinnig stressig und anstrengend und... das ich dann schneller merke, du machst das jetzt. Das machst Du! (Al, 204ff) Eigene Motivation überprüfen Hanna geht davon aus, dass die eigene Motivation gerade für eine Führungskraft bedeutsam ist und hinterfragt werden sollte. Es geht halt so auch darum, sich ständig klar zu sein, welche Motivation man gerade hat, warum will ich dies, wieso handle ich so, das ist extrem wichtig, diese innerliche Wachheit. Vor allem, wenn meine Entscheidungen viele andere Menschen beeinflussen, dann ist das ja besonders bedeutsam. (Ha, 616ff) Tim erkennt das seine Motivation früher bestimmt war durch Wettbewerbsgedanken und das er es wichtig fand, immer der Beste zu sein. Meine Beziehungen waren bisher sehr extrem, ich war extrem kompetitiv, wettbewerbsorientiert, mir war es immer sehr wichtig der Beste zu sein und ich war es eben auch lange immer, in meinen Kontexten oder in den obersten Prozent. Ich habe mich total identifiziert mit Erfolg und auch stark mit äußeren Symbolen wie Abschlüssen und Preisen, Titeln und so weiter. Und ich merke, dass das ein Stück weit weniger geworden ist. Das ist auch gerade wenn ich wenig Energie habe oder wenn eine Reihe von Sachen nicht geklappt hat, dann kommt das wieder hoch, aber grundsätzlich laufe ich einfach so durch die Stadt, ohne jedem gleich meine Visitenkarte in die Hand zu drücken. Ohne zu sagen, hey, guck mal, wie toll ich bin. Ja, ich habe mich total raus entwickelt aus klassischen Karrierewegen, denen ich gefolgt bis ich 30 war. (Ti, 627ff) Stefan sieht dass die Angst für ihn keine hilfreiche Motivation war. 186 Und dann kommt auch eine innere Ruhe immer deutlich zum Vorschein, dass ist auch son Juwel der buddhistische Praxis, dass ich mich nicht mehr so mit meinen Gefühlen identifiziere oder Gedanken, sondern so ne Art unabhängigen Beobachterstandpunkt halten kann, also wenn jetzt auch wieder so ne Krise kommt, die hat auch bei mir Auswirkungen, also wenn ich dann so ne Liste mit roten Zahlen reinbekomme, dann hätte mich das früher fast umgehauen, ich hab da ganz stark emotional drauf reagiert und alle möglichen Sachen in die Wege geleitet, die sich dann meistens als falsch oder unnötig erwiesen. Da kann ich jetzt erstmal nen kühlen Kopf bewahren, also dann schaue ich mir das an, bespreche das mit meinen Leuten, ganz ruhig und sachlich und hilft mir einfach mehr, als wenn ich voller Angst und Wut losmarschiere, ohne Rücksicht auf Verluste sozusagen. (St, 262ff) Schattenarbeit Tim stellt fest, dass es nicht nur bequem ist, achtsamer zu sein, plötzlich fallen ihm auch viele persönliche Schatten auf, die vorher nicht in seinem Blickfeld waren. Und dadurch dass ich das weggelassen habe, bin ich natürlich mit ganz vielen Sachen in Berührung gekommen, wo ich sonst immer das Zeug so rübergelegt habe. Die Ängste, Unsicherheiten. Auf der Ebene de Körpers, höhere Körperbewusstheit und damit eben auch höherer Kontakt damit, wo letztlich die Emotionen im Körper sind, also dass ich merke, wann geht Wut los oder merke jetzt kommt Angst, und sehe wo das im Körper sitzt. Gewisse Verlangsamung in vielen Bereichen, in der Sprache, im Tonfall in der Bewegung. (Ti, 644ff) Stefan sieht den Unterschied zwischen dem Bild, welches er von sich hatte und der Realität plötzlich klarer. Weil es ja auch nicht angenehm ist, immer zu sehen, was da unter dem Deckel liegt, nicht wahr? Da hab ich mich auch erstmal erschrocken, als ich so das Gier und Egomonster in mir entdeckt hab, das hat erstmal gar nicht zu dem Bild gepasst, also dass ich so über mich hatte. Ich meine, ich hab mich als smart und kompetent und so weiter erlebt, ich meine, die ganzen Medien tragen dieses Bild ja mit. Und dann zu entdecken, das hinter dem Lack, da echt unangenehme Sachen lauern, also das war nicht so leicht. (St, 178ff) 187 10.4.2 Integration eigener Werte Die Wichtigkeit der Integration und Vermittlung eigener Werte wurde von vielen Interviewten hervorgehoben. Tim zum Beispiel hat durch die Praxis von Achtsamkeit sein Beziehungsverhalten verändert, nachdem er früher häufig wechselnde Partnerschaften hatte, ist er mit seiner Frau nun seit sieben Jahren in einer Partnerschaft. Das eine ist, dass ich wirklich eine Klarheit habe was für mich wirklich wichtig ist, also was wesentlich ist, dass ich eine Klarheit habe über die Werte, die ich leben will und auch ne Operationalisierung und nicht nur was Allgemeines, ich möchte ein netterer und sympathischer Mensch sein, sondern in ganz vielen Bereichen ein konkreter Weg, beispielsweise in so Bereichen wie Liebe. (Ti, 610ff) Sebastian hebt Achtsamkeit als Wert hervor und leitet andere Werte daraus ab. (...) also Achtsamkeit heißt auch, auf jemanden achten, auf sich selber achten, jemanden wertschätzen auch, ich achte dich, das deutsche Wort ist ja wunderbar, in seinen ganzen Assoziationen. Ist ja ein herrliches Wort, das passt sehr sehr gut, achten, Vorsicht walten lassen, Mitgefühl zeigen, das ist alles mit drin, gut ich meine Begriffe wie Mitgefühl, Gewaltfreiheit. (Se, 269ff) Stefan beschreibt, wie ihm sein Verhalten innerhalb des Führungssystem zu schaffen machte und er schließlich nicht mehr mit spielen wollte. Ich meine, ein unterschwelliges scheiß Gefühl blieb ja doch, wenn man gerade, na, ich sag mal, sich eine Stufe rauf gebissen hat. Vor allem weil man ja oft dann der Vorgesetzte ist von Leuten, mit denen du dich noch gut verstanden hast und auf einmal gab es da so ne Konkurrenzgeschichte. Also macht es auch einsam, klar. Mit einem Kollegen hab ich mich, nur jetzt mal so als Beispiel, wirklich prima verstanden, wir haben uns auch öfters privat getroffen, Fußball gekuckt und so was. Und dann kam es zu dieser Konkurrenzgeschichte. Ein Job, zwei Männer, der show down eben und das wars. Ich hab gewonnen dann und war dann der Chef und wir haben uns nicht mehr angekuckt. Und da hatte ich mit der Zeit keinen Bock mehr drauf. Ständig diesen Druck nach oben zu wollen und die oben sehen dich ja auch als Bedrohung wenn du gut bist, und so weiter. Ne, irgendwann hab ich gemerkt, dass da ein wesentlicher Aspekt meiner Selbst auf der Strecke blieb. (St, 146ff) 188 Ethik Die Befragten betonen die Wichtigkeit einer ethischen Einstellung. Für Sebastian besteht eine ethische Ausrichtung daraus, sich auch einmal unbequem zu zeigen, wenn etwas wahrgenommen wird, was negative Auswirkungen hat. Er nannte als Beispiel ein teurer Flachbildschirm, der für Telefonkonferenzen gekauft wurde und der finanziell den Rahmen gesprengt hätte. Und das man dann auch durchaus mal sagen kann, nein, das mache ich nicht, das halte ich für unethisch. Dass ich als jemand der achtsam ist, auch darauf achte, was ich mit meiner Arbeit auch unterstütze, da hat man schon Möglichkeiten, man ist dem nicht völlig ausgeliefert, man kann schon auch was dazu sagen und das... Wozu eigentlich sowieso viele Unternehmen dazu kommen heutzutage, dass sie erkennen, dass Ethik etwas grundlegendes und wichtiges ist, und das Unternehmen, die sich nicht ethisch verhalten, irgendwann einmal die Folgen davon zu spüren bekommen. (Se, 644ff) Für Alexander ist die Integrität natürlicher Bestandteil seines Lebens und seiner Arbeit, da er das Konzept des Karma heraushebt und sich negatives Verhalten automatisch mindert, wenn sich die Überzeugung manifestiert, dass alles negative, was ausgesendet wird, automatisch zum Sender zurückkehrt. Stichwort Ganzheitlichkeit, Ethik, Integrität, das ist für mich so der Begriff, den ich für den Buddhismus sehr prägend finde, wenn ich es erklären soll. Das Stichwort Integrität ist einfach das, was ich persönlich mit dem Buddhismus sehr stark verbinde. In meinem Handeln absolut integer zu sein. Es gibt auch den Begriff des ehrbaren Kaufmanns. Den gibt es ja auch in unserem Kulturbereich schon seit dem Mittelalter. Ich denke, dass einfach durch den modernen Kapitalismus ein Teil dessen ins Hintergrund geraten ist. (Al, 49ff) Innerhalb des Buddhismus wird darum gebeten hilfreich für alle fühlenden Wesen zu sein. Damit bezieht sich die Ethik nicht nur auf die Menschen und zeigt sich vielmehr auch in unserem Umgang mit der Natur. (...) dann finde ich dass der Buddhismus da einen sehr klaren Weg weist, der heißt, für alle Wesen. Das heißt also nicht nur für meine Mitmenschen sondern auch, für alle Tiere. Aber letztlich auch für alles, was ich letztlich gar nicht weiß. Und das ist letztlich ein hoher ethischer Anspruch, mein Verhalten entsprechend so ethisch auszurichten, Und das ist auch, was ich meine mit Kompassnadel, ich finde eine Führungskraft führt. Und ne Führungskraft muss eine Richtung haben. Und der Buddhismus hat eine ganz 189 klare Richtung. Und wenn diese Richtung nicht klar ist, werde ich mich als Führungskraft auch verheddern. Und deswegen glaube ich, dass der Buddhismus eine große Hilfe sein kann, was ist denn das große Ziel, was über allem steht. (Al, 501ff) Buddhistisches Weltbild Im Buddhismus gilt: Weniger ist mehr. Sich seine Gier nach Erfolg, Macht oder materiellen Dingen zu vergegenwärtigen, nach Erfolg, ist eine der wesentlichen Praktiken innerhalb des Buddhismus, da das eigene Leid reduziert werden soll. Eine gute Möglichkeit um der Gier entgegen zu treten ist, sich die Vergänglichkeit, die in allen Dingen wohnt, zu vergegenwärtigen. Und da sagt der Buddha, so ist das Leben, es ist leidhaft, weil alles dem Wandel unterliegt. Und wenn du nicht möchtest, dass du darunter leidest. Da kann man was machen. Also, versteh erstmal, wie die Welt so funktioniert, und das meint er auch so, also dass man es wirklich verstehen muss, da reicht es nicht, an was zu glauben. In dieser Form, da hat Glauben überhaupt keine Auswirkung oder Sinn. Erst wenn ich es erfahren habe und weiß wie der Hase läuft, dann kann ich was machen, um das entsprechend zu ändern. Und in dieser Hinsicht ist das dann eben zu entdecken, dass letztendlich meine Gier die Wurzel meines Unglücklichseins bedeutet, ja, genau, dass ich immer nach was greifen muss, immer mehr, immer mehr. Das ist ein Anfang. Das kann ich überprüfen. Handfeste Methoden um das Leben zum..., also letztendlich auch, um wirklich glücklich zu werden. (St, 59ff) Sich die Zeit zu nehmen, die eigenen Gedanken zu analysieren, das eigene Verhalten zu beobachten und daraus eigene Entwicklung abzuleiten, ist der Sinn der Vipassana Meditation, die nach Erkenntnis und Einsicht strebt. (...) beim Vipassana ist es ja so, dass es um tiefe Einsicht geht, in die Natur der Wirklichkeit. Und das interessiert mich einfach auch vom philosophischen Aspekt her. Direkte Wahrnehmung der Wirklichkeit zu machen und das betreibe ich gewissermaßen als Forschungsprojekt. Da kannst du so richtig sehen, was passiert da. (Se, 146ff) Sich von der Überzeugung zu lösen, dass Gedanken nicht veränderbar sind und auch einen Abstand zu den eigenen Gedankenmustern zu entwickeln, da Gedanken über etwas nicht der Wahrheit entsprechen müssen, ist ein wichtiger Aspekt der Meditation. Hier bildet sich ein Kontakt zu einer tieferen Wahrheit, der von den gewöhnlichen Gedanken stark abweichen kann. 190 Also wir nennen das an dem wahren Selbst andocken, sie ist deswegen wertvoll, weil, wir verstauben recht schnell, verstauben heißt, da kommen so viele Gedanken, die das alles wieder so zusetzen und dann sind die Gedanken wieder realer als die wirkliche Erfahrung (...) (Al, 201ff) Martin hebt die Erkenntnis und die Suche nach der Wahrheit hervor, die ihn letztlich in Kontakt mit der Wirklichkeit bringen. (...) Erkenntnis als Prozess ist ja etwas sehr, sehr berührendes, das kommt so von unten. Das kommt ja nicht mental, kognitiv. Sondern da ist so eine aufsteigende Erkenntnis plötzlich in einem und erst später kann man das formulieren. Dieses Wirken von Intelligenz, dieser Logos, dieser webende Geist, der da unterwegs ist. Das ist ne sehr starke Empfindung, sehr viel Leichtigkeit dabei. Und Wahrheit, also ich lese gerne Bücher, in denen Menschen zu diesen Endwahrheiten gegangen sind. Also nicht irgendwelche Betrachtungen, sondern, die ein bestimmtes Phänomen hinterfragt haben, bis sie da auf die letzte Ebene gekommen sind. Was man noch so denken kann, und dann ist da noch so dieses Gefühl, ich bin jetzt in Kontakt mit der Wirklichkeit. Diese Wahrheit trägt sehr weit, es gibt Kraft und Energie, dieses Gefühl von Bedeutsamkeit. Das ist etwas Wichtiges, relevantes, so etwas zu tun, also bei mir sind da alle relevanten Bewusstseinselemente vorhanden. (Ma, 204ff) Das Bedürfnis festzuhalten an der Vorstellung eines individuellen Ichs, welches getrennt von allem existiert schafft Leid. Letztlich sind wir Menschen mit allem verbunden, was in dieser Welt existiert, alles existiert in einem dynamischen Prozess, die Festigkeit erscheint uns nur so, weil wir nicht ständig in größeren Zusammenhängen denken können. Alexander hebt hervor, dass das Loslassen von Gedanken, Vorstellungen, Ideen oder auch Plänen und Irrwegen auf denen man sich befindet, sehr hilfreich sein kann. Und ich seh schon, dass ich da auch Punkte hab, wo ich sehe, da fange ich an zu leiden. Und ich will das nicht. Deswegen habe ich den Buddhismus sehr schätzen gelernt, weil er mir da wirklich hilft. Was daran? das Loslassen? Ja, genau, das Leiden ist immer mit festhalten verbunden, immer mit Vorstellungen, wie es sein soll, wie ich es haben will. Und dann zu merken, es ist nicht so, es ist anders. Und die fehlende Flexibilität zu haben, ich darauf einzulassen, es zu akzeptieren, es ist nicht blau. Es ist grün. Mache ich mit grün weiter. Ich denke, dass Menschen da tatsächlich unterschiedlich sind, unterschiedliches Karma mitbringen. Und was ich persönlich toll finde ist einfach, dass der Buddhismus wirklich sehr viele Instrumente entwickelt hat. (Al, 251ff) 191 Für Tim ist die Entwicklung von unheilsamen zu heilsamen Geisteszuständen individuell und kollektiv, von großer Bedeutung. (...) also das, was gemeinhin als Organisationsentwicklung betrachtet wird, Personalentwicklung, verdient meines Erachtens diesen Namen häufig nicht, denn solange es tatsächlich nicht diese Transformation von unheilsamen Geisteszuständen zu heilsamen gibt, hat diese Entwicklung einfach nicht statt gefunden und solange Produkte in Organisationen produziert werden, die unheilsame Wirkungen haben in der Gesellschaft, haben wir ein Problem, ja. Und solange das kollektiv auch toleriert wird, d. h. der Gesetzgeber Horrorvideos, Alkohol oder andere Sachen nicht auch anders behandelt, einschätzt, wird das in der Gesellschaft weiter wirken und auch zerstörerisch sein. Da ist letztendlich viel, da sitzt einfach eine Bewusstseins bildende Kraft und ein neuer Begriff von Organisationsentwicklung. (Ti, 503ff) Dauerhafte buddhistische Praxis führt bei Martin nicht nur zu kurzzeitigen Effekten, sondern hat seiner Meinung nach die Kraft langfristig sein Weltbild zu verändern. Ja, ich kann durch eine halbe Stunde Meditation mein Herzchakra öffnen und meine Herzenergie aktivieren und ich kann viel liebevoller, verständnisvoller und toleranter sein zu anderen das kann ein Effekt sein. Das ist praktisch situativ der Fall und dafür muss ich aber mein Selbst und die Welt noch nicht neu begreifen. Das ist ein Zustand, das habe ich dann vielleicht eine halbe Stunde und dann geht das wieder weg. Wenn ich aber mein Selbst und Weltbild wesentlich erweitert habe durch ständige Praxis über eine lange Zeit, und ich glaube, dass ist der Unterschied, dann kann ich immer anders reagieren, weil das ständig in mir präsent ist. Nicht? Wenn ich, da geht es um Bewusstseinsstufen, identifiziert bin mit meinem Beruf... ich bin der Manager dieses Unternehmens und ich habe einen Titel und ich habe Befugnisse in meiner Jobdeskribtion drinstehen... und ich agiere aus diesem Verständnis heraus, dann kann ich damit bestimmte Dinge erreichen, bestimmte Dinge aber nicht. In dem Moment wo mein Vorstandsposten wegfällt, fällt meine Identität weg und dann weiß ich nicht mehr, wie ich führen soll. Und wenn ich dagegen ein Selbstbild habe, was jenseits dieser Rollendefinition liegt, ja, dann kann ich auch ohne Titel und ohne Rolle im Organigramm souverän meine Mission weiterverfolgen, das sind einfach andere, die Praxis führt im besten Falle zu einer Fortentwicklung des Selbstes und der Fähigkeiten, die man schon hat, das sollte auf jeden Fall ein Effekt schon (...). (Ma, 611ff) 192 Karma Alexanders buddhistisches Verständnis setzt den Schwerpunkt auf karmische Zusammenhänge. Dass es uns Menschen so schwer fällt das Ursache Wirkungsprinzip zu verstehen liegt seiner Meinung nach daran, dass die zeitliche Spanne zwischen dem gepflanzten Samen und der Blüte recht groß sein kann. Wenn die Zeitspanne zwischen unserem ursächlichen Verhalten und der Wirkung, die es erzielt klein wäre, wäre es leichter daraus zu lernen. Wir erklären auch ganz genau, was meinen wir mit Karma, auch da gibt es eine ganze Menge Missverständnisse. Gerade dieses platte Ursache und Wirkungszusammenspiel, das stimmt. Aber wie muss ich mir vorstellen, dass Karma tatsächlich wirkt, erklären wir anhand eines Kreislaufs, Samen der gepflanzt wird, beitragenden Faktoren, ursprünglich erstmal Gedanken, dann eine Handlung, eine Tat, wo eine Saat gesät wird, dann kommen beitragende Faktoren, und dann irgendwann ein Ergebnis. Und was uns so schwer fällt, ist wir erleben, etwas, was wir jetzt mal Früchte, oder Ergebnisse nennen, und es fällt uns aber schwer den Rückzug auf den Samen zu machen, weil eine sehr starke zeitliche Spanne dazwischen liegen kann und weil noch ne ganze Menge beitragender Faktoren dazu kommen. Die es erst ermöglichen, das diese Frucht tatsächlich reift und das macht es sehr komplex.- also: wer ist so? Das ich in dem Moment, wo ich auf einen Käfer trete, der auf dem Boden lang läuft sofort spüre, wie mein Brustkorb zertreten wird , wäre mir das vollkommen klar, ich kann Ursache und Wirkung zusammenbringen. Das ist aber nie der Fall, es gibt eine große zeitliche Spanne und wie gesagt noch ne ganze Menge beitragender Faktoren, die dazu beitragen, damit eine bestimmte Frucht tatsächlich auftaucht. Um bei dem einfachen Bild zu bleiben, wenn ich Sonnenblumenkerne säe reicht das noch nicht, ich brauche eine bestimmte Feuchte, die richtige Temperatur, ich brauche Licht, das sind die beitragenden Faktoren, damit irgendwann tatsächlich ne Sonnenblume wachsen kann. (Al, 179) Hanna arbeitet auch als Dozentin und kann gelegentlich buddhistische Themen einbauen, ihrer Meinung nach legt das Prinzip des Karma Konzeptes den Schwerpunkt darauf, die Eigenverantwortung vollkommen wahrzunehmen und ist damit ein Stück weit schonungslos, es lässt ein Opfergefühl nicht zu. Die vollkommene Eigenverantwortung für alles was erlebt wird, wird als eine kraftvolle Sichtweise beschrieben. 193 Also es ist ja im Prinzip das grundlegende Prinzip von Ursache und Wirkung. Aber das war zum Beispiel etwas, was ich eben bei diesem Vortrag den ich in der Universität gehalten hab, wo mich die Leute angekuckt haben, und dachten, was erzählt die da (lacht). Ursache und Wirkung, das Gesetz von Karma, das ist ja das Grundlegende im Buddhismus, und halt letztendlich vollkommen logisch und ein Stück schonungslos, weil alles was geschieht, ein Resultat der eigenen Ursachen ist, die man irgendwann gesetzt hat. Es gibt niemanden auf dem man die Schuld abwälzen kann. Das heißt, die Welt entsteht aus dem eigenen Geist heraus, was man halt an Eindrücken vorher gesammelt hat. Und was man eben mit Körper, Rede und Geist halt in die Welt gesetzt hat und das erlebt man dann irgendwann. (Ha, 509ff) Die Einflussmöglichkeiten der Menschen in Führungspositionen ist begrenzt, auch hier spielt das Karma derer, die geführt werden eine Rolle. Was die Einflussmöglichkeiten von Führenden auf den Zustand der Welt anbelangt ist aus buddhistischer Sicht auch wichtig zu verstehen, dass einerseits die Motivation jedes Einzelnen in jedem Augenblick zählt und andererseits das Karma der Wesen, d.h. die Eindrücke im Geist, die jedes Wesen aus unzähligen Lebzeiten angesammelt hat sehr stark wirkt und nicht unmittelbar verändert werden kann. Das wiederum begrenzt aus meinem Verständnis heraus den Einfluss einer Führungsperson auf den Zustand der Welt. Dennoch, die Motivation und die Sichtweise zählen auf lange Sicht und hier ist ein Wandel sinnvoll. (Ha, 670ff) 10.4.3 „Überpersönliche Einstellung“ (in-vivo-Kategorie, Ha, 562) Sich einzuordnen unter ein großes Ziel ist laut Hanna genauso die Aufgabe einer Führungsperson, wie das großes Ganze im Blick zu behalten. Also, gute Führung ist für mich etwas, letztendlich auch etwas, was sich auf ein überpersönliches Ziel ausrichtet. Führen ist ja immer die Frage, wohin führt man, sozusagen, was ist das Ziel von Führung, was ist meine Absicht die dahinter steht und letztlich gute Führung ist für mich schon etwas, was eben jenseits von den eigenen Interessen des Führenden geht, sondern jemand, der das große Ganze im Blick behält, wenn er führt, das macht einfach für alle Sinn. Das wäre für mich ein Merkmal von guter Führung. (...) Also letztendlich auch ne dienende Haltung, ja. für mich hat Führen auch was mit dienen zu tun und auch mit Demut, im Sinne von ich stelle mich zur 194 Verfügung, ja, so mit meinen Fähigkeiten, und was ich halt gut kann, ist führen. (Ha, 456ff... 462ff) Die Auswirkungen, die die Aktivitäten des Unternehmens verursachen ist nach Stefan Vorraussetzung für kreative Führung. Also auch in der Lage sein, einen weiteren Standpunkt einzunehmen, als nur die eigenen Interessen oder die des Unternehmens. Sondern eben zu schauen, was ist nachhaltig, was ist mit unseren Werten und Visionen in Einklang, wie können Entscheidungen getroffen werden, die für alle Beteiligten zum Vorteil sind? Dass ist so die Ebene eines kreativen, neuen Leadership. (St, 449ff) Hanna sieht in einer guten Führungskraft auch jemanden, der sich um die Mitarbeiter kümmert und sie kraftvoll schützt, und dabei auch die Ziele und Werte des Unternehmens schützt und aktiv dazu beiträgt, dass sie gewahrt werden. Ich finde, dass trifft es ziemlich gut, auch was gute Führung ist, also jemand der kraftvoll schützt, der nicht die Auseinandersetzung scheut und auch nicht dem aus dem Weg geht, was unangenehm ist, ja, aber es eben auch mit einer überpersönlichen Einstellung tut, nicht ums einen persönlichen Groll abzureagieren, sondern halt um zu sagen, das geht überhaupt nicht, das muss man auch tun. (Ha, 477ff) Die Ziele und Werte des Unternehmens sollten für Hanna weiterhin einen überpersönlichen Aspekt haben und dem Wohle aller dienen. So, und dann glaub ich dann schon so diese überpersönliche Einstellung, also muss man natürlich auch kucken, es gibt ja unterschiedliche Wege im Buddhismus, mit unterschiedlichen Schwerpunkten, ich geh jetzt einfach mal vom Mahayana aus, dass da schon stark diese Bodhisattva Einstellung mit reinkommt. Also so, dass die Motivation in allem was so jemand macht als Führungskraft, schon ne überpersönliche ist. Das ist natürlich ein wahnsinnig hehrer Anspruch. (Ha, 561ff) Der Bodhisattva Aspekt wird in Hannas Tradition betont und durch Meditation und Widmungen geschult. Die Motivation den anderen zu dienen? Ja, einfach zum Besten anderer. Dieses, einfach über die eigenen Grenzen hinaus denken, einfach mit denken, auch bereit sein, über seine eigene Befindlichkeit, über sein eigenes kleines Bedürfnis rüber zu springen, einfach das große Ganze zu denken, so. Ja, das ist ne ganz starke Motivation. Und dann auch so dieses grundlegende Prinzip, wirklich dieses Verantwortung übernehmen und nicht die Schuld abwälzen und so. (Ha, 587ff) 195 Aus buddhistischer Sicht lässt sich sagen, dass Führende wie ein Boddhisatva handeln sollten, das heißt, immer das Wohl aller im Blick haben sollten. Führende sollten verstehen, dass ihr Handeln immer Auswirkung auf unzählige Wesen hat und dauerhaftes Glück nur aus einer überpersönlichen Sichtweise und Einstellung entstehen kann. (Ha, 670ff) Hanna sieht das Gegenteil von guter Führung in einem egoistisch geprägten Handeln. Und nicht so, wie kann ich jetzt meine Schäflein ins Trockene bringen und möglichst ohne Probleme. Das wäre für mich das Gegenteil von guter Führung. (Ha, 460f) Selbstloser Zustand Wirksame Führung entsteht, wenn das kleine Ich zurück tritt und der Führende in einen selbstlosen Zustand kommt, das etwas durch ihn führt und er sich etwas Größerem hingibt. Und man braucht die gleichen Tugenden, die man auch bei der Sitzmeditation hat, das man mit Gedanken und Gefühlen arbeitet, das man sozusagen in einem Selbstlosen Zustand eher ist, das man sich führen lässt, und all das führt dann zu einem Ergebnis. Und man bekommt sofort eine Rückmeldung, ein Feedback, wenn da irgendwas nicht stimmt. (Ma, 104ff) Diesen Aspekt hebt auch Sebastian hervor, die eigenen Meinungen, Wünsche, persönlichen Ziele auch loslassen können, ist eine wesentliche Grundlage für die Entstehung von Offenheit. Da ist auf jeden Fall diese Offenheit, die ist ganz wichtig und die hat ja auch diesen Aspekt der Selbstlosigkeit, denn offen kann nur jemand sein, der nicht ständig an sich selbst klebt. Und eingeschlossen ist, ja, und auf sich bezogen, wenn man auf sich bezogen ist, kann man nichts mitkriegen, was da um einen herum passiert. Offenheit ist dann eben auch Selbstlosigkeit. Und das andere ist Klarheit, dass ist auch Selbstlosigkeit, man projiziert nämlich nicht ständig seine eigenen Gedanken, Vorstellungen, Erwartungen, Vorurteile nach außen, auf den anderen, sondern man kriegt wirklich mit, was auf der anderen Seite los ist, es geht eigentlich dann immer wieder darum, was der Buddha gelehrt hat, also dieses Nicht-Selbst, diese Haltung von Nicht Selbst. (Se, 329ff) Hanna sieht in guter Führung auch die Möglichkeit das Ego zu schleifen. (...) und es geht wirklich drum, was gemeinsam zu machen und sich aneinander zu reiben und zu entwickeln und letztendlich das Ego zu schleifen. (Ha, 57f) 196 Martin verfügt über viel Energie, er arbeitet oft zwölf Stunden am Tag, sieben Tage die Woche und das über mehrere Monate hinweg. Er initiiert erfolgreiche Projekte und hat dennoch nicht das Gefühl, dass er es macht, vielmehr „gestattet er dem Wind“, ihn zu bewegen. Wenn Du fragst, wo nimmst Du das her, das kommt ja nicht aus mir, ich verfolge das ja nicht. Ich wünschte ich hätte manchmal mehr davon zur Verfügung. Sagen wir mal ich habe da so eine Metapher, ich kann also sagen, ich segle auch gerne, weil Segelsport mir auch viel Spaß macht und ich habe ein Schiff und ein Segel und ich kann also mein Segel setzen, mein und mein Steuer halten und mein Schiff in Ordnung halten und dann gibt es einfach Wind und dann trägt mich der Wind weiter, ich kann mich so ausrichten zu versuchen das mich der Wind meinen Weg erfasst , insofern kommt die Stärke und das nicht aus mir, sondern aus dem Hintergrund. (Ma, 760ff) 10.5 Achsenkategorie „Handlungs- und interaktionale Strategien“ 10.5.1 Reflektiertes Handeln Gute Führung besteht daraus, sich selbst, also seine Gedanken und sein Verhalten zu reflektieren und kritisch zu beleuchten, das bestimmt die Wahrnehmung, wirkt sich aus auf die Beziehungen in die man involviert ist und macht es leichter in Übereinstimmung mit seinen Werten zu leben. Zum Beispiel, wenn ich versuche, Ursache und Wirkung deutlich zu machen, sage ich: wie es in den Wald rufe, so schallt es hinaus. Das ist ein alter Spruch unseres Kulturkreises, der exakt dieses Prinzip von Ursache und Wirkung sehr deutlich macht. Und auch das ist für die meisten Menschen sofort nachvollziehbar, das sie verstehen, ah, das hat was mit mir zu tun. Oder auch die moderne Psychologie oder Neuropsychologie, die deutlich macht wie stark das, was wir im Außen wahrnehmen mit dem zu tun hat, was unsere Gedanken sind und wir sozusagen unseren Wahrnehmungsapparat prägen und damit die Wahrnehmung extrem filtern. So dass man tatsächlich deutlich machen kann, wie stark meine Gedanken Grundlage für das sind, wie ich meine Umwelt wahrnehme, seien es Mitarbeiter, Kunden, Zulieferer. Und über diesen wissenschaftlichen Weg, habe ich die Möglichkeit buddhistisches Denken zu vermitteln ohne das ich irgendwelche buddhistischen Begriffe brauche. Und das finde ich, war auch die Herausforderung für unsere Arbeit. (Al, 73ff) 197 Für Stefan ist es wichtig, über die Folgen seines Tuns zu reflektieren und dem entsprechend zu handeln. Wie führe ich buddhistisch, also, erstmal würde ich sagen, dass ich darüber nachdenke, bevor ich handle und versuche, so weit es eben geht, mir vorzustellen, welche Auswirkungen meine Entscheidungen haben werden. Sind sie heilsam oder können sie Schaden anrichten und das nicht nur auf jetzt bezogen, sondern auch in zehn Jahren. Und welche Menschen werden davon betroffen. So dieses Spektrum versuche ich zu berücksichtigen wenn Entscheidungen getroffen werden. Es ist wie wenn ein Stein ins Wasser geworfen wird und man einfach kucken muss, welche Ringe zieht dieser Kreis, für wenn sind diese Ringe förderlich und wo führen sie zu Überschwemmungen. Das ist ja das zentrale Problem der heutigen Wirtschaft, dass sie einfach Steine ins Wasser wirft, wenn wir mal bei diesem Bild bleiben wollen, also dass sie sich nur auf den Punkt konzentrieren und gar nicht mehr auf die Wellen, die damit verbunden sind. Die Auswirkungen werden einfach geleugnet und da machen alle mit, weil es so am einfachsten ist. Ich glaube wirklich, viele Menschen in Top Positionen, gerade in der oberen Führungsetage, die sind gar nicht zu komplexem Denken fähig. Natürlich, in ihrem Gebiet sind das alle Profis, hochintelligent, lauter hungrige Wölfe. Aber eine globale Sicht, also das sehe ich selten, dass da jemand ein hochkomplexes Bild entwirft. Meistens ist es doch eher primitiv, es geht halt einfach darum, Profit raus zu holen, mit allen Mitteln, das ist der Fokus und sonst nichts anderes. (St, 84ff) Sebastian unterscheidet nicht zwischen Buddhisten sind oder Nicht- Buddhisten, sondern zwischen Menschen, die einen entwickelten Geist besitzen oder nicht. Wie sie dazu kommen ist seiner Meinung nach erst einmal weniger wichtig. Hier ist zudem zu sehen, wie Sebastian sich eigene Unzulänglichkeiten eingestehen und die Fähigkeiten anderer schätzen kann. Wie unterscheidet sie die Art der Praxis, die sie machen von anderen Menschen, die nicht praktizieren? Das ist schwierig, weil die Menschen sind ja unterschiedlich, es gibt Menschen die sind von Natur aus gelassen und ruhig, konzentriert, cool auch, wie man es heute sagt. Und andere sind von Natur, oder wahrscheinlich haben sei es auch gelernt in ihrem Leben, einfach hektisch, angespannt, nervig und so, das erlebe ich in meinem Beruf permanent, also dass die Leute sehr sehr unterschiedlich sind und ihr Verhalten sehr unterschiedlich ist, mit wem sollte ich es vergleichen. Es gibt zum Beispiel Dinge wo ich sagen muss, da ist mein Chef, besser oder weiter als ich. Es ist nicht immer so, dass ich so cool und ruhig bin, oder nicht cool, aber gelassen bin, wie 198 ich es mir wünsche, es gibt durchaus Situationen, gerade bei der Arbeit, wo Kollege kommen und sind so was von besserwisserisch und auch uneinsichtig, ja, und man kann argumentieren und argumentieren und nichts kommt an, die werden immer wütender, steigern sich immer mehr, und irgendwann, das ist mir durchaus schon passiert, ist mir auch die Hutschnur geplatzt und dann habe ich auch angefangen rumzubrüllen und dann, glücklicherweise wusste ich, dass das kein guter Weg ist und dann habe ich gesagt, so, wir gehen zu meinem Chef. Und der war so was von sachlich und präzise und ganz gelassen, ich fand das bewundernswert, wirklich. Und das habe ich ein paar Mal bei ihm erlebt. Ich hab ihn noch nie erlebt, dass er mal aus der Haut gefahren ist, also er hat sich sozusagen, ich weiß nicht, wie es bei ihm innerlich aussieht, aber ich kann schon sagen: er hat seinen Geist im Griff. (Se, 296ff) Sebastian versucht im Berufsalltag seine Erkenntnisse praktisch umzusetzen, ihm sind die Bewahrung der Ressourcen ein Anliegen, also fährt er mit dem Zug, auch wenn dieser Entschluss bei den Entfernungen, die er zurück legen muss, manchmal unbequem ist. Wie haben sie das Gefühl, nehmen sie ihren kritischen Geist mit auf ihre Arbeit? Ja, in dem ich auch gucke, was unterstütze ich da, es gibt auch bei uns so kleine Dinge, die Unachtsamkeit heraus geschehen. Also die einfach die Tatsache, das viele Kollegen mit dem Auto zur Arbeit fahren, während der Arbeit wettern sie gegen das Verkehrssystem und entwickeln sich alternativ Ideen und Konzepte und Gesetze und was weiß ich alles und dann fahren sie aber selber mit nem dicken Auto hin und her. Ich fahre konsequent nur mit dem Zug, obwohl das einen oft ärgert, weil ich einfach furchtbar lange brauche, weil die Bahn ne Katastrophe ist inzwischen, das ist einfach unglaublich, die ist ja immer zu spät, ja. Und so gibt es bei uns viele kleine Dinge bei uns. Und zum Teil auch sinnlos Geld rausgeschmissen, wo ich mir sage, von den 400 000 Euro, die wir da jetzt rausgeschmissen haben, könnten 10 Arbeitslose, oder zumindest fünf leben. Also zum Beispiel wurde eine Videowand für Videokonfernzen eingerichtet, so ein Bildschirm, super natürlich, es gibt dann Videokonferenz wir haben ja verschiedene Orte auch in Berlin, überhaupt in ganz Deutschland verstreut und man hält dann Videokonferenzen und unterhält sich mit nem Bildschirm, aber das Ding hat eine halbe Million gekostet! Ein so ein Schirm und ich dachte mir, ist das wirklich notwendig? Es gibt ja auch einfache. (Se, 659) 199 „Vorbildführungskraft“ (in-vivo-Kode, Ti, 445) Die Bedeutung des Nutzen von menschlichen Beziehungen und Kontakten, sollte nach Tim weniger bedeutsam sein, es geht bei guter Führung nicht darum sich selber und seine Karriere im Fokus zu behalten, sondern einer Sache zu dienen, von deren Heilsamkeit man überzeugt ist. Das mache ich jetzt um den nächsten Karriereschritt zu machen, das mache ich jetzt, um ihn zu beeindrucken. Dem sage ich jetzt das, um ihn zu beeindrucken, weil der sagt es dann dem und der macht dann das, dieses ständige, was wir ja drin haben, diese ständige Nützlichkeitsargumentation. Nützlichkeitsdenken, was in vielen Führungskräften so drin ist und was im Menschenbild der BWL so stark drin ist, dass wir immer etwas tun, um am Ende des Tages etwas erreicht zu haben für uns selber. So, also für mich ist, jetzt komme ich so langsam dazu, jetzt kreise ich es so langsam ein, da hilfst du mir jetzt grad, so eine Vorbildführungskraft ist derjenige, der einer Sache dient, und nicht sich selber, irgend einer Karriere dient, sondern wirklich schaut, das sehe ich als meine Sache und da versuche ich das beste zu tun. Und natürlich dann diese ganzen Eigenschaften hat, in denen ich auch immer weiter arbeite, wo ich immer wieder merke, jetzt wolltest du wieder der Tolle sein, ja, jetzt wolltest du den wieder beeindrucken, jetzt warst du aber nicht gerade bescheiden. (Ti, 439ff) Eine gute Führungskraft ist für Sebastian jemand, der einerseits seine Arbeit akkurat und nach ethischen Maßstäben ausführt und andererseits auch die Bedürfnisse und Arbeitsweisen seiner Mitarbeiter mitbekommt und sie dementsprechend unterstützt. (...) und Achtsamkeit ist für mich das, was eine gute Führungskraft ausmacht, einer der einfach mitkriegt, was los ist und zwar erstens mit sich los ist, sich selber, was seine Arbeit betrifft, natürlich, wenn man hochachtsam ist, macht man seine Arbeit wirklich akkurat und vergisst nichts, und macht sie auch ohne hektisch zu werden, ohne Stress und dann natürlich gegenüber den Mitarbeitern achtsam zu sein also mitzukriegen, was tun die überhaupt, was brauchen sie und wo muss ich sie unterstützen. (Se, 253ff) Achtsamkeit hilft, sich seiner bewusst zu werden und sein Verhalten dementsprechend zu ändern. Die Achtung und die Wertschätzung für seine Mitarbeiter sollte die Arbeit einer Führungskraft prägen. (...) also Achtsamkeit heißt auch, auf jemanden achten, auf sich selber achten, jemanden wertschätzen auch, ich achte dich, das deutsche Wort ist ja wunderbar, in seinen ganzen Assoziationen. Ist ja ein herrliches Wort, das passt sehr sehr gut, achten, Vorsicht 200 walten lassen, Mitgefühl zeigen, das ist alles mit drin, gut ich meine Begriffe wie Mitgefühl, Gewaltfreiheit. (Se, 268ff) Für Stefan ist es wichtig, selber das zu leben, wofür man steht, also auch ein Vorbild abzugeben für andere. Also ganz konkret so, wie es Dalai Lama sagt, dass ich als Einzelner die volle Verantwortung trage für mein Verhalten als Führungskraft und natürlich auch darüber hinaus. Also das heißt, dass ich als Chef zum Einen auch das lebe, was ich propagiere, also jetzt nicht ethisches Verhalten wünschen und selber sich nicht daran halten. So dass mein sichtbares Verhalten eben auch eine Art Vorbild sein kann für andere. Das finde ich ganz wichtig, dass ich da bei mir selber anfange. Ich meine, es gibt immer die Lücken, wo man jetzt ganz gut Profit machen kann und man aber weiß, dass es schon in einer sehr grauen juristischen Zone passiert, das Ganze. Und dann eben auf den Profit zu verzichten und sagen, nein, das ist nicht mit meinen Werten vereinbaren, halte ich für so wichtig. Das ist die Grundbasis, also dass ich Werte habe und mich auch daran halte. (St, 352ff) Hier schildert Sebastian ein Negativbeispiel, wie ein unreflektierter Chef auftritt. Ich muss sagen, ich hab zur Zeit einen Chef, der vertritt das in sehr hohem Maße, ich bin voller Bewunderung, ich muss wirklich sagen, der macht das sehr sehr gut. Alle anderen, die ich vorher erlebt habe in meinem Leben, das war meistens eher ne Katastrophe, das sind dann Leute, die überhaupt nichts mitkriegen und dann ständig cholerisch rumbrüllen, weil sie nichts geregelt kriegen und meinen, sie müssten dass dann mit Gewalt durchsetzen und Schuld sind alle anderen, bloß sie nicht. Aber ich denke, das ist die Hauptqualität. Wenn man Achtsamkeit hat, dann weiß man einfach was los ist. (Se, 258ff) Durch die eigene Entwicklung der Fähigkeiten und Kompetenzen gelangt man als Führungskraft an den Punkt, wo man seine Mitarbeiter auf eine der aktuellen Weltsituation angemessene Art und Weise führen kann. (...) also ich selbst muss erstmal meine Orientierung haben und mich selbst entwickeln können und meine Fähigkeiten und Kompetenzen entwickeln können und das Thema in Gruppen, ja? Führung ist eher ein Gruppenphänomen, ja, wie kommuniziert man miteinander ist ein wichtiges Thema und letztendlich wenn man den ganzen Organismus sieht, wenn ein Unternehmen, welches ja ein Organismus ist, wenn ich das ganzheitliches System begreifen, kann ich das ja führen auf rein rationale Art und Weise 201 oder ich kann das ja führen aus einem ganzheitlichen Verständnis und aus dem Bewusstsein einer Einheit heraus und das bringt also eine ganz andere Kultur mit sich. Das ist wirklich ein wichtiger Punkt: ich glaube, wenn die Menschheit überleben soll, weil wir stehen einfach vor existentiellen Herausforderungen gerade, dann geht das nicht ohne solche Paradigmen und ohne sich damit auseinanderzusetzen: was bieten da auch die Weisheitstraditionen, wenn ich das mal so nennen will an Aussagen, die nämlich schon sehr erprobte, wirkungsvolle Prinzipien beinhalten. Nicht, das lässt sich mit reiner Systemtheorie nicht machen. Also das ist da zu Ende. (Ma, 457ff) „Brücke bauen“ (in-vivo-Kode, Ti, 279) Tims berufliche Tätigkeit besteht zunehmend darin buddhistische Praxis und Weisheit über Bücher, Seminare, Retreats und Vorträge zu verbreiten. Als ich aus Plum Village wiederkam, also als wir nach Plum Village wieder nach Deutschland gezogen sind, war klar, unser Leben steht im Dharma, das war eher ne Frage wie wir das dann miteinander verbinden? Und das hatte erstmal viele Fragezeichen, ich habe dann den ersten Schritt gemacht, meine alten Inhalte, weil ich aus dem Wissensmanagement kam und da Bücher geschrieben hatte und da sozusagen ein Experte war, das erstmal auf mein altes Feld den Buddhismus zu beziehen, oder die Achtsamkeitspraxis, und hab dann erstmal ein Buch geschrieben, wo ich Achtsamkeit auch auf den Umgang mit Wissen bezogen habe, ein kleines Buch, Wissen ist machbar hieß das. Und darüber habe ich dann wieder Lehraufträge bekommen und Seminare konzipiert und Vorträge gehalten und das so verbunden, ne und dann ging es natürlich auch schnell los, dass wir selber Retreats angeboten haben so ich habe dieses Netzwerk achtsame Wirtschaft gegründet, darüber sind Retreats gelaufen, so dass sich verschiedene Standbeine entwickelt haben, also eigentlich buddhistische Inhalte, Achtsamkeit in Seminarformate, in Retreatformate zu bringen, in Buchform, es war immer klar ich möchte nicht nur im buddhistischen Kontext sein, in den Meditationszentren, eigentlich diese Brücke. bauen. Dieses alte Feld. (Ti, 267ff) Stefan sieht in der Beharrlichkeit und in der Entwicklung von Pioniergeist zwei grundlegende Qualitäten um den Anforderung des Unternehmens zu begegnen. Eine Herausforderung ist die Erwartung der effizienten Leistungserbringung der Mitarbeiter. Das ist die Grundbasis, also dass ich Werte habe und mich auch daran halte. Auch wenn das natürlich echt nicht leicht ist, weil ja der Druck da ist, das Unternehmen will 202 schwarze Zahlen schreiben und wenn man nicht effizient genug ist, fliegt man natürlich raus aus dem System. Deswegen ist es auch so eine ungeheure Kraftanstrengung, da was verändern zu wollen. Ja, und das ist vermutlich auch so ein Punkt, dass man so ne Art Pioniergeist braucht und sich nicht abschrecken lässt von Hindernissen und Widerständen, sondern beharrlich sein Ding macht, immer und immer wieder. (St, 360ff) Achtsamkeit Achtsamkeit wird von nahezu allen Interviewpartnern als wichtige Qualität benannt. Einfach gegenwärtig im Moment zu sein, die Mitarbeiter, sich selbst und die Situation gut einschätzen zu können, in dem man aufmerksam wahrnimmt, was passiert. (...) Achtsamkeit ist für mich das, was eine Führungskraft ausmacht, einer der einfach mitkriegt, was los ist und zwar erstens mit sich los ist, sich selber, was seine Arbeit betrifft, natürlich, wenn man hoch achtsam ist, macht man seine Arbeit wirklich akkurat und vergisst nichts und macht sie auch ohne hektisch zu werden, ohne Stress und dann natürlich gegenüber den Mitarbeitern achtsam zu sein, also mit zu kriegen, was tun die überhaupt, was brauchen sie und wo muss ich sie unterstützen (...). (Se, 252ff) Tims Schwerpunkt liegt darauf, sich durch gezielte Übungen immer wieder zur Achtsamkeit zu bringen. Er versucht immer wieder innezuhalten und den Fluss des Alltags zu durchbrechen durch Atemtechniken, kurze Meditationspausen oder der Verwendung der Glocke. Das Ziel ist eigentlich 24 Stunden achtsam zu sein, für alles was ich mache. (Ti, 81) Hanna ist die ständige Überprüfung der eigenen Motivation wichtig. Achtsamkeit für die eigenen Beweggründe, die das eigene Verhalten steuern. Es geht halt so auch darum, sich ständig klar zu sein, welche Motivation man gerade hat, warum will ich dies, wieso handle ich so, das ist extrem wichtig, diese innerliche Wachheit. Vor allem, wenn meine Entscheidungen viele andere Menschen beeinflussen, dann ist das ja besonders bedeutsam.(Ha, 616ff) Sebastian denkt auch an die Wirkungen der Achtsamkeit. Mitarbeiter fühlen sich wahrgenommen, wenn Achtsamkeit praktiziert wird, es werden besser durchdachte Entscheidungen gefällt und auch die Führungskraft wirkt anders, wenn sie Achtsamkeit praktiziert. Sie gewinnt an Präsenz. Ihre Ausstrahlung ist kraftvoller, wenn sie nicht nur körperlich, sondern auch innerlich anwesend ist. 203 Auf dieses Thema ein bisschen zu achten, auf die Achtsamkeit zu achten, wenn Führungskräfte das bewerkstelligen, das strahlt unheimlich aus. (Se, 612f) Sebastian schildert eindrücklich, wie eine Führungskraft reagieren kann, wenn sie nicht achtsam agiert. Sie bleibt dann gefangen in alten Reaktionsmustern und legt damit ein automatisches, nicht aber ein hilfreiches Verhalten an den Tag. Alle anderen, die ich vorher erlebt habe in meinem Leben, das war meistens eher ne Katastrophe, dass sind dann Leute, die überhaupt nichts mitkriegen und dann ständig cholerisch rum brüllen, weil sie nichts geregelt kriegen und meinen, sie müssten dass dann mit Gewalt durchsetzen und Schuld sind alle anderen, bloß sie nicht. (Se, 259ff) Achtsames Handeln Tim versucht den ganzen Tag über achtsam und bewusst zu agieren. Dabei helfen ihm mehrere tägliche Meditationen, aber auch technische Stützen, wie etwa ein Computerprogramm, das in unregelmäßigen Abständen die Tastatur blockiert und ihn so daran erinnert, für einige Momente inne zu halten. (...) in unserer Tradition ist ja die Meditation nicht nur das Sitzen, das Sitzen ist eben eine Form, das Wesentliche ist, dass wir das den ganzen Tag über machen. Jetzt eigentlich auch, wenn ich jetzt meinem Atem folge und tief zuhöre auf Deine Frage, dann.... jetzt auch. Das Ziel ist eigentlich 24 Stunden achtsam zu sein, für alles was ich mache. (Ti, 79ff) Das achtsame Handeln lässt sich in den Berufsalltag übertragen, in dem man sich vornimmt bei der anstehenden Tätigkeit so viel Aufmerksamkeit wie möglich in das Verhalten zu integrieren. Die Aufgabe besteht darin, ganz bei der Tätigkeit zu bleiben und sich nicht in eigenen Gedanken zu verlieren, die sich häufig mit der eigentlichen Aufgabe vermischen, z. B. Bewertungen der Aufgabe, Beurteilungen des eigenen Verhaltens, oder Erinnerungen, die mit der Tätigkeit verknüpft sind. Ah ja und die Arbeitsmeditation. Arbeitsmeditation, sich wirklich mal eine Periode zu nehmen, das ist jetzt nicht nur einfach Arbeit das muss jetzt schnell weggemacht werden, sondern bewusst zu arbeiten, beim Atem zu bleiben, das ist auch was, was in den Retreats, die ich anbiete immer sehr zentral ist, dass eine Periode am Tag wirklich Arbeitsmeditation ist, mindestens ne Stunde, das genieße ich auch in Retreats, da habe ich häufig die größten Einsichten über mich gehabt. In der Arbeit, während der Arbeit, so zu sehen, jetzt schneide ich hier die Karotte, aber ich packe so viel extra drauf und 204 das Extra ist mein Vergleichen, mein Ärger, meine Spannung die ich habe, oder mein Werten, dass ich jetzt so eine stumpfe wenig wertvolle Arbeit mache, und dabei könnte ich jetzt doch das und das machen, ja Arbeitsmeditation, das ist so das Spektrum. (Ti, 179ff) Stefan gibt ein Beispiel dafür, wie achtsames Handeln sich positiv auf die Unternehmenskultur auswirkt. Und wie schaffen sie das, also dass sie den Pioniergeist durchsetzen oder zu ihren Werten stehen? Gute Fragen, also ich denke, dass mir meine Praxis dabei ungemein hilft, weil sie mich einfach flexibler und spontaner macht, also mir auch bewusst macht, wo ich fest stecke mit meinem Denken. Und ja, ganz konkret hilft mir da Achtsamkeit, weil das ne Möglichkeit ist, von Augenblick zu Augenblick präsent zu sein und ich durch mein Training es jetzt merke, wenn ich mich emotional oder gedanklich irgendwo festfahre. Das ist ganz zentral. Weil wir ja so oft reagieren, einfach reagieren, ohne darüber nach zu denken oder zu reflektieren, warum handle ich so wie ich handle? Also der Mensch hat die Gewohnheit auf äußere Reize zu reagieren, ich sehe was, schwups, möchte ich es haben und tue alles daran, es zu bekommen, dass ist ein starker Mechanismus. Und Achtsamkeit hilft da jetzt, das einfach zu bemerken, dass ich was möchte, was ich unter Umständen gar nicht wirklich brauche. Oder dass ich jetzt emotional reagiere und dann den harten Chef rauslasse. Das war früher ganz massiv. Immer wenn Druck von oben kam, hab ich einfach rot gesehen und dann los agiert, meine Mitarbeiter angetrieben, als wären das Maschinen, teilweise sehr krass. Und da gehe ich jetzt anders mit um, da besinne ich mich erstmal. Analysiere. Suche ein Gespräch. Und ich kann sagen, dass sie Entscheidungen, die aus so einer Position entschieden werden, also die sind einfach viel besser, effektiver, als dieses blinde um sich schlagen, dass so viele Topleute in den obersten Führungsetagen drauf haben. Dass aber langfristig betrachtet absolut schädlich ist. (St, 382ff) Achtsame Kommunikation Tim beschreibt, wie eine achtsame Einstellung, sich auf die Kommunikation auswirkt und auch auf die Fähigkeit des Zuhörens. Aber ich gehe dann eher so ran, dass ich sage, am Meisten lernst du wie du anders mit Wissen und Information umgehst, wenn du Achtsamkeit kultivierst, in dem du siehst, wie bestimmte Medien auf deinen Geist wirken und dann gebe ich ihnen Tools, wie man das 205 macht, dann unterbrechen wir und atmen, oder wir machen die Gehmeditation und dann entsteht so eine Atmosphäre und in dieser Atmosphäre merken sie auf einmal wie die Kommunikation sich verändert, wie man tiefer miteinander... wie man anders zuhört, wie es ruhiger wird, oder sie merken auf einmal, wie ihre Gedanken so schnell rotieren und dass das natürlich eine der zentralen Themen ist, wie sie mit Informationen umgehen, oder wie sie überhaupt was aufnehmen können, wie sie offen sind. So. Das heißt im Mainstream ist es immer so, das ich erstmal das es so eine Phase des Befremdens, der Fremdheit gibt, wo ich rüber gehen muss. Oder auch im Gespräch in der Kommunikation, wo ich jetzt anders zuhöre und nicht immer diese Ping Pong Kommunikationsspiele mitspiele, sondern auch einfach länger mal still bin und zuhöre und dann antworte, dass es eine andere Form von Gespräch ist. (Ti, 754ff) Sebastian untersucht die Auswirkungen der Achtsamkeit und stellt fest, dass die Kommunikation wesentlicher wird. Dann kann ein Klima des offenen Miteinanders geschaffen werden und dann wird die interne Kommunikation von dem bestimmt, was wir alle für wichtig halten und dann fällt auch diese ganze Konkurrenz Schiene und so weiter einfach mal weg. (Se, 682ff) Martin schildert, wie achtsame und bewusste Kommunikation ein Team harmonischer und offener machen kann. Und es ist definitiv so, dass die Art der Führung sich einfach ändert, die Art der Kommunikation zwischen dem, der führt und den anderen sich verändert und das hat einfach zur Folge, dass ich versuche, das mal möglichst konkret zu machen, weil dass ist so vielschichtig. Also nehmen wir mal das Thema Kohärenz, also ein Team ist dann effektiv und effizient, wenn es kohärent agiert. Das Gegenteil wäre inkohärent, jeder macht so seins, das ist nicht miteinander synchron und das geht irgendwie völlig auseinander, was alle tun. Und Kohärenz, sie haben einen Zusammenhang, die haben eine Verbindung, und arbeiten auf ein Ziel hin. Und es gibt jetzt viele Effektive, die dazu führen, dass es in einem Team Inkohärenzen gibt. In dem sich niemand richtig zuhört, indem Interessen nicht offen gelegt werden, weil man Angst hat das zu sagen, weil sie anders sind, als von anderen Teammitgliedern, weil ich nicht gehört werde mit meinen Punkten, weil jemand nicht nachfragt, wenn was nicht in Ordnung ist, weil es keine Untersuchung der Ursachen gibt, sondern man immer nur über die Phänomene spricht und so weiter (...) (Ma, 575ff) 206 10.5.2 „Das gemeinsame Sein“ (in-vivo-Kategorie, Ma, 776) Martin stellt fest, dass das Lernen nicht aufhört, er lernt jeden Tag in den verschiedenen Kontakten mit Menschen und aus den vielen Ereignissen, die passieren. Entwicklung ist ein stetiger, sich ständig verändernder Prozess. Aber einfach durch das gemeinsame Sein mit vielen Anderen, die viele gute Eigenschaften und Ideen und Dinge hatten, habe ich halt sehr viel darüber gelernt darüber, glaub ich, ja, also einiges gelernt, damit komme ich soweit wie ich komme, ja. Ich glaub was anderes lässt sich da nicht dazu sagen und ich lerne täglich dazu, also, also jetzt grad wieder in dieser Führungsposition wo ich jetzt bin, kommen immer wieder neue Situationen auf mich zu, die ich nicht kenne und denen ich mich völlig neu stellen muss (...). (Ma, 777ff) Für Hanna liegt der Schwerpunkt im Gegenüber, darin, dass das eigene Verhalten dem Wohle aller dienen sollte. Aus buddhistischer Sicht lässt sich sagen, dass Führende wie ein Bodhisattva handeln sollten, das heißt, immer das Wohl aller im Blick haben sollten. (Ha, 670f) Aber des ist etwas was ich tue und das ich halt letztendlich mir schon immer vergegenwärtige, dass es jetzt nicht um meinen kleinen persönlichen Erfolg geht, für den Moment, dass das einfach eine viel zu kleine Klammer ist, dass der Bogen viel, viel größer ist. (Ha, 608ff) Stefan gibt ein deutliches Beispiel, von einer gemeinschaftlich orientieren, nachhaltigen Geschäftsführung. Und was dann sich ergibt, ist die Einsicht, dass wir einfach alle voneinander abhängig sind. Und das zu Ende gedacht bedeutet, dass wir alle davon abhängig sind, dass wir alle ethisch und verantwortungsvoll handeln. Wir sind ein großes Volk wenn man so will. Also damit meine ich, wenn ich jetzt T-Shirts produziere, da kenn ich mich halt aus zum Beispiel. Und ich kann die produzieren, indem ich den billigsten Anbieter nehme und dann lässt der in Indien eine Tonne Pestizide über die Felder schütten, von Männern und Frauen ohne jeglichen Schutzanzug und nach ein paar Jahren ist da unten dann alles im Arsch. Die Leute sind krank, die Felder vergiftet und die Qualität der Baumwolle miserabel. Und dann muss ich halt ein neues Feld auffressen und so weiter. Oder ich erhöhe die Marge und dann produziert der Bauer auf einer nachhaltigen Basis und die Qualität steigert sich und wenn man dann noch so ne Art Genossenschaft reinsetzt, dann fällt die Magre an den Zwischenhändler weg, der ja 207 letztendlich nichts weiter macht, als den Gewinn des Bauern zu kassieren. Und dann passiert da was. Dann kann man anders kalkulieren, es wird nachhaltig produziert und auf lange Sicht muss ich gar nicht mehr investieren, da da unten eine solide Basis entsteht und ich nicht alle vier Jahre mir neue Bauern suchen muss, die ich ausplündern kann. Aber dieses Denken, also das Wort langfristig und Nachhaltigkeit, da schrecken noch viele Unternehmen erst mal ganz massiv zurück, weil es auch bedeutet, jetzt investiere ich erstmal was, jetzt kuck ich mir erstmal was an, um was es geht. Und ich sag das jetzt ganz klar, die Unternehmen setzen immer mehr so junge, aufstrebende Business Leute in die ausführend Positionen, weil die einfach so gepolt sind, die Dinge knallhart umzusetzen wie die es eben auf der Schule lernen. Und die sind einfach meistens noch gar nicht in der Lage, einen weiteren Blickwinkel ein zu nehmen. Da braucht es schon auf eine gewisse Erfahrung und Umgang mit vielen Menschen. (St, 402ff) Nicht-Bewerten Alexander arbeitet auch mit Menschen, die neu mit buddhistischen Inhalten in Berührung kommen, hier empfiehlt er den Teilnehmern in seinen Kursen, dass sie ihre Gedanken einfach einmal nur beobachten, ohne sie zu bewerten. Der denkende Verstand urteilt häufig pausenlos. Das einmal nicht zu tun, kann für viele schon eine gute Übung sein. Also den Teilnehmern zu sagen, es geht jetzt wirklich nur darum, einfach nur da zu sein. Achtsam der Atmung zu folgen, wenn Gedanken kommen, es einfach nur wahrnehmen, es nicht zu bewerten, ganz wichtig, dieses Nicht Bewerten, einfach akzeptieren, annehmen, wie es ist. Sich selbst vor allem, ist ein sehr wertvolles Mittel das würde ich sagen, ist auf jeden Fall stark buddhistisch. (Al, 169ff) Respekt vor der Gruppe Tim hat als Dozent einiges gelernt im Laufe der Zeit, ihm ist es wichtig, den Stand der Gruppe zu respektieren. Für viele sind seine Inhalte neu, er hat gelernt, wie er eine Gruppe anleitet, so dass es ihnen leichter fällt, sich auf die Themen einzulassen, mit denen er zu ihnen kommt. ...diese Widerstände, die da sein können, und eben auch auf die eigenen Energien zu achten, wie viel geht, wie viel geht nicht, und auch zu respektieren, dass ne Gruppe nur 208 so weit geht Und dann auch noch Methoden zu finden, die ihnen auch hilfreich sind. Ja. (Ti, 328ff) Networking Tim versucht Menschen zusammen zu bringen, die sich in die selbe Richtung entwickeln möchten. Das ist für mich auch einer der nächsten Schritte, die ich mache, das ich jetzt versuche Unternehmer zusammen zu bringen, die diesen Schritt machen wollen und die zu begleiten, und das sie auch in Austausch kommen miteinander. Das ist jetzt ein nächster Schritt im Netzwerk achtsame Wirtschaft. (Ti, 379ff) Auch Stefan sieht viel Kraft in der Zusammenkunft von Gleichgesinnten. Letztendlich müssen wir uns zusammen tun. Netzwerke sind ja so ein Schlagwort und da ist viel Kraft drin. Wenn ein Unternehmer jetzt was macht, was so ein bisschen aus dem Rahmen fällt, dann wird der besten falls belächelt, aber wenn sich dann mal zwei Dutzend Unternehmer zusammen tun und dem einen guten Namen geben, dann wird gleich aufgehorcht und gekuckt, was machen die so, wie wirkt sich das aus? Ist da was raus zu holen? Man muss eigentlich nur die Leute mit ihren eigenen Waffen schlagen, also wenn was effizient aussieht und guten Gewinn verspricht, dann springen die Leute auf den Zug und wenn das Ganze dann einem guten Zweck dient, dann auch gut. (St, 429ff) 10.5.3 Achtsame und empathische Führung Hanna ist es wichtig, dass sich die Führungskräfte in die Mitarbeiter hineinversetzen können. Dazu brauchen sie ein Interesse am Gegenüber. Das Interesse wird in der buddhistischen Denkweise geschult, viele Texte beziehen sich darauf deutlich zu machen, dass wir Menschen miteinander verbunden sind. Unser Glück hängt auch vom Glück anderer ab, es fällt uns leichter glücklich zu sein, wenn es die Menschen mit denen wir uns umgeben auch sind. Aber was ich in der Regel mache, auch vor dem Coaching, egal was ich mache vor einer beruflichen Aktivität, ich mach immer Wünsche, dass das was ich tue, einfach zum Besten aller sein möge und dass ich das Bestmögliche mache, was ich jetzt beitragen kann. aber immer dieser überpersönliche Aspekt, immer diesen Bodhisattva Wunsch halt mache. Das das was geschieht, das es halt das Bestmögliche ist, was geschehen möge. (Ha, 600ff) 209 Aus diesem Wunsch, dafür zu sorgen dass es allen Lebewesen gut ergehen möge, ergeben sich viele Einstellungen und Verhaltensweisen. Alexander hebt den richtungsweisenden Aspekt hervor. (...) dann finde ich dass der Buddhismus da einen sehr klaren Weg weist, der heißt, für alle Wesen. Das heißt also nicht nur für meine Mitmenschen sondern auch, für alle Tiere. Aber letztlich auch für alles, was ich letztlich gar nicht weiß. Und das ist letztlich ein hoher ethischer Anspruch, mein Verhalten entsprechend so ethisch auszurichten. Und das ist auch, was ich meine mit Kompassnadel, Ich finde eine Führungskraft führt. Und ne Führungskraft muss eine Richtung haben. Und der Buddhismus hat eine ganz klare Richtung. Und wenn diese Richtung nicht klar ist, werde ich mich als Führungskraft auch verheddern. Und deswegen glaube ich, dass der Buddhismus eine große Hilfe sein kann, was ist denn das große Ziel, was über allem steht. (Al, 501ff) Tim hebt hervor, dass das innere Interesse durch geschickte Mittel gut transportiert werden sollte. Mit diesem Aspekt geht es auch in Richtung Weisheit, eine Führungskraft sollte sich überlegen, in welcher Art und Weise sie ihren Mitarbeitern zur Seite stehen kann. Also walk the talk, Menschenliebe, sinnvollen Idealen dienen, in Kontakt gehen können, tiefes Zuhören, und dann vielleicht auch noch so etwas zu finden, wie skillful means, also geschickte Mittel um Einsicht zu vermitteln oder eben Menschen auch zusammen zu bringen. (Ti, 433ff) Förderliches Handeln bedeutet auch, als Führungskraft die notwendigen Fähigkeiten zu vermitteln, die es braucht, um ein Handeln zu entwickeln, dass die Welt auf einen konstruktiven Kurs bringt. Martin hebt den integralen Aspekt hervor. Es braucht verschiedene geschickte Mittel, rein rationale Theorien sollten ergänzt werden durch Erkenntnisse aus den Weisheitstraditionen, die wert auf Praktiken legen, die über das kleine Selbst hinaus gehen und damit einen Raum für eine größere Perspektive öffnen. Ich glaube, wenn die Menschheit überleben soll, weil wir stehen einfach vor existentiellen Herausforderungen gerade, dann geht das nicht ohne solche Paradigmen und ohne sich damit auseinanderzusetzen, was bieten da auch die Weisheitstraditionen, wenn ich das mal so nennen will an Aussagen, die nämlich schon sehr erprobte, wirkungsvolle Prinzipien beinhalten. Nicht, das lässt sich mit reiner Systemtheorie nicht machen. Also das ist da zu Ende. Wir haben ja so eine Ausbildungsklasse wo wir mit F ü h r u n g s k r ä f t e n a r b e i t e n z u m T h e m a S e l b s t f ü h r u n g , Te a m f ü h r u n g , Organisationsführung. Und da kann man ja auch so rein rationale Modelle hernehmen 210 und System und Chaostheorie und so und das bringt schon bestimmte Einsichten aber es fehlt dann was. Also in dem integralen Sinne, braucht es eben das eine und das andere, nichts gegen gutes Management und rationale Erkenntnisse, wie Systeme funktionieren, aber es braucht eben auch die Entwicklung dieser Tugenden, die sich eben ohne so eine Praxis nicht aufbauen lassen. Und eine Perspektive auf mich selbst in meiner Organisation, die eben eine ganzheitlich- integrierte Perspektive ist, sonst bleibe ich da einfach irgendwo hängen. (Ma, 464ff) Den Einzelnen fördern Tim beschreibt den Balanceakt zwischen den Interessen des Einzelnen und den Interessen des Unternehmens. Diese Gradwanderung besteht auch im Coaching, Tim geht es nicht darum den einzelnen Mitarbeiter so zu coachen, dass er wieder geschmeidiger den Werten der Organisation dient, wenn es nicht seine eigenen sind. Ihm geht es darum dem Einzelnen zu helfen, dass dieser den nächsten Schritt vollziehen kann, den er für seine Entwicklung braucht. Deswegen sind seine Seminare auch keine klassischen Führungstrainings, sondern ausschließlich eine Möglichkeit mehr Achtsamkeit zu kultivieren. Aus der steigenden Achtsamkeit können auch unbequeme Schritte hervorgehen, denn es entsteht auch eine Sensibilisierung für die eigenen Gefühle, für die Qualitäten der eigenen Handlungen. Viele sind in dieser Sandwichposition, sie haben schon Verantwortung, aber sie kriegen von oben Druck und ich bin nicht derjenige der was anderes machen kann. Kenn ich von einigen die da..., unsere Aufgabe ist es die irgendwie fit zu machen, dass die ihren Job machen können, diese Führung, dass die weiter führen können, im Sinne letztendlich dieser Unternehmensstile. Aber das seh ich nicht als ne Aufgabe an, jemanden der vielleicht in einer destruktiven Organisation ist, wo ne schlechte Kultur oder ne vergiftete Kultur ist, den irgendwie am Leben zu halten, sondern mir gehts darum, nicht an den Einzelnen, das der Einzelne für sich den nächsten Schritt machen kann und nicht das die Organisation irgendwie weiterhin eine besser funktionierende Führungskraft hat und das ist so ein bisschen der..., die Gradwanderung so, wo ich dann auch merke, in so klassische Führungstrainings passt das in der Regel einfach gar nicht so rein weil denn genau dieser Effekt eintreten kann, Organisationstraining und danach warten die denn, also die einen gehen in den Widerstand, und sagen so was wollen wir nicht, wir wollen Tools, wir wollen jetzt schneller werden oder wie wir kommunizieren können, damit die 211 Leute wirklich das machen, was ich will oder damit die Leute im Sinne der Organisationsziele führen können, haben sie da nicht Tricks und so? Aber alles was in Richtung Manipulation und so geht, ja... Deswegen sehe ich immer mehr die Zielgruppe so beim Einzelnen, der den nächsten Schritt machen will, oder beim Unternehmer, der tatsächlich sich überlegt erst auf seine Person und dann das ganze auf seine Organisation anwenden wird. (Ti, 362ff) Hanna erwähnt zwei Aspekte um einzelne Mitarbeiter zu fördern. Zum Einen sind ihrer Meinung nach Grenzen wichtig, um dem Mitarbeiter bei Fehlverhalten zu signalisieren, dass es auf diesem Weg nicht weiter geht, andererseits hebt sie auch hervor, wie wichtig es ist, das Selbstvertrauen und die Fähigkeiten der Mitarbeiter zu verstärken und sie zu inspirieren. Ich finde, dass trifft es ziemlich gut, auch was gute Führung ist, also jemand der kraftvoll schützt, der nicht die Auseinandersetzung scheut und auch nicht dem aus dem Weg geht, was unangenehm ist, ja, aber es eben auch mit einer überpersönlichen Einstellung tut, nicht ums einen persönlichen Groll abzureagieren, sondern halt um zu sagen, das geht überhaupt nicht, das muss man auch tun. Das kennt man aus der Erziehung, das ist ja letztendlich auch Führung. Dass man halt nicht die kleinen Ego Monster herbei züchtet, sondern sagt, ne, hier ist so ne Grenze und dass muss man letztendlich bei Führung auch tun. Und aber eben auch inspirierendes und bereicherndes und auch Menschen, die eher so, na, nicht so viel Vertrauen haben in ihre eigene Fähigkeiten, dass man denen halt auch so ganz mild und befriedend begegnen kann. Letztendlich das tut, was einfach, was halt andere befähigt, bestmöglich. (Ha, 477ff) 10.6 Achsenkategorie „Intervenierende Variablen“ 10.6.1 Buddhistische Praxis Alle Befragten praktizierten täglich buddhistische Methoden, manche mehrmals täglich. (...) da gibt es verschiedene Formen, die ich da habe, also so etwas wie formlose Meditation, Meditation auf Form, arbeiten mit Koans, in die Leerheit schauen, ins nackte Sein, sozusagen. Und es gibt eine ganze Reihe von Atembezogener Meditation, das ist eine Zusammenstellung bei mir aus schamanistischen plus hinduistischen plus buddhistischen Techniken, wobei das haben eigentlich alle Meditationssysteme, haben so atemorientierte Übungen dabei. (Ma, 8ff) 212 „Am wahren Selbst andocken“ (in-vivo-Kode, Al, 201) Buddhistische Praxis bedeutet für Alexander, immer wieder am wahren Selbst anzudocken, um sich nicht von automatisierten Gedanken,- und Gefühlsabläufen leiten zu lassen. Gibt es irgendwelche Methoden, die sie so für sich anwenden? Es ist vor allem morgens, also diese Praxis ist ja eigentlich eine Übung und dieses Üben hat nur den Zweck, damit man immer wieder da andockt. Also wir nennen das an dem wahren Selbst andocken, sie ist deswegen wertvoll, weil wir verstauben recht schnell. Verstauben heißt, da kommen so viele Gedanken, die das alles wieder so zusetzen und dann sind die Gedanken wieder realer als die wirkliche Erfahrung. Was ich schon merke über die Jahre ist, das mir die Praxis wirklich hilft schneller zu merken, wann ich jetzt wieder meinen Gedanken folge und damit auch den Gefühlen. Gedanken lösen ja Gefühle aus, wenn ich Dinge bewerte und denke. Mein Gott, das ist jetzt aber wahnsinnig stressig und anstrengend und dass ich dann schneller merke: Du machst das jetzt. Das machst Du! Die Dinge an sich sind leer, sie haben kein Eigenleben sondern es ist jetzt meine Interpretation das wieder rum mein Karma ist. Und damit habe ich einen Schlüssel in der Hand, der mir hilft, zu sehen, dass das was ich erlebe ein Spiegel meines Karmas ist und das heißt aber, das ist zum Beispiel eines der Missverständnisse, was Karma betrifft, Karma ist nichts, was ich nicht beeinflussen könnte. Sondern es ist etwas, was ich tatsächlich gestalten kann. Und dafür brauche ich auch dieses Echo meiner Umwelt, um zu merken, da gibt es bestimmte Punkte. (Al, 198ff) „Loskommen von sich selber“ (in-vivo-Kode, Se, 353) Sebastian und Stefan sehen einen Aspekt der Meditation darin, sich von den eigenen Konditionierungen zu befreien. Und meistens halten wir an uns fest, an unseren Konzepten, unseren Sichtweisen, ja und der andere wird dann so interpretiert, wie wir meinen, dass er denkt, ja oder, was wir für richtig halten. Ja und der andere denkt ganz anders und das heißt dann ein Wegkommen, ein loskommen von sich selber. Was glauben sie hilft ihnen dabei, loszukommen, von sich selber? Das ist wirklich ne Sache von Meditation, Öffnung, Gedankengänge, die Prozesse in denen wir permanent drin sind, etwas zu minimieren. Ganz beenden können wir es ja nie, aber dass sie uns nicht so überschwemmen, das man ständig nur in seinen eigenen Gedanken und Vorstellungsgebäuden und vor lauter eigener Käfigwelt, das andere nicht mehr sieht. (Se, 350ff) 213 Stefan hebt hervor, dass die eigene Wahrnehmung sehr durch subjektive Meinungen, Erfahrungen und Kognitionen über die Welt geprägt ist. Somit geht man im Buddhismus davon aus, dass es keine objektiv richtige Wahrheit geben kann, sondern nur eine subjektiv so erlebte Wahrheit gibt. Ich meine, wir sind normalerweise nicht dazu imstande unsere fest gefahren Sichtweisen zu hinterfragen, oder? Wir sind halt kulturell geprägt, von unseren Eltern und so weiter, da haben wir einen bestimmten Fokus auf bestimmte Dinge. Wir glauben, die Welt ist so wie ich sie wahrnehme. Und da hilft mir die Praxis doch sehr, zu bemerken, dass meine Wahrnehmung, wie soll ich sagen, also, ganz extrem, ich bilde mir halt das alles nur ein, was ich wahrnehme, es ist nicht die Wahrheit. (St, 184ff) Stefan schildert ein Beispiel, wie eine lange bestehende Sichtweise von ihm mit der Wirklichkeit kollidierte. Haben sie ein konkretes Beispiel dafür? Auch in Bezug zum Thema Führung? Ein Beispiel, ja, da gibt es viele, ich überlege gerade, also, ja, aus der Zeit als ich noch in einer strengeren Hierarchiekette war, also da hatte ich eine ganz andere Vorstellung davon, was meine Chefs waren. Oder Führungskräfte so allgemein. Ich hab sie ein Stück weit idealisiert, würd ich sagen, also das ging schon so weit, dass ich denen Charakterstärken zugeschrieben hab, die einfach nicht da waren. Also so was wie Integrität, Weisheit und so was. Ich hatte da so ein Konzept in mir, dass gesagt hat, wenn man ganz oben ist, dann ist man eine reife und wache Persönlichkeit. Und irgendwann hab ich dann mitgekriegt, dass dem einfach nicht so ist. Dass da auf der oberen Führungsebene sich eine Menge Idioten tummeln, die nur oben sind, weil sie absolut rücksichtslos sind. Von Integrität und Weisheit ist da nix zu spüren, echt nicht. Na, da haben auf alle Fälle meine Konzepte einen Crash erlebt mit der Wirklichkeit. (St, 191ff) „Naturmeditation“ (in-vivo-Kode, Ma, 78) Martin erlebt die Natur als einen Kraftort, im Wald ist es ihm möglich sich mit der Welt intensiver verbunden zu fühlen. Er erlebt seinen Aufenthalt in der Natur als Meditation und erlebt andere Zustandserfahrungen. Wo wir grad bei Praxis sind, ich habe noch verschiedene Formen, außer der Meditation, die ich da mache, da ist bei mir so etwas wie Naturmeditation, ich habe 214 eine sehr starke Verbindung zu Wald. Das ist ne Verbindung von einer Laufübung mit einer wirklich - also das ist eine spirituelle Praxis. Also ich bin, wenn ich da im Wald bin, sehr sehr verbunden mit dem ganzen Planetenfeld. Und mit diesem Wald und was immer da an Präsenz und Bewusstsein ist, da ziehe ich wirklich viel Erkenntnis und Kraft raus,das ist für mich eine sehr wichtige Sache, deswegen wohnen wir auch hier draußen in Waldnähe. Das ist eine besondere Form, mit der lebenden Natur herum zu kommunizieren, das sind eben Pflanzen, Tiere, der Wald an sich, das ganze System, was da ist. Wald ist ein Kraftort, da ist unglaublich viel energetische und auch intelligente Präsenz da und das ist für mich ein ganz wichtiger Faktor. (Ma,77ff) Erfahrung der Stille Alexander arbeitet gerne mit Gruppen, für viele ist es leichter die Erfahrungen der Stille zu machen, wenn sie nicht alleine sind, sondern eine ganze Gruppe zusammen schweigt. Alexanders Erfahrung nach, sind klare Anleitungen eine gute Stütze für die Teilnehmer die bisher eher selten mit diesen Techniken in Berührung gekommen sind. Es hilft ihnen, dabei die Erfahrungen der Stille aufrechterhalten zu können, und nicht in die eigenen Gedankenströme einzutauchen. Wir nutzen auch die Stille, um einfach mal die Erfahrung zu machen, wenn es nur ein paar Minuten sind, um einfach mal das Nichts-Tun zu erfahren. Was wir immer wieder erleben, ist, das eine Gruppe hilfreich ist und auch ne ganz klare Anleitung. (Al, 167ff) Gemeinschaftliche Praxis Für Hanna besitzt die buddhistische Praxis auch einen stark gemeinschaftlich orientierten Charakter. (...) es geht nicht drum, dass jeder hier so sein kleines gemütliches Schrebergärtchen hat, sondern wir brauchen eine Gemeinschaftsküche und es geht wirklich drum, was gemeinsam zu machen und sich aneinander zu reiben und zu entwickeln und letztendlich das Ego zu schleifen. Darum geht´s halt. (Ha, 56ff) Hanna sieht in der gemeinschaftliche Praxis eine Möglichkeit für jeden einzelnen Offenheit und Kraft zu erfahren. (...) aber es ist, das fand ich unglaublich befreiend und sehr inspirierend einfach so und das geht mit immer noch so bis heute, also das halt, wenn ich da irgendwie so, ich sag jetzt mal so, in dieses Kraftfeld reinkomme, auch so vom Lama und letztendlich steht ja 215 dann die Sangha vertretend dafür, das es einfach aufmacht, es öffnet, es zeigt einfach was möglich ist und den Reichtum, es engt nicht ein und es ist irgendwie, das ist natürlich für mich persönlich erstmal sehr schön, aber es löst auch so Grenzen auf, also in einem sehr guten Sinne und das war was mich damals schon sehr schnell, denk ich so, einfach überzeugt hat. (Ha, 175ff) Frieden und Einsicht Für Sebastian bestehen die Früchte der Meditation aus innerem Frieden und Einsicht in die Natur der Wirklichkeit. Warum meditieren sie? Was treibt sie an? Also weil es einfach Frieden, Gelassenheit, Loslassen können bewirkt. Also das ist der eine Grund, gleichsam der direkte, das der Geist zur Ruhe kommt. Und der andere, beim Vipassana ist es ja so, dass es um tiefe Einsicht geht, in die Natur der Wirklichkeit. Und das interessiert mich einfach auch vom philosophischen Aspekt her. Direkte Wahrnehmung der Wirklichkeit zu machen und das betreibe ich gewissermaßen als Forschungsprojekt. Da kannst Du so richtig sehen, was passiert da. (Se, 143ff) Orientierung durch spirituellen Lehrer Tim fühlt eine tiefe Verbundenheit zu seinem Lehrer, der ihm ein Vorbild ist und ihm eine Orientierung gibt. Ich hab vielmehr jetzt meine eigenen Themen und meine eigenen Ideen und ich hab vor allen Dingen auch so etwas wie eine spirituelle Heimat ja, ich habe einen Lehrer oder ich habe mehrere Lehrer, die mich inspirieren, ich hatte im Studium nicht wirklich einen Lehrer, den ich jenseits seines Fachwissens, der mich irgendwie tief berührt hat, oder wo ich gesehen hätte hier: Chapeau, ja, oder tiefen Respekt. Also wirklich heilsame Vorbilder, die sind da, und nicht nur in meiner Tradition, sondern auch woanders, auch in anderen Religionen oder auch andere Persönlichkeiten. Also da ne Orientierung. (Ti, 635ff) Kritischer Geist Stefan sieht die Herausbildung seines kritischen Blickes als ein Resultat seiner Praxis. Er überprüft ob etwas für ihn passend ist oder nicht und nimmt es nicht mehr so hin. Hierbei 216 prüft er sowohl Meinungen, die von außen an ihn heran getragen werden, als auch innere Urteile und Sichtweisen. So gesehen hab ich einfach auch gelernt, die Dinge kritischer anzuschauen. Also ein Stück weg zu kommen von, na, von vorgegebenen Meinungen und das heißt eben auch von mir selbst vorgegebenen Meinungen, das ist ein ganz wichtiger Punkt. (St, 202ff) Sebastian versucht die Erkenntnisse, die er in seinen Meditationen hat, auch auf sein Leben zu übertragen, so empfindet er es als sinnvoll mit dem Zug zu fahren, um die Umwelt zu schonen. Er fährt beruflich viele weite Strecken und hat trotzdem kein Auto, er fährt konsequent mit dem Zug. Wie haben sie das Gefühl, nehmen sie ihren kritischen Geist mit auf ihre Arbeit? Ja, in dem ich auch gucke, was unterstütze ich da, es gibt auch bei uns so kleine Dinge, die aus Unachtsamkeit heraus geschehen. Also die einfach die Tatsache, das viele Kollegen mit dem Auto zur Arbeit fahren, während der Arbeit wettern sie gegen das Verkehrssystem und entwickeln sich alternativ Ideen und Konzepte und Gesetze und was weiß ich alles und dann fahren sie aber selber mit nem dicken Auto hin und her. Ich fahre konsequent nur mit dem Zug, obwohl das einen oft ärgert, weil ich einfach furchtbar lange brauche, weil die Bahn ne Katastrophe ist inzwischen, das ist einfach unglaublich, die ist ja immer zu spät, ja. (Se, 661ff) Tim hat sich kritisch mit seinem gesamten Leben auseinander gesetzt und hat sich u. a. von beruflichen Zielen befreit, die er nicht mehr länger als sinnvoll erachtet hat. Nach diesem Befreiungsschlag vermied er den Kontakt zu allem, was ihn an das alte Leben erinnerte. Er sah sich und seine neue Lebensweise bedroht. Mittlerweile hat sich sein Leben so fest etabliert, dass er nicht mehr das Gefühl von Bedrohung hat, er kann diese Kultur der Schnelligkeit und Hochleistung nun aus einer Art Distanz betrachten. (...) ja dieses alte, diese Hochleistungskultur, Unternehmensberatung, Investmentbanking, Unikarrieren, 60, 70 Stunden Woche, das habe ich erstmal als eine Bedrohung gesehen (...) (Ti, 708ff) Kollektives Denken Martin stellt fest, dass unser Denken maßgeblich durch die Kultur beeinflusst wird, in der wir leben, wir können uns nicht als getrennt wahrnehmen. Seiner Meinung nach ist das individuelle Denken nicht vom kollektiven Denken zu trennen. Es geht ineinander über, und beeinflusst einander. 217 Also wenn wir zum Beispiel glauben, das unser Denken individuell ist, ja, also ich denke das ist eines der größten Irrtümer, die man so haben kann. Es denkt in mir und ich bin voll verbunden mit den kollektiven Strukturen und ich kann das nicht auseinander halten, was ist da jetzt individuell und was ist da jetzt kollektiv. (Ma, 716ff) 10.6.2 Dringlichkeit des Wandels Für viele der Befragten ist die Integration neuer Werte und Sichtweisen auch eine Frage des Überlebens unserer Zivilisation. Das ist wirklich ein wichtiger Punkt. Ich glaube, wenn die Menschheit überleben soll, weil wir stehen einfach vor existentiellen Herausforderungen gerade, dann geht das nicht ohne solche Paradigmen und ohne sich damit auseinanderzusetzen, was bieten da auch die Weisheitstraditionen, wenn ich das mal so nennen will an Aussagen, die nämlich schon sehr erprobte, wirkungsvolle Prinzipien beinhalten. (Ma, 463ff) Ein Wertewandel in den Führungsetagen ist sicherlich dringlich und notwendig. (Ha, 670) Martin sieht die Dringlichkeit zu handeln und das motiviert ihn dazu, mehr Ganzheitlichkeit in die Berufswelt zu bringen. Trotzdem denke ich auch, wir haben jetzt so einen Tipping Point jetzt, also das geht so auf der Kante, gerade im ungünstigen Fall geht das dann den Bach runter und kommt hundert Jahre später an einer anderen Stelle wieder hoch. Also wir können das auch alles völlig ins Chaos treiben, immer noch. Aber ich denke auch im Moment haben wir vielleicht fünf Punkte mehr zum Guten (lacht)... Deswegen ist es für mich auch wirklich so wichtig sich zu engagieren und zu sagen, jetzt mach mal und sitzt nicht hinterm Ofen. Und gib Gas, es könnte eng werden irgendwann mal. (Ma, 721ff) Stefan geht davon aus, dass sich etwas in der Gesellschaft ändern wird. Die Frage ist halt nur, ob es sich schnell genug ändert. Weil wir stehen eben an einer Schwelle, dass ist schon deutlich sichtbar, also es wird sich definitiv was ändern, in die eine oder in die andere Richtung. (St, 230ff) Für Stefan ist Armut ein politisches Problem. Er sieht im humanistischen Handeln eine notwenige Gegenbewegung zur Schere zwischen arm und reich, die sich weiter öffnet. Schauen sie sich nur mal die Verteilung des Geldes an in diesem Land oder auch andere Länder, die USA auch, ganz krass, eine Katastrophe. Über die Hälfte des Landes hat gar nichts, einfach nichts und wird dabei immer ärmer, während, na, die Oberen halt, 218 immer mehr einschaufeln. Das ist kein Zustand im 21. Jahrhundert. Da muss sich was ändern. Das ist schlicht unnötig, dass solche Zustände herrschen. Ich meine jetzt nicht, dass so Reichsein eine wichtige Sache ist, ich spreche eher von so was wie, dass es eine Basis gibt, eine Grundbasis. Für alle einfach. Für sieben Milliarden Menschen. Ich meine, ich kenn da Untersuchungen und kann da deutlich sehen, dass das machbar ist. Armut ist ein politisches Problem, dass ist eine Tatsache. Es gibt eigentlich heute keine Armut mehr, also wenn wir wirklich Menschen wären und uns humanistisch, also handeln würden. (St, 37ff) Neue Herausforderungen Martin spricht von den Herausforderungen unserer Zeit, die mit dem alten Führungsdenken nicht mehr zu lösen sind. Nicht, das lässt sich mit reiner Systemtheorie nicht machen. Also das ist da zu Ende. Wir haben ja so eine Ausbildungsklasse wo wir mit Führungskräften arbeiten zum Thema Selbstführung, Teamführung, Organisationsführung. Und da kann man ja auch so rein rationale Modelle hernehmen und System und Chaostheorie und so und das bringt schon bestimmte Einsichten aber es fehlt dann was. Also indem integralen Sinne, braucht es eben das eine und das andere, nichts gegen gutes Management und rationale Erkenntnisse, wie Systeme funktionieren, aber es braucht eben auch die Entwicklung dieser Tugenden, die sich eben ohne so eine Praxis nicht aufbauen lassen. Und eine Perspektive auf mich selbst in meiner Organisation, die eben eine ganzheitlichintegrierte Perspektive ist, sonst bleibe ich da einfach irgendwo hängen. (Ma, 467ff) Der demographische Wandel bringt es nach Stefan mit sich, dass neue Werte und eine neue Unternehmenskultur entsteht, da die neuen Unternehmer anspruchsvollere Erwartungen an ihre Arbeitsplätze haben. Und Gott sei Dank gibt es ja immer mehr Studien, die man als Führungskraft zitieren kann, die zeigen, dass Werte und Visionen ein Unternehmen nachhaltiger und dauerhafter erfolgreich machen. Oder dass ZEN Praxis, dass ist ja auch groß im kommen, dass jetzt alle Manager mal so ein Seminar machen, und dass ZEN eben dazu beiträgt, sich noch besser fokussieren zu können und einen anderen Blick entwickeln lässt. Also da sind immer mehr Menschen bereit, also Banken, oder große Autohäuser, die schicken alle ihre Topleute zu ZEN Workshops und so weiter, dass passiert wirklich, weil sie eben auch merken, da passiert was. Und sei es nur der demographische 219 Wandel, dass die jungen Leute anspruchsvoller werden und nicht mehr zufrieden sind mit nur Geld und nem dicken Auto, die wollen auch was für sich rausholen, ja, letztendlich einfach einen tieferen Sinn sehen in dem, wofür sie sich so abrackern. Das war bei meiner Generation nicht, da ging es ganz klar nur um Karriere und das Bankkonto und Macht. Aber die jungen Leute, die haben da ganz andere Vorstellungen schon. Selbstverwirklichung zum Beispiel, dass wäre ja meine Generation von Führungskräften niemals im Leben eingefallen. (St, 367ff) Notwendigkeit einer guten Führung Martin sieht einen sehr großen Teil der aktuellen Weltkrise darin, dass die Führungskräfte aus pathologischen Interesse aus handeln. Führungskräfte kommen häufig in hohe Positionen, weil sie ein großes Fachwissen haben, nicht unbedingt, weil menschliche Qualitäten sie auszeichnen, wie Weisheit oder Mitgefühl. Warum mache ich das? Das so mein Hauptpunkt, da muss sich was ändern, ich möchte nicht von Leuten geführt werden, von Regierungen, Parteien, und großen Wirtschaftsunternehmen und Banken, wo solche Leute sitzen an den Schalthebeln sitzen das ist ein unmöglicher Zustand. Das ist ja nicht so das die besten und weisesten und liebevollsten und emphatischsten Menschen die größten Organisationen führen, sondern es ist genau umgekehrt, also viele die schon im psychologischen Sinne einfach gestört sind, ja und haben aufgrund ihrer Persönlichkeitsstörung weil sie besonders antisozial und rigide sind die höchsten Führungspositionen erklommen, ja, oder weil sie am schizoidesten sind oder wie auch immer, nicht also das ist ja durch, also wir haben, man kann wirklich sagen aus dieser Perspektive, die Welt ist völlig in Unordnung, wir haben eine Störung die sich quer durch das Landsystem zieht, ja und da haben wir schwer dran zu kämpfen. Nicht wenn ich jetzt höre, was zu den aktuell existentiellen Fragen ob es jetzt Erdbeben, Umweltschutz, Erderwärmung, Finanzkrise, was da entschieden und gesprochen wird von den Spitzenführungskräften, dann erhöht sich auch meine Meditationsfrequenz heftig. Dann könnte ich fast nur noch meditieren, und möchte gar nicht mehr rauskommen. Nur das hilft uns ja nicht, das machen so viele, viele Menschen die enttäuscht sind von den was da passiert flüchten sich dann in ParallelGesellschaften und verschwinden unter anderem auch in Meditationsgruppen, aber das ist zu wenig. (Ma, 739ff) 220 „Leuchtturmfunktion“ (in-vivo-Kode, Ti, 338) Den Interviewten ist gemeinsam, dass sie den Einfluss von Führungskräften sehr hoch einschätzen und dass sie das motiviert in diesem Bereich zu arbeiten. Hanna sieht dass Führungskräfte die Möglichkeit haben positiv auf die Lebensbedingungen anderer Einfluss zu nehmen. Dann denk ich mir natürlich, ist es sehr sinnvoll mit Menschen zu arbeiten, die relativ viel Einfluss haben und wiederum die Lebensbedingungen für sehr viele andere Menschen prägen, das war für mich so eine starke Motivation. (Ha, 439ff) Alexander sieht die Führungskraft als Multiplikator, er hat sein eigenes Unternehmen gegründet, weil es in seinen vorigen Unternehmen für ihn nicht möglich war seinen eigenen ethischen Erwartungen gerecht zu werden, mittlerweile ist dies kein Problem mehr für ihn. Er coacht andere, um positivere Elemente in die Unternehmenskultur anderer Betriebe einzubauen. Na die Führungskräfte sind diejenigen, die am meisten Einfluss haben. Und damit auch ein ganz anderer Multiplikator sind, also wenn die ne bestimmte Haltung an den Tag legen, multipliziert sich das sofort. Ich finde das Thema Unternehmenskultur wichtig, weil jeder, der ins Berufsleben eintritt, damit sofort konfrontiert wird, das läuft eher auf einer unbewussten Ebene. Man lernt die Spielregeln kennen und gestaltet wird das aber ganz stark von den Führungskräften, von der oberen Ebene, von daher sehen wir darin eine Möglichkeit einfach die meisten Menschen zu erreichen. Nicht nur direkt sondern auch indirekt und insofern ist es eine Arbeit, die uns natürlich reizt. (Al, 384ff) Wenn Führungskräfte sich zum Positiven verändern, beeinflussen sie damit andere Menschen und mit Hilfe eines Schneeballeffektes, kann das wieder ebenfalls weitreichende Folgen haben. Und auf jeden Fall, das war ich, was mich animiert hat. Das ich dachte, das ist spannend, einfach mit Leuten zu arbeiten, die wiederum Einfluss ausüben und die Bedingungen für viele andere fühlende Wesen prägen, bis hin, klar zu ihren Mitarbeitern, aber wenn man es global sieht, auch unzählige andere Wesen, wo ich so denke, dass ist eine sehr sinnvolle Stelle, um da einen Impuls reinzugeben. (Ha, 447) Stefan sieht die Möglichkeiten einer Führungskraft darin, wirkliches Wachstum anzustreben. Und als Führungskraft besitzt du einfach erstmal Gestaltungsmöglichkeiten, dass ist klar, oder? Sei es, ob man ein kleines Unternehmen führt, sie sind Psychologin oder? Also wenn sie eine Klinik leiten, dann sind sie eine Führungskraft, dann haben sie 221 Verantwortung für ein Dutzend Leute und da können sie gut führen oder schlecht, also rein auf Rendite orientiert oder an wirklichem Wachstum. Da haben sie einfach Möglichkeiten. (St, 238ff) Tim hat einen buddhistischen Lehrer gefunden, der ihn seiner Meinung nach wirklich geprägt hat, so sieht er auch in Führungskräften ein solches Potential, wenn sie für etwas Gutes stehen, wenn man von ihnen lernen kann. (...) ich möchte Zugang haben zu Menschen, die wieder rum vielen Menschen etwas vermitteln, weil ich der Meinung bin, wenn ein Lehrer sich ändert und in einer anderen Art und Weise unterrichtet, dann kommt das Generationen von Menschen zu gute, hunderten von Schülern, manchmal braucht es im Schülerleben nur einen Lehrer, der so eine Leuchtturmfunktion hat, wo sich ganz viele orientieren und der diese Samen so wieder rum weitergeben kann. (Ti, 334ff) Tim sieht hierbei die größten Chancen beim Unternehmer, weil er hier die größte Möglichkeit der Einflussnahme sieht. Also mich interessieren Menschen, mich interessieren auch andere Menschen, aber mich interessiert an Führung besonders dass sie eben einen Einfluss hat auf viele Menschen. Und ich bin der Meinung die Führungskraft oder, für mich ist es eher noch der Unternehmer. Also wenn ich jetzt im wirtschaftlichen Bereich bin, der Unternehmer ist derjenige, der noch den größten Hebel hat, auch zu sagen, das ist meine Firma. Ich mach dass hier so, wie ich es möchte. Und der, wenn der durch einen persönlichen Transformationsprozess geht, dann kann da noch ganz viel passieren (...) (Ti, 339ff) Stefan sieht die Chancen der Führungskraft darin, Visionen zu entwickeln und ethische Rahmen zu setzen und weltwirtschaftlich positive Impulse zu setzen. Also da sehe ich meine Aufgabe zu zeigen, dass es eben andere Wege der Führung gibt, dass es sich lohnt, Visionen und einen ethischen Leitrahmen zu setzen, weil das auch die Mitarbeiter spüren, weil es die Unternehmenskultur verändert, weil es auch, also viel Wachstum basiert ja auch auf der, also man muss schon sagen, Ausbeutung der ärmeren Länder. Und da zu sagen, das ist nicht in Ordnung, da brauchen wir Fair Trade, da brauchen wir ne ethische Orientierung, also da sehe ich meine Aufgabe, ganz klar. (St, 246ff) Stefan sieht die Schwierigkeit für viele derzeitigen Führungskräfte darin, dass es keine ansprechende Leitbilder gibt. 222 Und schwierig wird es dann, wenn sie nicht wissen, an welchen Leitbildern sie sich orientieren sollen und sie schließlich rein profitorientiert führen, so wie es die meisten machen, einfach weil sie nicht wissen, welche andere Arten der Führung es noch gibt. (St, 243ff) Die klassische Führungskraft steckt nach Tim im Gegensatz zum Unternehmer in einer schwierigen Position. (...) die Führungskraft ist in einer viel schwierigeren Position und hat viel mehr Ängste, weil sie viel fremdbestimmter ist und häufig mit Zielen konfrontiert ist, die von oben kommen (...) (Ti, 344f) Wenn Tim mit Führungskräften arbeitet, dann häufig mit solchen, die sich verändern wollen, die im Umbruch sind. Wenn er dann Achtsamkeitstrainings mit ihnen macht, kann der Impuls auch sein, das bisherige Unternehmen zu verlassen. Und eher ist es bei den Führungskräften so, dass sind Führungskräfte, die auf dem Weg nach draußen sind. Die an so einer Schwelle sind, die Burnout haben, die Sinnkrise haben, die nach anderen Wegen suchen und genau in dieser Situation sind. Ja. Und da ist häufig Achtsamkeit das, was ihnen zeigt, ja Menschenskind, ich leide hier! Jeden Tag! Und wenn ich meinen Chef sehe, dann so: gggrrr. Das ist dann wirklich so ne Schwelle, jetzt hat mir grad vorgestern eine erzählt, die haben eine Untersuchung gemacht zur Wirkung von MBSR in einem Call Center und da haben dann danach von den 22, die den Kurs mitgemacht haben, sieben gekündigt. Da haben sie nen mindfulness-based-stress-reduction Kurs gemacht und danach haben sieben gekündigt, ja. Also das zeigt schon die Wirksamkeit. (Ti, 351ff) 10.6 Achsenkategorie „Effekte“ 10.6.1 „Persönliche Integrität“ (in-vivo-Kategorie, Al, 493) Alexander legt großen Wert auf Integrität in seinem Unternehmen, darin sieht er auch gleichzeitig eine Stärke in der buddhistischen Philosophie. Also ich finde, das man, ich glaube ich habe das vorhin mit dem Stichwort Integrität benannt. Ich finde das der Buddhismus, nicht nur Führungskräfte, sondern jeden Menschen, ganz stark anspricht, was die persönliche Integrität anbelangt, damit meine ich, das es nicht funktioniert, wenn ich persönliche innere Werte habe und mich aber dann verbiege, weil ich meine, ich laufe dann stromlinienförmiger und verletze dann meine eigene inneren Werte. (Al, 491ff) 223 Stefan macht auch seinen Kunden gegenüber deutlich wofür er steht. Und was ich, also da sprech ich von langjähriger Erfahrung, da zeigt es sich, dass es sich lohnt, langfristig lohnt, zu sich und seinen Werten und Vorstellungen zu stehen. Man wird nicht ernst genommen, wenn man sich ständig opportunistisch ausrichtet. Wenn du was ändern willst, brauchst du Respekt auch und den bekommst du, wenn du für was stehst, ne eigene Marke bist sozusagen. Und wie haben sie das persönlich erlebt? Persönlich? Also, ja, wenn es zum Beispiel darum ging, dem Kunden verschiedene Optionen vorzuschlagen, dann bin ich dazu übergegangen, also dass war auch ein Prozess, dass hat sich so über zwei, drei Jahre entwickelt. Und dann hab ich dem Kunden dargelegt, dass er sich am nachhaltigsten Produkt orientieren sollte und nicht an dem, was den schnellsten Profit entspricht. Das ging auch ein paar mal in die Hose, weil das eben nicht so auf Verständnis stieß. Aber einige fanden das auch sehr gut und ansprechend. Weil , he ich meine, jeder weiß es, wie es um die Welt bestellt ist und jeder ist doch froh, wenn es mal einer ausspricht. (St, 453ff) Martin beschreibt die Wichtigkeit, sich unabhängig von Lob und Tadel zu machen, der Bezug zu seinem eigenen Referenzpunkt sollte zwar mit anderen Vorstellungen abgeglichen werden, aber eine Führungskraft sollte sich nicht an den Referenzpunkten anderer orientieren. Wenn ich selber, ist vielleicht auch wichtig für Führung, ich kann nur gut führen, wenn ich völlig unabhängig bin von Lob und Tadel, Führung braucht eine gewisse Souveränität. Ich habe Kontakt zu den anderen und habe Kontakt zu mir und zu einem Referenzpunkt, wo ich weiß, was ich richtig, was ist wichtig, was ist relevant, worauf kommt es gerade an. Und das heißt und es passiert ständig, dass mich jemand lobt oder Tadelt, ob er zufrieden ist oder unzufrieden ist, oder die Dinge laufen gut oder die Dinge laufen schlecht. und wenn ich davon getriggert bin, von diesem... dann habe ich so eine Verzerrung der Wirklichkeit und bin sozusagen gefangen meiner Person, meiner Emotionalität und das trübt mein Bewusstsein und ich treffe Entscheidungen gesteuert von Emotionen. Das müssen nicht immer die guten und die Weisen Entscheidungen sein, ja. Und deswegen bringt mir diese Autonomie und diese Souveränität, die ich brauche, unglaublich viel. In einer Führungssituation. (Ma, 593ff) 224 Vertrauen und Gelassenheit Martin hilft in beruflich kritischen Situationen das Vertrauen, dass es auch wieder vorbei gehen wird, die Vergänglichkeit der Phänomene anzuerkennen ist eine wichtige Methode in der buddhistischen Praxis. Aber da ist dieses Vertrauen... also was dann hilft ist einfach dieses Vertrauen und das wird vorbei gehen, dass ist jetzt in diesem Moment, für die paar Stunden, für den Tag so, aber das wird vorbei gehen. (Ma, 403ff) Alexander hebt hervor, wie wichtig es für eine Führungskraft ist, Vertrauen in die Fähigkeiten der Mitarbeiter zu haben und gleichzeitig dafür zu sorgen, dass sie alle ihre Ressourcen ausschöpfen können. Dann eine wichtige Qualität ist Vertrauen, das ne Führungskraft das Vertrauen hat, meine Mitarbeiter handeln nach bestem Wissen und Gewissen und ich mich frage als Führungskraft, wie kann ich ihnen die Bedingungen zur Verfügung stellen, das sie wirklich ihr ganzes Potential entfalten. (Al, 452ff) Hanna sieht die Effekte in der Meditation darin, dass sich Gelassenheit und Vertrauen herausbildet. Das würd ich denken, dass da mehr Gelassenheit ist, mehr Vertrauen, vielleicht, dass wenn es schwierig ist und man einfach nicht Gelassenheit hat, einfach die Idee davon hat, was man für Mittel zur Verfügung hat, um da vielleicht mehr hinzu kommen, ja. (Ha, 559ff) Klarheit Tim wurde durch seine Praxis klar, wie sehr er seinen Gedanken unterworfen war, er sieht nun eine größere Klarheit in seinem Verhalten, in seinen Beziehungen, er erlebt mehr Verbundenheit. Also dieses was mir vorher nicht bewusst war, dass es mich ständig gedacht hat und wie mein Denken mich unbewusst bestimmt hat, dass ich jetzt viel höhere Bewusstheit darüber habe, was ich denke und dass ich es genieße nicht zu denken und dass ich sehe dass ich viel höhere Klarheit habe, wenn ich Spreche ohne zu denken. Das das überhaupt möglich ist, dass ich eine viel größere Klarheit habe, wenn ich wahrnehme ohne zu denken, wenn ich zuhöre ohne zu werten oder ständig zu denken, ich fühle mich viel verbundener mit der Natur, mit anderen Menschen, und erlebe auch meine Beziehungen ganz anders. (Ti, 621ff) 225 Stefan erlebt mehr Klarheit durch das kritische Hinterfragen der Gegebenheiten in seinem Leben. Ihm war es durch das Betrachten seines Lebens möglich, eine Veränderung in seinen Werten zu erkennen und das führte bei ihm zu einem ruhigeren Handeln. Also zu erst mal hab ich schon, würde ich mal so sagen, mehr Klarheit bezüglich dem was ich mache, wie ich es mache und warum ich es mache. Also im Gegensatz zu früher, wo es nur darum ging gut und erfolgreich zu sein. Das kam ganz klar durch den Buddhismus, dass ich mich immer mehr gefragt hab, was mache ich eigentlich und warum mache ich das? Was machen eigentlich alle anderen, was ist denn überhaupt los? Das waren schon viele so Augenöffner-Prozesse, die eben dazu führten, dass ich nicht mehr so wild los agieren kann, sondern, dass mein Handeln eben im Einklang mit den inneren Wertigkeiten steht. (St, 255ff) Sebastian sieht die innere Klarheit als notwendige Basis um Veränderungen zu realisieren. Und aus dieser inneren Klarheit heraus ist dann alles machbar in der Welt, ja. (Se, 689f) Die Meditation kann Martin, gerade in krisenhaften Situationen, zu einen Zustand der Klarheit und Entspannung verhelfen. Und der Punkt ist noch, du bist für alles verantwortlich, weil du der Kapitän bist. Und das nenne ich dann schon so eine Nacht, oder einen Sturm. Du hattest das in Deiner beruflichen Situation? Jetzt gerade erst oder immer mal wieder? Mein Gott. Das hat man immer mal wieder, nicht? Also dass sind ja Phasen wenn man eine Unternehmung hat, und ich hab ja mehrere sogar, die treten da einfach auf, nicht? Ich will jetzt bewusst nicht den Begriff Krise verwenden, aber ich nenne das so die Talfahrt oder eben den Sturm, der da kommt. Man kann es aber auch krisenhafte Phasen nennen. Und wie fühlt sich das bei dir an? Du bist gelassener, Du bist nicht mehr so verzweifelt, hast du gesagt. Also in solchen Phasen erhöht sich die Frequenz und die Dauer meiner Meditationsübung beträchtlich. Sehr beträchtlich. Da hab ich früher, also vor 12, 13 Jahren, oder so habe ich dann verstärkt Rotwein getrunken, um wieder in einen entspannten Zustand zu kommen und dann wieder entscheiden zu können, oder später bin ich dann auf die Laufstrecke gegangen oder jetzt ist es halt wirklich Meditation. Das führt sofort zu Entspannung, zu Klarheit, zu...weil das Licht ja dann auch wieder da ist. (Ma, 370ff) Durch die Praxis hat sich bei Stefan eine neue Verhaltensmöglichkeit etabliert, er bleibt ruhiger und handelt dann mit innerer Klarheit zielführender und weniger chaotisch. Er nimmt 226 in einer Krisensituation eher einen Beobachterstandpunkt ein, mithilfe dieser Metaebene fällt es ihm dann leichter zu sehen, was der nächste Schritt sein könnte. Und dann kommt auch eine innere Ruhe immer deutlich zum Vorschein, dass ist auch son Juwel der buddhistische Praxis, dass ich mich nicht mehr so mit meinen Gefühlen identifiziere oder Gedanken, sondern so ne Art unabhängigen Beobachterstandpunkt halten kann, also wenn jetzt auch wieder so ne Krise kommt, die hat auch bei mir Auswirkungen, also wenn ich dann so ne Liste mit roten Zahlen reinbekomme, dann hätte mich das früher fast umgehauen, ich hab da ganz stark emotional drauf reagiert und alle möglichen Sachen in die Wege geleitet, die sich dann meistens als falsch oder unnötig erwiesen. Da kann ich jetzt erstmal nen kühlen Kopf bewahren, also dann schaue ich mir das an, bespreche das mit meinen Leuten, ganz ruhig und sachlich und hilft mir einfach mehr, als wenn ich voller Angst und Wut losmarschiere, ohne Rücksicht auf Verluste sozusagen. (St, 261ff) Klarheit bedeutet für Alexander auch transparenter zu sein. Dadurch ist sein Verhalten menschlicher, denn er legt offen, was ihn bewegt und zeigt sich. Das Herz am rechten Fleck halte ich für ganz wichtig. Damit meine ich, menschlich sein den Mensch sehen, Mitarbeiter, Zulieferer nicht zu instrumentalisieren, sondern wirklich den Menschen zu sehen, dazu gehört Klarheit in der Form wie ich mich mitteile. Was ich erwarte, wo ich hin will. Klare Botschaften. Was erwarte ich? Damit meine ich nicht weich spülen. Sondern ich meine wirklich ganz klar Position beziehen. Klarheit, Mut, Mut zu sich und seinen Empfindungen zu stehen, zu dem, was ihn bewegt und damit auch offensiv auf diejenigen, die es betrifft zuzugehen, also wenn ich merke, ich bin unzufrieden, habe ein Magenproblem, wie auch immer, das ich das dann frühzeitig benenne, das ich das sehr deutlich und klar machen, aber in der Klarheit eben auch nicht abwertend werde, sondern das ist Feedbackkultur, das ich in der Lage bin, das was mich bewegt, deutlich zu äußern, ohne den anderen gleichzeitig das Gefühl zu geben, du bist ein Verlierer, bist nicht ok. (Al, 442) Tim verfügt durch seine Praxis und durch den Kontakt zu seinem Lehrer, über eine größere Klarheit über sich und seine Werte. Die Werte, die er für sich entwickelt hat verfolgt er und bemüht sich darum Qualitäten zu entwickeln, die ihm momentan noch fehlen. Das eine ist, dass ich wirklich eine Klarheit habe, was für mich wirklich wichtig ist, also was wesentlich ist, dass ich eine Klarheit habe über die Werte, die ich leben will und auch ne Operationalisierung und nicht nur was allgemeines, ich möchte ein 227 netterer und sympathischer Mensch sein, sondern in ganz vielen Bereichen ein konkreter Weg, beispielsweise in so Bereichen wie Liebe. Das ist für mich irgendwie so ein ganz rätselhaftes Wort. Und jetzt weiß ich, dass ich, um in dem Feld irgendwie voran zu kommen oder ne liebevolle Beziehung zu haben, dass ich selber, bestimmte Dinge in mir selber kultivieren möchte und auch muss, und dass das nicht vom Himmel fällt, so was wie Mitfreude, Mitgefühl, liebevolle Güte oder Gleichmut, dass das dann, wie Thai sagt, eben Qualitäten wahrer Liebe sind. Und die ich auch trainieren kann. (Ti, 610) „Umgang mit Emotionen“ (in-vivo-Kode, Ti, 618) Tim erlebt sich in seinem Umgang mit Emotionen zum einen freier und zum anderen verfügt er über mehr Ausrichtung. Insgesamt erlebt er sich ruhiger. Die Grunderfahrung ist für mich, dass ich freier geworden bin im Umgang mit Emotionen, dass ich mehr Ausrichtung gewonnen habe im Umgang mit Emotionen, dass ich ne Veränderung, ne starke Beruhigung meines Denkens und meines Körpers habe. (Ti, 618ff) Stefan beschreibt auch eine größere Ruhe und mehr Stabilität im emotionalen Erleben. (...) dann hätte mich das früher fast umgehauen, ich hab da ganz stark emotional drauf reagiert und alle möglichen Sachen in die Wege geleitet, die sich dann meistens als falsch oder unnötig erwiesen. Da kann ich jetzt erstmal nen kühlen Kopf bewahren (...) (St, 266ff) „Im Alltag zu leben“ (in-vivo-Kode, Al, 601) Alexander versucht auch bei beruflichem Stress die buddhistische Praxis zu integrieren. Wichtig ist ihm dabei, es immer und immer wieder zu bemerken, dass er sich ablenken lässt und dass dann zu korrigieren. Das hängt vom Alltag ab, der ist ja auch immer verschieden. Ich hab den Anspruch und den Wunsch, insbesondere wenn ich merke, ich komme unter Druck, unter Stress, mich entsprechen auch wieder zu korrigieren. Jetzt grad im Januar war so eine Phase, da war einfach vier Wochen dicht, da schalte ich natürlich auch eher auf funktionieren, dann ist da weniger Raum für die Praxis und alles andere und versuche trotzdem das im Alltag zu leben. Ich versuche Buddhismus jeden Moment auszudrücken und zu leben. Das versuche ich jeden Moment. (Al, 597ff) 228 10.6.2 „Radikale Eigenverantwortung“ (in-vivo-Kategorie, Ha, 517) Verantwortung übernehmen Für eine Führungskraft ist es nach Hanna wichtig Verantwortung zu übernehmen, auch um das Vertrauen, welches in sie gesetzt wird, nicht zu enttäuschen. Wenn man begeistert, hat man viel Verantwortung, weil man eben auch verführen kann und ausnutzen kann wegen dem Vertrauen, das einem entgegengebracht wird. (Ha, 475ff) Hanna bezeichnet die Eigenverantwortung, die hinter dem Karmakonzept steht als radikal, weil es in diesem Rahmen nicht möglich ist, die Verantwortung für die eigenen Handlungen an andere abzugeben. Und das ist ja ein Bewusstsein, ein Konzept, was total radikal ist und eine sehr radikale Eigenverantwortung einfordert und aber auch unheimliche Freiheit bietet, weil das heißt ja auch, ich kann ja was tun, wie ich die Welt erleben möchte. Ich kann zwar mein Karma nicht mehr ändern, was jetzt reif wird, aber auf die Zukunft gesehen, muss ich ja einfach nur auf meine Taten und Worte und Gedanken achten und dann weiß ich ja in etwa, wie ich die Welt später erleben werde. Wenn ich durch die Gegend laufe und total zornig die ganze Zeit bin und mir überlege wie ich die anderen am besten schädigen kann oder ich von Eifersucht und Neid zerfressen werde und keinen was gönne, kann ich das tun, aber dann muss ich damit rechnen, dass ich genau so die Welt später erleben werde oder mir so was begegnet. Und das wäre für mich sozusagen... das ist eigentlich für alle gültig, für alle Wesen, natürlich auch für Führungskräfte. Ich denke, wenn schon allein dieses Prinzip schon ankommen würde, dann würde das die Führung total revolutionieren. (Ha, 517ff) Für Stefan spielt die Gefühlslage, oder der Geisteszustand einer Tätigkeit eine große Rolle, auch Menschen die sehr stark engagiert sind im Buddhismus, können ganz normalen Tätigkeiten nachgehen, allerdings in einer veränderten Art und Weise. Nach seiner Vorstellung lässt sich die buddhistische Praxis und Ethik in fast jedem Beruf anwenden. Und wie passt das zusammen mit einer Führungsposition? Da ist ja kein Widerspruch drin. Es geht ja nicht so sehr darum, was man macht, sondern eher, wie man es anstellt. Es geht doch nicht darum jetzt als Mönch zu leben, oder? Natürlich, die Vorstellung von sieben Milliarden Mönchen hat etwas, das wäre mal ein schönes MTV Musikvideo, nicht? Was ich meine, es gibt ja so viele Professionen und in fast jeder, fast überall lässt 229 sich ethisch leben und arbeiten, mitfühlend und voller Gleichmut. Und natürlich sollte jeder das machen, wo er seine Stärken drin sieht, also was macht ihn aus den Menschen? Und bei mir ist es eben Führung. Das ist ganz klar mein Thema, da komme ich in Flow, da spüre ich Kraft und Energie. (St, 71ff) „In diese Bereiche hineinwirken“ (in-vivo-Kode, Se, 633) Buddhisten haben für Sebastian eine besondere Verantwortung sich aktiv in die Gesellschaft mit ein zu bringen, da sie seiner Meinung nach über persönliche Fähigkeiten verfügen, die von hohem Nutzen sind für die Welt. Was mir noch wichtig ist, für Buddhisten selber, weil viele ja sehr dazu neigen, im Buddhismus, wie Religion überhaupt, also es heißt, Religion ist Privatsache und Religion hat nichts mit Politik zu tun und darf nichts mit Politik zu tun haben und das halte ich für fatal, weil in dem Bereich, wo wir das meiste Leid schaffen, wenn da nichts positives reinkommen darf, eben keine Achtsamkeit, kein Mitgefühl und so weiter wenn das geradezu ausgeschlossen wird, also wie soll es denn dann jemals besser werden, wenn also diese Trennung so gezogen wird, dann kann es nur so bleiben, wie es ist, deswegen sage ich, wir Buddhisten, wir Meditierer, oder die, die ein bisschen auf Achtsamkeit und so weiter achten, wir müssen in diese Bereiche hineinwirken, ja, und dass das jeder erkennt, das wir eine gewisse Verantwortung übernehmen sollten. (Se, 626) Durch die buddhistische Praxis ist es Alexander möglich, volle Verantwortung für sein Handeln zu übernehmen und eigene Unzulänglichkeiten nicht mehr auf andere zu projizieren. Das halte ich auch für eine buddhistische Qualität, noch mal ne ganz andere Perspektive auf die Phänomene einzunehmen, als wir das normalerweise im Denken und damit auch Handeln tun. (...) Das ist wirklich so. Es funktioniert nicht, das ich die Schuld und die Verantwortung immer wieder nach außen gebe, das geht gar nicht! Ich kann sie nur als Spiegel meines Geistes sehen, oder meines Wesens, wie man es auch nennen möchte, da bleibt für mich gar nichts anderes übrig. Als wirklich hundertprozentig Verantwortung zu übernehmen, für alles was ich tue, sage und denke. (Al, 578ff... 589ff) Alexander führt Wut und Ehrlichkeit als Beispiel an: Ein Beispiel, wenn ich das Gefühl habe, ich werde ständig angeschrieen und verdiene das gar nicht. Dann kann ich nur gucken, wenn ich jetzt sage, diese Erfahrung ist leer, 230 dann ist das ganz stark etwas, was mit mir jetzt zu tun hat. Wo gibt es denn Situationen, wo ich mit meiner Wut nach Außen gehe, oder auch nach Innen. Wo ich Wut lebe. Wo ich Wut ausdrücke. Viele Menschen haben diese Schwierigkeiten, dass sie denken, aber ich bin doch anderen Menschen gegenüber nie so. Ich bin immer ganz lieb und nett. Aber innerlich wütet es. Da ist unglaublich viel Wut in ihrem Geist. Und sie haben nur mal eine Chance, das Mal zu erleben, in dem sie von außen merken, ui. Da kommt aber jetzt eine starke, heftige Reaktion und dann mache sie sich was vor, das ist nicht ehrlich. Ich erinnere mich an ein Seminar, wo eine Frau, die viele Jahre mit dem Buddhismus intensiv zu tun hat nen Selbsteinschätzungstest gemacht hat, den wir anbieten und dann kam raus, sie ist nicht ehrlich anderen Menschen gegenüber. Die war ganz angepisst. Das fand sie ein dickes Ding. Und dann haben wir zwei Wochen später noch mal telefoniert, sagt sie, inzwischen habe ich kapiert, worum es da ging. Da musste es vielleicht noch arbeiten? Ja. Ich bin gar nicht ehrlich, indem ich meine Schwäche zum Beispiel nicht zugebe. Ich sage immer ich bin stark, ich kann das alles, aber eigentlich kann ich das überhaupt nicht. Da bin ich schon seit Ewigkeiten nicht ehrlich. Zuallererst mir gegenüber. Aber auch wirklich allen Menschen gegenüber. (Al, 548ff) Stefan erkennt die eigene Entwicklung, die seiner Meinung nach dem Karmakonzept zu verdanken ist. Er übernimmt mittlerweile mehr Verantwortung in seinem beruflichen Wirken und sucht weniger oft jemanden, der die Funktion des Sündenbocks einnimmt. Und das wiederum führt zu ner Entwicklung von eigenen Werten, also einer eigenen Ethik und dann schiebe ich auch Sachen nicht mehr so ab auf andere. Also wenn früher was nicht gut lief, dann hab ich schon mal gekuckt, wem kann ich das unterjubeln, da hab ich mir nicht viel dabei gedacht, einer muss es ja schließlich ausbaden. Und heute, also ich würde schon sagen, da übernehm ich Verantwortung, auch wenn es schmerzhaft ist und da hilft mir eben die buddhistische Philosophie, mit der Logik des Karma, also dass es eben wieder auf mich zurück fällt, wenn ich was Ungutes mache. Da hab ich jetzt ne andere Definition von Glück und wie ich Glück erreichen kann. Also ja, durch meditieren verändert sich was und eben auch durch Logik und Analyse. Das kann ich ganz klar bei mir beobachten, ja. (St, 282ff) Für Hanna gehört zur Eigenverantwortung auch, sich seine Fehler einzugestehen. Sie bemüht sich, sich ihrer Motivation bewusst zu sein, was nicht ausschließt, dass sie gelegentlich aus Gründen handelt, die ihr weniger bewusst sind und die sie als negativ bewertet. 231 Vielleicht auch die Bereitschaft, wenn man halt mal wieder nen fetten Egotrip gefahren hat, so dann auch die Bereitschaft sich das auch ein zu gestehen. Weil man einfach weiß, Egotrips führen nicht zum Glück, das ist einfach nicht das, was Glück schafft, nicht dauerhaftes Glück. (Ha, 574ff) Alexander ist es wichtig in schwierigeren Zeiten weiterhin in der Rolle als Chef in der Verantwortung zu bleiben und für sich und andere die Gelassenheit und Integrität zu bewahren. Das andere ist, dass ich als Führungskraft immer mit Krisen konfrontiert werde. Also und da habe ich gelernt, mich nicht emotional in den Strudel reinziehen zu lassen, sondern auch in schweren Zeiten Gelassenheit und Integrität zu bewahren. Das fängt damit an, eigene Fehler zu entdecken und zuzugeben, also ich bin nicht der unnahbare Chef dann, sondern sag auch, he, da hab ich Mist gebaut, tut mir leid, weil auch meine Mitarbeiter von meinen Fehler betroffen sind. (Al, 751ff) Tims Aufgabe liegt darin, seinen Mitarbeitern Methoden zu vermitteln, die sie befähigen Erkenntnisse über sich selbst zu generieren, um sich dadurch in der Interaktion mit der Welt anders verhalten zu können. Sei es, ich möchte denen Tools zur Verfügung stellen, wie sie sich selber besser verstehen können, so und die sind integral, mir geht es nicht um irgendeine Wissensvermittlung, sondern mir geht es darum Methoden zu vermitteln, mit denen sie dann wiederum selber Erkenntnisse über sich gewinnen können. Und aufgrund dieser Erkenntnisse können sie dann wiederum anders mit der Welt agieren, oder die Dinge anders machen, eine andere Auswahl treffen. (Ti, 746) Innerer Abstand Hanna sieht einen Vorteil in der buddhistischen Praxis darin, die Dinge nicht so ernst zu nehmen, weil sie versucht die Veränderung die das Leben in jedem Moment bietet anzunehmen. Hanna versucht sich bewusst zu machen, dass alle Dinge vergänglich sind und damit geschehen und sich auch wieder auflösen. Das hilft ihr, nicht zu sehr festzuhalten an den jeweiligen Situationen und kommt ihr gerade in Krisenzeiten zugute. Nicht so identifiziert zu sein, nicht alles für bare Münze zu nehmen, ja. Wenn ne Krise ansteht, zu sagen, ich hab jetzt ne Krise, aber auch das geht wieder vorbei. (Ha, 554f) 232 10.6.3 Potentiale erkennen und fördern Hanna sieht in einer guten Führungskraft jemanden, der die Fähigkeiten seiner Mitarbeiter zunächst entdeckt, aber auch schult und verbessert. Dies sollte aktiv geschehen, aber auch in der Grundhaltung der Führungskraft ersichtlich sein. Gute Führung ist für mich auch jemand, also wenn jemand gut führt, ist wirklich so, das Beste aus den Leuten auch rausholt, im besten Sinne, was inspirierendes, was bereicherndes, was Potential orientiertes. Wenn das jemand schafft, der führt, also die Leute die er führt, mit dem in Kontakt zu bringen, wo wirklich ihr Potential liegt und auch ihnen mit dieser Sichtweise zu begegnen, von der Grundhaltung her. Das heißt ja nicht, dass man alles unkritisch abnickt, natürlich muss man Konfrontationen auch aushalten und Auseinandersetzungen führen, man muss auch irgendwie, ja, muss man auch mal schützen und so und zu drastischen Maßnahmen greifen. Das gehört für mich alles zu guter Führung. (Ha, 465ff) Alexander hebt den Wert des Vertrauens, die die Führungskraft in ihre Mitarbeiter haben sollte, hervor. Das Vertrauen in die positive Motivation der Mitarbeiter, sollte ergänzt werden durch die notwendige Fähigkeit einer Führungskraft, den Mitarbeitern zu helfen, ihr Potential auszuschöpfen. Dann eine wichtige Qualität ist Vertrauen, das ne Führungskraft das Vertrauen hat, meine Mitarbeiter handeln nach bestem Wissen und Gewissen und ich mich frage als Führungskraft, wie kann ich ihnen die Bedingungen zur Verfügung stellen, das sie wirklich ihr ganzes Potential entfalten. Was ist dafür notwendig, damit meine ich nicht nur Infrastruktur, ich meine vor allem diese menschliche Haltung ihnen gegenüber. Es ist schon eine Mischung aus einer fairen Härte, würde ich sagen, damit meine ich Klarheit, und aber auch einer Weichheit, damit meine ich mehr Flexibilität, zu gucken, dieser Mitarbeiter braucht das, diese Mitarbeiterin das. Mit Augenmaß Entscheidungen zu treffen und ein ganz starker Wunsch Menschen wirklich entwickeln zu wollen, ich halte das für das Entscheidende. (Al, 452ff) Alexander macht die Erfahrung, dass es oftmals eher so aussieht, dass Führungskräfte ihre Mitarbeiter eben nicht entsprechend fördern und motivieren, sondern die Aufgabe eher allein erledigen. Die meisten Führungskräfte, die ich kenne, stöhnen immer, über ihre Mitarbeiter. „Die sind nicht in der Lage, wollen nicht, sind nicht motiviert, können auch nicht.“ Und dann 233 machen sie alles selber. Dann haben sie diesen Anspruch und denken, dass kann keiner so gut wie ich, gerade bei Unternehmern, ganz groß. (Al, 461ff) Stefan vertritt die Ansicht, dass die Menschen, die neu in eine Firma kommen sich zu schnell an die Gebote und Verbote anpassen und die Aufgaben erledigen, die sie erhalten. Darin liegt laut Stefan auch eine Chance. Also was ich meine ist, dass es den Leuten wichtig ist, was zu machen, was zu verdienen. Deswegen wären internationale Standards für Klimaschutz und so weiter überhaupt kein Problem, weil die Leute in den Führungsetagen, dass sind eben auch intelligente und kreative Köpfe, oder könnten es sein. Und wenn man denen die richtigen Vorlagen gibt, dann passiert da auch ganz viel. Das hat was mit einer gezielten Förderung auch zu tun. Ich kann den Heißsporen in der Firma sagen, los, zieht los und bringt soviel Geld wie möglich rein, scheißt auf die Umwelt und das persönliche Schicksal und dann machen die das eben. Oder ich sage, Jungs, zieht los und bringt soviel Geld rein wie möglich, aber so, dass ihr nichts kaputt macht da draußen, ja? Also dass der Bauer auch noch in zwanzig Jahren gut mit uns zusammen arbeitet. Und dass die Umwelt auch in 500 Jahren noch sauber ist. Und dann ziehen sie los und operieren eben auf dieser Basis. Ja? Sie werden ihre Aufträge gut erfüllen, dafür sind sie ausgebildet, man muss sie eben nur gut vorbereiten. Und das wäre der eigentliche Job eines menschenwürdigen Leadership. (St, 436ff) Für Alexander geht es auch darum, sich vom klassischen Top Down Management zu entfernen, und eine neue Form zwischen Führung und gleichberechtigter Beteiligung anzustreben. Und die dabei zu unterstützen, sich erstmal zu hinterfragen, zu gucken, was sie da für Glaubenssätze haben und ihren Unternehmer mit ein zu beziehen, das ist auch ne wichtige Qualität, die Mitarbeiter mit ihren Stärken, mit ihren Erfahrungen und ihrer Kompetenz einzubeziehen und nicht nur von oben runter. Sondern dialogfähig sein und zu sagen, da wollen wir hin, das ist unser Ziel und was sind eure Ideen, wie wir das erreichen können. Ich glaube es ist einfach eine Gratwanderung zwischen Führung und Beteiligung. (...) Und das kann man nur, wenn man Menschen mag. (Al, 465ff... 473f)) 234 10.6.4 Orientierung geben Für Martin bedeutet Führung eine innere Orientierung zu haben und auch zu geben. Gleichzeitig bedeutet gute Führung innere Werte zu entwickeln und zu leben, wie Empathie, Gelassenheit, Mut und inneren Frieden. Im Englischen ist es ja ganz gut, die haben ja zwei Worte: die haben guidance und Führung. Wir haben ja nur ein Wort dafür. There is guidance: ja, ich hab eine Führung, es erfolgt eine Führung, ich hab eine Orientierung irgendwie oder to lead- Leadership, als Führung. Dass eine hat mit dem anderen zu tun, also ohne guidance sollte ich kein Leadership machen. Viele Leaders haben keine guidance, oder sind geführt von ich weiß nicht was- ihrem eigenen Ego. Irgendwo, und das ist das Problem und gesamtkulturell, weil wir gerade über den Zustand der Welt hier reden, es gibt einfach sehr sehr viele Menschen in hohen Führungspositionen, die geführt werden von ihrem eigenen Ego, ihren Ängsten, ihren Bedenken, ihren Begierden, irgendwas, also was nichts mit dem großen Ganzen, mit der Entwicklung zu tun hat. Es gibt eine ganze Reihe, die überhaupt nicht die Fähigkeiten entwickelt haben, das hinzukriegen. Die haben weder das Wissen, was Führung eigentlich genau ist, worauf es ankommt, noch haben sie diese ganzen Kompetenzen entwickelt, so etwas wie Empathie, Gelassenheit, Mut, inneren Frieden. Die haben sie nicht. (Ma, 727ff) Alexander hebt ebenfalls den Aspekt der Orientierung hervor. Es geht darum eigene Werte zu entwickeln und die auch zu leben. Das Andere ist, dass ich gelernt habe Orientierung zu geben, einfach weil ich mich an..., also ich einfach Werte entwickelt habe, die ich lebe, auch wenn es schwer ist und das gibt den Mitarbeitern eine Richtung, weil sie merken, es geht hier um mehr, als nur um unser persönliches Wohl. Das macht was mit Menschen, ganz klar. (Al, 756ff) Sebastian schätzt die Fähigkeit Orientierung zu vermitteln auch hoch ein, er geht davon aus, dass es ein den Menschen innewohnendes Bedürfnis gibt, einer Orientierung zu folgen. Wenn ich als Chef mein Handeln ändere, dann wirkt sich das aus, auf meine Mitarbeiter, und meine Entscheidungen. Wenn ich Orientierung gebe, ich glaube einfach, was die Welt braucht ist Orientierung. Die Fähigkeiten und so sind ja alle schon da, nur weiß niemand, wie man sie einsetzen soll. (Se, 686ff) Stefans Aussage unterstreicht, dass Menschen Vorbilder brauchen, weil es ihnen so leichter fällt, sich zu orientieren und ihr Verhalten positiv auszurichten. Ethisch positiv zu handeln ist nicht unbedingt leicht, aber es wird leichter, wenn ein positiv besetztes Vorbild sich ethisch 235 verhält und man ihm nachstreben kann. Die Wahl des Vorbildes ist dabei nach Stefan entscheidend. Dann würde ich sagen, eben weil man für viele Menschen Verantwortung trägt, dass man so ne Art Vorbildfunktion inne hat oder haben sollte. Leider ist das ja gar nicht so der Fall, wenn man sich die Management Kultur so ansieht, dann sind das leider keine Vorbilder, sondern schon das Gegenteil. Aber so sollte es nicht sein. Vorbild sein heißt einfach, dass man sich an einem Menschen orientieren kann, ich meine, wo soll man sich denn sonst orientieren? An Gott? Das hat ja auch überhaupt nicht funktioniert. Oder jetzt die Wissenschaft, jetzt orientieren wir uns alle an der Wissenschaft und den Ergebnissen, aber reicht das aus? Ich sehe immer öfter, dass da auch Wissenschaftler an ihre Grenzen kommen, weil sie eben oftmals keinen ethischen Rahmen haben, in dem etwas statt finden kann, also sie machen alles, was sie machen können und das ist nicht gut. Da braucht es eine Distanz die sagt, nur weil wir alles machen können, heißt es nicht, dass wir es auch machen sollten. Und da braucht es Vorbilder, die mit ihrem Leben zeigen, so könnte es auch gehen. Das finde ich so ungemein wichtig und bedeutend. Weil daran orientieren sich die Menschen, schon immer und sie werden dass immer machen. Und es ist so ein Unterschied ob man sich an Herrn Westerwelle oder dem Dalai Lama orientiert, behaupte ich jetzt mal. Ein Riesenunterschied! (St, 299ff) Stefans Ansicht nach gibt ein Chef Orientierung auch, wenn er handelt, um zu dienen. Letztendlich sind wir eine Gemeinschaft, ob uns das nun passt oder nicht. Egal wie individuell wir uns fühlen, wir sitzen in einem Boot. Daran lässt sich nicht rütteln. Und das hat natürlich auch Auswirkungen darauf, wie man führt. Egal ob es die Mitarbeiter sind, die mich entweder als einen Chef erleben, dem man am besten aus dem Weg geht und bei dem man Angst hat und ein kollektives Klima von Misstrauen und Wut entsteht, oder aber bin ich ein Chef, der sich mit den Mitarbeitern auseinander setzt, der sich nicht über sie stellt, als zorniger Chef, sondern eher als dienender Chef, der sagt, einer muss diesen Job machen, damit es uns allen besser geht. Natürlich, dass sind hohe Ideale, aber das heißt ja nicht, dass das nicht funktioniert, oder? (St, 330ff) Orientierung zu geben bedeutet für Sebastian auch, die eigenen Mitarbeiter zu erreichen. Wenn ich ein sauberes Leben lebe und mich nach ethischen Richtlinien und mich an guten Visionen orientiere, dann kann ich als Führungskraft meine Mitarbeiter erreichen. (Se, 681f) 236 Sebastian betont, dass es nicht darum geht, intensive Emotionen weg zu drücken, sondern es auch darum geht, erlebte Ungerechtigkeiten zu fühlen, diese motivieren Sebastian in seinem politischem Engagement. Das ist das eine, und das andere, das mich bestimmte politische und gesellschaftliche Dinge, wie Klimakrise und solche Dinge, die mich natürlich sehr belasten oder herausfordern oder aufregen, ja und ich manchmal empört bin über bestimmte Sachen, die laufen. Und das nicht einfach nicht mit einer Meditation oder Gelassenheitsübung wegdrücken möchte. Also wenn da so ein Herr Westerwelle da kommt und Leute, ich kenne unglaublich viele, die Hartz vier kriegen, von Hartz 4 leben, auch meine Tochter, bis vor kurzem, hat von Harz 4 gelebt und sehe, wie die sich anstrengen und machen und Praktika machen und kein Geld verdienen und das jahrelang. Und dann kommt da so´n ein Weserwelle und sagt die Hartz 4 Leute leben in spätrömischer Dekadenz, da kriege ich so eine Wut, das finde ich so was von unglaublich unverschämt und arrogant und dann will ich auch gar nicht das durch Gelassenheit oder so wegdrängen, sondern dann erlaube ich mir einfach so richtig wütend zu sein. (Se, 460) (...) und dann natürlich gegenüber den Mitarbeitern achtsam zu sein also mitzukriegen, was tun die überhaupt, was brauchen sie und wo muss ich sie unterstützen. (Se, 256f) Individuelle und kollektive Auswirkungen Sich um sein inneres zu kümmern ist deshalb wichtig, weil es dann nach außen strahlt und sich die Menschen anders verhalten können. Und die Konsequenz daraus ist die Bereitschaft, nach innen zu kucken und deshalb, ist es für mich immer wieder zentral, die Haltung mit der Menschen das tun, was sie tun. Das ist eine innere Haltung und die innere Haltung beeinflusst wiederum auch dass wie sie sich äußerlich verhalten. (Ha, 504) Das Verhalten des Einzelnen beeinflusst die Masse, da alles miteinander verbunden ist, somit entscheiden wir uns täglich, was wir unterstützen und was nicht, Stefan betont die politische Dimension des Konsumenten. Wir müssen eben nur erkennen, dass unsere Entscheidungen immer ganz viele andere Menschen beeinflusst. Das hat unsere Kultur total ignoriert und das können wir sehr gut durch den Buddhismus lernen, dass wir gegenseitig voneinander abhängig sind. Wo lasse ich diese T-Shirts produzieren? Von Kinderhand, die entstellt sind durch 237 Baumwollpestizide, oder leg ich nen Euro drauf und mach Fair Trade. Und als Konsument muss ich mir genau dieselbe Frage stellen. Der Konsument ist kein Opfer und unschuldiges Lämmchen, auch er beeinflusst das ganze Weltgeschehen. Und so ist es mit allen Sachen auf dieser Welt. Alles was ich kaufe, worüber ich entscheide, hat enorme Auswirkungen in der Masse. Und da sagt der Dalai Lama auch, dass der Einzelne Verantwortung übernehmen muss, neben den großen Verantwortlichen, sonst geht es nicht. (St, 338ff) 238 11 Diskussion: Danica Wetzky In diesem Kapitel werden die Ergebnisse, die das Kategorienschema erbracht hat, diskutiert. Da der buddhistische Kontext einen kulturfremden Rahmen darstellt, ist es meiner Meinung nach nicht sinnvoll, diesen einzig im Rahmen bereits vorhandener psychologischer Konzepte und Konstrukte zu interpretieren. Vielmehr geht es darum, die kulturspezifischen Prioritäten, die für unsere Kultur von Nutzen sein könnten, heraus zu finden und zu formulieren. 11.1 Achsenkategorie „Vorausgehende Bedingungen“ 11.1.1 „Bereitschaft nach innen zu kucken“ (in-vivo-Kategorie, Ha, 505) Alle Befragten gaben an eine meditative oder kontemplative Innenschau zu betreiben. Meditation kann dabei nach Walsh und Shapiro (2006) definiert werden, als eine Ansammlung von Selbstregulations-Praktiken, mit dem Ziel, mentale Prozesse unter größere Kontrolle zu bringen und somit ein Wohlbefinden zu erzeugen. Auch können in der Meditation Fähigkeiten erschlossen werden wie Ruhe, Klarheit, Mitgefühl und Konzentration. Neuere Studien zeigen, dass Meditation signifikante Veränderungen im Körper und im emotionalen Erleben hervorruft. So ist Meditation ein geistiges Training, das die neuronalen Aktivitätsmuster verändert und damit direkt auf den Körper einwirkt, was sich zum Beispiel durch eine höhere Immunabwehrfunktion gegenüber Nicht-Meditierenden zeigt (Roesser, 2009). Auch konnte festgestellt werden, dass regelmäßig Meditierende einen größeren Umfang des Kortex aufweisen als Nicht-Meditierende, was so gedeutet werden kann, dass Meditierende eine akkuratere Wahrnehmung entwickeln als Nicht-Meditierende (Lazar, et al, 2005). Ein Befund übrigens, der von Meditationslehrern seit mehr als 2.000 Jahren gelehrt wird (Kabat-Zinn, 2006). Gerade im Bereich der Schulung von Achtsamkeit geht es genau darum, zu lernen wahrzunehmen was ist und nicht gedanklich abzuwandern in den Bereich was sein könnte. Es erscheint plausibel, das es leichter fällt wahrzunehmen, was gerade passiert, wenn ich nicht all zu sehr in Gedanken bin, beziehungsweise auch die Gedanken wahrzunehmen und sie gehen zu lassen. Zudem trainiert Meditation die Regulation der Emotionen, sowie eine höhere Entwicklung von Mitgefühl (Ekman, et al., 2005). Hier könnte auch die Verbindung zwischen Meditation und anderen Techniken einen Einfluss haben, wie beispielsweise den Widmungen, die sich an die Meditation anschließen oder der Studien der Schriften, die sich viel mit Mitgefühl beschäftigen. 239 Die Befragten berichteten davon, dass sie durch Meditation und Innenschau Klarheit und Energie gewannen, die sie ganz bewusst verwenden würden. So berichtet Hanna davon, dass sie durch diese „innere Wachheit“ (Ha, 617) sich über die Motivation bewusst wird, die ihrem Handeln zugrunde liegt. Gerade wenn Entscheidungen viele andere Menschen beeinflussen ist es für Hanna wichtig, Klarheit darüber zu haben, was Bestrebungen meinem Handeln zu Grunde liegen. Darüber hinaus verhilft diese Innenschau zu einer größeren Distanz zu dem was passiert und schafft auf diese Weise einen erweiterten Handlungsspielraum. Diese Aussagen werden auch durch die Ergebnisse gestützt, die die Untersuchungen über Achtsamkeit erbracht haben. Beispielsweise kann die Aufmerksamkeit in nicht-wertender Offenheit zu einer Veränderung der Perspektive führen. Durch diesen Prozess der Achtsamkeit kann man sich nun von der Identifikation mit Bewusstseinsinhalten wie Emotionen oder Gedanken lösen und die Inhalte des Bewusstseins beobachten. Somit wird man, wenn man Achtsamkeit praktiziert, nicht mehr weggeschwemmt von seinen Gedanken oder Gefühlen. Der Meditierende kann die Vergänglichkeit der Situationen und Gefühle erkennen, Situationen und Gefühle tauchen auf und vergehen wieder. Das, was zuvor das Subjekt war, wird nun zum Objekt (Shapiro, et al., 2006). Damit ist es möglich, dass man aus der Reflexion heraus in veränderter Weise mit Situationen umgehen kann, anstatt wie gewohnt reflexiv auf sie zu reagieren (Bishop, et al., 2004). Stefan lernt durch den Prozess der Achtsamkeit, sich als Führungsperson nicht mehr von äußeren Faktoren bestimmen zu lassen: „Und dann kommt auch eine innere Ruhe immer deutlich zum Vorschein, dass ist auch son Juwel der buddhistische Praxis, dass ich mich nicht mehr so mit meinen Gefühlen identifiziere oder Gedanken, sondern so ne Art unabhängigen Beobachterstandpunkt halten kann, also wenn jetzt auch wieder so ne Krise kommt, die hat auch bei mir Auswirkungen, also wenn ich dann so ne Liste mit roten Zahlen reinbekomme, dann hätte mich das früher fast umgehauen, ich hab da ganz stark emotional drauf reagiert und alle möglichen Sachen in die Wege geleitet, die sich dann meistens als falsch oder unnötig erwiesen. Da kann ich jetzt erstmal nen kühlen Kopf bewahren, also dann schaue ich mir das an, bespreche das mit meinen Leuten, ganz ruhig und sachlich und hilft mir einfach mehr, als wenn ich voller Angst und Wut losmarschiere, ohne Rücksicht auf Verluste sozusagen.“ (St, 262ff) Für Martin bedeutet Meditation eine Möglichkeit an innere Ressourcen zu kommen, zu denen er im Wachbewusstsein keinen Zugang besitzt: „ Also zum Beispiel ist es so, dass ich in der Meditation an andere Quellen komme, als wenn ich jetzt rein im Wachbewusstsein, mental 240 unterwegs bin, ich hab dann einfach einen anderen Zustand in der Meditation, kann dann anders wahrnehmen und Entscheidungen treffen. Wichtige, berufliche Entscheidungen treffe ich nie außerhalb einer Meditationsübung. Also nie.“ (Ma, 23ff) Ein weiterer Punkt der Innenschau ist die Betrachtung der eigenen „blinden Flecken“, also der Verhaltensweisen, Emotionen oder Gedanken über sich und andere, die einem erst einmal nicht bewusst sind. Viele der Interviewten gaben an, dass sie durch die buddhistische Praxis viele Dinge in Frage gestellt haben, die vorher ganz normal für sie waren. So berichtete Tim, dass er auf einmal merkte, wie wettbewerbsorientiert er bei jeder Gelegenheit war und er immer der Beste sein wollte. Durch die Praxis war es im möglich geworden, dieses Verhalten an sich zu beobachten, gerade wenn es in Zeiten schwieriger Umstände wieder auftaucht. Das Beobachten und das in-Frage-stellen des eigenen Verhaltens kann zur Folge haben, das bisher unbekannte Emotionen oder Verhaltensweisen entlarvt werden, die vorher nicht bewusst waren. Tim und Stefan berichteten davon, wie sie mit Emotionen oder Selbstanteilen in Berührung kamen, die durchaus nicht leicht zu handhaben waren. Tim erzählte von Ängsten und Unsicherheiten, die unter dem ständigen wettbewerbsorientierten Gestus lagen: “Und dadurch dass ich das weggelassen habe bin ich natürlich mit ganz vielen Sachen in Berührung gekommen, wo ich sonst immer das Zeug so rübergelegt habe. Die Ängste, Unsicherheiten. Auf der Ebene de Körpers, höhere Körperbewusstheit und damit eben auch höherer Kontakt damit, wo letztlich die Emotionen im Körper sind, also dass ich merke, wann geht Wut los oder merke jetzt kommt Angst, und sehe wo das im Körper sitzt.“ (Ti, 644ff) Auch Stefan war zunächst erschrocken, als er bemerkte, wie viel Gier er in sich trug, sowie einen Anteil in sich, den er „Egomonster“ (St, 179) nannte. Mit dieser Entdeckung geht auch eine Kritik der Medien einher, da diese Stefans Meinung zufolge mit dazu beitragen, Gier und Egoismus zu verstärken, in dem sie das Bild des smarten und kompetenten Managers als Ideal darstellen. Nach Goldin (2009) zeigt sich in der Achtsamkeitspraxis, dass man sich oftmals vielen Ängsten bewusster wird, die vorher einfach nicht wahrgenommen wurden. Durch die buddhistische Praxis lernt man nun, diese aufkommende Emotionen zu regulieren und zu integrieren. 11.1.2 Integration eigener Werte Ein wichtiger Punkt für die Befragten ist die Integration eigener Werte in ihr Berufsleben. So schildert Tim „dass ich wirklich eine Klarheit habe, was für mich wirklich wichtig ist, also 241 was wesentlich ist, dass ich eine Klarheit habe über die Werte, die ich leben will und auch ne Operationalisierung und nicht nur was Allgemeines, ich möchte ein netterer und sympathischer Mensch sein, sondern in ganz vielen Bereichen ein konkreter Weg.“ (Ti, 610ff) Vorausgegangen war bei den Beteiligten, dass sie mit ihrem Führungssystem und den darin innewohnenden Werte nicht mehr zurecht kamen. Stefan beschreibt, wie er den ständigen inneren Druck „nach oben zu wollen“ nicht mehr ertragen konnte, da wesentliche Aspekt seiner Persönlichkeit damit vernachlässigt wurden. In diesem Zusammenhang betont Alexander, dass es ihm nicht darum geht, jemanden zu missionieren, sondern dass er anderen helfen möchte, persönliche Werte in sich zu entdecken und auch nach ihnen zu leben. Alexander beobachtet, dass es häufig so ist, dass viele Führungskräfte ein Denken und Verhalten zeigen, von dem sie denken, dass es gezeigt werden muss, die eigenen Wertvorstellungen werden häufig nicht hinterfragt. Der Vizepräsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie Arend Oetker (2006) betont, dass das moralische Handeln eines Unternehmens zu einem Wettbewerbsvorteil führen kann, da immer mehr Menschen bereit sind, mehr Geld für Produkte auszugeben, wenn diese auf einer gerechten Basis produziert worden sind. Demnach schaffen Werte wie Ehrlichkeit, Verantwortung und soziales Engagement Vertrauen in ein Unternehmen und wird mit Markentreue belohnt. Stehr (2007) sieht im Konsumenten ein wichtiges Element um Werte wie Nachhaltigkeit, Fairness und Solidarität in die Gesellschaft zu integrieren. Waren und Dienstleistungen besitzen heute nicht mehr nur einen rein ökonomischen Wert, ihnen wohnt auch ein moralischer Wert inne. Ein Beispiel wäre der Atomstrom: Laut einem Bericht des ARD Magazins Kontraste (2010) warnen Experten vor hochgefährlichen Sicherheitsdefiziten an einigen Atommeilern. Kontraste konnte nachweisen, dass an mindestens einem deutschen Atomkraftwerk seit Jahrzehnten nicht ausreichend kontrolliert wurde. Der TÜV jedoch betont, dass alles ausreichend geprüft wurde. Eine nähere Untersuchung ergab, dass der größte TÜV, der TÜV Süd, eine auf Gewinn ausgerichtete Aktiengesellschaft ist. Würde der TÜV nun einen Reaktor wegen Sicherheitsmängel abschalten lassen, würde ihm ein Gewinn im dreistelligen Millionenbereich verloren gehen. Weitere Untersuchungen ergaben, dass zwei Drittel der Aktien der TÜV Süd sich in den Händen der Energiekonzerne EON, Vattenfall und EnBW befinden. 242 Wenn der Konsument bei der Wahl des Produktes ethisch handelt, wie Stehr (2007) empfiehlt, könnte es für den Konsumenten in diesem Fall bedeuten zu einem Ökostrom Anbieter zu wechseln. Sich zu engagieren und sein Handeln als bedeutsam einzuschätzen, und sei es nur bei der Wahl des Stromanbieters, wird im Buddhismus auf vielen Ebenen unterstützt. „Drum prüfet, ohne unterlass“ ist eine vielzitierte Aussage des Buddha und meinte genau diesen wachen Blick, das Hinterfragen dessen, was im alltäglichen Leben geschieht. Hier lohnt sich ein „integraler Blick“. Es bedarf mehrerer Perspektiven, um komplexe Probleme zu lösen. Wenn eine neue Kultur von Unternehmen und Unternehmensführung entstehen soll, bedeutet das, einer neue gesellschaftliche Basis zu schaffen, die aus neuen Werten entsteht. Die buddhistische Ausrichtung gibt den Befragten eine Orientierung in welche Richtung sie ihre Werte aufbauen können. So sagt Alexander, dass „eine Führungskraft führt. Und ne Führungskraft muss eine Richtung haben. Und der Buddhismus hat eine ganz klare Richtung. Und wenn diese Richtung nicht klar ist, werde ich mich als Führungskraft auch verheddern. Und deswegen glaube ich, dass der Buddhismus eine große Hilfe sein kann, was ist denn das große Ziel, was über allem steht.“ (Al, 506ff). Buddhistisches Weltbild Viele Teilnehmer berichten davon, dass sie eine tiefere Natur oder eine Natur der Wirklichkeit erkennen würden, die hinter der oberflächlichen Betrachtung der Geschehnisse liegt. Auch Sebastian berichtet davon: „beim Vipassana ist es ja so, dass es um tiefe Einsicht geht, in die Natur der Wirklichkeit. Und das interessiert mich einfach auch vom philosophischen Aspekt her. Direkte Wahrnehmung der Wirklichkeit zu machen und das betreibe ich gewissermaßen als Forschungsprojekt. Da kannst du so richtig sehen, was passiert da.“ (Se, 146ff) Damit ist eine Sicht der Dinge gemeint, die jenseits der Konzepte und Konstrukte liegt, die sich ein Mensch im Laufe der Zeit aneignet. Nach Kabat-Zinn (1991) befindet sich der Mensch die meiste Zeit in einer Art Autopilotenmodus, das heißt, er ist sich seines Handelns nicht oder nur wenig bewusst und reagiert automatisch auf die ihn einwirkenden Reize. So sagt Roth (2001), dass das menschliche Gehirn aufgrund seiner hochgradigen Binnenverdrahtung sich hauptsächlich mit sich selbst beschäftigt. Zwar kommen Reize von außen in das System und darauf wird auch mit Erregungen reagiert, aber dieser Effekt ist äußerst gering im Vergleich zu dem internen Geschehen. Das Gehirn baut sich demnach eine eigene Vorstellungswelt auf, die mit der so genannten Realität außerhalb nur entfernt zusammen hängt. Nach Grawe (2004) ist es eine Illusion, dass wir von einem bewussten Ich 243 als Entscheidungsfaktor unseres Handelns und Denkens ausgehen. Vielmehr ist unser Handeln ein Ergebnis von Prozessen, die schon vorher in uns abgelaufen sind und die nicht bewusst gesteuert worden sind. Der Buddhismus hat diese Position ebenfalls vor 2.500 Jahren formuliert, in dem er sagte, das „Ich“ sei nur eine illusorische Vorstellung. Die Auffassung von einem eigenständigen Selbst ist der Schlüssel zu unserem leidhaften Erleben (siehe Theorieteil), da damit auch Konzepte verbunden sind, die uns definieren. Wenn nun diese Konzepte in Frage gestellt werden, reagieren wir mit Ablehnung, Ärger und Hass. Auf der anderen Seite ist der Mensch permanent damit beschäftigt, dieses „Ich“ zu bestätigen und aufzubauen, das wiederum erzeugt ein Gefühl von Gier nach materiellen Dingen, bestimmten Emotionen oder Erlebnissen, die das Ich bestätigen und ihm schmeicheln. Viele Teilnehmer berichten von der Wahrnehmung einer Präsenz, einem tieferen Gefühl des Seins, wenn sie dieses Konzept des „Ich“ durch brechen, wie zum Beispiel Martin es formuliert: (...) und dann ist da noch so dieses Gefühl, ich bin jetzt in Kontakt mit der Wirklichkeit. Diese Wahrheit trägt sehr weit, es gibt Kraft und Energie, dieses Gefühl von Bedeutsamkeit. Das ist etwas Wichtiges, relevantes, so etwas zu tun, also bei mir sind da alle relevanten Bewusstseinselemente vorhanden. (Ma, 215ff) Aus buddhistischer Sicht bedeutet diese Seins-Erfahrung, dass man sich dem gegenwärtigen Moment öffnet und in der Lage ist, wahrzunehmen, was gerade passiert, auch wenn es eine Situation ist, die in mir Gedanken oder Emotionen auslöst. Die Kunst besteht gerade darin, sich nicht von seinen Gedanken oder Emotionen davon tragen zu lassen, sondern sie bewusst wahrzunehmen. Damit interpretiere ich nicht mehr die Welt nach meinen inneren Vorgaben, sondern bin in der Lage, sie vorurteilsfrei zu betrachten (Anderssen-Reuster, 2007). Einige der interviewten Personen berichteten, wie sie früher kopflos auf unternehmerische Zahlen und Statistiken reagierten, während sie sich durch die buddhistische Praxis nun in der Lage sehen, diese von außen kommenden Faktoren zu betrachten und gleichzeitig die dabei aufkommenden Gedanken oder Emotionen wahrzunehmen, ohne vorschnell zu reagieren. 11.1.3 „Überpersönliche Einstellung“ (in-vivo-Kategorie, Ha, 562) Die Befragten zeigten, dass ein angemessenes Leadership über die Interessen einer Person oder eines Unternehmens hinausgeht. Es geht vor allem darum, einen Standpunkt einzunehmen, der geprägt ist von Offenheit und Selbstvergessenheit, also dem Gegenteil davon, was wir heute vielerorts an Führungskräften erleben. Dies drückt auch Hanna aus: 244 „Also, gute Führung ist für mich etwas, letztendlich auch etwas, was sich auf ein überpersönliches Ziel ausrichtet. Führen ist ja immer die Frage, wohin führt man, sozusagen, was ist das Ziel von Führung, was ist meine Absicht die dahinter steht und letztlich- gute Führung ist für mich schon etwas, was eben jenseits von den eigenen Interessen des Führenden geht, sondern jemand, der das große Ganze im Blick behält, wenn er führt, das macht einfach für alle Sinn. Das wäre für mich ein Merkmal von guter Führung.“ (Ha, 456ff) Mehrere Studien belegen mittlerweile, dass vor allem Menschen mit einem besonders ausgeprägtem Ego die Chefposten übernehmen. Dabei zeigt sich, dass diese Menschen nicht besonders geeignet sind für diese Tätigkeit, da sie vor allem ihre eigenen Fähigkeiten besonders hoch einschätzen und sich nur wenig um andere Menschen kümmern, zudem treffen sie riskante Entscheidungen. Narzisstische Führungspersönlichkeiten neigen demnach zu sprunghaften und risikoreichen Entscheidungen, die auch zu Resultaten wie der Finanzkrise führen. (Brunell et al., 2008). Eine überpersönliche Einstellung verhilft den Befragten, eine mehr weltzentrische Haltung einzunehmen und sich persönlich nicht mehr so wichtig zu nehmen. Sebastian formuliert dies anschaulich: „Da ist auf jeden Fall diese Offenheit, die ist ganz wichtig und die hat ja auch diesen Aspekt der Selbstlosigkeit, denn offen kann nur jemand sein, der nicht ständig an sich selbst klebt. Und eingeschlossen ist, ja, und auf sich bezogen, wenn man auf sich bezogen ist, kann man nichts mitkriegen, was da um einen herum passiert. Offenheit ist dann eben auch Selbstlosigkeit. Und das andere ist Klarheit, dass ist auch Selbstlosigkeit, man projiziert nämlich nicht ständig seine eigenen Gedanken, Vorstellungen, Erwartungen, Vorurteile nach außen, auf den anderen, sondern man kriegt wirklich mit, was auf der anderen Seite los ist, es geht eigentlich dann immer wieder darum, was der Buddha gelehrt hat, also dieses NichtSelbst, diese Haltung von Nicht Selbst.“ (Se, 329ff) Damit einher geht auch eine Haltung des Dienens. So berichten Hanna, dass es ihr ein großes Anliegen ist, für andere Menschen nützlich zu sein. Dies gelingt, wenn man über seinen eigenen Schatten springt, beziehungsweise, wenn man seine kleinen Bedürfnisse zugunsten der großen Bedürfnisse der Welt, loslassen kann. Dem geht voraus, dass man sich nicht mehr so verstrickt mit der Welt, also seine Identifikation mit dem „Ich“ lockert und eine breitere Perspektive einnimmt. 245 Neue Werte Höhere und ethische Werte spielen bei den Interviewten eine große Rolle. Nachdem viele in ihren Berufen erfahren haben, wie sich der wettbewerbsorientierte, profitorientierte Managementstil negativ auf ihre Persönlichkeit auswirkte, wurde es den Befragten immer wichtiger, neue Werte zu integrieren und auch im Berufsleben auszuleben. Stefan schildert, wie er mit dem ständigen Konkurrenzdruck nicht mehr zurecht kam: „Ständig diesen Druck nach oben zu wollen und die oben sehen dich ja auch als Bedrohung wenn du gut bist, und so weiter. Ne, irgendwann hab ich gemerkt, dass da ein wesentlicher Aspekt meiner Selbst auf der Strecke blieb.“ (St, 146ff) Tim beschreibt, wie er sich total identifiziert hat mit seinen Erfolgen und äußeren Statussymbolen. Durch die buddhistische Praxis konnte sich Tim schließlich aus den klassischen Karrierewegen heraus entwickeln. Dies führte unter anderem dazu, dass er sich seinen bis dahin verborgenen Gefühlen stellte. Heute gibt Tim an, dass er eine Klarheit besitzt über das, was ihm wesentlich erscheint und auch welche Werte er vermitteln möchte. Alle Befragten gaben an, wie bedeutsam für sie die Integration von Ethik in ihren Beruf geworden ist. Darüber hinaus betont Alexander, dass er andere Menschen ermutigen möchte, über bestimmte Idealvorstellungen ihrer Persönlichkeit hinauszugehen und hinzusehen, welche verborgenen Einstellungen und Werte wirklich in ihnen liegen. Eine Führungskraft sollte für Tim eben niemand sein, vor dem man Angst haben muss, sondern jemand, der einen fördert und in der Lage ist, das Potential seiner Mitarbeiter zu entdecken. 11.2 Achsenkategorie „Handlungs- und interaktionale Strategien“ 11.2.1 Reflektiertes Handeln Ein reflektiertes Handeln ist für die Befragten unerlässlich. Damit ist auch gemeint, die Folgen seines Handelns abzuschätzen. Der Dalai Lama (1992) betont die immense Bedeutung des abhängigen Entstehens. Wenn die Ursachen für etwas gelegt sind, dann ist es unvermeidbar, dass bestimmte Resultate eintreten aufgrund des Kausalitätsprinzips. Wenn man also bestimmte Konsequenzen vermeiden möchte, ist es zunächst wichtig, die Ursachen für ihr Entstehen zu erkennen. Nach buddhistischer Lehre liegt die Schwierigkeit für den Menschen darin, dass er die Wirkungszusammenhänge aus Ursachen und resultierenden Konsequenzen nicht wahrnehmen kann, weil häufig zu viel Zeit dazwischen liegt. Er nimmt die Dinge war, wie sie erscheinen und kann sie nicht als Ergebnis sehen, dass auf viele Ursachen und Faktoren zurück zu führen ist. Damit gibt es eine Diskrepanz zwischen dem, 246 wie uns die Phänomene erscheinen und dem, wie sie eigentlich sind. Das wird in der buddhistischen Lehre als Unwissenheit benannt und ist die Hauptursache für alles weitere Leid. Ein Beispiel dafür gibt Stefan mit der Produktion von T-Shirts in anderen Ländern. Wenn man in einem Laden ein T-Shirt sieht, dann nimmt man nur dieses T-Shirt war, wie es aussieht, ob es einem gefällt, was es kostet. Wie Stefan nun ausführt, gibt es aber mehrere Möglichkeiten, wie man nun dieses T-Shirt wahrnehmen kann. Entweder kann es von gierigen Unternehmen produziert werden, die die größte Gewinnmarge erzielen wollen und sich nicht darum kümmern, ob die Baumwollhersteller in Indien sich und die Umwelt mit Pestiziden vergiften und rücksichtslos ausgebeutet werden. Oder es kann ein „Fair Trade“ Produkt sein und die Baumwolle und Verarbeitung entstand im schützenden Rahmen einer Gewerkschaft, die sich darum kümmert, dass zumindest Mindeststandards eingehalten werden. In diesem Zusammenhang bedeutet also ein reflektiertes Handeln sich klar zu machen, welche tiefgreifenden Auswirkungen bestimmt Entscheidungen haben und sich klar zu machen, dass man für diese, oftmals verdeckten, Auswirkungen ebenfalls Verantwortung zu tragen hat. Tim stellt fest, dass viele Vorstellungen, häufig einfach übernommene, aber nicht hinterfragte Erwartungen anderer sind, die uns im Leben begegnet sind und denen wir somit einen großen Einfluss einräumen. Menschen agieren in ihren gewohnten Mustern, ohne sich zu hinterfragen. So kommen Brügger und Scherer zu dem Ergebnis: „Die meisten Menschen denken nicht so gut, wie sie glauben. Statt möglichst optimale Lösungen zu finden, denken viele von uns in gewohnten Mustern und sind überzeugt davon, dass Genies wie Einstein, Picasso oder Mozart so geboren wurden. Was aber, wenn diese Annahme falsch wäre?“ (2009, S. 25). Nach Professor Kruse (2004) geht es heute um einen Prozessmusterwechsel. Wenn sich die Umweltbedingungen ändern, wie es heute häufig der Fall ist, fällt es Menschen häufig schwer, sich und ihre Ansichten anzupassen. Das könnte nämlich bedeuten sich phasenweise vom Lehrer zum Lernenden zurückzuverwandeln. Manager die stark auf das effiziente umsetzen festgelegter Ziele ausgerichtet sind, haben es heute in Zeiten der komplexen Dynamiken häufig schwerer, weil sie bisher ihre Ziele mit wenig Variation im gewohnten Verhalten umgesetzt haben. Auf Situation A wurde standardmäßig mit Reaktion B reagiert, mittlerweile wird jedoch immer deutlicher, dass diese Führungsart in instabilen Systemen und Zeiten, in denen vielfältige Anforderungen zu bewältigen sind, nur schlecht greift. Die neue Führungskultur erforderte eine vollkommen andere Rollendefinition als das alte Management. 247 Für die meisten Befragten ist es zudem wichtig, dass man als Führungsposition eine Vorbildfunktion einnimmt. Diese Erwartungen an die eigene Rolle, bestätigen die neueren Führungstheorien, die besagen, dass Führungskräfte selbst die Werte verkörpern müssen, die sie von den Mitarbeitern erwarten und die Teil der Unternehmenskultur sind. Auch sollten Führungskräfte in der Lage sein, komplexer und vielschichtiger zu denken und zu handeln, da sich die Welt gerade in einem instabilen Prozess befindet. Die Befragten nehmen die buddhistische Praxis als eine Art Brücke wahr, mit der sie ihre buddhistische Praxis mit den Anforderungen eines modernen Leadership verbinden können. Die Integration von Achtsamkeit in den Berufsalltag ist in diesem Falle hilfreich, da Achtsamkeit eine Verknüpfung zwischen Kognitionen und Emotionen herstellen kann. Dies bedeutet, dass Fähigkeiten der Aufmerksamkeitsregulierung, wie etwa der Perspektivenwechsel oder der bewussten Erfahrung des Moments, gelernt werden können (Kabat-Zinn, 2006). Menschen sind sich im Allgemeinen nicht bewusst darüber, was sie gerade tun, statt dessen werden sie von Gedanken und Gefühlen geleitet, die sich aufgrund von äußeren Reizen bilden. Im so genannten Autopiloten-Modus sind sich die Menschen der innerlich ablaufenden Prozesse nicht bewusst, sie laufen automatisch ab und werden daher selten korrigiert. (Kabat-Zinn, 1991). Sobald jedoch der Faktor Achtsamkeit hinzu kommt, können die eigenen inneren Zustände wahrgenommen werden. Man ist dadurch in der Lage, selbst in turbulenten Situationen die Selbstreflexion nicht zu verlieren und sich nicht von Gefühlen oder Gedanken überfluten zu lassen, wie es oft durch das Auftreten kritischer Reize passieren kann (Goleman, 1997). Das bestätigt Stefan, der versucht, seine Reaktionsgewohnheiten zu durchschauen und nun durch die buddhistische Praxis, die ehemals negativen Reaktionsmuster durchbricht, um die Vielfalt der möglichen Reaktionen zu erkennen. 11.2.2 „Das gemeinsame Sein“ (in-vivo-Kategorie, Ma, 776) Für die Befragten ist es klar, dass sie Teil einer Gemeinschaft sind. Sie sehen die Vorteile einer Gemeinschaftsorientierung und erkennen die Nachteile eines isolierten Auftretens. So gibt Martin an, dass er ständig durch andere Menschen lernt, er steht als Führungskraft immer wieder Situationen gegenüber, die er als völlig neu erlebt. Sich mit anderen auszutauschen erhöht die Bandbreite des eigenen Verhaltens. Ein weiterer Aspekt ist für Stefan und Tim Netzwerke zu bilden, da man in der Wirtschaft als Gemeinschaft ernster genommen wird, hier wird sich auch Rat geholt, wenn man sich Herausforderungen gegenüber gestellt sieht. 248 Die buddhistische Perspektive wird deutlich im Konzept der gegenseitigen Abhängigkeit. Dies bedeutet, dass ein Phänomen aus einer großen Anzahl anderer Phänomene entsteht, die wiederum von anderen Phänomenen kreiert wurden. Als Beispiel kann man sich das Konzept eines Baumes vorstellen. Das Phänomen Baum setzt sich letztendlich aus den Faktoren zusammen, die dafür sorgen, dass ein Baum entsteht und existieren kann. So braucht es einen Samen, der in einem fruchtbaren Boden aufgeht. Dazu braucht es Regen und Sonne und Mineralien, damit der Baum wachsen kann. Schließlich braucht es Bienen, damit Bäume sich gegenseitig bestäuben können. Es ist also erkennbar, dass ein Phänomen von einer Vielzahl anderer Phänomene abhängig ist. Würde man die Sonne herausnehmen, gäbe es keinen Baum. Übertragen auf ein Unternehmen bedeutet dies, dass es eine Vielzahl an Phänomen bedarf, damit ein Unternehmen auf lange Sicht erfolgreich sein kann. Führungskräfte begegnen den zunehmend komplexen sozialen Herausforderungen häufig mit kognitiven Strategien, was jedoch nur eine Handlungsweise darstellt, jedoch braucht es in der aktuellen wirtschaftlichen Situation mehrere mögliche Handlungsstrategien. Die Vielzahl der Phänomene sollte gewürdigt werden und einfließen in die Art des Handelns (Wong & Law, 2002). Wie Ervin Laszlo (2007), Begründer des Club of Budapest darstellt, hat die Menschheit als solches weniger als ein Jahrzehnt, um ihre eingefahrenen Handlungsmuster zu verändern und dem gegenüber nachhaltigere Handlungsmodelle zu integrieren, um damit einer kollektiven Katastrophe entgegen zu wirken. Die Schwierigkeit liegt darin, dass viele Unternehmen sich noch im Bann eines veralteten Bewusstseins und einer verengten Perspektive befinden, in der ausschließlich unmittelbare materielle Ziele und Interessen verfolgt werden. Doch zunehmend werden neue Konzepte in Unternehmen integriert, wie zum Beispiel das Konzept der Emotionalen Intelligenz gegenüber dem Konzept des Intelligenzquotienten (Sternberg, 1997). Emotionale Intelligenz wird dabei mehr als ein Verhaltensmuster verstanden, als um eine tatsächliche Form der Intelligenz (Eysenck, 2000). Emotionale Intelligenz bedeutet, Gefühle von sich und anderen wahrnehmen und ausdrücken können, sowie eigene Gefühle und die des Gegenübers regulieren zu können. Außerdem wird in diesem Konzept festgestellt wie Emotionen zur flexiblen Planung, zum kreativen Denken und zur Neuausrichtung der Aufmerksamkeit genutzt werden können (Salovey & Mayer, 1990). Emotionale Intelligenz bedeutet auch, soziale Beziehungen und Beziehungsgeflechte genau erfassen zu können und in Arbeitsbeziehungen reflektiert mit Emotionen umgehen zu können (Goleman, 1999). In Bezug auf Leadership bedeutet dies unter anderem Selbstvertrauen und Optimismus in der Berufsgemeinschaft zu erzeugen. 249 Das beschreibt auch Sebastian, ihm ist es wichtig, dass eine Führungskraft überhaupt wahrnimmt, was geschieht und dann verfügt man seiner Meinung nach über die Fähigkeiten ein Unternehmen zu leiten. Er beschreibt seinen jetzigen Chef als sehr ruhig und klar, somit geht Sebastian im Konfliktfall auch gerne zu seinem Chef und der Konflikt kann dann häufig aufgelöst werden. Emotionale Intelligenz der Führungskraft trägt also zu einer positiven Unternehmenskultur bei. 11.2.3 Achtsame und empathische Führung Kohlschmidt (2007) unterscheidet zwischen zwei Haltungen oder Menschenbildern, die von einer Führungsebene vermittelt werden können. Zum einen gibt es den Compliance-Ansatz, der von einem eher skeptischen, passiven Menschenbild ausgeht. Das Unternehmen führt hier durch äußere Anreize wie Belohnung oder Bestrafung und erwartet von ihren Mitarbeitern ein opportunistisches Verhalten. Dieser Ansatz ist möglich, wenn von einer Umwelt mit hoher Stabilität und geringer Komplexität ausgegangen werden kann. Der Integrity-Ansatz setzt hingegen auf die Werte der Individuen und geht davon aus, dass Mitarbeiter von sich aus moralisch handeln, zudem lernfähig sind und selbstverantwortlich handeln wollen. Je nach Ansatz zeigt sich in der Führungsebene ein unterschiedliches Verhalten. Im Compliance-Ansatz geht es um die Einhaltung von außen vorgegeben Regeln, zudem soll Fehlverhalten verhindert werden. Dies wird versucht zu erreichen, indem Maßnahmen wie Schulungen, Überwachung, Kontrolle und Strafen eingeführt werden. Das dahinter liegende Menschenbild sieht den Menschen als ein von materialistischem Eigeninteresse angetriebenes Wesen an. Alexander gibt ein gutes Beispiel, wie eine Führungskraft die Mitarbeiter durch die Perspektive des Compliance-Ansatz betrachtet: „Die meisten Führungskräfte, die ich kenne, stöhnen immer, über ihre Mitarbeiter. „Die sind nicht in der Lage, wollen nicht, sind nicht motiviert, können auch nicht.“ Und dann machen sie alles selber. Dann haben sie diesen Anspruch und denken, dass kann keiner so gut wie ich, gerade bei Unternehmern, ganz groß“ (Al, 461ff). Dem Integrity-Ansatz geht es um die Selbststeuerung nach selbstgewählten Standards. Das eigenverantwortliche Verhalten soll ermöglicht werden durch eine gelebte Unternehmensethik und durch Coaching und Supervision. Das dahinter liegende Menschenbild sieht den Menschen als ein soziales Wesen, dass von den Werten und Idealen seines Umfeld geprägt und angetrieben wird. Auch Schnorrenberg (2007) sieht Empathie als einen wesentlichen Bestandteil von guter Führung. Das Konzept des umjubelten Spitzenmanagers wird ersetzt 250 durch eine Führungskraft, die sozial führt, in dem sie ihre Mitarbeiter zu erreichen versucht durch Empathie (Khurana, 2002). Der Integrity-Ansatz kommt den Interviewpartnern am nächsten, da sie es ebenfalls als förderlich empfinden, wenn eine Führungskraft eine klare Ausrichtung hat bezüglich der Werte des Unternehmens, an der sich die Mitarbeiter orientieren können. Zudem geht es darum, dass die Potentiale und Qualitäten im Team erkannt und gefördert werden. 11.3 Achsenkategorie „Intervenierende Variablen“ 11.3.1 Buddhistische Praxis Alle Interviewten gaben an, täglich buddhistische Methoden zu praktizieren, in der Regel handelt es sich dabei um eine Meditationsform im Kontext der jeweiligen buddhistischen Ausrichtung. Wie der Dalai Lama (2001a) ausführt, ist Meditation vergleichbar mit einem Instrument, welches erlernt werden muss, es entwickelt sich nicht von alleine. Meisterschaft erlangt man, nach etwa 10.000 bis 20.000 Stunden disziplinierter Übung. Insofern beeinflusst die Dauer und Intensität der täglichen Praxis die Integration in das persönliche Weltbild und in das Verhalten. Einen Hauptaspekt der Auswirkungen der buddhistischen Praxis sehen die Befragten darin, sich von ihren Konditionierungen und eingefahrenen Sichtweisen zu befreien. Wie auch im theoretischen Teil erläutert, besteht eine wesentliche Aufgabe der Achtsamkeitspraxis darin, zu lernen, nicht mehr automatisch auf äußere Reize zu reagieren, sondern zu lernen, sich der Gedanken und Gefühle bewusst zu werden, die äußeren Reize in einem auslösen. Tim beschreibt sehr anschaulich, wie Achtsamkeit einen Weg aufzeigen kann, um die Situation in der man sich befindet, genauer zu betrachten: „Und eher ist es bei den Führungskräften so, dass sind Führungskräfte, die auf dem Weg nach draußen sind. Die an so einer Schwelle sind, die Burnout haben, die Sinnkrise haben, die nach anderen Wegen suchen und genau in dieser Situation sind. Ja. Und da ist häufig Achtsamkeit das, was ihnen zeigt, ja Menschenskind, ich leide hier! Jeden Tag! Und wenn ich meinen Chef sehe, dann so: gggrrr“ (Ti, 351ff). Auch Stefan schildert, wie er durch die buddhistische Praxis bemerkte, wie sehr er Führungskräfte idealisierte und ihnen Charakterstärken zuschrieb, die nicht vorhanden waren. Sebastian schildert, dass Meditation ihm dabei hilft, sich langsam von seinen Konzepten und Sichtweisen zu lösen. 251 Durch dieses Gewahrsein von dem, was in der Welt tatsächlich vor sich geht, bildet sich bei vielen Befragten ein kritischer Geist heraus. Stefan schildert, wie er gelernt hat, vorgegebenen Meinungen zu hinterfragen und die Situationen und die eigenen Gedanken dazu kritischer anzuschauen. Auch Sebastian nimmt Dinge während der Arbeit kritischer zur Kenntnis, zum Beispiel, dass viele Kollegen mit dem Auto zur Arbeit fahren, während sie sich gleichzeitig beruflich mit der Wahrung der Ressourcen der Umwelt beschäftigen. 11.3.2 Dringlichkeit des Wandels Die natürlichen Kapazitäten der Erde werden momentan um ein Drittel überbenutzt und dies vor allem durch die hochindustriellen Länder, in denen der Konsumismus das kulturelle Leitbild darstellt (Assadourian, 2010). Die Internationale Energieagentur (2006) beziffert im IEA Jahresbericht, den World Energy Outlook, also den Betrag, der notwenig ist, um den wachsend.en Energiehunger der Welt bis 2030 zu befriedigen auf 20.000 Milliarden Dollar. Der britische Ökonom Stern (2007) veröffentlichte eine breit diskutierte Studie, in der die Klimaerwärmung die Weltwirtschaft 5.500 Milliarden Euro kosten könnte. Laut dem Friedensnobelpreisträger Muhammad Yunus (2010) bestand in der Geschichte der Menschheit noch nie die Notwendigkeit eines so umfassenden kulturellen Umbruchs wie er heute immer offenkundiger verlangt wird. Für Heinberg (2004) ist der Kampf gegen den Klimawandel jedoch auch eine Chance für eine nachhaltigere Welt. Durch die Reduzierung des Autoverkehrs können ruhige Städte geschaffen werden und durch den Verzicht auf Nuklearenergie und fossile Brennstoffe können neue dezentralisierte Energiemodelle entstehen. Die Verringerung des globalen Güterverkehrs stärkt die lokale Wirtschaft und fördert nachhaltiges Wirtschaften. Auch Rubin (2010), Chefökonom und-Stratege der kanadischen CIBC-Bank, sieht eine große Chance für die Menschheit am Ende des fossilen Zeitalters. Die Welt wird seiner Meinung nach wieder kleiner werden, da Treibstoffe teurer werden, was zur Folge hat, das Produkte und Dienstleistungen nicht mehr über den halben Kontinent geflogen werden. Statt dessen werden lokale Produkte und Dienstleistungen den Markt prägen: „Stellen Sie sich auf eine kleinere Welt ein. Schon bald wer- den Ihre Lebensmittel von einem Acker in Ihrer Nähe kommen, und die Dinge, die Sie kaufen, werden eher von einer Fabrik in Ihrem Heimatort produziert als am anderen Ende der Welt. Mit ziemlicher Sicherheit werden Sie weniger mit dem Auto fahren und mehr zu Fuß gehen, und das bedeutet auch, dass Sie 252 viel näher an Ihrem Zuhause einkaufen und arbeiten werden. Ihre Nachbarn und die örtliche Gemeinschaft werden in kleineren Welt der nicht allzu fernen Zukunft viel wichtiger werden. Es stellt sich die entscheidende Frage, ob wir weiterhin in eine Weltwirtschaft investieren wollen, in der jeder Dollar, Euro oder Yen, den wir an Wohlstand produzieren, unsere Abhängigkeit vom Öl zementiert. In diesem Fall würden wir einen zerstörerischen Zyklus von Rezessionen und Aufschwüngen heraufbeschwören, der sich immerfort wiederholen muss, während die Wirtschaft immer wieder mit dem Kopf gegen die Wand des Ölpreises läuft. Sollten wir diese Route einschlagen, wird das Ölfördermaximum bald zum Maximum der Wirtschaftsleistung führen“ (Rubin, 2010, S. 22f). Auch die Befragten gaben an, von der Dringlichkeit eines Wandels angetrieben zu werden. Deutlich wird, dass viele der Befragten angaben, es mit einer Frage des Überlebens unserer Zivilisation zu tun zu haben. Viele erleben eine tiefe Verbundenheit zur Natur und aus dieser Verbundenheit entsteht ein Bedürfnis zu handeln. Das äußert sich im Führungsstil genauso wie im Verhalten des Konsumenten. Daher sieht Martin, dass viele Führungsinstrumente und Führungstheorien überholt werden müssen. Die momentane Herausforderung lässt sich nicht mit altem Denken bewältigen. Zudem sind es nach Martin auch nicht die weisesten und liebevollsten Menschen, die heute Unternehmen führen, sondern im Gegenteil, eher Menschen mit antisozialen Charakter, die sich rücksichtslos den Weg an die Macht erkämpft haben, sind in den Top-Positionen zu finden. Martin äußert an dieser Stelle auch eine Kritik an buddhistisch Praktizierenden. Gerade in Zeiten der Herausforderung verschwinden manche buddhistisch Praktizierende in Meditationsgruppen, anstatt aktiv am Wandel mit zu wirken. Leuchtturmfunktion Die Befragten schätzen den Einfluss von Führungskräften als sehr hoch ein. Alexander meint dazu: „Na die Führungskräfte sind diejenigen, die am meisten Einfluss haben. Und damit auch ein ganz anderer Multiplikator sind, also wenn die ne bestimmte Haltung an den Tag legen, multipliziert sich das sofort“ (Al, 384ff). Auch Hanna sieht einen Sinn darin, in einer Position zu arbeiten in der sie relativ viel Einfluss hat und damit die Lebensbedingungen anderer Menschen prägen kann. Die Schwierigkeit liegt Stefans Meinung nach darin, dass die meisten Führungskräfte einfach nicht wissen, woran sie sich orientieren sollen und somit der großen Masse folgen. 253 Nach Schein (1995) basiert eine Unternehmenskultur auf Grundprämissen, die durch einen Lernprozess entstanden sind. Es wurden also im Laufe der Zeit Problemlösungsmuster gefunden, die sich über die Zeit bewährt haben und somit zu Grundprämissen geworden sind. Diese Grundprämissen spiegeln sich in bestimmten internen Spielregeln, in Denkgewohnheiten, in der Firmenphilosophie und dem Wertesystem des Unternehmens wieder. Auch hier erleben wir vermehrt einen Wechsel der Grundwerte der Unternehmenskulturen. In der Vergangenheit wurde sich meist an der Old-Economy orientiert, die sich an traditionellen Werten orientiert wie Pflicht, Ordnung und Gehorsam. Den Mitarbeitern in so einem Unternehmen wird nur wenig Freiraum für persönliche Entwicklung gegeben, es herrschen überwiegend hierarchische und autoritäre Strukturen. Umgangsformen zeichnen sich durch formelle Anrede mit Nachnamen und einer bestimmten Kleidungspflicht aus. Die New-Economy dagegen orientiert sich an Werten wie Eigenverantwortung und Selbstentfaltung. Den einzelnen Mitarbeitern wird die Möglichkeit zur Selbstentfaltung gegeben und es wird ihnen mehr Verantwortung und Selbstbestimmung zugesprochen. Umgangsformen zeichnen sich aus durch lockere Kleidungsordnung und einem kooperativen Führungsstil. Natürlich kann diese neue ökonomische Realität auch Ausdruck eines Kapitalismus ohne jegliche Verpflichtungen und Loyalität sein. Der Druck auf den Einzelnen wird immer größer und Gefühle der Angst und Verunsicherung nehmen zu. Nach Senett (1998) verliert der Mensch im Kapitalismus tiefergehende Wertvorstellungen und Tugenden wie Verantwortungsbewusstsein und Arbeitsmoral. Peters und Watermann (1993) sehen die hauptsächliche Aufgabe einer Führungskraft darin, ein passendes Wertesystem aufzubauen und die damit verbundenen Prämissen zu vermitteln. Dies kann jedoch nur geschehen, wenn die Führungskraft diese Werte auch tatsächlich vorlebt. Wenn das nicht geschieht, ist es nicht verwunderlich, wenn Menschen das Vertrauen in Führungskräfte verlieren, umoralische Boni-Ausschüttungen in Milliardenhöhe sind ein deutliches Beispiel. Die Schwierigkeit steckt nun darin, dass Führungskräfte einem starken Erfolgsdruck ausgesetzt sind, wie es Tim formuliert: (...) die Führungskraft ist in einer viel schwierigeren Position und hat viel mehr Ängste, weil sie viel fremdbestimmter ist und häufig mit Zielen konfrontiert ist, die von oben kommen (...) (Ti, 344f). Aus diesem Grund beobachtet Tim, dass 254 Burn Out und Sinnkrisen bei Führungskräften häufig zu finden sind, da sie sich einem enormen Druck ausgesetzt werden. Es ist also zu sehen, dass Führungskräfte zwar mehr Spielraum bei ihren Entscheidungsmöglichkeiten haben, dass sie jedoch auch in ein System eingebunden sind, dass ihnen Grenzen vorgibt, mit denen sie sich arrangieren müssen. „Leuchtturmfunktion“ heißt in diesem Sinne auch, Vorreiter zu sein, für ein neues Wertesystem und Menschenbild in Unternehmen. 11.4 Achsenkategorie „Effekte“ Die Befragten schildern vielfältige Veränderungen, die die buddhistische Praxis mit sich bringt und die sie in ihr Berufsleben integrieren können. Die Aussagen der Interviewten lassen sich dabei in zwei Bereiche einteilen. Einmal in den Bereich der persönlichen Fähigkeiten und einmal in den Bereich der interpersonalen Fähigkeiten. Die persönlichen Fähigkeiten umfassen die Effekte, die die Befragten durch die buddhistische Praxis in ihren Berufsalltag mit einbringen können, während die interpersonalen Fähigkeiten die Beziehungen zu anderen Menschen beschreiben. 11.4.1 „Persönliche Integrität“ (in-vivo-Kategorie, Al, 493) Wie im Theorieteil ausgeführt, lohnen sich wertorientiert geführte Unternehmen und sind interessanterweise häufig erfolgreicher als Unternehmen, die sich ausschließlich am Profit orientieren. Dies liegt auch daran, dass heute die immateriellen Werte einen Unternehmens, wie Mitarbeiter mit ihrem Know-How oder die Reputation eines Unternehmens, wichtiger sind, als seine materiellen Werte wie Gebäude, Grundstücke und Maschinen. Aus diesem Grund wird der Vertrauenswürdigkeit eines Unternehmens mehr Priorität eingeräumt, da Aktivitäten entgegen der öffentlichen Meinung zu massiven Umsatzverlusten führen können. Unternehmen, die einen ethischen und ökologischen Mehrwert schaffen wollen, können häufig einen nachhaltigeren Erfolg verbuchen. Der Vorgesetzte muss dabei „eine Fülle von Eigenschaften besitzen: Mut, Visionen, hohes Leistungsvermögen, Vorbild sein, mit Werten, die er selbst lebt, `in Führung gehen´, permanente kritische Auseinandersetzung mit der eigenen Offenheit, Authentizität und Lernbereitschaft, soziale Kompetenz, sowie Teamfähigkeit“ (Dowie, 2007, S. 36). Diese Werte waren auch in den Interviews wiederzufinden. So spricht Alexander davon, dass es wichtig ist, innere persönliche Werte zu entwickeln und sich im Beruf nicht zu verbiegen, 255 sondern zu sich zu stehen. Martin schildert, wie wichtig es ihm ist, sich unabhängig zu machen von Lob und Kritik, um seine Unabhängigkeit zu wahren und seine Führung nach seinen inneren Werten ausrichten kann und nicht nach den Meinungen anderer. Stefan erinnert an die Zeit, in der er anfing, seinen Kunden nachhaltigere Produkte vorzuschlagen, da dies seinen Wertvorstellungen entsprochen hat und immer noch entspricht. Vertrauen und Gelassenheit Alle der Interviewten berichten davon, dass die Entwicklung von inneren Qualitäten und Fähigkeiten ihnen hilft mit der Vielfalt an Situationen, die ihnen begegnen, umzugehen. In vielen Interviewpassagen wurde deutlich, dass die Befragten zum einen mehr persönliches Glück und Zufriedenheit erlangen durch die buddhistische Praxis, und dass sie zum anderen auch eine größere, umfassendere Sicht auf die Welt und die herrschende Unternehmenskultur entwickelt haben. Die Befragten gaben an, persönliche Fähigkeiten entwickelt zu haben, wie Vertrauen, Gelassenheit und Klarheit: „...dass da mehr Gelassenheit ist, mehr Vertrauen (...)“ (Ha, 559) Studien zeigen, dass langfristige Meditationserfahrung die Fähigkeit zu Mitgefühl für andere Menschen erweitert (Lutz, et al., 2004). Für Alexander ist es auch so, dass er Vertrauen in seine Mitarbeiter entwickeln konnte: „...eine wichtige Qualität ist Vertrauen, das ne Führungskraft das Vertrauen hat, meine Mitarbeiter handeln nach bestem Wissen und Gewissen. Und ich mich frage als Führungskraft, wie kann ich ihnen die Bedingungen zur Verfügung stellen, das sie wirklich ihr ganzes Potential entfalten“ (Al, 452ff). Diese Interviewpassage verdeutlicht meiner Meinung nach das aufkommende wirtschaftliche Leitbild. Führung heißt demnach nicht mehr strenges Top-Down-Management, sondern es geht wirklich darum, die Mitarbeiter zu fördern und ihre Potentiale zu entdecken. Klarheit Die buddhistische Praxis bringt es für einige der Befragten mit sich, eine größere Klarheit zu entwickeln. Damit ist ein anderer Umgang mit den eigenen Gedanken gemeint, aber auch eine reflexive Klarheit „bezüglich dem was ich mache, wie ich es mache und warum ich es mache. Also im Gegensatz zu früher, wo es nur darum ging gut und erfolgreich zu sein. Das kam ganz klar durch den Buddhismus, dass ich mich immer mehr gefragt hab, was mache ich eigentlich und warum mache ich das? Was machen eigentlich alle anderen, was ist denn überhaupt los?“ (St, 255ff) 256 Ein weiterer Punkt ist die Reaktion auf Krisen, sowie der Umgang mit schwierigen Situationen. Martin und Stefan berichten, wie sie in krisenhaften Situationen durch gezielte Meditation zu einer inneren Klarheit kommt, die ihnen verhilft, nicht impulsiv und konditioniert auf Situationen zu reagieren, sondern sich erst einmal zu besinnen, um dann klarer mit der Situationen umgehen zu können. Eine der Kernaussagen der buddhistischen Lehre ist, dass allen Menschen Weisheit innewohnt (Jigme Rinpoche, 2006). Häufig ist diese innere Weisheit leider verdeckt von konditionierten Reaktionen, von Glaubenssätzen, oder schlicht von Angst. Durch buddhistische Praxis ist es möglich, diese innewohnende Weisheit zu entdecken. Damit ähnelt sie den Aussagen der Humanistischen Psychologie und der Klientenzentrierten Psychotherapie, die dem Menschen eine angeborene Selbstverwirklichungs- und Vervollkommnungstendenz postuliert (Quitmann, 1991). 11.4.2 „Radikale Eigenverantwortung“ (in-vivo-Kategorie, Ha, 517) Die Interviewten haben eine klare Vorstellung davon wie wichtig es ist, Verantwortung zu übernehmen. Der verwendete Begriff „Verantwortung“ deckte dabei mehrere Dimensionen ab. Da man als Führungskraft Einfluss besitzt, ist es wichtig sich zu vergegenwärtigen, welche Gefahren des Missbrauchs darin stecken. So führt Sonnenborn (2004) die Krise der deutschen Banken auf das Fehlverhalten des Managements zurück, indem dieses die traditionellen Kulturwerte der Kreditbanken zerstört hat, ohne neue Werte zu setzen. Durch die Ausrichtung an amerikanische Managementkonzepte ist sowohl eine Identitätskrise bei den Mitarbeitern entstanden, als auch ein Vertrauensverlust innerhalb der Kundengruppen. Für Sebastian haben Buddhisten einen besonders hohen Grad an Verantwortung zu tragen, da sie über Methoden und Techniken verfügen, die der Welt von Nutzen sein können. In diesem Zusammenhang findet er die strikte Trennung von Staat und Religion fatal, da seiner Meinung nach viele positive Elemente aus dem Buddhismus in Institutionen fließen können, wie etwa die Praxis der Achtsamkeit oder der Bodhisattva Gedanke, also das gelebte Mitgefühl. Ebenso wie Martin findet er es wichtig, dass buddhistisch Praktizierende neben der Meditation auch ihrer sozialen Verantwortung nach kommen, zu diesem Zweck gründete er ein Netzwerk, dass Buddhisten dabei unterstützt. Verantwortung übernehmen Die Globalisierung schränkt die nationale Autonomie maßgeblich ein. Dieser Verlust der Einflussmöglichkeiten der nationalen Politik kann zu Ohnmachtsgefühlen in der Bevölkerung 257 führen, da man sich Kräften ausgesetzt sieht, denen man nichts entgegenbringen kann. Politische Maßnahmen reichen oft nicht mehr aus, die globalen Herausforderungen zu bewältigen. Dabei profitieren die meisten Marktteilnehmer von der Einhaltung selbst gestellter Regeln. Diese Regeln beinhalten zum Beispiel „ethische Vorgaben zum Verhalten am Markt, die oft über entsprechende gesetzliche Rahmenbedingungen hinaus gehen“ (Köhler & Raiser, 1999, S. 310). Ein Beispiel hierfür wäre eine Selbstbeschränkung bei der Umsetzung menschenfreundlicher Arbeitsbedingungen. Bei den Interviewten wird deutlich, dass sie versuchen, Verantwortung in ihrem Maßstab zu übernehmen. Alexander stellt fest, dass er gelernt hat, eigene Fehler zu entdecken und zuzugeben. Dies wird ihm durch eine buddhistische Perspektive ermöglicht, die ihn dazu auffordert, in sich zu blicken um eigene Unzulänglichkeiten zu entdecken und zu integrieren. Ähnlich formuliert es Stefan, der sagt, dass er früher seine Fehler auch schon mal anderen zugeschoben hat, während er heute versucht Verantwortung dafür zu übernehmen. Die buddhistische Perspektive, insbesondere das Wissen um die karmischen Zusammenhänge hilft ihm dabei zu sehen, wie er Glück und Zufriedenheit erlangen kann. Aus der karmischen Perspektive, führt eine Unehrlichkeit anderen Menschen gegenüber zu einer enormen Spannung im eigenen Geist, weil das persönliche Gerechtigkeitsempfinden verletzt wurde (Dalai Lama, 1992). Ähnlich formuliert dies die Positive Psychotherapie und auch die Humanistische Psychologie, die den Menschen grundsätzlich als gut und gesund ansieht (Peseschkian, 2001). Auch Maslow (1973) spricht davon, dass die innere Natur des Menschen gut oder neutral ist und dass die Gesellschaft diese innere Natur unterdrücken und verneinen kann, was zu psychischer Krankheit führen kann (Maslow, 1973). 11.4.3 Potentiale erkennen und fördern Eurich (2006) sieht es als ein Relikt der industriegesellschaftlichen Zeit an, dass Menschen ihre Lebenszeit dritteln in Lohnarbeit, die alltägliche Daseinsvorsorge und Freizeit. In dieser Perspektive betrachtet man Arbeit letztlich als etwas, dass gemacht werden muss, um den Lebenserhalt zu sichern. Es entsteht häufig eine Entfremdung zwischen dem beruflichen Selbst und dem privaten Selbst. Wenn Mitarbeiter sich in ihrem Unternehmen selbstverwirklichen können, fühlen sie sich enger mit Unternehmen verbunden, und die Spaltung kann zunehmend aufgehoben werden. 258 Führung bedeutet in diesem Verständnis, dass „die Mitarbeiter partnerschaftlich ernst genommen werden. Der Erfolg solcher Führung steigt, je stärker es zu einem Einklang der unternehmerischen Ziele mit den Grundwerten einer Kultur und den Werthorizonten der Mitarbeiter kommt“ (Eurich, 2006, S. 19). Ein bedeutender Faktor spielt in diesem Zusammenhang, ob Menschen extrinsisch oder intrinsisch motiviert sind. Eine extrinsische Motivation ist meist mit äußerlichen, materiellen Belohnungen verbunden, wie etwa dem umstrittenen Manager-Boni, während bei einer intrinsischen Motivation die Ausführung der Arbeit aus sich heraus Belohnung genug ist. Dies passiert, wenn Gefühle von Autonomie und Selbstbestimmung vorherrschen, eine intakte soziale Interaktion stattfindet, wenn es eine Toleranz gegenüber Fehlern gibt und eine gestaltende Teilnahme am Arbeitsprozess stattfindet. Kommen diese Faktoren zustande, stellt sich ein harmonisches Erleben der Arbeit ein und kann zu einem sogenannten „Flow-Zustand“ kommen. Nach Csikszentmihalyi (1985) ist Flow eine Erlebensweise, die ein Gefühl des selbst- und zeitvergessenen Aufgehens in einer glatt laufenden Tätigkeit umfasst. Wie in Abbildung 11 zu sehen ist, setzt Flow ein bestimmtes Maß von persönlichen Fähigkeiten und den in der Situation wahrgenommenen Anforderungen voraus. Werden die Anforderungen als zu hoch eingeschätzt entsteht Angst, während bei zu niedrigen Anforderungen, bei gleichzeitig hohen Fähigkeiten ein Gefühl der Langeweile entsteht. Wenn Fertigkeiten und Anforderungen beide gleich niedrig sind, entsteht ein Gefühl der Apathie. Erst wenn die Anforderungen und persönlichen Fähigkeiten eine bestimmte Schwelle überschritten haben, entsteht der Flow-Zustand, der als ein ganzheitliches Gefühl erlebt wird. Es ist ein positiver Zustand, der mit einem Zuwachs an Fähigkeiten und einem Anheben des Selbstwertgefühls einhergeht. 259 Abb.: 11 Das Flow-Modell (Csikszentmihalyi & Csikszentmihalyi, 1991) Viele der Befragten gaben an, dass es ihnen wichtig ist, die Potentiale ihrer Mitarbeiter zu fördern: „Gute Führung ist für mich auch jemand, also wenn jemand gut führt, ist wirklich so, das Beste aus den Leuten auch rausholt, im besten Sinne, was inspirierendes, was bereicherndes, was Potential orientiertes“ (Ha, 465ff). Die Befragten berichteten, dass es ihnen wichtig ist, wegzukommen von einer rein auf Profit orientierten Führung, hin zu einer neuen Form zwischen Führung und Beteiligung. Dabei wird es immer wichtiger, die Qualitäten der Mitarbeiter zu integrieren, anstatt alles selber regeln zu wollen. Dazu gehört für Alexander das Vertrauen in die Mitarbeiter, dass sie selbstständig handeln können. Aus diesem Vertrauen heraus, entsteht die Grundlage dafür, dem Mitarbeiter alles zur Verfügung stellen zu wollen, damit er sein volles Potential entfalten kann. Martin erwähnt in diesem Zusammenhang den Kohärenzfaktor, wenn die Mitarbeiter einen Sinn in ihrer Tätigkeit sehen und die Überzeugung haben, dass sie ihren beruflichen Alltag mitgestalten können, arbeitet das ganze Team effektiv und effizient. Wenn nun Faktoren auftreten, die diese Kohärenz stören, geht diese Dynamik verloren. Für Martin ist es entscheidend, dass die Führungskraft selbst kohärent agiert. Erst wenn er selbst eine „grenzenlose Offenheit und Bereitschaft Dinge zu verstehen“ (Ma, 590) mit sich bringt, kann 260 sich der Kohärenzfaktor erhöhen. Dann wird sich eine Kultur des Vertrauens und der Offenheit entwickeln, in der sich alle Beteiligten entfalten können. 11.4.4 Orientierung geben Etwas zu leben, was man für sich als wichtig erachtet hat und damit eine mögliche Richtung vorzugeben, an der sich die Mitarbeiter orientieren können, wenn es auf ihre eigenen Konzepte anwendbar ist, ist für viele der Befragten ein wichtiges Merkmal einer Führungskraft. Das bedeutet, wie Martin es ausdrückt, eine neue Art von Führung zu etablieren, weil „es gibt einfach sehr sehr viele Menschen in hohen Führungspositionen, die geführt werden von ihrem eigenen Ego, ihren Ängsten, ihren Bedenken, ihren Begierden, irgendwas, also was nichts mit dem großen Ganzen, mit der Entwicklung zu tun hat. Also es gibt eine ganze Reihe, die überhaupt nicht die Fähigkeiten entwickelt haben, das hinzukriegen. Also sie haben weder das Wissen, was Führung eigentlich genau ist, worauf es ankommt, noch haben sie diese ganzen Kompetenzen entwickelt, so etwas wie Empathie, Gelassenheit, Mut, inneren Frieden. Die haben sie nicht. (Ma, 734) Für Sebastian sind die notwendigen Fähigkeiten dazu schon vorhanden, jetzt geht es darum, diese auch einzusetzen. Dazu ist es seiner Meinung nach notwendig, als Chef ein vorbildliches Handeln an den Tag zu legen um so Orientierung für andere zu geben. Gerade in einer Zeit, in der im naturwissenschaftlichen oder medizinischen Bereich immer mehr möglich ist, wie zum Beispiel Gen-Experimente, sieht Stefan, dass da auch Wissenschaftler an ihre Grenzen kommen, weil sie eben oftmals keinen ethischen Rahmen haben, in dem etwas statt finden kann, also sie machen alles, was sie machen können und das ist nicht gut. Da braucht es eine Distanz die sagt, nur weil wir alles machen können, heißt es nicht, dass wir es auch machen sollten. Und da braucht es Vorbilder, die mit ihrem Leben zeigen, so könnte es auch gehen (St, 299ff). Individuelle und kollektive Auswirkungen Eine Erkenntnis die die meisten der Befragten teilen, besteht darin, dass die Entscheidungen von Führungskräften, von Mitarbeitern und von Konsumenten zum Teil massive kollektive Auswirkungen haben: „Wir müssen eben nur erkennen, dass unsere Entscheidungen immer ganz viele andere Menschen beeinflussen. Das hat unsere Kultur total ignoriert und das können wir sehr gut durch den Buddhismus lernen, dass wir gegenseitig voneinander abhängig sind.“ (St, 338ff). 261 So wie der Konsument durch seine Entscheidungen dazu beiträgt, ob Produkte produziert werden, die förderlich oder schädlich für die Umwelt sind, trägt die Führungskraft durch seine Entscheidungen maßgeblich dazu bei, wie sich Dinge entwickeln: „Und die Konsequenz daraus ist die Bereitschaft, nach innen zu kucken und deshalb, ist es für mich immer wieder zentral, die Haltung mit der Menschen das tun, was sie tun. Das ist eine innere Haltung und die innere Haltung beeinflusst wiederum auch dass wie sie sich äußerlich verhalten.“ (Ha, 504) 11.5 Zentrale Kategorie „ Ganzheitliche Perspektive “ An dieser Stelle werden die Zitate und die Diskussion der zentralen Kategorie gemeinsam dargestellt. Und der weise Mensch, der führt ja viele Menschen in der Regel, aber auf eine ganz andere Art und Weise. Wie denn? Ja einmal weil er, jenseits der Diskriminierung ist, das heißt mit jedem Menschen kann er in Kontakt bleiben, das heißt, er sagt nicht, du bist schlecht, du bist gut, du bist so oder du bist so. Er ist nicht parteiisch, diese Nichtdiskriminierung, damit kann er sich mit jedem verbinden. Menschen fühlen sich in seiner Umgebung gesehen, verstanden, aufgenommen. Und nicht beurteilt, bewertet, was ja heute ganz viel drin ist in Führungsstilen, es wird ja unendlich bewertet, beurteilt, die guten ins Töpfchen, nee andersrum. Also du bist gut, du bist Schlecht, das ist ja ne total ständige Selektion und so werden die ja auch selber selektiert, ständig, die besten werden Führungskräfte... ständige Selektion und Auswahl und Trennung, Frage dann ja, nach welchen Kriterien steigt jemand in einer Organisation auf? Aber derjenige der Walk the talk macht, für den reden und tun eins sind, das ist für mich einer der wirklich führt, ja und wenn das im Einklang ist mit den fünf Achtsamkeitsübungen und mit nem offenen Herz, dann ist das eine sehr kraftvoll, strahlende Person. Weil er das lebt, was er sagt und er führt eigentlich durch sein Vorbild. (Ti, 412ff) Und eben bei der Führungskraft, dass sie anderen keine Angst macht, sondern dass sie beim anderen in der Lage ist das Schöne zu sehen, das Schöne zu fördern. Ja, und das dieses wirklich höheren Werten zu dienen hat, ohne sich dann selber darüber zu erhöhen und von ner höheren Position die Welt moralisch zu beurteilen. Also immer, immer in Kontakt zu bleiben, auch mit demjenigen, der da gerade einen ziemlich Blödsinn veranstaltet. Sympathie with the devil. Nicht dass ich das toll finde, aber dass 262 ich ihn nicht weg stoße. Und sage, wenn wir die alle ausradieren, dann ist die Welt eine bessere, sondern im Kontakt bleiben. (Ti, 521ff) Was wäre das Wichtige am Buddhismus, was die Führungskraft unbedingt braucht? Also ganz wichtig, da eine ist die Erfahrung und Übung des Nicht-Tuns. Definitiv. Also wir nutzen uns ab und sind unglaublich mit Informationen versorgt. Und die Erfahrung zu machen, absolut zur Ruhe zu kommen, wirklich im Moment anzukommen. Das der Staub sich setzen kann und ich wirklich wieder einen klaren Blick kriege, weil es mir wahnsinnig hilft zu sehen, was ist denn jetzt wirklich wichtig. Das schmeiße ich oft durcheinander im Alltag. Da kommen Sachen rein, die sind gerade frisch und ich habe den Impuls mich darum zu kümmern und diese Klarheit zu haben: was ist jetzt wirklich meine Kernaufgabe: worum habe ich mich zu allererst zu kümmern dafür halte ich diese Übung für absolut notwendig und genauso auch, Körperübungen. Sei es Yoga, Tai Chi, Niederwerfungen, wie auch immer, oder Sport, auch ok. Es geht um die andere Erfahrung, raus aus dem Kognitiven, mehr ins Empfinden, Erleben. Weil es mir, ich garantiere das jeder Führungskraft, wird andere Impulse kriegen und auch noch mal viel klarer sehen warum stehe ich eigentlich wo ich stehe? Die Gefahr ist so unglaublich groß einfach Tag für Tag das Alltagsgeschäft abzuarbeiten, ohne zu gucken, warum überhaupt? Und schwups, ist das Leben vorbei. Ich finde das auch einen ganz wichtigen Aspekt, sich dieser Endlichkeit bewusst zu sein. Alle Dinge verändern sich, permanent und trotzdem ist der Wunsch da ein bisschen anders. Aber ich meine, ich brauche nur um mich herum zu schauen. Es gibt keine Garantie, es kann wahnsinnig schnell gehen. Und das halte ich für absolut notwendig, immer wieder inne halten und sich die Endlichkeit und den Tod zu vergegenwärtigen. Und noch mal zu gucken, stimmt das denn, was ich hier mache, angesichts dessen, das meine Zeit endlich ist. Leiten sie da auch so etwas wie Übungen an? Wir machen oft, in Seminaren, aber auch im Coaching, geführte Traumreisen. Gerade bei den buddhistischen Seminaren. Stellt Euch mal vor, ihr wärt am Ende Eures Lebens angekommen, auf was wollt ihr denn zurück gucken? Ist so das eine, das andere ist einfach Thema Tod und Endlichkeit, Das ist präsent. Das kann mich jeden Moment erreichen. Der Buddhismus bietet gute Instrumente an. Welche? Die Stille, Klausur. Aber auch, Mantrapraxis, Sutrarezitationen, Körperübungen, da gibt es verschiedene Formen. Aber auch die Lehre an sich, wenn ich diese Lehre des Karma und der Leerheit verstehe und anfange 263 zu üben meine Sicht auf die Welt danach auszurichten, wird mir das helfen Entscheidungen zu fällen, wie ich mich anderen Menschen gegenüber verhalte, die sich positiv auswirken. (Al, 511ff) Diese explorative Studie umfasst einen weiten Bereich. Es geht einerseits um buddhistische Praxis, die zum Teil ein völlig anderes Menschenbild vermittelt als unsere Kultur. Andererseits geht es um ein Leadership im 21. Jahrhundert und der Einsicht in die Notwendigkeit eines Wandels in Unternehmen und Führung. Es ist zu sehen, dass die buddhistische Praxis bei den Befragten viel auslöst und verändert. Alle gaben eine Bereitschaft nach innen zu schauen zu erkennen, das heißt, es wurden durch die Praxis eigene Werte, Visionen, und auch persönliche Schwächen entdeckt, um sie nachhaltig integrieren zu können. Daraus ergab sich letztendlich eine überpersönliche Einstellung, die dazu verhalf, über den „eigenen Tellerrand“ zu blicken und eine erweiterte Perspektive einzunehmen. Nicht nur das eigene Wohl und die eigene Karriere spielen eine Rolle, auch die Mitarbeiter und ein globaler Rahmen gewinnen an Wertigkeit. Übertragen auf den integralen Ansatz bedeutet dies, dass die Befragten in den Interviews eine weltzentrische Position einnahmen. Unterstützt wurde diese Entwicklung vor allem durch die buddhistische Praxis und durch die Dringlichkeit eines Wandels. Alle Interviewten waren sich einig, dass nur ein tiefgreifender Wandel, sowohl auf der individuellen als auch der kollektiven Ebene, die Existenz unserer Gesellschaft sichern kann. Integral betrachtet bedeutet dies, dass eine Führungskraft all die beschriebenen Felder und Ebenen zu berücksichtigen hat. So gibt es die innerbetriebliche Ebene, auf der es darum geht, eine Kultur der Förderung und des achtsamen Umgangs miteinander zu schaffen. Viele Mitarbeiter auf allen Ebenen eines Unternehmens, bis in die obersten Führungsetagen, sind bisher nicht im Kontakt mit ihrem vollen Potential. Die Aufgabe einer Führungskraft ist, dieses brachliegende Potential zu entdecken und einen Zugang dazu zu ermöglichen. Natürlich liegt bei dieser Herangehensweise die Gefahr darin, dass Unternehmen ihre Mitarbeiter einfach nur ausschöpfen wollen, indem sie sich das Beste zu nutzen machen, was diese eben zu bieten haben. Darum ist es so immens wichtig, dass ein Unternehmen auch ökonomische, soziale und kulturelle Verantwortung übernimmt. „Dafür gibt es keine Patenrezepte. Dieser hochkomplexe und mehrfach vernetzte Systemzusammenhang muss prozesshaft immer neu geklärt und auch ausgehandelt werden, vor allem was das Engagements des Unternehmens über die eigenen Bestimmungsgrenzen hinaus betrifft“ (Eurich, 2006, S. 21). 264 Eigene Reflexion hilft dabei sich des Systemzusammenhangs, also auch der möglichen Folgen der zu treffenden Entscheidungen bewusst zu werden. Aus der Reflexion über das eigene Handeln können leichter Entscheidungen getroffen werden, die einerseits mit den eigenen inneren Werten im Einklang stehen und andererseits förderlich für die Umwelt sind. Wenn eine Führungskraft authentisch und als Vorbild wahrgenommen wird, steigert sich damit die Motivation der Mitarbeiter und wirkt sich auf deren Verhalten aus. Führungskräfte, die beispielsweise ein großes Interesse an der Nachhaltigkeit verkörpern, schaffen ein Klima in ihrem Unternehmen, in dem die Mitarbeiter Nachhaltigkeit als Wert teilen. Dabei nimmt für die Befragten Achtsamkeit eine zentrale Rolle ein. Achtsames Handeln ermöglicht es ihnen präsent zu sein und es gleich zu merken, wenn sie emotional oder gedanklich „festsitzen“. Sie überprüfen dann die eigenen Vorstellungen und ob es nötig ist, daran festzuhalten, oder verabschieden sich von bestimmten Gedanken, die sich nicht als hilfreich erweisen. Achtsamkeit hilft auch dabei unangemessene Handlungsimpulse zu spüren. Einige erwähnten eine gewisse Verlangsamung im Handeln, sie überlegen sich ihre Handlungen nun genauer und prüfen, ob die Handlungen für die Mitarbeiter und Kunden hilfreich sind, oder nicht. Achtsamkeit in der Kommunikation bewirkt, dass sich über wesentlicheres ausgetauscht wird, besser zugehört wird, mit einem wirklichen Interesse an den Mitarbeitern. Das Team wird als kreatives Potential gesehen, dass das einzelne Potenzial der Führungskraft übersteigt. Das Interesse am Mitarbeiter ist nicht verordnet, weil es der neuesten Führungsstrategie entspricht, sondern entsteht quasi als Nebenprodukt der buddhistischen Praxis, in der sich liebevolle und positive Geisteszustände entwickeln, die sich nicht nur, sondern auch auf die Mitarbeiter auswirken. Dadurch ist es möglich ein Vertrauensverhältnis mit den Mitarbeitern aufzubauen und gemeinsam an einem unternehmerischen Strang zu ziehen. Die positiven Geisteszustände, wie Vertrauen, Gelassenheit und Klarheit, führen auch zu der Entwicklung von Souveränität, die es ihnen ermöglicht, radikale Eigenverantwortung zu übernehmen und auch Fehler zuzugeben, anstatt den unnahbaren Chef zu mimen. Dies mündet schließlich in einer Mitarbeiterorientierung, in der es darum geht, die Potentiale der Mitmenschen zu entdecken und zu fördern und damit auf ein gemeinsames Ziel hin zu steuern. Letztendlich geht es eben auch darum, Orientierung zu geben, indem man offen und klar ausspricht, was die Welt braucht, was die Mitarbeiter brauchen und was das Unternehmen braucht. 265 Eine „Ganzheitliche Perspektive“ einzunehmen bedeutet, all diese Faktoren zu vereinen. Es bedeutet, durch eigene Reflexion und Einschränkung sich persönlich weiter zu entwickeln und zu lernen, die Dinge aus einer erweiterten Perspektive einzunehmen. Es bedeutet, Verantwortung zu übernehmen, für sich und anschließend für andere, um sich schließlich an den Punkt zu kommen, den Sebastian so formuliert: „Wenn ich ein sauberes Leben lebe und mich nach ethischen Richtlinien und mich an guten Visionen orientiere, dann kann ich als Führungskraft meine Mitarbeiter erreichen“ (Se, 681f). 266 12 Abschließende Gedanken Im Laufe dieser Arbeit hat sich mein Verständnis darüber, was eine Führungskraft ausmacht erweitert. Zu Beginn dieser Untersuchung verknüpfte ich den Begriff „Führungskraft“ einzig mit den eher negativen Bildern eines Joseph Ackermann, der umstrittenen Führungspersönlichkeit der Deutschen Bank. Durch die intensive Auseinandersetzung mit dem Thema, sowie den Interviews ist mir klar geworden, dass Führung eine wichtige Rolle spielt in einer Gesellschaft. Es gibt so viele Führungskräfte und einige sind sich nicht einmal im Klaren darüber, dass sie eine sind! Jede Erzieherin ist in meinen Augen eine Führungskraft, die es schafft, ein Dutzend unterschiedlicher Kinder zu koordinieren und gleichzeitig dabei eine Atmosphäre des Mitgefühls schafft. Professoren sind Führungskräfte, die das Klima unseres Landes mitbestimmen und viele Studenten maßgeblich in ihrer Persönlichkeitsbildung beeinflussen. Jedes kleine Unternehmen kann zudem nur funktionieren, wenn eine Führungspersönlichkeit den Überblick behält und die richtigen Entscheidungen trifft. Wie schon in der Einleitung erwähnt, leitet eine große Motivation für diese Arbeit aus der Tatsache ab, dass sich ein grundlegender Wandel in unserer Gesellschaft abzeichnet. Oder wie es die Pionierin der Tiefenökologie Joanna May ausdrückt: „Wenn künftige Generationen auf die letzten Jahre des 20. und den Beginn des 21. Jahrhunderts zurückblicken, werden sie wahrscheinlich von „Der Zeit des großen Wandels“ sprechen. Denn jetzt, in dieser Zeit, müssen wir den Wandel von einer industriellen Wachstumsgesellschaft zu einer Gesellschaft schaffen, die das Leben langfristig erhält. Das ist eine enorme Veränderung. Sie passiert zur Zeit und wenn diese Veränderung nicht weitergeht, wird das Leben wohl dauerhaft auch nicht weitergehen, weil unser vorherrschender Lebensstil dem widerspricht. Wenn künftige Wesen also zurückblicken, werden sie es mit Respekt tun, mit Mitgefühl und Dankbarkeit, für das, was wir in der „Zeit des großen Wandels“ getan haben.“ (Macy, 2009, ONLINE). Meiner Meinung nach werden Führungskräfte eine große Rolle bei diesen Prozess spielen, da ihre Entscheidungen viele weitere Menschen und Systeme beeinflussen. Gleichzeitig ist zu sehen, dass bei immer mehr Führungskräften sich eine gewisse Ratlosigkeit abzeichnet, wie sie mit den mannigfaltigen Veränderungen umgehen sollen. Aus diesem Grund war es mir ein Anliegen zu untersuchen, wie buddhistisch Praktizierende ihre Führungsrolle bewältigen. Dabei fiel mir auf, wie zentral die Perspektive ist, die man als Führungskraft einnimmt. Letztendlich bestimmt die Perspektive das ganze Handeln. Eine rein 267 ethnozentrische Perspektive, die nur eigene Wohl und das Wohl der Firma im Auge hat, ist meiner Meinung nach nicht in der Lage, langfristig die richtigen Entscheidungen zu treffen, da zu oft die Entscheidungen auf Kosten anderer gehen. Erst wenn eine Perspektive eingenommen wird, die das eigene ökonomische Wohl mit dem Wohl des gesamten Planeten verbindet, kann das geschehen, was im Buddhismus als „rechtes Handeln“ bezeichnet wird. En Handeln also, dass darum bemüht ist, nachhaltiges und ethisches Verhalten zu fördern und zu fordern. 268 13 Zusammenfassung Im Mittelpunkt dieser qualitativen Explorationsstudie steht die Integration buddhistischer Praxis in den Berufsalltag. Zu diesem Zweck führte ich sechs Interviews mit Berufstätigen mit Führungsverantwortung. Dabei verwendete ich das Problemzentrierte Interview nach Witzel (1989). Die gewonnenen Daten wertete ich anschließend mit Hilfe der Grounded Theory nach Glaser und Strauss (1996) aus. Die Auswertung der Daten ergab, dass sich die Interviewten durch die buddhistische Praxis in der Lage sehen eine ganzheitlichere Perspektive einzunehmen, das heißt, sie definieren ihre Führungsverantwortung und Kompetenz über den üblichen Rahmen der Profitmaximierung hinaus. An dieser Stelle möchte ich die prägnantesten Ergebnisse der Untersuchung aufzeigen. ‣ Durchgehend alle Interviewten befanden es wichtig, ihre eigenen Werte zu entwickeln und diese in ihren Führungsstil zu integrieren. Im Rahmen dieser Werteintegration kamen die Befragten an den Punkt auch eine Analyse des eigenen Verhaltens und Weltanschauung zu machen, die nicht immer leicht beziehungsweise für die Interviewten war. ‣ Die Integration eigener Werte, die durch die buddhistische Praxis angeregt wurde, führte in allen Fällen zu einer überpersönlichen Sicht, das heißt, die Teilnehmer definierten sich und ihren Führungsanspruch über eine weltzentrischen Perspektive, die über die einseitigen persönlichen Belange hinausging. ‣ Eine große Motivation ziehen die Interviewten aus der schlichten Tatsache, dass es wie bislang, nicht mehr weitergeht. Ihrer Meinung nach ist ein Punkt erreicht, an dem klar ist, dass es zu einer kulturellen und gesellschaftlichen Katastrophe kommen wird, wenn nicht ein tiefgreifender Wandel stattfindet. ‣ Durch die buddhistische Praxis sehen sich die Befragten dazu in der Lage eine empathische Haltung gegenüber ihren Mitarbeitern und auch sich selbst einzunehmen. Sie pflegen dabei einen Führungsstil, der von einer Gemeinschaftsorientierung geprägt ist und auch die Folgen ihrer Entscheidungen tiefergehend überdenkt. ‣ Zusammenfassend treffen diese Eigenschaften in der zentralen Kategorie zusammen, der „Ganzheitlichen Perspektive“. Dies bedeutet, dass die Befragten durchweg in der Lage sind, eine Perspektive einzunehmen, die sich an nachhaltigen und ökonomischen Werten orientiert. 269 ‣ Die Teilnehmer sind damit in der Lage, volle Verantwortung für ihr Handeln zu übernehmen, da sie auf kluge und mitfühlende Weise handeln und nicht einzig nach den Prämissen der Profitoptimierung. ‣ Die Befragten sehen es auch Teil ihres Führungsauftrages an, eine Richtung vorzugeben zu geben und Markierungen zu setzen, an denen sich nachfolgende Menschen orientieren können. 270 14 Literaturliste Aellig, S. (2004). Über den Sinn des Unsinns: Flow-Erleben und Wohlbefinden als Anreize für autotelische Tätigkeiten. Münster: Waxmann. Alheit, P. (1999). Grounded Theory. Ein alternativer methodologischer Rahmen für qualitative Forschungsprozesse. Göttingen. S. 1-19. Verfügbar unter: http:// www.fallarchiv.uni-kassel.de/pdf/alheit_grounded_theory_ofas.pdf (08.06.2010) Allione, T. (2009). Den Dämonen Nahrung geben. 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Diese enthält: 1) Joachim Wetzky: • die Interviewtranskripte (Worddateien) • die Kontextprotokolle (Worddateien) • den Interviewleitfaden (Worddatei) • Datenschutzvertrag (Worddatei) • Kurzfragebogen (Worddatei) 2) Danica Wetzky: • die Interviewtranskripte (Worddateien) • die Kontextprotokolle (Worddateien) • den Interviewleitfaden (Worddatei) • Datenschutzvertrag (Worddatei) • Kurzfragebogen (Worddatei) Tabellenverzeichnis Abbildung 1: Die große Kette in den verschiedenen Weisheitstraditionen (Smith, 1976). Abbildung 2: Das große Nest des Seins (Wilber, 2001a). Abbildung 3: Eine einfache Holarchie von Ebenen (Wilber, 1995). Abbildung 4: Die vier Quadranten (Wilber, 2007). Abbildung 5: Drei Stufen moralischer Entwicklung (Wilber, 2007). Abbildung 6: Das integrale Psychogramm (Wilber, 2000a). Abbildung 7: Die Spirale der Entwicklung (Beck & Cowan, 1995). Abbildung 8: Der Achtfache Pfad (Wikipedia, keine Autorennennung nötig). Abbildung 9: Die Bedürfnispyramide nach Maslow (1974). Abbildung 10: Die Stufen des Integralen Buddhismus. Abbildung 11: Das Flow-Modell (Csikszentmihalyi & Csikszentmihalyi, 1991) 294