Erfahrungen bei der Ansiedlung von Wildbienen zur Bestäubung von Süßkirschen an der Lehr- und Versuchsanstalt Gartenbau Erfurt Monika Möhler, Fachbereich Obstbau Der Schwerpunkt der Versuchstätigkeit im Fachbereich Obstbau der LVG Erfurt liegt im Bereich Steinobst. Alle Bemühungen sind darauf ausgerichtet den Süßkirschenanbau sicherer zu machen. Neue Sorten und Unterlagen, hohe Pflanzdichten, Tropfbewässerung und Fertigation tragen dazu bei. Ein erhebliches Risiko für regelmäßige und hohe Erträge liegt nach wie vor in einem guten Bestäubungs- bzw. Befruchtungsergebnis. Besonders in Jahren mit ungünstigen Blühbedingungen durch Kälte, Regen oder Wind kann der Ertrag erheblich reduziert sein. Durch den ständigen Rückgang der zur Verfügung stehenden Bienenvölker müssen neue Wege beschritten werden, um die Befruchtung wichtiger Süßkirschsorten, wie beispielsweise ‘Regina‘, abzusichern und eine befriedigende Ergänzung zur Honigbiene zu finden. Angeregt durch den Vortrag von Herrn Havenith auf dem Bundessteinobstseminar 1998 in Ahrweiler, begann auch in Erfurt die Suche nach vorhandenen Wildinsekten und den Möglichkeiten ihrer Förderung. Nachdem wir über Jahre feststellen mussten, dass die Tropfleitungen an unseren Balkonkästen mit einem Pollenpfropfen verschlossen waren, bestimmten wir die Wildbienenarten in der Umgebung unserer Steinobstversuche. Wir fanden in den Bohrungen alter Gewächshaussockel den Anfangsbestand zweier Mauerbienenarten, der Gehörnten Mauerbiene (Osmia cornuta) und der Roten Mauerbiene (Osmia rufa). Jährlich wurden Nistmöglichkeiten geschaffen, um diese beiden Mauerbienenarten zu fördern. Geeignete Nistmaterialien für Mauerbienen Es wurden die verschiedensten Materialien verbaut und ausprobiert. Lochsteine, angebohrte Hölzer, hohle Pflanzenstängel, Schilf, Holunder und Harthölzer, doch am besten wurden in Stücke (15...20 cm) geschnittene Tonkinstäbe angenommen. An der Vorderseite abgeschmirgelt und hinter dem Nodium geschnitten, so dass sie hinten geschlossen sind. Durchmesser von 5 bis 12 mm erwiesen sich als besonders geeignet. Die Tonkinstabstücke sollten keine Risse aufweisen. Die Ansiedlung in Schwegler Niststeinen erwies sich dagegen als schwierig. Wir begannen Bündel aus ca. 30 Tonkinstäben in den Bäumen aufzuhängen, was sich nicht so gut bewährte wie Nisthilfen unter einem Dach mit Regenschutz und in sicherem Abstand zu regelmäßigen Pflanzenschutzbehandlungen. Die Ablage der Eier erfolgt in den Stäben hintereinander d. h. es können 5 bis 10 Eier in einer Niströhre abgelegt werden (Abb. 1). Der Nestverschluss ist artenabhängig. Abb. 1: Blick in den Linienbau der Niströhre von Mauerbienen, die Brutzelle ist durch eine Trennwand abgeteilt Abb. 2 Gehörnte Mauerbiene (Osmia cornuta) vor verschlossenen Niströhren Abb. 3 Wildinsekten-Grosskiste mit Dach Abb. 5 Ansiedlung von Wildbienen gemeinsam mit Honigbienen Abb. 4 Insektenhotel an der LVG Erfurt Abb. 6 Gehörnte Mauerbiene (Osmia cornuta) in einer Apfelblüte Gehörnte Mauerbienen zur Bestäubung frühblühender Steinobstarten Besonders geeignet erwiesen sich die Gehörnten Mauerbienen zur Süßkirschenbestäubung. Sie erschienen jährlich bereits Ende März. Die Männchen schlüpften bereits einige Tage vor den Weibchen aus den vorjährigen Nestern und erwarteten diese zur Paarung Anfang April. Am Brutgeschäft sind die Männchen nicht beteiligt. Da zu dieser Zeit in Thüringen noch keine Obstgehölze blühen, ist es gerade jetzt erforderlich, blühende Weiden als frühe Bienenweide in der Nähe zu haben, um die 14 Tage bis zur Blüte der ersten Steinobstarten zu überbrücken. Fehlten solche frühen Bienenweidepflanzen, brachen solche Populationen am Praxisstandort wieder zusammen. Während Honigbienen an kalten, windigen Tagen während der Blüte von Aprikosen, Pflaumen oder Süßkirschen kaum fliegen, sind die gehörnten Mauerbienen schon sehr aktiv. Als Solitärinsekten sind sie ständig unterwegs um Pollen für die abzulegende Brut einzutragen (Abb. 2). Oft werden sie durch den gedrungenen Körperbau und dem leuchtend orangfarbenen Hinterteil mit Hummeln verwechselt. Ihren Namen erhielten sie wegen kleiner Hörnchen, die am Kopfschild zwischen den Haaren versteckt sind. Die Flugzeit erstreckt sich von Anfang April bis Anfang Mai, wenige Exemplare fliegen auch bis Mitte Mai d. h. 4 – 6 Wochen. Da diese Mauerbienen nur eine Generation im Jahr haben, muss die gesamte Eiablage in diesem Zeitraum erfolgen. Die Entwicklung des Vollinsektes aus dem Ei erfolgt nach dem Verdeckeln der Niströhre von uns unbemerkt, bis zum kommenden Frühjahr. Günstig erwies sich eine kleine Wasserstelle in der Nähe, da zum Verdeckeln der Brut ständig feuchtes Baumaterial gebraucht wird. Im Anschluss an die Flugzeit der Gehörnten Mauerbiene, ab Anfang Mai bis Ende Juni, wurde die Rote Mauerbiene aktiv, die sich unter Thüringer Bedingungen für die Bestäubung von Äpfeln eignet. Wildbienenhäuser und deren Pflege Das ehemalige Bienenhaus der LVG Erfurt wurde so umgestaltet, dass einige Beuten durch Tonkinstabbündel ersetzt wurden. Diese wurden nebeneinander gelegt und mit Lehm verbaut. So wurden Honigbienen zusammen mit Wildbienen untergebracht. Lehmwände, Lehmziegel, Holzgrosskisten mit Dach (Abb.3) wurden genauso zum Bienenhaus wie unsere Insektenhotels (Abb. 4), die auf Landes- und Bundesgartenschauen zu sehen sind. Leider ist ein solches Insektenhaus kein Selbstläufer, auch hier wird Pflege und Überwachung erforderlich. Nach 3..5 Jahren werden frische Niströhren gebraucht, weil sich hier ebenfalls Milbenbefall einstellen kann bzw. Parasiten wie Grabwespenarten überhand nehmen. Es hat sich bewährt, ständig neuen Brutraum zur Verfügung zu stellen, um die Population gesund zu erhalten und zu vergrößern. Steht man zur Hauptflugzeit in der Kirschblüte vor dem Wildbienenhaus, ist die Flugstärke kaum mehr von Honigbienen zu unterscheiden. Geht man nach Stever, 2000 davon aus, das ca. 600 weibliche Mauerbienen eine Bestäubungsleistung von 2 Bienenvölkern haben, dann können wir das mit 6 Tonkinstabbündeln zu je 20 Niströhren aus denen sich jeweils 5 Mauerbienen entwickeln, absichern. Allerdings ist ihr Flugradius nicht so groß wie der der Honigbienen, was eine gleichmäßige Verteilung der Nisthilfen auf der Steinobstfläche erfordert. 10 Gründe für die Förderung von Mauerbienen in Süßkirschen - Sie sind Solitärbienen, die auch bei schlechtem Wetter fliegen Sie sind Bauchsammler, die den Pollen auf der Narbe gut andrücken Die Bestäubung ist oft effektiver, da der Pollen locker im Haarkleid liegt Man kann sie ohne Probleme umsiedeln Besetzte Bündel können in der Kühlzelle gelagert und ganz gezielt im Schlupftermin gesteuert werden Sie brauchen von Juli bis zum kommenden März kaum Pflege oder Betreuung Sie sind sanftmütig, d. h. sie stechen kaum, da es keine Wächterbienen gibt Man kann auch mit Kindern ganz nah an ein Wildbienenhaus herangehen und beobachten, geeignet für Direktvermarkter Da Tonkinstäbe beim Obstbauern vorhanden sind, bleiben die Kosten für Aufbau und Erhalt gering Es ist ein Beitrag zur Erhaltung der natürlich vorkommenden Artenvielfalt, und es macht Spass, oft wünscht man sich mehr Zeit zum Zuschauen. Weitere Anleitungen und Tipps unter www.lvg-erfurt.de -