Kritisieren auf hohem Niveau - oder ist die psychiatrisch

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DGPPN Kongress 2012 / 21. - 24. November 2012
Presse Round Table 2 23.11.2012
Kritisieren auf hohem Niveau - oder ist die psychiatrischpsychotherapeutische Versorgung gefährdet?
Statement von
Prof. Dr. Thomas Pollmächer, Vorstandsvorsitzender Bundesdirektorenkonferenz - Verband
Ärztinnen und Ärzte der Kliniken für Psychiatrie und Psychotherapie (BDK) e.V.
Stellungnahme der Bundesdirektorenkonferenz – 16.11.2012
Die entscheidenden Reformen, die sich an die Psychiatrie-Enquete der 1970er Jahre
anschlossen, haben dazu geführt, dass aktuell die psychiatrisch-psychotherapeutische
Versorgung in Deutschland im internationalen Vergleich als sehr gut bezeichnet werden darf.
Es sind aber zunehmend Faktoren erkennbar, die dieses hohe Niveau erheblich gefährden.
Ausgangspunkt hierfür ist eine stete und gerade in den letzten Jahren steile Zunahme der
Inanspruchnahme ambulanter und stationärer psychiatrisch-psychotherapeutischer
Leistungen, die zum größeren Teil der Entstigmatisierung psychiatrischer Erkrankungen
geschuldet ist, durch die heute wesentlich mehr behandlungsbedürftige Patienten Hilfe in
Anspruch nehmen, als dies früher der Fall war. Zum kleineren Teil trägt auch eine langsame
Zunahme der Häufigkeit bestimmter Erkrankungen bei, die z.B. durch demographische, aber
auch durch andere Faktoren verursacht ist. Diesem deutlichen Anstieg der Inanspruchnahme
steht der Wunsch der Krankenkassen und Beitragszahler gegenüber, die Kosten möglichst
konstant zu halten und die zunehmende Schwierigkeit, ausreichend qualifiziertes ärztliches
und nichtärztliches Personal zu gewinnen. Darüber hinaus existiert eine Reihe von
Strukturproblemen, die die optimale Allokation der knapper werdenden Ressourcen
erschweren. Im ambulanten Bereich ist schon seit Jahren erkennbar, dass die Versorgung
der Patienten mit schweren Erkrankungen, die etwa 75% aller Patienten ausmachen,
unterfinanziert ist. Für deren Behandlung steht nur etwa 1/3 des ambulanten Budgets zur
Verfügung, während die vorwiegend psychotherapeutische Versorgung, die 25% der
Patienten erfahren, 2/3 der Ausgaben in Anspruch nimmt. Da zudem die ökonomischen
Anreize im Bereich der ambulanten Psychotherapie langfristige Behandlungen favorisieren,
stehen kaum kurzfristige Psychotherapiebehandlungsplätze für akut kranke Patienten zur
Verfügung.
Diese strukturellen Probleme im ambulanten Bereich sind der Grund, warum die
Inanspruchnahme teurer stationärer Leistungen in den letzten Jahren möglicherweise stärker
zugenommen hat, als dies mit rein epidemiologischen Argumenten zu erklären ist. Leider
wird die aktuell gegen den Rat aller relevanten Fachleute geplante Reform der Vergütung
stationärer Krankenhausleistungen dieses Problem nicht lösen, sondern weiter verschärfen:
Geplant sind fallpauschalen-ähnliche diagnosebezogene Vergütungen mit im
Behandlungsverlauf stark degressiven Tagesentgelten. Diese werden zu fachlich nicht
begründbaren Verkürzungen der Verweildauern führen. Die dann früher und im Durchschnitt
kränker entlassenen Patienten werden ein ohnehin schon überlastetes und durch
Fehlanreize torquiertes ambulantes Versorgungssystem vorfinden, was eine Zunahme der
stationären Fallzahlen im Sinne eines starken Drehtüreffektes zur Folge haben wird.
Sinnvolle
Lösungsansätze
zur
Sicherung
psychotherapeutischen Versorgung sind:
der
Qualität
der
psychiatrisch-
• Eine Stärkung der psychiatrischen Institutsambulanzen und der ambulanten
psychiatrischen Versorgung
• Eine Verschiebung von Ressourcen in der ambulanten Psychotherapie weg von
Langzeitbehandlungen hin zu effektiven störungszentrierten Kurzzeitbehandlungen.
• Eine Vergütungssystem für die Behandlung durch das Krankenhaus mit
aufwandsbezogenen Tagespauschalen für vollstationäre, teilstationäre und ambulante,
einschließlich aufsuchend ambulanter Behandlung
• Die Entwicklung von Konzepten zur Bindung und Neugewinnung qualifizierter Mitarbeiter
einschließlich kluger Konzepte zur Delegation ärztlicher Leistungen.
Mit diesen Maßnahmen ist die anspruchsvolle Aufgabe lösbar, das hohe Niveau der
psychiatrisch-psychotherapeutischen Versorgung in Zukunft zu halten und die
Kostenanstiege zu begrenzen. Angesichts der zu erwartenden auch in Zukunft weiter
steigenden Inanspruchnahme der Hilfesysteme, kann die Qualität der Versorgung aber nicht
zum Nulltarif, also ohne Steigerung der Gesamtkosten, erreicht werden kann.
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