Betriebspraxis plus Mit Marken emotionalen Mehrwert schaffen Welche Strategien in Zukunft Erfolg versprechend sind Vom Automobil bis zur Zahncreme, überall hat der Kunde die Qual der Wahl. Darauf hat das Marketing mit einem wahren Werbe-Trommelfeuer reagiert. Doch Werbestrategien verpuffen oft wirkungslos, weil der Käufer immer kritischer und der Wettbewerb immer härter wird. Marketingfachmann Hermann Wala, München, erklärt in „tw“, wie der Aufbau einer erfolgreichen Marke dennoch gelingen kann. „Ich weiß, die Hälfte meiner Werbung ist hinausgeworfenes Geld. Ich weiß nur nicht, welche Hälfte“, soll der AutomobilPionier Henry Ford einmal geseufzt haben. Im Vergleich zu heute befand sich Ford allerdings in einer komfortablen Situation. Denn die Märkte haben sich seitdem dramatisch gewandelt. In den Neunzigerjahren schätzte man, dass jeder Konsument pro Tag durchschnittlich 3 000 Markenbotschaften ausgesetzt sei. Laut Experten ist diese Zahl inzwischen auf 5 000 gestiegen. Kein Wunder, dass die Umworbenen längst vor der Dauerberieselung kapituliert haben und die meisten Botschaften ignorieren. Dennoch scheint in vielen Unternehmen und Werbeagenturen ein hektisches „Weiter so!“ den Ton anzugeben. Allein in Deutschland existieren 80 000 beworbene Marken. Und obwohl die Methoden der Marktforscher immer ausgeklügelter und die Kampagnen immer aufwendiger werden, drängt sich der Verdacht auf, dass viele nach dem Prinzip von Versuch und Irrtum handeln: Immer mehr Produkte werden ins Rennen um die Aufmerksamkeit längst übersättigter Konsumenten geschickt. Produkte sollen nicht nur Bedürfnisse befriedigen Dabei wäre es eigentlich an der Zeit, einen Moment innezuhalten und sich wieder auf das zu besinnen, was Unternehmen tatsächlich neue Kunden beschert. Die entscheidende Frage lautet: Was macht eine Marke zu einer starken Marke? Es lohnt sich, bestehende Werbekonzepte neu zu überdenken. Denn nicht nur die Märkte haben sich verändert, sondern auch die Menschen. Seite 78 • Januar/Februar 2012 Kaum ein Kunde glaubt heute noch ernsthaft, dass ein neues Waschmittel noch weißer waschen, ein neuer Rasierer noch besser rasieren kann. Doch wenn viele Produkte mehr oder weniger dasselbe können, wonach fallen dann Kaufentscheidungen? Entweder nach dem Preis, was vielen Branchen einen ruinösen Wettbewerb beschert. Oder nach Kriterien, die das Marketing erst langsam ins Visier nimmt. Wir sind Zeuge eines umfassenden Wertewandels, zu dem gehört, dass man nicht nur ein gutes Produkt kaufen möchte, sondern auch ein gutes Gewissen. Wie kommt es beispielsweise, dass Banken plötzlich damit werben, sie investierten bei der Kreditvergabe auch in den Klimaschutz? Zu diesem Wandel gehört ebenfalls, dass immer mehr Menschen die Rolle des passiven Konsumenten verweigern und in einen Dialog mit den Unternehmen oder anderen Kunden eintreten wollen. Produkte sollen nicht nur „Bedürfnisse befriedigen“, sondern stärker denn je den eigenen Lebensstil definieren. Ausnahmemarken gelingt es, ein Gefühl der Verbundenheit zu ihren Kunden herzustellen, das über ein bloßes Nutzenversprechen hinausgeht und ihnen langfristige Loyalität sichert. Im Idealfall haben diese Marken Anhänger oder Fans, und eben nicht nur „Käufer“. Um dieses Wir-Gefühl von Kunden und Marken zu umschreiben, spreche ich von „Wir-Marken“. Wenn es einem Unternehmen gelingt, ein solches Band zu seinen Kunden zu knüpfen, kann ihm der Wettbewerb wenig anhaben. Im Kern geht es darum, über Produktmerkmale hinaus Kunden zu faszinieren und Sympathie zu wecken. Dabei spielt eine Reihe von Momenten eine Rolle – eine faszinierende Geschichte, eine klare Botschaft, ein Miteinander im Unter- 1. Selbstverantwortung Die Marke ist zu wichtig, um sie allein der Marketingabteilung zu überlassen. Eine Marke wird von der Geschäftsleitung mitverantwortet, mitentwickelt und nach innen, gegenüber Mitarbeitern, wie nach außen, gegenüber Kunden und anderen Stakeholdern, glaubwürdig verkörpert. Übernehmen Sie Verantwortung für Ihre Marke. 2. Werte Authentische Werte sind Leitlinien für die Unternehmenspraxis, und nicht etwa PR-Parolen für die Imagebroschüre. Unternehmen werden heute auch daran gemessen, ob sie sozial verantwortlich handeln. Vom Engagement im eigenen Stadtteil bis zur Spende für den Regenwald, vom nachhaltigen Wirtschaften bis zur Beachtung von Sozialstandards: Gemeinsame Werte sind Bindeglieder und Sympathieträger zwischen Kunden und Unternehmen. Zeigen Sie, wofür Sie stehen. Fotomontage: ©istockphoto.com/4x6/whitemay/spectrelabs nehmen, um nur einige zu nennen. Eine Öffnung zu den Kunden, eine Kultur des Zuhörens und nicht zuletzt ein Abschiednehmen von den Allmachtsfantasien mancher Marketingstrategen. Denn das Marketing wird nur dann bestehen, wenn es sich von zahlenfixierten Vorstellungen verabschiedet und wieder dort verortet wird, wo es eigentlich hingehört: ins Herz des Unternehmens. Erfolgreich durch Schaffen eines Wir-Gefühls Gleichgültig, in welcher Branche Sie tätig sind oder wie groß Ihr Unternehmen ist: Der Wettbewerb wird zum ruinösen Preiskampf, wenn es nicht gelingt, Kunden zu binden. Die erfolgreichsten Unternehmen unserer Zeit gehen einen anderen Weg. Sie stiften ein Wir-Gefühl, sie machen ihre Kunden zu Fans. Sie kreieren eine starke Marke, die Kunden, Mitarbeiter und Geschäftsleitung in einer Wertegemeinschaft vereint. Diesen Marken gehört die Zukunft. l Infobox Hermann Wala ist Inhaber von Wala Strategy & Brand Consultants, München. Sein Buch „Meine Marke. Was Unternehmen authentisch, unverwechselbar und langfristig erfolgreich macht“, ist im Redline Verlag, München, zum Preis von 24,99 Euro erschienen (ISBN: 978-3-86881-305-0). Kontakt zum Autor unter www.hermann-wala.com. 3. Emotionen Wer die Aufmerksamkeit übersättigter Konsumenten gewinnen will, muss sie emotional berühren. Kundenherzen gewinnt man nicht durch faktische Produkteigenschaften, sondern dadurch, dass man Wünsche, Träume und Sehnsüchte erfolgreich adressiert. Welche Emotionen befriedigen Sie? 4. Geschichten Eine Geschichte bewirkt mehr als die meisten Verkaufsargumente: Sie gräbt sich ins Kundengedächtnis ein und schafft Identifikationsmöglichkeiten. Ob Gründungsmythos, ServiceStory oder Überwinden von Schwierigkeiten: Gute Geschichte macht Ihre Marke einzigartig. Wie lautet Ihre? 5. Vertrauen Vertrauen in ein Unternehmen und seine Marken ist die beste Form der Kundenbindung. Vertrauen gewinnt man durch Transparenz und Offenheit. Die Zeiten, in denen sich eine Marke durch eine restriktive Kommunikationspolitik schützen ließ, sind vorbei. Beobachten lässt sich dies unter anderem bei Umweltkatastrophen oder Rückrufaktionen. Stehen Sie zu Ihren Fehlern. 6. Dynamik Eine Marke darf weder durch Beliebigkeit verspielt noch durch Erstarrung obsolet werden.Es gilt,Kundenbedürfnisse immer besser zu erfüllen, beim Produkt, aber auch in puncto Service, Vertrieb oder in der Kundenansprache. Überraschen Sie Ihre Kunden positiv. 7. Positionierung Positionierung ist ein Wettstreit der Wahrnehmungen, nicht ein Wettstreit der Produkte. Einen Logenplatz im Kundenkopf erobert, wer es schafft, seiner Marke für die Zielgruppe begehrenswerte Differenzierungskriterien zu verleihen. Kommunikative Klarheit, Eindeutigkeit und Kontinuität zahlen sich aus. Wissen Ihre Kunden, wofür Sie stehen? Lässt sich Ihre Markenbotschaft in einem Satz zusammenfassen?