Vergleich mit klassischen Konstruktionen

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Papierfalten und klassische Probleme
der Geometrie
Übersicht
Winkeldreiteilung
Papierfalten, auch Origami (jap. oru - falten, kami - Papier), ist in erster Linie als
kunstvoller Zeitvertreib bekannt. Ab den 1980er Jahren ist Papierfalten jedoch
mehr und mehr zu einer reichhaltigen geometrischen Disziplin herangereift.
Eine der wichtigsten geometrischen Erkenntnisse ist: Durch Papierfalten können
einige seit der Antike bekannte Probleme der Geometrie exakt gelöst werden.
Die so genannten klassischen Probleme der griechischen Mathematik sind
Winkeldreiteilung, Würfelverdopplung (auch als Delisches Problem bekannt)
und Quadratur des Kreises. Alle drei Probleme sind im Allgemeinen nicht mit
Zirkel und Lineal (eigentlich Richtscheit) lösbar; dies beweist man üblicherweise
mit algebraischen Mitteln.
Dagegen gestattet Papierfalten leicht nachvollziehbare Konstruktionen,
mit denen beliebige Winkel gedrittelt und das Delische Problem gelöst
werden können. Grundlegend ür geometrisches Papierfalten ist die folgende
Beobachtung: Sind zwei Punkte und zwei Geraden bereits durch Falten
konstruiert, dann ist es fast immer möglich, einen Punkt auf eine der Geraden
und den anderen auf die zweite Gerade simultan zu falten. Obschon dies eine
leichte Faltung ist, ist sie jedoch sehr überraschend. Im Jahr 1936 von der
Italienerin Margharita Piazzola Beloch veröffentlicht, 1984 von Jacques Justin
und 1989 von Humiaki Huzita wiederentdeckt, sorgt eben diese Faltung (heute
oft HJ6 genannt) ür das Lösen oben genannter Probleme.
Macht man sich zuerst klar, dass das Falten eines Punktes p auf eine Gerade L
mit p ∉ L eine Tangente an die Parabel mit Brennpunkt p und Leitgerade L
liefert (diese Tangente ist der Falz, der beim Falten entsteht), so liefert HJ6
eine simultane Tangente an zwei Parabeln. In der euklidischen Ebene gibt es
höchstens drei solche Tangenten und das ermöglicht es, eine beliebige kubische
Gleichung aufzulösen. Insbesondere können wir damit ∛2 nach Peter Messer
iϕ/3
bzw. e
nach Hisashi Abe (Ergebnis aus dem Jahr 1980) konstruieren, wie
unten bzw. rechts im Abschnitt Winkeldreiteilung genauer beschrieben ist.
Wir zeigen unten wie Winkel zwischen π/4 und π/2 gedreiteilt
werden können. Sieht man wie Winkel durch Papierfalten halbiert
und verdoppelt werden können (wie?), dann kann man einen
beliebigen Winkel dritteln. Wichtig ist hier, dass wir nur solche
Faltungen betrachten wollen, die einen Falz auf einmal erzeugen.
Das heißt, das Papier wird nach einer Faltung vollständig entfaltet
und erst dann darf man fortfahren.
Delisches Problem oder Würfelverdopplung
Peter Messer zeigte 1986 wie Papierfalten das mit klassischen Werkzeugen
unlösbare Problem der Würfelverdopplung bewerkstelligen kann. Besonders
auffallend ist die Leichtigkeit, mit der die Konstruktion von ∛2 erfolgt.
f
P
P
f(C)
l
C
B
m
f(A)
2θ
D
A
A
θ
D
P
Ist ein Winkel !PAD wie im linken
oberen Diagramm gegeben, der
f (C)
gedreiteilt werden soll, so falten
C
O
wir zuerst einen Falz l und dann
m so, dass l und m zu AD parallel
sind und |AB| = |BC| gilt. Danach
B
f (A)
erlaubt HJ6 den Punkt A auf m und
f
C auf AP zu falten: Wir erhalten
θ
A
D
den Falz f wie in den Diagrammen
rechts oben und rechts. Es ist leicht Af(A) zu falten (wie?), und der
Winkel !f(A)AD ist genau ein Drittel des Winkels !PAD; das folgt
aus dem
Beweis: Nach Konstruktion ist Cf(C) parallel zu A f(A) und es gilt
|AC|= | f(A) f(C)|. Daher liegt der Schnittpunkt O von f und A f(C)
auch auf C f(A). Damit ist das Dreieck △AOf(A) gleichschenklig. Der
Winkel !Af(A)B ist gleich θ. Nach Konstruktion ist das Dreieck
△Af(A)C gleichschenklig, so dass der Winkel !Af(A)C = 2θ ist. Aber
damit ist auch !OA f(A) = 2θ und !DAf(A) ein Drittel von !PAD.
Dieser Beweis stammt von Clemens Fuchs, 2011.
2/3s
Axiomatisierung des Papierfaltens
Zuerst wird ein Quadrat mit Seitenlänge s in drei kongruente Rechtecke geteilt.
Dazu halbiert man die obere Seite des Quadrats und faltet die rechte untere
Ecke auf den Mittelpunkt der oberen Seite (Diagramm oben links). Anschließend
markiert man den Schnittpunkt der linken Seite des Quadrats mit der auf sie
gefalteten rechten Seite: Die so konstruierte
Länge ist ⅔ der Quadratseite der Länge s
(Diagramm oben rechts). Falten wir nun A
auf die linke Seite und B auf l (Diagramm
l
3
2
E
links), so zerlegt das Bild von A die linke
Seite des Quadrats in zwei Strecken, die im
B
Verhältnis ∛2 zueinander stehen. Der Grund
1
daür ist die Ähnlichkeit der Dreiecke D und
D
E sowie der Satz des Pythagoras.
A
Quadratur des Kreises
Die Quadratur des Kreises mittels Falten bleibt dagegen unerreichbar – das liegt
wesentlich an der Transzendenz von π. Es gibt Versuche √π zu konstruieren:
Dabei muss man allerdings nichtgeradlinige Falze falten. Das wollen viele
Forscher nicht akzeptieren (siehe Thomas Hull, Constructing π via Origami, 2007).
Die Huzita-Justin-Axiome (HJ) sind sieben Anleitungen, um genau
einen Falz – im Wesentlichen eine Gerade in der Ebene – aus
vorgegebenen Punkten zu falten. Man kann beweisen, dass es keine
anderen Möglichkeiten gibt, einen einzigen Falz zu erzeugen, außer
eine Kombination dieser sieben Axiome zu verwenden.
Interessanterweise lässt sich sogar beweisen, dass sich jede
kubische und damit (nach Lodovico Ferrari) jede quartische
Polynomgleichung mittels dieser Faltanleitungen lösen lässt.
Betrachtet man dazu die beiden Parabeln (y −a / 2)2 = 2bx und
2
y = x / 2 und findet mit HJ6 eine gemeinsame Tangente an sie, dann
ergibt sich durch Nachrechnen, dass die Steigung dieser Tangente
die Gleichung x 3 + ax + b = 0 löst. Ferner kann man beweisen, dass
z.B. Winkelquintisektion mit diesen Axiomen nicht durchührbar
ist. Das gelingt jedoch, erlaubt man simultane Erzeugung mehrerer
Falze – denken Sie an die übliche Methode einen Brief kuvertreif so
zu falten, dass drei kongruente Rechtecke entstehen.
Allgemein ist bisher ungeklärt, mit welchem Axiomensystem eine
möglichst große Struktur von durch Papierfalten konstruierbaren
Punkten realisierbar ist.
Gute Literatur zum Thema
Thomas Hull, Project Origami, Taylor & Francis Ltd., 2013,
David C. Cox, Galois Theory, John Wiley & Sons, 2012.
Dmitri Nedrenco • Lehrstuhl für Geometrie
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