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1.3 Neurologische ­Erkrankungen
adenome zu einer Erhöhung der Konzentra­tion
von Wachstumshormon führen und damit zur
Akromegalie, welche sich im Kindes- und Jugendalter durch generellen Riesenwuchs, bei
Erwachsenen durch spezifische Vergrößerung
einzelner Gesichtsteile wie Kinn und Nase
(den »Akren«) äußert. Schließlich ist die eigentliche Cushing-Krankheit (Morbus Cushing) –
gekennzeichnet durch eine Vermehrung des
Hormons ACTH mit Osteoporose, Veränderung der Fettverteilung sowie Erhöhung des
Blutzuckerspiegels – auf einen Hypo­physen­
tumor zurückzuführen.
1.3.9Erkrankungen
von Basalganglien
und Substantia nigra
■■
Allgemeines. Diese Strukturen wurden (zusammen mit Nucleus ruber und einigen Faserverbindungen) in älteren anatomischen Darstellungen als extrapyramidales System bezeichnet, ein Ausdruck, der zunehmend aus
der Literatur verschwindet; erhalten hat sich
jedoch der Begriff extrapyramidale Symptomatik (EPS). Darunter versteht man im All­
gemeinen Störungen der unwillkürlichen und
der Mitbewegungen, in geringerem Maße auch
der Willkürmotorik, sowie des Muskeltonus;
sie lassen sich in zwei große Gruppen einteilen:
die hypokinetisch-hypertonen Störungen
mit Verminderung der Bewegung und Erhöhung des Muskeltonus (z. B. das Parkinson-Syndrom)
die hyperkinetisch-hypotonen Störungen
mit Bewegungsüberschuss bei erniedrigtem
Muskeltonus (wie bei der Chorea Huntington)
•
•
Die Pathophysiologie dieser Syndrome ist nicht
völlig in ihren Einzelheiten geklärt.
Wie in Kapitel 1.2.6 ausgeführt, sind die Basalganglien in einen Regelkreis eingebunden: Erregende Impulse aus den motorischen kortika-
31
len Arealen, speziell dem primär-motorischen
und prämotorischen Kortex, gelangen dabei
zunächst in das Striatum (genauer: in seine
Substruktur Putamen), das seinerseits über
GABAerge Neurone hemmende Impulse an
das Pallidum sendet. Das Pallidum hemmt
nun über GABAerge Fasern den motorischen
Thalamus, welcher die motorischen kortikalen
Areale innerviert. Sinn ist es offenbar, motorische Impulse auf ihre Realisierbarkeit zu überprüfen und dabei zu modifizieren; erst nach
Durchlaufen dieses Kreises werden die Befehle
weiter an die Motoneurone in Hirnstamm und
Rückenmark und damit an die Muskulatur gegeben. Das Pallidum wirkt nach dem Gesagten
hemmend, das Putamen, welches seinerseits
das Pallidum hemmt, fördernd auf die Motorik. Das Putamen wird als Teil des Striatums
durch dopaminerge nigrostriatale Bahnen aktiviert, sodass ein Ausfall der Substantia nigra
(wie bei der Parkinson-Krankheit) zu verminderter motorischer Aktivität (Akinesie oder
Hypokinesie) führt (dabei gleichzeitig zu Erhöhung des Muskeltonus).
■■Parkinson-Syndrom.
Das Parkinson-Syndrom ist gekennzeichnet durch die Symptom­
trias Rigor (Starre, also Erhöhung des Muskeltonus), Tremor (Zittern, hier vornehmlich in
Ruhe, deutlich weniger bei Bewegungen) und
Akinesie (»Bewegungslosigkeit«, erkenntlich
v. a. an fehlenden Mitbewegungen und maskenhaftem Gesicht als Folge reduzierter Mimik).
Dieses Parkinson-Syndrom kann verschiedene
Ursachen haben – ist also keine eigene Krankheit, sondern ein Syndrom, ein Komplex zusammen auftretender Symptome. Gestört
scheint dabei stets die Übertragung von der
Substantia nigra ins Striatum zu sein; somit
kann dieses das Pallidum weniger hemmen,
und letzteres hemmt umso stärker den motorischen Thalamus und motorische Kortexareale.
Weitere häufige Symptome im Rahmen des
Parkinson-Syndroms sind der kleinschrittige,
»trippelnde« Gang, die abnorm kleine Schrift
(Mikrographie) sowie vegetative Symptome
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1 Aufbau des Nervensystems – ­neurologische Erkrankungen
(z. B. »Salbengesicht« aufgrund übermäßiger
Talgproduktion).
Ursache des Parkinson-Syndroms ist häufig
ein (in manchen Fällen genetisch bedingter)
Zelluntergang in der Substantia nigra; hier
spricht man von der eigentlichen ParkinsonKrankheit – manchmal auch, nicht einheitlich,
von der idiopathischen Form des ParkinsonSyndroms (s. Anmerkung 4, S. 320); in diesem
Rahmen sind diverse affektive Symptome sowie die Entwicklung einer Demenz nicht selten. Therapeutisch wird vielfach versucht, die
Dopaminproduktion und -ausschüttung der
verbleibenden Neurone durch L-Dopa anzuregen; im späteren Stadium wirken diese Medikamente immer weniger, da sie den Neuronenuntergang nicht verhindern können. Wirksamkeit, zumindest initial, zeigen auch andere
Dopaminagonisten (etwa Bromocriptin) sowie
Anticholinergika, die durch Hemmung im antagonistischen cholinergen System indirekt die
Dopamineffekte erhöhen; hier sind besonders
vegetative Nebenwirkungen zu beachten. Eher
selten kommen (noch) stereotaktische Operationen zum Einsatz; so kann durch Zerstörung
des bei der Parkinson-Krankheit vom Striatum
nicht mehr gehemmten und damit überaktiven
Pallidums der Rigor im Allgemeinen deutlich
gebessert werden. Mittlerweile werden auch
elektrische Schrittmacher ins extrapyramidale
System eingesetzt, und die Implantation von
Zellen in die Basalganglien setzt sich gleichfalls immer stärker durch.
Weiter findet sich das Parkinson-Syndrom
nach Encephalitiden (Entzündungen der Hirnsubstanz, v. a. durch Viren) und – von besonderer Bedeutung – im Rahmen der Neuroleptikatherapie (neuroleptisch induziertes Parkinsonoid). Dies tritt bei etwa der Hälfte der mit
klassischen Antipsychotika behandelten Pa­
tien­ten auf – meist in den ersten Wochen der
Behandlung – und ist v. a. durch Akinesie und
Rigor, weniger durch Tremor charakterisiert.
Es ist durch Blockade von D2-Rezeptoren im
Striatum bedingt, womit diese Struktur nicht
mehr adäquat durch nigrostriatale Bahnen
akti­v iert werden kann und ihrerseits das mo­
torisch hemmende Pallidum nicht hemmt.
Selte­ner wird die Parkinson-Symptomatik bei
Therapie mit atypischen Neuroleptika beobachtet (s. Kap. 3.5.2).
■■Hyperkinetisch-hypotone
Störungen. Am
häufigsten ist das choreatische Syndrom (die
Chorea oder veraltet: Veitstanz), gekennzeichnet durch unregelmäßig auftretende, kurz einschießende, unwillkürliche Bewegungen der
Extremitäten, die den Eindruck des Tänzelnden machen (von griech. choreia = Tanz); im
Gesicht zeigen sich oft grimassierende oder
Schmatzbewegungen. Die Pathogenese ist noch
wenig verstanden; man nimmt Veränderungen
v. a. der Basalganglien an, die aber – anders als
beim Parkinsonismus – hier zu Bewegungsüberschuss und Abfall des Muskeltonus führen.
Häufig kann das choreatische Syndrom im Anschluss an Infektionskrankheiten (v. a. mit
Streptokokken) auftreten und wird dann als
Chorea minor (Chorea Sydenham) bezeichnet. Betroffen sind vornehmlich Kinder im
Schulalter, meist Mädchen; die Symptome bilden sich in der Regel nach einigen Wochen zurück, wobei zuweilen Restsymptome (Tics,
»Zappeligkeit«) bleiben. Die Therapie besteht
in Gabe von Antibiotika (etwa Penicillin) und
entzündungshemmenden Medikamenten. Der
Chorea minor ähnlich und ihr wohl pathogenetisch verwandt ist die Chorea gravidarum,
die während Schwangerschaften auftreten kann
und ebenfalls eine gute Prognose hat.
Die Chorea Huntington (früher: Chorea major) ist eine autosomal-dominant vererbte Erkrankung (s. Kap. 11.5.3), die sich etwa zwischen 30. und 50. Lebensjahr zunächst in Form
choreatischer Bewegungen manifestiert und
chronisch progredient verläuft; zumeist treten
Gangstörungen hinzu, und üblicherweise stellt
sich im Laufe der Jahre ein schweres demenzielles Syndrom ein. Kausale Therapiemöglichkeiten gibt es nicht, die Lebenserwartung nach
Diagnosestellung beträgt in aller Regel weniger als 20 Jahre.
1.3 Neurologische ­Erkrankungen
In etwa das Aussehen choreatischer Syndrome
haben auch die nicht selten nach jahrelanger
Therapie speziell mit klassischen Neuroleptika
auftretenden Spätdyskinesien. Diese unwillkürlichen Bewegungen der Extremitäten und
v. a. im Gesichts-, Zungen- und Mundbereich
behindern die Patienten oft sehr stark und sind
zu einem hohen Prozentsatz irreversibel. Als
Pathogenese nimmt man – nicht unumstritten – eine Vermehrung der durch die klassischen Neuroleptika blockierten D2-Rezeptoren
im Striatum an; entsprechend treten diese
Spätdyskinesien nicht selten auf, wenn die
Medika­mente abgesetzt werden (Absetzdyskinesien).
Als weitere hyperkinetisch-hypotone Syndrome anzuführen sind die durch unwillkürliche,
langsame, schraubende Bewegungen gekennzeichneten Athetosen oder die durch schleudernde Bewegungen charakterisierten Ballismen; von den vielfältigen Ursachen sind ins­
besondere Geburtsschäden und Infektionen
sowie – bei Auftreten in späterem Lebens­
alter – zerebrale Durchblutungsstörungen zu
nennen.
■■
Torticollis spasticus. Diese vom »angeborenen« (besser wohl: früh erworbenen) fixierten
Schiefhals zu unterscheidende hyperkinetische
Störung ist durch unregelmäßig auftretende
langsame Drehbewegungen des Halses und
Neigung des Kopfes gekennzeichnet; in späteren Stadien kann auch hier eine Fixierung eintreten. Als Pathogenese nimmt man wenig
­genau definierte Schäden im Striatum an; die
Ursachen sind vielfältig: Neben erblichen und
nach Encephalitiden auftretenden Formen
sind jene nach Schädel-Hirn-Traumen von Bedeutung. Als Therapie gibt man häufig Neuroleptika, wobei die Blockade striataler Dopaminrezeptoren als das entscheidende Wirkprinzip
betrachtet wird. Neurochirurgische Eingriffe
mit Zerstörung von Spinalnervenwurzeln werden mittlerweile seltener vorgenommen; recht
gängig ist inzwischen die Injektion von Botulinumtoxin A in die betroffenen Muskeln. Ob
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Biofeedback-Therapie wesentliche Verbesserungen bringen kann, steht zur Diskussion.
1.3.10 Erkrankungen des Großhirns
und des limbischen Systems
■■
Durchblutungsbedingte Störungen. Durchblutungsbedingte Störungen sind zahlenmäßig am bedeutendsten. Besonders im höheren
Lebensalter können, meist auf dem Boden
­einer Arteriosklerose, passagere Minderdurchblutungen oder dauerhafte Gefäßverschlüsse
(Hirninfarkte) das Hirngewebe schädigen und
zu neurologischen Symptomen führen, die im
typischen Fall die Gestalt eines »Schlaganfalls«
mit plötzlich einsetzender Halbseitensymptomatik, Sprachstörungen und Bewusstseinstrübungen haben.
Da diese Minderblutungen häufig im Bereich
der A. cerebri media liegen, finden sich vielfach Schädigungen ausgedehnter kortikaler
Areale um den Sulcus centralis sowie der da­
runter liegenden Faserverbindungen. Häufig
sind dabei motorische Fasern (u. a. der Pyramidenbahn) im Bereich der Capsula interna zwischen Thalamus und Basalganglien betroffen,
sodass es zur spastischen Halbseitenlähmung
(Hemiplegie) auf der kontralateralen Seite
kommt. Tritt eine Rückbildung der Lähmungen auf, findet sich meist eine typische Haltung
beim Gehen: Das betroffene Bein ist überstreckt und beschreibt einen Kreis, der Arm ist
angepresst und im Ellenbogengelenk gebeugt.
Da in der Gegend der Capsula interna auch Fasern der Sehbahn laufen, treten häufig halb­
seitige Ausfälle des Gesichtsfeldes auf.
Ist die dominante Hemisphäre betroffen (bei
Rechtshändern so gut wie immer die linke, bei
Linkshändern ähnlich häufig die linke wie
die rechte), führt eine Schädigung kortikaler
Areale häufig zu Sprachstörungen (Aphasien).
Bei Läsion des im basalen Frontallappen ge­
legenen Broca-Areals kommt es zur BrocaAphasie (motorischen Aphasie) mit Verlust der
grammatikalischen Fähigkeiten; die Sprache
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