Lehrbuch der Parasitologie für die Tiermedizin Bearbeitet von Peter Deplazes, Johannes Eckert, Georg von Samson-Himmelstjerna, Horst Zahner überarbeitet 2012. Taschenbuch. 656 S. Paperback ISBN 978 3 8304 1135 2 Format (B x L): 19,5 x 27 cm Weitere Fachgebiete > Medizin > Veterinärmedizin > Veterinärmedizin: Bakteriologie, Virologie, Parasitologie, Hygiene Zu Inhaltsverzeichnis schnell und portofrei erhältlich bei Die Online-Fachbuchhandlung beck-shop.de ist spezialisiert auf Fachbücher, insbesondere Recht, Steuern und Wirtschaft. Im Sortiment finden Sie alle Medien (Bücher, Zeitschriften, CDs, eBooks, etc.) aller Verlage. Ergänzt wird das Programm durch Services wie Neuerscheinungsdienst oder Zusammenstellungen von Büchern zu Sonderpreisen. Der Shop führt mehr als 8 Millionen Produkte. Metazoa 156 9 Stamm Platyhelmintha (Plattwürmer) ▄▄ Unterstamm Trematoda (Saugwürmer) 9.1 Klasse Digenea Platyhelmintha: platys (gr.): platt, breit; helmis (gr.): Wurm. Trematoda: Trema (gr.): Loch. Bezug auf die lochförmigen Saugnäpfe. Engl.: flukes. Im Unterstamm Trematoda (Trematoden) sind parasitisch lebende Metazoen zusammengefasst, die in die Klassen Aspidogastrea (Syn. Aspidobothrii) (etwa 80 Arten) und Digenea (Syn. Malacobothrii) (Digenische Saugwürmer) (rund 8000 Arten) eingeteilt werden. Aspidogastrea sind meist kleine, bis etwa 10 mm lange Trematoden mit direktem Entwicklungszyklus (Ei → Larve → Adultus), die in Schnecken und Muscheln sowie im Darm oder den Gallenwegen von Fischen und Wasserschildkröten parasitieren. Sie werden hier nicht näher berücksichtigt. Für die Veterinär- und Humanmedizin sind die Digenea als Krankheitserreger von großer Bedeutung. Merkmale und Eigenschaften. Der Körper der Digenea ist bilateralsymmetrisch gebaut, meist dorsoventral abgeflacht und blatt- oder lanzettförmig, teils auch birnenförmig, zylindrisch oder anders geformt (▶ Abb. 9.1). Die adulten Digenea haben Körperlängen von < 1 mm bis zu einigen Zentimetern, in einem Ausnahmefall (ein Fischparasit) bis zu 12 m. Das Integument (Körperoberfläche) wird von einer syncytialen, kernlosen Außenschicht gebildet, die durch Plasmabrücken mit tiefer liegenden, kernhaltigen Anteilen des Syncytiums verbunden ist (▶ Abb. 9.2). Integument und Muskulatur (Längs-, Ring- und Dorsoventralmuskeln) der Digenea und anderer Plattwürmer sind eng miteinander verbunden und bilden den sog. Hautmuskelschlauch. Bei den adulten Stadien der Digenea ist das Integument gefaltet und teils mit Schuppen oder Stacheln besetzt. Bei verschiedenen Arten ist als äußere Schicht eine Glykocalix aus Polysacchariden nachgewiesen. Die Leibeshöhle enthält ein mesodermales, spaltenreiches Parenchym, in welches die inneren Organe eingebettet sind. Als Haftorgane dienen meist 2 muskulöse Saugnäpfe. Der Saugnapf am Vorderende umgibt die Mundöffnung (Mundsaugnapf), der ventrale Bauch­ saugnapf hat keinen Zugang zu inneren Organen (▶ Abb. 9.1). Die Anordnung und die Ausprägung der Saugnäpfe variieren in den verschiedenen Gruppen von Digenea. Bei einem Teil der Arten kommen weitere Adhäsionsstrukturen vor, z. B. Stachelkränze. Der Verdauungstrakt besteht aus dem Vorderdarm mit Mund, Pharynx (kann fehlen) und Mitteldarm, der meist blind endet und gegabelt oder stärker verzweigt sein kann (▶ Abb. 9.1). Zirkulationsund Atmungsorgane fehlen. Das Exkretionssystem besteht aus Protonephridien und verzweigten Kanälen. Die Geschlechtsorgane sind meist sehr komplex gebaut und zwittrig angelegt; nur wenige Gruppen sind getrenntgeschlechtlich (z. B. die Schistosomatidae). Die von den ▶▶Abb. 9.1 Schema eines Trematoden der Klasse Digenea (Grafik: IPZ, A. Seeger. Nach S. C. Schell 1985). Mundsaugnapf Ösophagus Darmschenkel Samenblase Bauchsaugnapf Receptaculum seminis Dotterstock Ovar Exkretionsblase mit Exkretionsporus Pharynx Cirrus und Cirrusbeutel Uterus mit Ei Ootyp mit Mehlisdrüse Laurescher Kanal Protonephridium Hoden aus: Deplazes u.a., Lehrbuch der Parasitologie für die Tiermedizin (ISBN 9783830411352) © 2013 Enke Verlag Helminthen Integumentfalte Sporocysten und Redien vermehren sich ungeschlechtlich in evertebraten Zwischenwirten. Die Miracidien und Cercarien, teils auch die Metacercarien, leben (meist kurzfristig) in der Umwelt. Die Entwicklung schließt einen Generationenwechsel (geschlechtlich-ungeschlechtlich) und obligate Wirtswechsel (Heteroxenie) zwischen dem Endwirt (Vertebrat) sowie 1 oder 2 Zwischenwirten ein (1. Zwischenwirt ist fast immer ein Weichtier: Schnecke oder Muschel). Der Zyklus ist bei den meisten Arten an Gewässer oder Feuchtbiotope gebunden. LL Literaturhinweise Gibson DI, Jones A, Bray RA. Keys to the Trematoda. Vol. 1. Wallingford, Oxon: CABI International; 2002; ISBN 085-1995-470 Jones A, Bray RA, Gibson DI. Key to the Trematoda. Vol. 2, 3. Wallingford, Oxon: CABI International; 2005; ISBN 085-19958-7X; 085-1995-888 Kassai T. Veterinary Helminthology. Oxford: Butterworth Heinemann; 1999; ISBN 0-7506-3563-0 Köhler P. Stoffwechselphysiologie von Parasiten. In: Hiepe T, Lucius R, Gottstein B, Hrsg. Allgemeine Parasitologie. Stuttgart: Parey; 2006: 189–218; ISBN 3-8304-4101-0 Loos-Frank B, Gottstein B. Grundzüge der Biologie von Parasiten. Helminthen. In: Hiepe T, Lucius R, Gottstein B, Hrsg. Allgemeine Parasitologie. Stuttgart: Parey; 2006: 110–140; ISBN 3-8304-4101-0 Maule AG, Marks NJ, eds. Parasitic Flatworms: Molecular Biology, Biochemistry, Immunology and Physiology. Wallingford, Oxon: CABI International; 2006; ISBN-10: 085-199-027-4 Olson PD, Tkach VV. Advances and trends in the molecular systematics of the parasitic plathyhelminthes. Adv Parasitol 2005; 60: 165–243 Schell CS. Handbook of Trematodes of North America North of Mexico. Moscow, Idaho: University Press of Idaho; 1985; ISBN 0-89301-095-2 Integumentstachel Glykocalix Sekretionsgranula Mitochondrion Cytoplasmabrücke Ringmuskulatur Längsmuskulatur Golgiapparat raues endoplasmatisches Reticulum Zellkern ▶▶Abb. 9.2 Schema des Integuments von Fasciola hepatica (Grafik: IPZ, A. Seeger. Nach L. T. Threadgold 1984). aus: Deplazes u.a., Lehrbuch der Parasitologie für die Tiermedizin (ISBN 9783830411352) © 2013 Enke Verlag Digenea Digenea produzierten Eier enthalten eine Zygote und Dotterzellen, die Eischale ist oft mit einem Deckel (Operculum) versehen. Bei der Ausscheidung aus dem Wirt können die Eier bereits eine Larve (Miracidium) enthalten. Das Nervensystem (Cerebralganglion, durch Ringkommissuren verbunden) steht mit freien Nervenendigungen und Sinneszellen in Verbindung. Bei den Adulten befinden sich Sinneszellen im Integument, meist gehäuft an den Saugnäpfen, frei lebende Larvalstadien haben zum Teil einfache Lichtsinnesorgane („Augenflecke“). Die Nährstoffaufnahme erfolgt durch die Mundöffnung, selektiv auch durch das Integument. Energie gewinnen adulte Trematoden vorwiegend durch anaerobe Verwertung von Kohlenhydraten, die aber unvollständig vor allem zu Proprionat, Acetat, Succinat und Lactat abgebaut und ausgeschieden werden. Frei lebende Stadien (Miracidien, Cercarien), denen Sauerstoff zu Verfügung steht, können Kohlenhydrate vollständig zu CO2 und Wasser abbauen. Trematoden und andere Helminthen sind zur Proteinsynthese teils auch zur Pyrimidinsynthese befähigt, sie können aber Purin-Nukleotide nicht synthetisieren. Der Fettstoffwechsel ist eingeschränkt, da die Fähigkeit zum Aufbau langkettiger Fettsäuren fehlt. Im Entwicklungszyklus der Digenea treten verschiedene Stadien auf (▶ Abb. 9.4): Adultstadium → Ei → Miracidium → Sporocyste (teils Tochtersporocyste) → Redie (meist mehrere Generationen) → Cercarie → Metacercarie (kann fehlen) → juveniler Saugwurm → Adultstadium (von diesem Grundschema gibt es bei einigen Gruppen der Digenea Abweichungen). Die Adultstadien pflanzen sich geschlechtlich fort und parasitieren in Vertebraten, die Platyhelmintha 157 Metazoa 158 9.1.1 Ordnung Echinostomida ▼ Echinos (gr.): Stachel, Igel; stoma (gr.): Mund. ●● Die Echinostomida sind langgestreckte Trematoden mit flachem Körper, oft mit bestacheltem Integument. Das Vorderende kann zu einem sog. Kopfzapfen (Fasciolidae) umgestaltet sein oder um die Mundöffnung einen Stachelkranz tragen (Echinostomatidae). Von zahlreichen Familien sind vor allem die Fasciolidae und Echinostomatidae veterinärmedizinisch bedeutsam. ●● Familie Fasciolidae Fasciola (lat.): Band, kleine Binde. Bezug auf das blattförmige Aussehen der Parasiten. ●● Zusammenfassung ●● ●● Erreger. In Mitteleuropa ist Fasciola hepatica (Großer Leberegel) der wichtigste Vertreter der Echinostomida. Adultstadium blattförmig, bis etwa 5 cm lang. Entwicklung, Epidemiologie. Entwicklung heteroxen, an Feuchtbiotope gebunden. Endwirte sind Pflanzenfresser, vor allem Schaf, Ziege und Rind. Zwischenwirt in Europa: fast ausschließlich Galba truncatula (Syn. Lymnaea truncatula) (Zwergschlammschnecke). Infektion der Endwirte per os: Aufnahme encystierter Metacercarien mit Pflanzen oder seltener mit Trinkwasser (Schwimmcysten). Größtes Infektionsrisiko im Spätsommer und Herbst. Wanderung der juvenilen Leberegel im Endwirt vom Dünndarm → Peritonealhöhle → Lebergewebe (Migrationsphase 6–7 Wochen) → Gallengänge. Präpatenz 8–10 Wochen. ▼ ●● ●● ●● Vorkommen. F. hepatica: weltweit in gemäßigten Klimazonen, F. gigantica: subtropische und tropische Gebiete (Asien, Afrika). In Europa ist F. hepatica ein wichtiger Leberparasit bei Wiederkäuern, der auch bei anderen Herbivoren (u. a. Pferd, Esel, Kaninchen), Omnivoren (Schwein) und gelegentlich beim Menschen vorkommt. Pathogenese, Krankheitsbild. Juvenile Leberegel zerstören Leberparenchym, Adulte schädigen Gallengänge und saugen Blut. Folgen: verschiedene Verlaufsformen der Fasciolose (akut, subakut, chronisch) oder subklinische Schäden (Leistungsminderung). Diagnose. Intravitaldiagnose durch Nachweis von Fasciola-Eiern im Kot (Sedimentationsverfahren), neuerdings auch von Kopro-Antigen. Nachweis spezifischer Antikörper in Blut- oder Milchserum (Tankmilchproben) zur Bestandsdiagnose. Therapie, Bekämpfung. Zur Therapie stehen wirksame Anthelminthika zur Verfügung (u. a. Triclabendazol), die Bekämpfung erfolgt durch Maßnahmen zur Infektionsprophylaxe in Verbindung mit strategischen anthelminthischen Behandlungen. Weitere Arten der Familie. Fasciola gigantica, Fascioloides magna u. a. (▶ Tab. 9.2). Zoonotische Bedeutung. F. hepatica und F. gigantica verursachen Fasciolose bei Menschen. Die Vertreter der Familie Fasciolidae (▶ Tab. 9.2) sind ziemlich große, blattförmige Trematoden, die in der Leber oder im Dünndarm von Säugern parasitieren und eine diheteroxene Entwicklung mit Wasserschnecken als Zwischenwirten durchlaufen. Von besonderer Bedeutung sind Fasciola hepatica und Fasciola gigantica. ▶▶Tab. 9.2 Arten (Auswahl) der Familie Fasciolidae.1 Arten, Größe, Verbreitung (V) Zwischenwirte Endwirte Hauptsitz der Adulten Fasciola hepatica2 (Großer Leberegel) 18–50 × 7–14 mm V: weltweit in gemäßigten Klimazonen Galba (Syn. Lymnaea) truncatula, andere Lymnaeidae Rind, Schaf, Ziege, Büffel, Pferd, Schwein, Wildwiederkäuer, Mensch3 Gallengänge Fasciola gigantica (Riesenleberegel) 24–75 × 5–12 mm V: subtropische und tropische Regionen in Afrika, Asien, östl. Mittelmeerregion Radix (Syn. Lymnaea) auricularia-Komplex Rind, Büffel, Schaf, ­Ziege, Pferd, Esel, Kamel, Mensch Gallengänge Fascioloides magna2 (Großer Amerikanischer Leberegel) 70–100 × 20–30 mm V: Nordamerika, Europa Galba (Syn. Lymnaea) truncatula, Lymnaea modicella, L. caperata Wapiti, Weißwedelhirsch, Karibu, Reh-, Rot-, Damwild, Schaf, Ziege, Rind Leberparenchym Parafasciolopsis fasciolaemorpha2 (Elchleberegel) 3–7 × 1,0–2,5 mm V: Europa Planorbarius corneus Elch, Reh, Rotwild, Wisent, Schaf Dünndarm, Gallenblase, Gallengänge 1 Angaben ohne Anspruch auf Vollständigkeit; 2 in Mitteleuropa vorkommende Arten; 3 in Australien Einzelfälle bei Vögeln (Emus; akzidentelle Wirte) aus: Deplazes u.a., Lehrbuch der Parasitologie für die Tiermedizin (ISBN 9783830411352) © 2013 Enke Verlag Helminthen 159 Gattung Fasciola Z Fasciola (lat.): Band, kleine Binde; hepar (gr.): Leber. Engl.: common liver fluke. Erreger. Die adulten Stadien sind abgeflacht, lorbeerblattähnlich, bräunlich grau, etwa 18–50 mm lang und 7–14 mm breit (▶ Abb. 9.3). Das konische Vorderende („Apikalkonus“, „Kopfzapfen“) ist durch eine schulterähnliche Verbreiterung vom restlichen Körper abgesetzt, der sich nach hinten allmählich verjüngt. Der Mundsaugnapf liegt apikal, der Bauchsaugnapf an der Basis des Apikalkonus. Auffallend ist die starke Verzweigung innerer Organe (Hoden, Dotterstöcke, Ovar, Darm); der Uterus liegt in unregelmäßigen Windungen im vorderen Körperdrittel. Integument mit Stacheln. Eier oval, dünnschalig, mit Operculum, 130–145 × 70–90 μm, goldgelb, sie enthalten bei Ausscheidung aus dem Wirt die befruchtete Eizelle und Dotterzellen. Einige Stämme von F. hepatica produzieren bis zu 180 μm lange Eier. Entwicklung. Im Adultstadium parasitiert F. hepatica vor allem in Hauswiederkäuern (Schaf, Ziege, Rind, Büffel), aber auch in anderen, meist herbivoren Säugetierarten und im Menschen. Die Entwicklung ist diheteroxen (Säuger, Schnecke) und verläuft über folgende Stadien: Ei Cirrus Bauchsaugnapf Ovar Hoden ██ Entwicklung vom Ei zum Miracidium. Die geschlechtsreifen Leberegel leben in den Gallengängen ihrer Endwirte. F. hepatica hat eine hohe Reproduktionskapazität (täglich ca. 4000–50 000 Eier je Parasit im Schaf), die jedoch in Abhängigkeit von Stärke und Stadium der Infektion sowie der Wirtsart starken Schwankungen unterliegt (s. u., Epidemiologie). Die Eier gelangen im Fluss der Galle zunächst in den Darm und dann mit dem Kot an die Außenwelt. Ein Teil der Eier kann längere Zeit (8–16 Wochen) in der Gallenblase verbleiben und schubweise abgegeben werden. In der Außenwelt erfolgt eine Embryonalentwicklung bis zum Miracidium, wenn die Eier in ein wässriges Milieu gelangen, eine ausreichende Sauerstoffzufuhr gewährleistet ist und Temperaturen über +10 °C herrschen. In Mitteleuropa dauert diese Entwicklung bei günstigen Temperaturen während der Sommermonate 2–4 Wochen. Das im Ei gebildete reife Miracidium (Länge ca. 130 μm) nimmt mithilfe seines Lichtsinnesorgans (Ocellum) Lichtreize wahr, die als Signale für das Ausschlüpfen wirken, das nur im Wasser erfolgt. Die Glykogenvorräte der Miracidien ermöglichen ihnen eine kurze Lebensdauer von 20–30 h, in der sie einen geeigneten Zwischenwirt suchen. In Europa ist dies Galba (Syn. Lymnaea) truncatula, eine amphibisch lebende Süßwasserschnecke, die Mundsaugnapf Darmschenkel (im weiteren Verlauf nicht dargestellt) Uterus mit Eiern Mehlisdrüse Dotterstock a b ▶▶Abb. 9.3 Fasciola hepatica: a schematisch; b Adultstadium, ungefärbt, verzweigter Darm mit Blut gefüllt (Grafik a: IPZ, J. Peter. Nach R. Wiegand u. O. Mattes 1958; Aufn. b: IPZ, K. Wolff). aus: Deplazes u.a., Lehrbuch der Parasitologie für die Tiermedizin (ISBN 9783830411352) © 2013 Enke Verlag Digenea Erreger der Fasciolose Platyhelmintha → Miracidium → Sporocyste → Redien (bis 3 Rediengenerationen) → Cercarie → Metacercarie → juveniles Stadium → Adultstadium (▶ Abb. 9.4). Fasciola hepatica (Großer Leberegel) Metazoa 160 Adultstadium (Juvenilstadien nicht dargestellt) Ei Metacercarie an Pflanze Miracidium Cercarie Lymnaea truncatula Sporocyste Redie (bis 3 Generationen) ▶▶Abb. 9.4 Entwicklungszyklus von Fasciola hepatica (Grafik: IPZ, S. Ehrat). aus: Deplazes u.a., Lehrbuch der Parasitologie für die Tiermedizin (ISBN 9783830411352) © 2013 Enke Verlag Helminthen ██ Entwicklungsstadien im Zwischenwirt. Das Eindringen des Miracidiums in die Schnecke erfolgt durch Einbohren mit der vorderen Papille unter Mitwirkung sezernierter proteolytischer Enzyme. Danach verliert das Miracidium die Cilien und wird zur jungen Sporocyste (bis 500 μm lang). Diese wandert in die Verdauungsdrüse, wo sich aus den in der Sporocyste vorhandenen Keimzellen Redien (Mutterredien, Generation I) entwickeln, die nach Penetration der Sporocystenwand in das Gewebe der Verdauungsdrüse gelangen. Die Redien sind etwa 1,5–2,5 mm lange, zylindrische Gebilde mit Mundsaugnapf, Pharynx, unverzweigtem Darm und 2 lateralen Ausstülpungen im letzten Körperdrittel (▶ Abb. 9.4). Jede Redie enthält 16–28 Keimballen, aus denen weitere Redien (Generationen II u. III) oder Cercarien hervorgehen. Die reifen Cercarien verlassen die Redien durch eine Geburtsöffnung. Die ovalen Cercarien (bis 400 × 220 μm) haben einen langen Schwanz (etwa 800–1000 μm) und sind mit Mund- und Bauchsaugnapf, Pharynx, Ösophagus und gegabeltem Darm sowie mit Drüsen ausgestattet, die für die spätere Encystierung wichtig sind. Die Cercarien durchwandern das Gewebe und verlassen die Schnecke frühestens 7 Wochen p. i. Allerdings erreichen nicht alle Cercarien gleichzeitig die Reife, sodass aus einer infizierten Schnecke während einiger Wochen oder Monate mehrmals Cercarien freigesetzt werden können. Das Vermehrungspotenzial in der Schnecke ist erheblich; aus einem Miracidium entwickeln sich einige Hundert Cercarien (Entwicklungsdynamik s. u.). Die Entwicklung in den Schnecken dauert unter günstigen Bedingungen 5–8 Wochen; bei niedrigen Außentemperaturen wird die Entwicklung von F. hepatica in der Schnecke vorübergehend unterbrochen. Entwicklung der Metacercarie. Nach dem Schlüpfen aus der Schnecke schwimmen die Cercarien lebhaft im Wasser umher und heften sich meist innerhalb weniger Minuten mit dem Bauchsaugnapf an Pflanzenteilen oder anderen Unterlagen fest. Danach stoßen sie den Schwanz ██ ab und bilden eine mehrschichtige Cystenwand, die aus tannierten und keratinisierten Proteinen sowie Mukoproteinen und Mukopolysacchariden besteht, eine kugelige Form annimmt und etwa 250 μm groß ist. Kurz nach Abschluss der Encystierung ist die Metacercarie infektionsfähig. Ein Teil der Cercarien (< 10 %) kann sich an der Wasseroberfläche encystieren und so Schwimmcysten bilden. Die Metacercarien sind längere Zeit lebensfähig (s. u., Epidemiologie). ██ Infektion eines Endwirtes und Wanderung zur Leber. Die Infektion eines Wirtes erfolgt durch die perora- le Aufnahme der an Pflanzen haftenden Metacercarien oder seltener von Schwimmcysten mit dem Trinkwasser. Im Vormagensystem oder im Magen werden die Metacercarien durch die im Vergleich zur Außenwelt erhöhte Temperatur, die Anwesenheit von CO2 und reduzierende Bedingungen aktiviert; sie führen zunächst lebhafte Bewegungen in der Cyste aus und entleeren während einer folgenden Ruhephase aus ihren Darmblindsäcken Proteasen (Cathepsine), die auf die innere Cystenwand einwirken und so das Ausschlüpfen der Metacercarien vorbereiten. Der Schlüpfvorgang wird durch Bestandteile der Galle im Dünndarm stimuliert. Die geschlüpften jungen Egel saugen sich distal der Einmündung des Ductus choledochus an der Dünndarmoberfläche fest, dringen dann in die Darmwand ein, wandern innerhalb von 24 h durch die Darmwand in die Peritonealhöhle und von dort zur Leber, wo der größte Teil nach 4–6 Tagen anzutreffen ist. Die jungen Leberegel führen anschließend eine etwa 6–7 Wochen dauernde Wanderung im Lebergewebe aus und erreichen ab der 6. Woche die Gallengänge, wo sie allmählich geschlechtsreif werden. Die ersten Eier werden frühestens 2–3 Monate p. i. im Kot ausgeschieden (Präpatenz beim Schaf 55–57 Tage, beim Rind 56–77 Tage). Die Lebensdauer der Parasiten im Rind beträgt durchschnittlich 9 Monate, im Schaf wesentlich länger. Wandernde junge Leberegel brechen gelegentlich in Blutgefäße ein und gelangen über den Kreislauf in verschiedene Organe, z. B. in die Lunge. Auch eine direkte Einwanderung in andere Organe als die Leber ist möglich. Auf diese Weise kann es gelegentlich zu pränatalen Infektionen kommen, die beim Kalb nachgewiesen worden sind. Vorkommen und Epidemiologie. F. hepatica kommt weltweit in Regionen mit gemäßigtem Klima vor, in denen geeignete Zwischenwirte leben. In vielen Gebieten Afrikas und Asiens überlappen sich die Verbreitungsgebiete von F. hepatica und F. gigantica (▶ S. 168). Der Entwicklungszyklus von F. hepatica ist von zahlreichen Faktoren abhängig, wie aus dem folgenden Kapitel hervorgeht. Dementsprechend unterliegen die räumliche Verbreitung und die Prävalenz von F. hepatica bei Endwirten großen lokalen und regionalen Schwankungen. So waren z. B. in der nördlichen Schweiz durchschnittlich 18 % der Schlachtrinder (n ~ 1300) mit F. hepatica befal- aus: Deplazes u.a., Lehrbuch der Parasitologie für die Tiermedizin (ISBN 9783830411352) © 2013 Enke Verlag Digenea sich oft an den gut belichteten Rändern kleiner Wasseransammlungen dicht unter dem Wasserspiegel aufhält (s. u., Epidemiologie). Die Miracidien führen zunächst ungerichtete, schnelle Schwimmbewegungen aus, orientieren sich dann aber zum Licht und zur Wasseroberfläche und werden dadurch zu den Habitaten der Schnecken geleitet, wo sie im näheren Bereich (< 15 cm) durch Glykokonjugate der Schnecken chemotaktisch angelockt werden. Die Miracidien finden nur bei bestimmten Zwischenwirten günstige Bedingungen für das Eindringen (Penetration) und die weitere Entwicklung. Der Penetration geht eine Anheftung des Miracidiums an die Epidermis voraus, die durch kurzkettige Fettsäuren (C7–C9) im Mucus der Schnecke stimuliert wird. Der Infektionsprozess ist temperaturabhängig, findet unter +5 °C nicht statt und verläuft bei +15–26 °C optimal. Platyhelmintha 161 Metazoa 162 len, in hochendemischen Landesteilen wurden aber Prävalenzen über 60 % festgestellt. Wertvolle Hinweise zur Prävalenz von F. hepatica in Milchkuhbeständen ergaben in den letzten Jahren Untersuchungen von Tankmilchproben auf spezifische Antikörper im Milchserum (s. u., Diagnostik). Die auf diese Weise ermittelten Prävalenzen in zahlreichen Herden („Herdenprävalenzen“) wiesen z. B. im südlichen Schweden niedrige durchschnittliche Werte auf (6–7 %), hohe u. a. in Belgien (~ 60 %), Ostfriesland (45–57 %), Schleswig-Holstein (~ 50 %) und Bayern 32 % (4–47 %, in einem Landkreis 95 %). Endwirte. Weltweit sind Hauswiederkäuer, vor allem Schaf, Ziege und Rind, die wichtigsten Endwirte von F. hepatica, doch können auch Büffel, Pferd, Schwein, Wildwiederkäuer, Kaninchen, Hase, Nutria, andere Herbivoren und der Mensch Träger des Parasiten sein. Schafe haben eine besondere epidemiologische Bedeutung, weil sie für F. hepatica sehr empfänglich sind und die Parasiten in ihnen mehrere Jahre mit hoher Eiproduktion überleben können. Rinder scheiden meist geringere Eimengen aus und eliminieren die Infektion in der Regel nach etwa 9 Monaten. Fasciola-Eier gelangen im Kot von Leberegelträgern oder in Gülle in die Habitate der Zwischenwirte. ██ Eier in der Außenwelt. Für die Entwicklung der Eier im Freien ist eine Mindesttemperatur von +10 °C erforderlich, die obere Toleranzgrenze liegt bei etwa +35 °C. Bei optimalen Temperaturen von +23–25 °C dauert die Entwicklung der Miracidien ungefähr 2–3 Wochen, bei +16 °C ist sie auf 2–3 Monate verlängert. Hohe Temperaturen ermöglichen zwar eine rasche Entwicklung der Miracidien, wirken aber auf sie zunehmend inhibitorisch oder letal. Bei niederen Temperaturen bleiben die Eier lange entwicklungsfähig, z. B. bei +4 °C länger als 2 Jahre. Frosteinwirkung von –5 °C überleben die Eier nur knapp 3 Wochen. In feuchtem Kot des Wirtes eingeschlossene Eier können in Europa während des Sommers etwa 10 Wochen und während der kühleren Jahreszeiten bis 6 Monate überleben und sich partiell entwickeln. Eine vollständige Entwicklung und das Schlüpfen der Miracidien erfolgen nur, wenn die Eier aus dem Kot ausgeschwemmt werden und sie ständig von einem Wasserfilm umgeben bleiben oder sie direkt ins Wasser gelangt sind. Bei Austrocknung sterben die Eier rasch ab. Die bei Stallhaltung von Endwirten ausgeschiedenen Eier werden in Stapelmist in 10 Tagen abgetötet, ein Teil bleibt in Gülle im Sommer (bei ~ +18 °C) rund 8 Wochen und im Winter (~ +8 °C) 11 Wochen lebensfähig. schenwirte von lokaler Bedeutung beschrieben worden, z. B. Omphiscola (Syn. Lymnaea) glabra in Frankreich. In außereuropäischen Regionen spielen auch andere Arten als Zwischenwirte eine Rolle. So sind z. B. in Afrika G. truncatula und Pseudosuccinea (Syn. Lymnaea) columella wichtige Zwischenwirte, in Nordamerika Fossaria (Syn. Lymnaea) humilis, F. bulimoides und F. cubensis und in Australien Austropeplea (Syn. Lymnaea) tomentosa. Schnecken können über weite Strecken verschleppt werden (z. B. im Wasser beim Transport von Zierfischen) und sich zum Teil in Fremdhabitaten ansiedeln. G. truncatula ist eine zu den Pulmonata (Lungenschnecken) gehörende Süßwasserschnecke mit kegelförmigem, rechtsgewundenem, 7–12 mm hohem und mit einem „Nabel“ versehenen Gehäuse (▶ Abb. 9.5). Sie ist in Europa weitverbreitet und kommt sowohl im Flachland als auch in Berggebieten vor (in Europa bis 2800 m Höhe, in Bolivien bis 4100 m). Die amphibische Lebensweise ermöglicht es ihr, im Wasser oder auf feuchtem Untergrund zu leben (▶ Abb. 9.6). Man findet sie vorwiegend in den flachen Randzonen von Gräben, Bächen, Teichen, Flüssen, in kleineren Wasseransammlungen, wie Wagenspuren oder Trittsiegeln von Weidetieren, oder auch in Feuchtstellen von Weiden oder Wiesen. G. ██ Zwischenwirte. Als Zwischenwirte für F. hepatica dienen weltweit verschiedene Arten amphibisch lebender Süßwasserschnecken der Familie Lymnaeidae. In Europa ist Galba (Syn. Lymnaea) truncatula (Zwergschlammschnecke oder Kleine Sumpfschnecke) der wichtigste und meist auch der einzige Zwischenwirt; einige andere Lymnaeiden sind als weniger effiziente Zwi- ▶▶Abb. 9.5 Galba (Syn. Lymnaea) truncatula, Gehäuse. Gehäusehöhe ca. 7 mm (Aufn. IPZ). ██ ▶▶Abb. 9.6 Galba (Syn. Lymnaea) truncatula an Feuchtstelle einer Weide (Aufn. IPZ, H. Hertzberg). aus: Deplazes u.a., Lehrbuch der Parasitologie für die Tiermedizin (ISBN 9783830411352) © 2013 Enke Verlag