Gutachten zum Vergleich Erdkabel – Freileitung im 110-kV-Hochspannungsbereich im Auftrag des Ministeriums für Wirtschaft und Europaangelegenheiten des Bundeslandes Brandenburg, Potsdam Univ.-Prof. Dr.-Ing. habil. L. Hofmann Univ.-Prof. Dr.-Ing. habil. B. R. Oswald Leibniz Universität Hannover Hannover, den 16. Dezember 2010 Vergleich Erdkabel – Freileitung im 110-kV-Hochspannungsbereich 2 Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung und Zielsetzung ................................................................................................ 4 2 Grundsätzliches zur Netzstruktur, Netzplanung und Netzbetrieb ................................ 5 2.1 Struktur und Aufgaben der Stromnetze ........................................................................ 5 2.2 Netzplanung und Netzbetrieb........................................................................................ 7 3 110-kV-Netze im Versorgungsgebiet der E.ON edis und envia Verteilnetz ................ 12 3.1 Stromkreislängen ........................................................................................................ 12 3.2 Sternpunkterdung ........................................................................................................ 12 4 Aufbau und Eigenschaften von 110-kV-Freileitungen und -Kabeln ........................... 17 4.1 Aufbau von 110-kV-Freileitungen .............................................................................. 17 4.2 Aufbau von 110-Kabeln .............................................................................................. 20 4.3 Parameter und Betriebsverhalten von 110-kV-Freileitungen und -Kabeln ................ 23 4.4 Thermische Eigenschaften von 110-kV-Freileitungen und -Kabeln .......................... 27 4.5 Verluste von 110-kV-Freileitungen und -Kabeln ....................................................... 29 5 Auswirkungen der Leitungsart auf das 110-kV-Netz ................................................... 32 5.1 Zulässige Leitungslängen bei Resonanz-Sternpunkterdung ....................................... 32 5.2 Leistungsflussverhältnisse .......................................................................................... 35 5.3 Netzverluste und Blindleistungsverhältnisse .............................................................. 36 5.4 Kurzschlussstromverhältnisse ..................................................................................... 37 5.5 Ausfallverhalten .......................................................................................................... 37 5.6 Nutzungsdauer ............................................................................................................ 38 5.7 Instandhaltung: Wartung, Inspektion und Instandsetzung .......................................... 38 5.8 Leitungsschutz ............................................................................................................ 39 6 Umstellung von Resonanz-Sternpunkterdung auf niederohmige Sternpunkterdung 40 6.1 Niederohmige Sternpunkterdung ................................................................................ 40 6.2 Maßnahmen zur Umstellung ....................................................................................... 41 7 Niederfrequente elektromagnetische Felder .................................................................. 42 7.1 Vorsorgewerte, Messpunkte und Randbedingungen gemäß 26. BImSchV ................ 42 7.2 Magnetische Felder ..................................................................................................... 43 7.3 Elektrische Felder ....................................................................................................... 45 8 Umwelterhebliche Wirkungen des Leitungsbaus .......................................................... 47 9 Zusammenfassung ............................................................................................................ 50 Vergleich Erdkabel – Freileitung im 110-kV-Hochspannungsbereich 3 10 Literatur- und Quellenverzeichnis .................................................................................. 52 11 Anhang............................................................................................................................... 53 11.1 Theoretische Grundlagen der Berechnung von magnetischen Feldern ...................... 53 11.2 Theoretische Grundlagen der Berechnung von elektrischen Feldern ......................... 54 12 Glossar ............................................................................................................................... 57 Vergleich Erdkabel – Freileitung im 110-kV-Hochspannungsbereich 1 4 Einleitung und Zielsetzung Durch die verstärkte und noch weiter zunehmende Leistungseinspeisung von Windenergieanlagen in die 110-kV-Netze macht sich ein Ausbau dieser Netze erforderlich. Bisher waren die 110-kV-Netze nahezu reine Freileitungsnetze. Der Kabelanteil liegt im Mittel bei 6 % und beschränkt sich fast ausschließlich auf den städtischen Bereich. Der Netzausbau mit Freileitungen ist durch die Bevölkerung in der letzten Zeit stark in die Kritik geraten und stößt nicht nur in der 110-kV-Spannungsebene auf Ablehnung. Die Bürgerinitiativen fordern stattdessen eine Erdverkabelung oder zumindest eine Teilverkabelung in sensiblen Trassenabschnitten. Freileitungen und Kabel haben konstruktionsbedingt unterschiedliche Betriebsparameter und weisen demzufolge auch unterschiedliches Betriebsverhalten auf. Das gilt generell für Freileitungen und Kabel in allen Spannungsebenen. Allerdings verschieben sich die Unterschiede mit wachsender Spannung mehr zu Ungunsten der Kabel. Die folgenden Ausführungen des Gutachtens beschränken sich weitgehend auf 110-kVFreileitungen und -Kabel und sind nicht ohne Weiteres auf die 380-kV-Ebene übertragbar. Sie sollen zu einer sachlichen Diskussion um das für und wider von Freileitungen oder Kabeln beitragen, indem die unterschiedlichen Eigenschaften von Freileitungen und Kabeln erläutert und gegenübergestellt werden. Im Einzelnen besteht die Zielsetzung des Gutachtens in: – dem Vergleich der technischen Eigenschaften von 110-kV-Freileitungen und -Erdkabeln – der Beschreibung ihrer Auswirkungen auf das Netz, die Netzplanung und den Netzbetrieb – der Bestimmung der Größenordnung und dem Vergleich der elektromagnetischen Felder von typischen Kabel- und Freileitungsanordnungen – dem Aufzeigen der ökologischen Auswirkungen durch Bau und Betrieb der Leitungen Der Vergleich von Freileitungen und Kabeln ist nur sinnvoll, wenn beide Leitungsarten annähernd die gleiche Übertragungsfähigkeit aufweisen. 110-kV-Freileitungen werden grundsätzlich als Doppelleitung ausgeführt. Als Leiterseilquerschnitt wählt man 240 oder 265 mm2, wobei aus Gründen der Verlustminimierung dem größeren Querschnitt der Vorzug gegeben werden sollte. Als Kabel werden heute in der Mittel- und Hochspannungsebene nur noch VPE-Kabel in Form von Einleiterkabeln eingesetzt. Jeweils drei solcher Einleiterkabel bilden ein Drehstromsystem. Als leistungsgleiches Äquivalent zur Doppel-Freileitung kommen zwei Kabelsysteme bestehend aus je drei 110-kV-VPE-Einleiterkabeln mit einem KupferLeiterquerschnitt von 630 mm2 oder einem Aluminium-Leiterquerschnitt von 1000 mm2 in Frage. Die Charakterisierung der Eigenschaften von Freileitungen und Kabeln, ihrer Auswirkungen auf das Netz und der elektromagnetischen Felder erfolgt auf der Grundlage physikalischer Gesetze und ist deshalb objektiv. Um die in der Studie dargelegten Aussagen nachvollziehen zu können, ist es nicht vermeidbar, einige mathematische Beziehungen und Abhängigkeiten anzugeben und den einen oder anderen Fachbegriff zu verwenden. Die Fachbegriffe werden in einem Glossar im Anhang der Studie erklärt. Die Grundlagen zur Berechnung der elektrischen und magnetischen Felder sind ebenfalls angefügt. Vergleich Erdkabel – Freileitung im 110-kV-Hochspannungsbereich 2 5 Grundsätzliches zur Netzstruktur, Netzplanung und Netzbetrieb 2.1 Struktur und Aufgaben der Stromnetze Die Netze der elektrischen Energieversorgung sind hierarchisch in mehreren Spannungsebenen aufgebaut. Das ist dadurch bedingt, dass man mit einer bestimmten Spannung nur eine bestimmte Übertragungsentfernung technisch und wirtschaftlich erreichen kann. Die Spannungsebenen sind historisch entstanden. Man unterscheidet nach Spannungsebenen zwischen Höchstspannung (HöS, 380 kV und 220 kV), Hochspannung (HS, 110 kV), Mittelspannung (MS, 10 kV, 20 kV und 30 kV) und Niederspannung (NS, 230/400 V). Das Höchstspannungsnetz erstreckt sich über das gesamte Versorgungsgebiet und wird deshalb auch Übertragungsnetz genannt. Großkraftwerke speisen generell in das Höchstspannungsnetz ein. Die 220-kV-Spannungsebene ist nach dem Ausbau des 380-kV-Netzes eigentlich nicht mehr erforderlich und wird deshalb nicht weiter ausgebaut und wenn möglich zurückgebaut. Die 110-kV-Netze und Mittelspannungsnetze sind die sog. Verteilnetze. Ihnen kommt die Aufgabe zu, die Kraftwerksleistung zu den territorial verteilten Abnehmern weiterzuleiten. Aufgrund ihrer beschränkten Übertragungsfähigkeit (s. Abschnitt 3.2) sind die Verteilnetze in regional begrenzte Teilnetze unterteilt. Aus Gründen der Versorgungszuverlässigkeit sind das 380-kV- und die 110-kV-Netze vermascht und damit redundant aufgebaut. Die MS- und NS-Teilnetze haben aus Kostengründen einfachere Strukturen (Strahlen- oder offen betriebene Ringnetze), weil vom Ausfall einer Leitung nur ein verhältnismäßig kleiner Netzbezirk betroffen ist. 380/220 kV kVkkkVkV kkV 110 kV kV 10/20 kV kkkV Bild 2.1. Aufbau und hierachische Struktur des Stromnetzes Vergleich Erdkabel – Freileitung im 110-kV-Hochspannungsbereich 6 Bild 2.2 zeigt die Entwicklung der gesamten Stromkreislänge in der HS- und HöS-Ebene des deutschen Stromnetzes aufgeteilt nach Freileitungs- und Kabelanteil in den Jahren von 1970 bis 2006. Eine getrennte statistische Erfassung der Freileitung- und Kabelanteile ist dabei offensichtlich nur bis 1994 durchgeführt worden. Bild 2.2. Entwicklung der Stromkreislängen der öffentlichen Versorgung in Deutschland 1955 – 2000, Quelle: DVG Tabelle 2.1 enthält eine Übersicht der Stromkreislängen in den Spannungsebenen des deutschen Stromnetzes für das Jahr 2008. Die Datenbasis für diese Auswertung ist die Störungsund Verfügbarkeitsstatistik /3/, in der leider nicht die Daten aller Netzbetreiber erfasst werden. Die HöS-Ebene ist nahezu vollständig erfasst, während die HS-Ebene mit fast 70 % und die MS- und NS-Ebene zu mehr als dreiviertel erfasst wurden. Es ist ersichtlich, dass der Kabelanteil mit zunehmender Spannung drastisch zurückgeht. So sind in der HöS-Spannungsebene deutlich weniger als 1 % und in der HS-Spannungsebene nur ca. 6 % der Leitungen und zwar fast ausschließlich im städtischen Raum verkabelt. Zudem ist der Anteil der VPE-Kabel gegenüber dem der klassischen Öl- und Gasdruckkabel noch relativ gering. Der geringe Kabelanteil in der Hoch- und Höchstspannungsebene ist dadurch begründet, dass mit steigender Spannung zum einen die Anforderungen an das Kabel wachsen und zum anderen die Kosten gegenüber der Freileitung deutlich ansteigen. Es galt deshalb bisher für die Netzplanung der Grundsatz, das Kabel nur dort eingesetzt werden, wo aus raum- und sicherheitstechnischen Gründen Freileitungen nicht möglich sind. Vergleich Erdkabel – Freileitung im 110-kV-Hochspannungsbereich 7 Tabelle 2.1. Stromkreislängen in den Spannungsebenen des deutschen Stromnetzes, Stand 2008, /3/ Gesamt Stromkreislängen (Werte gerundet) Freileitung Kabel in km in % in km in % 5) in km in % 5) gesamt 35.761 100,0 k. A. 6) k. A. k. A. k. A. erfasst 35.642 99,7 35.541 99,7 102 0,3 gesamt 93.239 100,0 k. A. k. A. k. A. k. A. erfasst 64.712 69,4 60.676 93,8 4.035 6,2 gesamt 505.000 100,0 k. A. k. A. k. A. k. A. erfasst 404.525 80,1 116.005 28,7 288.520 71,3 gesamt 1.150.000 100,0 k. A. k. A. k. A. k. A. erfasst 876.436 76,2 121.710 13,9 754.726 86,1 HöS-Ebene 1) HS-Ebene 2) MS-Ebene 3) NS-Ebene 4) 1) Höchstspannungs-Ebene: Netze mit Nennspannungen über 125 kV Hochspannungs-Ebene: 72,5 kV bis 125 kV 3) Mittelspannungs-Ebene: 1 kV bis 72,5 kV 4) Niederspannungs-Ebene: Netze mit Nennspannungen bis 1 kV 5) Bezugsgröße ist die jeweils erfasste Stromkreislänge 6) k. A. = keine Angabe 2) 2.2 Netzplanung und Netzbetrieb Oberster Grundsatz für die Planung der Netze, den Netzbau und Netzausbau sowie den Netzbetrieb ist das Gesetz über die Elektrizitäts- und Gasversorgung (EnergiewirtschaftsgesetzEnWG i.d.F. vom 07.07.2005). Es verpflichtet die Energieversorgungsunternehmen zu „einer möglichst sicheren, preisgünstigen, verbraucherfreundlichen, effizienten und umweltverträglichen leitungsgebundenen Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität und Gas“. Dabei kommt es darauf an, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen diesen in sich widersprüchlichen Forderungen herzustellen, ohne dass einer der Aspekte überbetont oder unterbewertet wird (Bild 2.3). Versorgungszuverlässigkeit V U Umweltverträglichkeit W Wirtschaftlichkeit Bild 2.3. Kompromiss zwischen Versorgungszuverlässigkeit, Wirtschaftlichkeit und Umweltverträglichkeit Vergleich Erdkabel – Freileitung im 110-kV-Hochspannungsbereich 8 Versorgungszuverlässigkeit (einschließlich Versorgungssicherheit und Servicequalität), Umweltverträglichkeit und Wirtschaftlichkeit (einschließlich Effizienz) bilden demzufolge auch die Bewertungskriterien bei einem Leitungsbauvorhaben mit Freileitungen oder Kabeln (Bild 2.4). Versorgungszuverlässigkeit Elektrische thermische mechanische Eigenschaften Verhalten im Normal- und im gestörten Betrieb Wirtschaftlichkeit Umweltverträglichkeit Investitionskosten Natur und Landschaft Betriebskosten (Verlustkosten Wartungskosten) Sonstige Kosten z. B. Reparaturkosten Elektromagnetische Verträglichkeit Geräusche Bild 2.4. Detaillierte Bewertungskriterien für Leitungen Elektrische Netze zur öffentlichen Stromversorgung werden heute nach dem (n-1)-Prinzip geplant und betrieben. Ein Netz erfüllt die Anforderungen dieses Kriteriums, wenn es den störungsbedingten Ausfall einer Komponente (Netzbetriebsmittel, Erzeugungseinheit) ohne unzulässige Einschränkungen seiner eigenen Übertragungs- oder Verteilungsfunktion übersteht. Es befindet sich dann in einem „verletzbaren Zustand“ (s. Bild 2.5), d. h. die Versorgung aller Verbraucher ist noch sicher gestellt, allerdings würde ein Einfachausfall eines weiteren Betriebsmittels u. U. zu einem gestörten Netzbetrieb führen, der eine Versorgungsunterbrechung zur Folge hat. Ein sogenannter Mehrfachausfall (common-mode-Ausfall) würde direkt zu einer Versorgungsunterbrechung führen. Dieser Störfall fällt allerdings nicht unter das (n-1)Kriterium und wird im Allgemeinen nicht in der Netzplanung berücksichtigt. Im (n-1)-Störfall dürfen die festgelegten technischen Grenzen des Netzes und seiner Betriebsmittel nicht verletzt werden, damit es zu keiner Störungsausweitung kommt (siehe auch TransmissionCode 2007 /1/). Mit anderen Worten: Ein Netz ist (n-1)-sicher geplant, wenn es bei Nichtverfügbarkeit eines beliebigen Netzbetriebsmittels seine Netzfunktion unter Inkaufnahme tolerierbarer Funktionseinschränkungen noch erfüllen kann, ohne dass – es zu dauerhaften Überschreitung der zulässigen Belastung von Betriebsmitteln kommt, – die Spannung im Netz die zulässigen Grenzen über- bzw. unterschreitet, – es zu unzulässigen Versorgungsunterbrechungen kommt – es zu einer Störungsausweitung (Folgeauslösungen) kommt. Vergleich Erdkabel – Freileitung im 110-kV-Hochspannungsbereich Normal: (n-1) – Kriterium erfüllt 9 b a a Verletzbar: (n-1) – Kriterium nicht erfüllt, Versorgung aller Abnehmer noch sichergestellt b a Gestört: Versorgungsunterbrechung, ggf. Netzauftrennung b a: Fehler, Abschaltungen b: Netzführungsmaßnahmen Bild 2.5. Zustandsdiagramm eines Netzes Im HöS- und HS-Netz wird unter der sehr allgemeinen Aussage „unzulässige Einschränkungen seiner Übertragungsfunktion“ die Bildung von Inselnetzen oder der Schwarzfall von Teilnetzen oder des Gesamtnetzes verstanden. Im MS- und NS-Netz werden dagegen kurzzeitige Versorgungsunterbrechungen von einer begrenzten Anzahl von Netzanschlussnehmern als zumutbar angesehen, die z. B. in MSNetzen bei Schaltmöglichkeiten nur vor Ort bis zu einer Stunde betragen können. Die Überprüfung dieser Kriterien wird im Rahmen der Netzplanung als auch in der Netzbetriebsführung durch eine sog. (n-1)-Ausfallsimulation (Netzsicherheitsrechnung), bei denen unabhängige Einfachausfälle aller bzw. der wichtigsten Betriebsmittel simuliert werden, überprüft. Die Einhaltung des (n-1)-Kriterium ist nur bei ausreichender Redundanz möglich. Leitungen im Hochspannungsnetz werden deshalb normalerweise immer als Doppelleitungen ausgeführt. Redundanz bedeutet zugleich, dass im Normalbetrieb nicht alle Leitungen und Transformatoren voll ausgelastet sein dürfen. Im Gegensatz hierzu erfolgt ein Netzanschluss von dezentralen Erzeugungsanlagen (z. B. eines Windparks) und ggf. die interne Verkabelung innerhalb eines Windparks nicht auf Basis des (n-1)-Kriteriums. Hintergrund ist, dass der jeweilige Netzbetreiber dem Anschlussbegehrenden einen technisch und wirtschaftlich geeigneten Netzanschlusspunkt anbietet und der Anschlussbegehrende für die Durchführung alle technischen Maßnahmen von der Erzeugungsanlage bis zum Netzanschlusspunkt und auch für den anschließenden Betrieb dieser Anlagen verantwortlich ist. Diese Netzanschlussleitungen gehören somit auch nicht zum öffentlichen Stromversorgungsnetz und damit auch nicht in den Verantwortungsbereich des jeweiligen Netzbetreibers. Der Anschlussbegehrende wird deshalb in der Regel aus wirtschaftlichen Überlegungen auf eine (n-1)-sichere Auslegung seiner Anschlussleitung verzichten, da diese eine zusätzliche Leitungsverbindung zwischen Erzeugungsanlage und Netzanschlusspunkt erfordert und nimmt damit bei Ausfall dieser Anschlussleitung eine Einspeisebeschränkung in Kauf. Ein weiteres wichtiges und notwendiges Planungskriterium ist die Überprüfung der Kurzschlussstromverhältnisse für verschiedene Belastungs- und Einspeiseszenarien des Netzes gemäß der DIN EN 60909. Hiermit werden zum einen die Betriebsmittel und Anlagen hinsichtlich ihrer mechanischen und thermischen Kurzschlussfestigkeit ausgelegt. Zum anderen Vergleich Erdkabel – Freileitung im 110-kV-Hochspannungsbereich 10 wird die Einstellung der Schutzeinrichtungen überprüft, um sicherzustellen, dass die minimalen Kurzschlussströme größer als die maximalen Betriebsströme sind. Des Weiteren dient die Kurzschlussstromberechnung auch der Überprüfung der Erdungsbedingungen (s. Abschnitt 5.1), der Untersuchung der Beeinflussungsproblematik und der Beurteilung der Spannungsqualität und Netzrückwirkungen. Neben diesen Planungskriterien erlangt die Forderung nach einer ausreichenden Zuverlässigkeit der Elektrizitätsversorgung eine immer stärkere Bedeutung, insbesondere im Hinblick auf die Einführung der Anreiz- und Qualitätsregulierung in den Stromnetzen. Da die MSNetzebene bis zur 110-kV-Netzebene im Wesentlichen die Versorgungszuverlässigkeit bestimmen, ist gerade für diese Netze die Berücksichtigung der Zuverlässigkeitseigenschaften der Betriebsmittel und Netzstrukturen von besonderer Bedeutung. Versorgungsunterbrechungen werden durch den Ausfall mehrerer Betriebsmittel (Leitungen oder Transformatoren) verursacht. Diese können sowohl deterministische Ursachen (geplante betriebsbedingte Abschaltungen für Wartungszwecke) als auch störungsbedingte Ursachen (z.B. atmosphärische Einwirkungen, Kurzschlüsse, etc.) haben. Die störungsbedingten Ursachen sind zufällig und lassen sich deshalb auch nur mit statistischen Kenngrößen beschreiben und bewerten. Bei der probabilistischen Zuverlässigkeitsanalyse werden durch eine rechnerische Simulation des determiniert-stochastischen Prozesses „elektrische Energieversorgung“ Kenngrößen für die erwartende Versorgungszuverlässigkeit berechnet, die natürlich nur den Charakter von Prognosewerten haben und Wahrscheinlichkeitsgrößen sind. Das Ausfallverhalten der einzelnen Betriebsmittel wird dabei auf Basis von Werten aus der Vergangenheit beschrieben. Die FFN-Störungs- und Verfügbarkeitsstatistik (vormals VDN- bzw. VDEW-Störungs- und Verfügbarkeitsstatistik) stellt hierfür die notwendige Datenbasis zur Verfügung, da sie die Anzahl und Dauer der zufallsbedingten Ausfälle von Betriebsmitteln in den unterschiedlichen Netzebenen für einen Großteil der deutschen Netze seit Jahren erfasst /2/, /3/, /4/ (s. auch Abschnitt 5.5). Das zufällige Ausfallverhalten eines Netzelementes, hier der Leitung einschließlich der Leistungsschalter, Trennschalter und Messwandler, wird durch die Ausfallrate λ´ (pro 100 km und Jahr) und die mittlere Aus-Dauer (MTTR) charakterisiert /16/. Die mittlere Aus-Dauer umfasst die Zeit vom Störungseintritt bis zum Zeitpunkt, in dem das Betriebsmittel wieder betriebsbereit zugeschaltet ist. Aus dem Kehrwert der mittleren Aus-Dauer ergibt sich die Instandsetzungsrate μ. Ausgehend von aus der Statistik bekannten Werten für λ´ (pro 100 km und Jahr) und μ, berechnet sich die Verfügbarkeit (Wahrscheinlichkeit dafür, dass sich die Leitung im Betrieb befindet) einer Einfachleitung mit der Länge l aus: V + l (2.1) Die Nichtverfügbarkeit (Wahrscheinlichkeit dafür, dass sich die Leitung im Aus-Zustand befindet) ist das Komplement der Verfügbarkeit: Q 1V l + l (2.2) Anschaulicher ist die Zeitdauer der Nichtverfügbarkeit bezogen auf ein Jahr: Q Q 8760h 1a (2.3) Die zeitorientierte Bewertung der Verfügbarkeit nach den Gln. (2.1) bis (2.3) hat den generellen Nachteil, dass einzelne, für die Betriebssicherheit aber relevante Ereignisse darin unterge- Vergleich Erdkabel – Freileitung im 110-kV-Hochspannungsbereich 11 hen. So erfahren beispielsweise 100 Ereignisse mit einer Aus-Dauer von je einer Stunde die gleiche Bewertung wie ein Ereignis mit einer Aus-Dauer von 100 Stunden. Dieses eine Ereignis kann beispielsweise der Ausfall eines Kabelsystems sein. In diesem Fall interessiert den Netzbetreiber aber nicht der statistische Wert der Nichtverfügbarkeit, sondern das Einzelereignis und insbesondere die Frage, wie lange es dauert, bis die Leitung wieder betriebsbereit ist. Zuverlässigkeitsbewertungen sollten deshalb auch ereignisorientiert erfolgen, wobei insbesondere die Reparaturdauer ein wichtiges Kriterium darstellt. Neben diesen Zustandskenngrößen, die sich auf die störungsbedingten Ausfälle beziehen, sind äquivalente Kenngrößen für wartungsbedingte Ausfälle definiert. Man unterscheidet die Wartungsdauer und die Wartungsrate. Sie entsprechen der mittleren Zeitdauer, die für eine planmäßige Wartung benötigt wird, bzw. der mittleren Anzahl der pro Zeiteinheit an einem Betriebsmittel erforderlichen Wartungsarbeiten. Vergleich Erdkabel – Freileitung im 110-kV-Hochspannungsbereich 3 12 110-kV-Netze im Versorgungsgebiet der E.ON edis und envia Verteilnetz 3.1 Stromkreislängen Die in den 110-kV-Netzen der E.ON edis AG und envia Verteilnetz Gmbh vorhandenen Freileitungs- und Kabelsystemlängen gehen aus Tabelle 3.1 hervor. Der Verkabelungsgrad liegt in allen Netzgebieten unter 1 %. Der Einsatz von Kabeln erfolgte dabei bisher überwiegend im städtischen Bereich. Auf die technischen Ausführungen der Freileitungen und Kabel wird in Kapitel 4 näher eingegangen. Aufgrund einer weitgehenden Standardisierung kann man davon ausgehen, dass die Freileitungen im Netzbereich eines Netzbetreibers die gleichen Maste und Leiterseilquerschnitte und damit gleiche Leitungsbeläge aufweisen (siehe Abschnitt 4.3). Tabelle 3.1. 110-kV-Freileitungs- und Kabelsystemlängen der envia Verteilnetz und E.ON edis Unternehmen Envia Verteilnetz Gmbh1) E.ON edis AG 1) Teilnetz Freileitungssystemlänge in km Kabelsystemlänge in km bzw. Anteil in % Rot 1050 <1% Blau 190 <1% Nord 2372 < 0,1 % Ost 1119 < 0,1 % West 1809 < 0,1 % nur Netzgebiet im Bundesland Brandenburg 3.2 Sternpunkterdung Die 110-kV-Freileitungsnetze in Ostdeutschland werden wie die meisten 110-kV-Netze in Deutschland gelöscht oder wie man auch sagt, mit Resonanz-Sternpunkterdung oder Erdschlusskompensation betrieben. Im Ausland wurde diese Art der Sternpunkterdung nur zögerlich oder überhaupt nicht eingeführt. Das liegt daran, dass es sich bei der ResonanzSternpunkterdung um eine Erfindung der AEG im Jahr 1919 durch den Ingenieur Petersen (1880 - 1946) handelt. Die Alternative zur Resonanz-Sternpunkterdung ist die niederohmige Sternpunkterdung, auf die später noch eingegangen wird. Die Bezeichnung gelöscht rührt daher, dass bei dieser Betriebsart der am häufigsten vorkommenden Fehler in Freileitungsnetzen, der einpolige Erdschluss von selbst wieder verlöscht, sofern es sich um einen Lichtbogenfehler handelt. Ursachen für Erdschlüsse können Blitzschlag, Vogelflug, Fremdschichten auf Isolatoren oder in die Leitungstrasse gewachsenen Baumzweige u. a. sein. Zur Erläuterung des Löschvorganges dient das Bild 3.1. Auf der rechten Seite in Bild 3.1 sind die Erdkapazitäten und Erdableitungsleitwerte aller Leitungen in CE und GE zusammengefasst. Die anderen Leitungsparameter spielen beim Erdschluss keine Rolle und sind deshalb weggelassen. Auf der linken Seite sind die drei im Stern geschalteten Wicklungen und der Sternpunkt einer Seite eines Netztransformators stellvertretend für alle Transformatoren dargestellt. Im Sternpunkt ist eine Löschspule (auch als Petersenspule bezeichnet) stellvertretend für alle Löschspulen im Netz gegen Erde angeschlossen. LM ist die Induktivität der Spule. Der Leitwert GM steht für die Verluste der Spule. Der Erdschlussreststrom IR teilt sich an der Durchschlagstelle in den kapazitiven Erdschlussstrom Vergleich Erdkabel – Freileitung im 110-kV-Hochspannungsbereich 13 ICE durch die Leiter-Erde-Kapazitäten CE der beiden nicht betroffenen Leiter und den induktiven Strom IME durch die Löschspule, sowie die beiden Verlustströme IGE und IGM auf. Je nach Einstellung der Löschspule kompensieren sich die induktiven und kapazitiven Teilströme teilweise oder ganz, so dass an der Erdschlussstelle nur noch ein Reststrom IR auftritt. Dieser setzt sich aus einem Blindanteil herrührend von der nicht vollständigen Kompensation der kapazitiven und induktiven Teilströme und einem Wirkanteil, herrührend von den Verlustströmen, zusammen (s. Bild 3.2). Transformatorwicklung zusammengefasste Leitungen SP Löschspulen GM F LM IR CE ILM IGM GE ICE IGE Bild 3.1. Stromverteilung bei der Resonanz-Sternpunkterdung Wenn der Reststrom eine bestimmte Größe (130 A im 110-kV-Netz, /13/) nicht überschreitet, verlöscht er im nächsten Nulldurchgang von selbst, vorausgesetzt es handelt sich um einen Lichtbogenfehler. Das betroffene Freileitungssystem ist dann wieder voll betriebstüchtig. Liegt der Erdschluss auf einer Kabelstrecke, so wird das Kabel an der Fehlerstelle zerstört und der Erdschluss bleibt bestehen. Der eigentliche Vorteil der Resonanz-Sternpunkterdung kommt deshalb bei Kabeln nicht zum Tragen. Es besteht lediglich die Möglichkeit, das Netz mit einem Dauererdschluss aufgrund des kleinen Reststromes noch solange weiter zu betreiben bis man das fehlerhafte Kabel geortet und abgeschaltet hat. Allerdings werden, wie das Bild 3.2 zeigt, bei Dauererdschluss die Leiter-Erde-Spannungen der beiden gesunden Leiter im gesamten Netz auf das Wurzel-3-fache angehoben, wodurch es an einer beliebigen Isolationsschwachstelle des Netzes zu einem weiteren Isolationsdurchschlag und damit zu einem Doppelerdkurzschluss mit hohen Strömen kommen kann. Der Doppelerdkurzschluss wird zwar vom Kurzschlussschutz der Leitungen erfasst und führt auch zur Leitungsabschaltung, jedoch ist dabei nicht immer gewährleistet, dass das Netz dann auch erdschlussfrei ist. Liegen die Durchschlagstellen nämlich auf verschiedenen Leitungen, so ist nach Abschaltung der ersten Leitung lediglich der Zustand vor dem Doppelerdkurzschluss wiederhergestellt womit auch wieder die Gefahr eines erneuten Doppelerdkurzschlusses besteht. Vergleich Erdkabel – Freileitung im 110-kV-Hochspannungsbereich 14 ICE UL3 ILM UME IRb IR IRw UL2 ILM Bild 3.2. Ströme und Spannungen bei Erdschluss im Netz mit Resonanz-Sternpunkterdung Unter Beachtung der unterschiedlichen Phasenlage der einzelnen Teilströme ergibt sich für den sog. Reststrom an der Erdschlussstelle der Ausdruck: 2 2 I R d 2 v 2 I CE I Rw I Rb (3.1) wobei d die sog. Dämpfung und v die sog. Verstimmung sind: d GE GM CE 3 CE v 1 I LM 1 1 2 I CE 3LMCE (3.2) (3.3) Der kapazitive Erdschlussstrom ICE berechnet sich unabhängig von der Art der Sternpunkterdung nach der Beziehung: ' l 3 CE' l U n I CE I CE (3.4) Er wächst mit zunehmender Leitungslänge l des Netzes. Die Tabelle 4.2 enthält die kilometrischen Werte für die 110-kV-Freileitung und -kabel. Bei richtiger Einstellung der Löschspule (v = 0) kompensieren sich die beiden Blindstromanteile, und es bleibt nur der durch die Leitwerte fließende Wirkreststrom IRw und ein in den obigen Gleichungen nicht berücksichtigter Anteil von Oberschwingungsströmen übrig. Üblicherweise wird dieser Anteil durch einen Zuschlag von 5 % zum Wirkreststrom angenommen. Eine Besonderheit der Netze mit Resonanz-Sternpunkterdung besteht darin, dass bereits im Normalzustand eine Verlagerungsspannung am Sternpunkt (oder den Sternpunkten) auftritt. Ursache hierfür sind ungleiche Leiter-Erde-Kapazitäten, wie sie insbesondere bei unverdrillten Freileitungen auftreten. Die Verlagerungsspannung berechnet sich aus der Beziehung: Vergleich Erdkabel – Freileitung im 110-kV-Hochspannungsbereich U ME k d 2 v2 15 U nN (3.5) 3 mit dem Unsymmetriefaktor: k (GEL1 jCEL1 ) a 2 (GEL2 jCEL2 ) a 2 (GEL3 jCEL3 ) CEL1 CEL2 CEL3 Die Abhängigkeit der Verlagerungsspannung im Normalbetrieb von der Verstimmung ist im Bild 3.3 zusammen mit der des Reststromes dargestellt. Das Maximum bei v = 0 beträgt: U ME, max k U nN d 3 (3.6) Wegen des geringen Werts der Dämpfung tragen bereits kleine Unsymmetriefaktoren zu erheblichen Verlagerungsspannungen bei. Zur Einhaltung der zulässigen Verlagerungsspannung von 6,4 kV im Normalbetrieb betreibt man die 110-kV-Netze bei noch genügendem Vorrat zur Löschgrenze überkompensiert mit einer Verstimmung von etwa 5 % bis 10 % (s. Bild 3.3). Überkompensation wird gewählt, damit das Netz beim Ausfall von Leitungen nicht in den Resonanzpunkt fällt. UME IR IR(d = 0) IRw v1 v=0 v v>1 Bild 3.3. V-Kurve des Reststromes bei Erdschluss und Glockenkurve der Verlagerungsspannung im Normalbetrieb in Netzen mit Resonanz-Sternpunkterdung mit dem üblichen Arbeitspunkt bei v 1 Zur Einstellung der Verstimmung auf den gewünschten Arbeitspunkt (z. B. v = 10 %) wird die Induktivität einiger Löschspulen über den sog. Verstimmungsgradregler verändert. Bei der Tauchkernspule im Bild 3.4 erfolgt die Änderung der Induktivität durch Ein- oder Ausfahren des Eisenkernes. Der Verstimmungsgradregler nutzt die Abhängigkeit der Verlagerungsspannung von der Verstimmung. Hierfür ist eine ausgeprägte Glockenkurve, d. h. eine bestimmte Unsymmetrie erwünscht. Neben der selbsttätigen Verlöschung der Lichtbogenfehler hat die ResonanzSternpunkterdung den Vorteil, dass der kleine Reststrom bei Freileitungen an der Durchschlagstelle keinen Schaden anrichtet und die kleinen über Erde fließenden Teilströme keine oder nur unwesentliche Beeinflussungen und auch nur geringe Schritt- und Berührungsspannungen an den geerdeten Anlagen verursachen. Dadurch kann der Aufwand für den Netz- Vergleich Erdkabel – Freileitung im 110-kV-Hochspannungsbereich 16 schutz und die Erdung der Freileitungsmaste und sonstiger Anlagen klein bleiben. Der einzige Mehraufwand besteht in der Anschaffung und Aufstellung der Erdschlusslöschspulen. Die erforderliche Spulenleistung ergibt sich bei Überkompensation (v < 0) aus der Beziehung: QSpule Un U I M n (1 v ) I CE 3 3 (3.7) Das Bild 3.4 zeigt eine Erdschlusslöschspule in der Ausführung als Tauchkernspule. Zur Erzielung einer ausgewogenen Kompensations-Stromverteilung im Erdschlussfall und zur Vermeidung der Gefahr der Bildung von Teilnetzen mit freien Sternpunkten bei Ausfall von Betriebsmitteln sind die Erdschlusslöschspulen relativ gleichmäßig über das Netz zu verteilen. Bild 3.4. 12,7-Mvar-Tauchkern-Erdschlusslöschspule Überschreitet der Reststrom die Löschgrenze von 130 A im 110-kV-Netz, so müsste entweder eine Netztrennung in weitere Teilnetze vorgenommen werden, in denen dann jeweils wieder die Resonanz-Sternpunkterdung zur Anwendung kommen könnte, oder das Netz müsste auf eine niederohmige Sternpunkterdung (NOSPE) umgestellt werden. Beide Maßnahmen sind mit erheblichem Aufwand und Kosten verbunden. Gegen eine Netztrennung spricht das Erfordernis zusätzlicher (n-1)-sicherer Einspeisungen aus dem überlagerten 380-kV-Netz. Vergleich Erdkabel – Freileitung im 110-kV-Hochspannungsbereich 4 17 Aufbau und Eigenschaften von 110-kV-Freileitungen und -Kabeln 4.1 Aufbau von 110-kV-Freileitungen Eine Freileitung besteht aus den Masten mit ihren Fundamenten, den Leiterseilen, Erdseilen, den Isolatoren und Armaturen zum Verbinden, Tragen und Abspannen der Leiterseile sowie zum Lichtbogenschutz der Isolatoren. Man unterscheidet hinsichtlich der Funktion zwischen Tragmasten, Abspannmasten, Winkelmasten, Winkelabspannmasten, Verdrillungsmasten und Endmasten. Während Tragmaste lediglich das Seilgewicht aufnehmen, dienen Abspannmaste zur Aufnahme der Seilzugkräfte. Winkel- und Winkelabspannmaste sind erforderlich, wenn die Richtung der Leitung geändert werden muss. Sie sind deshalb kräftiger auszuführen als Tragmaste. Besonders stabile Endmaste sind erforderlich, wenn die Freileitung auf eine Kabelanlage übergeht oder in ein Umspannwerk eingeführt wird. Verdrillungsmaste sind spezielle Abspannmaste, an denen die Plätze der Leiterseile am Mast getauscht werden. Das Verdrillen wird nur bei längeren Leitungen durchgeführt, um die Leitung hinsichtlich ihrer elektrischen Parameter zu symmetrieren. Neben der mechanischen Beanspruchung der Maste durch das Seilgewicht und die Zugkräfte müssen die Maste die Belastungen durch Wind, Raureif und Eislasten aushalten. Die in Deutschland vorherrschende Mastkonstruktion für 110-kV-Freileitungen ist der Stahlgittermast aus Winkelprofilen (s. Bild 4.1 links). Gegenüber den ebenfalls anzutreffenden Stahlvollwandmasten (s. Bild 4.1 rechts) haben Stahlgittermaste den Vorteil, dass sie vor Ort am Boden aus vormontierten Einzelteilen mit Hilfe eines Autokranes aufeinandergesetzt oder gestockt werden können, so dass keine Transportprobleme bestehen. Die Stahlgittermaste werden gegen Verrottung feuerverzinkt und mit einem Schutzanstrich versehen, der üblicherweise alle 15-20 Jahre erneuert werden muss. Bild 4.1. 110-kV-Freileitungsmaste in Stahlgitter- und Stahlvollwandbauweise Vergleich Erdkabel – Freileitung im 110-kV-Hochspannungsbereich 18 Nach der Bauform der Maste und der geometrischen Anordnung der Isolatoren am Mast ergeben sich verschiedene Mast- und Mastkopfbilder. Dabei spielt auch die Anzahl und Anordnung der Erdseile eine Rolle. Das Bild 4.2 zeigt schematisch die historisch entstandenen und heute zum Teil noch anzutreffenden Mastkopfbilder. Bild 4.2. Mastkopfbilder von 110-kV-Freileitungen (Doppelleitungen). Von links oben nach rechts unten: Tannenbaummast, umgekehrter Tannenbaummast, Tonnenmast, Mehrebenenmast, Donaumast, Einebenen oder Horizontalmast Die älteste Bauform ist der Tannenbaummast. Im deutschen 110-kV-Leitungsnetz überwiegen heute der Donaumast und der Horizontal- oder Einebenenmast. Horizontalmaste in der Ausführung als Einständer- oder Portalmaste (für Winkel- und Winkelabspannmaste) sind vorwiegend in Ostdeutschland anzutreffen. Sie wurden in der DDR nach standardisierten Abmessungen errichtet (s. Bild 4.3 links). Die wesentlichen Gründe hierfür waren die vergleichsweise niedrigen Errichtungskosten, die für das Verdrillen und Reparaturen günstige Anordnung der Leiterseile sowie die geringe Bauhöhe. Mit zwei Erdseilen ausgerüstet, sind die Horizontalmaste besonders gewittersicher. Die Höhe eines normalen Tragmastes beträgt rund 21 m. Nachteilig ist dagegen die breite Ausladung von rund 18 m, die zu einer großen Trassenbreite führt. Für zukünftige Leitungsbauprojekte sieht die envia Verteilnetz Horizontalmaste mit den Abmessungen in Bild 4.3 rechts vor. Die Entfernung zwischen zwei Masten ist die Spannweite. Das dazwischen liegende Feld wird als Spannfeld bezeichnet. Die durchschnittliche Spannweite im ebenen Gelände beträgt bei 110-kV-Freileitungen etwa 300 m. Größere Spannweiten erfordern höhere Masten entsprechender Stabilität. Die konkrete Spannfeldlänge ist in Abhängigkeit von den örtlichen Gegebenheiten festzulegen. Vergleich Erdkabel – Freileitung im 110-kV-Hochspannungsbereich 19 Bild 4.3. links: 110-kV-Horizontaltragmast nach DDR-Standard. Höhe 20,8 m, Breite der Traverse 17,8 m; rechts: 110-kV-Horizontalmast nach Angaben der envia Verteilnetz mit h = 17028 mm und H = 17170 mm Als Isolatoren werden ab der 110-kV-Spannungsebene aufwärts Hängeisolatoren in Form von Langstäben aus Porzellan oder neuerdings auch aus Kunststoff verwendet. Die Größe und Ausführung der Mastfundamente sind von der Funktion und der Höhe der Maste sowie von den Bodenverhältnissen abhängig. Sie werden je nach Bodenbeschaffenheit als Betonplattenfundament oder als Pfahlgründung vor Ort mit einem Minimum an Erdarbeiten ausgeführt. Als Leiterseile wurden früher ausschließlich Kupferseile verwendet. Die erste 110-kVDrehstromfreileitung Europas von Riesa nach Lauchhammer mit einer Länge von 56 km war als Doppelleitung mit Leiterseilen aus Kupfer mit einem Querschnitt von 42 mm2 ausgerüstet. Heute werden ausschließlich genormte Stahl-Aluminium-Verbundseile eingesetzt (Bild 4.4). Diese bestehen aus einem verseilten Kern mit sieben Stahldrähten, um den zwei Lagen Aluminiumdrähte mit entgegen gesetztem Schlag geschlungen sind. Der Stahlkern sorgt für die mechanische Festigkeit, während der Aluminiumquerschnitt für die Stromtragfähigkeit maßgebend ist. Bündelleiter (Leiter aus zwei bis vier parallelen Einzelleitern, wie sie in der Höchstspannungsebene eingesetzt werden) kommen bei 110-kV-Leitungen nur in Ausnahmenfällen und dann nur als Zweierbündel für besonders hoch belastete Leitungen vor. Die Leiterseile werden auf Spulen in Längen von etwa 3000 m angeliefert. Zum Anbringen der Seile werden an den Masten Seilrollen befestigt, durch die zunächst leichtere Vorseile und dann das Zugseil geführt werden. Mit einer Seilwinde wird dann das eigentliche Leiterseil von den Spulen auf die Maste gezogen, wobei die Spulen mit Bremsen versehen sind. Die einzelnen Seillieferlängen werden durch Backenstromklemmen miteinander verbunden. Nach dem Seilzug erfolgt noch das Einregulieren des Durchhanges. Die Erdseile haben hauptsächlich die Aufgabe die Leitung gegen direkte Blitzeinschläge in die Leiterseile zu schützen. Des Weiteren sollen sie im Fall eines Erdkurzschlusses oder Doppelerdkurzschlusses (s. Abschnitt 3.2) die Ströme über Erde reduzieren, um die Beeinflussung Vergleich Erdkabel – Freileitung im 110-kV-Hochspannungsbereich 20 von parallelen Leitern und die Schritt- und Berührungsspannung an den Masten zu begrenzen. Zur Einhaltung der zulässigen Schritt- und Berührungsspannung ist neben einer guten Leitfähigkeit der Erdseile ein genügend kleiner Masterdungwiderstand erforderlich. Die Maste werden deshalb je nach der Bodenleitfähigkeit über Stab- oder Ringerder geerdet. Bild 4.4. Aufbau eines Freileitungsverbundseiles Die Erdseile werden direkt oder isoliert auf den Masten angebracht. Bei isolierten Erdseilen wird die Verbindung zum Mast durch ein lösbares Band aus verzinktem Stahl oder Kupfer hergestellt. Durch Lösen des Bandes ist es möglich, den Masterdungswiderstand zu messen. 4.2 Aufbau von 110-Kabeln Für alle neuen Kabelanlagen in der Mittel-, Hoch und Höchstspannungsebene kommen heute nur noch VPE-Kabel mit vernetztem Polyethylen als Isolierstoff in Frage. Diese haben gegenüber den klassischen Bauarten (Gasaußen- und Gasinnendruck- und Niederdruckölkabel) folgende Vorteile: – niedrigere Dielektrizitätszahl und damit kleinerer Kapazitätbelag und höhere Übertragungsleistung – kleinerer dielektrischer Verlustfaktor tanδ und damit kleinere dielektrische Verluste (s. Abschnitt 4.5) – hohe elektrische Festigkeit und damit geringere Isolierdicke – geringeres Gewicht, geringerer Biegeradius – umweltfreundlicher als Niederdruckölkabel, bei denen die Gefahr der Verseuchung des Grundwassers durch Leckagen besteht. Die ersten 110-kV-VPE-Kabel wurden in den 70er-Jahren eingesetzt. In den Folgejahren kam es vermehrt zu Frühausfällen, weil man zunächst nicht erkannt hatte, dass die VPE-Isolierung empfindlich gegen geringste Verunreinigungen und kleinste Hohlräume, sowie eindiffundiertes Wasser ist. Durch die Verwendung von reinstem VPE, die Verbesserung der Fertigung, insbesondere die Dreifachextrudierung der Isolierung und Leitschichten in einem Arbeitsgang und Maßnahmen gegen das Eindringen von Wasser sowie der Einführung der Teilentla- Vergleich Erdkabel – Freileitung im 110-kV-Hochspannungsbereich 21 dungsmessung am fertigen Kabel, wurden diese Herstellungs- und Materialprobleme überwunden und es gelang etwa ab 1980, Kabel mit einer erwarteten Nutzungsdauer von 40 Jahren herzustellen. Heute werden VPE-Kabel für Spannungen bis 500 kV gefertigt. Allerdings ist bis jetzt der Einsatz der VPE-Kabel in der Höchstspannung, nicht zuletzt wegen den gegenüber der Freileitung mehrfachen Kosten, auf wenige Kilometer beschränkt (s. Bild 2.2). Kunststoffkabel sind stets Einleiterkabel. Drei Einleiterkabel bilden ein Drehstromkabelsystem. Als Leitermaterial wird wahlweise Kupfer oder Aluminium eingesetzt. Für Querschnitte bis 1000 mm2 werden mehrdrähtige Rundleiter verwendet (s. Bild 4.5). Für größere Querschnitte geht man zur Minderung des Skineffektes zu Segmentleitern über. Unmittelbar auf die Leiteroberfläche wird zur Glättung der Leiteroberfläche die sog. innere Leitschicht aus homogenem leitfähigem Material aufgebracht (s. Bild 4.6). Über dieser befindet sich die Isolation aus VPE und darüber die sog. äußere Leitschicht. Die beiden Leitschichten dienen zur Vermeidung von hohen Spitzen in der elektrischen Feldstärke und sorgen für eine günstige radiale Feldverteilung. Die Wanddicke der Isolierung beträgt bei 110-kV-Kabeln 18 mm. Auf der äußeren Leitschicht ist der Schirm aus Kupferdrähten in einer längswasserdichten Einbettung aufgebracht. Der Schirm ist mit leitfähigen Bändern umwickelt. Darüber befindet sich ein querwasserdichter Aluminium- oder Bleimantel, der von einem PE-Mantel, der das Kabel gegen äußere Beschädigungen schützt, umgeben ist. Bild 4.5. Werkstoffe und Ausführungsformen von Kabelleitern (Quelle: Pfisterer) Bild 4.6. 110-kV-VPE-Einleiterkabel. Außendurchmesser 82 mm, Gewicht 10 kg/m, Aufbau von innen nach außen: mehrdrähtiger Leiter, innere Leitschicht, VPE-Isolierung, äußere Leitschicht, leitfähige Polsterung, Schirm aus Kupfer, Querleitwendel aus Kupfer, Trennschicht, Stahlbandbewehrung, PE-Außenmantel (Quelle: Nexans) Vergleich Erdkabel – Freileitung im 110-kV-Hochspannungsbereich 22 Zu einer Kabelanlage gehören Muffen und Endverschlüsse, die man unter dem Sammelbegriff Garnituren zusammenfasst. Da die Kabellieferlängen auf einer Spule beschränkt sind, müssen längere Kabelstrecken durch Muffen verbunden werden. Bei 110-kV-Kabeln beträgt die Lieferlänge auf einer Spule (s. Bild 4.7) mit einem Durchmesser von 3,1 m etwa 1000 m. Die Muffen werden einfach in Sand eingebettet im Erdboden verlegt und nur in Spezialfällen in aus Beton gefertigte Gruben (sog. Muffenbauwerke) untergebracht. Endverschlüsse bilden an den Kabelenden den Übergang vom Isoliermedium VPE auf das Isoliermedium Luft. Zum Schutz der Kabel gegen Überspannungen werden parallel zu den Endverschlüssen noch Überspannungsableiter angeordnet. Bild 4.7. Legewagen mit Trommelantrieb (Quelle: Pfisterer) rückverfüllter Erdboden 0,5 1,35 ca. 1,6 Die Legung von 110-kV-Kabeln mit kleinen Querschnitten kann bei entsprechenden Bodenverhältnissen durch Einpflügen erfolgen. Größere Querschnitte werden im offenen Graben verlegt. Das Bild 4.8 zeigt schematisch ein Grabenprofil für zwei Systeme. Die Legetiefe von ca. 1,35 m wählt man mit Rücksicht auf einen genügenden Schutz vor Eingriffen durch landwirtschaftliche Nutzgeräte. thermisch stabilisiertes Bettungsmaterial ca. 1,5 Bild 4.8. Kabelgraben mit einem Kabelsystem und PVC-Leerrohren für ein zweites Kabelsystem. Maße in cm Vergleich Erdkabel – Freileitung im 110-kV-Hochspannungsbereich 23 Die Legung im Dreieck hat gegenüber der flachen Legung den Vorteil geringer Zusatzverluste und geringer magnetische Felder (s. Abschnitte 4.5 und 7.2). Die flache Legung (s. Bild 4.9) mit Abstand ist für hoch belastete Kabel zweckmäßig, weil sich die Kabel mit wachsendem Abstand gegenseitig weniger thermisch beeinflussen. Allerdings wird der Graben entsprechend breiter, so dass die Tiefbaukosten steigen. Manche Netzbetreiber bevorzugen die Legung der Kabel in PE-Rohren. Dadurch wird das Auswechseln einzelner Kabelabschnitte erleichtert und die Kabel werden zusätzlich geschützt. Nachteilig sind die zusätzlichen Kosten für die Rohre und eine gewisse Einbuße an Belastbarkeit durch den zusätzlichen Wärmewiderstand der Rohre. Die Querung von Wasserund Verkehrswegen erfolgt durch Bohrpressen oder bei extrem langen Unterquerungen durch das HDD-Bohrspülverfahren (Horizontal Direct Drilling). Bild 4.9. Flache Legung von zwei Systemen im Kabelgraben mit Rollenausbau (Quelle: Pfisterer) 4.3 Parameter und Betriebsverhalten von 110-kV-Freileitungen und -Kabeln Die wesentlichen Betriebsparameter sowohl der Freileitung als auch des Kabels sind der ohmsche Widerstand R, die Induktivität L bzw. die Reaktanz X = ωL, die Kapazität C und der Ableitungsleitwert G. Sie sind Bestandteil der Leitungsersatzschaltung im Bild 4.10 mit der sich das Betriebsverhalten erklären lässt /11/. Der ohmsche Widerstand wird durch den Leiterquerschnitt und das Leitermaterial (Kupfer oder Aluminium) und in geringem Maße durch die Temperatur bestimmt. Die Leitfähigkeit von Kupfer ist etwa 1,6-fach höher als die von Aluminium, so dass ein Aluminiumleiter bei einem gleichen ohmschen Leitwert einen etwa 1,6-fachen Querschnitt und einen etwa 1,27fachen Durchmesser als ein Kupferleiter aufweisen muss. Das Gewicht des leitwertgleichen Aluminiumleiters beträgt aber nur etwa die Hälfte des Kupferleiters, so dass die Entscheidung für ein Kupfer- oder Aluminiumkabel schließlich auch eine Kostenfrage ist, zumal der Aluminiumpreis z. Z. nur bei etwa einem Drittel des Kupferpreises liegt. Vergleich Erdkabel – Freileitung im 110-kV-Hochspannungsbereich R A B IB Iλ IA UA L G 2 C 2 24 C 2 G 2 UB Bild 4.10. Pi-Ersatzschaltung von Freileitung und Kabel mit Betriebsparametern. Die Unterstreichung der Ströme und Spannungen verweist darauf, dass es sich um Wechselstromgrößen handelt. Die anderen Betriebsparameter (L, C und G) hängen von der Geometrie der Leitung und dem Isolierstoff ab. Aufgrund der stark unterschiedlichen Geometrie (ausgedehnt bzw. gedrungen) und des unterschiedlichen Isoliermediums (Luft bzw. VPE) weisen Freileitung und Kabel unterschiedliche Induktivitäten (Reaktanzen) und stark unterschiedliche Kapazitäten und Ableitungsleitwerte auf. Die Reaktanz der Kabel hängt von der Art der Legung der drei zu einem Drehstromsystem gehörenden Einleiterkabel (im Dreieck oder flach) ab, während die der Freileitung vom Mastkopfbild beeinflusst wird. Die Kapazität C der Freileitung setzen sich aus den Leiter-Erde-Kapazität CE und der dreifachen Leiter-Leiter-Kapazität zusammen. Beim Kabel spielt die Kapazität zwischen den einzelnen Kabelleitern wegen der Schirmung keine Rolle, so dass für Kabel C = CE gilt. Gleiches gilt für die Ableitungsbeläge von Freileitung und Kabeln. Auf die Bedeutung der Leiter-Erde-Kapazitäten und die Leiter-ErdeAbleitungsleitwerte wird in Abschnitt 3.2 näher eingegangen. Die Werte für die Betriebsparameter werden gewöhnlich pro km für ein Drehstromsystem angeben. Die längenbezogenen Parameter bezeichnet man als Beläge und kennzeichnet sie durch einen Strich am Symbol. So ist z. B. R´ die Bezeichnung für den Widerstandsbelag. Die Größenordnungen der Betriebparameter für die hier zu vergleichende 110-kV-Freileitung und die 110-kV-VPE-Kabel sind in der Tabelle 4.1 gegenübergestellt. Die ohmschen Widerstände sind für 20 C und für 40 C angegeben. Die temperaturabhängige Widerstanderhöhung beträgt für Aluminium und Kupfer näherungsweise 4 % bei einer Temperaturerhöhung von 10 °K gegenüber 20 °C. Tabelle 4.1. Betriebsparameter der vergleichbaren 110-kV-Freileitung und -Kabel Parameter Freileitung Al/St 265/35 1) VPE-Kabel (Kupferleiter) N2XS(FL)2Y1×RM/50 1) VPE-Kabel (Aluminiumleiter) NA2XS(FL)2Y1×1000 RM/50 2) R20' m/km 109,5 28,3 29,1 R40' m/km 118,3 32,6 33,5 X ' /km 0,381 0,126 0,12 G ' nS/km 40 60 72 C ' nF/km 9,4 190 230 CE' nF/km 4,7 190 230 1) 2) Horizontalmast Legung im Dreieck, Schirm beidseitig geerdet Vergleich Erdkabel – Freileitung im 110-kV-Hochspannungsbereich 25 Aufgrund der unterschiedlichen Betriebsparameter weisen Freileitungen und Kabel auch unterschiedliches Betriebsverhalten auf. Der ohmsche Widerstand und die Reaktanz des Kabels und damit der gesamte Wechselstromwiderstand (die sog. Impedanz) sind kleiner als die der Freileitung, womit geringere stromabhängige Verluste (s. Abschnitt 4.5), ein geringerer Spannungsabfall längs des Kabels und ein geringerer induktiver Blindleistungsbedarf QL (s. auch Abschnitt 5.3) verbunden sind. Durch die Kapazitäten und Ableitungsleitwerte fließen Ströme zur Erde (beim Kabel über den geerdeten Schirm) ab, die den Leiterquerschnitt beanspruchen und damit insbesondere beim Kabel wegen seiner relativ hohen Kapazität (etwa 20 bis 24-fach gegenüber der Freileitung) die übertragbare Leistung einschränken. Die mit den Kapazitäten verbundenen Ströme heißen folgerichtig kapazitive Ströme oder Leerlauf- oder Ladeströme und verursachen kapazitive Blindleistung QC. Die mit den Ableitungsleitwerten verbundenen Ströme heißen Ableitungsströme. Sie entstehen durch die, wenn auch sehr geringe Restleitfähigkeit der Isolierung, für die der Ableitungsleitwert ein Maß ist. Sowohl der kapazitive Strom IC als auch der Ableitungsstrom IG fließen unabhängig von der Belastung in gleichbleibender Höhe, sobald die Leitung unter Spannung gesetzt wird. Sie hängen außer von C´ bzw. G´ von der Spannung ab und wachsen mit der Leitungslänge l: IC 1 C ' lU n 3 (4.1) IG 1 G ' lU n 3 (4.2) Zwei wichtige Leitungskenngrößen sind der Wellenwiderstand ZW und die natürliche Leistung Pnat. Der Wellenwiderstand ist, da für seine Berechnung der ohmsche Widerstands- und Ableitungsbelag vernachlässigt werden können, vom Verhältnis von Induktivität und Kapazität abhängig: ZW L' C' (4.3) Die natürliche Leistung, ist die Übertragungsleistung, bei der sich die induktive und kapazitive Blindleistung der Leitung gegenseitig aufheben. Sie berechnet sich näherungsweise zu: Pnat U n2 ZW (4.4) Die Belastung der Leitungen mit der natürlichen Leistung ist aus betrieblicher Sicht optimal, da Blindleistungsflüsse vom Netz zur Leitung oder umgekehrt und die damit verbundenen Verluste vermieden werden, und der Spannungsabfall längs der Leitung nahezu Null ist. Ein Blick auf die Tabelle 4.2 zeigt, dass die natürliche Leistung der Freileitung deutlich unter der dauend zulässigen Leistung Sd liegt, während die Verhältnisse beim Kabel aufgrund des deutlich geringeren Wellenwiderstandes umgekehrt sind. Kabel können deshalb nur unterhalb der natürlichen Leistung betrieben werden. Freileitungen werden aus wirtschaftlichen Gründen (Ausnutzung des Leiterquerschnitts) auch oberhalb der natürlichen Leistung betrieben. Allerdings nehmen mit der Überschreitung der natürlichen Leistung der Spannungsabfall und die induktive Blindleistung zu, und zwar umso mehr je länger die Leitung ist. Der übernatürliche Betrieb ist deshalb auch nur bis zu einer bestimmten Leitungslänge möglich. Auf die zulässige Dauerleistung von Freileitungen und Kabeln wird im Abschnitt 4.4 noch näher eingegangen Vergleich Erdkabel – Freileitung im 110-kV-Hochspannungsbereich 26 Tabelle 4.2. Betriebsgrößen der vergleichbaren 110-kV-Freileitung und -Kabel für die Parameter in Tabelle 4.1 (Werte gerundet) Parameter Freileitung Al/St 265/35 VPE-Kabel (Kupferleiter) N2XS(FL)2Y1×RM/50 VPE-Kabel (Aluminiumleiter) NA2XS(FL)2Y1×1000 RM/50 I C' in A/km 0,19 3,8 4,6 2) QC' in kvar/km 35,7 722 874 ' in A/km I CE 0,28 11,4 13,8 Z W in /km 360 46 41 Pnat in MW 34 263 279 Sd in MVA 130 158 1) 158 1) zul in °C 80 90 90 1) 2) Legung im Dreieck, Schirm beidseitig geerdet, Belastungsgrad m = 0,7 Betrag Im folgenden Bild 4.11 sind die unterschiedlichen Blindleistungsverhältnisse für die Freileitung und die Kabel mit den Parametern nach Tabelle 4.1 in Abhängigkeit von der übertragenen Leistung gegenübergestellt. Kapazitive Blindleistung ist dabei mit einem negativen Vorzeichen versehen. Im Leerlauf beziehen sowohl Freileitung als auch Kabel kapazitive Blindleistung (Ladeleistung). Sie berechnet sich pro km Leitungslänge nach der Beziehung: QC' C ' U n2 (4.5) Mit wachsender Übertragungsleistung S wächst auch die induktive Blindleistung nach der Beziehung: S2 ' QL L ' 2 Un (4.6) Die gesamte von der Leitung pro km Leitungslänge aufgenommene oder abgegebene Blindleistung ist: Q ' QL' QC' (4.7) Bei der natürlichen Leistung ist der Blindleistungshaushalt der Leitung ausgeglichen, also Q ' 0 . Für die Freileitung beträgt die natürliche Leistung 34 MW (s. auch Bild 4.11). Die natürliche Leistung der Kabel wird wegen Sd < PNat im zulässigen Übertragungsbereich nicht erreicht. Vergleich Erdkabel – Freileitung im 110-kV-Hochspannungsbereich 27 800 1 600 Q / kvar/km 400 200 0 -200 -400 2 3 -600 -800 -1000 0 Pnat F 50 100 150 S / MVA Bild 4.11. Blindleistung in Abhängigkeit von der übertragenen Leistung. 1 Freileitung 265/30, 2 Kabel 630 mm2 Kupfer, 3 Kabel 1000 mm2 Aluminium 4.4 Thermische Eigenschaften von 110-kV-Freileitungen und -Kabeln Aufgrund ihres unterschiedlichen Aufbaus und der verschiedenen Umgebungsbedingungen unterscheiden sich Freileitung und Kabel auch deutlich hinsichtlich ihrer thermischen Eigenschaften. Bei Freileitungen wird die zulässige Temperatur durch die mechanische Festigkeit der Leiterseile und den Durchhang der Leiterseile bestimmt. Die dauernd zulässige Leitertemperatur beträgt für Al/St-Seile 80 °C. Bei höheren Temperaturen kommt es zu Entfestigungserscheinungen an den Leiterseilen und zu einem unzulässigen Durchhang, so dass die vorgeschriebene Mindesthöhe über dem Erdboden von 6 m nicht mehr eingehalten wird. Aufgrund der guten Abführung der Verlustwärme durch die umgebende Luft haben Freileitungen keine nennenswerte thermische Zeitkonstante, so dass die Leiterseiltemperatur nahezu unverzögert dem Belastungsspiel folgt. Damit bestimmt die Höchstlast, auch wenn sie nur kurzzeitig auftritt, die höchste Temperatur des Leiterseiles. Die dauernd zulässige Belastung Sd der Freileitung wird gewöhnlich für Windgeschwindigkeiten von 0,6 m/s und 35 °C Umgebungstemperatur angegeben. Für die 110-kV-Freileitung Al/St 265/35 beträgt die Dauerleistung 130 MVA (s. auch Tabelle 4.2). Dem entspricht ein dauernd zulässiger Strom von 682 A. Unter günstigeren thermischen Umgebungsbedingungen kann die zulässige Dauerleistung zumindest zeitweise weiter erhöht werden. Bei Kabeln hängt die Ableitung der Verlustwärme an die Erdoberfläche von den Wärmewiderständen der Isolierung und des Erdbodens ab. Der Wärmewiderstand des Erdbodens ist stark von seinem Feuchtigkeitsgehalt abhängig. Feuchter Boden leitet die Wärme besser als trockener Boden. Der spezifische Wärmewiderstand des trockenen Bodens kann mit 2,5 K·m/W angenommen werden, während man bei feuchtem Boden mit 1,0 K·m/W rechnet. Bei hoch ausgelasteten Kabeln trocknet der Boden in unmittelbarer Nähe des Kabels aus. Um die damit verbundene Verringerung der Wärmeleit- und Übertragungsfähigkeit zu vermeiden, füllt man den Trockenbereich mit speziellem Bettungsmaterial bestehend aus einem KiesSand- oder Sand-Zement (Magerbeton)-Gemisch, das auch im trockenen Zustand einen spezifischen Wärmewiderstand kleiner als 1,2 K·m/W aufweist, aus. Vergleich Erdkabel – Freileitung im 110-kV-Hochspannungsbereich 28 Mit Rücksicht auf die Lebensdauer der VPE-Isolierung darf die höchste dauernd zulässige Temperatur an der Leiteroberfläche 90 °C nicht überschreiten. Die sich an der Leiteroberfläche einstellende Temperatur hängt von der Höhe und dem zeitlichen Verlauf der übertragenen Leistung, der Art der Erdung der Schirme (ein- oder zweiseitig), der Legetiefe, der Anordnung der Kabel (im Dreieck oder flach), vom Abstand der Kabel untereinander, der Anzahl weiterer Systeme im selben Graben, von dem Wärmewiderstand der Isolierung und des Erdreiches sowie von der Temperatur an der Erdoberfläche ab. Durch den thermischen Einfluss eines zweiten Kabelsystems im Graben geht die Belastbarkeit um ca. 15 % zurück. Durch den gegenüber bewegter Luft wesentlich schlechteren Wärmeabtransport durch die Isolierung und das Erdreich sowie deren Wärmespeichervermögen führen Belastungsänderungen beim Kabel im Gegensatz zu der Freileitung zu merklich verzögerten Temperaturänderungen. Die dafür maßgebende thermische Zeitkonstante liegt in der Größenordnung von mehreren Stunden, so dass das Kabel bei Wechsellast über einen längeren Zeitraum mit einer größeren Leistung als bei Dauerlast betrieben werden kann. Die thermische Grenzleistung des Kabels hängt somit vom Belastungsgrad m ab und wächst mit kleiner werdendem Belastungsgrad. Eine typische Wechsellast, die häufig für die Kabeldimensionierung herangezogen wird, ist die sog. EVU-Last, wie sie im Bild 4.12 dargestellt ist. Der Mittelwert der Leistung wird als Belastungsgrad m bezeichnet. Für die EVU-Last ist m = 0,7, während für Dauerlast m = 1,0 gilt. Bild 4.12. typischer Leistungsverlauf (Tageslastgang) mit m = 0,7 /15/ Für die Auslegung der Kabel, die für die Ableitung von Windleistung eingesetzt werden, ist der Erwartungswert der fluktuierenden Windenergieleistung unter Berücksichtigung der thermischen Zeitkonstanten des Kabels maßgebend. Das Bild 4.13 zeigt einen Vergleich der übertragbaren Leistung verschiedener 110-kVKabeltypen mit einer 110-kV-Freileitung. Im Bereich bis etwa 150 km zeigt das 110-kVVPE-Kabel etwa die gleichen Übertragungseigenschaften wie eine 110-kV-Freileitung. Die Begrenzung der Übertragungsleistung mit wachsender Länge erfolgt bei den Kabeln durch den stark zunehmenden Ladestrom, während bei der Freileitung der zulässige Spannungsab- Vergleich Erdkabel – Freileitung im 110-kV-Hochspannungsbereich 29 fall begrenzend wirkt. Typisch für die Kabel ist, dass sie sich ab einer bestimmten Länge durch den Ladestrom selbst auslasten und dann praktisch keine Leistung mehr übertragen können. Leistung in MVA 150 100 50 0 0 50 100 150 200 Länge in km Bild 4.13. Übertragungsleistung von 110-kV-Freileitungen und –Kabeln in Abhängigkeit von der Länge, cos = 1, Umax = 114 kV, Umin = 96 kV /12/, /17/. blau: Ölkabel, 800 mm2, Cu, schwarz: Gasdruckkabel, 800 mm2, Cu, rot: VPE-Kabel, 630 mm2, Cu, grün: Freileitung, Al/St 265/35 4.5 Verluste von 110-kV-Freileitungen und -Kabeln Man unterscheidet bei beiden Leitungsarten zwischen spannungsabhängigen und stromabhängigen Verlusten (Bild 4.14). Zusätzliche Verluste beim Betrieb von Leitungen entstehen, wenn Blindleistungskompensationsspulen aufgestellt werden müssen. Verluste spannungsabhängige Verluste stromabhängige Verluste zusätzliche Verluste Bild 4.14. Verlustanteile der Leitungen Die spannungsabhängigen Verluste entstehen in der Isolierung durch die Ableitungsströme und zum Teil im Leiter durch den Ladestrom. Sie fallen im Normalbetrieb mit konstanter Spannung ständig in gleichbleibender Höhe an. Für ihre Berechnung kann angenommen werden, dass an den Enden der Leitung im Mittel die Netznennspannung Un/√3 anliegt. Es gilt dann für ein Drehstrom-Leitungssystem pro km: Vergleich Erdkabel – Freileitung im 110-kV-Hochspannungsbereich ' 3 G '( PVU Un 2 ) G ' U n2 3 30 (4.8) und speziell für Un = 110 kV: ' PVU G' 12,1 W / km nS/km (4.9) Der Leitwertbelag G´ von Freileitungen ist witterungsabhängig. Für die Verlustberechnung zieht man einen Jahresmittelwert heran. Bei Kabeln berechnet sich der Leitwertbelag aus G ' C ' tan (4.10) wobei δ der sog. Verlustwinkel ist. Die Verlustleistung pro km eines Kabelsystems kann aber auch direkt aus der kapazitiven Ladeleistung (Gl. (4.5)) mit dem Tangens des Verlustwinkels erhalten werden: ' tan QC' PVU (4.11) Die stromabhängigen Verluste sind dem Quadrat des Stromes, und wenn man konstante Netzspannung voraussetzt, dem Quadrat der übertragenen Scheinleistung S proportional. Es gilt dann für ein Drehstrom-Leitungssystem pro km: PVI' R ' S2 U n2 (4.12) und speziell für Un = 110 kV: PVI' 1 R' S kW/km 12100 mΩ / km MVA 2 (4.13) wobei S die Gesamtleistung und R´ der wirksame Wechselstromwiderstandsbelag bei der Leitertemperatur sind. Bei Kabeln enthält R´ neben dem Leiterwiderstand einen Anteil, der die zusätzlichen Verluste durch Stromverdrängung im Leiter und die Verluste im Kabelschirm berücksichtigt. Die Zusatzverluste durch Stromverdrängung lassen sich bei größeren Querschnitten (ab 1000 mm2) durch den Einsatz von Segmentleitern verringern. Die Verluste in den Kabelschirmen entstehen durch die magnetischen Wechselfelder der Leiterströme. Diese verursachen zum einen Wirbelströme und zum anderen Induktionsspannungen längs der Schirme. Die Wirbelstromverluste lassen sich durch die Ausführung der Schirme aus einzelnen Drähten klein halten. Um die induzierten Schirmspannungen zu begrenzen, müssen die Kabelschirme beidseitig geerdet werden. Dadurch kommt es zu Schirmströmen, die mit Stromwärmeverlusten verbunden sind. Die Höhe der Schirmströme hängt neben der Höhe der Leiterströme auch von der Kabellegung ab. Sie sind am geringsten bei Legung der drei Einleiterkabel im Dreieck und am größten bei Legung in der Ebene mit großem Leiterabstand. Aus Sicht der Verluste ist es deshalb angebracht, die Kabel im Dreieck anzuordnen, sofern dies aus Gründen der Belastbarkeit möglich ist. Die Größenordnung des Zusatzwiderstandes für 110-kV-Kabel mit Rundleitern liegt bei Legung im Dreieck in der Größenordnung von 20 %. Die gesamten Verluste ergeben sich aus der Summe von spannungsabhängigen und stromabhängigen Verlusten: ' PVU ' PVI' PVges (4.14) Vergleich Erdkabel – Freileitung im 110-kV-Hochspannungsbereich 31 Das Bild 4.15 zeigt den Verlauf der Verluste der 110-kV-Freileitung und der beiden 110-kVKabeltypen mit den Parametern nach Tabelle 4.1 in Abhängigkeit von der übertragenen Leistung. Die Verlustkurven der beiden Kabeltypen liegen praktisch übereinander. Bei 110-kVLeitungen sind die spannungsabhängigen Verluste relativ klein (einige hundert Watt pro km), so dass man sie (außer im Leerlauf) gegenüber den stromabhängigen Verlusten vernachlässigen kann. Im Bild 4.15 sind sie (bei S = 0) auch kaum zu erkennen. 250 PV / kW/km 200 Freileitung 150 100 Kabel 50 0 0 50 100 150 S / MVA Bild 4.15. Verluste von 110-kV-Freileitung und -Kabeln in Abhängigkeit von der übertragenen Leistung (Parameter nach Tabelle 4.1, Widerstandsbelag bei 40 °C) Die stromabhängigen Verluste der Kabel betragen nur wenig mehr als ein Viertel der der Freileitung. Das liegt daran, dass man die Verluste des Kabels wegen der schlechteren Abfuhr der Verlustwärme zwangsläufig klein halten muss, was durch einen vergleichsweise großen Leiterquerschnitt und den Einsatz von Kupferleitern erreicht wird. Bei Freileitungen hingegen kann man den Leiterseilquerschnitt so wählen, dass ein Optimum an Investitions- und Verlustkosten erzielt wird. Vergleich Erdkabel – Freileitung im 110-kV-Hochspannungsbereich 5 32 Auswirkungen der Leitungsart auf das 110-kV-Netz 5.1 Zulässige Leitungslängen bei Resonanz-Sternpunkterdung Beim Leitungszubau mit Kabeln wächst insbesondere aufgrund der wesentlich größeren Leiter-Erde-Kapazitäten CE' (vgl. Tabelle 4.1) der kapazitive Erdschlussstrom und damit auch der Reststrom um ein Vielfaches gegenüber einem Zubau mit Freileitungen gleicher Länge. Das hat zur Folge, dass schon bei wesentlich kürzeren Kabellängen als beim Zubau mit Freileitungen die Löschgrenze von 130 A erreicht wird. Für den kapazitiven Erdschlussstrom im gemischten Netz gilt: ' lF CE,K ' lK ) I CE 3U n ( CE,F (5.1) ' CE,F kapazitiver Erdschlussstrom der Freileitungen pro km ' CE,K kapazitiver Erdschlussstrom der Kabel pro km lF gesamte Freileitungslänge (Systemlänge) im Netz lK gesamte Kabellänge (Systemlänge) im Netz Einzubeziehen in die Systemlängen sind dabei z. B. auch Anschlussleitungen von Windparks, die in das 110-kV-Netz einspeisen und nicht dem jeweiligen Netzbetreiber gehören. Der Reststrom ergibt sich wieder nach Gl. (3.1) jedoch mit anderen Ausdrücken für die Dämpfung und Verstimmung. Die Verstimmung ist zur Einhaltung des zulässigen Reststromes und der Verlagerungsspannung im Normalbetrieb auch beim Zubau weiterer Leitungen konstant zu halten, wofür der Verstimmungsgradregler sorgt. Bei Ausschöpfung des Regelbereiches muss die Spulenleistung durch Aufstellen weiterer oder leistungsstärkerer Spulen entsprechend vergrößert werden. Für die Dämpfung im gemischten Freileitungs- und Kabelnetz gilt, getrennt nach Leitungsund Spulenanteil (vgl. Gl. (3.2)): d ' lF GE,K ' lK GE,F ' lF CE,K ' lK CE,F GM / 3 ' lF CE,K ' lK CE,F d L dS (5.2) Der Anteil dL der Leitungen an der Dämpfung hängt vom Verhältnis der Kabel- und Freileitungslängen ab: 1 dL dF mit ' l d K CE,K K d F CE,F ' lF C' l 1 E,K K ' lF CE,F f( lK ) lF (5.3) Vergleich Erdkabel – Freileitung im 110-kV-Hochspannungsbereich dF ' GE,F ' CE,F und dK 33 ' GE,K (5.4) ' CE,K Der Anteil dS der Erdschlusslöschspulen entspricht wegen ICE ≈ IM den relativen Spulenverlusten. Diese liegen in der Größenordnung von 2 %. PV,Spulen GM / 3 GM U n GM U n2 GM U n2 3 3 dS (CE,F CE,K ) 3 U n I CE 3 U n I M Sr,Spulen 3 I CE (5.5) Die Dämpfung in Freileitungsnetzen ist stark witterungsabhängig und liegt für 110-kVFreileitungen im Jahresmittel in der Größenordnung von 5 %. Um sicher zu sein, dass der Erdschlussstrom auch bei „schlechtem“ Wetter verlöscht, ist es sinnvoll bei der Ermittlung der zulässigen Leitungslänge einen etwas höheren Wert, etwa 7 % anzunehmen. Für VPEKabel rechnet man mit einer deutlich geringeren Dämpfung von 0,1 %. Aus der Löschbedingung: d I R,zul I CE,zul d 2 v 2 I CE,zul v 1 ( )2 v (5.6) ergeben sich mit Gl. (5.1) folgende zulässige Längen an Freileitungen und Kabeln in einem gemischten Netz: lF,zul I R,zul ' v 1 ( d )2 3U nCE,F v ' CE,K ' CE,F lK,zul lF,zul,max ' CE,K ' CE,F (5.7) lK,zul Für ein reines Freileitungsnetz oder ein reines Kabelnetz erhält man als Grenzlängen aus Gl. (5.7) bei lK,zul = 0 bzw. lF,zul = 0 unter Beachtung des jeweiligen Ausdrucks für die Dämpfung: lF,zul lK,zul I R,zul (5.8) ' v 1 ( d F dS ) 2 3U nCE,F v I R,zul (5.9) ' v 1 ( d K dS ) 2 3U nCE,K v Die entsprechenden Zahlenwerte für die Freileitung und Kabel sind in Tabelle 5.1 eingetragen. Tabelle 5.1. Dämpfung und Grenzlängen (Systemlängen) für die Resonanz-Sternpunkterdung von Freileitungs- und Kabelnetzen (Leitungsparameter nach Tabelle 4.1) Freileitung Al/St 265/35 Cu-Kabel N2XS(FL)2Y 1630 RM/35 Al-Kabel NA2XS(FL)2Y 11000 RM/50 d = dL + dS 0,07 + 0,02 0,001 + 0,02 0,001 + 0,02 lzul,max / km 4330 203 168 Bei konstant bleibender Dämpfung stellt die Gl. (5.7) eine abfallende Gerade dar. Tatsächlich verringert sich aber die resultierende Dämpfung mit zunehmendem Kabelanteil nicht unwe- Vergleich Erdkabel – Freileitung im 110-kV-Hochspannungsbereich 34 sentlich von dF + dS = 9 % auf dK + dS = 2,1 %, so dass man die Gl. (5.7) iterativ auswerten müsste. Man begeht aber keinen großen Fehler (zumal auf der sicheren Seite), wenn man die Gerade nach Gl. (5.7) einmal mit dF + dS und einmal mit dK + dS zeichnet und die beiden Fußpunkte für die Grenzlängen des reinen Freileitungs- und Kabelnetzes durch eine Gerade verbindet, wie das im Bild 5.1 demonstriert ist. lF,zul lF,zul,max Gl. (5.7) für d = dK + dS Gl. (5.7) für d = dF + dS Näherung für veränderliche Dämpfung lK,zul,max lK,zul Bild 5.1. Genäherte Auswertung der Gl. (5.7) Das Bild 5.2 zeigt die aus der Sicht der Resonanz-Sternpunkterdung maximal zulässigen Leitungslängen im gemischten Netz mit den Freileitungs- und Kabeldaten nach Tabelle 4.1. Beispielhaft ist abzulesen, dass bei einer vorhandenen Freileitungslänge von 1000 km noch ein Zubau an Kabeln mit einem Kupferquerschnitt von 630 mm2 von 131 km möglich ist, während für die Kabel mit einem Aluminiumquerschnitt von 1000 mm2 wegen ihrer größeren Kapazität nur noch 109 km zulässig sind. Die bei Leitungszubau von Freileitungen und Kabeln zusätzlich erforderliche Spulenleistung bei Überkompensation berechnet sich mit dem Längenzuwachs (Systemlänge) ΔlF und/oder ΔlK aus: ΔQSpule Un U ' ΔlF I CE,K ' ΔlK ) (1 v ) ΔI CE n (1 v )( I CE,F 3 3 (5.10) Die Auswertung von Gl. (5.10) mit den Kapazitätsbelägen für die Freileitung und die beiden Kabel entsprechend Tabelle 4.1 zeigt Bild 5.3. Vergleich Erdkabel – Freileitung im 110-kV-Hochspannungsbereich 35 5000 lF,zul / km 4000 630 mm2 Cu 3000 2000 1000 mm2 Al 1000 0 0 50 100 150 lK,zul / km 200 250 Bild 5.2. Für die Resonanz-Sternpunkterdung noch zulässige Längen (Systemlängen) von 110-kVFreileitungen und –Kabeln für v = 5 % überkompensiert, dF = 7 %, dK = 0,1 %, dS = 2 % und einem Oberschwingungsgehalt von 5 % im Reststrom 140 Kabel 1000 mm2 Al 120 QSpule / MVA 100 80 60 Kabel 630 mm2 Cu 40 20 0 0 Freileitung 50 100 150 l / km Bild 5.3. Erforderliche Spulenleistung in Abhängigkeit von der Systemlänge beim Zubau von Freileitungen und Kabeln bei v = 5 % 5.2 Leistungsflussverhältnisse Der Leistungsfluss im Netz richtet sich nach den Spannungen der Einspeiseknoten und den Impedanzen der Leitungen. Er kann in Grenzen durch die Stufung der Einspeisetransformatoren beeinflusst werden. Der Leistungsfluss ist so einzustellen, dass das zulässige Spannungsband im Netz eingehalten wird und die Spannungen an den 110-kV-MS-Transformatoren bestimmte vorgegebene Werte, die wiederum für die Spannungsverhältnisse der unterlagerten Mittelspannungsnetze maßgebend sind, eingehalten werden. Vergleich Erdkabel – Freileitung im 110-kV-Hochspannungsbereich 36 Beim Netzausbau mit Kabeln ist zu beachten, dass Kabel eine deutlich geringere Impedanz als eine Freileitung gleicher Länge haben. Die Impedanz der hier betrachten 110-kV-Kabel beträgt nur etwa ein Viertel bis ein Drittel der der 110-kV-Freileitung (s. Tabelle 4.1). Eine Netzerweiterung mit Kabeln hat deshalb andere Auswirkungen auf den Leistungsfluss als der Ausbau mit Freileitungen. Um den gewünschten Leistungsfluss bei Einhaltung der Spannungsbänder sicher zu stellen und zu vermeiden, dass durch Änderungen im Leistungsfluss Leitungen überlastet werden, ist es – wie bei jeder Netzerweiterung - erforderlich detaillierte Leistungsflussberechnung und (n-1)-Ausfallsimulation (Netzsicherheitsrechnung) im Vorfeld entsprechend den Bewertungskriterien des (n-1)-Kriteriums in Abschnitt 2.2 vorzunehmen. Ein ausgeglichener Parallelbetrieb von Freileitungen und Kabeln ist aufgrund der unterschiedlichen Impedanzverhältnisse nicht möglich. 5.3 Netzverluste und Blindleistungsverhältnisse Kabel haben – wie im Abschnitt 4.3 begründet – generell niedrigere Stromwärmeverluste als Freileitungen. Im 110-V-Netz spielen die spannungsabhängigen Verluste keine Rolle. Die stromabhängigen Verluste von 110-kV-Kabeln und -Freileitungen verhalten sich der Größenordnung der Widerstände entsprechend wie etwa 1:4. Eine Verringerung der gesamten Netzverluste (Transformator- und Leitungsverluste) wird aber erst bei deutlichem Kabelanteil an der gesamten Leitungslänge spürbar werden. Da mit wachsendem Kabelanteil auch der Anteil der kapazitiven Blindleistung des Netzes zunimmt, ist man ab einem bestimmten Kabelanteil gezwungen, Blindleistungskompensationsspulen zu installieren. Deren Verluste bewegen sich in der Größenordnung von 1,5 bis 2 ‰ der Bemessungsleistung und machen einen Teil der durch die Kabel erzielten Verlusteinsparung wieder zunichte. Ein reines Freileitungsnetz bzw. ein Netz mit einem geringen Kabelanteil weist im Starklastfall einen induktiven Blindleistungsbedarf auf, während es im Schwachlastbetrieb einen kapazitiven Blindleistungsbedarf besitzt, der durch eine entsprechende Kompensationsdrosselspule weitgehend kompensiert werden muss, da der Blindleistungsaustausch mit dem überlagerten Netz vertraglich festgelegte und mit Pönalen belegte Grenzwerte nicht überschreiten darf. Bei Zubau mit Kabeln verschiebt sich dieses Verhältnis bis das Netz grundsätzlich einen kapazitiven Blindleistungsbedarf besitzt, der gegenüber dem bei Netzausbau mit Freileitungen im Schwachlastfall ein Vielfaches betragen kann und mit einer entsprechend größeren Drosselspulenleistung kompensiert werden muss. Der zusätzliche Bedarf an Kompensationsleistung bei Netzausbau mit Freileitungen oder mit Kabeln kann für den Schwachlastfall mit dem Ladestrom aus Gl. (4.1) abgeschätzt werden: ΔQkomp CF'ΔlF CK' ΔlK U n2 CF' Kapazitätsbelag der Freileitungen pro km CK' Kapazitätsbelag der Kabel pro km lF zusätzliche Freileitungslänge (Systemlänge) im Netz lK zusätzliche Kabellänge (Systemlänge) im Netz (5.11) Die Auswertung von Gl. (5.11) mit den Kapazitätsbelägen für die Freileitung und die beiden Kabel entsprechend Tabelle 4.1 zeigt Bild 5.4. Der Bedarf an zusätzlicher Kompensationsleistung steigt bei Netzausbau mit Kabeln entsprechend dem Verhältnis der Betriebskapazitäten um fast das 20-fache bzw. 24-fache gegenüber dem bei Netzausbau mit Freileitungen an. Vergleich Erdkabel – Freileitung im 110-kV-Hochspannungsbereich 37 140 Kabel 1000 mm2 Al Qkomp / MVvar 120 100 80 60 Kabel 630 mm2 Cu 40 20 Freileitung 0 0 50 100 150 l / km Bild 5.4. Abschätzung des zusätzlichen Bedarfs an Kompensationsleistung bei Netzausbau mit Freileitungen oder mit Kabeln 5.4 Kurzschlussstromverhältnisse Die Höhe der Kurzschlussströme an einer bestimmten Stelle im Netz hängt von der resultierenden Impedanz des Netzes an dieser Stelle ab. Die resultierende Impedanz an der Kurzschlussstelle setzt sich aus den Impedanzen der Einspeisetransformatoren und den Leitungen entsprechend der Netzstruktur zusammen. Kabel bewirken aufgrund ihrer gegenüber der Freileitung geringeren Impedanz eine Verringerung der resultierenden Impedanz und tragen damit zu einer Erhöhung der Kurzschlussströme bei. Es ist deshalb erforderlich – wie bei jeder Netzerweiterung generell – eine detaillierte Kurzschlussstromberechnung vorzunehmen und ggf. Maßnahmen zur Begrenzung der Kurzschlussströme vorzusehen. 5.5 Ausfallverhalten Das Ausfallverhalten der Leitungen wird durch die FFN-Störungs- und Verfügbarkeitsstatistik (vormals VDN- bzw. VDEW-Störungs- und Verfügbarkeitsstatistik) und separat durch die einzelnen Netzbetreiber statistisch erfasst. Tabelle 5.2 enthält die Ausfallhäufigkeiten und die Aus-Dauern für die Berichtsjahre 1994 bis 2001 /4/ getrennt nach Netzen mit ResonanzSternpunkterdung und Netzen mit niederohmiger Sternpunkterdung. Tabelle 5.2. Zuverlässigkeitskenndaten von 110-kV-Leitungen /4/ stochastischer Anteil (unabhängige Einfachausfälle) 110-kV kompensiert 110 kV niederohmig geerdet Freileitung Kabel Freileitung Kabel Ausfallrate 1/(100 km·a) 0,218 0,432 0,789 0,657 Aus-Dauer h 3,20 66,09 2,74 68,22 Die in Tabelle 5.2 angegebenen Daten beruhen auf der Auswertung von rund 60 % der Stromkreislängen im deutschen öffentlichen Versorgungsnetz mit Nennspannungen über 1 kV Vergleich Erdkabel – Freileitung im 110-kV-Hochspannungsbereich 38 dar. Die Ausfallhäufigkeiten in den einzelnen 110-kV-Netzen können sich z. B. durch die Altersstruktur der Netzbetriebsmittel, die eingesetzten Kabeltypen (Papiermasse-, Öl-, VPEKabel etc.), der Häufigkeit von atmosphärischen Störungen, das Vorhandensein von ländlichen oder städtischen Versorgungsstrukturen, der Art der Sternpunkterdung, dem Instandhaltungsaufwand, der untersuchten Grundgesamtheit, etc. davon deutlich unterscheiden. Die Angaben zur Aus-Dauer bewegen sich dagegen in engen Grenzen, weil die Abläufe zur Fehlerortung und Reparatur weitgehend bekannt sind. Die Ausfallrate der Kabel ist in Netzen mit Resonanz-Sternpunkterdung etwa doppelt so groß wie die der Freileitung, während sie in niederohmig geerdeten Netzen geringer ist. Demgegenüber ist die Aus-Dauer der Freileitung in beiden Netzarten um mehr als das 20-fache geringer als die der Kabel. Dadurch ergibt sich insgesamt eine deutlich höhere Nichtverfügbarkeit der Kabel, die etwa um den Faktor 40 in Netzen mit Resonanz-Sternpunkterdung und etwa um den Faktor 20 in Netzen mit niederohmiger Sternpunkterdung größer ist als die der Freileitung. 5.6 Nutzungsdauer Für Freileitungen ist eine Nutzungsdauer von 80 Jahren und mehr nachgewiesen. Nutzungsdauer erhaltende Maßnahmen (s. Abschnitt 5.7) lassen sich bei der Freileitung leicht durchführen, teilweise sogar unter Spannung. Die Isolierung der Kabel wird thermisch beansprucht und unterliegt somit einem Alterungsprozess. Somit wird die Nutzungsdauer der Kabel insbesondere durch die Langzeitfestigkeit der VPE-Isolierung bestimmt. Längere Überlastungen und Kurzschlüsse mit Überschreitungen der Grenztemperatur wirken Nutzungsdauer verringernd. Langzeiterfahrungen über 80 Jahre und mehr wie bei der Freileitung liegen für die VPE-Kabel noch nicht vor. Die ersten 110-kV-VPE-Kabel wurden 1973 eingesetzt. Man rechnet bei den 110-kV-VPE-Kabeln ähnlich wie bei den Massekabeln mit einer Nutzungsdauer von 40 bis 50 Jahren. 5.7 Instandhaltung: Wartung, Inspektion und Instandsetzung An Instandhaltungsarbeiten fallen bei der Freileitung die Inspektion, ggf. die Freihaltung der Trasse von Bewuchs und alle 25 bis 30 Jahre eine neue Mastbeschichtung an. Die Isolatoren, Leiterseile und Mastfundamente werden auf Basis von regelmäßigen Begehungen der Leitungstrasse oder auch durch Abfliegen mit Hubschraubern kontrolliert. Das Auswechseln von Isolatoren kann ggf. unter Spannung erfolgen. Nach etwa der Hälfte der Nutzungsdauer kann es notwendig werden, die Leiterseile auszutauschen. Die am häufigsten vorkommenden Fehler in Freileitungsnetzen, der einpolige Erdschluss, verlöscht von selbst, sofern es sich um einen Lichtbogenfehler handelt, so dass aufgrund der selbstheilenden Isolation der Freileitung ein Weiterbetrieb sofort möglich ist. Im Gegensatz zu Freileitungen führt im Fehlerfall ein Isolationsdurchschlag in Kabeln immer zu einem irreversiblen Schaden an der Durchschlagstelle, der eine Reparatur unumgänglich macht. Die Fehlerstelle muss zunächst geortet werden, was in gelöscht betriebenen Netzen (s. Abschnitt 3.2) kompliziert ist, da sich der gegenüber dem Betriebsstrom relativ kleine Erdschlussstrom kaum bemerkbar macht. Das Kabel muss frei gelegt, das beschädigte Stück herausgetrennt und ein neues Stück mit zwei Muffen eingesetzt werden. Der Zeitaufwand bis zur Wiederinbetriebnahme ist beträchtlich und kann bis zu einer Woche dauern. Während dieser Zeit befindet sich das Netz ggf. im verletzbaren Zustand (s. Abschnitt 2.2 und Bild 2.5). Vergleich Erdkabel – Freileitung im 110-kV-Hochspannungsbereich 39 5.8 Leitungsschutz Als Kurzschluss- und Überlastschutz werden bei der Freileitung und beim Kabel die gleichen Geräte (Distanz- und Überstromschutz, neuerdings auch Differenzialschutz) eingesetzt. Zum Schutz vor Blitzüberspannungen werden Freileitungen mit Erdseilen ausgerüstet. Kabel werden ebenfalls vor einlaufenden Überspannungswellen an den Kabelenden durch Überspannungsableiter geschützt. Vergleich Erdkabel – Freileitung im 110-kV-Hochspannungsbereich 6 40 Umstellung von Resonanz-Sternpunkterdung auf niederohmige Sternpunkterdung 6.1 Niederohmige Sternpunkterdung In Netzen mit niederohmiger oder strombegrenzender Sternpunkterdung werden die Sternpunkte (oder einige Sternpunkte) der Transformatoren über Spulen geerdet, deren Impedanzen so klein sind, dass die einpoligen Erdfehlerströme große, kurzschlussartige Werte von einigen kA erreichen und sich dadurch deutlich vom Betriebsstrom unterscheiden. Man spricht dann im Unterschied zur Resonanz-Sternpunkterdung auch von Erdkurzschlüssen anstatt von Erdschlüssen. Die Höhe der Erdkurzschlussströme lässt sich über die Spulenimpedanzen einstellen (daher auch die Bezeichnung strombegrenzende Sternpunkt-Erdung). In ländlichen 110-kV-Netzen begrenzt man die Erdkurzschlussströme auf etwa 10 kA, während man in städtischen 110-kV-Kabelnetzen mit Rücksicht auf die Schritt- und Berührungsspannungen und im Hinblick auf die Beeinflussungproblematik nur etwa 5 kA zulässt. Die Erdkurzschlussströme werden selektiv vom Leitungsschutz erfasst. Dieser veranlasst zunächst eine beidseitige Abschaltung des betroffenen Leiters (nicht der gesamten Leitung) weil es (im Freileitungsnetz) sehr wahrscheinlich ist, dass es sich um einen Lichtbogenfehler handelt (zur Erinnerung: 80 % der einpoligen Fehler im Freileitungsnetz sind Lichtbogenfehler). Nach einer kurzen stromlosen Pause (maximal bis 1,5 s) wird der Leiter wieder beidseitig zugeschaltet. Lag tatsächlich ein Lichtbogenfehler vor, so ist dieser während der stromlosen Pause verloschen, und die Leitung ist in der Regel wieder voll funktionsfähig. Die sog automatische Wiedereinschaltung (AWE) ist erfolgreich verlaufen. Die kurze einpolige Unterbrechung führt im redundanten Netz zu keiner Versorgungseinschränkung. Ist der Kurzschluss während der stromlosen Pause nicht verloschen, so handelt es sich um einen sog. satten Kurzschluss. In diesem Fall verläuft die AWE erfolglos und die Leitung wird unverzögert dreipolig abgeschaltet. Vorraussetzung für die Durchführung der einpoligen AWE sind einpolig schaltbare Leistungsschalter. Diese sind zwar in der Hochspannungsebene in der Regel vorhanden, doch sind unter Umständen nicht alle Leistungsschalter mit einem Einzelantrieb ausgerüstet. Die Gefahr von Doppelerdkurzschlüssen ist gegenüber der Resonanz-Sternpunkterdung weitaus geringer, da die Verlagerungsspannung der beiden gesunden Leiter bei Erdkurzschluss zum einen unter dem 1,4-fachen des Leiter-Erde-Nennwertes bleibt und zum anderen der Erdkurzschluss nur kurze Zeit besteht (zur Erinnerung: Im Fall des Erdschlusses bei der Resonanz-Sternpunkterdung beträgt die Verlagerungsspannung das 1,73-fache des Leiter-ErdeNennwertes). Die Erdkurzschlussströme teilen sich an der Kurzschlussstelle in Teilkurzschlussströme auf. Die Aufteilung erfolgt bei der Freileitung auf die Erdseile und den Erdboden und bei Kabeln auf den geerdeten Schirm und den Erdboden. Ein Maß für die Aufteilung ist der sog. Reduktionsfaktor. Er gibt an, welcher Anteil des gesamten Erdkurzschlussstromes über das Erdreich zurückfließt. Für Freileitungen mit gut leitenden Erdseilen liegt der Reduktionsfaktor in der Größenordnung von 0,5 bis 0,6, d. h. 50 bis 60 % des Erdkurzschlussstromes fließen über Erde und die Erdungsanlagen zurück zu den Transformatorsternpunkten. Bei Kabeln hängt der Reduktionsfaktor vom Querschnitt des Schirmes ab. Die Teilkurzschlussströme über Erde verursachen an der Kurzschlussstelle und in der unmittelbaren Nähe Potentialanhebungen gegenüber der Bezugserde, die mit Schritt- und Berührungsspannungen verbunden sind. Der zulässige Wert der Berührungsspannung ist für das 110-kV-Netz in Abhängigkeit von der Stromflussdauer des Erdfehlers definiert /14/. Bei Einhaltung dieses Grenzwertes kommt es auch zu keinen unzulässigen Schrittspannungen. Zu- Vergleich Erdkabel – Freileitung im 110-kV-Hochspannungsbereich 41 dem können die Teilkurzschlussströme über Erde unzulässige Beeinflussungen von parallel geführten fremden Leitungssystemen bewirken. 6.2 Maßnahmen zur Umstellung Wenn die Löschbedingung der Resonanz-Sternpunkterdung durch einen zu hohen Kabelanteil nicht mehr erfüllt ist (s. Abschnitt 5.1), wird eine Umstellung der Sternpunkterdung auf niederohmige Sternpunkterdung erforderlich. Eine Umstellung der Sternpunkterdung kann auch dadurch begründet sein, dass ab einem bestimmten Kabelanteil sich die Erdschlüsse vermehrt als Dauererdschlüsse ausbilden und nicht mehr von selbst verlöschen. Alternativ besteht die Möglichkeit den Reststrom durch Netztrennung zu verringern. Für eine Netztrennung müsste mindestens ein neues Umspannwerk für die (n-1)-sichere Anbindung des neu entstehenden Teilnetzes an das überlagerte HöS-Netz errichtet werden, was erhebliche Investitionskosten nach sich zieht. Eine zusammenfassende Übersicht der Maßnahmen zur Umstellung von ResonanzSternpunkterdung auf niederohmige Sternpunkterdung gibt das Bild 6.1. Maßnahmen bei der Umstellung auf niederohmige Sternpunkterdung Auswahl der zu erdenden Transformatorsternpunkte Auslegung des Leitungsschutzes Begrenzung des 1-poligen Kurzschlussstromes AWE bzw, selektive Fehlerabschaltung Austausch von Leistungsschaltern Auslegung der Erdungsanlagen Einhaltung der zulässigen Schritt- und Berührungsspannungen und Vermeidung unzulässiger Beeinflussungen Bild 6.1. Erforderliche Maßnahmen bei der Umstellung von Resonanz-Sternpunkterdung auf niederohmige Sternpunkterdung Neben der Auswechselung der Löschspulen durch niederohmigen Spulen in den zu erdenden Transformatorsternpunkten müssen u. U. der Leitungsschutz und die Leistungsschalter für die Automatische Wiedereinschaltung ertüchtigt werden. Durch die hohen Teilkurzschlussströme kann es erforderlich werden, die Erdungsverhältnisse an den Freileitungsmasten zu verbessern. Sämtliche Maßnahmen sind mit einem hohen Aufwand verbunden und können zu erheblichen Kosten führen. Vergleich Erdkabel – Freileitung im 110-kV-Hochspannungsbereich 7 42 Niederfrequente elektromagnetische Felder Bei den elektrischen und magnetischen Feldern von Freileitungen und Kabeln in der öffentlichen elektrischen Energieversorgung handelt es sich um niederfrequente Felder mit einer Frequenz von 50 Hz. Für Ihre Bestimmung können damit quasistatische Verhältnisse angenommen werden. Ein magnetisches Feld wird immer dann verursacht, wenn elektrische Ladungen bewegt werden, wenn also elektrische Ströme fließen. Elektrische Felder von Leitungen werden durch Ladungen hervorgerufen, die immer dann entstehen, wenn eine Leitung unter Spannung gesetzt wird. Die elektrischen und magnetischen Felder von Freileitungen und Erdkabeln können in der Planungsphase durch Berechnung bestimmt und im Betrieb auch durch Messungen überprüft werden, wobei eine gute Übereinstimmung zwischen den Berechnungen und den Messungen erreicht wird. Im Anhang sind für eine Vertiefung die wesentlichen Grundlagen der Berechnung von niederfrequenten elektrischen und magnetischen Feldern dargestellt. Im Folgenden erfolgt die Angabe der aktuellen Vorsorgewerte und der durch die 26. BImSchV /6/ festgelegten Messpunkte und Randbedingungen sowie eine Darstellung von Ergebnissen verschiedener Beispielrechnungen, die typische Feldverläufe zeigen und Anhaltswerte für die Größe der maximal auftretenden elektrischen und magnetischen Felder geben. Konkrete Werte sind aufgrund der unterschiedlichen Abmessungen und elektrischen Größen jeweils projektbezogen zu berechnen. 7.1 Vorsorgewerte, Messpunkte und Randbedingungen gemäß 26. BImSchV In der 26. BImSchV /6/ sind Vorsorgewerte für die elektrische Feldstärke und die magnetische Flussdichte festgelegt. Im Bereich der niederfrequenten Felder gelten für ortsfeste Stromversorgungsanlagen die in Tabelle 7.1 angegebenen Vorsorgewerte. Tabelle 7.1. Vorsorgewerte der 26. BImSchV im niederfrequenten Bereich Frequenz in Hz 50 1) elektrische Feldstärke E in kV/m magnetische Flussdichte B in T 1) 5 1001) Effektivwerte = Ersatzfeldstärke bzw. Ersatzflussdichte (siehe Anhang) Die 26. BImSchV legt fest, dass Freileitungen, Erdkabel, Bahnstromoberleitungen und Elektroumspannanlagen zur Vermeidung von schädlichen Umwelteinwirkungen so zu errichten und zu betreiben sind, dass in ihrem Einwirkbereich in Gebäuden und auf Grundstücken, die nicht nur zum vorübergehenden Aufenthalt von Menschen bestimmt sind, bei höchster betrieblicher Anlagenauslastung und unter Berücksichtigung von Immissionen durch andere Niederfrequenzanlagen die Vorsorgewerte der elektrischen Feldstärke und magnetischen Flussdichte nicht überschritten werden. Dem nicht nur vorübergehenden Aufenthalt dienen Gebäude und Grundstücke, in oder auf denen nach der bestimmungsgemäßen Nutzung Personen regelmäßig länger, d. h. mehrere Stunden, verweilen. Als Anhaltspunkt ist dabei die üblicherweise anzunehmende durchschnittliche Aufenthaltsdauer einer einzelnen Person heranzuziehen /7/. Nur zum vorübergehenden Aufenthalt von Menschen dienen dagegen Orte, an denen die Verweilzeit des Einzelnen in der Regel gering ist. Hierzu zählen beispielsweise Gänge, Flure, Vergleich Erdkabel – Freileitung im 110-kV-Hochspannungsbereich 43 Treppenräume, Toiletten, Vorratsräume - soweit sie außerhalb von Wohnungen liegen - sowie Abstellräume, Heiz-, Kessel- oder Maschinenräume, Räume, die nur zur Lagerung von Waren oder Aufbewahrung von Gegenständen dienen, und Garagen. Auch Orte, an denen sich zwar ständig Menschen aufhalten, die Verweilzeit des Einzelnen aber in der Regel gering ist, wie beispielsweise Bahnsteige und Bushaltestellen, dienen im Sinne der Verordnung nur dem vorübergehenden Aufenthalt /7/. Entsprechend /7/ ist für die Bestimmung der Felder die höchste betriebliche Anlagenauslastung heranzuziehen. Bei Freileitungen und Erdkabeln sind dies der maximale betriebliche Dauerstrom sowie die Netznennspannung. Der maximale betriebliche Dauerstrom wird z. B. durch den thermisch maximal zulässigen Dauerstrom oder die maximal zulässige Übertragungsleistung festgelegt. Kurzzeitige Überschreitungen der Vorsorgewerte in Tabelle 7.1 um bis zu 100 %, deren Dauer insgesamt nicht mehr als 5 % eines Beurteilungszeitraums von einem Tag ausmacht, und kleinräumige Überschreitungen der Vorsorgewerte für die elektrische Feldstärke um nicht mehr als 100 % außerhalb von Gebäuden bleiben außer Betracht solange keine durch Berührungsspannungen hervorgerufenen Belästigungen auftreten /6/. Bei Messungen von niederfrequenten Feldern im Freien unter Hochspannungsleitungen und anderen homogenen Feldern genügt es im Allgemeinen, an einem Messort einen Messpunkt in einer Höhe von 1 m über Standfläche und bei Erdkabeln einen Messpunkt in einer Höhe von 20 cm vorzusehen /7/. 7.2 Magnetische Felder Die entsprechend der 26. BImSchV /6/ berechneten Ersatzflussdichten der Magnetfelder für eine Freileitung mit Tragmasten entsprechend Bild 4.2 (rechts) sind in Bild 7.1 für den Punkt der maximalen Ersatzflussdichte, die am Ort des maximalen Durchhangs und damit des minimalen Bodenabstands auftritt, für unterschiedliche Belastungen in Abhängigkeit vom Abstand x von der Trassenmitte dargestellt. Der minimale Bodenabstand tritt bei ebenen Erdoberflächen in der Spannfeldmitte auf und darf für 110-kV-Freileitungen minimal 6 m betragen. Im Einzelnen sind drei Fälle dargestellt: – Fall 1: Belastung beider Freileitungssysteme mit der maximal zulässigen Dauerleistung Sd entsprechend Tabelle 4.2 (2Sd) – Fall 2: Belastung beider Freileitungssysteme mit der halben maximal zulässigen Dauerleistung Sd (2Sd/2) – Fall 3: Belastung eines Freileitungssystems mit der maximal zulässigen Dauerleistung ((n1)-Betrieb, 1Sd) Der Fall 1 (in schwarz) stellt die maximal mögliche Belastung der Freileitung entsprechend der Forderung der 26. BImSchV dar, der allerdings aus Sicht des Netzbetriebes relativ unwahrscheinlich ist. Realistisch sind nur der Fall 2 (in blau) und der Fall 3 (in rot). Die höchste Ersatzflussdichte ergibt sich im Fall 3 mit 22,5 T. Aber auch dieser Wert liegt noch deutlich unter dem Vorsorgewert von 100 T. Die Ersatzflussdichte nimmt mit größer werdenden Abstand x von der Trassenmitte ab und beträgt im Abstand von 15 m noch 44 % ihres Maximalwertes. Des Weiteren erkennt man anhand des Vergleiches des Falls 2 mit Fall 3, dass sich die magnetischen Felder der beiden Leitungssysteme teilweise gegenseitig kompensieren. Dieser Kompensationseffekt kann durch die Wahl der Phasenfolge in beiden Systemen maximiert werden. Dieser Fall ist hier dargestellt. Vergleich Erdkabel – Freileitung im 110-kV-Hochspannungsbereich 44 25 B / µT 20 15 10 5 0 -15 -10 -5 0 x/m 5 10 15 Bild 7.1. magnetische Ersatzflussdichte in der Höhe 1,0 m über der Erdbodenoberfläche für die Freileitungsanordnung in Bild 4.2 (rechts) in Abhängigkeit vom Abstand zur Trassenmitte; schwarz: Fall 1 (2Sd), blau: Fall 2 (2Sd/2), rot: Fall 3 (1Sd) Von der Spannfeldmitte in Richtung der beiden Maste verringern sich die magnetischen Felder auf ca. 20 % ihres Maximalwertes aufgrund der größer werdenden Bodenabstände der Leiterseile, die sich in Mastnähe mehr als verdoppeln. Zum Vergleich zeigt Bild 7.2 den Verlauf der magnetischen Ersatzflussdichte für eine VPEKabelanlage nach Bild 4.8 bei Verwendung des 110-kV-VPE-Kabels in Bild 4.6 in Abhängigkeit vom Abstand x von der Trassenmitte für die gleichen drei Belastungsfällen wie für die Freileitung. 16 14 12 B / µT 10 8 6 4 2 0 -15 -10 -5 0 x/m 5 10 15 Bild 7.2. magnetische Ersatzflussdichte in der Höhe 0,2 m über der Erdbodenoberfläche für die Kabelanordnung in Bild 4.8 in Abhängigkeit vom Abstand zur Trassenmitte; schwarz: Fall 1 (2Sd), blau: Fall 2 (2Sd/2), rot: Fall 3 (1Sd) Vergleich Erdkabel – Freileitung im 110-kV-Hochspannungsbereich 45 Die Ersatzflussdichte nimmt im Vergleich zur Freileitung aufgrund der dichter zusammen liegenden Leiter sehr schnell mit größer werdenden Abstand von der Trassenmitte ab und beträgt im Abstand von 15 m deutlich weniger als 2 % ihres Maximalwertes. Des Weiteren erkennt man anhand des Vergleiches des Betriebs mit der maximal zulässigen Dauerleistung (Fall 1) mit dem (n-1)-Betrieb (Fall 3), dass sich die Felder nicht verdoppeln, sondern sich auch hier der schon erwähnte Kompensationseffekt der beiden Systeme einstellt. Im Bereich der Muffen ist mit geringfügig größeren magnetischen Feldern zu rechnen, da die Kabel hier einen größeren Abstand zueinander einnehmen. Der Vergleich der Ersatzflussdichten der Freileitung mit denen der Kabelanlage zeigt, dass die Maximalwerte der Magnetfelder der Kabelanlage aufgrund der dichter zusammen liegenden Leiter (Dreieckslegung) geringer sind und auch deutlich schneller mit wachsendem Abstand von der Trassenmitte abklingen. Die Maximalwerte des Magnetfeldes der Freileitung und des Kabels liegen mit Werten kleiner 21 µT (Freileitung) bzw. 16 µT (Kabel) deutlich unter dem in der 26. BImSchV genannten Vorsorgewert von 100 µT. Die Werte für die Freileitung entsprechen auch den pauschalen Angaben von 11…21 µT für eine 110-kVFreileitung in /8/. 7.3 Elektrische Felder Im Folgenden wird nur die Ersatzfeldstärke entsprechend der 26. BImSchV für das elektrische Feld der Freileitung dargestellt. Ein Kabel weist kein äußeres elektrisches Feld auf. Die anliegende Spannung wird vollständig über der inneren Isolation aus VPE des Kabels abgebaut. Bild 7.3 zeigt die Ersatzfeldstärke der elektrischen Felder für eine Freileitung mit Tragmasten entsprechend Bild 4.2 (rechts) und zwei Erdseilen für den Punkt der maximalen Feldstärke in Abhängigkeit vom Abstand x von der Trassenmitte. Der minimale Bodenabstand ist wieder zu 6 m angenommen. Dargestellt ist die Ersatzfeldstärke für den Normalbetrieb (schwarz) und für den (n-1)-Fall (rot) bei Ausfall/Abschaltung des rechten Freileitungssystems. Man erkennt, dass die Ersatzfeldstärke im Normalbetrieb symmetrisch zur Trassenmitte bei x = 0 verläuft und zwei ausgeprägte Maxima und mehrere lokale Maxima und Minima aufweist, die aus dem großen räumlichen Abstand der Leiter resultieren. Das Feld klingt mit größer werdendem Abstand von der Trassenmitte deutlich ab. Die maximale Feldstärke der 110kV-Freileitung liegt mit 1,9 kV/m deutlich unter dem in der 26. BImSchV genannten Vorsorgewert von 5 kV/m. Die Größenordnung findet man auch generell für 110-kV-Freileitungen in /8/. Durch die Wahl der Phasenfolge in beiden Systemen kann der Verlauf und der Maximalwert der elektrischen Ersatzfeldstärke beeinflusst werden. Das Profil der elektrischen Feldstärke in Abhängigkeit vom Abstand x von der Trassenmitte und der Position z entlang des Spannfeldes ist in Bild 7.4 dargestellt. Mit zunehmendem Bodenabstand der Leiterseile in Richtung der beiden Maste (z = 150 m) nimmt das resultierende elektrische Feld ab. Die ausgeprägten Maxima und Minima entlang der x-Koordinate finden sich im gesamten Spannfeld (-150 m < z < 150 m) wieder. Vergleich Erdkabel – Freileitung im 110-kV-Hochspannungsbereich 46 2 E / kV/m 1.5 1 0.5 0 -15 -10 -5 0 x/m 5 10 15 Bild 7.3. Elektrische Ersatzfeldstärke in der Höhe 1,0 m über der Erdbodenoberfläche für die Freileitungsanordnung in Bild 4.2 (rechts) mit zwei Erdseilen für eine Leiter-Erde-Spannung von 110/3 kV in Abhängigkeit vom Abstand zur Trassenmitte; schwarz: Normalbetrieb, rot: (n-1)-Betrieb 2 E / kV/m 1.5 1 0.5 0 200 20 0 z/m 0 -200 -20 x/m Bild 7.4. Elektrische Ersatzfeldstärke in der Höhe 1,0 m über der Erdbodenoberfläche für die Freileitungsanordnung in Bild 4.2 (rechts) mit zwei Erdseilen für eine Leiter-Erde-Spannung von 110/3 kV in Abhängigkeit vom Abstand x zur Trassenmitte und der Position z entlang des Spannfeldes Vergleich Erdkabel – Freileitung im 110-kV-Hochspannungsbereich 8 47 Umwelterhebliche Wirkungen des Leitungsbaus Die Klassifizierung der umwelterheblichen Wirkungen beim Bau von Freileitungen oder Kabeln geht aus Bild 8.1 hervor. Umwelterhebliche Wirkungen baubedingt anlagenbedingt zeitlich begrenzt betriebsbedingt zeitlich unbegrenzt Bild 8.1. Umwelterhebliche Wirkungen des Leitungsbaus Im Folgenden sind die einzelnen Wirkfaktoren für die Errichtung und den Betrieb einer Freileitung und einer Kabelanlage nach /10/ zusammengestellt (s. Tabelle 8.1 und Tabelle 8.2). Sie gelten im Prinzip für den Leitungsbau in jeder Spannungsebene. Allerdings nehmen mit höherer Spannung aufgrund der größeren Dimensionen der Freileitungen und der dickeren Kabel und breiteren Kabelgräben der Flächenbedarf sowie die Transport-, Bau- und Montageleistungen und die technologischen Anforderungen zu. Tabelle 8.1. Umweltrelevante Wirkfaktoren bei der Errichtung und dem Betrieb einer Freileitung baubedingt anlagenbedingt Betriebsbedingt Freimachung der Baustelleneinrichtung und Zuwegung Flächenbeanspruchung durch die Maste Elektrische und magnetische Felder Flächenbeanspruchung durch Baustelleneinrichtung, Materiallagerung und Zuwege an den Maststandorten Bodenversiegelung durch die Mastfundamente Optische und akustische Wirkungen durch Wartungs-, Reparatur- und Freihaltungsmaßnahmen Bodenaushub für Mastfundamente und Abfuhr überschüssigen Aushubs Freihaltung des Schutzstreifens von Bebauung und hochwüchsiger Vegetation Optische und akustische Wirkungen durch Bautätigkeit und Verkehr Optische Wirkungen durch die Maste und Leiterseile Auf die Entstehung und Größenordnung der elektrischen und magnetischen Felder bei der Freileitung und den Kabeln wurde im Kapitel 7 eingegangen. Geräusche in der Nähe von Hochspannungsleitungen infolge von Koronaentladungen treten nur bei Spannungen von 220 kV aufwärts auf. Die umweltfachliche Bewertung der oben zusammengestellten Wirkfaktoren erfolgt im Hinblick auf die im Folgenden genannten Schutzgüter: Vergleich Erdkabel – Freileitung im 110-kV-Hochspannungsbereich 48 – Mensch – Tiere und Pflanzen – Boden – Wasser – Landschaft Tabelle 8.2. Umweltrelevante Wirkfaktoren bei der Errichtung und dem Betrieb einer Kabelanlage baubedingt anlagenbedingt betriebsbedingt Freimachung der Kabeltrasse von Vegetation und Anlegen einer Baustrasse längs der Trasse Einbringung der Kabel und ggf. thermisch stabilisierter Bettungsmaterialien sowie von Abdeckplatten in den Boden magnetische Felder Flächenbeanspruchung durch Baustelleneinrichtung und Materiallagerung längs der gesamten Trasse und Baustrasse Dauerhafte Freihaltung der Kabeltrasse von Bebauung und hochwüchsiger Vegetation Erwärmung des Bodens im Umfeld des Kabels, dosierte Bodenaustrocknung Abtrag des Mutterbodens und Abfuhr des nicht rückverfüllbaren Überschusses. Bodenaushub entsprechend Grabenprofil. Möglicherweise Wasserhaltung erforderlich. ggf. optische Wirkungen durch die freigehaltene Kabeltrasse Optische und akustische Wirkungen durch Reparatur- und Freihaltungsmaßnahmen Optische und akustische Wirkungen durch Bautätigkeit und Verkehr Ohne hier eine – den umweltfachlichen Experten vorbehaltene – detaillierte Bewertung der umweltrelevanten Auswirkungen der Errichtung und des Betriebs einer Freileitung oder eines Kabels auf die einzelnen Schutzgüter vornehmen zu wollen, lässt sich jedoch das Folgende allgemein feststellen. Betrachtet man die Gesamtheit der Auswirkungen auf die Schutzgüter, so haben sowohl die Freileitung als auch das Kabel Vor- und Nachteile. Bezogen auf das Schutzgut Mensch ist das Kabel aufgrund der geringeren optischen Wirkung im Vorteil. Bezüglich der elektromagnetischen Felder muss man dem Kabel zugute halten, dass es kein äußeres elektrisches Feld aufweist. Das Magnetfeld an der Erdoberfläche unmittelbar über dem Kabel kann bei ebener Legung mit einem gewissen Abstand größer als das einer gleich belasteten Freileitung an der gleichen Stelle sein, nimmt allerdings auch dann nach beiden Seiten mit wachsendem Abstand schneller ab als das der Freileitung. Subjektiv werden die von einer Freileitung ausgehenden Felder von einer Mehrheit der Bevölkerung als Beeinträchtigung der Gesundheit empfunden. Ein schlüssiger Nachweis einer gesundheitsschädigenden Wirkung der von den Leitungen ausgehenden Felder wurde bisher allerdings nicht erbracht. Generell gilt, dass bei allen Leitungsbauprojekten die in der 26. BImSchV /6/ vorgeschriebenen Vorsorgewerte eingehalten werden müssen, sofern in ihrem Einwirkbereich Gebäude und Grundstücke liegen, die nicht nur zum vorübergehenden Aufenthalt von Menschen bestimmt sind. Ein wesentlicher Grund für die Ablehnung einer Freileitung ist sicher Vergleich Erdkabel – Freileitung im 110-kV-Hochspannungsbereich 49 auch in der Entwertung von Grundstücken in unmittelbarer Nähe einer Freileitungstrasse zu sehen. Hinsichtlich der Wirkungen auf das Schutzgut Tiere und Pflanzen kommt dem speziellen Trassenverlauf eine besondere Bedeutung zu. Dabei spielen die Beeinträchtigung von Biotopen und der Vogelflug eine entscheidende Rolle. Für die Querung von Wäldern ist sowohl bei Freileitungen als auch bei Kabeln eine Schneise zu schlagen, die bei Kabeln allerdings weniger breit sein kann. Mit Freileitungen ist es andererseits auch möglich Waldgebiete mit entsprechend höheren Masten zu überspannen. Die Schutzgüter Boden und Wasser werden durch den Bau und Betrieb einer Kabelanlage weit stärker beeinträchtigt als durch eine Freileitung. Die Unterquerung von Wasserläufen und Verkehrswegen mit Kabeln stellt im Gegensatz zur Freileitung einen erheblichen Eingriff in den Boden und Wasserhaushalt dar. Der dauerhafte Flächenverbrauch ist bei der Freileitung auf die Maststandorte beschränkt, während beim Kabel die gesamte Trasse nur einer eingeschränkten Nutzung unterliegt. Vergleich Erdkabel – Freileitung im 110-kV-Hochspannungsbereich 9 50 Zusammenfassung In der folgenden Tabelle 9.1werden die technischen und betrieblichen Eigenschaften von 110kV-Freileitungen und –Kabeln und deren Auswirkungen auf das Netz nochmal zusammengefasst. Tabelle 9.1. Technische und betriebliche Eigenschaften von 110-kV-Kabeln im Vergleich zu 110-kVFreileitungen und deren Einfluss auf den Ausbau der 110-kV-Netze (Angaben pro System) Freileitung Al/St 265/35 Einfachleiter VPE-Kabel mit Kupferleiter N2XS(FL)2Y 1×630 RM/50 1) Aufbau Voluminöser, aber einfacher Aufbau durch die erforderlichen Isolationsabstände zu den Leitern und Erde. Gedrungener komplizierter Aufbau durch den Einsatz des festen Isolierstoffes VPE. Kabelschirm und äußere Hüllen erforderlich. Belastbarkeit 130 MVA bei 0,6 m/s Windgeschwindigkeit und 35°C Umgebungstemperatur. Bei günstigeren Umweltbedingungen höhere Belastbarkeit. 158 MVA bei Dreiecksverlegung und beidseitiger Erdung der Schirme. Bei zwei Systemen im gleichen Graben geht die Belastbarkeit um etwa 15 % zurück. Überlastbarkeit Begrenzt durch Entfestigung der Leiterseile und Einhaltung des zulässigen Durchhanges bei längerer Überschreitung der zulässigen Leitertemperatur von 80 C. Überlastung mit Überschreitung der maximal zulässigen Leitertemperatur von 90°C führt zur Verringerung der Lebensdauer der Isolierung. Elektrische Festigkeit (Isolierung) Nicht alternde, nach Durchschlägen selbstheilende Luftisolierung. Alternde VPE-Isolierung. Alterung abhängig von elektrischer und thermischer Belastung. ohmscher Widerstand bei 40 °C 118 mΩ/km etwa 33 mΩ/km. Genauer Wert abhängig von Art der Legung und Erdung der Schirme (s. Verluste). Reaktanz 0,3 bis 0,4 Ω/km. Genauer Wert abhängig von Mastkopfbild. etwa halb so großer Reaktanzbelag wie FL 2). Genauer Wert abhängig von der Art der Legung. Entsprechend geringerer Spannungsabfall und höherer Kurzschlussstromeintrag. Betriebskapazität 8 bis 9 nF/km. Genauer Wert abhängig von Mastkopfbild. 190 nF/km. Entsprechend höherer Ladestrom und kapazitive Blindleistung als FL (mehr als 20-fach). Erdkapazität 4 bis 6 nF/km. Genauer Wert abhängig von Mastkopfbild und von der Art und Anzahl der Erdseile. Bei Einleiterkabeln ist die Erdkapazität gleich der Betriebskapazität. Entsprechend höherer kapazitiver Erdschlussstrom als FL (s. dort). kapazitiver Erdschlussstrom Richtwert 0,3 A/km. Genauer Wert abhängig von Mastkopfbild und Art und Anzahl der Erdseile. Mit 12 A/km etwa 40-facher kapazitiver Erdschlussstrom als FL. Eigenschaft 1) 2) Alternativ VPE-Kabel mit Aluminiumleiter NA2XS(FL)2Y1×1000 RM/50 FL = Freileitung, K = Kabel Vergleich Erdkabel – Freileitung im 110-kV-Hochspannungsbereich 51 Blindleistungsbedarf Im Schwachlastbetrieb kapazitiver, im Starklastbetrieb induktiver Blindleistungsbedarf. Im gesamten Betriebsbereich hoher kapazitiver Blindleistungsbedarf (s. Betriebskapazität). Verluste Aufgrund des höheren ohmschen Widerstandes größere Verluste als K 2) (s. dort). Etwa 0,3-fache Verluste wie FL. Genauer Wert abhängig von der Legung und Erdung der Schirme. Leitungsschutz Distanzschutz und Überstromschutz. In Netzen mit Resonanzsternpunkterdung (s. dort) 2- oder 3-polige Ausführung. In niederohmig geerdeten Netzen 3-polige Ausführung mit 1poliger Automatischer Wiedereinschaltung (AWE). Distanzschutz und Überstromschutz in 3-poliger Ausführung. Automatische Wiedereinschaltung nicht sinnvoll, da Fehler immer Dauerfehler. Fehlerverhalten Größere Fehleranzahl als K durch atmosphärische Einwirkungen. Die meisten Fehler sind jedoch einpolige Lichtbogenfehler ohne Folgen. Geringere Fehleranzahl als FL. Fehler sind aber immer mit Schaden und aufwändiger Reparatur verbunden (s. Nichtverfügbarkeit). Nichtverfügbarkeit Reparaturdauer Stunden. Im Extremfall wenige Tage. Geringste Nichtverfügbarkeit. Reparaturdauer Wochen. Deutlich höhere Nichtverfügbarkeit als Freileitung (mehr als 20-fach). Nutzungsdauer Nachgewiesen hohe Nutzungsdauer von mehr als 80 Jahren. Abhängig von der Alterung der Isolierung. Angenommene Nutzungsdauer 40 Jahre. Betriebserfahrung Im Einsatz seit 1912 (Riesa - Lauchhammer). Im Einsatz seit ca. 1970. Nach anfänglichen Frühausfällen keine negativen Betriebserfahrungen. Umweltwirkung Landschaftsbeeinträchtigung durch Sichtbarkeit. Bodeneingriff auf Maststandorte beschränkt. Breitere Trasse als K. Nutzung und Bebauung der Trasse bedingt zulässig. Abhängig von der Legung. Bei Legung im Graben stärkere Eingriffe in Boden und Wasserhaushalt längs der gesamten Trasse als bei FL. Stark eingeschränkte Trassennutzung. elektromagnetische Verträglichkeit Magnetische Flussdichte <21 µT und elektrische Feldstärke < 2 kV/m deutlich kleiner als Vorsorgewerte von 100 µT bzw.5 kV/m. Kein äußeres elektrisches Feld. Magnetische Flussdichte <16 µT deutlich unter Vorsorgewert von 100 µT. Anteil in 110-kVNetzen Mehrzahl der 110-kV-Netze sind Freileitungsnetze mit äußerst geringem Kabelanteil. Kabelanteil in den deutschen 110-kVNetzen liegt im Durchschnitt bei 6 %. Einsatz vorwiegend im städtischen Bereich. Einfluss auf Sternpunkterdung der 110-kV-Netze Die meisten 110-kV-Netze in Deutschland werden mit Resonanzsternpunkterdung betrieben, bei der 1pol. Lichtbogenfehler von selbst verlöschen (s. Fehlerverhalten). Resonanzsternpunkterdung in Kabelnetzen oder Freileitungsnetzen mit hohem Kabelanteil nicht sinnvoll, da Erdfehler im K immer Dauerfehler sind. Einfluss auf Erweiterung der 110-kV-Netze Problemlos möglich. Erst bei Zubau von sehr großen Freileitungslängen Umstellung der Resonanzsternpunkterdung auf niederohmige Sternpunkterdung erforderlich. Bereits bei Zubau von geringen Kabellängen Umstellung der Resonanzstern-punkterdung auf niederohmige Sternpunkterdung und eventuell Blindleistungskompensation erforderlich. Vergleich Erdkabel – Freileitung im 110-kV-Hochspannungsbereich 52 10 Literatur- und Quellenverzeichnis /1/ VDN e. V.: TransmissionCode 2007, Netz und Systemregeln der deutschen Übertragungsnetzbetreiber, VDN 2007 /2/ Forum Netztechnik/Netzbetrieb im VDE (FNN): Anleitung zur FNN-Störungs- und Verfügbarkeitsstatistik (gültig ab 01.01.2006)Systematische Erfassung von Störungen und Versorgungsunterbrechungen in elektrischen Energieversorgungsnetzen und deren statistische Auswertung. 6. Ausgabe, Januar 2010 /3/ Forum Netztechnik/Netzbetrieb im VDE (FNN): Störungs- und Verfügbarkeitsstatistik Berichtsjahr 2008. Oktober 2009 /4/ Obergünner, M., Schwan, M., Krane, C., Pietsch, K., von Sengbusch, K., Bock, C., Quadflieg, D.: Ermittlung von Eingangsdaten für Zuverlässigkeitsberechnungen aus der VDN-Störungsstatistik. http://www.iaew.rwth-aachen.de/, 2004 /5/ Simonyi, K.: Theoretische Elektrotechnik. 9. Auflage. Berlin: VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften 1979 /6/ 26. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung über elektromagnetische Felder – 26. BImSchV). Bundesgesetzblatt Jahrgang 1996, Teil 1, Nr.66, 16.12.1996 /7/ Hinweise zur Durchführung der Verordnung über elektromagnetische Felder (26. Bundes-Immissionsschutzverordnung) in der überarbeiteten Fassung gemäß Beschluss des Länderausschusses für Immissionsschutz, 107. Sitzung, 15. bis 17. März 2004 /8/ Strahlenschutzkommission (SSK): Schutz vor elektrischen und magnetischen Feldern der elektrischen Energieversorgungn und –anwendung. Empfehlungen der Strahlenschutzkommission, 221. Sitzung der Strahlenschutzkommission am 21./22.02.2008. /9/ Erné, M.: Catenaria Leibniz und die Kettenlinie. http://www.iazd.unihannover.de/~erne/catenaria/ /10/ Umweltplan GmbH: Umweltfachlicher Variantenvergleich Freileitung-Kabel. Stralsund/Güstrow, 2008 /11/ Oeding, D.; Oswald, B. R.: Elektrische Kraftwerke und Netze. 6. Auflage 2004 Springer-Verlag Berlin Heidelberg New York /12/ Fricke, K. G.; Paschen, R.; Steckel, R. D.: AC underground HV-lines – comparison and new aspects. Cigré 1996, Bericht 21/22-07 /13/ DIN VDE 0228, Teil 2: Maßnahmen bei Beeinflussung von Fernmeldeanlagen durch Starkstromanlagen; Beeinflussung durch Drehstromanlagen /14/ DIN VDE 0101: Starkstromanlagen mit Nennspannungen über 1 kV /15/ VDEW Kabelhandbuch 5. Auflage 1997 Verlags- und Wirtschaftsgesellschaft der Elektrizitätswerke m.b.H /16/ Hütte Taschenbücher der Technik Elektrische Energietechnik Band 3 Netze 29. Auflage Springer-Verlag 1988 /17/ Fricke, K.-G.; Rittinghaus, D.: Freileitungen und Kabel in Mittelspannungs- und Hochspannungsnetzen der Energieversorgung. 67. Kabelseminar der Universität Hannover, 21. und 22.02.2006 Vergleich Erdkabel – Freileitung im 110-kV-Hochspannungsbereich 53 11 Anhang 11.1 Theoretische Grundlagen der Berechnung von magnetischen Feldern Ein magnetisches Feld wird immer dann verursacht, wenn elektrische Ladungen bewegt werden, wenn also elektrische Ströme fließen. Das magnetische Feld wird durch die magnetische Feldstärke H beschrieben, die eine gerichtete Größe ist und durch einen Vektor mit den drei Raumkomponenten Hx, Hy und Hz dargestellt wird. Bei einem langen, stromdurchflossenen, in Richtung der Ortskoordinaten z verlaufenden Leiter i am Ort (x0i, y0i) (s. Bild 11.1) verläuft die magnetische Feldstärke entlang einer kreisförmigen Feldlinie um den Leiter. Die zKomponente der magnetischen Feldstärke ist dann gleich Null, und die x- und yKomponenten berechnen sich im Raumpunkt (x, y) aus /5/: H xi I sin a I y y0i Hi i i2 H yi 2ri cos a 2ri x x0i (11.1) mit dem Abstand Leiter-Raumpunkt: ri x x0i 2 y y0i 2 (11.2) B y Aufpunkt 90o α r z Erdboden y0i x x0i Leiter i α Bild 11.1. Stromdurchflossener Leiter i am Ort (x0i, y0i), magnetische Induktion im Aufpunkt und Abmessungen Leiter-Aufpunkt Die magnetische Flußdichte oder Induktion B gibt die Stärke des Magnetfeldes auf einer bestimmten Fläche an. Sie ergibt sich aus: B μH μ0 μrel H (11.3) Vergleich Erdkabel – Freileitung im 110-kV-Hochspannungsbereich 54 Für den Luftraum gilt rel 1 , d. h. 0 . Bei der Betrachtung einer Mehrleiteranordnung sind die Magnetfelder aller Leiter inklusive der Rückleiter (z. B. vierter Leiter bei Drehstromkabeln, Kabelschirme) in die Betrachtung einzubeziehen. Sie können aufgrund der Linearität des betrachteten Systems überlagert und vektoriell addiert werden. B x Bx e jx Bxi e ji B y By e j y Byi e ji 0 I 2 0 I 2 i i sin a i ji y y0i e ji e 0 Ii ri 2 ri 2 cos a i ji 0 x x0i ji e Ii e ri 2 ri 2 (11.4) (11.5) Durch die Überlagerung der Teilfelder sind die Effektivwerte und die Phasenwinkel der xund der y-Komponente der resultierenden magnetischen Induktion im Allgemeinen unterschiedlich. Damit bewegt sich der resultierende Vektor der Induktion im allgemeinen Fall auf einer Ellipse in der x-y-Ebene. Man spricht deshalb auch von elliptischen Drehfeldern. Aus den Beträgen der resultierenden Teilkomponenten der magnetischen Flussdichte wird die sogenannte Ersatzflussdichte, die für die Bewertung der Magnetfelder und die Einhaltung der Vorsorgewerte entscheidend ist, gemäß der 26. BImSchV /6/ wie folgt gebildet: Bers Bx2 By2 Bz2 (11.6) 11.2 Theoretische Grundlagen der Berechnung von elektrischen Feldern Elektrische Felder werden sowohl von Ladungen selbst als auch durch Änderungen magnetischer Felder hervorgerufen. Sie werden durch die elektrische Feldstärke beschrieben, die eine gerichtete Größe ist und durch einen Vektor mit den drei Raumkomponenten Ex, Ey und Ez dargestellt wird. Es kann im Folgenden von niederfrequenten Wechselströmen ausgegangen werden, so dass noch quasistatische Verhältnisse angenommen werden können. Daraus folgt, dass sich zum einen das elektrische Feld der sich langsam zeitlich veränderlichen Ladung so verhält wie das einer konstanten Ladung. Zum anderen ist in jeder Ebene senkrecht zur Leitung das Feld rotationsfrei /5/. Damit entspricht das elektrische Feld dem eines elektrostatischen Feldes, für das ein skalares Potential und damit auch elektrische Spannungen eindeutig und wegunabhängig definiert werden können. Die Berechnung der Komponenten der elektrischen Feldstärke in x- und in y-Richtung, d. h. quer zur Leitung, kann aufgrund der quasistationären Verhältnisse vereinfachend mit der für stationäre Stromkreise gültigen Spiegelungsmethode erfolgen. Es wird hierfür die Leiteranordnung in Bild 11.2 betrachtet, in der der Leiter als Träger einer Linienladung und der Spiegelleiter als Träger einer Linienladung entgegengesetzter Polarität dargestellt sind. Die Leiterpotentiale und das Erdpotential können für ein kurzes Leitungsstück als konstant angenommen werden. Damit ist das elektrische Feld zwischen den Leitern und dem Erdboden eindeutig zu bestimmen. Man erhält für die Komponenten des von einer Linienladung auf Leiter i erzeugten elektrischen Feldes über dem Erdboden mit der elektrischen Feldkonstante ε0 (Permittivität des Vakuums): E xi x, y Q'i x x0i x x0i 2 2 2 2 2π 0 x x0i y y0i x x0i y y0i (11.7) Vergleich Erdkabel – Freileitung im 110-kV-Hochspannungsbereich 55 und: Q'i y y0i y y0i 2π 0 x x0i 2 y y0i 2 x x0i 2 y y0i 2 E yi x, y (11.8) Leiter i y0i α r y α E i Aufpunkt Ei z Erdboden x0i x r y0i α Spiegelleiter i Bild 11.2. Linienladung i am Ort (x0i, y0i), elektrische Feldstärke im Aufpunkt und Abmessungen Linienladung-Aufpunkt Die x- und die y-Komponente der elektrischen Feldstärke im Erdboden (y 0) können aufgrund der genannten Näherungen und der quasistationären Verhältnisse vernachlässigt werden. Bei der Betrachtung einer Mehrleiteranordnung sind die elektrischen Felder der Linienladungen auf allen Leitern in die Betrachtung einzubeziehen. Sie können aufgrund der Linearität des betrachteten Systems überlagert und vektoriell addiert werden. Durch die Überlagerung der Teilfelder sind die Effektivwerte und die Phasenwinkel der xund der y-Komponente der resultierenden elektrischen Feldstärke im Allgemeinen unterschiedlich. Damit spricht man auch hier wieder von elliptischen Drehfeldern. Die Linienladungen können durch die mit den bekannten Kapazitätskoeffizientenbelägen C'ik gegebene Proportionalität ihrer Teillinienladungen zu den Leiter-Erde-Spannungen ersetzt werden. Bei Vorgabe der über einem Leitungsstück als konstant anzusehenden Leiter-ErdeSpannungen Uk kann anschließend anschließend das elektrische Feld mit den Gln. (10.7) und (10.8) in guter Näherung bestimmt werden: n Q'i C'ik U k k 1 (11.9) Vergleich Erdkabel – Freileitung im 110-kV-Hochspannungsbereich 56 Eine detaillierte Feldberechnung z. B. mit der Finiten-Elemente-Methode liefert genauere Ergebnisse, die aber keine grundsätzlich abweichenden Zahlenwerte und Aussagen ergeben. Aus den Beträgen der resultierenden Teilkomponenten der elektrischen Feldstärke wird die sogenannte Ersatzfeldstärke, die für die Bewertung des elektrischen Feldes und die Einhaltung der Vorsorgewerte entscheidend ist, gemäß der 26. BImSchV /6/ wie folgt gebildet: Eers Ex2 Ey2 Ez2 (11.10) Das Leiterseil nimmt zwischen den beiden Aufhängepunkten an den Masten den Verlauf der Kettenlinie ein, dessen mathematische Lösung im Jahre 1690 parallel von Gottfried Wilhelm von Leibniz, Johann Bernoulli und Christiaan Hygens erarbeitet wurde /9/. Die Form der Seilkurve wird vom Eigengewicht G pro m Seillänge, der Länge des Leiterseils L und der auf das Leiterseil wirkenden Horizontalkraft, die ihrerseits von der sich einstellenden Seilkurve abhängt, beeinflusst. Bei gleich hohen Aufhängepunkten befindet sich der tiefste Punkt des Leiterseils in der Mitte des Spannfeldes. Dort ergibt sich aufgrund des geringsten Abstands zum Erdboden das maximale elektrische Feld. Vergleich Erdkabel – Freileitung im 110-kV-Hochspannungsbereich 57 12 Glossar Begriff Bedeutung Ausfall zufallsbedingte Beendigung der Fähigkeit einer Betrachtungseinheit, eine geforderte Funktion zu erfüllen Ausfallhäufigkeit Anzahl der zufallsbedingten Ausfälle pro Jahr Ausfallrate mittlere Anzahl von Ausfällen bezogen auf 1 km Leitungslänge und Jahr Aus-Dauer Dauer des zufallsbedingten Nichtbetriebes Belastungsgrad Verhältnis von mittlerer Leistung zu maximaler Leistung während einer Zeitdauer (meist 1 Tag oder 1 Jahr) Belastbarkeit thermische Grenzleistung Blindleistung Anteil der Scheinleistung, die keine Arbeit verrichtet Blindleistungsbedarf Leistungsbedarf der Induktivitäten und Kapazitäten Bündelleiter Aufbau eines Leiters aus mehreren parallelen Teilleitern Dielektrizitätszahl Materialkonstante des Isolierstoffes Distanzschutz Leitungsschutz dessen Auslösecharakteristik vom Kurzschlussort (von der Distanz zum Messort) abhängt Doppelerdkurzschluss zwei gleichzeitige Erdkurzschlüsse auf verschiedenen Leitern an verschiedenen Stellen des Netzes Doppelleitung Leitung mit sechs Leitern zur Übertragung von zwei Drehstromsystemen Drehstromsystem aus drei gleich großen um 120° Phasen verschobenen Spannungen und Strömen gebildetes Wechselstromsystem Endverschluss Übergangselement vom Kabel zum Anschlusspunkt EVU-Last spezieller Tageslastgang mit einer mittleren Leistung von 0,7 bezogen auf den Maximalwert der Leistung Erdschluss Verbindung eines Leiters mit der Erde, in Freileitungsnetzen meist über einen Lichtbogen Fehler Störungen des Normalbetriebes z.B. durch Kurzschlüsse Impedanz aus Wirk- und Blindwiderstand gebildeter Wechselstromwiderstand Isolation alle durch Isolierung gewonnenen Eigenschaften Isolierung alle zur Isolation verwendeten Werkstoffe Kabelgarnitur Kabelmuffen und Endverschlüsse Ladeleistung durch die Leitungskapazitäten verursachte Leistung Ladestrom durch die Leitungskapazitäten verursachter Strom Leitungsbelag Leitungsparameter pro km Leitung Vergleich Erdkabel – Freileitung im 110-kV-Hochspannungsbereich 58 Begriff Bedeutung Muffe Verbindungselement für Kabelabschnitte natürliche Leistung Übertragungsleistung, bei der der Blindleistungshaushalt der Leitung ausgeglichenen ist (kapazitive gleich induktive Blindleistung) (n-1)-Kriterium der Ausfall eines beliebigen Betriebsmittels (hier Leitungen) führt nicht zur Überlastung der verbleibenden Betriebsmittel Netznennspannung Spannung nach der ein Netz benannt wird (hier 110 kV) Reaktanz Scheinwiderstand einer Induktivität oder Kapazität bei Wechselstrom (induktive und kapazitive Reaktanz) Resistanz Wirkwiderstand einer Leitung Schaden bleibende nachteilige Veränderung, die zeitnah repariert werden muss Schaltanlage Einrichtung zur Verbindung mehrer Leitungen Scheinleistung aus Wirk- und Blindleistung gebildete Gesamtleistung im Wechsel- oder Drehstromnetz Skineffekt Stromverdrängungseffekt bei Wechselstrom. Der Strom wird mit wachsender Frequenz aus dem Inneren des Leiters verdrängt Spannungsabfall Differenz der Spannungsbeträge am Anfang und Ende der Leitung spannungsabhängige Verluste Anteil der Verluste, der quadratisch von der Spannung abhängt stromabhängige Verluste Anteil der Verluste, der quadratisch vom Strom abhängt thermische Grenzleistung höchste, durch die zulässige Leitertemperatur bestimmte Dauerleistung thermisch stabilisierte Bettung Bettungsmaterial mit einem Wärmewiderstand kleiner gleich 1,2 K·m/W Umspannanlage Schaltanlage mit Transformatoren zur Kupplung von Netzen verschiedener Nennspannung Verluste Gesamtheit der Leistung, die nutzlos in Wärme umgewandelt wird Verlustfaktor Verhältnis der mittleren Verluste zu den maximalen Verluste während einer Zeitdauer Versorgungszuverlässigkeit Fähigkeit einer Betrachtungseinheit (Leitung), innerhalb der vorgegebenen Grenzen ihre Funktion zu erfüllen Wellenwiderstand aus der Induktivität und Kapazität gebildeter Leitungsparameter Wirkleistung Anteil der Scheinleistung, der in Arbeit umgesetzt werden kann Vergleich Erdkabel – Freileitung im 110-kV-Hochspannungsbereich Begriff Bedeutung Zusatzverluste außerhalb des Leiters entstehende Verlustanteile Zusatzwiderstand Berücksichtigt die Zusatzverluste in der Ersatzschaltung der Leitung 59