9 Juni 2005: Die Schnittstelle zwischen Marketing und Vertrieb Zusammenfassung aus: Thorsten Garber: Der unsinnige Thronstreit. absatzwirtschaft, Sonderausgabe Vertrieb, Juni 2005: 18–22. Der Artikel greift den aktuellen Stand eines Themas auf, das sich zunehmenden Interesses in Wissenschaft und Praxis erfreut. Wie der Originaltitel andeutet, ist dies auch dringend notwendig – sind Marketing und Vertrieb doch häufig noch als quasi getrennte, miteinander im Wettbewerb um Ressourcen und Anerkennung stehende Abteilungen im Unternehmen positioniert. Wünschenswert ist dagegen die enge interne Verzahnung beider Bereiche. Diese Synchronisation kann wahre Wunder bewirken, wie die anhaltende Erfolgsgeschichte des Computerbauers Dell zeigt: Bei Dell betreuen zielgruppenspezifische Teams aus Marketing und Vertrieb, sogenannte Unique Selling Points (USPs), mit viel Eigenverantwortung ihre jeweilige Zielgruppe. Beide Disziplinen führen zum Beispiel ihre Markt- und Kundeninformationen zusammen und erarbeiten gemeinsam Promotion-Massnahmen. Planen und Handeln erfolgen aus einem Guss und werden konsequenterweise auch durch eine Vergütung unterstützt, die sich am Erreichen der gemeinsamen Ziele ausrichtet. Der stetige weltweite Erfolg von Dell kann sicher auch auf diese vorbildliche Zusammenarbeit zurückgeführt werden. Die "klassische" Sichtweise Neueste Forschungsergebnisse belegen: Die Realität in den meisten Unternehmen sieht leider noch anders aus. Die Disziplinen Marketing und Vertrieb sind häufig noch durch Abteilungsdenken, die gemeinsame Zusammenarbeit durch Defizite und Mängel geprägt. Beide Bereiche bilden überwiegend noch ein "natürliches" Spannungsgefälle, und die "klassische" Wahrnehmung wird weiter gepflegt (siehe Tabelle 1). Je nach Industrie und Branche ist die Situation etwas anders: im Business-to-BusinessGeschäft (B2B) ist die Bedeutung des Marketing traditionell eher gering, hier gibt oft noch die Technik die Richtung vor. Das Konfliktpotenzial Marketing-Vertrieb ist daher vergleichsweise niedrig. In einigen B2B-Branchen, wie etwa im Anlagenbau, arbeiten zielgruppenspezifische Teams aus Marketing und Vertrieb gemeinsam und erfolgreich an Kundenprojekten. Copyright © 2005 by Dr. Pulz & Partner Managementberatung Im Business-to-Consumer-Geschäft (B2C) spielt das Marketing eine relativ bedeutende Rolle. Das resultierende Konfliktpotenzial mit dem Vertrieb kann zum Beispiel durch Job Rotation zwischen beiden Bereichen entschärft werden. Tab. 1: Beispiele für die "klassische" Wahrnehmung von Marketing und Vertrieb Marketing Denkweisen Vertrieb Strategisch Langfristig Marktorientiert Konzeptionell Taktisch Kurzfristig Kundenorientiert Umsatzorientiert Strategisches Denken Produkt- und Markenentwicklung Verteilen von Ressourcen auf Gebiete und Kunden Analytisches Denken Finanzmanagement Marktforschung Umsatzprognose Verkaufsziele Kommunikation/Kreativität Promotion, Werbung, Teamarbeit Verkaufs- und Verhandlungsgeschick Fähigkeiten und ihre praktische Umsetzung Die Vision Marketing und Vertrieb werden sich immer weiter einander annähern, die kulturellen Unterschiede werden abgebaut werden. Diese Integration ist dringend notwendig, weil ein umfassendes Kundenverständnis Voraussetzung ist für die Unternehmenssteuerung aus Kundensicht. Nur beide Disziplinen gemeinsam können diesen Wettbewerbsvorteil realisieren: das Marketing wird schlagkräftige und nachvollziehbare Argumente für den Vertrieb liefern, während der Vertrieb sich vom reinen Verkauf immer mehr zum Rundumversorger und Berater des Kunden entwickeln wird. Produkt, Markt und Kunde werden somit zunehmend aus einem gemeinsamen Blickwinkel betrachtet werden. Marketing und Vertrieb werden zukünftig als verzahnter Prozess verstanden und schliesslich auch mit den Prozessen für Technik und Supply Chain zusammengeführt werden. Wie kann die Vision umgesetzt werden? Die Herausforderung besteht zunächst einmal darin, die Schnittstelle Marketing/Vertrieb optimal zu beherrschen, so wie dies zum Beispiel Dell, Unilever oder Procter & Gamble erfolgreich demonstrieren. Tabelle 2 fasst einige Massnahmen zusammen, die bei diesem Prozess hilfreich sein können. Copyright © 2005 by Dr. Pulz & Partner Managementberatung Tab. 2: Massnahmen zur Optimierung der Schnittstelle Marketing/Vertrieb Definition gemeinsamer Ziele Schaffung verzahnter Anreizsysteme Definition klarer Zuständigkeiten Regelmässige Kommunikation zwischen den Bereichen Erhöhung der Sozialkompetenz der Mitarbeiter Job Rotation zwischen Vertrieb und Marketing Einführung einer gemeinsamen prozessorientierten Sichtweise Fokussierung auf wertschöpfende Tätigkeiten Bildung von Key Account Teams Erhöhung der internen Datentransparenz (z.B. Preise, Konditionen) Darüber hinaus wurde vorgeschlagen, einen Schnittstellenmanager zur Überwachung der Spielregeln einzusetzen – sicher eine gute Idee, um die Implementierung der "neuen" Zusammenarbeit zwischen Marketing und Vertrieb zu beschleunigen. Fazit: Die engere Verzahnung von Marketing und Vertrieb zu einem gemeinsamen Prozess ist nicht nur wünschenswert, sondern vielleicht bald der entscheidende Wettbewerbsvorteil – und das Verharren auf den "klassischen" Strukturen und Abläufen ein Wettbewerbsnachteil. Man darf auf die Weiterentwicklung und praktischen Lösungen auf diesem Gebiet gespannt sein. Copyright © 2005 by Dr. Pulz & Partner Managementberatung