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Elementargeometrie
Ebene Elementargeometrie
Im Folgenden unterscheiden wir neben Definitionen (Namensgebung) und Sätzen
(nachweisbaren Aussagen) so genannte Axiome.
Axiome stellen der Anschauung entnommene Aussagen dar, die nicht weiter
beweisbar sind. Solche Axiome bilden das Grundgerüst der Mathematik und dürfen
daher nicht im Widerspruch zueinander stehen.
Die Ebene Γ fassen wir als Punktmenge auf.
Axiom 1:
In der Ebene gibt es unendlich viele Punkte.
Zieht man durch zwei Punkte A ≠ B der Ebene Γ eine Linie,
so sprechen wir von einer Geraden g ⊂ Γ durch A,B ∈ Γ, kurz g = AB .
Axiom 2:
Durch zwei verschiedene Punkte führt genau eine Gerade.
Axoim 3:
Auf jeder Gerade gibt es mindestens zwei Punkte.
Axiom 4:
Außerhalb jeder Gerade gibt es mindestens einen Punkt.
Wir benötigen nun auf jeder Geraden noch eine Relation, die uns eine Anordnung von
Punkten der Geraden zueinander ermöglicht.
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Elementargeometrie
Axiom 5: Anordnungsaxiome
Auf jeder Geraden g ist für ihre Punkte eine Relation „<“ („vor“) definiert.
Sodass gilt:
a) A < A gilt für kein A ∈ g (nicht reflexiv)
b) Aus A,B,C ∈ g und A < B, B < C folgt A < C (transitiv)
c) Aus A,B ∈ g mit A ≠ B folgt entweder A < B oder B < A (linear)
d) Aus A,B ∈ g mit A < B folgt: Es gibt Punkte
C,D,E ∈ g mit C < A < D < B < E
Aus den Anordnungsaxiomen kann man nun erste Schlüsse ziehen.
Satz 2.1:
Auf jeder Geraden g ⊂ Γ liegen unendlich viele Punkte.
Beweis:
Laut Axiom 3 existieren mindestens zwei Punkte A,B ∈ Γ mit A,B ∈ g .
Annahme: Es existiert eine Gerade mit endlich vielen Punkten.
Dann existiert bezüglich der Anordnungsrelation „<“ aufgrund der Linearität und
Transitivität ein erster Punkt C ∈ g mit C < D für alle D ∈ g \ {C} im
Widerspruch zum Axiom 5 d).
Somit besitzt jede Gerade unendlich viele Punkte.
Satz 2.2:
Es gibt in jeder Ebene Γ unendlich viele Geraden g ⊂ Γ .
Beweis:
Sei P ∈ Γ mit P ∉ g
Für je zwei Punkte A,B ∈ g, A ≠ B, gilt PA ≠ PB , denn aus
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PA = PB folgt B ∈ PA und somit wegen Axiom 2 g = AB = PA und folglich
P ∈ g im Widerspruch zur Voraussetzung. Damit gibt es mindestens so viele
Geraden durch P wie es Punkte auf der Geraden g gibt. Nach Satz 1 existieren
demnach unendlich viele Geraden.
Definition 2.1:
Sei AB ⊂ Γ eine Gerade mit A < B (B < A ) . Dann
bezeichnet
{
}
( AB := {X ∈ AB ( X = A ) ν ( X = B) ν (B < X < A )})
AB := X ∈ AB ( X = A ) ν ( X = B ) ν ( A < X < B )
die Strecke mit Anfangspunkt A (B) und Endpunkt B (A).
Satz 2.3:
Eine Strecke enthält unendlich viele Punkte.
Beweis:
Hätte die Strecke AB mit A < B nur endlich viele Punkte, so würde ein Punkt
P ∈ AB \ {A} mit
P < C für alle C ∈ AB \ {A,P}
(2.1)
existieren. Wegen P ∈ AB existiert laut Axiom 5 d) ein D ∈ AB mit A < D < P .
Folglich gilt D ∈ AB , womit ein Widerspruch zu (2.1) vorliegt.
Bemerkung 2.1:
Satz 2.3 macht deutlich, dass es zu einem Punkt auf einer Geraden keinen
Nachbarpunkt gibt. Punkte liegen auf einer Geraden nicht wie Perlen auf einer
Schnur.
Definition 2.2:
{
}
Für A,B ∈ Γ bezeichnen wir mit AB + := X ∈ AB ( X = A ) ν ( A < X ) und
{
}
AB − := X ∈ AB ( X = A ) ν ( X < A ) die positive bzw. negative Halbgerade
(Strahl) von AB mit Anfangspunkt A.
Mit AB wird der Strahl bezeichnet für den B ∈ AB gilt.
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Elementargeometrie
Ganz offensichtlich gilt hiermit die
Folgerung 2.1:
Sei g = AB , dann gilt AB − ∪ AB + = g und AB − ∩ AB + = {A} .
Satz 2.4:
Jede Halbgerade hat unendlich viele Punkte.
Beweis:
Wir betrachten beispielhaft den Fall AB + .
Mit Axiom 5 d) existiert ein C ∈ AB mit A < C .
Hiermit gilt AC ⊂ AB + .
Laut Satz 2.3 besitzt AC bereits unendlich viele Punkte und folglich auch
AB+ .
Jede Gerade scheint die Ebene in zwei Teile zu zerlegen. Um diese Aussage genauer
zu spezifizieren müsse wir den Begriff einführen, der uns die Möglichkeit gibt zu
entscheiden, wann zwei Punkte auf verschiedenen Seiten oder der gleichen Seite
bezüglich einer Geraden g liegen.
Fall2:
Fall1:
Verschiedene Seiten
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Gleiche Seite
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Definition 2.3:
Sei g ⊂ Γ eine Gerade und A,B ∈ Γ \ g ( d.h. A,B ∉ g ) , dann sagen wir, dass
A und B auf der selben Seite von g liegen, wenn AB ∩ g = ∅ gilt.
Axiom 6: (M. Pasch (1843-1930))
Sei g ⊂ Γ eine Gerade und A,B,C ∈ Γ \ g . Schneidet g eine der drei Strecken
AB , BC , AC , so noch eine weitere.
A)
B)
Definition 2.4:
Unter der offenen Halbebene ( g;A ∉ g ) bezüglich einer Geraden g ⊂ Γ
versteht man die Menge aller Punkte B ∈ Γ , die auf derselben Seite wie A
bezüglich g liegen.
Die Menge ( g;A ∉ g) ∪ g heißt abgeschlossene Halbebene mit Rand g.
Folgerung 2.2:
Jede Gerade zerlegt die Ebene disjunkt in zwei offene Halbebenen und die
Gerade selbst. (disjunkt mit leerer Schnittmenge)
Definition 2.5: (Dreieck)
Seien A,B,C ∈ Γ drei verschiedene Punkte, die nicht kollinear sind (d.h. nicht
(
)
auf einer Geraden liegen A ∉ BC ).
Dann heißt AB ∪ BC ∪ CA Dreiecksrand mit Dreiecksseiten
AB , BC und CA .
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Ein Punkt P ∈ Γ heißt innerer Punkt bezüglich des Dreiecksrandes, wenn
P ∉ AB ∪ BC ∪ CA (kein Randpunkt) ist und jede Halbgerade mit
Anfangspunkt P genau einen Punkt mit dem Dreiecksrand gemeinsam hat.
Ein Punkt Q ∈ Γ heißt äußerer Punkt bezüglich des Dreieckrandes, wenn Q
weder Randpunkt noch innerer Punkt ist. Die Menge aller inneren Punkte und
Randpunkte heißt Dreieck, kurz ∆ABC .
Die Punkte A, B, C werden als Ecken des Dreiecks bezeichnet.
Bevor wir in der Lage sind, einen Kreis einzuführen, benötigen wir einen
Abstandsbegriff.
Axiom 7: (Abstandsaxiom)
Zwei Punkten A, B ∈ Γ lässt sich eindeutig durch eine nichtnegative reelle Zahl
AB (genannt Entfernung oder Abstand) derart zuordnen, dass
a)
AB = 0 ⇔ A = B
b)
AB = BA
c)
AB + BC = AC , für B ∈ AC, C ∈ Γ \ {A}
d)
AB + BC > AC , für B ∉ AC, C ∈ Γ \ {A} (Dreiecksungleichung)
Bemerkung 2.2:
Für A, B ∈ Γ mit A ≠ B fo lg t AB > 0 aus Axiom 7a) und der Eigenschaft
AB ≥ 0 .
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Elementargeometrie
Kreis mit Radius r um M
Definition 2.6:
Sei M ∈ Γ und r ∈ R 0r (r ≥ 0 ) , dann heißt die Menge
{
}
k (M,r ) = A ∈ Γ AM = r Kreis mit Mittelpunkt M und Radius r.
Möglichkeiten von Kreisschnitten verschiedener Kreise:
Axiom 8:
Zwei verschiedene Kreise haben höchstens zwei gemeinsame Punkte. Es sind
genau zwei Punkte, wenn zum einen Kreis mindestens ein innerer und ein
äußerer Punkt des anderen Kreises gehört.
Abstände auf Halbgeraden
Axiom 9:
( AB ) gibt es zu gegebenem r > 0 genau
( AB ) mit PA = r .
Auf jeder Halbgeraden AB +
einen Punkt P ∈ AB +
−
−
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Definition 2.7:
Seien A, B ∈ Γ mit A ≠ B . Ein Punkt P ∈ AB heißt Mittelpunkt der Strecke
AB , falls AP = PB gilt.
Konstruktion 1: Mittelpunkt
1. Schritt: Ziehe um A und B jeweils einen Kreis mit Radius r >
1
AB .
2
2. Schritt: Verbinde die Schnittpunkte der beiden Kreise.
3. Schritt: Der erzeugte Schnittpunkt mit AB stellt den Mittelpunkt der
Strecke dar.
Satz 2.5:
Jede Strecke besitzt genau einen Mittelpunkt.
Beweis:
Seien A,B ∈ Γ
mit
A ≠ B und g = AB
a) Existenz des Mittelpunktes
Zu r =
1
AB > 0 existiert laut Axiom 9 genau ein Punkt
2
P ∈ g mit AP = r .
Annahme:
P ∉ AB , dann gilt B ∈ AP
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Axiom7a)
⇒
AB + BP = AP =
⇒ BP = −
1
AB
2
1
AB = −r < 0 , Widerspruch zu
2
⇒ P ∈ AB
und somit mit
AP + PB = AB ⇒ PB =
⇒ P ist Mittelpunkt
von
BP ≥ 0
Axiom 7a)
1
AB = r
2
AB
b) Eindeutigkeit des Mittelpunktes
Seien M , P ∈ Γ zwei Mittelpunkte der Strecke AB , dann gilt
M ∈ PB
ν M ∈ AP
Im Fall M ∈ PB erhalten wir mit Axiom 7a):
PM + MB = PB
Mit
MB =
1
AB
2
und
PB =
1
AB
2
Axiom7a)
folg t PM = 0 ⇒ P = M
Analog für M ∈ AP
Winkel und Winkelmaß:
Es gibt 2 Möglichkeiten einem Winkel ein Winkelmaß zuzuordnen.
Axiom 10: Umlaufsinn
Allen Punkttripeln A,B,C ∈ Γ
mit
A ∉ BC lässt sich eindeutig derselbe
Umlaufsinn zuordnen. Das kann auf zwei Weisen passieren.
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I)
ABC
II)
ACB
Der dem Uhrzeigersinn entsprechende Umlaufsinn wird als
(mathematisch) negativ, der andere als (mathematisch) positiv
bezeichnet.
Definition 2.8: (Winkel)
Seien S, A, B ∈ Γ und g = SA, h = SB zwei Halbgeraden mit Anfangspunkt
S. Dann verstehen wir unter dem Winkel gh, kurz ) ( g,h ) die Punktmenge
bestehend aus der Vereinigung von g und h und allen Punkten die von g
überstrichen werden, wenn g im mathematisch positiven Sinn um S auf h
gedreht wird. S heißt Scheitelpunkt des Winkels und g, h heißen Schenkel.
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Beispiele 2.1:
T1,T2 ,T3 ∈ ) ( g,h ) ,T4 ∉ ) ( g,h )
a)
b)
c)
Den Beispielen können wir folgende Eigenschaften für T ∈ ) ( g,h ) entnehmen:
T ∈ SA
oder
T ∈ SB oder T hat folgende Eigenschaften
a) SAT und STB haben positiven Umlaufsinn, falls SAB positiven
Umlaufsinn hat oder S ∈ AB gilt.
b) SAT oder STB haben positiven Umlaufsinn, falls SAB negativen
Umlaufsinn besitzt.
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