CLINICAL 12 Surgical Tribune | Leseprobe Technik der parietalen und viszeralen Peritonektomie Prof. Dr. med. Pompiliu Piso, Dr. med. Hubert Leebmann und Dr. med. Max Mayr Einleitung Die Kombination aus zytoreduktiver Chirurgie, perioperativer intraperitonealer Chemotherapie und begleitender systemischer Chemotherapie stellt derzeit den Therapieansatz mit der größten Erfolgsaussicht auf langfristige Tumorkontrolle bei primären und sekundären peritonealen Malignomen dar. Das Prinzip der Behandlungsmethode ist die komplette Entfernung aller makroskopisch sichtbaren Tumorherde mittels viszeraler und parietaler Peritonektomie sowie die Therapie verbliebener mikroskopischer Tumorherde mittels intraperitonealer Chemotherapie. Gegenüber der alleinigen systemischen Chemotherapie kann durch diese multimodale Therapie die Überlebenszeit ausgewählter Patienten verdoppelt werden. DGCH-Kongress: Sitzung „HIPEC/ HITOC“ 2. Mai, 8.30 – 10 Uhr, Saal 14a Indikation Hauptindikationen für die multimodale Therapie bei PC sind primäre peritoneale Tumoren wie das maligne peritoneale Mesotheliom sowie sekundäre peritoneale Absiedlungen bei kolorektalen Karzinomen und Pseudomyxoma peritonei. Unter Studienbedingungen werden außerdem Patienten mit peritoneal metastasierten Magenkarzinomen, Ovarialkarzinomen oder Sarkomen behandelt. Tumormanifestationen außerhalb des Peritoneums (Ausnahme: limitierte, gut resektable Leberfiliae) stellen eine Kontraindikation dar. Von wesentlicher Bedeutung ist außerdem ein ausreichend guter Allgemeinzustand des Patienten. Selektion der Patienten Von dem vorgestellten Therapiekonzept profitieren vor allem Patienten mit limitierter Peritonealkarzinose, bei denen eine makroskopisch vollständige Zytoreduktion erreicht werden kann. Die Vollständigkeit der zytoreduktiven Chirurgie wird mit dem „Completeness of Cytoreduction (CC) Score“ erfasst. Die präoperative Beurteilung der Operabilität basiert meist auf einer Computertomografie mit oraler, rektaler und intravenöser Kontrastmittelapplikation. Die Wertigkeit einer zusätzlichen PET wird in der Literatur kontrovers diskutiert. Vor allem bei geringer Tumorlast ist die Genauigkeit von CT und PET/CT jedoch häufig unzureichend. Bei unklarem Befund in der bildgebenden Diagnostik kann die Tumorlast und -verteilung durch eine explorative Laparoskopie festgestelt werden. Insbesondere das Ausmaß des Dünndarmbefalls – die häufigste Ursache einer inkompletten chirurgischen Zytoreduktion – muss bestimmt werden. Die Ausdehnung des Tumorbefalls im Abdomen wird durch Scoringsysteme beschrieben. Am bekanntesten ist der semiquantitative „Peritoneal Cancer Index“ (PCI). Das Abdomen wird hierbei in 13 Regionen eingeteilt, wobei Abb. 1: Die vordere Bauchwand wird mit Klemmen aufgespannt und das parietale Peritoneum disseziert. Die Exposition ist sehr gut, ohne Beeinträchtigung durch muzinöse Tumormassen oder Darmschlingen. jede Region, je nach Größe der Tumorknoten, mit 0 bis 3 Punkten bewertet wird. Somit ist ein maximaler Punktwert von 39 erreichbar. frequenzchirurgie eingesetzt (sogenannte elektroevaporative Chirurgie mit der kleinen 2-mm-Kugelelektrode). Grundprinzipien der Peritonektomie Technik der Peritonektomie Das Ausmaß der Peritonektomie hängt von der Tumorentität und dem vorgefundenen Befallsmuster ab. Bei primär peritonealen Malignomen wird grundsätzlich eine komplette Peritonektomie durchgeführt, bei sekundären peritonealen Absiedlungen ist in der Regel eine sogenannte selektive Peritonektomie, das heißt die Resektion des betroffenen Areals, ausreichend. Ziel der Peritonektomie ist jeweils eine möglichst vollständige Entfernung aller Tumorläsionen. In vielen Fällen müssen neben dem Peritoneum parietale tumortragende Organe/ Organteile reseziert werden. Häufig muss die Peritonektomie mit einer multiviszeralen Resektion kombiniert werden. Da in allen Quadranten operiert wird, setzt die Operation eine besondere viszeralchirurgische Expertise voraus. Der rechte Oberbauch stellt dabei die größte Herausforderung dar. Voraussetzung für die Prozedur ist deshalb ausreichende Erfahrung in der hepatobiliären Chirurgie. Die Präparationsstrategie ist „zentripetal“ – das heißt, die Präparation erfolgt über weite Strecken extraperitoneal. Der Situs wird von peripher nach zentral, zu Aorta und Vena cava hin entwickelt. Hierbei können keine klassischen Sicherheitsabstände eingehalten werden. Aufgrund der entstehenden großen Wundfläche wird zur Dissektion meist Hoch- Abb. 2: Darstellung eines „Omental cake“ als typische Lokalisation von peritonealen Metastasen. Die Omentektomie kann sehr oft unter Erhalt des Colon transversum erfolgen. Lagerung und Zugang Um eine gute Exposition zu ermöglichen, werden die Patienten in Steinschnittlagerung gelagert. Der operative Zugang erfolgt über eine mediane Laparotomie vom Xiphoid bis zur Symphyse. Extraperitoneale Präparation Bei vielen Patienten ist es sinnvoll, zunächst streng extraperitoneal zu präparieren. Die Präparation wird bei noch geschlossenem Peritonealsack bis weit in die Flanke, nach subdia phragmal und retropubisch geführt. Dadurch wird verhindert, dass Aszites und muzinöse Tumormassen die Erkennung der anatomischen Strukturen behindern. Routinemäßig sollte zur Exposition ein Retraktor verwendet werden, z. B. Omnitract in eigenem Vorgehen. Da viele Patienten bereits voroperiert sind, wird die Haut nach dem Schnitt mit stabilen Nähten mithilfe von Klemmchen am Retraktorrahmen fixiert, wodurch die iatrogene Verletzung von Darmschlingen verhindert und die extraperitoneale Präparation vereinfacht wird. Das Ablösen des Peritoneums von der Bauchwand wird zur besseren Blutungskontrolle der entstehenden großen Wundfläche unter Verwendung einer hohen Wattzahl vorwiegend mit einer monopolaren Kugelelektrode durchgeführt. Viele Präparationsschritte werden auch mit Versiegelungsgeräten durchgeführt, wodurch die OP-Zeit erheblich verkürzt werden kann. Nach Eröffnung der Peritonealhöhle erfolgt zunächst eine vollständige Adhäsiolyse in allen Regionen. Deserosierungen müssen sehr sorgfältig übernäht werden, da Serosaläsionen insbesondere in Kombination mit hyperthermer intraperitonealer Chemotherapie zu Dünndarmleckagen führen. Nach anschließender sorgfältiger Exploration des gesamten Bauchraumes wird die endgültige Entscheidung für oder gegen eine Resektion getroffen. Besonders die Ausdehnung des Dünndarmbefalls kann häufig erst in diesem Stadium der Operation mit letzter Sicherheit festgestellt werden. Erscheint unter den vorliegenden Umständen eine komplette makroskopische Resektion möglich, wird das parietale Peritoneum mit Klemmen aufgespannt, um eine bessere Exposition zu gewährleisten (Abb. 1). Resektions- und Rekonstruktionsphase Das Ausmaß der Resektion richtet sich nach den befallenen Arealen des Abdomens und kann bei diffusem Befall alle vier Quadranten betreffen. Häufig durchgeführte Prozeduren sind: Peritonektomie des linken oberen Quadranten, Peritonektomie des rechten oberen Quadranten, Omentektomie, Resektion des Omentum minus, Peritonektomie im kleinen Becken (gegebenenfalls mit Hysterektomie und Resektion des Rektosigmoids), Dünn- und Dickdarmresektionen, Cholezystektomie, Splenektomie, Gastrektomie oder Magenresektion. CLINICAL Surgical Tribune | Leseprobe 13 Abb. 4: Deperitonealisierung und En-bloc-Resektion des kleinen Beckens bei einer Patientin mit Peritonealkarzinose. Durch die Dissektion des Douglas-Pouches nach kranial entlang vom perirektalen Fettgewebe gewinnt man bis zu 4 cm Rektumlänge. Die Anastomose kommt später 8–9 cm ab ano zum Liegen. Abb. 3: Resektion der Leberkapsel. Wichtig ist, den ZVD niedrig zu halten, um Blutungen zu vermeiden. In einigen Fällen sind nur ein bis zwei dieser Prozeduren notwendig, um eine komplette Zytoreduktion zu erreichen. Bei kompletter parietaler und viszeraler Peritonektomie wird die Operation sehr umfangreich und kann dann bis zu zehn Stunden dauern. Die Organresektion mit viszeraler Peritonektomie beginnt in der Regel mit der Entfernung des Omentum majus. Bei entsprechender Tumorausdehnung findet sich hier als typischer Befund ein sogenannter Omental cake (Abb. 2). Auch bei ausgedehnter metastatischer Durchsetzung des Omentum majus gelingt es meist, das große Netz vom Querkolon abzupräparieren und damit das Colon transversum zu erhalten. Nur in Einzelfällen muss die Resektion des Omentum majus en bloc mit dem C. transversum erfolgen. Da peritoneale Metastasen im Ileozökalbereich und im Becken typische Tumorlokalisationen darstellen und dementsprechend häufig eine Hemikolektomie rechts in Kombination mit einer Resektion des Rektosigmoids durchgeführt werden muss, sollte versucht werden, das Querkolon zu erhalten, um die Lebensqualität möglichst wenig zu kompromittieren. Im Folgenden werden die gastroepiploischen Gefäße sowie Vasae gastricae breves abgesetzt. Sollte die Milz befallen sein, so erfolgt anschließend die Darstellung der Milzgefäße im Bereich des Pankreasschwanzes sowie die Durchtrennung zwischen Durchstichligaturen mit Entfernung des Resektates. Im linken oberen Quadranten erfolgt zunächst die Entfernung des parietalen Peritoneums von der diaphragmalen Muskelplatte. Sollten im Rahmen der parietalen Peritonektomie Zwerchfellteilresektionen notwendig sein, macht es Sinn, diese mit einem Stapler durchzuführen, um eine Eröffnung und Tumorkontamination der Pleurahöhle zu vermeiden. Die Peritonektomie des rechten oberen Quadranten beginnt ebenfalls mit der Präparation des parietalen Peritoneums von der ventralen Bauchwand und dem diaphragmalen Muskel. Im Anschluss erfolgt die Dissektion der Leberoberfläche, wobei die Glisson’sche Kapsel meist mit reseziert werden muss. Die Präparation erfolgt hier kleinschrittig unter Anwendung des Argonbeamers und der bipolaren Koagulation, um den Blutverlust zu minimieren. Die Dekapsulierung der Leber muss von lateral nach medial erfolgen, um eine sogenannte Liver Fracture durch Zug zu vermeiden (Abb. 3). Als nächster Schritt bietet sich die Cholezystektomie an, die in üblicher Technik retrograd durchgeführt wird. Unter Schonung der Strukturen des Leberhilus erfolgt sodann die Entfernung des Peritoneum im Ligamentum hepatoduodenale. Die Resektion des Omentum minus wird vorgenommen, oft gefolgt von der Resektion von Tumorknoten an der vorderen Pankreaskapsel. Sollte der Pankreasschwanz durch die Dissektion besonders traumatisert sein, müsste eine Pankreasschwanzresektion durchgeführt werden, ansonsten sind die Verläufe durch Pankreatitis mit Fistelbildung sehr protrahiert. Bei dem sogenannten Stripping der Bursa omentalis sollte besonders auf A. gastrica sinistra geachtet werden, da die Verletzung des Gefäßes zu einer totalen Gastrektomie führen kann (die A. gastrica sinistra ist nach Omentektomie und Splenektomie die einzig verbleibende magenversorgende Arterie). In einigen Fällen ist das Magenantrum vom Tumor befallen (Subpyloric space), sodass eine Antrektomie (bei ausgedehnterem Befall auch eine Gastektomie) notwendig wird. Der Magen wird oral und aboral mit einem Linearstapler abgesetzt und der Duodenalstumpf übernäht. Die Rekonstruktion erfolgt meist nach Roux-Y mittels einer ausgeschalteten Jejunalschlinge. Nach Gastrektomie erfolgt die Rekonstruktion maschinell mit einem 28-mm-CEEA-Stapler. Die Anastomose wird zirkulär mit resorbierbaren monofilamentären Fäden 4-0 übernäht. Nach Beendigung der Peritonektomie im Oberbauch erfolgt nun die Zuwendung zum kleinen Becken. Dieser Teil ist in der Regel technisch weniger anspruchsvoll als der Oberbauch. Analog zu Vorgehen in den anderen Regionen wird auch hier zunächst das Peritoneum vom hinteren Blatt der Rektusscheide nach lateral und distal bis zum Harnblasendach abpräpariert. Sollte der Douglas-Pouch vom Tumor befallen und eine Rektumresektion erforderlich sein, so erfolgt die Durchtrennung der A. und V. mesenterica inferior. Im kleinen Becken erfolgt die Präparation entsprechend der totalen mesorektalen Exzision, das heißt zwischen Fascia parietalis bzw. visceralis. Bei den beschriebenen Resektionsschritten er- folgt eine beidseitige Ureterolyse. In einigen Fällen kann auch eine Resektion des DouglasPouches unter Rektumerhalt möglich sein. Bei Befall des Rektums wird dieses mithilfe eines Klammernahtgerätes meist tief, das heißt, unterhalb des Douglas-Pouches, abgesetzt. Wichtig ist, dass der Pouch nach kranial vom perirektalen Fettgebewebe abpräpariert wird. Somit gewinnt man bis 4 cm Rektumlänge und die Anastomose kommt später 8–9 cm ab ano zum Liegen. Die Insuffizienzrate kann dadurch niedrig gehalten werden. Sollte bei weiblichen Patienten aufgrund von Tumorinfiltration eine Hysterektomie notwendig sein, so wird diese nach Durchtrennung der Aa. uterinae sowie des Lig. teres uteri und nach Absetzen der Vagina als En-bloc-Resektion mit dem Rektum durchgeführt (Abb. 4). Zur Wiederherstellung der Darmkontinuität wird eine maschinelle Anastomose als Descendorektostomie angelegt. Das Vorschalten eines protektiven doppelläufigen Ileostomas ist nicht zwingend notwendig. Bei älteren Patienten, bei Co-Morbidität oder bei der Durchführung mehrerer Peritonektomieverfahren ist jedoch eine Anlage sinnvoll, um das Gesamtrisiko niedriger zu halten. Sofern weitere Kolon- oder Dünndarmsegmentresektionen notwendig sind, wird die Kontinuität meist durch End-zu-End- oder End-zu-Seit-Anastomosen mit monofilem Nahtmaterial wiederhergestellt, seromuskulär gestochen, meist einreihig in fortlaufender Technik. Problematisch kann die Dissektion im Mesenterium sein. Hier hilft eine sogenannte Aquadissektion, wobei unterhalb des Peritoneums, zum Abheben dessen, sterile Kochsalzlösung unter leichtem Druck instilliert wird. Nach Abschluss der Resektions- und Rekonstruktionsphase werden die Drainagen zur Durchführung der hyperthermen intraperitonealen Chemotherapie (HIPEC) eingelegt. Außerdem werden nach Peritonektomie des linken und/oder rechten oberen Quadranten oft Thoraxdrainagen eingelegt. Zum einen können nach Deperitonealisierung des Zwerchfells kleine Leckagen vorhanden sein, die während der intraperitonealen Chemotherapie zu einem Erguss durch das Chemoperfusat führen. Zum anderen kann die Deperitonealisierung des Zwerchfells selbst zu Pleuraergüssen führen, die die Lungenfunktion beeinträchtigen. Lernkurve Diese komplexe Behandlung ist mit einer langen Lernkurve verbunden. Bis zu 140 Eingriffe müssen durchgeführt werden, um die Komplikationsrate akzeptabel zu halten und das optimale onkologische Ergebnis zu erreichen. Dabei muss nicht nur die OP-Mannschaft, sondern das gesamte Team berücksichtigt werden (Anästhesie, Intensivstation, Pflege auf der Normalstation usw.). Die Indikationsstellung und die Erkennung und Behandlung von Komplikationen spielen eine besondere Rolle. Zentrenbildung Gerade wegen der Lernkurve, der aufwendigen Operation und der perioperativen Komplikationen macht eine Zentrumsbildung Sinn. Die Deutsche Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie unterstützt dies durch die Zertifizierung von Zentren zur chirurgischen Behandlung von bösartigen Erkrankungen des Peritoneums. Die Daten der Patienten sind im zentralen HIPEC-Register dokumentiert. Fazit Die parietale und viszerale Peritonektomie ist Teil eines multimodalen Therapiekonzeptes zur Behandlung ausgewählter Patienten mit einer Peritonealkarzinose. Gerade für das kolorektale Karzinom liegen ausreichende Daten vor, die die Wirksamkeit des Konzeptes belegen. Die Technik ist aufwendig und mit einer langen Lernkurve verbunden. Die Durchführung in Zentren ist sinnvoll. Eine Literaurliste ist auf Anfrage erhältlich. Lesen Sie weitere klinische Artikel auf www.surgical-tribune.com. PROF. DR. MED. POMPILIU PISO Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie Krankenhaus Barmherzige Brüder Regensburg Prüfeninger Straße 86 93049 Regensburg Tel.: 0941 369-2201 Fax: 0941 369-2206 [email protected]