Analyse von ATLAS-Daten: 0 Zerfälle des Z -Bosons Dr. Sebastian Schätzel Physikalisches Institut Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg 15. März 2011 Vortragsübersicht Ziele ● an die Aufgabenstellung heranführen ● Demonstration des Analyseprogramms Inhalt ● Der Teilchenzoo ● Wechselwirkung von Teilchen mit Materie ● Der ATLAS-Detektor ● Das Z-Boson und die Masterclass-Aufgabe ● Zufall und statistische Genauigkeit 2 Der Teilchenzoo Das Periodensystem der Teilchenphysik λεπτος (leptos): leicht, fein 4 Masseneinheit Elektronvolt (eV) ● ● die Energie, die ein Elektron beim Durchfliegen einer Potentialdifferenz von 1 Volt erhält Masse ist äquivalent zu Energie Energie = Masse · Lichtgeschwindigkeit 2 Masse 91,2 GeV Z-Boson 0,93 GeV Proton 0,105 GeV Myon 0,000511 GeV Elektron Vorsilbe: „G“ = Giga = 109 „M“ = Mega = 106 5 Quarks formen Hadronen ● Atom ● Kern (Protonen und Neutronen) ● Elektronen ● durch Photonen zusammengehalten Photon überträgt elektromagnetische Wechselwirkung ● Hadron ● 2 oder 3 Quarks (z.B. Proton, Neutron) ● durch Gluonen zusammengehalten Gluon überträgt Starke Wechselwirkung ἁδρός (hadros): voll, dicht, dick nimmt an Starker Wechselwirkung teil 6 Quarks erzeugen Jets ● ● Ein Quark erzeugt einen ganzen Schauer von Hadronen (genannt „Jet“), die in dieselbe Richtung wie das Quark fliegen. Man sieht kein einzelnes Quark, sondern den Hadron-Jet. 7 Wechselwirkung von Teilchen mit Materie Wechselwirkungsarten ● Geladene Teilchen ● Ionisation ● Anregung ● Übergangsstrahlung ● Cherenkov-Strahlung ● ● ● Photonabstrahlung und Elektronpaarbildung (elektromagnetischer Schauer) Hadronische Schauer Neutrale Teilchen ● Photon: Elektronpaarbildung, Comptoneffekt ● Hadronen: inelastische Stöße mit Kernen, hadronische Schauer 9 Ionisation geladene Teilchen ionisieren Gas (schlagen Elektronen aus der Atomhülle) freies Elektron Ion Gasatom 10 Geiger-Müller-Zählrohr ionisierendes Teilchen Außenelektrode Innenelektrode Füllgas Signal U0 11 Spurdetektor ionisierendes Teilchen Anodendrähte Kathodendrähte 12 Impuls aus Spurkrümmung ● Spurdetektor befindet sich in einem Magnetfeld ● auf geladene Teilchen wirkt die Lorentzkraft: ● diese lenkt die Teilchen kreisförmig ab ● Lorentzkraft = Zentripetalkraft ● q: ist entweder +e oder -e, Vorzeichen aus Richtung der Krümmung ● ● B: von außen vorgegeben, r = Krümmungsradius ⇒ kann Impuls p ausrechnen hohe Impulse nur ungenau messbar (Krümmung schlecht messbar) 13 Kalorimeter ● ● lat. calor = Wärme, hier: Messung der (kinetischen) Energie für hohe Teilchenenergien genauere Energiemessung als Spurdetektor (für E≫m: E ≈ p) ● Nachweis auch neutraler Teilchen ● Teilchen werden im Material gestoppt ● kinetische Energie überträgt sich in Detektorsignal 14 Teilchenschauer hochenergetisches Primärteilchen ● einfallendes Primärteilchen erzeugt mehrere Sekundärteilchen ● Energie des Primärteilchens teilt sich auf Sekundärteilchen auf ● Sekundärteilchen können auch wieder Teilchen erzeugen Endprodukt: viele Teilchen mit geringer Energie ⇒ ihre Energie wird durch Ionisation gemessen 15 Elektromagnetische Schauer Elektron Elektron Elektron Photon Positron ● Elektron strahlt Photon ab ● ● Photon konvertiert in ein Elektron und ein Positron (Teilchen können aus Energie erzeugt werden: E=mc 2) Myonen strahlen selten Photonen ab ● machen selten einen EM Schauer ● werden im Kalorimeter nicht gestoppt ● Grund: beschleunigte Ladungen strahlen – Beschleunigung (oder Abbremsung) durch EM Feld des Materials (Kerne und Hüllenelektronen) – Myon 200mal so schwer wie Elektron ⇒ weniger stark beschleunigt (F=ma) 16 Hadronischer Teilchenschauer ● Hadron trifft auf Kern ● ● ● durch Umkonfiguration der Quarks entstehen andere Hadronen diese fliegen weiter und treffen selbst auf Kerne Kaskade geladene Hadronen regen auch die Hüllenelektronen an (bis hin zu Ionisation) Endprodukt: niederenergetische geladene Teilchen, Energie wird durch Ionisation vermessen 17 Der ATLAS-Detektor CERN bei Genf Europäisches Kernforschungszentrum CERN LHC 27 km Umfang Protongeschwindigkeit = 0.999999959·c 19 LHC mit Experimenten Alpen Jura (Delphi) (L3) Animation 1 Animation 2 Film 20 Der ATLAS-Detektor 25 m 44 m 21 Teilchenidentifikation mit ATLAS ● kann Teilchensorten mit Detektor unterscheiden ● sie erzeugen charakteristische Muster von Detektorsignalen ● Analyse = Mustererkennung Abkürzend gilt im folgenden: „Elektron“ bezeichnet sowohl das Elektron als auch das Positron, „Myon“ bezeichnet Myon und Antimyon. „positiv geladenes Elektron“ = Positron 22 Teilchen im Detektor Elektron leicht aufzuhalten Myon schwer aufzuhalten „was bis nach außen durchkommt, ist ein Myon“ interaktive Animation 23 Spurdetektor Magnetfeld 2T Lorentzkraft: geladene Teilchen auf Helixbahn abgelenkt 24 Kalorimeter Kinetische Energie der Teilchen wird in Detektorsignale umgewandelt Elektronen werden hier gestoppt 25 Myondetektor Signale in Detektoren außerhalb der Kalorimeter rühren von Myonen her. Nur Myonen durchdringen die Kalorimeter. 26 Teilchenidentifikation mit ATLAS Particle ID with ATLAS.swf 27 Das Z-Boson und die Masterclass-Aufgabe Das Z0-Teilchen ● ● Elektron + Positron ⇒ Teilchen, z.B. Myon + Antimyon In der Sprache der Quantenelektrodynamik (QED): QED mit Z0 ● Um die Messung zu beschreiben, muss ein weiteres Teilchen auftreten, das Z0: E = 34 GeV Figur aus Mandl/Shaw „Quantenfeldtheorie“ Z vermittelt EM und schwache Wechselwirkung 29 Das Z0-Teilchen ● elektrisch neutral ● sehr schwer: mZ0 = 91,2 GeV = 1,62 · 10 ● sehr kurze Lebensdauer: 2,6 · 10-25 s ● -25 -17 Reichweite (Flugstrecke): <7,8 · 10 100mal so schwer wie ein Proton! kg fliegt weniger weit als ein Zehntel des Protonradius! m Zerfälle Quarks Neutrinos Ein Teilchen kann nur in Teilchen zerfallen, die leichter sind. ⇒ daher kein Zerfall in ein Top-Antitop-Paar 30 Energie, Impuls und Masse relativistischer Zusammenhang (Lichtgeschwindigkeit weggelassen) für jedes Teilchen betrachte Zerfälle Z→e+e-, Z→μ+μ- Energieerhaltung: Impulserhaltung: kann mZ aus Energien und Impulsen der Zerfallsteilchen ausrechnen Das macht für uns der Computer... 31 ● ● gegeben: 10000 Zerfälle Z→e+e-, Z→μ+μ- ● ● rechne für jeden Zerfall die Masse m aus ● ● Häufigkeit Histogramm der Masse zähle wie häufig bestimmte Massenwerte auftreten m (GeV) Position des „Peaks“ = tatsächlicher Wert der Masse ● „Breite“ der Verteilung („RMS“) verursacht durch ● ● endliche Lebensdauer des Teilchens ● ● Auflösungseffekte: Energie und Impuls können nicht exakt gemessen werden ● 32 Massenpeak + - Z→e e e+e-→Z Erzeugung Häufigkeit Zerfall Zeitumkehr Ein Peak ist ein Hinweis, dass es ein Teilchen mit dieser Masse gibt Je breiter der Peak, desto geringer die Lebensdauer des Teilchens. m12 (GeV) Resonante Erzeugung, wenn die Energien und Impulse von e+ezur Masse des Z-Teilchens passen. Vgl. Schwingkreis, Resonanzfrequenz 33 Die Masterclass-Aufgabe Suche in 1000 LHC-Ereignissen nach Zerfällen Z→e+e-, Z→μ+μund bestimme mit ihnen die Masse des Z-Bosons. Ereignisbilder Untergrund aussortieren inspizieren Z-Zerfall e oder μ? Masse des Z-Bosons bestimmen aus Energien und Impulsen der Elektronen bzw. Myonen 34 Eventdisplay-Programm HYPATIA 35 Elektron-Spur auswählen 36 Elektron-Spur ausgewählt zweite Spur genauso auswählen 37 Masse berechnet 38 Aufschreiben 1 I 39 Auswertung Histogramm doppelklicken, wenn es nicht aktualisiert wird 40 Myon-Ereignis 41 Aufschreiben 1 I 2 I 42 Auswertung Aufgabe: Histogramm mit fast 50 Einträgen 43 Untergrund: Nur eine Elektron-Spur gestrichelte Linie zeigt an, wo ein Teilchen (Neutrino) entlang gelaufen sein muss, damit der Impuls erhalten ist 44 Aufschreiben 1 I 2 I 3 I 45 Jet-Untergrund viele Spuren, keine zwei isolierten Elektronen oder Myonen 46 Signal und Untergrund e+e- Untergrund Ereignis als Elektron-Ereignis klassifizieren (nicht als Untergrund) 47 Zufall und Statistische Genauigkeit Zufall in der Teilchenphysik ● ● Teilchenphysik: kleine Abstände, Abläufe können nicht genau vorhergesagt werden ● Quantenmechanik ● „Gott würfelt“ Zerfallsart eines einzelnen Z-Bosons nicht vorhersagbar Hmm, soll ich in Myonen oder Elektronen zerfallen? Z-Boson 49 Wahrscheinlichkeiten ● Wir schauen uns 1000 Z-Boson-Zerfälle an ⇒ wie häufig zerfallen sie im Mittel in Quarks, Elektronen, ... ● Das gibt uns Wahrscheinlichkeiten für die Zerfallsarten ● Beispiel: ● ● finde 870mal Zerfall in Quarks ⇒ Wahrscheinlichkeit = 870/1000 = 87% Aber: Wenn wir nochmal mit 1000 anderen Z-Bosonen zählen, erhalten wir vielleicht 860. Welche Zahl stimmt dann? 50 Statistische Unsicherheit zum Glück gibt es die Gaußsche Fehlerrechnung Beispiel: Analyse von 1000 Zerfälle ergibt 87% der Zerfälle gehen in Quarks Vorhersage (Gauß): mit 1000 anderen Z-Bosonen wird sich ein Wert wird im Bereich 86% bis 88% ergeben (mit 95% Wahrscheinlichkeit) Unsicherheit = 1 Prozentpunkt Carl Friedrich Gauß 1840 Je mehr Arbeit man sich macht, desto aussagekräftiger wird das Ergebnis: bei 8700 aus 10000 Z-Zerfällen (immernoch 87%) wäre die Vorhersage 8700 ± 40 Zerfälle ⇒ Unsicherheit: 40/10000 = 0.4 Prozentpunkte 51 Arbeitsteilung Wir teilen die „Last“ auf: ● ● Jeweils 2 Personen bilden eine Gruppe und arbeiten zusammen an einem Computer. Jede Gruppe bearbeitet andere Ereignisse. Am Ende kombinieren wir die Ergebnisse. 52 Hochladen der Ergebnisse ● ● ● ● ● ● Tabellenkalkulationsdokument abspeichern Webbrowser starten https://docs.google.com/?pli=1&authuser=0#home ● username: masterclasses2011 ● Passwort: masterclass Auf „Upload“ klicken 53 Hochladen der Ergebnisse klicke „Select files to upload“ ● ● zu Desktop navigieren ● ● groupA.ods auswählen (entsprechend der Gruppe) ● ● Häkchen enfernen ● ● Destination collection: My Collections/Z-Path/ Institute Results/15 March/Heidelberg ● ● „Start upload“ klicken ● ● 54 ANHANG Berechnung der statistischen Ungenauigkeit Berechnung der Zerfallsbreiten Statistische Ungenauigkeit 57 Berechnung der Zerfallsbreiten genauso μ,τ daher Zerfallsbreite gleich für e,μ,τ 58 Berechnung der Zerfallsbreiten 59 Berechnung der Zerfallsbreiten 60